KRISTÖF FATSAR Franz Rosenstingl als Gartenarchitekt in Ungarn Im Archiv der Familie Graf Kärolyi in Ungarn findet man insgesamt vier, für drei verschiedene Orte erstellte Pläne oder Planentwürfe'1" ohne Unterschrift und Namen, die vom selben Künstler stammen. Diese Pläne wurden nicht nur von der gleichen Person erstellt, der Auftraggeber war auch der selbe Mann, nämlich Graf Antal Kärolyi. Antal Kärolyi (Abb. 1), der nach seinem Schulabschluß 1753 zum Militär ging, wurde im Jahre 1758 Feldmarschall und noch im selben Jahr, im Alter von 26 Jahren übernahm er die Verwaltung des Familienbesitzes. Der talentierte Feldherr — ohnehin ein Mann aus dem öffentlichen Leben - erklomm auch nachher schnell die Rangstufen nach oben; 1760 wurde er Mitglied der Septemvirtafel (Siebenköpfiges Gericht), sechs Jahre später Geheimrat und Vertreter des Generalfeldherren, und 1775 wurde er zum königlichen Obertruchsess ernannt. Kärolyi, der schon zu dieser Zeit einer der größten Würdenträger war, wurde im Alter von 55 Jahren Kapitän der königlichen ungarischen adeligen Leibgarde, und schließlich, ein Jahr vor seinem Tod, wurde er auch Ordensritter des Goldenen Vlieses.1 Auf den Schlossbau setzte Antal Kärolyi einen besonders großen Akzent. Sein Rang erforderte zweifellos die Errichtung neuer Residenzen. In Derekegyhäza und in Totmegyer 2 ließ er Schlösser, in Pest 3 einen Palast erbauen, und er beschäftigte sich auch mit dem Gedanken, anstatt des Schlosses in Nagykäroly4, des Stammsitzes der Familie, eine moderne Residenz errichten zu lassen. Den Glanz seiner neuen Schlösser wollte Antal Kärolyi natürlich mit Ziergärten erhöhen; jeder der oben genannten vier Gartenpläne bzw. -entwürfe wurde nämlich eindeutig mit dem Ziel der Errichtung eines großflächigen Gartens erstellt. In Pest5 (Abb. 6) und in Nagykäroly6 (Abb. 2) erscheint der Garten als ein Teil des umfangreichen Bauprogramms, und zwar in einer ziemlich schematischen Darstellung, während die für das Schloss in Derekegyhäza erstellten beiden — mit einem A bzw. einem B bezeichneten — endgültigen Planentwürfe7 (Abb. 4 und 5) ausschließlich die Gestaltung des Gartens zum Ziel hatten. Die im Auftrag von Antal Kärolyi erstellten Planentwürfe werden von mehreren Motiven zu einer Einheit verbunden, wodurch bewiesen wird, dass der Schöpfer in jedem Fall die selbe Person ist. Einerseits zeigt die Art und Weise der damaligen Bestandsaufnahme bzw. die Signatur und die Kalligraphie, dass die Pläne in Folge, auf jedem Fall zur beinahe gleichen Zeit erstellt wurden. Noch beweiskräftiger ist die hervorstechende Ähnlichkeit der Darstellungsweise der Skizzen; alle Pläne wurden mit Bleistift gemacht, es sind auch die Konstruktionslinien der Gartenelemente zu sehen, was — gerade mit Ausnahme der Entwürfe - keine übliche Vorgehensweise ist. Diese Linien helfen jedenfalls bei der Wahrnehmung der Schemen, mit ihrer Hilfe kann das Prinzip der Gartenaufteilung gut zurückverfolgt werden. Die Kolorierung wurde vom Schöpfer auf jedem Plan mit der selben Methode, blass und mit viel Wässer ausgeführt. Im allgemeinen kann man sagen, dass die Einzelheiten dieser Pläne, die mehr oder weniger nur Entwürfe geblieben sind, dermaßen unausgearbeitet sind, dass der Schöpfer heute der Nachlässigkeit