Dresden-Leipzig

Werbung
PROFESSOREN-EXKURSION
DRESDEN–LEIPZIG
25. bis 28. September 2008
Ziegel Zentrum Süd e.V.
PROFESSOREN-EXKURSION
DRESDEN–LEIPZIG
25. bis 28. September 2008
03
Leipzig und Dresden
Vorwort
Dipl.-Ing. Arch. Waltraud Vogler
Die Baugeschichte von Leipzig und Dresden über viele Jahrhunderte bis zur
massiven Zerstörung beider Universitätsstädte im 2. Weltkrieg, ihre politische
und planerische Entwicklung während der fast 45 Jahre DDR-Zeit und die umfassenden Eingriffe und Veränderungen nach der Wiedervereinigung ziehen Besucher in ihren Bann. Das urbane Gepräge der anspruchsvoll erneuerten Gründerzeitquartiere, die trotz der Kriegsschäden mit ihren erhaltenen Altbauten das
Stadtbild bestimmen, war nach der Wende kein ausreichendes Gegengewicht
im Kampf gegen die Abwanderung der Bevölkerung ins Umland. Der Neubauboom auf den grünen Wiesen vor den Toren der Städte wurde glücklicherweise
durch einen Sanierungsboom in den gewachsenen Stadtvierteln abgelöst, der
fast bis 2000 anhielt. Die Architektur der letzten 20 Jahre zeigt exemplarisch,
wie der erste Run auf die vermeintlich schnellen Gewinne, die in den neuen
Bundesländern zu machen waren, ungeheuere planerische Schnellschüsse nach
sich zog. Inzwischen ist ein Diskurs unter Fachleuten gewachsen, der auf die
schwierigen Entwicklungen nach der Wende neue Konzepte anwendet. Leerstand von schnell hochgezogenen „Einheitsbürogebäuden“ und notwendige
Schrumpfung beim Wohnungsbestand sind brisante Themen dieses „Stadtumbaus“ in den großen Städten der neuen Bundesländer.
Dresden und Leipzig sind Paradebeispiele für die aktuellsten Tendenzen der
Denkmalpflege heute in einem heterogenen Umfeld, das noch immer deutlich
ablesbare Lücken mitten in den pulsierenden Städten zeigt. Beide Städte müssen
sorgfältig wieder aufgebaute Baudenkmäler neben Plattenbauten und groß angelegten städtebaulichen Neugestaltungen der 60er Jahre im Zeichen der klassischen Moderne zu einem Stadtbild zusammenführen. Die Universitätsbauten
am City-Hochhaus und vor allem der Bau der Kirche und Aula am Leipziger
Augustusplatz haben sehr lebhafte, kontroverse Diskussionen bewirkt. Nichts
Neues für Erick van Egeraat, der häufig durch seine „exaltierten“ Bauwerke aneckt! Das bereits vorhandene Stil-Sammelsurium von City-Hochhaus und Gewandhaus über die Oper bis zu sozialistisch geprägten Großbauten auf der
Ostseite des Georgi-Rings erschweren jede Baumaßnahme am Augustusplatz.
Die Bewältigung dieser vielschichtigen – auch baulichen – Vergangenheit ist
eine überaus anspruchsvolle Aufgabe für Stadtplaner und Architekten.
Leipzig, eine lebendige Stadt mit ausgeprägten Stadtvierteln, die verschiedenen
Themen zugeordnet sind, hat viel zu bieten. Auf den Spuren der Industriearchitektur der Gründerzeit, jenen ambitionierten Großprojekten mit ihren prachtvollen Backsteinfassaden, den „Kathedralen der Arbeit“ vor allem in Plagwitz, finden sich neue, beneidenswert idyllische Wohn- und Arbeitssituationen. Büros,
Ateliers und Lofts in den Buntgarnwerken und der Baumwollspinnerei, die Erinnerungen an die Docklands in London wachrufen, als sie noch ursprünglicher und
weniger kommerzialisiert waren. Firmenneugründungen sprießen in derart attraktivem und anregendem Umfeld. Stadtvillen beginnen sich im Musikerviertel, einem Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen, ehemals repräsentativen, großbürgerlichen Viertel, auf Kriegsbrachen zu entwickeln. Auch wenn der Verkauf
zögerlicher vorangeht, als man es den potentiellen Käufern und den zeitweilig
auch als Bauträger agierenden Architekten wünschen möchte.
Das Eintauchen in die klassischen Touristenbereiche Dresdens zwischen Frauenkirche und Semperoper konfrontiert auch mit den umstrittenen Planungskonzepten am Neumarkt oder dem Stadtbild prägenden Neubau der Synagoge. Erzeugt das Reproduzieren von Baudenkmälern „kunstgewerbliche Stadtattrappen
unter Preisgabe der alltäglichen städtischen Funktionen“? – ein Thema, das Prof.
Thomas Will im Rahmen der Debatte zum Denkmalschutz anspricht. Nach der
aufwändigen Rekonstruktion der Frauenkirche sicher eine interessante Frage. In
unmittelbarer Nachbarschaft konfrontiert die Prager Straße jeden Besucher, der
sich der Altstadt vom Hauptbahnhof aus nähert, mit den allgegenwärtigen
Kriegswunden, auch wenn die städtebauliche Leistung des Planungskollektivs in
diesem wesentlichen innerstädtischen Gebiet zwischen 1965 und 1978 heute
anerkannter ist, als sie bei der Eroberung eben dieses Areals durch das „freie
Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte“ kurz nach der Wende war. Und all dies
in einer Stadt, die dabei ist, sich den Titel „Weltkultur-Erbe“ durch den anscheinend verkehrstechnisch dringend notwendigen Bau der Waldschlösschenbrücke
zu „verbauen“ und die klassizistische Fassade des Militärhistorischen Museums
von Daniel Libeskind mit einem gigantischen Keil – als Zeichen für Pazifismus –
aufbrechen zu lassen!
Da taucht man gerne in die inzwischen wieder sehr heil anmutende Welt der
Gartenstadt Hellerau ein. Ländliche Wohnidylle – zu Beginn des 20. Jahrhunderts vornehmlich geschaffen von den Architekten Riemerschmid, Tessenow und
Muthesius – gemischt mit neuen Nutzungskonzepten, die in den Gebäuden der
ehemaligen Werkstätten für viele kreative Menschen Raum bieten. Ähnlich kreativ wie die Mitarbeiter von Prof. Schulten, die an der TU Dresden eine freitragende Schalenkonstruktion aus Ziegelmauerwerk entwickelt und selbst gebaut
haben, um die Machbarkeit einer komplexen Form zu erforschen und das Potential dieses gängigen Baumaterials zu demonstrieren. Auf einem Uni-Campus,
der von mächtigen, sehr gut erhaltenen, historischen Sichtziegelgebäuden geprägt ist, fügt sich das kleine, gekurvte experimentelle Bauwerk ganz bescheiden ein. Es erregte dennoch Aufsehen bis nach München, um im Rahmen der
Hochschularbeit des Ziegel Zentrum Süd einen weiteren Grund für die Reise
nach Sachsen zu bieten. Der Anfang des „roten Fadens“, der die ProfessorenExkursionen begleitet, war gefunden.
Vier Tage lang reist eine Gruppe von 27 Professorinnen und Professoren der Architektur und des Bauingenieurwesens anlässlich der Professoren-Exkursion gemeinsam nach Leipzig und Dresden. Sie besuchen im interdisziplinären Diskurs
die TU Dresden, mit der Chance, sich über Hochschulgrenzen hinweg mit den
Lehrenden vor Ort über aktuelle Themen auszutauschen. Diese Unternehmung ist
eng verwoben mit der Lehre an den Hochschulen von fünf Bundesländern, mit
denen das Ziegel Zentrum Süd im Rahmen von Studentenseminaren und -exkursionen in Süddeutschland zusammenarbeitet. Die jährlich im September durchgeführten Professoren-Exkursionen bieten allen Beteiligten die rare Gelegenheit,
bestehende Beziehungen zu vertiefen, neue Anknüpfungspunkte zu finden und
interessante Konzepte für die Zukunft in einer inspirierenden und entspannten
Umgebung gemeinsam anzudenken und die aufgeworfenen Themen in der eigenen Lehre zum Einsatz zu bringen.
06
Inhaltsverzeichnis
Leipzig und Dresden, Vorwort
Inhaltsverzeichnis
03
06
Programm Tag 1
08
City-Hochhaus, Leipzig (Hermann Henselmann; Peter Kulka)
Universitäts-Campus (Behet Bondzio Lin)
Paulinerkirche, Aula der Universität (Erick van Egeraat)
10
11
13
Hauptbahnhof, Dresden (Giese, Weidner, Rosbach; Foster & Partners)
Prager Straße (Peter Sniegon, Hans Konrad, Kurt Röthig)
Rundkino (Gerhard Landgraf, Waltraud Heischkel)
UFA-Kristallpalast (Coop Himmelblau)
Neumarkt
Frauenkirche (George Bähr)
Alte Synagoge (Gottfried Semper)
Neue Synagoge (Wandel, Lorch, Hirsch)
Hotel Westin Bellevue (George Bähr; Takeshi Inoue)
Waldschlösschenbrücke
Schloss Eckberg/Villa Souchay (Christian Friedrich Arnold)
14
18
19
20
22
26
32
33
35
36
38
Programm Tag 2
40
Frei geformte Mauerschale, TU Dresden
Zeuner-Bau der TU Dresden (Karl Weißbach)
Goerg-Schumann-Bau der TU Dresden (O. Kramer; O. Schubert, G. Münter)
Beyer-Bau der TU Dresden (Martin Dülfer)
Fritz-Foerster-Bau der TU Dresden (Martin Dülfer)
SLUB, Sächsische Landes- + Unibibliothek (Ortner + Ortner)
Militärhistorisches Museum (Daniel Libeskind + H. G. Merz)
Gartenstadt Hellerau
Festspielhaus Hellerau (Heinrich Tessenow)
Deutsche Werkstätten Hellerau (Richard Riemerschmid)
Richard Riemerschmid
Heinrich Tessenow
Hermann Muthesius
Sächsischer Landtag (Barthold + Tiede; Peter Kulka)
Zwinger (Matthäus Daniel Pöppelmann)
Semperoper (Gottfried Semper)
Lipsiusbau (Constantin Lipsius; Auer + Weber + Partner)
Blaues Wunder
Villa Marie
Standseilbahn
42
48
49
50
51
52
54
58
60
62
63
64
65
66
68
70
72
76
78
79
Programm Tag 3
80
Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig (Eelbo, Kulka, as-if Arch.)
KPMG
Stadtvillen im Musikerviertel (König Wanderer, Fuchshuber + P., u.a.)
Café Grundmann
Industriearchitektur in Leipzig-Plagwitz
Buntgarnwerke (O. Jummel; Händel + Franke)
Lofts am Elsterufer (Gregor Fuchshuber + Partner)
Sweetwater (Weis + Volkmann)
Baumwollspinnerei
Konsumzentrale (Fritz Höger)
Stelzenhaus (Herrmann Böttcher; Weis + Volkmann)
Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft, Stadtumbau im Bestand
Rundling (Hubert Ritter)
Völkerschlachtdenkmal (Bruno Schmitz, Clemens Thieme)
Nikolaischule (Storch, Ehlers + Partner)
82
85
86
90
91
93
94
95
96
98
100
102
104
106
108
Programm Tag 4
110
Grassi-Museum (C.- W. Zweck, H. Voigt, H. Ritter; Ilg Friebe Nauber)
Gutenbergschule (Otto Droge)
Haus des Buches (Hentrich-Petschnigg + P., Angela Wandelt)
Schumann-Haus
Reklam-Karree (Max Bösenberg; Bunk-Hartung + Partner)
Grafischer Hof, Restaurant Castellum 1776
112
114
115
116
117
118
Quellenverzeichnis
119
Leipzig Stadtplan
Dresden Stadtplan
120
121
TeilnehmerInnen
Impressum
122
123
08
Tag 1
Zeitplan Donnerstag, 25.09.08
12.30 Uhr Treffpunkt in Leipzig, Restaurant Panorama Tower (Nähe Hbf),
zum Mittagessen im 29. OG
Augustusplatz 9, 04109 Leipzig, Telefon 0341/710 05 90
14.00 Uhr Blick über Leipzig mit Einführung
Von der Dachterrasse im 31. OG aus
Stadtentwicklung und Campusneubauten Leipzig
Architekt Kirche: Erick van Egeraat
Institutsgebäude + Läden: behet bondzio lin architekten
Führung: Dipl.-Ing. Arch. Roland Bondzio
Augustusplatz/Grimmaische Straße 30
14.45 Uhr Weiterfahrt nach Dresden
Vortrag im Bus zur Geschichte der Frauenkirche
Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg
16.00 Uhr Stadtführung in Dresden vom Hauptbahnhof zum Hotel
Besichtigungen:
• Hauptbahnhof, Sanierung: Forster & Partners
• Prager Straße mit Rundkino, UFA-Kristallpalast
• Frauenkirche
Führung: Prof. Dr. Thomas Bulenda, FH Regensburg (Hbf),
Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg
mit Bus
Bus fährt zum Hotel
Prager Straße/Neumarkt/Am Hasenberg
17.15 Uhr Kaffeepause in der Cafeteria der Neuen Synagoge
17.30 Uhr Besichtigung der Neuen Synagoge
Architekten: Wandel Lorch Hirsch
Führung: Herr Just, Vertreter der Jüdischen Gemeinde
Am Hasenberg/Rathenauplatz
18.30 Uhr Spaziergang zum Hotel über die Brühl’schen Terrassen und die
Augustusbrücke
19.00 Uhr Einchecken Hotel Westin Bellevue Dresden
Architekten: George Bär, 1724, Takeshi Inoue, 1985
Große Meißner Straße 15, 01097 Dresden, Telefon 0351/805 17 22
20.00 Uhr Fahrt zum Restaurant Schloss Eckberg
Mit kurzem Zwischenstopp bei der Baustelle
zur Waldschlösschenbrücke
Erläuterungen im Bus: Prof. Dr. Thomas Bulenda, FH Regensburg
20.30 Uhr Abendessen im Restaurant Schloß Eckberg
Architekt: Christian Friedrich Arnold, 1859–61
mit Bus
Bautzner Straße 134, 01099 Dresden, Tel 0351/80 99-0
23.30 Uhr Busfahrt zum Hotel
mit Bus
10
City-Hochhaus
Augustusplatz 9
Architekten: Hermann Henselmann, 1968–73
Umbau: Peter Kulka, 2001
Das 34-geschossige Universitätshochhaus wurde 1973 übergeben. Es ist
142,5 m hoch (Gesamthöhe mit Antennenträger 155,40 m) und weist eine
Stärke der Außenwände von 400 mm bis zum 13. Obergeschoß und von 300
mm bis zum letzten Normalgeschoß auf. Die 20 m hohe Spitze ist in Stahlfachwerkkonstruktion ausgeführt. In 110 m Höhe befand sich ein Café und vier weitere Panoramalokale. Das Gebäude wurde durch Peter Kulka umgebaut. Es
beherbergt jetzt den Klangkörper des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Neben
einer neuen Fassadenverkleidung aus Steinplatten erhielt das Hochhaus einen
quaderförmigen Anbau. Die Form des „Uniriesen“, „Weisheitszahnes“ oder
auch „(Steilen) Zahnes“ (wie das Gebäude im Volksmund häufig genannt wird)
kann nachträglich als ein aufgeschlagenes Buch interpretiert werden. In Wirklichkeit ist der Querschnitt symmetrisch und stellt eine optimale Form einer Maschinenwelle dar.
In den Jahren 1999 bis 2002 wurde das City-Hochhaus komplett saniert, sowohl alle 29 Etagen als auch die Fassade. Auf dem Dach ist eine Aussichtsplattform eingerichtet. Sie befindet sich in einer Höhe von ca. 130 m, bietet
einen guten Überblick über die Innenstadt und ist daher ein beliebtes Touristenziel. Die Universität Leipzig ist heute nicht mehr im Inneren zu finden: das Gebäude wurde von der Landesregierung verkauft und gehört mittlerweile der
US-Investmentbank Merrill Lynch. Mieter sind unter anderem der MDR und das
Panorama-Restaurant in 110 Metern Höhe. Im März 2008 verlegte die Europäische Strom- und Energiebörse EEX ihren Hauptsitz in das Hochhaus.
11
Universitätscampus
Augustusplatz, Grimmaische Straße,
Universitätsstraße, Moritzbastei
Architekten: Behet Bondzio Lin, 2004–10
Annette Menting
Kleine Stadt in der Stadt
Ein Zwischenbericht zum neuen Campus der Universität (gekürzter Text)
Mit dem Universitätsquartier wird der wohl prägnanteste Bereich – die Stadt erhielt hier in den sechziger Jahren durch den Universitätsturm eine skylineprägende Akzentuierung – umgestaltet.
Für die Universität bedeutet die Neugestaltung eine weitere Etappe im kontinuierlichen Wandel: Geutebrück ließ das Areal 1830 umgestalten und ergänzte
es um das Augusteum, und Rossbach verlieh in den neunziger Jahren des 19.
Jahrhunderts den Bauten üppige Fassaden in zeittypischer Neogotik- bis Neobarock-Gestaltung, die wiederum einige Jahrzehnte später revidiert wurde. Ein radikaler Einschnitt war die Vernichtung des historischen Bestands in den sechziger Jahren und die ideologisch motivierte Neugestaltung im Sinne der sozialistischen Stadt. Nun erfolgt erneut ein erheblicher Eingriff, wobei von den Bauten
der ehemaligen Karl-Marx-Universität wenig übrig bleiben wird.
Als der Entwurf der Architekten Behet, Bondzio und Lin 2002 nach dem Wettbewerbsverfahren vorgestellt wurde, richtete das öffentliche Interesse sich im wesentlichen auf den Augustusplatz und insbesondere auf den ehemaligen Standort der Paulinerkirche. Die Wettbewerbsjury hatte seinerzeit dem Campus-Entwurf hohe Qualität attestiert. Die sich hier anschließende Kontroverse bewegte
sich zwischen den gegensätzlichen Forderungen von originalgetreuer Rekonstruktion und interpretierender Neugestaltung. Aufgrund der Debatte folgte
2004 ein zusätzliches Qualifizierungsverfahren, aus dem der Entwurf von Erick
van Egeraat zur Realisierung bestimmt wurde. In den aktuellen Mediendarstellungen wird oftmals verdrängt, dass das neue Universitätsquartier von zwei Architektenteams gestaltet wird: Neben den Gebäuden am Augustusplatz vom Rotterdamer Büro Egeraat entstehen an den anderen Seiten die Neu- und Umbauten,
von der Mensa bis zum Seminargebäude, nach dem Entwurf des Münsteraner
Architektenteams Behet, Bondzio und Lin. Angesichts dieser Konstellation stellt
sich die Frage, wie die unterschiedlichen Entwürfe aufeinander abgestimmt
sind. Eine Antwort scheint bereits gegeben, denn die neue Paulineraula ist derart exponiert, dass sie Diskussion und Image bestimmt. Bei der Frage nach einer
neuen Identität der Leipziger Universität stehen sich die Außenwirkung einer repräsentativen Platzfront und die Atmosphäre eines vitalen Universitätslebens gegenüber. Behet, Bondzio und Lin hatten im Wettbewerb für den neuen Campus
das Motiv einer „kleinen Stadt in der Stadt“ entwickelt, um die verschiedenen
Universitätsbauten thematisch zu vereinen. Dieses Konzept wurde zwei Jahre
später verändert, denn mit der Setzung einer baulichen Dominante am Augustusplatz wurde die einheitliche Fassung des Campushofs aufgelöst.
