BIENE_11_006.qxd 13.10.2008 9:56 Uhr Seite 6 SCHWERPUNKT PROPOLIS Gut für die Gesundheit Seit über 2.000 Jahren wird Propolis als Medizin verwendet. Verschiedene Studien belegen die erstaunliche Heilkraft des Bienenproduktes. Allerdings ist bei der Anwendung Vorsicht geboten: Propolis kann auch Nebeneffekte haben. Sie sollte daher nicht dauerhaft eingenommen werden. Mögliche Grundlage der Wirkung ist die Rolle von Propolis als Radikalfänger. Solche Radikalfänger halten in den Körperzellen wichtige Entgiftungssysteme aufrecht oder führen dazu, dass der Verbrauch an Vitamin C gesenkt wird. Wirkt gegen Viren und Nekrose Propolis wirkt sehr effektiv gegen Viren, insbesondere gegen Herpes-, Adeno- und InfluenzaViren, aber möglicherweise auch gegen das humane Immundefizienzvirus (HIV, Aids). Bereits im Burenkrieg (1899–1902) in Südafrika wurde eine Präparation namens Propolisin als Antibiotikum erfolgreich angewendet. Moderne Untersuchungen bestätigen die Wirksamkeit gegen verschiedene Bakterien, wobei Propolis die Wirkung etlicher Antibiotika verstärken kann. Bei verschiedenen Verletzungen (Hodentorsion, Verletzungen der Wirbelsäule) und der aseptischen Hüftkopfnekrose (Absterben des oberen Teils des Oberschenkelknochens) hat Propolis einen günstigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf gezeigt. In der Darmchirurgie könnte Propolis sinnvoll sein, denn das Aufplatzen von Nähten am Darm lässt sich damit effektiv vermindern. Auch in der Zahnheilkunde bewirkt Propolis eine Verbesserung der Härte des Zahnschmelzes und eine Verringerung der Empfindlichkeit der Zähne. Probleme bei der Anwendung In der Hausmedizin, vor allem bei Imkern, wird Propolis häufig bei Erkältungskrankheiten eingesetzt. Zumindest bei Kindern ist die Wirksamkeit belegt. Fotos: Sabine Rübensaat (2), Silke Beckedorf B ei dem Bienenprodukt Propolis bestehen verschiedene Berührungspunkte mit der Medizin. Diese ergeben sich einerseits bei der Anwendung, aber auch aufgrund ihres Potenzials, Allergien auszulösen: Propolis zählt zu den 20 Stoffen, die weltweit am häufigsten zu allergischen Reaktionen führen. Beide Aspekte sollen kurz dargestellt werden. Schon Hippokrates nutzte Propolis Propolis wird seit Jahrtausenden in der Medizin angewendet, u.a. vom berühmtesten Arzt der Antike, dem Griechen Hippokrates (460–377 v. Chr.), der mit Propolis Geschwüre der Haut und des Magendarmtraktes behandelt haben soll. Heute empfehlen Apitherapeuten den Einsatz von Propolis bei verschiedenen Erkrankungen, insbesondere bei Erkältungen, rauem Hals, Hautproblemen, Magengeschwüren, Verbrennungen, Hämorrhoiden und Wunden. In diesen Bereichen wird sie auch von Imkern gern angewendet. Doch es stellt sich die Frage: Wie erfolgreich und sicher ist die Anwendung von Propolis wirklich? Interessanterweise wurde die Substanz in den vergangenen Jahren intensiv wissenschaftlich geprüft. Dabei fanden sich erstaunliche Befunde, die beweisen, dass Propolis ein wirksames 6 (486) Gemisch ist, welches sich grundsätzlich für die medizinische Anwendung beim Menschen eignet. Schutz für gesundes Gewebe Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Propolis direkte krebszellentötende und krebsverhindernde Eigenschaften besitzt. Von Interesse ist, dass sich die Effekte von Propolis auf bösartiges Gewebe beschränken, während gutartiges Gewebe kaum in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei konventioneller Behandlung mit Bestrahlung und Chemotherapie kann Propolis das gesunde Gewebe sogar schützen und die Wirksamkeit mancher Medikamente verstärken, ohne dass mehr Nebenwirkungen auftreten. Darüber hinaus verhindert Propolis die Herzschädigung bei einer Chemotherapie mit Doxorubicin, einem Medikament, das z.B. bei Brustkrebs eingesetzt