beschuldigt werden würde. Außerdem fällt auch die Ähnlichkeit der mit Feder geschriebenen Aufschriften auf, es ist zweifellos die gleiche Handschrift. Auch die stilkritischen Argumente sprechen dafür, dass die selbe Person diese Pläne erstellt hat. Das vielleicht charakteristischste und häufigste Element des Gartenarchitekten ist der Abschluß der Hauptachse mit einem Lusthaus. Dieses Motiv findet man sowohl auf dem Plan von Pest, als auch auf dem >A<-Plan von Derekegyhäza, und auf dem Planentwurf von Nagykäroly hat der Künstler beide erstrangige Achsen des Gartens mit einem Lusthaus abgeschlossen. (Es ist jedoch möglich, dass es in jedem Fall ausschließlich auf Wunsch des Auftraggebers geschah.) Die Lusthäuser sind — mit einer Ausnahme — einräumige, eingeschossige Gebäude mit einem ovalen Innenraum. Ein weiteres überzeugendes Motiv ist jene eigenartige Parterregestaltung, die sogar auf zwei Planentwürfen, auf dem Plan von Pest und auf dem >A<-Plan von Derekegyhäza, zu finden ist. Das Parterre wird von einer Blumenrabatte (platebande) umgeben, in einige seiner Ecken — wo das Feld nicht von einem dichten Rasenband (massif de gazon) und von einer dazugehörigen Broderie ausgefüllt wird — hat der Architekt geschnittene Rasenflächen (gazon coupee) gesetzt. Die Broderie wurde also mit größeren Rasenflächen — dank der Asymmetrie auf eigenartige und 153 ständnisse um seinen Vornamen ist, dass sein elf Jahre jüngerer Bruder, Nikolaus Sebastian (1713-1748) in der gleichen Schule wie sein Bruder, jedoch etwas später, Architektur studierte, und so wurde die Person der beiden Künstler oft verwechselt, obwohl der jüngere Bruder als Historienmaler bekannt wurde. Franz Thomas begann mit seinem Architekturstudium im Jahre 1726 in Wien an der Akademie für Bildende Kunst, 1734 war er noch Schüler der Akademie. Frühestens ab 1740 war er aber schon als Lehrer der K. K. Ingenieur Akademie - laut eines Zeugnisses von 1770 als Professor der bürgerlichen Architektur — tätig, bis zu seinem Tod. Daneben unterrichtete er ab 1749 bürgerliche Architektur bzw. Zeichnen auch an der Savoy'sehen Ritterakademie. 13 In dem Nachlass von Rosenstingl gab es Architekturliteratur, aber keines von den Büchern behandelte die Gartenkunst. 14 In seinem eigenen Werk über Architektur 15 widmete er zwar kein eigenes Kapitel der Gartenarchitektur, aber der Teil, der als Fachwörterbuch der Baukunst diente, enthält mehrere Artikel über die Elemente der Gartenkunst. Von diesen Erläuterungen ist der Artikel »Garten« so vielfältig und umfangreich, dass er allein als ein kleinerer Traktat betrachtet werden kann. Er ist für einen Artikel eines Wörterbuchs ohne Zweifel zu lang, wegen den Inhaltsbeschränkungen ist er aber vorwiegend eine allgemeine Ausführung. Der Text basiert nahezu vollständig auf dem — ansonsten auch nicht zu sehr detaillierten — Traktat von d'Aviler16, zahlreiche Wendungen des französischen Autors setzte Rosenstingl unverändert in seinen Text ein. Indessen war Rosenstingl auf dem Gebiet des Gartenbaus nicht ohne Erfahrung, da er schon 1746 einen Plan für den Garten des Stifts Melk erstellte.17 Von Antal Kärolyis Gärten erwähnen die zeitgenössischen kulturgeschichtlichen Quellen nur den Garten von Nagykäroly, der aber anhand der