11. Jahrgang • Heft 1/2012 • S. 1 Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte: – Der lange Weg von der Normsetzung zur Umsetzung Beate Bahner, Heidelberg I. Einführung Fast zehn Jahre ist es nun her, dass das strikte Werbeverbot der Musterberufsordnung für Ärzte aufgehoben ⊳ 1 2 3 4 5 6 7 RAin Beate Bahner ist Fachanwältin für Medizinrecht mit eigener Kanzlei in Heidelberg und Autorin mehrerer arztrechtlicher Fachbücher im Springer Verlag Heidelberg, unter anderem zum Thema „Das neue Werberecht für Ärzte. Auch Ärzte dürfen werben“, 2. Auflage 2004 (Neuauflage in Bearbeitung). Durch Beschluss des 105. Deutschen Ärztetages in Rostock im Mai 2002. Anzeigen waren damals nur gestattet bei krankheits- oder urlaubsbedingter Abwesenheit sowie bei Änderung der Sprechstundenzeiten. Kein Anwalt oder anderer Unternehmer im allgemeinen Geschäftsverkehr würde indessen seine Krankheit oder seinen Urlaub ernsthaft zur Werbung mittels Zeitungsannonce einsetzen wollen. Der Bundesärztekammer folgend haben im weiteren Verlauf auch die Landesärztekammern in den jeweiligen Berufsordnungen die Vorschriften des Kapitel D I aufgehoben. Vgl. zur Aufhebung des ärztlichen Werbeverbotes durch die Novellierungen der Musterberufsordnung in den Jahren 2000 und 2002 ausführlich Bahner, Das neue Werberecht für Ärzte, 2. Aufl. 2004, S. 51 ff. Vgl. zur aktuellen Novellierung des Berufsrechts Ratzel, GesR 2011, 536 mit Hinweis auf das in § 27 neu verankerte Verbot der Fremdwerbung und die Aufhebung des § 28 BO. Vgl. die Erstauflage (2001) des oben genannten Buches der Autorin, S. 30. Allerdings gibt es selbst in der Literatur teilweise noch erheblichen Aktualisierungsbedarf: So werden die „Grundsätze der Bundesärztekammer“ aus dem Jahre 2003 zur Werbung und die dort aufgelisteten – angeblich unzulässigen – Werbemaßnahmen unter der Überschrift „Anpreisen“ abgedruckt, ohne deren offensichtliche Verfassungswidrigkeit auch nur zu thematisieren (vgl. die Kritik zu diesen Grundsätzen schon 2004 bei Bahner, S. 61). Im Heidelberger Kommentar von Rieger/Dahm/Steinhilper mit letzter Aktualisierung von Oktober 2011 ist unter Nr. 5530 noch immer der Beitrag unter dem Titel „Werbeverbot“ Stand 2001 enthalten, was kaum mehr nachvollziehbar ist. Auch Laufs spricht in der aktuellen 4. Auflage seines Handbuches Stand 2010 noch von „Werbeverbot“ (und Wettbewerbsrecht), § 15 S. 171. Das Werbeverbot der Ärzte fand bereits Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Eingang in das ärztliche Standesrecht mit dem Ziel, die „richtigen“ (also an der Universität ausgebildeten) Ärzte von den nicht akademisch ausgebildeten, als „marktschreierisch“ kritisierten Heilpraktikern oder Badern abzugrenzen. Verfassungsbeschwerden sind nur mit einem Anteil von etwa 2 % erfolgreich, vgl. www.bundesverfassungsgericht.de/organisation/ gb2010/A-IV-2.html. wurde.1 Endlich wurde das damalige „Kapitel D I“, eine fast vier Seiten umfassende Vorschrift mit langatmigen und kleinkarierten Vorgaben, etwa zur Größe der Praxisschilder oder zur Zulässigkeit von Zeitungsanzeigen2 mit nahezu kühner Geste einfach gestrichen.3 Der schon im Jahre 2001 erhobenen Forderung der Autorin nach einer Anpassung der berufsrechtlichen Regelungen an das allgemeine Wettbewerbsrecht4 wurde damit zwar in normativer Hinsicht Rechnung getragen – und das überraschend schnell. Umso langsamer erfolgte indessen die Umsetzung des Werbe- und Informationsrechts durch die Kammern und Berufsgerichte. Offensichtlich war in vielen Köpfen der Kammervertreter und der ärztlichen und zahnärztlichen Berufsgerichte das „hehre“ Standesprinzip des Werbeverbotes noch fest verankert.5 Mochte man es diesen „Hütern des Standesrechts“ nachsehen, dass das mit der Aufhebung des Werbeverbotes erforderliche Umdenken nur langsam und zäh vor sich geht, nachdem das strenge Werbeverbot über fast ein Jahrhundert lang eine der am strengsten gehüteten und zugleich am härtesten sanktionierten Standespflichten war?6 Oder schauten auch andere Anwaltskollegen ungläubig auf berufsrechtliche Verfahren, die gegen ihre betroffenen (zahn-)ärztlichen Mandanten mit teilweise erbarmungslosem Charakter geführt wurden? Oder sollte sich die Anwaltschaft einfach über die seltene Chance freuen, gegen berufsrechtliche Sanktionen wegen angeblich unzulässiger Werbung mit reeller Erfolgsaussicht7 das Bundesverfassungsgericht anrufen zu können?8 Denn nachdem das Bundesverfassungsgericht vor allem in den Neunzigerjahren bis zum Jahre 2004 nahezu Dutzende von Entscheidungen zum Werberecht der Freiberufler gefällt hatte,9 war es in den vergangenen Jahren zu dieser Frage auf Verfassungsebene deutlich ruhiger geworden. Freilich hatte zwischenzeitlich nun auch der Bundesgerichts8 9 Für die Autorin treffen sicherlich alle Argumente zu, nachdem sie sich bereits vor zehn Jahren für die Liberalisierung des ärztlichen Werberechts eingesetzt und erst jetzt erstmalig die Chance hatte, drei berufsrechtliche Verurteilungen vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. Vgl. das Rechtsprechungsverzeichnis zum Werberecht, in Bahner, S. 363. Bahner 2 GesR 1/2012 Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte hof die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis genommen und seine bisherige strenge, oft stur am reinen Wortlaut der Werbeverbote orientierte Rechtsprechung allmählich aufgegeben.10 Dennoch verblieben einige Berufsgerichte und Kammern, die auch weiterhin mit erstaunlicher Überheblichkeit die gesamte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ignorierten und die eigenen Kammermitglieder weiterhin mit unsinnigen Verboten und Berufsgerichtsverfahren teilweise regelrecht schikanierten. Dies darf jedenfalls im Verfahren gegen das Zahnärztehaus Ilsfeld, welches die Zahnärztekammer Baden-Württemberg und das dort angesiedelte Berufsgericht und Landesberufsgericht gegen die dort tätigen Zahnärzte führten, auch im Sinne der betroffenen Zahnärzte zweifellos so formuliert werden. Erst mit der (allerdings auf den zweiten Anlauf) erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gewannen die betroffenen Zahnärzte nach jahrelanger zermürbender und kostspieliger Auseinandersetzung wieder Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Berufsgerichtsbarkeit zurück. Tatsächlich mussten also nach der Aufhebung des (übrigens von der Ärzteschaft selbst auferlegten) ärztlichen Werbeverbotes noch viele weitere Jahre vergehen und mussten viele kammerrechtliche Sanktionen und berufsrechtliche Urteile angegriffen werden, bis nun allmählich auch in den konservativsten Ärzte- und Zahnärztekammern und deren Berufsgerichten die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angekommen und umgesetzt ist. Der Beitrag befasst sich mit der aktuellen Rechtsprechung der Jahre 2010 und 2011 zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte und beginnt mit der soeben erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. II. Werberechtliche