wird. Außerdem lässt sich damit die Bauchspeicheldrüse vor Giftstoffen wie Streptozotozin schützen, welches die für die Insulinproduktion zuständigen Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstören würde. Propolis schützt auch die Leber vor den Wirkungen von Alkohol, Tetrachlorkohlenstoffen u.v.a.m. Die voranstehenden Ausführungen zeigen, dass Propolis interessante Eigenschaften hat. Für manche Anwendungsbereiche stehen auch keine vergleichbaren Wirkstoffe in der konventionellen Medizin zur Verfügung. Dennoch hat Propolis bisher kaum Einzug in die Medizin gehalten. Hauptursache dafür dürfte sein, dass Propolis kein einheitliches Produkt ist. Je nach pflanzlicher und geografischer Herkunft sowie je nach Jahreszeit hat sie unterschiedliche Zusammensetzungen. Entsprechend muss man auch unterschiedliche Wirksamkeiten annehmen. Das haben auch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt: Beispielsweise konnten Propolisextrakte aus Uruguay die Krebsentstehung im Brustdrüsengewebe unterdrücken, während Extrakte aus Brasilien unwirksam waren. Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichen Methoden der Extraktion. Hier sind verschiedene Verfahren gebräuchlich, sodass die Extrakte höchst unterschiedlich ausfallen können. Ferner besteht Propolis aus mehreren Hundert Inhaltsstoffen, von denen ein Großteil kaum bekannt und charakterisiert ist. So lassen sich kaum Propolispräparate herstellen, die den Anforderungen an Produktqualität und -konstanz genügen. Problematisch ist auch der Umstand, dass bislang überwiegend experimentelle Studien im Reagenzglas oder an Tieren durchgeführt wurden, die sich nicht unbedingt auf die Situation am Menschen übertragen lassen. Die meisten der oben erwähnten Ergebnisse beziehen sich auf diese Art von Studien. DEUTSCHES BIENEN-JOURNAL 11/2008 BIENE_11_007.qxd 13.10.2008 9:57 Uhr Seite 7 Studien zur Wirkung am Menschen Nur wenige Studien wurden am Menschen durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Studien werden hier kurz zusammengefasst. ■ Immunsystem: Propolis führt bei gesunden Versuchspersonen zu einer verbesserten Immunfunktion. ■ Erkältung: Eine Mischung von Echinacin (Extrakt aus Purpursonnenhutkraut), Propolis und Vitamin C verringert Erkältungskrankheiten bei Kindern im Winter um 55%. ■ Entzündung: Eine Scheidenspülung mit 5%iger Propolislösung führte bei Frauen, die unter einer chronischen Scheidenentzündung litten und denen durch traditionelle Methoden nicht geholfen werden konnte, in bis zu 87% der Fälle zu einer Besserung. ■ Herpes: Bei genitaler Herpesinfektion (HSV Typ 2) zeigte sich Propolis dem Standardmedikament Acyclovir überlegen. Auch in dieser Studie ließ sich in der Propolisgruppe eine begleitende bakterielle Infektionen der Scheide gleichzeitig erfolgreich behandeln. ■ Viren: Propolis wirkt gegen humane Papillomviren, die Auslöser von Gebärmutterhalskrebs und Kehlkopfkrebs. Durch Propolis können bereits vorhandene Zellveränderungen wieder normalisiert werden. ■ Asthma: Ein 13%iger wässriger Propolisextrakt, der sprühgetrocknet zu Milchpulver gegeben und dann mit Wasser angerührt und getrunken wurde, führte bei Patienten mit Bronchialasthma in Kombination mit der Standardtherapie zu Verbesserungen im Hinblick auf nächtliche Hustenanfälle, verschiedene Entzündungsparameter im Blut und die Lungenfunktionstests. ■ Mundschleimhaut: Das Auftreten von Aphthen (Entzündungen der Mundschleimhaut) lässt sich durch Propolis wirksam verhindern. ■ Strahlentherapie: Propolis vermindert die Schädigung der Mundschleimhaut während einer Strahlentherapie, z.B. bei Krebs im Kopf-Hals-Bereich. Propolis zählt zu den 20 stärksten Allergenen. Gerade Imker sind oft betroffen. DEUTSCHES BIENEN-JOURNAL 11/2008 Propolis als