Der hermetisch abgeschlossene Hörsaalbau wurde von einer neuen baulichen
Schicht umgeben, die dem historischen Grundstücksverlauf folgt. Das frühere Erscheinungsbild wurde quasi umgekehrt, und anstelle eines geschlossenen Hörsaal-Solitärs bestimmt nunmehr die Mensa als offener, kontext-bezogener Stadtbaukörper den Ort. Die Universitätsstraße wird in ihren ursprünglichen Zustand
versetzt, doch wichtiger erscheint die äußerst gelungene Bezugnahme zur Moritzbastei mit ihren terrassierten Plateaus. Bisher war sie als Fremdkörper vom
Campus räumlich abgehängt, doch inzwischen entwickelt sich ein gelungenes
Zusammenspiel mit der neuen Mensa durch die differenzierte Proportionierung
und Staffelung. Möglicherweise wird aus der einstigen Randzone nun der einladendste Bereich des neuen Campus. Als einzige Bestandteile des früheren Universitätsareals bleiben das Hörsaal- und das Seminargebäude erhalten. Neben
der vorgelagerten Raumschicht erfährt das Hörsaalgebäude eine zusätzliche
Aufwertung, indem Lichthöfe eingestanzt werden, die auch der Bibliothek in den
Untergeschossen eine Tageslichtstimmung verleihen.
Behet, Bondzio und Lin entwarfen mit dem Institutsgebäude an der Grimmaischen Straße einen zweiten Campus-Neubau. In diesem Übergangsbereich von
Innenstadt und Ring wird die Aufnahme früherer Baufluchten und Traufkanten
räumlich besonders markante Änderungen bewirken. Anstatt der Möglichkeit,
an den Brunnenanlagen zu verweilen oder auf den Freiflächen zu skaten, wird
der Passant zukünftig durch eine passagenhafte Enge bis zum Augustusplatz geleitet. In den unteren Etagen des Neubaus werden Ladengeschäfte eingerichtet,
die oberen Etagen werden von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät genutzt. Die Doppelfunktion des Universitätsbaus spiegelt sich in der Fassadengestaltung mit ihren großzügigen Schaufenstern und den darüber liegenden Lochfassaden wider.
Im Konzept von Egeraat soll sich die Paulineraula als neues Zeichen der Universität auch gegen das Hochhaus behaupten. Zwar gehört der Turm funktional
nicht mehr zur Universität, doch ist er nach wie vor raumbestimmend. Zur wirkungsvollen Steigerung der expressiv-kristallinen Paulineraula wurden das Rektoratsgebäude und der Felsche-Bau in ihrem gestalterischen Duktus angepasst. Im
Kontext des Gesamtcampus erscheinen die Egeraat-Bauten sehr auf sich bezogen und unabhängig von den übrigen Universitätsbauten gestaltet. Für das gesamte Universitätsquartier wäre es wichtig, dass vor allem der Campushof sich
als interner „Marktplatz“ entfalten kann, um das universitäre Alltagsleben räumlich-atmosphärisch zu unterstützten und den Hauptnutzern des Quartiers eine
neue identitätsstiftende Mitte zu bieten.
13
Paulinerkirche/Aula der Universität
Augustusplatz
Architekt: Erick van Egeraat, 2004–10
Die Jury des Architektenwettbewerbs für das Bauvorhaben „Aula/Kirche“ der
Universität Leipzig am Augustusplatz hat den Entwurf des Rotterdamer Büros van
Egeraat mit klarer Mehrheit (10:3 Stimmen) auf den 1. Platz gesetzt. Erste Stellungnahmen von Rektor Häuser, Finanzstaatssekretär Voß und Oberbürgermeister Tiefensee reichten von Erleichterung, Zufriedenheit bis Begeisterung. „Die
expressive Architektur stellt etwas Besonderes dar, und um etwas Besonderes ist
es uns auch gegangen. Damit nimmt die Universität auch architektonisch wieder
eine herausgehobene Rolle am Augustusplatz ein, die auch in die Innenstadt hinein wirkt", sagte Prof. Dr. Franz Häuser. „Wichtig war und ist uns, dass der Entwurf den hohen Anforderungen, die wir an die Verbesserung der Bedingungen
für Forschung und Lehre stellen, entspricht und gleichzeitig eine angemessene Erinnerung an die Universitätskirche und ihre Sprengung verkörpert.“
Erick van Egeraat unterstrich, dass sein Entwurf die ehemalige Architektur nicht
kopiere, sie aber in moderner Form zurückzubringen versuche. Seine Philosophie sei es ohnehin, etwas wärmer, voller, reicher zu bauen, als das gemeinhin
in den letzten 50 Jahren geschehen sei. Die weitere Qualifizierung des Entwurfs, versprach er, werde im ständigen Dialog mit allen Beteiligten geschehen.
Der wird sich vorrangig mit einem ins Leben gerufenen Planungsbeirat vollziehen, in dem Universität, Stadt und Freistaat vertreten sind. Eine Aufgabe wird es
beispielsweise sein, wie das auch schon in ersten Empfehlungen der Jury ausgesprochen wurde, den Charakter der Aula deutlicher nachzuweisen, also der
Funktionalität des Innenraums, der den Eindruck einer dreischiffigen Hallenkirche
vermittelt, besondere Beachtung zu schenken.
Jury-Vorsitzender Prof. Zlonicky gab der Hoffnung Ausdruck, dass der beispielgebende Dialog zwischen den Architekten und den Jury-Mitgliedern in der letzten Phase des Wettbewerbs zum Nutzen der Realisierung weitergeführt werde.
Er sei überzeugt, der Siegerentwurf, indem er Brücken baue in dem Spannungsfeld unterschiedlicher Erwartungen zwischen Rekonstruktion und Neuinterpretation, werde eine „friedenstiftende“ Wirkung entfalten. Der Sieger selbst erklärte
– mit dem Blick auf die Aufgabe, an die willkürliche Vernichtung der Universitätskirche zu erinnern –, er habe in den 24 Jahren seiner Tätigkeit als Architekt
noch nie zurückgebaut, aber er sei immer bereit gewesen, von früherer Qualität
und Intensität des Bauens zu lernen. Also kein Nachbau des Gotteshauses, aber
angesichts der Bedeutung seines Schicksals habe er die Silhouette der Kirche
zum Leitmotiv der gesamten Planung des Neubaus gemacht. Er verstehe diesen
Neubau als ein Projekt, das an Vergangenes erinnert, aber zugleich auch in die
Zukunft verführt.
http://db.uni-leipzig.de/aktuell
Augusteum und Paulinerkirche um1890
14
Hauptbahnhof Dresden
Am Hauptbahnhof
Architekten Altbau: Ernst Giese, Paul Weidner und
Arwed Rosbach, 1892–97
Architekten Umbau: Foster & Partners, Schmidt Stumpf
Frühauf und Partner, 2001–07
Der alte Hauptbahnhof wurde anstelle des Böhmischen Bahnhofs 1892–97 von
Ernst Giese, Paul Weidner und Arwed Rosbach erbaut. Die dreischiffige Stahlbogenhalle besitzt 18 Bahnsteige, im Mittelschiff (Spannweite 50 m) ebenerdig
als Kopfbahnhof, in den Seitenschiffen (Spannweiten 30 m) als Hochbahnsteige
für den Durchgangsverkehr.
Der Dresdner Hauptbahnhof wurde als einer der letzten großen Deutschen
Bahnhöfe von der „Deutschen Bahn AG“ saniert. Er bekam anstatt eines Glasdaches ein neues Membrandach, einem Material aus äußerst reissfestem Gewebe (Teflon-Dach aus Glasfaser). Die Farbe des transluzenten Materials ist
weiß. Es lässt je nach Sonnenintensität verschiedene Farbtöne des Tageslichtes
durchscheinen oder reflektiert es auf der Außenseite. Direkt über den eisernen
Hallenbögen spaltet sich das zeltartige Dach zu schmalen Schlitzen, die den
direkten Blick zum Himmel freigeben. Die selbstreinigende Teflon-Membran
stammt von der Firma „Sky-span“ in Rirnsting am Chiemsee. Sie ist nicht einmal
einen Millimeter dick, jedoch aufgrund ihrer Eigenschaften extrem wetterfest.
Die Belastung hält bis zu 90 Tonnen pro laufendem Meter aus. Über die originalen Eisenstahlbögen musste ein sekundäres Tragwerk eingebaut werden, um
die ungeheuren Zugkräfte, die durch die starke Spannung der Membran entstehen, in die Fundamente zu leiten. Zum ersten Mal konnte ein historisches Bauwerk mit diesem neuen Material in Verbindung gebracht werden. Das neue
Dach ist schmutzresistent, lässt wieder Licht durch das Gebäude fließen und
bringt das historische Tragwerk zur Wirkung.
Die Weiterführung der lichtduchlässigen Dachkonstruktion auf die z. T. offenen
Bahnsteige und deren halbkreisartige Zusammenführung wurde – wohl aus Kostengründen vom Bauherrn, ähnlich wie beim neuen Hauptbahnhof in Berlin,
gestrichen. Ebenfalls gründlich saniert wird die imposante Eisenkonstruktion der
3 großen Hallenbögen, zur Entstehungszeit um 1892 das Modernste an europäischer Ingenieurleistung im wilhelminischen Deutschland und die große Eingangshalle mit Kuppel. Eine der schwierigsten ingenieurtechnischen Herausforderungen bestand darin, die Lasten des 30.000 qm großen Membrandachs in
das historische Tragwerk und die Fundamente abzuleiten.
Die neue Fosterkuppel lehnt sich stark an die ehemalige Gründerzeitform an, ohne sie komplett zu kopieren. Jene ehemals offene Glaskuppel ließ ab 1892 Tageslicht in die Halle scheinen. In der Nachkriegszeit war die beschädigte Kuppel vereinfacht repariert und mit einem spitz zulaufenden Schieferdach gedeckt
worden, das die Kuppel völlig verschloss. Der Hauptteil der Eisen-Konstruktion
der alten Belle Epoque Kronen-Form wurde dabei wieder verwendet. Aber man
zog eine Zwischendecke ein, die die einstige prachtvolle Wirkung dieser Kathedrale des modernen Verkehrs stark beeinträchtigt hatte. Seit 2006 ist die Eingangshalle wieder hell durchlichtet und strahlt – auch ohne die alten Zwickelbemalungen – Opulenz aus. Allerdings wurde der Kuppelanlauf der inneren
Kuppel verkürzt, was die Wirkung etwas schmälert und die Konzentration mehr
auf das Konstruktive als auf das Dekorative lenkt.
Licht durchflutet sind auch die hohen, gewölbten Hallen rechts und links der Kuppelhalle, desgleichen die beiden ehemaligen Speisesäle, welche jetzt ebenfalls
direktes Tageslicht erhielten. Die beiden Ecktürme der Hauptfassade, in den
1970er Jahren ihres gründerzeitlichen Turmaufsatzes, der Fenster und eines umlaufenden Balkons beraubt, werden denkmalpflegerisch erneut hinzugefügt. Der
neue Bahnhof von Foster respektiert die klassische Stahlbogenkonstruktion der
drei Hallen. Das ist innerhalb der Moderne keineswegs eine Selbstverständlichkeit.
In Dresden hätte während eines radikalisierten Modernisierungschubes nach
1969 der Hauptbahnhof kompromisslos seine Gestalt verloren. Am westlichen
Ende war bereits damals ein neuer Busbahnhof konzipiert, der jedoch vollständig die eindrucksvollen Hallenbögen aus Stahl und Glas beseitigt hätte. Dank
einer verantwortungsvollen starken Bürgerschaft, die in den 80er und 90er Jahren verstärkt auf die zu schützenden Errungenschaften der historischen Stadt aufmerksam machte, kann nun im neuen Jahrhundert ein aufgeklärtes und liberal
gemäßigtes Bewusstsein in einer ausgeglichenen Balance zwischen Fortschritt
und Tradition erwachsen. So ähnlich betonte es der Architekt Foster selbst, als er
die größte Schwierigkeit bei der Konzeption für die Renovierung nannte, „das
Beste aus der Vergangenheit in die Zukunft zu transponieren“.
Systemgeometrie Stahlunterkonstruktion
Computermodell der Mittelfelder
Quelle:
www.das-neue-dresden.de/hauptbahnhof.html
Webseite des Architekturbüros zum Dresdner
Hauptbahnhof: www.fosterandpartners.com
Dachtragwerk – Stahlkonstruktion
Modell, Maßstab 1:50
Dachtragwerk – Stahlkonstruktion
Eine der schwierigsten ingenieurtechnischen Herausforderungen bestand darin,
die Lasten des neuen Membrandaches in das historische Stahltragwerk ein- und
in die Fundamente abzuleiten. Das eiserne Bestandstragwerk der Bahnsteighalle
war in der statischen Grundkonzeption des Errichtungszeitraumes zur Ableitung
der vorrangig vertikalen Dachlasten aus Eigengewicht des Eisentragwerkes, der
Holz-, Glas- und Blechdacheinhausung sowie der Schneelast, als lineares Bogentragwerk konzipiert. Der Umbau von einer festen Dacheinhausung zu einem
Membrandach führt einerseits zu einer Reduzierung des Tragwerkseigengewichtes, andererseits treten infolge der räumlichen Membranvorspannkräfte erhebliche Druckbeanspruchungen im Bogentragwerk auf. Die Umsetzung der raumgeometrischen und statischen Tragwerksanforderungen unter Beibehaltung der
statisch-konstruktiven Gegebenheiten des linearen Bestandstragwerkes erforderte
eine ergänzende sekundäre räumliche Stahlunterkonstruktion welche als Adapter
die räumliche Membrangeometrie auf das orthogonale Bestandsbogentragwerk
und die Lasteinleitung der Membrankräfte in das filigrane Stabtragwerk der Hallenbögen vermittelt. Oberhalb der Bogenbinderscheitel öffnet sich die Membranhaut linsenförmig bis zu den Systemachsen der einzelnen Bogenscheiben.
Die entstehenden Öffnungen sind durch gläserne Oberlichter überdacht.
Systemisometrie der Oberlichter
Darstellung Membranspannungen – Lastfall Wind
Dachtragwerk – Membran
Im Gegensatz zu der bisherigen Dacheindeckung leitet die Membrandachhaut
die Lasten mit in der Membranebene orientierten Zugkräften in den Stahlbau
ein. Das Membrandach besteht aus einzelnen ca. 10 m breiten Paneelen, die
zwischen den Bogentragwerken installiert wurden und im Endzustand die komplette Dachfläche überspannen. Die Membrane wird in Bogenlängs- und Querrichtung mit Hilfe von Membranklemmen an Stahlrohre der Stahlunterkonstruktion
angeschlossen, wobei eine doppelt geschwungene Form dem Membrandach
die erforderliche Steifigkeit verleiht. Die besonders schmutzresistente transluzente, teflonbeschichtete PTFE-Glasfaserfolie lässt 13 % des Tageslichts durch
und bringt so das denkmalgeschützte Stahltragwerk elegant zur Wirkung.
Bauausführung
Je Bahnsteighalle wurde eine ca. 40 m lange verschiebbare stählerne Arbeitsbühne oberhalb der Stützenfüße des vorhandenen Bestandstragwerkes erstellt,
die zur Durchführung der Instandsetzungs-, Korrosionsschutz- und Montagearbeiten und gleichzeitig als Absturzsicherung und Abschottung der Baumaßnahmen
gegenüber dem Bahnhofsbetrieb diente. Der gewählte Bauablauf sah eine abschnittsweise Durchführung der Arbeiten in sieben Bauabschnitten vor. Für die
gesamte Instandsetzung und den Umbau des Tragwerks wurden authentische
Elemente erhalten und zeitgemäße Lösungen, die den Charakter des Gebäudes
gerecht werden, hinzugefügt.
Computermodell Membranhaut
Literatur:
Vitzthum, M., Voland, P., Foster & Partners;
Stahlbau 75 (2006), H. 3, S. 311–218
Falk Jäger; Glas Nr. 4 (2007), S. 12–19
Foster & Partners; industrieBAU 2 (2005),
S. 32–35
Fotos:
Rudi Meisel, Foster & Partners
Nigel Young, London
Architektur und Tragkonstruktionen II,
Tragwerksanalyse, Anne Mikoleit, 23.03.08
18
Prager Straße
Architekten/Stadtplaner: Peter Sniegon, Hans Konrad
und Kurth Röthig, 1965–78
Quellen:
Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der HS
Karlsruhe nach Dresden und Prag mit Prof. Florian Burgstaller
http://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Stra
Die Prager Straße wurde zwischen 1851 und 1853 als Verbindung zwischen
der Dresdener Altstadt und dem Böhmischen Bahnhof, der nach seinem Abriss
und Wiederaufbau in Hauptbahnhof umbenannt wurde, erbaut. Im Zuge der Industrialisierung wurden neue Wohnungen und Straßen benötigt, die auch die
engen Gassen der Altstadt entlasten sollten. Anwohner beschwerten sich bereits
um 1840 und als schließlich der Böhmische Bahnhof erbaut werden sollte, wurde eine Verbindung zwischen Innenstadt und Bahnhof nötig. Aufgrund der
Knappheit an Bauland wurde beschlossen, die Prager Straße geschlossen zu
bebauen. Sie entwickelte sich zu einer der prächtigsten Straßen in Dresden mit
zahlreichen Einkaufs- und Vergnügungsmöglichkeiten. Einige architektonisch besonders bemerkenswerte Bauten waren das Viktoriahaus, das Residenzkaufhaus
und das Gebäude der Feuerversicherungsgesellschaft.
1945 wurde das Areal bei den Luftangriffen auf Dresden fast vollständig zerstört. Mit einem Architekturwettbewerb wurde der Wiederaufbau 1962 eingeläutet. Es gab verschiedene Meinungen über die Umsetzung. Während einige
Architekten für den teilweise originalgetreuen Aufbau plädierten, lehnten andere
diese Vorstellung ab und befürworteten eine völlige Neubebauung. Keiner der
Architekten war jedoch für die Wiederherstellung der Platz sparenden geschlossenen Bauweise. Ein Grund hierfür war, dass die Menschen im Feuersturm nur
sehr schwer aus den engen Häusern fliehen konnten. Zwischen 1965 und
1978 entstand die neue Prager Straße. Im Westen wurden zwischen 1967
und 1970 drei Interhotelbauten errichtet. Auf der breiten Straße entstanden verschiedene Wasserspiele und Grünanlagen. Die Prager Straße entwickelte sich
in den 1970er und 1980er Jahren durch die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten, die Hotels und das Rundkino zum wichtigsten Fußgänger-Boulevard in Dresden. In den Jahren 1976 bis 1978 wurde das bekannte Centrum Warenhaus
erbaut. Dieses Gebäude war durch seine markante Aluminiumfassade gekennzeichnet. Nach 1990 zog dort Karstadt ein, inzwischen wurde es abgerissen.
Am 8. Oktober 1989 wurde auf der Prager Straße während der Demonstrationen gegen die SED-Herrschaft die Gruppe der 20 gegründet. Daran erinnert
heute eine Gedenkplatte. Beim Elbehochwasser 2002 wurde der südliche Teil
der Prager Straße von der über die Ufer getretenen Weißeritz überflutet.