Entscheidungen zu Bezeichnungen 1. Zulässige Bezeichnung als „Zahnärztehaus“ Eine große Zahnarztpraxis, bestehend aus fünf Zahnärzten und einer Kieferorthopädin, bezeichnete sich als „Zahnärztehaus Ilsfeld“. Die Zahnärzte beschäftigen in einem großen Haus auf 3 Etagen über 450 qm zusammen mehr als 20 Mitarbeiter. In dem Gebäude befindet sich außerdem ein zahnärztliches Labor. Andere „fachfremde“ Unternehmen sind in dem Gebäude nicht untergebracht, sodass dort ausschließlich zahnärztliche und zahntechnische Leistungen erbracht werden. Im selben Ort befindet sich nur noch ein weiterer Zahnarzt. Die Zahnärzte waren wegen ihrer Bezeichnung als „Zahnärztehaus“ bereits im Jahre 2006 vom Berufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart mit einem ersten Berufsgerichtsverfahren und einer Geldbuße von 3.000,– € (500,– € je Person) belegt worden. Die hierauf eingelegte Berufung vor dem Landesberufsgericht blieb erfolglos, weshalb bereits im Jahre 2008 eine sorgfältig begründete Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung eingelegt wurde. Diese wurde jedoch als unzulässig abgewiesen, weil die beiden angegriffenen Urteile nicht innerhalb der Monatsfrist beigefügt waren, sondern mit den weiteren Anlagen (vermutlich einen Tag später) auf dem Postwege eingingen. Eine solche Entscheidung ist freilich frustrierend.11 Auch die aufwendige Individualrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit der Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) und des Rechts auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) blieb erfolglos. Freilich würden vermutlich kein Anwalt und keine Anwältin eine solche „Niederlage“ so offenherzig publizieren, wäre ihm oder ihr nicht das „Glück der zweiten Chance“ beschieden worden:12 Denn noch während des rechtshängigen Verfahrens vor dem EuGH leitete das Berufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart ein erneutes berufsgerichtliches Verfahren gegen das Zahnärztehaus Ilsfeld ein, nachdem die Zahnärzte auf ihrem Briefkopf weiterhin das Logo und die Wortmarke „Zahnärztehaus Ilsfeld“ geführt hatten. Die erneute Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot, sich als „Ärztehaus“ zu bezeichnen (§ 21 Abs. 4 Berufsordnung) erfolgte mit ähnlich knapper Begründung wie bereits im ersten Verfahren.13 Allerdings waren nun die Geldbußen verdoppelt worden auf insgesamt 6.000,– € (1.000,– € je 10 So wurde beispielsweise die Abbildung von Ärzten und Klinikpersonal in Berufskleidung unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Rechtsprechung nunmehr – entgegen der anderslautenden Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG – vom BGH zutreffend für zulässig erklärt, da eine unsachliche Beeinflussung oder gar eine Gesundheitsgefährdung der Patienten durch die Abbildung von Ärzten in Berufskleidung nicht zu befürchten sei, vgl. BGH, Urt. v. 1.3.2007 – I ZR 51/04. 11 Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen ausdrücklich klargestellt hat, dass Urteile gerade nicht innerhalb der Monatsfrist beigefügt werden müssen: „Die Vorlage der angegriffenen Entscheidungen ist keine zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung einer hinreichend substantiierten Verfassungsbeschwerde; es genügt, wenn der wesentliche Inhalt der angegriffenen Entscheidungen in einer der Beurteilung zugänglichen Weise wiedergegeben wird“, vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.7.2000 – 1 BvR 2260/97 m.w.N. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit der Nichtvorlage der angegriffenen Urteile binnen Monatsfrist vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.1.1990 – 1 BvR 306/86; BVerfG, Beschl. v. 15.9.1998 – 1 BvR 1540/98; BVerfG, Beschl. v. 18.9.1998 – 2 BvR 2059/93; BVerfG, Beschl. v. 10.10.1995 – 1 BvR 102/92; BVerfG, Beschl. v. 7.4.2000 – 1 BvR 2205/99. All diese Entscheidungen fanden indessen keine Beachtung. 12 Da angesichts dieser „Chance“ die zuvor erlittene Niederlage kein „Betriebsgeheimis“ bleiben muss, nutzt die Autorin dies gerne zugleich als kollegialen Tipp für die eigenen Kollegen: Das Bundesverfassungsgericht sucht und findet jedwede Gelegenheit, der Flut von Verfassungsbeschwerden durch Abweisung wegen Unzulässigkeit zu begegnen. Kleine-Cosack spricht sogar von „Rechtsschutzdefiziten“ und davon, dass das BVerfG und der EuGHM „im Prinzip Nichtannahmegerichte“ seien, vgl. Anwaltsblatt 2011, 501 (502). Neben einer sorgfältigen Begründung der Grundrechtsverletzung ist die erste große Hürde daher die vollständige Vorlage aller Unterlagen innerhalb der Monatsfrist! Ganz aktuell wurde ein Anwalt sogar mit einer Missbrauchsgebühr von 1.000,– € belegt, weil er sich mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand über den gleichen, der Autorin unterlaufenen formalen Fehler, hinweg zu retten versuchte, vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.2011 – 2 BvR 751/11. Ein großer Fehler ist es übrigens auch, sich am letzten Tag der Frist auf eine Übermittlung per Fax zu verlassen, da dieses einzige (!) Fax oft stundenlang belegt ist. Bei Übermittlung nach 24 Uhr wird eine Wiedereinsetzung ebenfalls abgelehnt, da das Bundesverfassungsgericht einen Organisationsfehler des Beschwerdeführers bzw. dessen Anwalt nimmt. Wer es also (wie vermutlich nicht unüblich) erst am letzten Tag der Monatsfrist schafft, die Verfassungsbeschwerde vollständig vorzulegen und einen weiten Weg nach Karlsruhe hat, sollte unbedingt eine in Karlsruhe ansässige Kanzlei bitten, das dorthin gesandte Fax persönlich beim Bundesverfassungsgericht abzugeben, um die Monatsfrist in jedem Fall einzuhalten. 13 Es wäre übrigens auch nach Ansicht der Autorin tatsächlich irreführend, wenn sich Zahnärzte als „Ärztehaus“ bezeichnen würden, weshalb das Verbot genau dieser Bezeichnung durchaus nachvollziehbar ist, da Zahnärzte eben keine Ärzte sind. Die Zahnärzte hatten sich jedoch als „Zahnärztehaus“ bezeichnet, was angesichts der konkreten Umstände durchaus zutreffend war. Die Berufsgerichte hatten das Verbot der Bezeichnung „Ärztehaus“ jedoch ohne weitere Begründung auch auf die Bezeichnung „Zahnärztehaus“ ausgeweitet und damit eine der strafrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätze widersprechende unzulässige Analogie unternommen. GesR 1/2012 Bahner 3 Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte Zahnarzt).14 Die erneut eingelegte Verfassungsbeschwerde war dieses Mal nicht nur zulässig,15 sondern endlich auch erfolgreich:16 „Das Berufsgericht verkennt schon dadurch, dass es die Berufswidrigkeit alleine auf die Verwendung der Bezeichnung ,Zahnärztehaus‘ stützt, ohne die Frage der Irreführung oder sachlichen Unangemessenheit zu erörtern, die zugrunde zu legenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe. Auch seine begründungslose Gleichsetzung der Begriffe ,Ärztehaus‘ und ,Zahnärztehaus‘ bei der Subsumtion des Sachverhaltes unter § 21 Abs. 4 Berufsordnung (alte Fassung) genügt den grundrechtlichen Anforderungen nicht. Das Landesberufsgericht prüft zwar die Frage der Irreführung, bejaht diese aber nicht mit nachvollziehbaren und damit nicht mit verfassungsrechtlich tragfähigen Argumenten ... Bereits seine Annahme, ein ,Zahnärztehaus‘ liege nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur vor bei einem Haus, in dem mehrere Zahnärzte ,unabhängig voneinander‘ ihre Praxis 14 Der Vorsitzende des Landesberufsgerichts drohte am Ende der Berufungsverhandlung „angesichts der groben Missachtung seiner Rechtsprechung“, im Falle der Fortführung der Bezeichnung als Zahnärztehaus sogar eine Geldbuße von künftig 30.000,– € an. (!) 