Beschreibungen keinesfalls für einen großflächigen und noblen Ziergarten gehalten werden kann. 18 1 Portrait von Antal Kärolyi. Stich von Kohl nach Weickert (1792) unregelmäßige Art - abwechselnd gestaltet, als ein Übergang zwischen einem Rasen- und einem Broderieparterre. Ovale Felder werden vom Künstler in den Berührungspunkten der Achsen fast so oft verwendet wie kreisförmige. Der Autor wird von einer Aufschrift auf der Rückseite des Plans für den Schlossgarten in Nagykäroly 8 enthüllt. Dies besagt, dass der Plan »Opera Francisci Rosenstingel« ist. Der Grundriss des Schlosses auf diesem Planentwurf ist der gleiche wie auf jener Darstellung aus der Vogelperspektive (Abb. 3), die ebenfalls von Rosenstingl stammt. 9 Für die Identifizierung der Entwürfe liefern Rosenstingls Briefe an Antal Kärolyi eine weitere Bekräftigung. 10 Leider geht es in keinem dieser Briefe um die Gartenpläne, die Handschrift ist aber mit der auf den Entwürfen identisch. Franz Thomas Rosenstingl ist 1702 in Wien geboren und er starb dort im Jahre 1785. 1 1 Es ist bis heute unklar, wieso er später Franz Sebastian oder nur Sebastian genannt wurde, auf jedem Fall ist er in der Fachliteratur12 unter diesem Namen bekannt geworden. Er selbst schrieb seinen Namen 1734 noch als Franz Thomas, später einfach Franz. Der wahrscheinliche Grund für diese Missver- Der Besitz in Nagykäroly (Komitat Szatmär) war der Familiensitz, von hier kommt auch der Name der Familie. Das Steingebäude, das an der Stelle des zu Antal Kärolyis Zeit errichteten Schlosses stand, wurde 1482 gebaut. Es wurde ab 1592 verstärkt und zu einer Festung umgebaut und später, zwischen 1661 und 1666, weiter befestigt. 19 Die neue Residenz ließ Antal Kärolyis Sohn, Jozsef (1768-1803) gleich nach dem Antreten seiner Erbschaft, zwischen 1792 und 1795 erbauen. Die alte Festung wurde niedergerissen, der Festungsgraben zugefullt, und neben dem neuen Schloss wurde ein englischer Garten errichtet.20 Antal Kärolyi hatte auch den Umbau des veralteten Schlosses vor, diesen Plan führte er aber schließlich nicht durch. Mit der Erstellung eines Plans für den Umbau bzw. für die neue Residenz beauftragte er aber 1783 mehrere Architekten. Einer von diesen Architekten war Rosenstingl. 21 Seine Pläne wurden nicht verwirklicht, die nach gut zehn Jahren angefangenen Bauarbeiten erfolgten nicht nach seinen Konzeptionen. Auf der für das Schloss in Nagykäroly erstellten, nach Nordwesten orientierten Skizze (Abb. 2) war es für den Entwerfer keine leichte Aufgabe, den Garten mit den schon stehenden Gebäuden in Einklang zu bringen. Die Kolorierung des Entwurfes lässt darauf schließen, dass der Architekt nur bezüglich eines Gebäudes, und zwar des Hauptgebäudes einen Umbauvorschlag machen musste. Es steht jedenfalls fest, dass der Künstler das Gebäude, das die 154 2 Der Plan für das Schloss und den Garten in Nagykäroly (1783), MOL T20 No. 60 Westseite des Feldes abschließt und sich nicht in die geometrische Ordnung der anderen Bauwerke fügt, als unveränderliche Gegebenheit akzeptieren musste. An der Stelle der früheren Burg plante er ein Gebäude, das die Basis der ganzen Komposition bildete: sein Grundriss gab die Form eines Adlers mit gestreckten Flügeln wieder, was auf das Wappentier der Familie Kärolyi