19
Rundkino
Prager Straße 6
Architekten: Gerhard Landgraf,
Waltraud Heischkel, 1970/72
Ausstattung: Deutsche Werkstätten Hellerau
Im Zuge der Neugestaltung der Prager Straße wurde dieser Entwurf für einen Kinoneubau ausgewählt. Gewünscht war eine geschwungene Form, als Kontrast
zu der kubischen Nachbarbebauung. Die Rotunde mit einem Durchmesser von
50 m entsprach dieser Forderung am konsequentesten. Das ursprünglich freistehende zylindrische Gebäude hat eine Höhe von 20 m und wird äußerlich in
drei Ebenen gegliedert. Das Erdgeschoss umläuft eine Glasfront, die zur Prager
Straße zugunsten einer Arkade zurückgesetzt wird. Die Fassade des 1. OG besitzt ein vorgehängtes Stabwerksornament des Dresdner Grafikers Gerhard
Papstein. Das 2. OG ist mit weiß emaillierten Metallbändern verkleidet, zwischen denen der mit schieferfarbenem Granulat beschichtete Saalkörper zu sehen ist. Die so entstehenden vertikalen „Zebrastreifen“ verleihen optisch mehr
Höhe und lockern den kompakten Baukörper auf.
Im Inneren des Gebäudes befindet sich der 1018 Zuschauer umfassende große
Saal sowie in der Tiefebene der kleine Saal für 132 Zuschauer, welcher zu
DDR-Zeiten als Filmkunstkino genutzt wurde. Ein großzügiges Foyer mit Garderoben im Erdgeschoss empfängt den Besucher. Über die breite Freitreppe gelangt
man in das Obergeschoss mit dem umlaufenden Flaniergang und Imbiss-Raum.
Der große Saal wurde bis zu seiner Schließung auch zu anderen Veranstaltungen genutzt, wie Jugendweihen, Versammlungen, Kongresse, Pop- und Schlagerkonzerte oder anderem.
Für das Rundkino unvorteilhaft wirkte sich in den 90er Jahren die Umbauung des
als Solitär geplanten Lichtspieltheaters aus. Die einschnürende Bebauung von
Günter und Holger Just (Wöhrl-Plaza von 1995–96) drängte den charismatischen Rundbau in den Hinterhof ab und nahm ihm dadurch die auf Weitwirkung berechnete Ausstrahlung. Damalige städtebauliche Planungen des gleichzeitig als Stadtplanungsdirektor fungierenden Günter Just sahen (und sehen) eine
Verengung der Prager Straße auf die ursprüngliche Breite von 19 Metern vor,
um mehr Dichte, Urbanität oder weniger luftige Zugigkeit zu erzeugen. Allerdings schnitt diese veränderte Nachwendeplanung vorhandene Entwürfe für ein
städtebauliches Umfeld des Rundkinos aus den 80er Jahren ab. Bereits als Kellergeschosse errichtete Fundamente von neuen postmodernen Wohngebäuden
(ähnlich denen an der Ferdinandstraße) wurden Anfang der 90er Jahren wieder
abgerissen. Sie hätten jedoch den freien Blick auf das Rundkino von der Prager
Straße aus gewährleistet.
20
UFA-Kristallpalast
St. Petersburger Straße 24a
Architekten: Coop Himmelb(l)au (Wolf D. Prix und
Helmut Swiczinsky), 1997/98
„In klarer, geometrischer Ordnung bilden die schlanken Scheibenhochhäuser an
der Prager Straße in Dresden ein städtebauliches Ensemble, das mit dem Hauptbahnhof im Süden und dem Übergang zum Altmarkt im Norden ein typisches
Ergebnis der Stadtplanung der 60er Jahre ist. Diesem Ensemble wurde mit dem
Kinozentrum ein weiteres Element hinzugefügt, das einen neuen öffentlichen
Raum östlich der Prager Straße definiert und damit zugleich die Querbezüge zur
großen Achse verstärkt. Zur Belebung dieses neu gewonnenen urbanen Raumes
werden sämtliche Zugänge zum komprimierten „Kinoblock“ als öffentliches Ereignis inszeniert. Das weite Foyer, die skulptural ausgeformten Treppenanlangen, die in einen Drahtkegel eingehängte Bar und zusätzliche Servicefunktionen
werden weithin sichtbar in den öffentlichen Raum eingestellt und von einer kristallinen Stahl-Glaskonstruktion umfasst, die diesem neuen Treffpunkt inmitten der
Stadt ein einprägsames Zeichen mit weiter Ausstrahlung gibt.
In bewegtem Kontrast zu den sonst zumeist monofunktional konzipierten und im
Gefüge der Stadt hermetisch abgeschlossenen Baukörpern solcher Unterhaltungsmaschinen wird hier dem Publikum eine vielfältig bespielbare Bühne gegeben, auf der sich vor allem die jüngere Generation spielerisch darstellen kann.
Durch die Sichtbarkeit der Bewegungen und Interaktionen im – zumal abends
hell erleuchteten – „Kristall“ wird der transparente Baukörper selbst gleichsam zu
einem Medium der Öffentlichkeit, das für die Wiedergewinnung von Urbanität
in unseren Städten einen beispielhaften Beitrag leisten kann. In der expressiven
Formensprache kommt gegenüber der strikten Geometrie der Umgebung eine
fast anarchisch anmutende Vitalität zum Ausdruck, die gerade in dieser Gelenksituation zwischen Altstadt und Nachkriegsmoderne einen bemerkenswerten, zukunftsweisenden Akzent von hoher gestalterischer Qualität setzt.“
Text aus der Laudatio zur Verleihung des Deutschen Architekturpreises 1999
Das Kino in der Prager Straße in Dresden ist eines der ersten größeren realisierten Bauten des Büros Coop Himmelb(l)au der Wiener Architekten Helmut
Swiczinsky und Wolf D. Prix. Deren konzeptionelle und provokante Architekturvorstellungen wurden Ende der neunziger Jahre erstmals mit hohem digitalem
und bautechnischem Aufwand für umgerechnet rund 25 Millionen Euro realisiert. Das Kino wurde in Form eines verzogenen, spitzwinkligen, zerfließenden
Glaskristalls errichtet. Als Standort wählte der Bauherr eine Baulücke zwischen
der Verkehrsschneise der St. Petersburger Straße und der Prager Straße. Der
neue UFA-Palast liegt in unmittelbarer Nähe zum bestehenden, denkmalgeschützten „Rundkino“. Zur St. Petersburger Straße hin zeigt sich die rohe Betonstruktur des Neubaus mit einem Gitterrost verkleidet. Eingangsbereich und die
gefaltete Glasfront sind zur Prager Straße hin orientiert. Im durch Sichtbeton und
Stahl geprägten Innenraum herrscht überwiegend dekonstruierte Ruppigkeit;
eine „Skybar“ schwebt als Attraktion unter dem Glashimmel.
Das Raumerlebnis lebt gleichermaßen von den ungewohnten Geometrien und
der unorthodoxen Verwendung und Fügung der Materialen Stahl, Glas und Beton. Besonders eindrucksvoll sind dabei die haushohen Betonwände im Foyer.
Der hellgraue Beton weist eine sehr glatte Oberfläche auf. Konstruktiv lässt sich
das Kino in zwei unterschiedliche Bereiche aufteilen: den Saalkomplex und das
Foyer. Der Saalkomplex ist als monolithisches Bauwerk mit großen Raumhöhen,
Deckensprüngen und teilweise geneigten Wänden konstruiert. Das Foyer wird
von einer Glas-Stahl-Konstruktion abgeschlossen und beinhaltet eine raumbildende Kaskade stählerner Treppenläufe sowie zwei eigenwillig geknickte Türme für
die Aufzüge. Das Fugenbild der Betonoberflächen wurde von den Architekten
vorgegeben. Die letztlich realisierte Architektur sei eher eine Spar-Variante gegenüber den ursprünglichen Entwürfen gewesen, erläuterte Objektleiterin Silke
Dikomey. Eigentlich sei geplant gewesen, in einen dreieckigen kristallinen Baukörper zwei Quader als Kinosäle zu hängen, die über eine lange gewundene
Spiraltreppe zugänglich gewesen wären. Auch seien beleuchtete Fußböden vorgesehen gewesen. Diese Ideen seien aber zu teuer und zu unpraktisch gewesen.
Quellen:
www.baunetz.de (Januar 07)
www.coophimmelblau.at
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Dresden_
Ufa_Cinema_Center.jpg
22
Neumarkt
Prof. Dipl.-Ing. Horst Thomas
Die Neubebauung um den Dresdner Neumarkt und die Frauenkirche
Nach Beendigung der Diskussionen um die Frage, ob die Frauenkirche rekonstruiert werden solle oder nicht, setzte – nach der Entscheidung dafür und bei
fortschreitender Bautätigkeit – die Diskussion um die Gestaltung der Umgebung
ein. Dieses ehemals dicht bebaute Quartier um den Neumarkt, das bis ins 16.
Jahrhundert teilweise außerhalb der befestigten Stadt lag und im Rahmen des
Ausbaus der kurfürstlichen Residenz um 1530 einbezogen wurde, war 1945
völlig zerstört worden.
1. Zur Nachkriegsgeschichte und zu ersten Vorstellungen der Wiederbebauung
Im Gegensatz zur Frauenkirche, deren Ruine und Trümmerberg als Mahnmal gegen den Krieg stehen gelassen wurde, sind die Ruinen der Quartiere um den
Neumarkt abgeräumt worden und blieben unbebaut. Die großenteils erhaltenen
historischen Keller wurden verfüllt, blieben aber erhalten. Die völlig ungegliederte Freifläche südwestlich der Kirchenruine reichte bis zum Altmarkt und wurde
von diesem erst 1969 durch den Bau des Kulturpalasts getrennt. Zwischen der
nördlich der Frauenkirche gelegenen Töpferstraße und dem reparierten bzw. rekonstruierten Gürtel von Monumentalbauten entlang der Elbe, entstand seit den
späten 1980er Jahren ein Hotelkomplex (heute Hilton) sowie Wohnungen in angepassten, d.h. anspruchsvolleren Plattenbauten der späten DDR-Zeit.
Für eine Wiederbebauung des Gebiets wurde schon früh die Konzeption entwickelt, dass besonders wichtige und gut dokumentierte Bauten der Vorkriegszeit als Leitbauten rekonstruiert werden sollten. Für die daneben und dazwischen gelegenen Bauten wurden jedoch zeitgemäße Lösungen angestrebt, die
sich am Maßstab der Umgebung orientieren und mit Putzfassaden einfügen sollten. Eine Gestaltungssatzung von 2002 sieht in den 8 Quartieren auf über 100
zu bebauenden Parzellen 60 Leitbauten vor. Neben der Orientierung am Maßstab der Leitbauten war die zentrale Frauenkirche Orientierung für die Neubauten, für deren Traufhöhe die Höhe der senkrechten Mauern der Kirche verbindlich vorgegeben wurde. Die zu bebauenden Quartiere entsprechen denen der
Vorkriegssituation, wodurch nicht nur die Platzanlage des Neumarktes und die
anschließende Platzfläche des Jüdenhofs, sondern auch die teilweise nicht mehr
erkennbaren Straßen und Gassen wiedererstehen sollten.
Blick vom Rathaus in Richtung Prager Straße direkt nach dem Krieg und zu Beginn des Wiederaufbaus
2. Einschätzungen und Warnungen eines Denkmalpflegers
Bereits im Jahr 2000 erklärte Thomas Will, Professor für Denkmalpflege und Entwerfen an der TU Dresden, in einem Vortrag, dass es sich beim Wiederaufbau
des Gebiets nicht um eine denkmalpflegerische Aufgabe handele, weder nach
seinem Verständnis als Denkmalpflegelehrer noch nach dem öffentlichen Willen
– wie er sich im Denkmalschutzgesetz niedergeschlagen hat. Allenfalls Umgebungsschutz könne reklamiert werden, wobei dieser – da ja keine Umgebung
mehr da war – über wichtige und gut dokumentierte ehemalige Einzelgebäude,
die im Rahmen der Neubebauung wieder erstehen sollten, eher indirekt hergeleitet werden könne.
Er warnte vor der positivistischen Auffassung, Kulturgüter seien mit Hilfe heutiger
Technik reproduzierbar, kopierbar, aus denkmalpflegerischer Sicht sei eine solche Haltung sogar gefährlich, da sie die leichtfertige Beseitigung verbliebener
Reste – im Bewusstsein ihrer Wiederherstellbarkeit – eher fördere. Wichtig waren ihm allerdings die historischen Keller, deren Erhaltung und Einbeziehung er
als Chance sah. Er sah in ihnen Zeugen der Stadtgeschichte, die als städtebauliches Potenzial begriffen werden sollten und durch deren Einbeziehung eine
wahrhafte Architektur des Ortes und der Erinnerung entstehen könnte. Im Übrigen sollte die Frage der Wiederbebauung weniger gereizt und mit Gelassenheit und Toleranz geführt werden, schließlich ginge es ja nicht um ein einzelnes
Kunstwerk, das mit unbeirrbarer Konsequenz vollendet werden müsste, sondern
um ein Stück Stadt, für die man zwar auch ein Leitbild brauche, jedoch keine
fertige Ideallösung.
Will sah – die bereits getroffene Entscheidung für eine Rekonstruktion voraussetzend – zwei alternative Szenarien, wobei er keinen Hehl aus der Bevorzugung
der zweiten macht (sinngem. und gekürzt):
- die statische, vermeintlich „historische“ Lösung: Rekonstruktion mit selektiven
historischen Formen, bei der das nicht minder selektive Bild einer vergangenen Epoche beschworen wird; Reduzierung der Altstadt auf den musealen
Nachbau, mit der Gefahr einer kunstgewerblichen Stadtattrappe und vermutlich Preisgabe der alltäglichen städtischen Funktionen; oder
- Rekonstruktion als Reurbanisierung, als unmissverständliche Reparatur;
Möglichkeit der Mischung unterschiedlicher Ansätze auf der Basis überlieferter
städtebaulicher Regeln und materieller Strukturen; Zugeständnisse an städtisches Leben unter Verzicht auf Planungsziel des großen, fertigen Kunstwerks;
Bereitschaft zum Risiko der architektonischen Einfühlung, aber auch zur Banalität, anstelle des verordneten Idealbilds.
3. Das Vergabeverfahren der Stadt
Wills Empfehlung für eine kleinteilige Bebauung mit unterschiedlichen architektonischen Ansätzen auf einer gemeinsamen Plattform könnte mit seinen Empfehlungen, die historischen Keller zu nutzen, wohl nur auf der Grundlage eines individuellen Wiederaufbaus der einzelnen Grundstücke realisiert werden. Eine solche Lösung wäre jedenfalls am besten geeignet, die Normalität städtischen Lebens und urbaner Vielfalt sowie städtische Wandelbarkeit zu erreichen. Auf
solch mühselige, die Fertigstellung des Wiederaufbaus hinauszögernde Verfahrensweise scheint sich die Stadt nicht einlassen zu wollen. Die Vergabe erfolgt
wohl in größeren Einheiten, was zu Großlösungen mit Hotelkomplexen, Einkaufspassagen usw. führt, die sich – dem vagen Muster der Vorkriegsbebauung
folgend – hinter kleinteiligen und unterschiedlichen Fassaden tarnen. Beispielhaft
wird in einem Kolloquium von einem potentiellen Investor berichtet, der vorhatte,
nur ein einzelnes, im Übrigen wichtiges Haus wiederaufzubauen, das aber originalgetreu. Angeblich soll die Stadt abgelehnt haben.
4. Die ersten Ergebnisse stoßen auf Kritik
Einige Blöcke sind bereits fertig gestellt, andere im Bau bzw. in Vorbereitung.
An den Ergebnissen gibt es viel Kritik. Bei einem Kolloquium der Sächsischen
Akademie der Künste waren sich fast alle Experten einig in der Bewertung, dass
die Stadtentwicklung viele Fehler machen würde, die nur schwer zu beheben
seien. Zudem wird beklagt, dass die Investoren sich nicht an die vorgegebenen
Regeln halten. Statt traditionelle Ziegelbauweise zu verwenden, werden Fassaden aus Beton gegossen, statt Putzfassaden werden bisweilen Plattenverkleidungen verwendet. Die durch die großteilige Vergabepraxis entstehenden Großnutzungen und ihre kleinteiligen Fassadengestaltungen werden als Mogelpackungen bezeichnet. Im Übrigen gibt es viel Kritik an der architektonischen Qualität
der Bauten. Ein früherer Baubürgermeister (und Architekt) hält die im an die Töpferstraße angrenzenden Quartier I entstandene Glaspassage für die schlechteste
Einkaufspassage der Stadt mit grob verarbeitetem Glasdach und einem Ausblick
auf trist gestaltete Rückfassaden und spricht von einem Skandal.
5. Fazit
Der Wiederaufbau der Quartiere um den Dresdner Neumarkt ist noch lange
nicht abgeschlossen. Die bisher erkennbaren Ergebnisse stoßen auf breite Kritik
und es bleibt abzuwarten, ob sich dadurch Änderungen in der Verfahrenspolitik
ergeben. Dies könnte schon durch eine andere – kleinteiligere, sicher dadurch
auch mühevollere und längere Realisierungszeit bedürfende – Vergabe der
Grundstücke geschehen, sei es durch die stärkere Kontrolle der Einhaltung örtlicher Bauvorschriften, sei es durch stärkeren Einsatz oder Einfluss der Bauberatungsgremien. Das Gebiet um die mit großer Authentizität rekonstruierten Frauenkirche stellt sich dar als städtebaulich maßstäbliches aber letztlich historisierendes Bauen, bei dessen Bewertung es darauf ankommt, inwieweit man mit einer
passenden Rahmung und auch touristisch verwertbarer Stimmigkeit zufrieden ist
oder ob man architektonische Ansprüche an Neubauten in einer derart prominenten Umgebung stellt und diese sogar als Herausforderung zur Ausbildung
einer besonderen Qualität versteht.
Dazu noch einmal der Denkmalpfleger und Architekt Prof. Thomas Will: Wenn
in einer Stadt einige Hüter des guten Geschmacks glauben, das Image damit
pflegen zu müssen, dass sie am Neumarkt eine „gute Stube“ einrichten wollen,
bei der es für zeitgenössische Architekten heißt: „Wir müssen draußen bleiben“,
dann zeigt das, dass es ihnen nicht um Baukultur geht oder um Ästhetik im
Sinne eines Erlebens schöner, interessanter Stadträume. Worum geht es dann?
Um Ausgrenzung der Gegenwart unter dem Vorwand einer zurückholbaren Vergangenheit oder um plumpen Touristenfang. Zur Schaffung eines angenehmen
Heimat- und Aufenthaltsorts müsse stattdessen beides vorhanden sein: das richtige Maß an Vertrautheit wie an Neuem. Nach Wills Überzeugung kann das
Neue nicht vom Neumarkt fern gehalten werden, wenn nicht etwas Enttäuschendes entstehen soll.
zusammengefasst aus veröffentlichten Berichten
und Meinungen und eigener Besichtigung der
ersten Rohbauten
von Horst Thomas
insbesondere verwendet:
- Thomas Will: „Rekonstruktion der europäischen
Stadt? – Zur Diskussion um den Dresdner Neumarkt“; db 3/2001
- wikipedia.org/wiki/Neumarkt_Dresden
26
Zum Wiederaufbau der Frauenkirche
Neumarkt
Architekt: George Bähr, 1726–43
Prof . Dipl.-Ing. Horst Thomas
1. Die städtebauliche und baugeschichtliche Bedeutung der Frauenkirche
Kaum ein im 2. Weltkrieg zerstörtes Bauwerk hat solche Diskussionen, Emotionen und Aufwendungen initiiert wie die Frauenkirche. Ein wesentlicher Grund
dafür kann darin gesehen werden, dass dieser in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts errichtete Bau architektonisch, baukonstruktiv wie städtebaulich von
höchster Bedeutung war. Um die singuläre architektonische Qualität – die keine
Nachfolge gefunden hat – im vorgegebenen hochwertigen Standard wiedererstehen zu lassen, mussten enorme baukonstruktive Probleme gelöst werden, über
die zusammenfassend zu berichten ist.