15 Die 43-seitige Verfassungsbeschwerde war nun mit allen (mehrfach überprüften) Anlagen und den angegriffenen Urteilen am letzten Tag des Fristablaufs von der Autorin persönlich beim Bundesverfassungsgericht gegen Eingangsbestätigung abgegeben worden. . .. 16 BVerfG, Beschl. v. 14.7.2011 – 1 BvR 407/11. 17 BVerfG, Beschl. v. 14.7.2011 – 1 BvR 407/11. 18 Die Urteile wurden nach Zurückverweisung zwischenzeitlich vom Landesberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart aufgehoben und die Zahnärzte vom Vorwurf des berufsunwürdigen Verhaltens freigesprochen (LBG Zahnärzte Stuttgart, Urt. v. 22.10.2011 – LNs 7/09). Selbst der Kammeranwalt hatte in seinem Plädoyer zutreffend festgestellt, dass nur bei oberflächlicher Betrachtung angenommen werden könne, das Verbot der Bezeichnung als Zahnärztehaus müsse im Hinblick auf die Irreführung lediglich besser begründet werden. Nach sorgfältigem Studium des Urteils trete indessen die Verfassungswidrigkeit der beiden berufsrechtlichen Entscheidungen (übrigens gegen dessen eigene Überzeugung) ganz offen zutage und rechtfertige einzig und allein den Antrag auf Freispruch. Eine schriftliche Urteilsbegründung des Freispruchs lag zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vor. Spannend war nun noch der Umgang mit dem früher durchgeführten Berufsgerichtsverfahren, in welchem die betroffenen Zahnärzte nicht nur mit einem Bußgeld von 3.000,– €, sondern darüber hinaus mit Verfahrenskosten von insgesamt 5.590,44 € belegt wurden. Hinzu kamen die in zwei Verfahren entstandenen Anwaltskosten. Die seltene Konstellation, dass eine rechtskräftig gewordene Entscheidung später mit absolut identischem Inhalt für verfassungswidrig erklärt wird, hätte nach sorgfältiger rechtlicher Recherche zur Wiederaufnahme dieser Verfahren mit dem Ziel der Urteilsaufhebung und Zurückerstattung sämtlicher Kosten führen müssen. Nach ursprünglicher Weigerung einer erneuten Verhandlung über das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren war die Landeszahnärztekammer indessen zwischenzeitlich im Wege des Vergleichs bereit, die Geldbuße und die Verfahrenskosten zurückzuerstatten, während die Zahnärzte bereit waren, die Anwaltskosten auf sich zu behalten. 19 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 14.7.2010 – OVG 91 HB 1.08. 20 Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner „Implantatentscheidung“ immerhin die Werbung eines Zahnarztes, der seine Praxis, in der lediglich zwei Zimmer für gelegentliche stationäre Unterbringung vorgehalten wurden, als „Zahnklinik“ bezeichnete, für zulässig erklärt, vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.7.2000 – 1 BvR 547/99. Vgl. zum Werberecht der Kliniken auch Bahner, S. 318 ff. 21 LG Osnabrück, Urt. v. 22.12.2010 – 1 O 2937/10. 22 LG Osnabrück, Urt. v. 22.12.2010 – 1 O 2937/10. 23 Kläger war übrigens eine Anwaltskanzlei mit acht Rechtsanwälten, die in diesem Ort somit die Anwaltskanzlei mit den meisten Anwälten war. 24 LG Berlin, Urt. v. 25.11.2010 – 52 O 142/10. Vgl. zu weiteren berufsrechtlichen Entscheidungen bei Anwälten im Jahr 2010 auch den Aufsatz von Dahns, BRAK Mitteilungen, 2011, 106. 25 BGH, Urt. v. 18.3.2010 – I ZR 172/08, vgl. GesR 2011, 50. ausübten, begründet das Gericht nicht in nachvollziehbarer Weise ... Im Übrigen wird auch die pauschale Betrachtungsweise, die das Landesberufsgericht bei der Prüfung, ob eine Irreführung gegeben ist, an den Tag legt, den Erfordernissen des Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) nicht gerecht.“ 17 Mit deutlicheren Worten hat des Bundesverfassungsgericht wohl selten die Berufsgerichte in ihre Schranken gewiesen.18 2. Unzulässige Bezeichnungen Zu Recht hat demgegenüber das OVG BerlinBrandenburg die Bezeichnung als „Zahnklinik“ untersagt, weil die dort tätigen niedergelassenen Zahnärzte tatsächlich keinen Klinikbetrieb unterhielten und in ihren Praxisräumlichkeiten insbesondere keine mit Betten ausgestatteten Krankenzimmer vorhielten.19 Die Entscheidung ist richtig, denn der mit der Bezeichnung als „Zahnklinik“ einhergehende Wettbewerbsvorteil ist selbstverständlich dann unlauter, wenn die tatsächlichen Gegebenheiten den Angaben nicht entsprechen, wie dies vorliegend der Fall war.20 Zu Recht hat das Landgericht Osnabrück auch die Bezeichnung zweier Anwälte als „Das Haus der Anwälte“ als irreführend und damit als wettbewerbswidrig bewertet und die Rechtsanwälte, die ihre Kanzlei im Erdgeschoss eines zweistöckigen Gebäudes betrieben, zur Unterlassung verurteilt.21 Die hierdurch hervorgerufene Fehlvorstellung über den Umfang des beworbenen Rechtsberatungsangebotes sei geeignet, die Marktentscheidung der betreffenden Verbraucher in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen.22 Der entscheidende Unterschied zur Bezeichnung als „Zahnärztehaus Ilsfeld“ liegt in der tatsächlichen Größe und Ausgestaltung dieser Anwaltskanzlei. Befinden sich in einem Ort mehrere Anwaltskanzleien, so suggeriert die Bezeichnung durch eine der kleineren Anwaltskanzleien als „Das Haus der Anwälte“ tatsächlich eine bestimmte Größe, möglicherweise sogar ein Alleinstellungsmerkmal, welche irreführend ist, wenn diese Umstände tatsächlich nicht vorliegen.23 Zu Recht hat auch das Landgericht Berlin einer Anwaltskanzlei die Bezeichnung als „Experten-Kanzlei“ (für Scheidungen) untersagt, nachdem die in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälte nicht den Nachweis führen konnten, dass sich ihre Kenntnisse und Erfahrungen auf dem beworbenen Rechtsgebiet nicht nur vom Durchschnitt abheben, sondern weit über dem Durchschnitt (auch über die Qualifikation eines Fachanwalts für Familienrecht) liegen.24 Diese Entscheidungen sind richtig und zu begrüßen. Sie werden hier deshalb erwähnt, weil sie freilich auch auf eine eventuelle Bezeichnung von Ärzten als „Das Haus der Ärzte“ oder die „Experten-Praxis“ übertragbar sind, wenn und soweit auch dann die zur Vermeidung des Irreführungsvorwurfs erforderlichen Begleitumstände nicht vorliegen. 