hindeutete. Die schon stehenden Bauten bestimmten die Form des Gartens, dessen längste Achse senkrecht auf die Hauptachse des Gebäudes trifft. Den in die Hauptachse des Gebäudes fuhrenden Weg schloss Rosenstingl mit einem Lusthaus ab, der aus einem größeren ovalen Innenraum und aus zwei kleineren, sich an zwei Seiten an den Innenraum anschließenden Nebenräumen (cabinet) besteht. Etwa 3 Der vogelperspektivische Hauptplan für das Schloss in Nagykäroly (1783), MOL T20 No. 101/7 155 in der Hälfte des Weges bestimmt ein ovales Becken die Linie der Hauptquerachse. In diesem Becken laufen in einer Sternform weitere Wege (etoile) zusammen. Das kleine Becken vor dem die Hauptachse abschließenden Lusthaus bestimmt die zweite, zur anderen parallel verlaufende, aber ihr untergeordnete Querachse. Die Achsen der beiden »Adlerflügel« des Gebäudes sind mit einer ovalen Fläche abgeschlossen, aus der mit der Hauptachse parallele Wege ausgehen. Das andere, dem Schloss näherliegende Ende der Hauptachse ist mit einem anderen, einräumigen Lusthaus abgeschlossen. Die Gestaltung des Raums zwischen den großflächigen Nebengebäuden, das an die beiden längsgerichteten Seiten vom Südwestteil des Gartens angrenzt, ist weniger ebenmäßig (eher irregulär). Im Schnittpunkt des Weges, der die Mittelachsen verbindet, und des Weges, der in der Hauptquerachse des Gartens verläuft, befindet sich eine kreisförmige Rasenfläche, deren Kolorierung blasser ist als bei den übrigen Grünflächen des westlichen Gartendrittels, und das bedeutet, dass zwischen den Nebengebäuden ein Boskett geplant ist. Es ist vor allem deshalb wohlbegründet, da man wegen der schiefen Achsen zwischen den Nebengebäuden die Wege in ein Boskett verbergen wollte, damit die Unregelmäßigkeiten nicht störend wirken. Derekegyhäza (Komitat Csongräd) ging 1722, mit dem Erwerb der Ländereien bei Csongräd und Hodmezoväsärhely in den Besitz von Sandor Kärolyi über. 22 Das Schloss, das nur aus einem Erdgeschoss bestand, wurde 1769 erbaut, und blieb in der ursprünglichen Form während des ganzen Jahrhunderts erhalten. 23 Sein Garten wird von einer Quelle als großer Obstgarten erwähnt, 24 ein Plan aus dem Jahre 1801 stellt einen rechteckigen, in vier Teile geteilten kleinen Garten, der quer vor dem Hauptgebäude liegt, als Schlossgarten dar,25 Rosenstingls Pläne wurden also hier auch nicht ausgeführt. Es stehen uns keine Angaben über das genaue Entstehungsdatum zur Verfügung, als frühestes Datum kann das Baujahr des Schlosses, als spätestes Rosenstingls Tod (1785) betrachtet werden. Rosenstingl erstellte für den Garten in Derekegyhäza zwei Entwürfe. Der Entwurf > A<26 (Abb. 4) ist eine anspruchsvollere und größere, also aufwändigere Gestaltung. Der Entwerfer bezeichnete die Gartenfassade des Schlosses mit einem rosa Streifen, die gleiche Breite hat auch der offene Teil des Gartens. Direkt vor der Fassade, entlang der Hauptachse läuft eine freiliegende Rabatte (platebande isolee), daneben liegt Rosenstingls charakteristisches Parterre. Hinter den Parterres liegen vier gleichartige k Der Entwurf >A< für den Schlossgarten in Derekegyhäza (1769-1785) MOL T20 No. 126/1 156 offene Bosketts (bosquet decouvert) mit Sterngang, zwischen den Bosketts liegt wahrscheinlich ein Bekken, obwohl