Medikament zuzulassen ist nicht möglich, da die Inhaltsstoffe stark variieren. Propolis ist akut kaum giftig und hat auch in höheren Dosen zu keinen Schädigungen geführt. Da einige Komponenten ein krebserregendes Potenzial haben können, sollte eine langfristige Einnahme vermieden werden. Insgesamt scheinen jedoch die positiven Eigenschaften zu überwiegen. gien im Umgang mit Propolis vorsichtig sein und möglichst Handschuhe tragen sollten, wenn Arbeiten anfallen, bei denen eine starke Verschmutzung der Hände wahrscheinlich ist (z.B. bei hohen Temperaturen, wenn Propolis weich und klebrig ist), und diese nicht mit Lösungsmitteln reinigen sollten. Allergien und Nebenwirkungen Weitere Studien gerechtfertigt Die Beimischung von Propolis in manche Kosmetika und Zahncremes hat allerdings zu einer Häufung von allergischen Reaktionen auch bei Nicht-Imkern geführt. Propolis enthält starke Allergene (allergieauslösende Stoffe), wobei Isoprenylkaffeat das stärkste Allergen ist. Wesentlich häufiger ist die Allergie bei Kontakt mit Propolis, die bei Imkern im Mittel nach ca. neun Jahren auftritt. Insbesondere sind Imker betroffen, die gleichzeitig an anderen Allergien, meist gegen Gräserpollen, Bienengift oder Perubalsam leiden. Der Kontakt mit Propolis kann auch zu allgemeinen Zeichen der Allergie führen, ähnlich denen einen Bienengiftallergie. Interessanterweise zeigen imker, die auf Propolis am Bienenstock reagieren, bei Anwendung medizinischer Propolisextrakte nicht immer diese Symptome. Es scheint, dass bei Propolisallergie nur bestimmte Regionen des Körpers auf Kontakt reagieren, während andere unproblematisch bleiben. Effektive Maßnahmen bei Propolisallergie bleiben das Tragen von Schutzhandschuhen und eine intensive Hautpflege. Eine Immuntherapie wie bei der Bienengiftallergie ist derzeit nicht möglich. Im Rahmen einer Studie zur Propolisallergie äußerten Studienteilnehmer, dass Lösungsmittel, die zur Reinigung der Haut nach der imkerlichen Tätigkeit eingesetzt werden, für das Entstehen der Allergie zumindest mitverantwortlich sein könnten. Solche Überlegungen erscheinen plausibel, denn die Lösungsmittel transportieren die Antigene in das Unterhautfettgewebe und können dort eine Allergie hervorrufen. Vorläufiges Fazit der Untersuchungen ist, dass Imker mit Aller- Propolis ist ein Substanzgemisch mit einem interessanten Spektrum von medizinischen Wirksamkeiten. Leider lässt sich dieses Gemisch aufgrund seiner veränderlichen Zusammensetzung und der unterschiedlichen Extraktionsmethoden kaum standardisieren, was seine therapeutische Anwendung deutlich einschränkt. Dennoch erscheinen weitere Studien zu Propolis gerechtfertigt, denn bei manchen Erkrankungen und in der Strahlentherapie gibt es keine vergleichbaren Ansätze der konventionellen Medizin. Leider hat es sich in der Vergangenheit als schwierig herausgestellt, Sponsoren für entsprechende Studien am Menschen zu finden, denn diese sind nicht unbedingt billig. Problematisch erscheint eine vorbeugende Behandlung mit Propolis, denn aus den Erfahrungen mit Antibiotika (z.B. Penicillin) weiß man, dass sich schnell Resistenzen einstellen können und evtl. allergische Reaktionen entstehen können. Entsprechend gilt, dass auch für die medizinische Behandlung mit Propolis stets ein guter Grund vorhanden sein sollte. DER AUTOR Prof. Dr. Karsten Münstedt ist stellvertretender Direktor der Frauenklinik Gießen. Der leitende Oberarzt spezialisierte sich auf Krebserkrankungen in der Gynäkologie. Münstedt betreut ca. 10 Bienenvölker. Die Ergebnisse seiner Studie zu Bienengift- und Propolisallergien bei Imkern wurden zum Teil in diesem Beitrag verarbeitet. Erkenntnisse zur Bienengiftallergie werden demnächst im dbj veröffentlicht. [email protected] (487) 7