3. Werbung mit „Master of Science Kieferorthopädie“ Demgegenüber hielt der Bundesgerichtshof die in Österreich erworbene Bezeichnung einer Zahnärztin als „Master of Science Kieferorthopädie“, gegen die sich zwei Fachzahnärzte für Kieferorthopädie wehren wollten, für zulässig.25 Zwar stellen die Bestimmungen des Heilberufsgesetzes und der Berufsordnung der Zahnärztekam- Bahner 4 GesR 1/2012 Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte mer grundsätzlich Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar, da sie die Bezeichnungen regeln, die der kammerangehörige Zahnarzt führen darf. Diese Regelungen betreffen somit die Selbstdarstellung des Zahnarztes und wirken sich unmittelbar auf seine Werbemöglichkeiten aus, weshalb ihnen eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion zukommt.26 Obwohl demgegenüber in den entsprechenden Regelungen die Bezeichnung als „Master of Science Kieferorthopädie“ nicht enthalten war, wurde es der Zahnärztin gestattet, für kieferorthopädische Leistungen unter Angabe der angefochtenen Bezeichnung deshalb zu werben, weil es ein gegenseitiges Abkommen zwischen Österreich und Deutschland über die Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich gibt und dieses Abkommen auch auf die Masterbezeichnung anwendbar sei.27 III. Preisvergleichportal für zahnärztliche Behandlung Gleich drei höchstrichterliche Entscheidungen mit unterschiedlicher Ausrichtung sind zum Thema „Preisvergleichsportale für zahnärztliche Leistungen im Internet“ ergangen. Streitgegenstand aller drei Entscheidungen war ein Internetportal, in welchem die Patienten nach vorheriger Registrierung gegen eine Gebühr von 2,50 € bis 7,50 € den von ihrem Zahnarzt erstellten Heil- und Kostenplan unter Angabe der geplanten Zahnbehandlung in ihrer Region einstellen können. Gleichzeitig können in diesem Portal registrierte Zahnärzte auf der Basis der Nutzerangaben ihrerseits unverbindliche Kostenschätzungen für die Durchführung der Behandlung in ihrer Praxis abgeben. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit werden den Patienten die fünf preiswertesten Kostenschätzungen bekannt gegeben. Entscheidet sich der Patient für einen bestimmten Zahnarzt auf Basis dieser Kostenschätzungen, erhalten beide Seiten wechselseitig die Kontaktdaten. Kommt es zur Untersuchung und zur Behandlung auf Grundlage des Kostenvoranschlages des in das Internet eingestellten unterbietenden Kostenvoranschlages, zahlt der Zahnarzt an den Portalbetreiber eine Gebühr, die in der Regel 20 % des vereinbarten Zahnarzthonorars beträgt.28 In allen drei – allerdings unterschiedlich gelagerten – Fällen wurde im Gegensatz zu den Vorinstanzen der Preisvergleich für zulässig und berufsrechtskonform erklärt, wie nachfolgend näher dargestellt wird. 1. Zahnarzt gegen berufsrechtlichen Verweis Wegen der Teilnahme an diesem Preisvergleichsportal und der Abgabe eines eigenen Kostenvoranschlages wurde ein Zahnarzt (auch in diesem Fall vom Berufsgericht und Landesberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart)29 berufsrechtlich mit einem Verweis sanktioniert. Das berufsrechtswidrige Verhalten ergebe sich aus der Pflicht, sich kollegial zu verhalten und angemessene Honorarforderungen zu stellen.30 Im Übrigen verstoße die Abgabe einer Kostenschätzung ohne vorherige Untersuchung gegen die Pflicht des Zahnarztes, seinen Beruf nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit auszuüben sowie dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen, §§ 2 Abs. 2a und c BO. Gegen diesen Verweis wandte sich der betroffene Zahnarzt erfolgreich mit der Verfassungsbeschwerde. Da eine persönliche Untersuchung des Patienten vorab unter Abgabe der Kostenschätzung mit Artikel 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar sei und auch keine Gemeinwohlgründe erkennbar seien, nach denen eine solche Untersuchung im grundlegenden Fall geboten sei, werde der Verweis den Anforderungen an einen zulässigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nicht gerecht.31 Insbesondere sei das Bestehen einer persönlichen Beziehung zwischen Zahnarzt und Patient kein Selbstzweck, sondern diene dazu, für den Patienten eine sachgerechte, seine Interessen wahrende Behandlung sicherzustellen. Demgegenüber handle es sich nicht um ein Erfordernis, dass den Zahnarzt vor Konkurrenz durch Kollegen schützen solle. Die Internetplattform erleichtere letztendlich für den Patienten nur den Preisvergleich und die Kontaktanbahnung. Beides seien Aspekte, die dem Patientenschutz nicht entgegenstünden und daher nicht geeignet seien, eine Beschränkung der Berufsfreiheit zu rechtfertigen.32 2. Zahnärzte gegen Betreiber des Internetportals Nur wenige Tage zuvor hatte der Bundesgerichtshof im gleichen Sinne entschieden: Allerdings klagten hier zwei (nicht teilnehmende) Zahnärzte gegen den Betreiber des Portals „2te-zahnarztmeinung.de“ auf Unterlassung des Betriebs dieses Internetportals. Während das OLG München dem Unterlassungsantrag der Zahnärzte noch stattgegeben hatte, sah auch der Bundesgerichtshof kein berufsunwürdiges, unkollegiales Verhalten darin, dass durch die Abgabe eines zweiten Kostenplanes möglicherweise ein Kollege verdrängt werde. Erforderlich sei vielmehr eine besondere Unlauterkeit, die dieses Verhalten auszeichne. Allein die Verdrängung eines Kollegen als Folge eines grundsätzlich erwünschten Wettbewerbs könne indessen nicht als wettbewerbswidrig angesehen werden.33 In werberechtlicher Hinsicht stellt der Bundesgerichtshof zu Recht auch auf den Aspekt ab, dass die Erstellung eines Gegenangebots zugleich eine im berufsrechtlichen Sinne „zulässige Information über die eigenen Berufstätigkeit“ ist.34 Darin liege keine vergleichende Werbung, da der Zahnarzt mit dem zweiten Angebot lediglich seine eigene Leistung präsentiere, die nach den Vorgaben des Patienten denselben Umfang haben soll, wie die von dem Kollegen angebotene Leistung, dabei aber weniger kosten solle. Der „aus dem Wettbewerb gedrängte“ Zahnarzt habe einen entsprechenden Wechsel des Behandlers im Hinblick darauf hinzunehmen, dass er das Recht des 26 BGH, Urt. v. 18.3.2010 – I ZR 172/08 m.w.N., GesR 2011, 50. 27 Vgl. zu den ärztlichen Qualifikationen aus berufsrechtlicher Sicht auch Scholz, ZMGR 2011, 3 (in Bezug auf die dort postulierte Fachgebietsbeschränkung jedoch überholt durch das später ergangene Urteil des BVerfG, Beschl. v. 1.2.2011 – 1 BvR 2382/10, ZMGR 2011, 113) sowie Eibl, ZMGR 2011, 9. Vgl. zur Anerkennung von Weiterbildungsbezeichnungen auch OVG Niedersachsen, Beschl. v. 24.2.2011 – 8 LA 214/10, mit Urteilsbesprechung durch Bonvie, GesR 2011, 283. 28 Vgl. die Darstellung des Sachverhalts in BVerfG, Beschl. v. 8.12.2010 – 1 BvR 1287/08, vgl. Abdruck von Leitsatz und Gründen in GesR 2011, 114. 29 Wie schon in der zuvor beschriebenen Auseinandersetzung um die Bezeichnung als „Zahnärztehaus“, vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.7.2011 – 1 BvR 407/11. 30 §§ 8 Abs. 1 u. 2, 15 Berufsordnung für Zahnärzte der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg (im Folgenden: BO). 