die Kolorierung die gleiche wie bei den Rasenflächen ist. Hinter die offenen Bosketts plante der Künstler acht kleine geschlossene Bosketts (bosquet de toucbe) mit diamantförmigen Rasenflächen in der Mitte, die von einem Weg umgeben sind. In der Hauptachse, zwischen den acht kleinen Einheiten liegt ein Becken, wieder in der gleichen Farbe wie die Rasenflächen. Dieses Band wird auf beiden Seiten des Gartens mit einem geschlossenen Boskett in der Form eines Kreuzgangs abgeschlossen, so dass es die auf den beiden Seiten liegenden, in ein Quincunx eingepflanzten Obstplantagen in zwei Teile teilt. Dieser dynamische, den Garten zweiteilende Raum wird in der Hauptachse mit einem mit Volute und Lilie verzierten Motiv abgeschlossen. In den übrigen Gartenteilen findet man Bosketts mit Wegen und größeren Räumen, zuerst ein kleineres geschlossenes Boskett, dann ein die ganze Gartenbreite umfangendes Quincunx, und schließlich ein den ganzen Garten abschließendes geschlossenes Boskett. Der Mittelgang wird mit einem Lusthaus abgeschlossen, sein Innenraum ist leicht ellipsenförmig. Von den Seitenwegen führt auch der halbkreisförmige Abschluss des mittleren zu diesem dominanten Pavillon, der trotz seiner grünen Farbe zweifellos ein Steingebäude ist. Der Grund für die Vernachlässigung der rosa Kolorierung mag analog mit dem Grund für die Kolorierung der Becken sein. Der für das Schloss in Derekegyhäza erstellte Entwurf >B<27 (Abb. 5) schildert einen kleineren Garten mit einfacherer Gestaltung. Die entlang der Seitenfassaden des Gebäudes verlaufenden Wege münden in eine Allee. Zwischen den Alleen vor dem Schloss liegt eine weitstreckende Rasenfläche, die in der Mitte mit einer kreisförmigen Fläche gebrochen wird. In der Mitte des Kreises steht ein großer Baum. Das einfache Parterre, das keine Rabatte hat, und nicht den traditionellen Regeln des französischen Gartens entsprechend gestaltet wurde, ist ein Zugeständnis gegenüber dem neuen Gartenstil, dem irregulären Garten. Hinter dem halbkreisförmigen Abschluss des Parterres liegt ein geschlossenes Boskett. Das dominierende Element des Bosketts ist sein Zentralraum, der in der Form eines Kreuzgangs gestaltet wurde, und von konzentrischen Wegen umgeben ist. Im Teil hinter der kreisförmigen Fläche laufen Wege und liegen Nebenräume. Hinter dem halbkreisförmigen Abschluss des Bosketts steht auf beiden Seiten ein Gebäude, wahrscheinlich eine Orangerie und das Gärtnerhaus. Auf beiden Seiten des Gartens liegen Nutzgärten. Auf 5 Der Entwurf >B< für den Schlossgarten in Derekegyhäza (1769-1785), MOL T20 No. 126/2 157 dem oberen Rand des Plans, auf dem leeren Teil des Papiers steht die Aufschrift »der Bau von Teröcketzazi«, die — verzerrt — auf Derekegyhäza hindeutet, und darüber das Wort »Tier garten«, das auf die Existenz oder die Planung eines Wildparks schließen lässt. Das Grundstück für das Schloss in Pest kaufte Antal Kärolyi im Jahre 1768 vom Grafen Jänos Barköczy, und die Bauarbeiten wurden 1769 mit dem Um- und Ausbau des schon auf dem Grundstück stehenden kleineren Gebäudes angefangen. Rosenstingl erstellte seinen Plan für den im Jahre 1779 beschlossenen weiteren Umbau des Schlosses (Abb. 6). 