Entscheidender Auslöser für das gewaltige Unterfangen war sicher in erster Linie
die städtebauliche Wirkung, die als steinerne Glocke die städtebauliche Neuordnung zur Zeit August des Starken vollendete und die der Stadt den Namen
Elbflorenz eingebracht hat.
Friedrich August, später gen. der Starke, gelang es, zum Ausbau seiner Residenz eine Reihe hervorragender Künstler und Baumeister nach Dresden zu holen
und die höfische Baukunst stand in voller Blüte. Der Zimmermeister George Bähr
hatte sich durch Kirchenbauten im Erzgebirge für höhere Aufgaben qualifiziert
und erhielt 1722 den Auftrag für die protestantische Hauptkirche der Stadt.
Sein erster Entwurf sah bereits einen Zentralbau mit hoher Kuppel vor und folgte
damit einer grundsätzlichen Konzeption dieser Zeit über den protestantischen
Kirchenbau. Die Realisierung war umstritten, es gab Gegenentwürfe anderer
Baumeister, schließlich setzte sich Bähr mit einem neuen Entwurf (und reduzierten
Kosten) durch.
2. George Bähr als avantgardistischer Baumeister
Prof. Dipl.-Ing. Horst Thomas, Architekt, Stadtplaner, Denkmalpfleger, Georg-Simon-Ohm Hochschule, Nürnberg
Planergruppe HTWW, Wiesbaden, Aschaffenburg, Erfurt
Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung
Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V.
Der Bau wuchs bis unter die Kuppel, dann legte der Baumeister eine Planänderung zur Genehmigung vor: er wollte die Kuppel aus Stein und steinsichtig ausführen. Vermutlich hat er die Fundamente bereits zu Beginn für die entsprechenden Lasten ausgelegt. Es kam zum Streit, Kollegen warnten ihn, schließlich setzte er sich durch. Als er dann auch noch die Laterne aus Stein errichten will,
kommt es zu neuem Streit. Die Kuppel hat zu dieser Zeit massive Risse. Nach
einer Besichtigung der Schäden stirbt Bähr entkräftet und sein Schüler führt den
Bau zu Ende – mit hölzerner Laterne.
George Bähr hat in einer Zeit, in der es noch keine statischen Berechnungen
gab, Vorstellungen über die Lastabtragung des riesigen Bauwerks mit seiner hohen und schweren Steinkuppel und der flacheren und daher gefährlicheren Innenkuppel entwickelt, die ihn als avantgardistischen Konstrukteur ausweisen. In
die Steinkuppel legte er ringförmig mehrere Eisenanker ein, die er allerdings nur
unzureichend anspannen konnte (mit Wärme und Keilen). Die Kuppel ruht auf 8
dünnen Pfeilern, die in tiefe, v-förmige Wandscheiben übergehen, die er Spieramen nannte. Den Lastabtrag der Kuppel stellte er sich pyramidal vor, d.h. dass
die Spieramen in ihrer Tiefe nicht nur den verbliebenen (über die Aufnahmefähigkeit der Ringanker hinaus gehenden) Teil der horizontalen Kräfte aufnehmen
sollten, sondern auch einen Teil der vertikalen. Zu diesem Zwecke ordnete er zusätzliche Anker in den oberen Spieramen an, die er jedoch nicht ausreichend
anspannen konnte. Daher waren die inneren Pfeiler tatsächlich erheblich überlastet. Der Bau riss auch im Bereich der Spieramen massiv (im Bereich der Emporendurchgänge) aber stand bis 1945.
Zu den der Zeit weit vorauseilenden Besonderheiten Bährs gehörte auch die
Steinsichtigkeit der Kuppel. Die – älteren – Kuppeln von Florenz und Rom besitzen eine Dachdeckung aus Ziegel bzw. Metall. Bähr wollte eine Kirche bauen
„aus einem Stein“. In einer Zeit, in der es üblich war, Holzaltäre mit Stuckmarmor zu überziehen, um ihnen das Aussehen eines anderen Materials zu verleihen, verfolgte er bereits Materialgerechtigkeit. Möglicherweise reicherte er den
Mörtel der Kuppel mit Milch und Eiern an, die in so großen Mengen geliefert
worden waren, dass sie nicht durch die Versorgung der Bauleute erklärt werden
können.
In den 20er Jahren kam es zu umfassenden Konstruktionsverstärkungen. Ein
Ringanker wurde von innen in die untere Kuppel eingebaut, jedoch war auch
deren Vorspannung noch nicht möglich (Ing. Prof. Rüth). Außerdem wurden zusätzliche Fundamente angeordnet. Die gerissenen Pfeilerquader wurden mit
Flacheisen bandagiert.
1945 überstand die Frauenkirche den Luftangriff und die Zerstörung der Stadt.
Ein Brand im Inneren führte zu Steinabplatzungen an den überlasteten Pfeilern
und das brachte die Kuppel zum Einsturz und zerstörte den Bau bis auf wenige
Ruinenteile, zu denen auch die Unterkirche gehörte.
3. Die Frage der Rekonstruktion als denkmalpflegerischer Streit
Nach der Zerstörung gab es umfangreiche Untersuchungen (u.a. Henn und
Siegel), und während die Monumentalbauten zur DDR-Zeit wiederhergestellt
oder rekonstruiert wurden, wagte man sich nicht an die Frauenkirche, sondern
erklärte den Trümmerberg als Mahnmal.
Nach der Wiedervereinigung führte die Forderung nach dem Wiederaufbau zu
einem erbitterten Streit, auch innerhalb der Denkmalpflege. Das politische Argument, der Wiederaufbau der Kirchen von Köln, Nürnberg usw. müsse wegen
der politischen Verhältnisse eben jetzt nachgeholt werden, wollte man letztlich
doch gelten lassen – trotz der Vorbehalte, dass ein Denkmal nicht beliebig reproduziert werden könne.
4. Die konstruktiven Fragen des Wiederaufbaus
Die erste bindende Festlegung war die eines archäologischen Wiederaufbaus,
also nicht mit anderem Material für Kuppel und Innenpfeiler, sondern so wie
Bähr den Bau errichten ließ. Nach zahlreichen Untersuchungen wurden die Ingenieure Wenzel und Jäger beauftragt. Mit Ihnen waren zahlreiche weitere Büros tätig, die ich hier nicht alle nennen kann. Auch muss ich mich auf die Darstellung weniger grundsätzlicher Problemlösungen konzentrieren.
Zwei Fragenkomplexe beinhalteten grundsätzliche Zielkonflikte:
4.1
Kann die Forderung nach archäologischer Rekonstruktion mit den Erfordernissen
nach Sicherheit und Bauschadensfreiheit verbunden werden oder nicht?
4.2
Führen konstruktive Hinzufügungen (z.B. von wirksamen d.h. vorgespannten
Ringankern) Bährs innovative Erfindungen (wie z.B. die Spieramen) ad absurdum?
Zur Erläuterung: Bähr ließ geschmiedete und nicht ausreichend wirksame Zuganker in die Kuppel einbauen. Den restlichen Schub sollten die Spieramen übernehmen. Baute man jetzt voll wirksame, vorgespannten Ringanker in die Kuppel
ein und diese würden den Kuppelschub tatsächlich vollständig aufnehmen, so
wären die Spieramen funktionslos und von einem archäologischen Wiederaufbau könne nicht mehr gesprochen werden.
5. Lösungen
Es sollen einzelne Problemlösungen heraus gegriffen werden.
5.1 Enttrümmerung und Wiederverwendung von Originalsubstanz
Die Enttrümmerung sollte wieder verwendbare Teile bergen, identifizieren und
ihre technische Qualität prüfen. Es sollten so viele Teile der Originalsubstanz
wie möglich wieder an der ursprünglichen Stelle eingebaut werden. 22 Td.
cbm Trümmervolumen wurde Stück für Stück beräumt, 25 % der ehemaligen
Oberfläche wurde identifiziert, davon wurde 25 % wieder eingebaut. Darunter
waren auch zusammenhängende Großteile.
5.2 Lastabtrag des Kuppelgewichts und -schubs
Die schweren Sandsteinkuppeln (außen und innen) lasteten sich überwiegend
auf den 8 dünnen Sandsteinpfeilern ab und überlasteten diese bis zur Steinspaltung. Der Kuppelschub spaltete die Spieramen, insbes. im Bereich der Perforierung durch die Emporendurchgänge. Alle alternativen Vorschläge mit Bauteilen
aus Stahlbeton (Kuppel und/oder Pfeiler), aussteifende Stahlbetonscheibe am
Kuppelansatz usw. schieden aus. Die Lösung bestand aus einer Kombination
aus zwei Maßnahmen:
- Der Herstellung der Pfeiler aus ausgesuchter Sandsteinqualität mit doppelt so
hohen Steinformaten, exakt gesägten Lagerflächen, einem speziell bestimmten
hochwertigen Mauermörtel mit lückenlos – immer wieder überprüftem – Mörtelauftrag in einer Stärke von nur 6 mm. In einer eigens erstellten Mauerwerkrichtlinie wurden 4 Beanspruchungsklassen definiert, deren anspruchsvollste (oben)
zu einer Verdoppelung der Tragfähigkeit führte.
- Eine weitere Halbierung der Belastung wurde durch die bereits von Bähr beabsichtigte Lastumlenkung im Sinne seines pyramidalen Lastabtrags erreicht. In
Höhe des Ansatzes der Innenkuppel wurde ein frei schwebender Ringanker
aus Stahl eingebaut. Die Verwendung von Stahl anstelle von Schmiedeeisen
wurde als dem archäologischen Wiederaufbau nicht widersprechend zugelassen. Gegen diesen Ring sind strahlenförmig Anker innerhalb der Spieramen
verspannt, in etwa dort wo auch George Bähr seine schmiedeeisernen Anker
eingebaut hat. An deren anderem Ende wurden Betonplomben ins Mauerwerk
eingebaut, die die Spannkräfte im Mauerwerk breiter verteilen sollen. Durch
diese Spannanker werden äußere Kräfte in die Konstruktion eingebracht, die
die Stützlinie verändern und so eine Umlenkung der Lastabtragung bewirken.
Die Last wird so stärker nach außen und in die Spieramen gelenkt und die pyramidale Lastabtragung erreicht, die Bähr angestrebt hat, jedoch nicht erreichen konnte.
Durch die – bereits angesprochene – weitere Halbierung der Last auf den Pfeilern wurde jetzt eine zumindest 4-fache Sicherheit gegenüber dem Vorkriegszustand erreicht, der ja zumindest standfest war (4 N/qmm statt 12 bis 13
N/qmm; Angaben des Büros Wenzel/Freese).
29
5.3 Baugrund, Fundamente, Ruinenteile
Die Untersuchung der unteren Konstruktionsbereiche befasste sich mit dem Baugrund, den Fundamenten und der Belastbarkeit der Ruinenteile. Der Baugrund
war gut: fest gelagerter Kies, darunter massiver Fels. Die Fundamentsteine waren in gutem Zustand und auch die Rüth’schen Betonfundamente der 1920er
Jahre waren in gutem Zustand. Sie wurden rechnerisch jedoch nicht berücksichtigt und stellen eine zusätzliche Sicherheit dar. Durch zusätzlich angeordnete
Funktionsräume unter der Straße, außerhalb des alten Bauwerks, ist eine zusätzliche Aussteifung gegeben und Grundbuch ausgeschlossen.
Die Ruinenteile wurden auf ihre Brandschädigung hin untersucht. Diese sind nur
bis in eine Tiefe von 10 cm durch die Hitze verändert, darunter voll tragfähig.
Das belastete Ruinenmauerwerk wird zudem nur nach der geringsten Beanspruchungsklasse der speziellen Mauerwerksrichtlinie belastet.
5.4 Die Steinsichtigkeit der Kuppel
Die Steinsichtigkeit machte die Kuppel der alten Frauenkirche zu einem ständigen Befassungsgegenstand der Bauunterhaltung. Er gibt eine (mit Hilfe der Camera obscura entstandenes) Stadtansicht von Dresden von Bellotto, gen. Canaletto (d.J.), bei dem er die Arbeiter auf dem Kuppelanlauf der Frauenkirche mit
gemalt hat, die wohl mit Reparaturen beschäftigt waren.
Um mehr Sicherheit gegen Feuchteschäden zu erreichen, wurden auf die Auflagerrippen der Decksteine Dübelsteine aus Sandstein in Vertiefungen eingesetzt
und die Decksteine aufgelegt. Unter diesen sorgt eine zusätzliche Entwässerungsebene für eine sichere Ableitung des Wassers.
6. Alt und neu
Die wiederaufgebaute Frauenkirche besteht aus in situ erhalten gebliebener und
wieder verwendeter originaler Bausubstanz sowie hinzugefügter neuer Substanz
aus gleichem Material. Dabei lässt das Baumaterial am Kirchenäußeren sofort
erkennen, was alt ist und was neu. Diese Unterschiedlichkeit hat für uns heute erklärenden Wert, zeigt sie uns, was erhalten geblieben ist und was nicht. Wir
werden also nicht getäuscht und es wird uns nicht die Information übermittelt,
der 2. Weltkrieg sei anders verlaufen und habe hier möglicherweise nicht stattgefunden. Diese Information ist für diejenige Generation besonders wichtig, die
sich über den Wiederaufbau uneinig war.
Mit fortschreitender Zeit wird diese Information langsam weniger wichtig, weil
andere Themen in den Vordergrund treten. Heute weiß fast niemand mehr, dass
der Campanile von San Marco in Venedig bei einem Erdbeben um die vorletzte Jahrhundertwende eingestürzt und kurz danach wieder aufgebaut worden ist.
Mit der Zeit gleicht sich aber auch die Farbe des Sandsteins immer stärker an
und irgendwann wird sie vielleicht gleich sein. Dann gibt es immer noch die unterschiedliche Bearbeitung der Oberfläche, an der man – aus der Nähe – erkennen kann, was alt ist und was neu. Diese Information wird sehr lange erhalten bleiben und demjenigen Auskunft geben, der sich dafür interessiert. Der
Wiederaufbau verlässt auch dann noch nicht den Pfad der Ehrlichkeit.
7. Fazit
Als abschließendes Fazit lässt sich sagen, dass der Wiederaufbau der Frauenkirche in einer Weise erfolgt ist, der den Forderungen nach archäologischer Authentizität weitest gehend gerecht wird. Die Konstruktion folgt der George
Bährs, statt schlaffem Schmiedeeisen wird vorgespannter Stahl für Anker eingesetzt. Was Sandsteinmauerwerk war, ist es auch wieder. Das ist – zusammenfassend gesagt – schon das einzige, was verändert wurde.
Eine abschließende Bemerkung führt zum Anfang der Darstellung zurück. Dem
Gewinn durch den Wiederaufbau der Frauenkirche steht der Verlust der Ruine
gegenüber, die als Mahnmal an Krieg und Zerstörung erinnerte, nicht alleine an
die Zerstörung einer einzigartigen Kirche, sondern an die Zerstörung einer bedeutenden Stadtanlage und an den Tod unzähliger Menschen.
8. Die Umgebung
Die vor ihrer Zerstörung von der Bebauung am Neumarkt umgebene Frauenkirche wurde durch die Zerstörung der Stadt auch aus ihrem baulichen Zusammenhang gerissen. Die Blöcke der Umgebung werden seit einiger Zeit wiederaufgebaut, angeblich nach historischem Vorbild. Diese Neubebauung folgt jedoch einer anderen Vorgehensweise als der oben geschilderten. Sie soll in einem eigenen Beitrag vorgestellt werden.
Horst Thomas
Verwendete Literatur:
„Berichte zum Wiederaufbau der Frauenkirche
zu Dresden – Konstruktion des Steinbaus und Integration der Ruine“
Herausgeber: Fritz Wenzel
Universitätsverlag Karlsruhe
32
Alte Synagoge
Hasenberg 1
Architekt: Gottfried Semper, 1838–40
Chronik
01.11.1837 Unterzeichnung des Kaufvertrages
21.06.1838 Grundsteinlegung der Semper
Synagoge
08.05.1840 Einweihung der Synagoge
1900 Israelische Religionsgemeinschaft Dresden
wächst auf 5400 Mitglieder
1932 ca. 5000 Dresdner Juden
1933 Erste antijüdische Maßnahmen in Dresden, Verhaftungen, Beginn der Emigration
09.11.1938 Zerstörung der Synagoge in der
sog. Reichsprognomnacht
1942 Beginn der Deportation Dresdner Juden in
Konzentrationslager
1945 Wiederaufnahme der Arbeit der Jüdischen
Gemeinde in Dresden, weniger als 100 Gemeindemitglieder
1949/1950 Aufbau der zerstörten Beerdigungshalle des Friedhofs Fiedlerstraße zur Interims-Synagoge
18.06.1950 Weihe der Synagoge auf der
Fiedlerstraße
1996 Gründung des Förderkreises für den Neubau der Dresdner Synagoge
1997 Entscheidung für Entwurf „Neubau Synagoge“ der Architekten Wandel, Höfer, Lorch
09.11.1998 Erster Spatenstich für eine neue
Synagoge in Dresden
21.06.2000 Grundsteinlegung in Anwesenheit
der Schirmherren
16. März 2001 Richtfest
09.11. 2001 Einweihung der Neuen Synagoge Dresden
www.freundeskreis-synagoge-dresden.de/chronik.htm 18.07.2008
Quelle:
Informationsmappe Förderverein Bau der
Synagoge Dresden e.V.
Der Bau der Synagoge in Dresden (1838–40)
Nachdem die Gemeinde einen Bauplatz am früheren Gondelhafen unterhalb
der Brühl´schen Terrasse käuflich erworben hatte, wandte sich das „Comité zur
Begründung einer allgemeinen Synagoge“ an Gottfried Semper. In Anlehnung
an den Typus der byzantinischen Kreuzkuppelkirche wählte Semper eine Bauform, die innen und außen in eindrucksvoller Weise den Charakter einer Predigt- und Versammlungsstätte erkennen ließ. Die überhöhte Mitte wurde innen
mit einem achtteiligen Klostergewölbe überdeckt, von dessen Scheitel ein Strahlenbündel auf blauem Grund ausging. Außen gab sie dem Bau als kräftiges
Oktogon mit einem pyramidalen Dachabschluss ein markantes Aussehen.
Im Inneren des quadratischen Hauptbaues fand an der Ostwand der um sieben
Stufen erhöhte Thoraschrein, vor ihm das Lesepult und die in die Balustrade ingeordnete christliche Kanzel Platz. An den übrigen drei Seiten erhoben sich die
doppeletagigen Frauenemporen. Semper entwarf die gesamte Innenausstattung
und erzielte damit eine äußerst geschlossene Raumwirkung. Die der maurischen
Kultur (Alhambra in Granada) entlehnten Motive wie Zackenbogen und Kapitellformen deuten sinnbildhaft auf das Judentum, auf die Verschmelzung der orientalischen mit der europäischen Kultur. Außen zeigte sich der Bau in kraftvoller,
aber stilistisch weitgehend neutraler Gestalt. Nur sparsam waren romanische
Schmuckelemente (Rundbogenfries, Zwerggalerie) eingesetzt. Mit der barbarischen Zerstörung der Dresdner Synagoge in der Reichsprogromnacht, am 9.
November 1938, ist ein Gebäude dem Erdboden gleichgemacht worden, das
vorbildhaft für spätere derartige Bauten wirkte und zudem der einzige Sakralbau gewesen ist, den Gottfried Semper jemals in seinem reichen Arbeitsleben
hat errichten können.