31 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2010 – 1 BvR 1287/08, Rz. 22. 32 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2010 – 1 BvR 1287/08, Rz. 24, vgl. auch ZMGR 2011, 106 mit zustimmender Anmerkung von Hahn. 33 BGH, Urt. v. 1.12.2010 – I ZR 55/08 Rz. 11, vgl. Abdruck von Leitsatz und Gründen in GesR 2011, 297 ff. und ZMGR 2011, 110. 34 § 21 Abs. 1 S. 1 BO Bayern. Bahner GesR 1/2012 5 Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte Patienten auf freie Arztwahl zu achten habe (§ 2 Abs. 3 BO Bayern).35 Im Übrigen sei auch die an den Betreiber zu zahlende Vergütung von 20 % des vereinbarten Honorars keine unzulässige und berufswidrige Zuweisung von Patienten gegen Entgelt.36 Der Internetbetreiber erhalte das Entgelt nicht als Provision für die Vermittlung von Patienten, sondern für die Ermöglichung und Nutzung des virtuellen Marktplatzes.37 aus dem Wettbewerb drängt, sollte sich mit der Berufung auf das „Gebot der Kollegialität“ freilich ganz besonders zurückhalten. 3. Im Jahr 2011 hat das Bundesverfassungsgericht zwei weitere berufsrechtliche Verurteilungen gegen denselben Zahnarzt wegen angeblich berufswidriger Werbung aufgehoben:40 Der Zahnarzt ist Inhaber einer großen und modernen Praxis mit Schwerpunkt Implantologie. Er unterhält eine Homepage, auf welcher er die Praxis, sein Team und die Praxisausstattung umfassend darstellt. Er unterhält ferner einen Verlag, in welchem er sowohl für zahnärztliche Kollegen als auch für die Patienten Publikationen über Implantologie verlegt. Anlässlich einer Gesundheitsmesse hatte der Zahnarzt mit einer Verlosung für seine zahnärztlichen Dienstleistungen geworben. Ausgelobt waren Gutscheine für ein Bleaching, eine professionelle Zahnreinigung, ein Patientenratgeber und Zahnbürsten. Betreiber des Internetportals gegen teilnehmenden Zahnarzt In dritter Variante hatte der Bundesgerichtshof schließlich im März 2011 über den Vergütungsanspruchs des Betreibers des Internetportals gegen einen Zahnarzt zu entscheiden, der durch seine aktive Teilnahme an diesem Portal durch eigene kostengünstige Kostenvoranschläge erhebliche Umsätze erzielte, sich später jedoch weigerte, die vereinbarte Provision von 20 % zu zahlen. Zur Begründung führte er an, dass der Internetdienst sittenwidrig sei und gegen geltendes Recht verstoße, da sich die teilnehmenden Zahnärzte gegenüber den eigenen Kollegen wettbewerbswidrig verhielten und sie aus dem Behandlungsverträgen zu verdrängen versuchten.38 Während das Oberlandesgericht Frankfurt einen Zahlungsanspruch des Internetbetreibers tatsächlich noch abgelehnt hatte, hob der Bundesgerichtshof zu Recht diese Entscheidung auf und verurteilte den Zahnarzt unter Abzug unberechtigter Positionen zur grundsätzlichen Zahlung der Nutzungsgebühr über verbleibende 9.908,58 €.39 Alle Entscheidungen sind zu begrüßen und waren angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Berufs- und Wettbewerbsfreiheit auch so zu erwarten. Denn auch Ärzte und Zahnärzte können sich nicht unter fadenscheiniger Berufung auf ein Kollegialitätsgebot dem Wettbewerb verweigern und diesen (in meist höchst unkollegialer Weise) gar verhindern. Wer durch Teilnahme an einem solchen Portal selbst erheblich profitiert und seine Kollegen hierdurch (in zulässiger Weise) 35 Zu Recht stellt der Bundesgerichtshof fest, dass diese Konstellation der Abgabe eines zweiten Kostenvoranschlages durch die angebotene Internetplattform nicht anders zu beurteilen sei als der Fall, dass ein Patient, der sich bei einem Zahnarzt über die voraussichtlichen Kosten der notwendigen Maßnahme informiert habe, von sich aus einen zweiten Zahnarzt aufsuche und ihn unter Hinweis auf die vom ersten Zahnarzt ermittelten Kosten ebenfalls um eine Berechnung der voraussichtlichen Kosten bitte. Der Umstand, dass der Patient den zweiten Zahnarzt nicht allein, sondern nur mithilfe des Beklagten finde, spreche nicht dagegen, sondern für die Zulässigkeit des Geschäftsmodells des Internetbetreibers, vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2010 – I ZR 55/08, Rz. 16, GesR 2011, 297. 36 Vgl. zur berufswidrigen Zuweisung gegen Entgelt demgegenüber die Urteile des Bundesgerichtshofs „Brillenversorgung I“, BGH, Urt. v. 9.7.2009 – I ZR 13/07; „Brillenversorgung II“, BGH, Urt. v. 24.6.2010 – I ZR 182/08, GesR 2010, 552 und „Hörgeräteversorgung II“, BGH, Urt. v. 13.1.2011 – I ZR 111/08, GesR 2011, 246. 37 BGH, Urt. v. 1.12.2010 – I ZR 55/08, Rz. 22, GesR 2011, 297. 38 Streitig war ein Betrag von 11.764,– € für 35 Behandlungen, die der beklagte Zahnarzt innerhalb eines Jahres aufgrund der von ihm im Internetportal abgegebenen kostengünstigen Angebote durchführen konnte. Der Zahnarzt hatte zuvor für bereits zuvor 85 behandelte Patienten mehr als 10.000,– € an Nutzungsgebühren bezahlt. 39 BGH, Urt. v. 24.3.2011 – III ZR 69/10, vgl. redaktioneller Leitsatz und Kurzwiedergabe in GesR 2011, 411. 40 BVerfG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 BvR 233/10 und – 1 BvR 235/10, GesR 2011, 660. Auch diese Verfahren waren von der Autorin geführt worden. 41 So schon BVerfG, Beschl. v. 17.4.2000 – 1 BvR 721/99. 42 BVerfG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 BvR 233/10 und – 1 BvR 235/10, GesR 2011, 660. IV. Weitere werberechtliche Entscheidungen 1. Zulässige Werbung mit Preisausschreiben Die Berufsgerichte hatten den Zahnarzt deswegen zu einer Geldbuße verurteilt, was das Bundesverfassungsgericht – mit bereits bekannten Worten – ebenfalls für verfassungswidrig erklärte: „Welche Werbeformen als sachlich und übertrieben bewertet werden, unterliegt zeitbedingten Veränderungen. Allein daraus, dass eine Berufsgruppe ihre Werbung anders als bisher üblich gestaltet, folgt nicht, dass das nunmehrige geänderte Vorgehen berufswidrig wäre. Vielmehr hat der einzelne Berufsangehörige es in der Hand, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt, solange er sich in den durch schützende Gemeinwohlbelange gezogenen Schranken hält. 41 Auch das Sachlichkeitsgebot verlangt nicht, sich auf die Mitteilung nüchterner Fakten zu beschränken (vgl. BVerfGE 111, 366 ff.). Die Methode, eine Verlosung zu nutzen, um Aufmerksamkeit und Interesse zu wecken und hierdurch neue Patienten für eine Zahnarztpraxis zu gewinnen, ist als solche mithin noch nicht berufswidrig, denn Gemeinwohlbelange, die durch ein solches Vorgehen verletzt werden könnten, sind nicht ersichtlich.