28 Der Plan wurde nicht verwirklicht, bei dem Ausbau 1779 und 1780 wurden nur wenige Änderungen vorgenommen, und das Schloss blieb dann bis zu seinem 1832 angefangenen Umbau in dieser Form. Auf dem Plan des Schlosses und des Gartens in Pest 29 (Abb. 6) führt die Hauptachse des Gartens in der Hauptachse des Gebäudes weiter. Der Grundriss des Gartens ist unregelmäßig, der Garten wird von zwei Wegen in vier beinahe gleiche Teile geteilt. Im Schnittpunkt der Wege steht wahrscheinlich ein Becken, Rosenstingls Gewohnheit gemäß in der gleichen Farbe wie die Pflanzen. Als Abschluss der Hauptachse steht an der hinteren Gartenmauer das unerläßliche rechteckige Lusthaus mit ovalem Innenraum. In der Hauptachse der Fassaden des Lusthauses und in den Ecken wurden Offnungen geplant, die auch die — nur mit Bleistift gezeichneten — Linien der in der Form eines Gänsefusses auseinanderlaufenden Wege bestimmen. Nur ein Viertel des Gartens — der am nächsten zum Gebäude liegt —ist mehr oder weniger ausgearbeitet. In diesem Teil ist auch das charakteristische Parterre des Künstlers zu sehen. Neben diesem Parterre beginnt eine Hecke an der Gartenmauer, die die Mauer verbirgt. Es ist uns nicht bewusst, aus welchem Grund Antal Kärolyis Wahl so oft auf Rosenstingl fiel. Wir nehmen an, dass Kärolyi den dreißig Jahre älteren Künstler in der österreichischen Hauptstadt kennengelernt hat, da er in Wien fast so viel Zeit verbrachte wie auf seinen ungarischen Besitzungen. Rosenstingl, der Professor, galt in den militärischen Kreisen als ein Architekt mit gutem Ruf — einer seiner Zeitgenossen bezeichnete ihn als »einer den besten Architecten« 30 —, so mag auch einer der Offiziere Kärolyi auf den Wiener Meister aufmerksam gemacht zu haben. 6 Der Plan für den Umbau des Kärolyi-Palastes und des Gartens in Pest (1779), MOL T20 No. 67 158 Auf dem Herrenhof in Nagykäroly gab es auch eine Baukanzlei, Schlosses in Nagykäroly bzw. die gleiche aus der Vogelperspek- die von dem Würzburger Architekten, Jozsef Bitthauser geführt tive. 32 Rosenstingl wurde also von Antal Kärolyi regelmäßig als wurde. Bei der Planung von größeren Bauaktivitäten wurden aber Entwerfer beschäftigt, und unseren bisherigen Kenntnissen nach auch hoch angesehene Gastkünstler engagiert, so ließ Antal Käro- war Kärolyi der einzige Auftraggeber des Wiener Künstlers aus der lyi neben Rosenstingl auch Pilgram, den niederösterreichischen ungarischen Aristokratie. Landesarchitekten und Hillebrandt, den Generalarchitekten der Rosenstingl ist für uns eine neue Gestalt in der ungarischen ungarischen Kammer mehrmals Pläne entwerfen. Im Kärolyi- barocken Gartenkunst. Nachdem wir seine Laufbahn und seine Archiv sind noch mehrere Pläne von Rosenstingl zu finden, so kön- theoretische Arbeit kennengelernt haben, können wir feststellen, nen wir weitere Pläne in Nagykäroly, wie den Plan des Komitatsrat- dass Rosenstingl als einer unserer meistgebildeten Meister zu hauses, des Schulgebäudes, des Ordenshauses der Piaristen und bewerten ist. Seine Pläne wurden nicht verwirklicht, anhand seiner der Pfarrkirche mit seinem Namen verbinden. 