33
Neue Synagoge
Am Hasenberg/Rathenauplatz
Architekten: Wandel, Lorch und Hirsch, 1998–2001
Am Jahrestag der Zerstörung der alten Synagoge Dresdens, dem 9. November,
wurde 2001 – nach mehr als 60 Jahren – die neue Synagoge eingeweiht. Die
dritten Preisträger des 1997 international ausgelobten Architektenwettbewerbs,
das Architekturbüro Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch aus Saarbrücken, wurden mit der Realisierung beauftragt. Sie knüpften an demselben Ort an, an dem
1833 Gottfried Semper die erste Synagoge errichtet hatte: am Ende der Brühlschen Terrassen.
Ein Sakralbau mit in sich nach Osten gedrehtem Kubus – die Gebetsrichtung
nach Jerusalem. Die gewählte Würfelform orientiert sich an den ersten Tempeln
der Israeliten, knüpft so an ursprüngliche Rituale und traditionelle Symbole an.
Auf Fenster wurde verzichtet, da sie die monumentale Wirkung der Wandflä-
Führungen unter:
Jüdische Gemeinde zu Dresden
Synagoge
Hasenberg 1
01067 Dresden
Telefon 0351/65 60 70
chen zerstören würden, vielleicht auch um nicht ein zweites Mal Glasscheiben
klirren zu hören. Die 34 Schichten aus Formsteinmauerwerk des 24 m hohen
Gotteshauses drehen sich schraubenförmig nach oben bis sie die exakte Ausrichtung nach Osten erreicht haben. Deren Reiz liegt gerade in jener eleganten
Drehung und der feinen Stufung der Quaderblöcke. Nichts Verspieltes, Dekorierendes findet man an diesem ernsten, konzentrierten Bau, der ganz der inneren
Sammlung dient. Wie ein Bollwerk steht der blockhafte Bau an den vorbeirauschenden Verkehrsströmen und setzt auf Entschleunigung, Besinnung und introvertierte, in sich gekehrte Meditation. Architektur gegen die Hast.
Die provokante äußere Glätte der monochromen profillosen Fassade entspricht
ganz dem heutigen architektonischen Zeitgeist und besteht aus massivem Formstein mit Sandsteincharakter, analog der Klagemauer Jerusalem. Das Eingangstor ist eine zweiflüglige Holztür von 2,2 Meter Breite und 5,5 Meter Höhe. Der
vergoldete Davidstern, das einzige gerettete Originalstück der Sempersynagoge, wurde direkt über den Türflügeln angebracht. Der Dresdner Feuerwehrmann Alfred Neugebauer rettete ihn nach der Progromnacht. Über dem Tor steht
außerdem in goldenen hebräischen Lettern die Inschrift der alten Sempersyn-
Auszeichnung:
Beste Europäische Architektur 2002
Neben der Mediathek in Lyon von Perrault
wurde die Synagoge von Wandel Hoefer
Lorch+Hirsch als beste europäische Architektur
2002 ausgezeichnet.
Lohnende Lektüre:
www.zeit.de/2001/46/200146_synagoge.xml
www.das-neue-dresden.de/synagoge.html
Synagoge Dresden – Architektur des 20. Jahrhunderts von Wandel, Lorch und Hirsch 2001
agoge: „Mein Haus sei ein Haus der Andacht allen Völkern“.
Alle erforderlichen Elemente eines jüdischen Gottesdienstes finden sich in der
neuen Synagoge wieder. Der Thoraschrein, das Lesepult, das ewige Licht, sowie natürlich Sitzreihen und Empore, alles umschlossen von einem symbolischen
Stiftszelt aus Metallgeflecht. Gerade dieser festliche, golden flirrende Vorhang,
der die betende Gemeinde wie ein schützendes Tuch umschließt, birgt eine
wunderschön lyrische Poesie. Er symbolisiert zudem das Flexible, Aufbrechende
des Judentums, während der steinerne Tempel an sich das ewig Währende, Unauslöschliche des jüdischen Glaubens zum Ausdruck bringt.
Verlässt man das Gotteshaus gelangt man über den Baum bestandenen Innenhof zum Gemeindehaus. Dieser 1400 qm große 3-geschossige Funktionalbau
mit Foyer dient als Mehrzweckgebäude für die Jüdische Gemeinde Dresden und
als Haus der Begegnung mit dem Judentum. Im Gemeindesaal finden Veranstaltungen und Konzerte für ca. 300 Gäste statt. 39 Fenster schaffen eine helle,
freundliche Atmosphäre. Eine Bibliothek, Verwaltungsräume, ein Sitzungszimmer
und Schulungsräume sowie das Arbeitszimmer des Rabbiners sind in den zwei
Obergeschossen untergebracht. Die Gemeinderäume sind durch die zum Hof
geöffnete Glasfront von Nordlicht durchflutet. Die edel zurückhaltende, aber äußerst solid handwerkliche Ausstattung wurde in den traditionsreichen Deutschen
Werkstätten Hellerau angefertigt.
35
Hotel Westin Bellevue Dresden
Große Meißner Straße 15
Architekten: George Bähr, 1724,
Takeshi Inoue (Kajima Corp. Tokyo), 1985
Ausschlaggebend für die Namensfindung „Bellevue“ war die Lage mit dem
„Canaletto-Blick“ und die Tradition eines zerstörten Hotels am gegenüberliegenden Ufer. Der Entwurf wurde unter der Maßgabe realisiert, die auf dem Grundstück vorhandene barocke Bausubstanz zu erhalten: das ehemalige Wohn-,
Brau- und Malzhaus ist das letzte Zeugnis einer geschlossenen, zumeist in das
18. Jahrhundert zurückreichende Bürgerhausbebauung, die sich bis zu ihrem
Abriss 1950 an dieser Straße entlang zog. Nach NW und SO schließt sich
der Neubautrakt des Hotelkomplexes an. Offenkundig hat man sich an der Proportionierung des Bürgerhauses orientiert, ihm entsprechende Traufhöhe und
Neigung des Kupfer gedeckten Mansarddaches, ebenso die Gliederung der
Achsen und Geschosse. Indem das Projekt von einer japanischen Firma verwirklicht wurde, versuchte man, einen internationalen Standard in der Tourismusbranche zu bedienen.
Hotelinformation:
Direkt im Zentrum, inmitten malerischer Gärten
am Elbufer gelegen, bietet das Westin Bellevue
Dresden seinen Gästen höchsten Komfort. Durch
seine exponierte Lage präsentiert es den berühmten „Canaletto-Blick“ auf Dresdens Silhouette,
den einst der Maler Bernardo Bellotto auf seinen
Bildern verewigte. Die Bellevuegärten und die
Terrassen mit herrlicher Aussicht auf Frauenkirche
und Semperoper laden zum Verweilen ein. Das
„Canaletto“ ist eines der ersten Adressen für
Gourmets in Dresden.
Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, 1722–
80, ein venezianischer Maler, der für seine realistischen Veduten europäischer Städte (insbesondere Dresden, Wien, Turin und Warschau) bekannt ist: „Die Elbe bei Dresden“
36
Waldschlösschenbrücke
Dresden baut und baut und baut
Der Welterbe-Titel ist futsch – darin sind sich die Dresdner Stadtoberen einig.
Und in noch einem Punkt stimmen sie überein: Die Waldschlösschenbrücke wird
gebaut – selbst wenn die sächsische Hauptstadt dasselbe Schicksal ereilen
sollte wie das Sultanat Oman.
Dresden/Hamburg – „Ich bin erschüttert“ – so kommentierte die künftige Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) den Beschluss der UNESCO zur
Waldschlösschenbrücke. Die Entscheidung sei „vollkommen unverständlich und
ungerechtfertigt“. Faktisch bedeute sie eine Aberkennung des Welterbe-Titels.
Quelle:
SPIEGEL ONLINE 2008
Die UNESCO hatte zuvor im kanadischen Québec entschieden, dass Dresden
den Weltkulturerbe-Titel für das Elbtal behalten darf – aber nur vorerst für ein
Jahr. Denn die Stadt bleibt auf der Roten Liste der gefährdeten Kulturlandschaften. Nach dem Willen der UNESCO können nur ein Baustopp und der Rückbau der Waldschlösschenbrücke den Erhalt des Titels bewirken.
Die geplante vierspurige Brücke über die Elbe, deren Bau im vergangenem November begonnen hat, verschandelt nach Ansicht der UNESCO den einzigartigen Blick auf die barocke Altstadt mit der Frauenkirche, der Semperoper und
der prachtvollen Uferpromenade. Die Stadt steht deswegen schon seit 2006
auf der Roten Liste. Gegen den Bau eines Tunnels hat das Gremium dagegen
keine Bedenken.
So ein Tunnel hat allerdings nach derzeitigem Stand wenig Chancen. Denn
trotz ihrer Bestürzung machte die künftige Dresdner Oberbürgermeisterin klar,
dass die Brücke weitergebaut wird: „Es gibt keine andere Alternative, niemand
wird glauben, dass wir eine halbfertige Brücke zurückbauen“, sagte Orosz.
Auch der noch amtierende Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) sieht kaum
Chancen für den Erhalt des Welterbetitels. Zwar respektiere er die Entscheidung
der UNESCO, doch müsse diese sich „auch die Frage gefallen lassen, warum
sie keinen realistischen Weg für Dresden aufgezeigt hat“, sagte Vogel. Was
bleibe, sei eine „weitere Hängepartie für ein Jahr“.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in eben dieser Galgenfrist jedoch
eine Chance. „Damit ist Zeit gewonnen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg. Nun könne man ein Jahr lang noch einmal sehr intensiv
die unterschiedlichen Belange prüfen. Es handele sich nicht um eine Denkpause, sondern um eine „Pause zum Denken“. Falls gewünscht, werde sich die Bundesregierung einer Lösung bei der Konsenssuche nicht verweigern, betonte
Steg.
Auch der Deutsche Kulturrat begrüßte die Entscheidung. Der Spitzenverband der
Bundeskulturverbände sprach von einer allerletzten Chance. Zugleich rief er die
Verantwortlichen dazu auf, das Warnsignal ernst zu nehmen und endlich mit
der UNESCO über tragfähige Alternativen zu sprechen.
„Die Streichung des Welterbetitels wäre nicht nur für die Stadt, sondern auch für
das ganze Land eine große, schwer hinnehmbare Blamage“, erklärte Geschäftsführer Olaf Zimmermann.
Unrecht hat er damit nicht: Dresden wäre erst die zweite Stätte weltweit, die
aus der Liste gestrichen würde. Erstmals hatte die UNESCO im Jahr 2007 einem Naturschutzgebiet den Titel wieder aberkannt – im arabischen Oman.
Die „Kleine Hufeisennase“: Die Fledermaus hatte
im Sommer 2007 – vier Tage vor dem geplanten Baubeginn – die ersten Arbeiten zur umstrittenen Waldschlösschenbrücke durch das UNESCO-Welterbe Dresdner Elbtal vorerst gestoppt
Ausführliche Informationen zur Umplanung der
Waldschlösschenbrücke finden Sie unter:
www.dresden.de/waldschloesschenbruecke
38
Schoss Eckberg (Villa Souchay)
Bautzner Straße 134
Architekt: Christian Friedrich Arnold, 1859–61
Die Villa Souchay, wegen ihrer Lage auf dem Bergvorsprung zwischen Mordgrund und Elbe Schloß Eckberg genannt, wurde vom Semper-Schüler C.F.
Arnold für den englischen Kaufmann Johann D. Souchay im neugotischen Stil errichtet, wobei der felsige Baugrund am Steilhang des Waldberges für diese aufstrebenden Bauformen wunderbar geeignet war. Arnoldt war nach ausgedehnten Studienreisen durch viele Länder Europas nach seiner Rückkehr nach Dresden bis 1885 als Professor der Baukunst an der Dresdner Kunst-Akademie tätig.
Er war an zahlreichen Kirchenbauten in Sachsen beteiligt. Seine bekanntesten
Dresdner Werke sind die ehemalige Kreuzschule und der nach seinen Plänen
ausgeführte Umbau der Sophienkirche.
Mit malerischen Durchblicken und einer einzigartigen Gartengestaltung war die
Villa beispielhaft für die Spätromantik. In der Art eines englischen Herrschaftssitzes gebaut, ist sie das bedeutendste Zeugnis dieser Art im Dresdner Raum und
ein Höhepunkt der von Arnold geprägten Neugotik. Das aus sächsischem Sand-
stein über asymmetrischem Grundriss errichtete Schloss wird durch einen Hauptturm und zwei Nebentürme akzentuiert. Die einzelnen Baukörper wirken additiv
aneinandergefügt, werden aber durch Balustradenbekrönung, gleiche Untergeschoßhöhe und einheitliche Formensprache, die sich auch in der Innengestaltung spiegelt, verbunden. Die gesamte innere Ausstattung entspricht völlig dem
für das Haus gewählten Baustil. Fußböden, Wandverkleidungen und Türen sind
aus Holz hergestellt, einige Decken wurden in Stuck gearbeitet. Auch die damaligen Möbel sind nach Entwürfen Arnoldts nach mittelalterlichen Stilmotiven gearbeitet worden. Die Parkanlagen wurden von dem Gartenbauarchitekten H.S.
Neumann entworfen. Der Großteil des 15 ha großen Geländes trägt natürlichen Laubwaldcharakter, während die Anlage um den Hauptbau bewusst dem
Tudorstil angepasst ist.
1925 übernahm der Dresdner Großindustrielle Dr. Ottomar Heinsius von
Mayenburg, Besitzer der Leo-Werke, Schloss und Park. Die Innenräume des
Obergeschosses wurden nach den Plänen seines Bruders, des Architekten von
Mayenburg, zeitgemäß erneuert, wobei der Stilcharakter des unteren Bereiches
vollständig bewahrt blieb. 1932 starb von Mayenburg, seine Witwe bewohnte
das Haus noch bis 1947. Während der DDR-Zeit wurde das Schloss vorwiegend für Aktivitäten der Gewerkschaft, als Jugendbegegnungsstätte und ähnlichem genutzt. Nach der Wende ging es zurück in den Besitz der Familie von
Mayenburg, die es aber verkaufte, so dass es heute im Besitz der ARGENTAUnternehmensgruppe München ist, die es nach umfassender Restaurierung und
Sanierung seit 1997 als Luxushotel nutzt.
Quellen:
Architekturführer Dresden, Dietrich Reimer Verlag, Berlin
www.schloss-eckberg.de
40
Tag 2
Zeitplan Freitag, 26.09.08
08.00 Uhr Frühstück
09.00 Uhr Abfahrt zur TU Dresden
09.15 Uhr Vortrag an der TU Dresden mit Besichtigung der frei geformten
Ziegelschale
Vortrag + Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider
mit Bus
Mommsenstraße 6
10.30 Uhr Besichtigung TU Gebäude
Architekten: Karl Weißbach, Oskar Kramer, Martin Dulfers
Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider
George-Bähr-Straße1 + 3c, Münchner Platz 1–3, Mommsenstraße 6
11.00 Uhr Weiterfahrt zur TU-Bibliothek mit Bus
11.15 Uhr Besichtigung der SLUB
Architekten: Ortner + Ortner
Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider
mit Bus
Zellescher Weg 18
11.45 Uhr Weiterfahrt nach Dresden-Albertstadt
12.00 Uhr Besichtigung der Baustelle des Militärhistorischen Museums
Architekt: Daniel Libeskind
Führung: Dipl.-Ing. Arch. Jörg Scholich, SIB
mit Bus
Olbrichtplatz
13.00 Uhr Weiterfahrt nach Dresden-Hellerau
13.15 Uhr Mittagessen im Restaurant Schmidt´s in Hellerau
Architekt: Richard Riemerschmid
mit Bus
Moritzburger Weg 67
15.00 Uhr Besichtigung Hellerau
Architekten: R. Riemerschmid, H. Tessenow, H. Muthesius
Führung: Dipl.-Ing. Arch. Clemens Galonska
Gartenstadt und Festspielhaus etc.
Moritzburger Weg 67
17.00 Uhr Weiterfahrt zum Sächsischen Landtag
17.30 Uhr Spaziergang
• Sächsischer Landtag, Architekten: Barthold + Tiede, 1928–31,
Peter Kulka, 1991–94
• Zwinger, Architekt: Matthäus Daniel Pöppelmann
• Semperoper, Architekt: Gottfried Semper
• Lipsiusbau, Ausstellungsgebäude an der Brühl´schen Terrasse,
Kunstakademie, Architekten: Constantin Lipsius,
Führung: Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule
Nürnberg
mit Bus
Bernhard-von-Lindenau-Platz/Ostra-Allee/Terrassenufer/Theaterplatz/Brühl´sche Terrasse
18.45 Uhr Rückkehr zum Hotel zu Fuß
19.00 Uhr Pause im Hotel Westin Bellevue Dresden
Große Meißner Straße 15, 01097 Dresden
19.30 Uhr Fahrt zum Restaurant Villa Marie beim Blauen Wunder
20.00 Uhr Stehempfang und Abendessen im Restaurant Villa Marie
mit Bus
Fährgässchen 1, 01309 Dresden, Telefon 0351/31 54 40
23.30 Uhr Busfahrt zum Hotel mit Bus
mit Bus
42
Frei geformte Mauerschale
Forschungsprojekt der Fakultät Architektur der TU Dresden
Lehrstuhl Hochbaukonstruktion und Gebäudeerhaltung:
Prof. Dipl.-Ing. Arch. C. Schulten
Lehrstuhl Tragwerksplanung: Prof. Dr.-Ing. W. Jäger
Betreuer: W. Kurtz, F. Schneider und D. Wendland, 2003–06
Eine frei geformte Schalenkonstruktion demonstriert die Möglichkeiten des Mauerwerks jenseits
von senkrechten ebenen Bauelementen. Die
Form wurde in skulpturalen Arbeitstechniken entwickelt und auf Basis einer numerischen Modellierung so optimiert, dass sie standfest ist. Durch
die Umsetzung in studentischen Seminaren wurde das Ob und Wie der praktischen Realisierbarkeit ausgelotet und bestätigt.
Das Projekt zeigt die Formbarkeit von Mauerwerk auch im Rahmen der allgemeinen technischen Anforderungen an Mauerwerksbau, und
die Wege, wie sich dies erreichen lässt. Dabei
erweist sich auch die Machbarkeit geometrisch
komplexer Schalenkonstruktionen aus Mauerwerk. Eine weitere Besonderheit liegt in dem Ansatz, mithilfe moderner Informationstechnik wie in
einem industriellen Prozess einen direkten Informationsfluss von der Planung zur Fertigung zu
etablieren.
Ein großer Vorteil des Mauerwerks beim Bau von Schalenkonstruktionen ist die
Möglichkeit, doppelt gekrümmte Flächen zu realisieren, und dabei sogar auf
eine vollflächige Schalung zu verzichten. Ein Blick in die Architekturgeschichte
zeigt zahlreiche Beispiele geschwungener, einfach oder doppelt gekrümmter
Mauerwerksflächen, insbesondere Gewölbe mit geometrisch komplexen Formen, die mitunter sogar in Sichtmauerwerk ausgeführt sind. Überdies ist bekannt, dass gemauerte Gewölbe in vielen Fällen freihändig errichtet werden
konnten.
Im Mauerwerksbau geht derzeit die Tendenz jedoch hin zu großformatigen Elementen und dünnen Fugen, mit denen sich ohne weiteres nur ebene Wandflächen herstellen lassen. Die Möglichkeit, gekrümmte Flächen zu erzeugen, tritt in
den Hintergrund, und damit ein Charakteristikum des Mauerwerks.
Die experimentelle Schalenkonstruktion an der TU Dresden demonstriert nun ein
weiteres Mal das Potenzial dieser faszinierenden „anderen Seite“ des Mauerwerksbaus. Sie zeigt die Machbarkeit einer geometrisch komplexen Form, die
sich obendrein als Schale selbst trägt, unter Verwendung gängiger Materialien,
entsprechend der Regeln für einen korrekten Mauerverband und im Rahmen geltender Normen.