“ 42 Allerdings kommt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts darauf an, welche Preise verlost würden: So sei eine professionelle Zahnreinigung zulässig, da es sich um eine nützliche und die Zahngesundheit fördernde Leistung handle, deren Erbringung für den Patienten mit keinen nennenswerten gesundheitlichen Risiken verbunden sein dürfte. Im Hinblick auf die Verlosung einer „Bleaching-Behandlung“ stellt das Bundesverfassungsgericht indessen darauf ab, ob es sich um ein externes oder internes Bleaching handelt und ob diese Behandlung mehr als einen „nur geringfügigen Eingriff in die körperliche Integrität“ darstelle. Seien mit einer kostenlosen Behandlung zugleich gesundheitliche Risiken verbunden, so sei die Werbemethode einer Verlosung durchaus geeignet, das Schutzgut der Gesundheit der Bevölkerung zu beeinträchtigen. Diese Differenzierung ist sicherlich gut vertretbar und im Sinne des Patientenschutzes auch für Ärzte und Zahnärzte akzeptabel. Gerade im Schönheitsbereich dürfte diese Entscheidung Bedeutung erlangen: Mag die Verlosung eines Hotelgutscheins noch zulässig sein, so dürfen operative und sonstige Eingriffe zu Schönheitszwecken nicht Bahner 6 GesR 1/2012 Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte als Preis ausgeschrieben und von den Patienten kostenlos in Anspruch genommen werden. Der Zahnarzt darf auf seiner Homepage demgegenüber freilich auch darauf hinweisen, dass er einen Verlag für zahnärztliche Literatur unterhält. Auch dies stellt keine unzulässige Vermischung von freier Berufsausübung und Gewerbe dar.43 2. Werbung für Praxiseinrichtung und Geräte Nur schwer nachvollziehbar ist indessen die Einschränkung, die das Bundesverfassungsgericht in derselben Entscheidung bezüglich der Informationen über Praxiseinrichtung und Geräte aufgestellt hat.44 So hatte der Zahnarzt unter anderem auf seiner Homepage auch auf den (in der Region einmaligen) Einsatz eines Digitalen Volumentomographen und dessen „einzigartige Vorteile“ hingewiesen. Auf dem in der Homepage eingestellten Foto des Volumentomografen war auch der Herstellername Siemens sichtbar. Das Berufsgericht hielt den Hinweis auf den digitalen Volumentomografen insgesamt für eine unzulässige „gewerbliche Werbung für fremde Produkte“, was nach Ansicht der Autorin recht absurd scheint: Zum einen dürfte wohl kaum ein Patient ein entsprechendes Gerät kaufen, weil sein Zahnarzt dieses auf seiner Homepage abbildet. Zum anderen wollen die Patienten unter Umständen sehr wohl wissen, ob eine Praxis mit modernen Geräten ausgestattet ist und sie dort mit modernsten Methoden (zum Beispiel strahlenarm) untersucht oder behandelt werden. Auch der Namen eines bestimmten Herstellers kann hierbei für entsprechende Qualität stehen. Das Bundesverfassungsgericht gab in diesem Punkt dem Zahnarzt indessen nur teilweise recht: Der Hinweis eines Zahnarztes auf seine technische Ausstattung oder Einrichtung in seiner Praxis sei zwar zulässig und vom Werberecht umfasst. Die Formulierung, der Tomograf biete „einzigartige Vorteile bei der Implantatdiagnostik“, möge zwar zugespitzt sein. Dies sei für Werbung jedoch typisch, da es gerade deren Zweck sei, das Positive eines Produktes prägnant herauszustellen.45 Eine Einschränkung ergebe sich indessen im Hinblick auf die Erwähnung der Herstellerfirma: „Eine solche Einschränkung des Werbeverhaltens ist gerechtfertigt, denn Fremdwerbung vermittelt den Anschein, der Zahnarzt werbe für die andere Firma, weil er hiervon finanzielle Vorteile habe. Auf diese Weise kann der Eindruck erweckt werden, die Gesundheitsinteressen der Patienten seien für den Arzt nur von zweitrangiger Bedeutung ... Zum einen genügt bereits der ,böse Schein‘, um Zweifel an der ärztlichen Integrität zu wecken. Zum anderen ist zumindest im Hinblick auf andere Zahnärzte, die die Werbung in Augenschein nehmen, ein Werbeeffekt denkbar, der von Arzt und Hersteller durchaus einkalkuliert sein kann.“ 46 3. Weitere zulässige Werbemaßnahmen Die beiden nachfolgenden Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin (Berufsgericht für Heilberufe) und des Verwaltungsgerichts Köln zeigen, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr wohl inzwischen zur Kenntnis genommen und umgesetzt wurde. So war der Einspruch eines Zahnarztes gegen den Rügebescheid seiner Zahnärztekammer wegen angeblich berufswidriger „Blickfangwerbung“ schon in unterster Instanz erfolgreich: Das beim Verwaltungsgericht Berlin angesiedelte Berufsgericht für Heilberufe hat zu Recht den Rügebescheid und die Geldauflage von 1.000,– € aufgehoben und es dem Zahnarzt gestattet, oberhalb der Fensterfront seiner ebenerdig gelegenen Praxisräume einen Schriftzug in der Länge von 10 m und etwa 1 m Höhe anzubringen.47 Das Argument der Zahnärztekammer, das Werbeplakat über der Praxisfront ziele darauf ab, die Aufmerksamkeit auch an der Praxis weit entfernt vorbeigehender Passanten bzw. vorbeifahrender Verkehrsteilnehmer in anpreisender und typisch kommerzieller Weise zu erheischen (!), wurde vom Berufsgericht in Umsetzung der Verfassungsrechtsprechung zu Recht zurückgewiesen. Zwar handele es sich um eine unübliche Größe der Ankündigung einer Zahnarztpraxis. Eine hieraus resultierende Gefährdung von Gemeinwohlbelangen sei jedoch nicht feststellbar, denn es sei nicht ersichtlich, dass bestimmte Werbeträger generell geeignet wären, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des Werbenden zu schmälern. Im Übrigen sei eine Werbung, die grundsätzlich auf Basis der Berufsfreiheit erlaubt sei, auch nicht unkollegial.48 Schließlich hat das Verwaltungsgericht Köln das einem Tierarzt gegenüber ausgesprochene Verbot, zusätzliche Hinweisschilder zum Auffinden einer Tierarztpraxis aufzustellen, zu Recht als unzulässige Beschränkung der Berufsfreiheit angesehen, welches nicht durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sei.49 Es ist also durchaus erfreulich zu sehen, dass auch ungewöhnliche oder bislang unübliche oder zuvor verbotene Werbemethoden50 von vielen Berufsgerichten in der Zwischenzeit tatsächlich im Rahmen der ärztlichen und zahnärztlichen Berufsfreiheit zwischenzeitlich akzeptiert und schon in unterster Instanz für zulässig befunden werden. 4. Werbung mit Pauschalpreis für Implantate Demgegenüber hat das Landgericht Bonn nach Ansicht der Autorin eine Entscheidung gefällt, die mit höherrangigem Recht kaum vereinbar sein dürfte: Es hat einem Zahnarzt untersagt, für Zahnimplantate mit einem Pauschalpreis von 888,– € zu werben, da die Werbung gegen die Preisvorschriften der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) verstoße und die Zahlung eines pauschalen Honorars den Anforderungen der GOZ nicht entspreche.51 Die Werbung mit einem „Pauschalpreis“ sei auch deshalb irreführend, weil darunter ein Festpreis verstanden würde. Zwar enthalte die Werbung mit einem Sternchen den Hinweis darauf, welche Leistungen im Preis von 888,– € enthalten seien. Der Verbraucher wisse jedoch nicht, dass der Knochenaufbau und die Prothetik 43 BVerfG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 BvR 233/10 und – 1 BvR 235/10, GesR 2011, 660. 44 BVerfG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 BvR 233/10 und – 1 BvR 235/10, GesR 2011, 660. 45 BVerfG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 BvR 233/10 und – 1 BvR 235/10, Rz. 45, GesR 2011, 660. 46 BVerfG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 BvR 233/10 und – 1 BvR 235/10, Rz. 45, GesR 2011, 660. 