Verhinderung von sekundären Infektionen bei Kindern St. Gallen 15. Mai 2003 Christoph Berger Abteilung für Infektiologie Universitäts-Kinderklinik Zürich Übertragung von Infektionen Übertragungsweg Infektion Kontagiosität Empfänglichkeit Immunität Erkrankung Index Wirtsfaktoren (Abwehr, Alter, Schwangerschaft.. Schweregrad Tod Folgen ) Verhinderung von Sekundärinfektionen • Indexfall erkennen • Exposition verhindern Infektion Index • Empfänglichkeit vermindern Erkrankung Tod Folgen Ansteckung und Erkrankung Infektion Inkubationszeit Krankheit Übertragbarkeit Ansteckung und Erkrankung Inkubationszeit Krankheit Übertragbarkeit Expositionsprophylaxe ? Ausschluss ? Ansteckung und Erkrankung Inkubationszeit Krankheit Übertragbarkeit Expositionsprophylaxe • Kontaktvermeidung, ? Ausschluss ? Hygiene • Antibiotikatherapie/prophylaxe Impfung (nach Plan, + ev:post-expositionell) Expositionsprophylaxe: Schulausschluss Recht des Einzelnen auf Bildung Anspruch der Allgemeinheit, vor Ansteckung geschützt zu werden Abwägung von • Schwere und Behandelbarkeit der Krankheit • Übertragung im Einzelfall • alternative Schutzmöglichkeiten www.rki.de Varizellen: Epidemiologie jährliche Inzidenz: entspricht der Geburtenzahl 8-10% der 5-9 jährigen Kinder Varizellen Komplikationen Hospitalisationen Todesfälle MMWR 1996; 45:RR-11 USA/Jahr 4 Millionen 200`000 10`000 100 (95% < 20 jährig) 1/20 (5%) 1/500-1/750 1/40`000 Varizellen: Altersverteilung Inzidenz pro 105 Fälle Wharton M. Inf Dis Clin North Am 1996; 10:571 Hospitalisation pro 104 Varizellen: Übertragung kontagiös Kontakt Bläschen Krusten Tage 0 7 10 14 21 Varizellen im Spital IF YOU NEVER HAD CHICKEN POX: DO NOT ENTER Hygienemassnahmen: Isolation: Einzelzimmer empfängliche exponierte Patienten: • möglichst sofortig entlassen • Isolation Tag 10-21 nach Exposition • Hochrisiko Patienten: VZIG Prävention beim Personal: • bei Anstellung: Varizellen Anamnese • Seronegative Angestelle: Varizellenimpfung • ungeimpfte, VZV-empfängliche: Arbeitsverbot Tag 10-21 postexp, Impfung Varizellen in der Schule kontagiös Kontakt Bläschen Krusten Tage 0 7 10 14 21 • Schulausschluss: 5 Tage oder bis alle Läsionen verkrustet sind • Exponierte: postexpositionelle aktive Impfung (USA) ? Masern: Epidemiologie und Klinik Übertragung: respiratorisch Manifestationsindex: >90% Koplik Spots Exposition Prodromi infektiös: bis 4 Tage vor und nach Exanthemausbruch Exanthem -3-5 2 6 10 Tage infektiös +4 14 18 22 Masern: Komplikationen 30 Pneumonia Hospitalization Komplikationen Diarrhoe 8% Otitits media 7% Pneumonie 6% Enzephalitis 0.1% Tod 0.2% 25 Percent 20 15 10 5 0 <5 5-19 20+ Age group (yrs) Entwicklungsländer: • hohe „attack rate“ bei Säuglingen • schwerer Verlauf bei Unterernährung, Vit A Mangel • case fatality rate bis 25% Masern: US-Epidemiologie seit Impfung 800 30000 Impfung 25000 700 Cases 20000 600 500 15000 10000 400 5000 300 0 200 80 82 84 86 88 100 0 1950 1960 90 1970 1980 Preschool-age 1990 School-age 80 70 Percent Cases (thousands) 900 60 50 40 30 20 10 0 1975 