Bei dem kleinen Gebäude auf dem Campus der Universität handelt es sich um
eine Schale aus unbewehrtem Mauerwerk mit einem Randträger aus bewehrtem
Mauerwerk. Die Abmessungen sind ca. 5,50 auf 4,50 m (Letzteres ist die größte freie Spannweite); die Schalendicke beträgt 11,5 cm, also einen Halbstein.
Als Mauerziegel wurden Klinker im Dünnformat verwendet, als Mörtel diente
Trasskalkmörtel. Für die Randträger der Schale wurde ein Konstruktionsdetail zur
Bewehrung des Mauerwerks quer zur Lagerfuge entwickelt; ihre Bewehrung besteht aus Fiberglas-Stäben. Statt auf einer vollflächigen Schalung wurde die
Schale über einem Lehrgerüst errichtet, das in einem Raster von 60 cm gitterförmig das Mauerwerk unterstützte und die Form vorgab; dieses wurde aus Sperrholzplatten hergestellt. Das Fundament ist eine einfache Betonplatte.
Reverse Geometric Engineering
Die Form der Mauerschale entstand im Wechsel von physischen und digitalen
Modellen, wodurch die Vorteile beider Werkzeuge miteinander verbunden werden konnten. Der Formenreichtum, der sich bei der skulpturalen Arbeitsweise am
physischen Modell erschließt, ist unvergleichlich; zudem ist das physische Modell besonders gut geeignet für die genaue und sichere intuitive Kontrolle der
Form, weil es sich als Objekt im Raum unmittelbar der Wahrnehmung erschließt.
Andererseits kann nur ein CAD-Modell eine exakte Formbeschreibung für den
Entwurfs- und Herstellungsprozess liefern; es ermöglicht den durchgehenden Informationsfluss über alle Phasen der Planung bis zur Ausführung, und die numerische Modellierung des Tragverhaltens kann nur an diesem vorgenommen werden.
Eine wesentliche Aufgabe lag somit in der Integration dieser verschiedenen Ebenen in einen durchgehenden Entwurfsprozess – dies wurde durch den Einsatz
moderner Informationstechnik ermöglicht. Insbesondere ergab sich immer wieder die kritische Aufgabe, die Form des physischen Modells in ein CAD-Modell
zu übertragen, indem diese basierend auf der Vermessung der Modelle am
Rechner nachmodelliert wurde – ein Vorgang, der als „reverse geometric engineering“ bezeichnet wird. Dieses Verfahren ist durchaus anspruchsvoll, denn
wie erwähnt ist die Form weitaus komplexer, als dies bei einer von vornherein
innerhalb der CAD-Umgebung entwickelten Form der Fall wäre; insbesondere
stellt die Software für die numerische Modellierung besondere Anforderungen
an das CAD-Modell.
44
Freie Form und stabile Schalenform
Ein weiterer Aspekt des Projekts ist die Frage eines Entwurfsprozesses für Schalenkonstruktionen, der trotz des engen Zusammenhangs zwischen Form und
Tragverhalten den Architekten in die Lage versetzen kann, die Form solcher Konstruktionen zu bestimmen, und zugleich die aktuelle Architekturdiskussion reflektiert. Insbesondere wurde die Möglichkeit untersucht, eine Form zu finden, die in
Bezug auf das Tragverhalten angemessen ist, ohne dabei von vornherein an eine optimale Schalenform gebunden zu sein.
Die in diesem Projekt formulierte Position ist insofern auch als Beitrag dazu intendiert, die Rolle von Schalenkonstruktionen im architektonischen Repertoire zu revidieren. Offenbar lassen sich durch die Verwendung moderner Informationstechnik die Möglichkeiten des Schalenbaus aus architektonischer Sicht wesentlich erweitern.
Zwischen dem Ansatz einer formoptimierte Konstruktion einerseits, bei der die
Schalenform entsprechend dem Gleichgewichtszustand innerhalb der Konstruktion entwickelt wird, und andererseits der traditionellen biegesteifen Konstruktion, bei der die Form für das Tragverhalten eine untergeordnete Rolle spielt,
wurde bei diesem Projekt ein „dritter Weg“ versucht. Dazu wurde die Form
zwar grundsätzlich ausgehend von den ästhetischen Qualitäten entwickelt, dabei aber immer wieder mit der Stabilitätsfigur unter ähnlichen Randbedingungen
verglichen, was mithilfe einfacher Hängemodelle erfolgte.
Das Ziel, die Form dahingehend zu entwickeln, daß ein Standsicherheitsnachweis möglich war, wurde allerdings erst mithilfe der numerischen Modellierung
erreicht. Dabei wurde das Tragverhalten der am Modell entwickelten Form untersucht und schrittweise durch geringfügige Änderungen der Form verbessert.
Das Ergebnis dieses Prozesses wurde erneut in ein physisches Modell übertragen, an dem auch die letzten Modifikationen vorgenommen wurden. Das letzte
Wort zur Form des Bauwerks wurde somit am physischen Modell gesprochen.
Dadurch konnte gesichert werden, daß die Qualitäten, die im Formfindungsprozess am Modell entstanden waren, auch im ausgeführten Bau erhalten bleiben
würden. Unbeabsichtigte Veränderungen an der Form im Verlauf der weiteren
Planung konnten sicher ausgeschlossen werden, und insbesondere die Modifikationen, die vor allem zur Verbesserung des Tragverhaltens sinnvoll waren, immer endgültig auf ihre plastisch-räumliche Qualität und die Übereinstimmung mit
den ursprünglichen Intentionen überprüft werden.
Realisierung der freien Form in Mauerwerk
Das Lehrgerüst wurde aus hölzernen Schalungsplatten hergestellt, die mithilfe
der aus dem CAD-Modell generierten Schnittkurven zugeschnitten wurden; dazwischen konnten die Mauerschichten in den meisten Fällen freihändig gesetzt
werden. Hierfür, sowie für die Anlage eines regelmäßigen Mauerverbandes,
konnte auf die traditionelle Technik des Gewölbebau zurückgegriffen werden.
Bei Anfertigung des Lehrgerüsts, Formkontrolle und Definition der Geometrie der
Mauerschichten konnte eine durchgehende Prozesskette vom CAD-Modell bis
zur Fertigung etabliert, und damit auch rationell gearbeitet werden. Diese Kette
endete jedoch beim Versetzen der Ziegel, einschließlich des erforderlichen Zuschnitts an den Enden der Mauerschichten. Nur zur Formkontrolle wäre hier ein
weiterer Einsatz moderner Informationstechnologie noch hilfreich gewesen.
Das Mauern musste von Hand erfolgen; besonders mühsam war dabei die Herstellung der steil ansteigenden Mauerschichten, bei denen die frischen Stoßfugen stark gepresst wurden und daher mit Keilen gestützt werden mussten. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Formkontrolle mussten an einigen Stellen
auch bereits gesetzte Schichten wieder abgetragen und erneut gemauert werden. Überhaupt stellt das Mauern einer gekrümmten Fläche in Sichtmauerwerk
allerhöchste Anforderungen an das räumliche Vorstellungsvermögen und die
handwerkliche Geschicklichkeit der Ausführenden, und das freihändige Mauern
Sponsoren/Materialspenden
Wienerberger Ziegelindustrie -– Ziegel
quick-mix Leipzig GmbH & Co.KG – Mörtel
PERI GmbH – Holz- und Spanplatten
Schöck Bauteile GmbH – Bewehrung
Thyssen-Krupp – Arbeitsgerüst
Kontakt: [email protected]
Literatur:
Nejati, M., J. Hoffmann und D. Wendland: Report on the structural modelling of the masonry
shell „Space of Tranquillity“ (Arbeitsbericht).
TU Dresden, Lehrstuhl Tragwerksplanung 2005
Schneider, F.: Die Mauerschale (Seminararbeit).
TU Dresden, Lehrstuhl Baukonstruktion und Gebäudeerhaltung 2006
Wendland, D.: Model-based formfinding processes: 'Free forms' in structural and architectural
design
http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/
2001/761/
Wendland, D., W. Jäger, und C. Schulten:
Experimenteller Bau einer frei geformten Mauerwerksschale. Mauerwerk 2007, H. 4,
S. 178–185
Wendland, D.: Experimental Construction of a
Free-Form Shell Structure in Masonry. In Proceedings IASS Symposium "Shell and Spatial Structures: Structural Architecture – Towards the future
looking to the past", Venezia 2007
Wendland, D.: Lassaulx und der Gewölbebau
mit selbsttragenden Mauerschichten. Neumittelalterliche Architektur um 1825–48. Petersberg:
M. Imhof, 2008 (im Druck)
der stark geneigten Schichten im Scheitelbereich erfordert besonderes Können.
Diese Fähigkeiten ließen sich entwickeln: die angehenden Architekten haben
sehr gut gemauert, aber der Aufwand an Arbeitszeit war hoch.
Unter dem Gesichtspunkt der aufgewendeten Arbeitszeit wären Überlegungen
zur Möglichkeit der Fortsetzung der Prozesskette bis zur Fertigung des Mauerwerks durchaus von Interesse, etwa im Sinne einer automatisierten Fertigung. Allerdings hätte eine Vorfertigung im Werk keine Vorteile gebracht, sofern diese
ebenfalls manuell erfolgt wäre. Aber vielleicht ist die Rationalisierung der Arbeitszeit auch nicht unbedingt ohne Alternative: es hat durchaus seinen Charme,
die Möglichkeiten der Technik dort anzuwenden, wo sie von außerordentlichem
Nutzen sind, wie bei den beschriebenen wesentlichen Stadien des Planungsund Verifizierungsprozesses und bei der Formkontrolle, insbesondere dem kontinuierlichen Informationsfluss zwischen den verschiedenen Stadien – und dann
virtuos auf „alte“ Werte zu setzen: menschliche Kreativität, Sensibilität, Geschicklichkeit und solides Handwerk.
Learning by doing
Das Projekt wurde in einer Reihe von Lehrveranstaltungen gemeinsam entwickelt
und realisiert: Architekturstudenten haben die Schale entworfen, die Form und
konstruktive Ausbildung entwickelt, und sie auch schließlich selbst gemauert.
Initiiert wurde das Projekt während des „International Short Course on Architectural and Structural Design of Masonry“, der 2003 an der Architekturfakultät der
TU Dresden als Teil des vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst geförderten Projekts „Traditional and Innovative Structures in Architecture“ (IQN) am Lehrstuhl Tragwerksplanung durchgeführt wurde.
47
Beteiligte
Teilnehmer
Beatriz Aybar Romero, Eugen Böhmer, Neus García, Gundula Frauer, Ina
Haase, René Heda, Marcus Kistner, Hartmut Kutschale, Georg Lindenkreuz,
Jörg Möser, Florian Schneider, Ulrike Schinkel, Jan Schrader, Christian Schulz,
Benjamin Sonntag, Tanja Stock, Eva Trebin
Baupraktikum
Ronald Dienel, Daniel Eckert, Daniel Fritz, Carina Fürstenau, Susanne Häbold,
Maximilian Hansen, Lissy Hegewald, Mandy Hermann, Max Kreisch, Albrecht
Linke, Conrad Lohmann, Marie Löwenherz, Nico Mieth, Alexander Peinelt,
Jenny Poldrack, Sven Seidel, Tilmann Steger, Kristin Tröger, Stefanie Uhlig,
Doreen Ulbricht, Thomas Werner, Thomas Weise, Michael Wicke
Statik und numerische Modellierung am Lehrstuhl Tragwerksplanung TU Dresden:
Prof. Wolfram Jäger, Mahmoud Nejati, Torsten Pflücke, Jens Hofmann, Lukasz
Drobiec.
Die Modellvermessung wurde teilweise am Institut für Produktionstechik, TU
Dresden, durchgeführt.
Ein besonderer Dank gebührt Maurermeister Hans-Albrecht Gasch für die von
ihm gegebene Einweisung in die Kunst des Mauerns.
Karl Robert Weißbach wurde am 8. April 1841
in Dresden geboren und starb ebenda am 8. Juli
1905. Nach dem Besuch der Realschule absolvierte er eine Lehre im Bauhandwerk und besuchte parallel dazu die Baugewerkschule. Danach
arbeitete er zunächst im Atelier des Dresdener
Hofbaumeisters Krüger. Daran schloss sich ein
Studium an der Kunstakademie in Dresden bei
Prof. Hermann Nicolai an. 1863 erhielt er dort
als Auszeichnung ein akademisches Reisestipendium, das er für eine Italienreise nutzte, auf der
vor allem die Bauwerke der italienischen Renaissance studierte. Durch seine Mitarbeit an der
von Adolf Gnauth und Heinrich von Förster herausgegebenen Publikation „Die Bauwerke der
Renaissance in Toskana“ war es ihm möglich,
den Italienaufenthalt zu verlängern.
Erst 1866 kehrte er nach Dresden zurück und arbeitete als Bauführer (Bauleiter) für seinen Lehrer
Hermann Nicolai, so z.B. beim Bau der viel beachteten „Villa Meyer“ in Dresden (1867/68).
Schließlich wurde Weißbach 1869 selbst Professor an der Kunstakademie; diese Stellung und
das mit ihr verbundene Prestige gab er jedoch
auf, als das sächsische Kultusministerium nach einigen Jahren der Akademie einen Lehrplan vorschrieb, mit dem er nicht einverstanden war.
1875 wurde er dann als Lehrer an der Hochbauabteilung des Königlichen Polytechnikums in
Dresden tätig, aus dem später die Technische
Hochschule Dresden hervorging. Neben seiner
vielfältigen Lehrtätigkeit und einigen offiziellen
Bauaufgaben arbeitete er nebenbei auch in
selbstständiger Berufsausübung, so zwischen
1884 und 1891 in Gemeinschaft mit dem Architekten Barth, einem ehemaligen Schüler. In
Weißbachs „privatem“ Atelier arbeiteten zeitweise auch einige später bekannt gewordene
Architekten, z.B. Georg Weidenbach (*1853),
Rudolf Schilling (*1859) und Kurt Diestel
(*1862). Einer seiner Schüler war Oswin
Hempel.
Das vierflügelige Gebäude gehört zum Komplex der ehem. Mechanischen Abteilung, welche zur Erweiterung der Technischen Hochschule am Beginn des
Jahrhunderts von Weißbach, Professor für Architektur, errichtet wurde. Im heutigen Zeuner-Bau war das Hauptgebäude, im Berndt-Bau (Helmholtzstraße 7) die
Mechanisch-Technische Versuchsanstalt und im Görges-Bau (Helmholtzstraße 9)
das Elektrotechnische Institut untergebracht. Außerdem gehörten zwei Maschinenlaboratorien und ein Elektrizitätswerk zu dem Ensemble. Der Zeuner-Bau ist
wie die anderen Gebäude mit Ziegel verkleidet. Sandsteinerne Sockel, Fensterund Türgewände – die im Krieg zerstörten wurden nicht ersetzt – gliedern die
Fassade. Die Formen des monumentalen Gebäudes sind leicht historisierend.
1930 wurde ein großer Hörsaal eingebaut und nach 1945 stockte man die
Trakte zwischen den vorspringenden Eckrisaliten um ein Geschoss auf.
49
Georg-Schumann-Bau der TU Dresden
Münchner Platz 1–3
Architekten: Oskar Kramer, 1902–07,
O. Schubert, G. Münter, 1957–61
Das ehemalige Landgericht mit Untersuchungshaftanstalt besaß mit seinem
Hauptgebäude und vier Flügeln einen kreuzförmigen Grundriss. Nachdem es
1945 z.T. zerstört worden war, wurde es für die TH umgebaut. Das neuromanische Hauptgebäude am Münchner Platz wirkt burgartig, doch einzelne Elemente erinnern an den Jugendstil. Der Südflügel, heute Hülsse-Bau, wurde vollkommen umgestaltet. Dabei gab man die Zellenstruktur auf, um Hör- und Zeichensäle einzurichten. Das Kernstück der inneren Erschließung bildet die im Kreuzungspunkt der vier Flügel errichtete Haupttreppenanlage, welche durch einen
gläsernen Dachaufbau belichtet wird. Die Treppenspindel, eine Stahlbetonkonstruktion, wird von acht Säulen getragen. Im inneren Kreis sind zwei gegeneinander versetzte, aber parallele Wendeltreppen wirkungsvoll von Geschoss zu
Geschoss geführt.
50
Beyer-Bau der TU Dresden
George-Bähr-Straße 1
Architekt: Martin Dülfer, 1910–13
Der Beyer-Bau ist neben den chemischen Instituten das einzige Gebäude, welches von Dülfers „Hochschulstadt“ zur Ausführung kam. Mit ihrer Klinkerfassade
orientierte sich die ehem. Bauingenieur-Abteilung an den älteren Instituten Karl
Weißbachs. Ornamentartig vorkragende Ziegel und farbig gefasste Sandsteinund Sichtbetonflächen beleben das Äußere. Die abgewalmten Dächer und
leicht gewölbten Flacherker sind dem norddeutschen Landhausbau entnommen.
Der östliche Hauptblock umschließt zwei Innenhöfe, während der Flügelbau
schmaler ausgebildet ist. Den Observatoriumsturm gliederte Dülfer mit Lisenen
und verzichtete auf eine Verblendung. Karl-Wilhelm Ochs, der ihn wiederaufbaute, hob diesen Gegensatz zum Ziegelbau durch Putz und Glas noch stärker
hervor. Besonderer Wert wurde auf die Gestaltung der Innenräume gelegt.
Sichtbeton und dunkles Holz sowie die von Dülfer entworfenen Lampen schufen
eine sachliche Atmosphäre.
Martin Dülfer wurde 1859 in Breslau geboren. Er studierte von 1877–79 an
der TH Hannover und von 1879–80 an der TH Stuttgart. Nach dem Militärdienst 1880/81 arbeitete Dülfer in dem Berliner Architekturbüro von Heinrich
Kayser und Karl von Großheim, später in Breslau im Büro „Brost und Grosser“.
1885/86 vollendete er sein Studium an der TH München bei Friedrich von
Thiersch. Seine selbstständige Tätigkeit begann Dülfer 1887 in München, er
baute zunächst in der zeit- und regionaltypischen neobarocken Spielart des Historismus. Um 1900 wandte er sich dann dem Jugendstil zu, dessen florales,
geometrisches und texturales Repertoire er mit barocken und klassizistischen Stilelementen zu einem individuell geprägten, barockisierenden Jugendstil verband.
Es entstanden Fassadenentwürfe, Geschosswohnungsbauten, Geschäftshäuser
und Villen für das gehobene Bürgertum.
51
Fritz-Foerster-Bau der TU Dresden
Mommsenstraße 6
Architekt: Martin Dülfer, 1917–26
1902 erhielt Dülfer den Ehrentitel „Königlich Bayerischer Professor“. 1906 wurde er als Nachfolger von Karl Weißbach zum „ordentlichen Professor für das
Entwerfen von Hochbauten“ an die TH Dresden berufen. Ab 1912 war Dülfer
dort „Vorsteher“ der Hochbauabteilung, 1920–21 Rektor und unmittelbar danach zwei Jahre lang Prorektor der Hochschule. Er amtierte von 1908–12 als
Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA). 1913 verlieh ihm die TH
Dresden die Ehrendoktorwürde, eine zweite Ehrendoktorwürde erhielt er 1928
von der TH Berlin-Charlottenburg. 1929 wurde Dülfer an der Dresdener Hochschule emeritiert. Danach nahm die Öffentlichkeit erst wieder bei seinem 80.
Geburtstag (1939) von ihm Notiz; obwohl er einer Freimaurerloge angehört
hatte und dadurch eigentlich im Sinne der nationalsozialistischen Kulturpolitik als
„unzuverlässig“ galt, wurde ihm zu diesem Anlass die „Goethemedaille“ verliehen. Martin Dülfer starb Ende 1942, beim Luftangriff auf Dresden 1945 kam
seine Witwe Käte Dülfer ums Leben und auch der Nachlass Dülfers wurde dabei vernichtet.