47 VG Berlin, Berufsgericht für Heilberufe, Urt. v. 12.1.2011 – 90 K 5.10 T. 48 VG Berlin, Berufsgericht für Heilberufe, Urt. v. 12.1.2011 – 90 K 5.10 T. 49 VG Köln, Urt. v. 22.3.2011 – 7 KA 8382/09. 50 Nach dem in der Einleitung beschriebenen „Kapitel D I“ war selbst die Zahl der Hinweisschilder reglementiert. Anzahl und Größe eines Schildes unterliegen indessen nicht der berufsrechtlichen, sondern lediglich der jeweiligen bauordnungsrechtlichen Regelung, die freilich auch weiterhin zu beachten ist. 51 LG Bonn, Urt. v. 21.4.2011 – 14 O 184/10, ZMGR 2011, 253. GesR 1/2012 Bahner 7 Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte beim Hauszahnarzt liegen und hierfür weitere Kosten aufzubringen seien. Während der Aspekt der Irreführung in Bezug auf die von dem Pauschalpreis umfassten Leistungen durchaus noch nachvollziehbar ist, da jede Werbung mit Preisen den Vorgaben der Preisangabenverordnung entsprechen muss,52 verstößt das pauschale Verbot, für Implantate auch mit einem Festpreis zu werben, demgegenüber nach Überzeugung der Autorin ebenso gegen das Recht der Berufsfreiheit wie andere Werbeverbote auch. Nachdem die Ärzte zwischenzeitlich sowohl im stationären als auch im niedergelassenen Bereich mit Pauschalvergütungen und Festpreisen (oder Festzuschüssen) leben müssen, kann es einem Zahnarzt nicht verwehrt werden, für seine Leistungen mit der Angabe eines Festpreises zu werben. Denn es liegt ja ganz besonders im Informationsinteresse der Patienten zu erfahren, wie teuer die gewünschte Behandlung beim Zahnarzt ist. Dies gilt umso mehr, als gerade beim Zahnarzt für viele Leistungen Zuzahlungen erforderlich oder die Behandlung gar vollständig aus eigener Tasche zu bezahlen ist, wie etwa die meisten Implantatbehandlungen bei gesetzlich versicherten Patienten. Ein Patient will – ebenso wie sonst auch – wissen, mit welchen Kosten er für bestimmte Leistungen zu rechnen hat. Es scheint absurd, dass Gerichte, deren Gerichtskosten ebenfalls im Voraus genau kalkuliert werden können, dies der Ärzte- und Zahnärzteschaft gegen das offensichtliche Interesse der Patienten eine entsprechende Angabe verwehren wollen. Im Hinblick auf die zuletzt ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung dürften solche Entscheidungen künftig kaum Bestand haben. Freilich mag der Zahnarzt verpflichtet bleiben, eine nach GOZ ordnungsgemäße Aufschlüsselung des Preises vorzulegen. Eine solche Aufschlüsselung im Rahmen von Werbemaßnahmen würde dem Sinn und Zweck der Werbung allerdings diametral widersprechen und kann in Werbemaßnahmen nicht gefordert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat den Sinn und Zweck von Werbemaßnahmen auch insoweit zutreffend beschrieben: Es sei für Werbung typisch und gerade deren Zweck, das Positive eines Produktes prägnant herauszustellen.53 Dieser Zweck lässt sich mit dem Gebot der Auflistung einzelner Gebührenpositionen in Werbemaßnahmen freilich nicht vereinbaren. Das Landgericht Bonn verwechselt hier Umfang und Grenzen einer zulässigen Werbung mit der Verpflichtung des Zahnarztes, nach Abschluss der Behandlung eine korrekte Rechnung zu stellen. Das Urteil dürfte spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht in dieser Weise keine Bestätigung erfahren, wie ja das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich auch das Recht zur Preisgestaltung 52 „Wer Letztverbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren oder Leistungen anbietet oder als Anbieter von Waren oder Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Endpreise). Soweit es der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht, sind auch die Verkaufs- oder Leistungseinheit und die Gütebezeichnung anzugeben, auf die sich die Preise beziehen. Auf die Bereitschaft, über den angegebenen Preis zu verhandeln, kann hingewiesen werden, soweit es der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht und Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen.“, vgl. § 1 Abs. 1 PAngV. 53 BVerfG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 BvR 233/10 und – 1 BvR 235/10, Rz. 45, GesR 2011, 660. 54 BVerfG, Beschl. v. 25.10.2004 – 1 BvR 1347/02, Rz. 19, GesR 2005, 79. 55 Berufsgericht für Heilberufe beim VG Gießen, Urt. v. 2.8.2011 – 21 K 1604/10.GI.B. und zum Preiswettbewerb als Teil der Berufsfreiheit ansieht: „Das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG umfasst auch die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit denen, die an diesen Leistungen interessiert sind, auszuhandeln.“ 54 Solange eine Werbung mit Preisen den Vorgaben der Preisangabenverordnung entspricht, kann sie angesichts der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht verboten werden. Dies gilt auch für eine Werbung mit Festpreisen. 5. Vorlage einer berufsrechtlichen Vorfrage an EuGH Interessant ist der Beschluss des Berufsgerichts für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Gießen, welches das berufsrechtliche Verfahren gegen einen gelegentlich in Deutschland tätigen Arzt griechischer Herkunft ausgesetzt und zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt hat. Das Berufsgericht will vorab geklärt wissen, ob Regelungen der Berufsordnung (hier § 12 Honorar- und Vergütungsabsprachen) sowie werbliche Vorgaben nach § 27 BO (Erlaubte Information und berufswidrige Werbung) auch auf einen ausländischen Arzt anzuwenden seien, der regelmäßig für ein bis zwei Tage im Monat nach Deutschland komme, um hier Operationen durchzuführen (es handelte sich insbesondere um die Behandlung vom Penisverkrümmungen).55 Nach Auffassung der Autorin kann es bei einem Tätigwerden in Deutschland selbstverständlich nicht auf die Staatsangehörigkeit und auch nicht auf eine eventuelle Kammerangehörigkeit zu einer ausländischen Kammer ankommen. Die griechische (sowie jede andere ausländische) Ärztekammer dürfte an der Sanktionierung seines eigenen Kammermitglieds wegen eines angeblich wettbewerbswidrigen Verhalten in Deutschland vermutlich deutlich weniger Interesse zeigen als die deutschen Behörden, zumal auch die Rechtsauffassung und die Rechtslage im Land der ausländischen Kammer konträr zur Rechtslage in Deutschland sein kann. Es bleibt daher zu hoffen, dass – wie sonst auch – in Deutschland vorgenommene rechtsgeschäftliche Handlungen, unter die auch ärztliche Behandlungen fallen, nach dem in Deutschland geltenden Recht beurteilt werden. V. Fazit Es war ein langer und für die Ärzte und Zahnärzte mitunter steiniger Weg von der Normsetzung zur Umsetzung und erforderte weitere höchstrichterliche Entscheidungen, um den Ärzten und Zahnärzten zur verfassungsrechtlich verankerten Werbefreiheit zu verhelfen. Allerdings ist zu konzedieren, dass keinesfalls alle Ärzte- und Zahnärztekammern „rückständig“ sind und Werbemaßnahmen ihrer Mitglieder so streng verfolgten, wie dies insbesondere durch die Berufsgerichte für Zahnärzte in Baden-Württemberg der Fall war. Vielmehr gewähren die meisten Kammern ihren Mitgliedern tatsächlich die zuvor hart erkämpfte Werbefreiheit. Auch die Autorin plädiert weiterhin für eine liberale Handhabung der Ärztekammern und Berufsgerichte bei der Bewertung ärztlicher Werbemaßnahmen. Denn diese entsprechen zumeist tatsächlich den allgemeinen rechtlichen Vorgaben, insbesondere des UWG. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es freilich auch unter den Ärzten „schwarze Schafe“ gibt, die tatsächlich in irreführender Weise werben und den 8 Bahner GesR 1/2012 Vom Werbeverbot zum Werberecht der Ärzte und Zahnärzte Patienten hierdurch erheblichen Schaden zufügen können. Dies gilt einerseits im Bereich der schweren oder unheilbaren Krankheiten.56 Irreführender und unlauterer Wettbewerb findet sich aber ganz besonders auch im Bereich der Schönheitschirurgie, in welchem zwischen den „Institutionen“ ein harter Konkurrenzkampf um zahlungswillige Patientinnen und deren Wunsch nach „ewiger Schönheit, Jugend und Erotik“ tobt. Hier wäre ein deutlich strengeres Durchgreifen der Ärztekammer und auch der zuständigen Behörden sehr zu begrüßen, der jedoch genau in diesem Bereich kaum zu verzeichnen ist. Lediglich die Wettbewerbsverbände trauen sich gelegentlich an solche „harten Brocken“. Hierbei kann und darf es allerdings nicht darum gehen, ob und wie bestimmte Schönheitsoperationen abgerechnet werden dürfen. Wer im Voraus – zumeist auf Basis von Fest- oder Pauschalpreisen – weiß, was die vermeintliche Verschönerung von Gesicht, Busen oder Hüften kostet, sollte sich hierüber ebenso wenig beschweren wie im sonstigen Geschäftsalltag auch (etwa beim Autokauf oder im Restaurant). Der Patient oder Kunde darf und wird sich allerdings zu Recht darüber beschweren, wenn er für die von ihm aufgebrachten erheblichen Kosten keine entsprechende Qualität erhält. Er muss daher im Vorfeld sehr wohl wissen, ob und welche Qualifikationen die jeweils behandelnden Ärzte tatsächlich haben.57 Denn es ist ja doch ein erheblicher Unterschied, ob der selbst gekürte Schönheitsarzt tatsächlich ein Facharzt für Plastische Chirurgie ist, oder etwa nur ein Hals-NasenOhren-Arzt oder gar nur ein praktischer Arzt. Entscheidend mag auch sein, wie oft der Arzt entsprechende Schönheitsoperationen bereits vorgenommen hat.58 Entsprechende Informationen finden sich jedoch meist gerade nicht auf den Homepages entsprechender „Schönheitskliniken“.59 Auch dem großen Missbrauch mit im Ausland erworbenen Professorentiteln sollten die Ärztekammern und Approbationsbehörden streng begegnen. Denn es sind genau diese Bezeichnungen, die die Patienten im titelgläubigen Deutschland irreführen und ihnen eine Qualifikation suggerieren, die tatsächlich nicht vorhanden ist.60 Den Kammern und Behörden stünden sowohl mit dem Berufsrecht als auch mit dem allgemeinen Wettbewerbsrecht und dem Heilmittelwerbegesetz ausreichend juristische Handhabe zur Verfügung, um diese Auswüchse und Missbräuche einzudämmen.61 Würden sich die Standeshüter also künftig auf diese Aspekte konzentrieren, wäre damit nicht nur dem Ruf der Ärzteschaft, sondern auch den Patienten wirklich ein guter Dienst getan. Und sie würden sich zugleich an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts halten, welches feststellt: „Allerdings ist der Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität der Ärzteschaft ... ein Gemeinwohlbelang, der es erlaubt, eine gewerbliche Betätigung von Ärzten und Zahnärzten zu beschränken. Insbesondere darf Verhaltensweisen entgegengewirkt werden, die den Eindruck vermitteln, der Arzt stelle die Erzielung von Gewinn über das Wohl seiner Patienten und deren ordnungsgemäße Behandlung. In diesem Sinne soll der Patient darauf vertrauen können, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen leiten lässt.“ 62 Die jahrelange Verfolgung einer großen, hoch qualifizierten und modernen Zahnarztpraxis, die sich als „Zahnärztehaus“ bezeichnet,63 ist hingegen eine traurige Farce, die sich nicht wiederholen sollte. 56 Die Autorin hatte bereits vor Jahren das Fehlen geeigneter Maßnahmen durch Ärztekammern, Behörden und Staatsanwaltschaft gegen den Scharlatan Matthias Rath heftig kritisiert, der mit seinen Vitamintabletten verzweifelten Patienten bzw. den Eltern erkrankter Kinder die Krebsheilung versprach (später auch die Heilung von Aids), hierdurch große Kongresssäle und Stadthallen füllte und zugleich die Patienten bzw. deren Eltern vom seriösen schulmedizinischen Heilversuch, der freilich ohne „falsche Heilsversprechungen“ auskommen muss, abhielt, vgl. Bahner, Das neue Werberecht für Ärzte, 2. Aufl., S. 290. Erfreulicherweise hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 eine Verfassungsbeschwerde des M. Rath wegen angeblicher Verletzung der Meinungsfreiheit durch das Verbot seines Buches „Warum kennen Tiere keinen Herzinfarkt – aber wir Menschen“, nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 12.7.2007 – 1 BvR 99/03, auffindbar unter juris.de. Das Buch verstieß mit der darin unverblümt enthaltenen Werbung für „Dr. R's Vitaminprogramm“ aufgrund unzähliger Werbeverstöße gegen das HWG und das AMG. 57 Vgl. zur Zulässigkeit der „fachfremden“ Durchführung von Schönheitsoperationen an Brust, Oberarm und Bauch durch einen Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie BVerfG, Beschl. v. 1.2.2011 – 1 BvR 2382/10, ZMGR 2011, 113 mit kritischer Anm. Hellweg. 58 Die Entscheidung des BVerfG, dass fachfremde Tätigkeiten dann nicht verboten werden dürften, wenn diese weniger als 5 % der Gesamttätigkeit ausmachen, (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.2.2011 – 1 BvR 2382/10, GesR 2011, 241), ist nach Auffassung der Autorin aufgrund der damit verbundenen geringen praktischen Erfahrung ganz besonders bedenklich und gerade im Hinblick auf den sonst durch das BVerfG postulierten „Schutz der Patienten“ nicht nachvollziehbar. 59 Dem BVerfG mag noch darin gefolgt werden, dass ein durchschnittlich gebildeter Patient wohl kaum annehmen werde, dass ein MKGChirurg eine besondere Eignung für Operationen im Bauch-, Oberkörper- und Armbereich aufweise (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.2.2011 – 1 BvR 2382/10, Rz. 24c, GesR 2011, 241). Das Gericht geht allerdings ganz offensichtlich davon aus, dass der Patient konkret über die jeweilige Facharztbezeichnung informiert sei. Genau dies dürfte indessen nicht der Fall sein, da entsprechende Informationen zu den Facharztqualifikationen der „Schönheitsärzte“ zumeist fehlen. 60 Vgl. zur Rechtsprechung bzgl. der Führung von Professorentiteln auch Bahner, S. 226 ff. 61 Vgl. zur wettbewerbrechtlich-prozessualen Vorgehensweise Eibl, ZMGR 2011, 9. 62 Ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 1.6.2011 – 1 BvR 233/10 und – 1 BvR 235/10, GesR 2011, 660. Vgl. zur berufswidrigen Kommerzialisierung des Arztberufes auch Bahner, S. 274. 63 BVerfG, Beschl. v. 14.7.2011 – 1 BvR 407/11.