1990 Age group (yrs) 2000 Adult 90 92 94 96 98 '00 Masern-Impfung Lebendimpfstoff (in Kombination: MMR) • nach 1 Impfung im Alter >12 Monate entwickeln 95% der Geimpften Antikörper • 2- 5 % der Geimpften zeigen keine Impfantikörper nach einer Impfdosis • 99% haben Impfantikörper nach 2 Impfdosen → MMR: 2 Impfdosen ab Alter > 12 Monate Exposition Prodromi Masern in der Schule Exanthem infektiös 2 10 14 Tage 18 22 • Diagnose stellen • Schulausschluss bis 5 Tage nach Exathemausbruch • Impfung - postexpositionell - grundsätzlich jedes Kind (>1 Jahr) 2x Mumps: Klinik und Komplikationen > 1/3 asymptomatische Infektionen 40% Parotitis (beidseitig > einseitig) 50% ZNS Beteiligung (meist asymptomatisch) - 8-15% aseptische Meningitis (3-7 Tage) - 0.01% Enzephalitis Orchitis 20-50% postpubertär, Sterilität selten Oophoritis 5% postpubertär, keine Sterilität Pankreatitis Innenohrschwerhörigkeit : 1:20‘000, unilateral, bleibend Mumps: Impfung Lebendimpfstoff (im Kombination: MMR) 2 Impfungen beim Kind >12 Monate Impfstoffe (CH) : MMR-II® (Jeryl-Lynn); Priorix® (RIT4385) Rubini-Impfstamm (Triviraten®): ungenügende Schutzwirkung 100 Konsultationen/Mt Klinische Fälle pro → Nachimpfung Rubini geimpfter, nicht am Mumps erkrankter Personen Sentinella BAG Bulletin 2002;16:600 und 37:650 Sentinella Meldungen 1986-2002 Mumps: Impfung / Schulauschluss Parotitis Exposition infektiös 2 6 10 14 18 22 26 Tage Schulauschluss bei Mumps: - infektiös 5 Tage vor (!!) bis 5 (-9) Tage nach Erkrankungsbeginn - keine postexpostionelle oder passive Impfung - Impfstatus kontrollieren, allenfalls Impfung nachholen Lebendimpfstoff (im Kombination: MMR) 2 Impfungen beim Kind >12 Monate Rubella (Röteln) • Exanthem • Lymphadenopathie • Arthalgie/Arthritis Rubella (Röteln) • Exanthem • Lymphadenopathie • Arthalgie/Arthritis Konnatale Röteln Wachstumsrückstand Herzvitium offener Ductus arteriosus Pulmonlasstenose Augen Katarakt Retinitis Glaukom Schwerhörigkeit ZNS ER Verhaltensauffälligkeit Hepatosplenomegalie Purpura Prodromi Virämie Exposition Übertragung: Tröpfcheninfektion 20-50% asymptomatische Infektionen infektiös: Bis 5 Tage vor und nach Exanthemausbruch Exanthem Rubella (Röteln) Lymphadenopathie infektiös 2 6 10 14 18 22 Tage Schulausschluss: bis 5 Tage nach Beginn Exanthem oft unerkannt Rubella (Röteln) 1. Harmlose Kinderkrankheit: Exanthem, Fieber 2. Konnatale Röteln sind durch Impfung vollständig vermeidbar MMR Impfung • Kleinkinder 2x, ev Nachholimpfung (11-15 jährig) • alle nicht schwangeren Frauen ohne Immunität • ebenso Gesundheitspersonal/ Kinderbetreuung Tonsillopharyngitis: Streptokokken A Klinische und epidemiologische Zeichen verdächtig nicht verdächtig Keine Kultur/Antigentest Antigentest - / Kultur - Kultur + Antigentest + Symptomatische Therapie Symptomatische Therapie Antimikrobielle Therapie Antimikrobielle Therapie Scharlach: ausser dem Auftreten des Exanthems entspricht Epidemiologie, Symptomatik, Folgen und Behandlung jenen der Tonsillopharyngitis Scharlach / Tonsillopharyngitis mit