Umbau des Fritz-Foerster Baus zum Hauptgebäude der Architektonischen Fakultät (bis 2007)
Thomas Will (Hg.): Der Fritz-Foerster-Bau als zukünftiges Domizil der Architekturfakultät der TU
Dresden, Dresden 2004, (Auszug)
„Errichtet als ein wichtiges Glied in der Kette der
von Dresdner Professoren geplanten Hochschulbauten, belegt der Fritz-Foerster-Bau beispielhaft
die städtebauliche und architektonische Entwicklung der TH in den 20er Jahren. Die CampusPlanung Dülfers von 1906–10 erfuhr nach dem
1. Weltkrieg mit dem Gebäude der Chemischen
Institute eine sehr reduzierte, sparsame Umsetzung, die insbesondere an der heute noch ablesbaren städtebaulichen Achse von der GeorgeBähr-Straße zum Haupteingang des Gebäudes
erkennbar ist. Stilistisch und bautypologisch ist
der Foersterbau ein Dokument der Auseinandersetzungen in der Hochschularchitektur der Weimarer Republik. Der Foersterbau steht hier als ein
Beispiel einer zwischen Reform und Bautradition,
zwischen Sachlichkeit und monumentalem künstlerischem Ausdruck vermittelnden Backsteinarchitektur, wie wir sie im niederländischen und
deutschen Expressionismus, etwa bei Fritz Höger,
finden, und wie Dülfer selbst sie bereits bei seinem Stadttheater in Lübeck (1906– 08) erprobt
hatte. Bei den Chemischen Instituten ist aber vor
allem – in finanziell bedingter einfacher Form –
die Bauweise der auf dem neuen Universitätsgelände bereits von Weißbach errichteten Hochschulgebäude, die sämtlich in Klinkern verkleidet
waren.“
Quellen:
www.das-neue-dresden.de/fritz-foerster-bau_tudresden.html
52
SLUB
Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden
Zellescher Weg 18
Architekt: Ortner&Ortner, 1999–2003
Mit der Zusammenführung der Sächsischen Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek entsteht eine Bibliothek von europäischer Bedeutung. Um die große
Baumasse in die parkähnliche Anlage des ehemaligen Sportplatzes möglichst
ohne Beeinträchtigung der weiteren Freiräume zu integrieren, sind die wesentlichen Funktionen zwischen zwei Riegeln auf die Untergeschosse verteilt. Nur die
zwei Natursteinquader mit Cafeteria, Magazin und Verwaltung ragen als klare
Kuben aus den Rasenflächen heraus, die von horizontalen Oberlichtern der unterirdischen Erschließungs- und Lesesaalbereiche wie Wasserbecken historischer
Schlossanlagen gegliedert wird. Der Eingang liegt unter einer Kolonnade der
Stirnseite des westlichen Baukörpers und nutzt den Halbkreis der ehemaligen
Laufbahn als vertieften Eingangshof. Das Foyer taucht den Besucher über eine
Treppe unter einem Oberlichtsaal in die unterirdische gediegene Welt von Säulenreihen, Galerien und Stegen bis hin in den zentral gelegenen Lesesaal. Dieser dreigeschossige, von oben belichtete Lesesaal ist das Herzstück des Entwurfs, um den herum sich sämtliche Funktionen anordnen.
Die Fassaden der zwei oberirdischen Gebäude sind mit Thüringer Travertin verkleidet. Unregelmäßige vertikale Nuten in den Natursteinplatten erinnern an
Buchrücken in den Regalen traditioneller Bibliotheken oder Strichcodes als mediale Form der Informationsspeicherung. Gemeinsam mit den schmalen durch
Silikon geschlossenen Fugen entsteht ein monolithisches Erscheinungsbild, das
für eine konventionell konstruierte vorgehängte Fassade ungewöhnlich ist.
Dieser strenge Bau ist eine Huldigung an die Rationalität, die die Architekten
aus der vorrangig intellektuellen Beschäftigung mit dem geschriebenen Wort ableiten. Emotionalität und Sinnlichkeit werden dagegen unterdrückt, um die angestrebte Konzentration auf eine dichte Arbeitsatmosphäre zu intensivieren. Sehr
schmale Fensterschlitze verhindern zudem eine mögliche Ablenkung durch zuviel
Wahrnehmung von Außenwelt, worunter u.a. die Mitarbeiter des hinteren Verwaltungsflügels zu leiden haben. Das Bunkerhafte der Architektur manifestiert
sich in den exorbitant hohen Energiekosten, die die künstliche Beleuchtung der
weitgehend unterirdischen Leseräume verursachen.
Eine gewisse Poesie stellt sich durch das Licht- und Schattenspiel der fein gefrästen Nuten zwischen den „Buchdeckeln“ ein. Doch die inhaltsleere „neutrale“
Textur erreicht durch die endlose Wiederholung des Themas keine wirkliche
Lebendigkeit. Der Blick kann nicht verweilen und gleitet an der monolithischen
Fassade ab. Die Abstraktion der äußerst strengen Form vermittelt lediglich den
Gedanken von Reduktion. Manch einer findet jedoch gerade das ansprechend
wie z.B. der Architekturkritiker Wolfgang Kil, der neben den funktionalen Vorzü-
gen besonders die „statuarische Ernsthaftigkeit“ preist. Im Vergleich zur neuen
Universitäts-Bibliothek in Magdeburg von Auer&Weber vermisst man jedoch,
gerade was die Funktionalität angeht, ein geräumiges, einladendes Foyer, welches zur Kommunikation ermuntert. Selbiges ist in Dresden zu niedrig und unkommunikativ geraten. Desgleichen die enge Cafeteria.
Diese im Äußeren betont sachlich-funktionale Architektur entbehrt eines wirklich
künstlerischen Gegengewichtes, welches der Auseinandersetzung mit dem Wort
ein Ziel, eine Richtung, eine ethische Richtschnur mitgeben würde. Jene bloße
Anbetung eines wissenschaftlich-technisches Zeitalters ohne eine humanistische
Verankerung birgt erneute Gefahr von sich verselbständigendem Forscherdrang.
Doch die Leere des Vorplatzes am Eingang ist symptomatisch für einen reinen
Zweckbau und letztlich für eine wenig visionsreiche bundesrepublikanische
Gegenwart.
Vielleicht wäre eine aussagefähige Botschaft gewesen, wie Aufklärung angesichts der Flut von weltweiten Publikationen und medial produzierten bzw. gespeicherten Wissens(müll) im neuen 21. Jahrhundert sinnvoll fortgeführt werden
könnte. Ein sich Verstecken hinter der Beliebigkeit positionsloser Stein- (und
Glas)kulissen kann aber keine Antwort auf drängende Herausforderungen der
gemeinsamen globalen Zukunft sein. Der strenge Bau strahlt einen sehr kühlen
Vernunftsrationalismus und die Herrschaft der abstrakten Moderne aus. Kalte
Geometrie im Äußeren, im Inneren dagegen erreichen die Architekten mit schönen Materialien, wozu sogar der unverputzte Beton zählt, durchaus eine gewisse Wärme und wohlige sächsische Behaglichkeit.
www.detail.de/Archiv/De/HoleArtikel/5275/
Artikel
www.slub-dresden.de
54
Militärhistorisches Museum
Olbrichtplatz 2
Arsenal: 1874–75
Architekt: Daniel Libeskind (und Hans-Günter Merz), 2003–10
Autor: Andreas Platthaus, FAZ 14. August 2003
(gekürzter Text)
Durch die klassizistische Fassade wird schräg ein Keil getrieben, dessen Spitze
sich wie ein Schiffsbug links neben dem Eingang auftürmt: 30 m hoch und damit 8 m mehr als die säulenverzierte Triumphbogenfront des Mittelflügels. Aus
Stahlbeton wird dieser Keil geformt sein, doch rundum verglast und nachts erleuchtet, so daß die Spitze glühen wird über Dresden. Nach hinten durchschneiden zwei abfallende Flanken des Keils das Gebäude; die rechte durchdringt
das Foyer und quert einen der beiden Höfe bis zum rechten Seitenflügel, die
andere endet, nachdem sie den Mittelflügel touchiert hat, im linken Hof, und
selbst hier noch übertrifft die Höhe des Keils den First des Altbaus.
Die Entscheidung für Libeskind erfolgte ohne öffentliche Debatte, die das andere
Dresdner Projekt des Architekten, einen Glasquader inmitten der Neustadt, noch
verhindert hatte. Libeskind hat daraus gelernt; sein aktueller Entwurf erfüllt genau
die Erwartungen des Auftraggebers.
Aber Libeskind ist noch mehr gelungen: die Geschichte des Bauwerks selbst
durch seine Architektur zum Sprechen zu bringen. Es ist die Geschichte von
sächsischen und deutschen Kriegstragödien. Nördlich der Stadtgrenze entstand
von 1873 bis 1879 die damals größte Kasernensiedlung Europas, die 1877
nach dem nun regierenden König „Albertstadt“ benannt wurde. Kern des 360
Hektar großen Areals ist das Arsenal, ein gewaltiger dreiflügliger Bau, eingerahmt und dadurch wie ein Solitär ausgestellt von eleganten Magazin- und Verwaltungsgebäuden. Der Bau wurde auf einem Plateau errichtet, das in der direkten Verlängerung der historischen Achse Schloß-Augustusbrücke–Bautzner
Platz (heute Albertplatz) liegt. Wie eine Akropolis thront das 1876 vollendete
Arsenal hoch über Dresden auf der Neustädter Elbseite, und weil der Bau im
neoklassizistischen Tempelstil errichtet wurde, taufte der Volksmund die Anlage
„Casernopolis“.
Noch heute besticht die monumentale Inszenierung mit der breiten Freitreppe,
die vom Olbrichtplatz zum Arsenalgebäude führt. Hat man den grässlichen
Flachbau, der 1972 dem Haupteingang vorgebaut wurde, durchschritten, betritt man die ehemalige Geschützhalle im Erdgeschoß, wo 152 mächtige Sandsteinpfeiler kleine Kreuzgewölbe tragen. Der von außen leicht verspielt gestaltete Bau erweist sich im Inneren als klar gegliederte Zweckarchitektur zur Lagerung von Waffen. Kein Wunder, daß man die Bauplanung 1873 der Militärbaudirektion überlassen und namhafte Dresdner Architekten wie Hermann
Nicolai und Gustav Rumpel lediglich für Detailarbeiten, vor allem an den Fassaden, verpflichtet hatte.
In dem erstaunlichen Säulen- und Kuppelwald des Erdgeschosses haben im 20.
Jahrhundert fünf verschiedene politische Systeme ihre jeweilige Sicht auf Militärgeschichte ausgestellt. Denn das Arsenal hatte schon kurz nach Fertigstellung
seine militärische Funktion verloren. 1897 eröffnete im jetzt leeren Bau die „Historische Waffen- und Modellsammlung“, die während der Weimarer Republik
zum „Sächsischen Armeemuseum“ umgestaltet wurde. Dessen Waffensammlungen erfreuten das Herz der Nazis, die das Gebäude 1940 zum „Heeresmuseum“ aufwerteten. Die sowjetischen Sieger ließen 1945 unmittelbar neben der
Zufahrt zum Arsenal ein erstaunlich zurückhaltendes Denkmal für ihre Gefallenen
setzen und gemeindeten den bis dahin autonomen Gutsbezirk Albertstadt nach
Dresden ein. Die militärische Tradition des Ortes aber blieb gewahrt: erst durch
die erneute Nutzung als Kaserne und dann von 1972 an durch die Wiedereröffnung des seit 1943 geschlossenen Heeresmuseums unter dem Namen „Armeemuseum der DDR“.
Mit seinem Neubau des Imperial War Museum in Manchester hat der polnische
Architekt bewiesen, daß er dem heiklen Thema Kriegsgeschichte gewachsen ist.
Seitdem weiß man, daß die Aufschreie wegen der angeblichen Zerstörung des
denkmalgeschützten Arsenals durch den Umbau voreilig waren. Denn der gigantische Keil, den sich die Bundeswehr 35 Millionen Euro kosten lässt, kommt
ohne tragende Teile im Inneren des alten Gebäudes aus, obwohl er sich durch
das gesamte Museum zieht. Er ist in bester Tradition des Hauses Fassadenarchitektur, denn hinter seinen Glaswänden bleibt nicht nur die Front des Arsenals erhalten, sondern der Libeskind-Umbau orientiert sich auch an den alten Etagenhöhen, so daß bis auf wenige Ausnahmen auch die Geschoßdecken vollständig bewahrt werden können – und damit auch der faszinierende Pfeilersaal des
Parterres. Der Glaskeil im Museum symbolisiert keinen Triumph, sondern die Öffnung der demokratischen Armee nach außen und deren Transparenz nach
innen – wenn auch auf den Computersimulationen von Hans-Günther Merz, der
als Partner Libeskinds für die museale Konzeption des Entwurfs zuständig ist, die
Wände des Keils im Inneren blutrot gestaltet sind. Besonders spektakulär sollen
die „Vertikalen Ausstellungen“ wirken: Durchbrüche von bis zu vier Stockwerken
im Keil, in denen Raketen und ähnliches präsentiert werden. Im neuen Teil des
Museums wird ein so genannter Themenparcours gestaltet, der in acht bis zehn
kleineren Abteilungen Militär als Kulturgeschichte darstellen soll.
Quellen:
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2003
www.daniel-libeskind.com
Photo Credits:
©SDL: Images 1–9
©Lubic & Woehrlin Architekten
„Beyond the Arsenal“ hat Libeskind sein Konzept getauft, und damit ist nicht nur
die den Altbau in jeder Hinsicht überragende neue Architektur gemeint, sondern
auch die Fortführung des Konzepts vom Arsenal als Lagerstätte von Heeresgut.
Eine Million Stücke wird die Sammlung umfassen, statt bisher 5.000 m2 Ausstellungsfläche werden nach Abschluss des Umbaus im Jahr 2008 12.000 bereitstehen. Und es wird eine neue Touristenattraktion geben, die im „Café Dresdenblick“ in der Spitze des Keils ihren buchstäblichen Höhepunkt finden soll.
Man möge, so Libeskind, seinen Entwurf als Verweis auf den Einschnitt verstehen, den die deutsche Militärgeschichte für Europa bedeutet habe, und auf die
Zerstörung Dresdens. Tatsächlich zielt der Keil wie ein Pfeil auf die zerbombte
Innenstadt, doch die direkte Linie zur Frauenkirche hat Libeskind pietätvoll vermieden. Den Blitze schleudernden Zeus will er nicht geben; nur Blicke sollen
von seinem Keil aus über die Elbe in die Altstadt geworfen werden. Eine solch
virtuose Kombination von alter und neuer Architektur kommt nicht zweimal. Die
Stadt bekommt damit rechtzeitig zum Abschluss des Frauenkirchenwiederaufbaus ein neues Prestigeprojekt.
Credits:
Design Team Leader :
Jochen Klein
Design Team:
Peter Haubert, Guillaume Chapallaz,
Marcel Nette, Ka Wing Lo, Helko Rettschlag,
Ina Hesselmann
Joint Venture Partner:
Architekt Daniel Libeskind AG
Cost and Site Supervision:
Lubic & Woehrlin Architekten, Berlin
Structural Engineer:
GSE Ingenieur-Gesellschaft mbh
Mechanical/Electrical:
Ipro Industrieprojektierung
Civil Engineer:
Arnold Consult
Auditing Statics:
Ing. Consult Cornelius-Schwarz-Zeitler GmbH
Landscape Architect:
Dipl.-Ing. Volker von Gagern
Fire Protection Consultant:
Ingenieurbuero Heilmann, Pirna
Lighting Designer:
Delux AG
Exhibition Design:
Prof. HG Merz, Stuttgart with
Holzer Kobler Architekturen (Switzerland)
Demolition:
Bertram für Bau und Gewerbe
Foundation, Steel Beams:
Firma Bauer Spezialtiefbau
Raw Construction:
Hentschke Bau
Steel Construction, Wedge:
Gerhard Schilling Stahlbau und Montage
Steel Construction, Floor Plates:
Stahlbau Verbundtrager
Facade:
Josef Gartner GmbH, Gundelfingen
58
HELLERAU Gartenstadt
Von Marion Nagel, Dresden (gekürzter Text)
Fünf, sechs Kilometer vom Zentrum Dresdens entfernt liegt Hellerau. Ein großes Stück Wald, die
Dresdner Heide, trennt die Neustadt mit ihren
Grunderzeithäusern von Hellerau, rund 6000
Leute leben hier. Der Rundgang durch die Gartenstadt Helleraus beginnt dort, wo auch schon
vor 100 Jahren das „Herz“ der Siedlung schlug,
bei den Deutschen Werkstätten. Das ehemalige
Fabrikgebäude erinnert mit seiner Form an eine
Schraubzwinge und entstand ab 1909 innerhalb nur eines Jahres nach Entwürfen des Industriellen Karl Camillo Schmidt und des Architekten Richard Riemerschmid. Hier wurden anfangs
Möbel, Wandverkleidungen und Hauseinrichtungen und später eine frühe Art der „Fertigteil-Holzhäuser“ in Serie gebaut. „Die Arbeitsbedingungen zu dieser Zeit waren hier geradezu revolutionär“, erzählt Clemens Galonska. Er ist selbst
Architekt, lebt in Hellerau und führt interessierte
Besucher regelmäßig durch die Siedlung.