31 Sein für das Kompositionen können wir aber darauf schließen, dass er unter Schloss in Nagykäroly erstellter großzügiger Hauptplan aus Vogel- den Gartenarchitekten seiner Zeit zu den besseren gehörte. In perspektive zeigt die gleiche Gliederung wie es auf dem Gartenplan Kenntnis seiner charakteristischen Stilmerkmale und seiner zeich- zu sehen ist. In Rosenstingls Nachlass waren mindestens zwei Ent- nerischen Technik kann man nur hoffen, dass es weitere, wegen würfe, die mit der Familie Kärolyi verbunden sind: die Skizze der der fehlenden Signatur bisher nicht, oder falsch zugeschriebene Pfarrkirche in Nagykäroly aus Vogelperspektive und die Skizze des Pläne gibt, die mit seinem Namen verbunden werden können. Anmerkungen * 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Die Entwürfe sind von Erika Czikkelyne Nagy fotografiert worden. Klobusiczky, Peter: Halottas beszed (Nekrolog). Pesth - Pozsony 1792.; Nagy, Ivan: Magyarorszäg csalädai czimerekkel es nemzedekrendi täbläkfci/(Ungarische Familien mit Wappen und genealogische Tabellen). Pest 1860. Bd. VI, S. 107-108. Heute: Palärikovo (Slowakei). Über den Bau: Badäl, Ede: Grassalkovich mödositäsa Hillebrandt terven a tötmegyeri Kärolyi-kastely epitesekor (avagy hol legyen az iställö a kastelyban) (Die Modifizierungen von Grassalkovich auf dem Plan von Hillebrandt bei dem Bau des Kärolyi-Schlosses in Tötmegyer oder wo soll der Stall im Schloss sein). Müveszettörteneti Ertesitö XXXVH. (1988) 3-4, S. 231-247. Heute: Budapest Heute: Carei (Rumänien). Magyar Orszägos Leveltär (Ungarisches Staatsarchiv, MOL), Die Pläne aus dem Archiv der Familie Kärolyi (T20) No. 67. MOL T20 No. 60. MOL T20 No. 126/1 und No. 126/2 MOL T20 No. 60; die ganze Aufschrift auf der Rückseite des Entwurfs: »Volumen II. No. 1. Situs Veteris Castri Käroly, et Horti adiacentis, item Scholae Equestris, cum adiuncta Idea Novi Castri. Opera Francisci Rosenstingel. Volum. II. N. 1.« Und eine andere Aufschrift: »Ad Num 244u 1789.« Auf der rechten Seite des Entwurfs: »haubt plan von den gräflichen gebäude zu Karol in ober Ungarn«, links oben in der Ecke: »... [der obere Teil des Blattes wurde abgeschnitten] des gebäudes. sein grosse in der maaß I in gantzen und die irregulär itus desunfangs sowohl des gebäude als des gartens«, neben der Windrose: »Orientierung.« MOL T20 No. 101/7. Voit, Päl: Barokk tervek es väzlatok 1650-1760 (Barocke Pläne und Skizzen 1650-1760). Budapest 1980, im Katalog Pos. 78. MOL, Archiv der Familie Kärolyi, P398 (Missiles) No. 62845-62848. Hierl-Deronco, Norbert: Je heller ein Ziegl klinget. Franz Thomas Rosenstingl und das Banen im IS. Jb. Krailling vor München 1988, S. 99-105. Thieme-Becker: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. XXIX. Leipzig 1935. Hierl-Deronco, S. 119-129. Hierl-Deronco, S. 99-105. 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 159 [Rosenstingl, Franz Thomas:] Grundliche Untenveisung zur Bau-Kunst. Manuscript. S. a. Mehrere Bände des Manuskripts befinden sich in der Bibliothek der Wiener Kunstakademie. Das Kapitel über die Kirchenarchitektur ist in der Sammlung der Bibliothek des Österr. Ing.- und Architekten-Vereins. d'Aviler, C. A.: Cours d'Arcbitecture. Paris 1690. »... forderte er [Abt Thomas] vor sieb einen in Wienn berühmten Ingenieur nahmens Rosenstingl, u. gab gnädigen Bevelch, unverweilt einen Garten Riss zu verfertigen, u. wurde noch dieses Jahr nach vogenohmener Abmessung des Terrains sowohl die erforderliche Abgrabung als auch die Aufführung deren Mauern, ingleichen die Anlegung einiger Parterre, Einsetzung der Spallier u. Baumer in dem langen Gang vor die Hand genohmen ...