Streptokokken A • Tröpfcheninfektion, Übertragung durch nahen Kontakt – oft über Schulkinder, rasche Ausbreitung in Familie – Familie: 25% werden kolonisiert, 40% davon Pharyngitis • Therapie der Wahl: Penizillin V Kinder: 50‘000 IE/Tag in 2-3x für 10 Tage Adoleszente: 3-4 x 0.5-1 Mio IE/Tag x 10 Tage • Schule: Diagnose stellen, Schulbesuch: >24 h behandelt • Keine Abstriche bei asymptomatischen Kontaktpersonen (Familie, Schule), bis 25% Träger Läuse Kopflaus: Pediculus humanus capitis Kopflaus (3mm) Nisse (Ei) ca 1mm 8 Tage Larven 3 Wochen Kopflaus (2-4 Wochen) Überleben nur auf behaartem Kopf (28°C) Läuse: Therapie Pedikulozide vorsichtig einsetzen, die Lausinfestation ist ungefährlich 1. Lokaltherapie • Permethrin (Loxazol®), Pyrethrumextrakt, • Malathion (Prioderm®) • Hexachlorcyclohexan (Jacutin®) (Lindan) ! cave: Säuglinge, Schwangere 2. Nissen entfernen: - Nissenkamm - Haare waschen mit Essig/Conditioner 3. nach 8 Tagen: Kontrolle und evtl. Therapie-Wiederholung 4. Mützen, Kleider, Kissen, Stofftiere... Läuse: Schule, Familie, Hygiene 1. kein Schulauschluss, wenn gleichentags behandelt keine Meldepflicht (BAG) Schulärztlichen Dienst informieren und beiziehen 2. Haushaltkontakte, Schulklasse untersuchen • Infestierte möglichst gleichzeitig behandeln • Kontrolle nach 8 Tagen (Reinfestation > Persistenz..) 3. Wäsche, Kissen, Stofftiere: 60°C waschen andernfalls: tiefkühlen (-15°C), 4 Wochen in Plastickbeutel Möbel, Zimmer: staubsaugen (lockere Haare) trockene Warmluft (>45°C), keine Pestizide Läuse Läuse sind harmlos • verursachen und übertragen keine gefährliche Krankheit Läuse mögen saubere Haare • Übertragung via Kopf zu Kopf Kontakt (selten Gegenstände) Kein Schulausschluss („no nit policy“) sondern Information • Läuse meist seit Monaten, jetzt noch ein paar Stunden • 3/4 der Kinder mit Nissen sind nicht infestiert „Management should not harm the patient more than the pest“ (Roberts, NEJM 2002; 346:1645) Empfehlungen zum Schulausschluss Infektion Inkubation Schulausschluss ab Erkrankung Varizellen 11-20 5 Tage oder bis Läsionen verkrustet Masern 6-19 5 Tage ab Exanthem Mumps 12-24 5 Tage ab Parotitis Röteln 15-20 5 Tage ab Exantem Scharlach 2-4 5 Tage ab Therapiebeginn Streptokokken Pharyngitis 1-5 kein Pertussis 5 Tage ab Therapiebeginn 5-7(-21) Richardson M, Pediatr Infect Dis J 2001; 20:380-91 Empfehlungen zum Schulausschluss Infektion Schulausschluss ab Erkrankung virale Gastroenteritis bis asymptomatisch Salmonellen, Campylobacter Typhus negative Stuhlprobe Impetigo solange offene Läsionen Läuse, Scabies bis therapiert Tuberkulose nur bei mikroskop. Nachweis im Sputum Richardson M, Pediatr Infect Dis J 2001; 20:380-91 Verhinderung von Sekundärinfektionen • Indexfall erkennen • Exposition verhindern Infektion Index • Empfänglichkeit vermindern Erkrankung Tod Folgen Verhinderung von Sekundärinfektionen • Indexfall erkennen informieren • Exposition verhindern Index Schulausschluss Infektion • Empfänglichkeit Erkrankung vermindern Impfungen Gefährdete schützen Tod Folgen