«HierlDeronco, S. 143-151. Die Tagebuchaufzeichnungen vom Ordensbruder Antal Hueber über den Garten aus dem Jahr 1757 in: Eble Gabor: A Kärolyi gröfok nagykärolyi värkastelya es pesti palotäja (Das Burgkastell in Nagykäroly und das Schloss in Pest der Grafenfamilie Kärolyi). Budapest 1897, S. 33. Franfois Xavier de Feller, Priester des Jesuitenordens aus Luxemburg war 1769 in Nagykäroly (ltineraire ou voyage de Mr. l'abbe de Feller en diverses parties del'Europe. Paris 1820, zitiert in G. Györffy, Katalin: Kultüra es eletforma a XVIII. szäzadi Magyarorszägon (Kultur und Lebensform in Ungarn im 18. Jh.). Budapest 1991, S. 101. Über den ein Jahrzehnt späteren Zustand des Gartens: Korabinsky, Johann Mathias: Almanach für Ungarn. 1778. Eble 1897, S. 7-50. Eble 1897, S. 34. Neben Rosenstingl erstellte Franz Anton Hillebrandt, D'Avrange und P. Florianus Dom Pläne für das Schloss. Kärolyi i. m. Genthon, Istvän: Magyarorszäg müveszeti emlekei. (Ungarns Kunstdenkmäler) Bd. 2. Budapest 1961. Välyi, Andräs: Magyar Orszägnuk leträsa. (Beschreibung Ungarns) Bd. 3. Buda 1796-1799. MOL Die Plankarten aus dem Archiv der Familie Kärolyi (S82) No. 103. MOL T20 No. 126/1. Auf dem dem Plan beigefügten Blatt steht: » Volumen III. N. 6. Horti Derekegyhäziensis Idea duplex su A, et B. inscribitur 27 28 29 etiam Idea Horti Pestiensis«. Auf der Rückseite des Plans stand ursprünglich folgender Text: »No. 12. Idea Horti Pestiensis«, die falsche Aufschrift wurde später abgedeckt. MOL T20 No. 126/2. Auf der Rückseite des Plans stand ursprünglich folgender Text: »No. 13. Hortus Pestiensis«, die falsche Aufschrift wurde später abgedeckt. Die gründlichste Zusammenfassung der Baugeschichte: Revhelyi (Reh), Elemer: Az Egyetem-utcai volt Kärolyi-palota epitesenek törtenete (Die Geschichte der Bauarbeiten am ehemaligen Karolyi-Schloss in der Egyetem Strasse). Tanulmänyok Budapest mültjäböl (Studien aus der Vergangenheit von Budapest) II. Budapest 1934. Rosenstingls Plan wird auf den Seiten 10-11 vorgestellt, über seine herausragende Qualität wird anerkennend geschrieben. MOL T20 No. 67. Die bei Revhelyi i. m. vorgeführte Reproduktion (Abb. 7) stellt nicht den ganzen Plan dar, der größere Teil des Gartens fehlt. Der 30 31 32 160 Plan wird ausführlicher vorgestellt in: Gombos, Zoltän: Regi kertek Pesten es Budän (Alte Gärten in Pest und Buda). Budapest 1974, S. 108-110. Er addiziert den Plan Jözsef Jung und kritisiert den Entwerfer, da man s.E. kein Parterre neben der Mauer planen kann. In Stadtgärten ist es aber gewöhnlich (siehe dazu auch das oben gen. Werk von d'Aviler), es wird neben der Gartenmauer von einer Allee oder Hecke begleitet, der Plan vom Schloss in Pest wurde also vorschriftsgemäß erstellt. Hierl-Deronco, S. 121. Voit, Pal: Beszämolö az Orszägos Müemleki Felügyelöseg tavlati kutatäsi tervehez kapcsolödö leveltäri munkaröl (Bericht über die mit dem Forschungsvorhaben der Staatlichen Dekmalaufsichtsbeh örde zusammenhängenden Archivarbeiten) in Magyar Müemlekvedelem 1959-1960. Budapest 1964, S. 255-258. Hierl-Deronco, S. 99-105. Die Gartenkunst o o 0 <N \ i—I £ bß 1 •S »—» iH