Das ehemalige dreigeschossige Fabrikgebäude
ist eher schmal und erinnert an ein ländliches
Gut. Innen verbreiten die großen Fenster eine
wunderbare Tageslichtatmosphäre – ideal für die
damalige Zeit. Jeder Arbeiter hatte eine eigene
Werkbank, die Späne und Abfälle wurden gesammelt und unter dem Hof durch Kanäle zum
„Spänebunker“ abtransportiert und später verbrannt. Mit der gewonnenen Energie wurde
Wasser erhitzt und teilweise der Strom für Hellerau gewonnen. Das Maschinenhaus in dem vormals die großen Turbinen für die Stromerzeugung
standen, ist heute ein zentraler Punkt für Veranstaltungen der Bewohner von Hellerau. Karl Camillo Schmidt war gelernter Tischler und grundete
1899 seine „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“. Der im erzgebirgischen Zschopau
Geborene hatte schon früh erkannt, daß die miserablen Lebensbedingungen der Arbeiter im
ausgehenden 19. Jahrhundert in Mietskasernen
und dunklen Hinterhöfen einen direkten Einfluss
auf die Produktivität haben. In ihm reifte die
Idee, die Wohn- und Lebensbedingungen seiner
Arbeiter nach dem Vorbild der sogenannten „Lebensreformer“ zu verbessern und eine Siedlung
ganz nach dem Modell der englischen „Garten-
Fußend auf dem Gartenstadtgedanken von Ebenizer Howard, gründete der Unternehmer Karl Camillo Schmidt 1909 unweit von Dresden die Gartenstadtsiedlung Hellerau zusammen mit seinem Neubau seiner „Dresdner Werkstätten für
Handwerkskunst“. Die Einheit von Wohnen und Arbeit, Kultur und Bildung, in einem von der Lebensreform geprägten Organismus, ist der gebaute Anspruch
der Gartenstadt Hellerau. Als schon bedeutender Vertreter der Reformbewegung
im Möbel-, Innenausbau und in der Handwerkskunst, sah Karl Camillo Schmidt
in der Realisierung Helleraus eine Gelegenheit, Boden-, Wohnungs- und Sozialreformbestrebungen in einem Gesamtwerk umsetzen zu können. Der von Karl
Camillo Schmidt beauftragte Architekt Richard Riemerschmid plante den Bau der
Werkstätten und dazu eine Wohnsiedlung, mit Kleinstwohnhäusern für die Arbeiter, geräumigen Landhäusern, Markt, Geschäften, Wasch- und Badehaus,
Praxen, Ledigenwohnheim, Schule und Schülerwohnheim. Heinrich Tessenow,
Hermann Muthesius und Curt Frick gehören mit zu den renommierten Architekten, die in Hellerau ganze Straßenzüge beplanten. Reformbegeisterte aus ganz
Europa kamen, um Zeuge der real praktizierten Lebensreform zu werden. Der
Tod Wolf Dohrns und der Ausbruch des 1. Weltkrieges beendete die Sturm- und
Drangzeit Helleraus. Mit einzelnen reformpädagogischen Konzepten und kulturellen Projekten konnte Hellerau in den Folgejahren kurzfristig noch an die anfänglichen Glanzzeiten anknüpfen. Ende der dreißiger Jahre wurde die Bildungsanstalt für Rhythmische Gymnastik von den Nationalsozialisten in einen
Kasernenhof umgebaut, und nach 1945 von den russischen Besatzungsmächten weiter militärisch genutzt. Mit zeitgenössischen Darbietungen und jungen
kulturschaffenden Institutionen vor Ort entwickelt sich das Festspielhaus heute zunehmend zu einem der wichtigen Veranstaltungsorte in Dresden. Die Deutschen
Werkstätten knüpften in benachbarten neuen Werkhallen längst an ihre alte
handwerkliche Traditionen an und sind international erfolgreich im hochwertigen
Innenausbau tätig. Die historischen Räumlichkeiten der Werkstätten sind ein Pool
für Ingenieur- und Dienstleistungsunternehmen geworden, die sich der Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit verschrieben haben. Ganz Hellerau ist heute
ein Flächendenkmal, nicht ausschließend, daß auch Modernes entsteht; ist es
doch gerade die Tradition von Hellerau, Neues und Zukunftsweisendes hervorzubringen.
www.dresden-hellerau.de/src/hellerau.html
www.hellerau.de/helleraubilder.htm
stadt“ zu bauen. Der Grundgedanke dieses Modells ist es, die Vorteile des städtischen Wohnens
mit den Vorzugen des Lebens auf dem Land zu
verbinden. Schmidt beauftrage den Maler, Kunsthandwerker und Architekten Richard Riemerschmid, eine Siedlung, Werkstätten, sowie Gärten und Straßen zu entwerfen. 1909 erfolgte der
erste Spatenstich für die Deutschen Werkstätten
Hellerau, kurz danach standen die ersten
Häuser.
In der Straße „Am Grünen Zipfel“ erkennt man
das Gartenstadtprinzip auf den ersten Blick. „Für
mich ist das die schönste Straße in Hellerau“,
meint Clemens Galonska. Sechs bis acht Häuschen stehen in einer Reihe auf jeder Seite der
Straße, jede Familie hat einen eigenen Eingang
und eine kleinen Vorgarten. „Gemessen an unseren heutigen Verhältnissen sind die Häusern, in
denen die Arbeiter der Werkstätten mit bis zu
zehn Personen wohnten eher klein“, so Galonska. Doch sie waren hell und trocken, der Weg
zur Arbeit kurz und der kleine Gemüsegarten hinter dem Haus diente der Versorgung. Die Häuser
waren einfach und funktional gebaut. Fertigteile,
wie zum Beispiel die Fensterbänke, wurden in
Serie produziert und sind bei allen Häusern der
Straße gleich. So waren sie finanzierbar und die
Miete für die Arbeiter erschwinglich. Schmidt,
der Gründer von Hellerau, lebte wie seine Arbeiter in einem Haus in der Siedlung. Auch wenn es
etwas größer ausfiel – das Grundmodell war
das gleiche. Die kurzen Wege sind erhalten geblieben, hinter jedem Haus führt ein Netz von
autofreien, grünen Gartenwegen durch die Siedlung. Nachbarschaftliche Kommunikation funktioniert bis heute über die niedrigen Gartenzäune
hinweg.
„Für die Studenten des Masterstudiengang Denkmalpflege und Stadtentwicklung der TU Dresden,
ist Hellerau die beste Möglichkeit praxisnah viele
Aspekte zu üben“, sagt Susanne Jaeger. Sie vertritt die Professur „Denkmalpflege und Bauforschung“ an der Universität. Bei Gesprächen mit
den Bewohnern haben die Studenten herausgefunden, was die Qualitäten der Gartenstadt sind
und wie sehr sich die Hellerauer mit ihrer Siedlung identifizieren. Die Ergebnisse wurden auf
dem Kongress vorgestellt. Die aus Australien,
Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden angereisten Kongressteilnehmer rücken Themen wie Gemeinschaft, Identität, Überschaubarkeit und Nähe zum Arbeitsplatz kurz – eine
großstadtkritische Haltung – in den Mittelpunkt.
Die Stadtplaner von heute lernen aus den Erfahrungen, die man mit großstadtkritischen Formen
– und nichts anderes ist Hellerau – gemacht hat.
Quelle:
www.stern.de/wissenschaft/mensch/:DresdenHellerau-Lebendige-Kritik-Großstadt
60
HELLERAU Festspielhaus
Karl-Liebknecht-Straße 65
Architekt: Heinrich Tessenow, 1910–1912
Sanierung: Meier-Scupin & Petzet, 2002–2010
Das Festspielhaus Hellerau und die Anfänge des experimentellen Theaters
von Cynthia Schwab (gekürzter Text)
In neuem Glanz
Sanierung Festspielhaus Hellerau in Dresden
Hellerau – kaum ein Name ist so eng mit der
deutschen Lebensreformbewegung am Beginn
des 20. Jahrhunderts verbunden wie dieser. Hier
entstand 1910 die Möbelfabrik „Deutsche
Werkstätten“, hier wurde ab 1909 eine wegweisende Gartenstadt errichtet, und hier konnte
1912 das von Heinrich Tessenow entworfene
Festspielhaus eingeweiht werden, in dem der
Tanzpädagoge Emil-Jaques Dalcroze die „Schule
für Rhythmus, Musik und Körperbildung Hellerau“
betrieb. Erfreulicherweise ist die Vitalität
Helleraus auch heute noch ungebrochen. Die
„Deutschen Werkstätten“ haben gerade ein
neues Produktionsgebäude eingeweiht, die Gartenstadt präsentiert sich in frisch saniertem
Glanz, und Anfang September (2006) ist auch
das Festspielhaus seiner Wiederbelebung ein
großes Stück näher gekommen. Denn an diesem
Tag wurde hier das „Europäische Zentrum der
Künste“ eingeweiht, das ein umfangreiches Programm von Ballettaufführungen, Konzerten und
Theaterveranstaltungen anbieten will. Vorausgegangen war der Wiederbelebung eine wechselhafte Geschichte. Die zivile Nutzung des
Festspielhauses währte nur bis 1935. Anschließend ergriffen nacheinander die Polizei, die
SA, die SS, die Wehrmacht und schließlich die
sowjetische Armee von dem Gebäude Besitz.
Nach dem Abzug der Militärs 1992 war das
Festspielhaus eine Ruine mit Putzschäden, löchrigen Dächern, maroden Decken, verrotteten
Wasser- und Elektroleitungen. Umso mutiger war
Wer das Festspielgelände in Hellerau betritt, und sei es zum ersten Mal, gerät
unwillkürlich in den Sog dieser großartigen Anlage, deren spannungsreiche Mischung aus Verfall, Überformung und ungebrochener Repräsentanz den Atem
der Geschichte spüren lässt. Ein ungewöhnlicher, versteckt gelegener Ort,
scheinbar ohne Anbindung, in dessen einsamer Monumentalität jene kulturellen
Visionen aufscheinen, die hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre bauliche und
praktische Umsetzung erfuhren. Das Festspielhaus und seine vorgelagerten Pensionshäuser, die nicht mehr komplett in ihrer ursprünglichen Formation erhalten
sind, haben am Vorabend des 1. Weltkrieges wie ein Magnet Menschen aus
ganz Europa angezogen. Dies geschah jedoch keineswegs in klösterlicher Abgeschiedenheit. Die damals weithin bekannte Erprobungsstätte einer künstlerischen und intellektuellen Avantgarde sowie sozialer Reformversuche ist untrennbar verbunden mit der Entstehung der ersten Gartenstadt Deutschlands, der Gartenstadt Hellerau, in deren Folge Architektur, Kunsthandwerk und Kunstgewerbe,
Rhythmik, Musik und Bühnenästhetik zu einer höchst eigenwilligen Symbiose fanden. Etwa zur gleichen Zeit führte in Genf das Unbehagen an der Musik-Kultur
Adolphe Appia und Emile Jaques-Dalcroze zusammen. In seinen Bühnenbildskizzen zu Richard Wagners Musikdramen entwickelte Appia die stilisierte, begehbare dreidimensionale Raumbühne mit moderner Lichtregie: eine Absage an die
zweidimensionale Kulissenbühne, starre Raumstrukturen, überladene Prospekte
und Naturalismen, die Tiefenwirkung und Stimmungen nur vorzutäuschen vermochten. Unter dem Einfluss von Jaques-Dalcroze entstanden 1909/1910 seine berühmten „Espaces rhythmiques“. Vor allem Wolf Dohrn war davon so beeindruckt, daß er Jaques-Dalcroze in Dresden im Oktober 1909 spontan anbot, seine Visionen in Hellerau zu verwirklichen. Von Anfang an war ja in Ergänzung des handwerklich-künstlerisch weit gespannten Programms der Werkstätten sowie der städtebaulichen Gesamtanlage ein Musik-Projekt vorgesehen,
um dem Gemeinschaftsleben Identität stiftende, festliche Glanzpunkte zu geben.
Jaques-Dalcroze entschied sich für Hellerau, denn dort bot sich ihm die einzigartige Chance, in einem eigenen Institutsgebäude den so sehnlich gewünschten
Saal nach den Gestaltungsprinzipien der „Espaces rhythmiques“ zu realisieren.
Das Festspielhaus sollte ein weiterer Baustein im Gesamtgefüge der Gartenstadt
werden. Doch schließlich gelangte Tessenows 3. Entwurf nach langen Auseinandersetzungen zwischen Dohrn, Schmidt und Riemerschmid als Solitär, räumlich abgegrenzt von der ländlich-dörflich geprägten Architektur zur Ausführung.
Der ornamentlose, streng durchkomponierte Bau samt den vorgelagerten Pensionshäusern, der bald internationale Beachtung fand, übersetzte Dalcrozes und
Appias Vorstellungen in die Sprache der Architektur. Schul- und Übungsräume,
nach Geschlechtern getrennte Bäder und lichtdurchflutete Wandelhallen, Foyer,
Direktion und Bibliothek umschlossen von drei Seiten den großen Saal. Der lang
gestreckte Raum mit versenkbarem Orchestergraben enthielt keine festen Installationen, weder Bühne noch Vorhang; frei bewegliche Bühnenelemente und Zuschauersitzreihen konnten je nach Erfordernis gruppiert werden. Decke und
Wände waren mit weißen gewachsten Tuchbahnen ausgekleidet. Dahinter erzeugten Tausende von Glühbirnen ein diffuses, immaterielles Licht und gaben
dem von jeglichem Naturalismus befreiten Raum Transparenz und Transzendenz. Das Beleuchtungssystem des georgischen Theatermalers Alexander von
Salzmann, der auch das Emblem des Yin und Yang an den beiden Giebelseiten
entwarf, ließ von völliger Dunkelheit bis strahlender Helligkeit stufenlos und abschnittsweise regulierbare Lichtstimmungen zu.
1912 gaben die Festspiele zum Abschluss des Studienjahres Gelegenheit zur
ersten szenischen Erprobung. Innerhalb dieser 14 Tage konnten die Festivalbesucher nicht nur öffentliche Vorführungen der rhythmischen Gymnastik erleben,
sondern auch den 2. Akt von Glucks Oper „Orpheus und Eurydike“. Im Festspielhaus waren kunstgewerbliche Arbeiten der Hellerauer Werkstätten zu sehen, Sommerkurse für Rhythmik-Absolventen schlossen sich an. Die Festspiele
1913 brachten schließlich den großen internationalen Erfolg. Schon in den Jahren zuvor waren auf der Suche nach neuen Impulsen zahlreiche Besucher nach
Hellerau gekommen, so z.B. die Architekten Le Corbusier, Walter Gropius und
Mies van der Rohe. In ihrem und im Gefolge der internationalen Schülerschaft
entstand in der Gartenstadt eine Künstlerkolonie, aus der man zu ganz neuen
Ufern aufbrechen konnte. 1913 wurden die Festspiele zum Treffpunkt der kulturellen Elite Europas: Hier begegneten sich Upton Sinclair und G.B. Shaw,
Stefan Zweig und Martin Buber, Franz Werfel und Rainer Maria Rilke, es kamen u.a. Serge Rachmaninoff, Konstantin Stanislawski, Max Reinhardt, Gerhart
Hauptmann und Oskar Kokoschka, Henry van de Velde, Else Lasker-Schüler,
Ernst Rowohlt, die Pavlova und Rudolf von Laban.
Wolf Dohrn starb 1914 bei einem Skiunfall in den Alpen. Jaques-Dalcroze kehrte nach Ausbruch des 1. Weltkrieges von Genf nicht mehr zurück. Das Festspielhaus mit seiner internationalen Ausstrahlung wurde zum ersten Mal Opfer der
geschichtlichen Ereignisse. Bis die Nationalsozialisten Mitte der 30er Jahre das
Antlitz der Gesamtanlage durch Ein- und Umbauten, Teilabriss und Neubau der
Pensionshäuser zerstörten und das Gelände als Polizeischule missbrauchten,
gab es zwar zahlreiche Versuche, die musikalisch-rhythmische Ausbildung fortzuführen und den experimentellen Charakter fortzuschreiben, aber Nimbus und
Anziehungskraft einer aufregend neuen Bühnenkunst im Verein mit ihren künstlerischen und sozialen Implikationen waren verloren. Als nach dem 2. Weltkrieg
die russische Armee in das Festspielhaus einzog und das Emblem des Yin und
Yang durch den roten Stern ersetzte, war der „Mythos Hellerau“ fast nur noch
im Gedächtnis all jener aufgehoben, die dorthin einstmals aufgebrochen
waren, um am Entstehen einer neuen, besseren Gemeinschaft mitzuwirken.
Trotz – oder wegen – seiner immensen Beschädigung hatte der Ort doch so viel
Magie bewahrt, daß Ende der 80er Jahre Theaterleute, Choreografen und
Kunstwissenschaftler aus Dresden und Ostberlin seine Wiederbelebung ins Auge fassten. Neben das Bild von der „verkeimten Russenkaserne“ stellten sie ihre
Vision eines vitalen „Kunstlabors“, verbunden mit der vagen Hoffnung auf einen
schrittweisen Abzug sowjetischer Truppen aus der DDR. Unterstützung erhielten
sie nach der Wende von Gleichgesinnten aus der Schweiz, Frankreich, Italien
und den alten Bundesländern. Schließlich wurde 1990 der „Förderverein für die
Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur“ aus der Taufe gehoben. 1992 konnte nach dem Abzug der GUS-Truppen die feierliche Aneignung des Geländes
mit einem Fest und einer vom Bundesvermögensamt ausgestellten, befristeten Betretungsgenehmigung beginnen. Der Faden, den Dohrn, Jaques-Dalcroze, Appia
und Tessenow am Anfang des Jahrhunderts gesponnen hatten, wurde an dessen
Ende wieder aufgenommen.
die Arbeit des 1990 gegründeten „Fördervereins
für die Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur
Hellerau“, der sich umgehend um die Revitalisierung des Gebäudes kümmerte. Bereits 1992
fanden hier Kulturveranstaltungen statt, und
1994 konnte mit ersten Sanierungsarbeiten begonnen werden. Zunächst wurde das marode
Dach durch ein Notdach gesichert, später erfolgten Schwammsanierungen, der Bau eines neuen
Dachs, die Erneuerung der Heizungsanlage und
der Innenräume. Für die weiteren Bauarbeiten
wurde 2000 ein Realisierungswettbewerb veranstaltet, den das Münchner Büro Meier-Scupin&
Petzet für sich entscheiden konnte. Nun, nach
zwölfjährigen und 17 Millionen Euro teuren Sanierungsarbeiten, kann ein positives Fazit gezogen werden. Das Festspielhaus ist keine glatt
sanierte Ikone, sondern ein Geschichtsdokument,
das auch die Brüche seiner Nutzungsgeschichte
offenbart. Der Besucher findet hier originale
Wandbilder der sowjetischen Armee, Nebenräume, in denen noch immer die bröckelnde Atmosphäre der Verfallsphase regiert, und den großen Saal, der vor allem durch seine minimalistische Ästhetik besticht. Hier sorgen helle Holzfußböden, weiß getünchte Wände und hohe Fenster für einen neutralen Rahmen, der die unterschiedlichsten Veranstaltungen möglich macht.
Bis zum endgültigen Abschluss der Bauarbeiten
ist allerdings noch etwas Geduld gefragt. Denn
die noch ausstehende Außensanierung wird erst
2010 beendet sein.
Quelle:
Matthias Grunzig, Baumeister 10/2006
Quelle:
www.kunstforumhellerau.de/1/kurztext.php?lan
g=2&area=1
62
HELLERAU
Deutsche Werkstätten
Schmidt´s
Schmidt´s
Das Schmidt's liegt im Gebäude-Ensemble Deutsche Werkstätten Hellerau, welches in Form einer großen Schraubzwinge erbaut wurde. Der
wunderschöne Innenhof mit seinen drei riesigen
Kastanienbäumen bietet einen perfekten Blick
aus den großen Fenstern des Restaurants. Hier ist
das Schmidt’s heimisch geworden. Neben den
gleichnamigen weltberühmten Werkstätten für
hochwertigen Innenausbau haben sich die Deutschen Dependancen internationaler Firmen niedergelassen. Neben Partnern von AMD und
Infineon findet man auf dem Gelände insbesondere Unternehmen der Biotechnologie, innovativen Energiegewinnung, sowie Designer und
Künstler. Außerdem verfügt das Gelände über
mehrere Tagungsräume mit einer Kapazität bis
zu ca. 100 Personen. Die Räume tragen die
Namen berühmter Hellerauer, wie beispielsweise
Riemerschmid oder Dalcroze. Im vergangenen
Jahr kamen zudem eine Reihe interessanter neuer
Gebäude in Holzbauweise hinzu.
Deutsche Werkstätten
Was war Hellerau? Zunächst ein Stück unberührter Heidelandschaft. Doch der
Dresdner Möbelfabrikant Karl Schmidt erkannte in dem 6–7 km nördlich der
Stadt Dresden gelegenen, weitläufigen Gelände auf Anhieb den geeigneten
Ort zur Ansiedlung seiner expandierenden „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“. Grund und Boden waren billig und boten Platz für ein groß angelegtes Projekt: die Gründung einer Gartenstadt nach englischem Vorbild.
Schmidt, ein Mann mit äußerst moderner Unternehmensphilosophie, war ganz
den zeitgenössischen lebensreformerischen Ideen verbunden. Sein erfolgreiches
Möbelprogramm verband funktionale und ästhetische Ansprüche mit zeitgerechter maschineller Produktion. Entwürfe internationaler Künstler und der sensible,
fach- und materialgerechte Umgang mit dem Werkstoff Holz sicherten den seriell gefertigten Werkstücken ihre hohe Qualität; das praktisch konzipierte Mobiliar war zerleg- und transportierbar sowie im Preis erschwinglich. Entsprach
schon all dies einer kleinen Revolution, was den Geschmack gängiger Wohnungseinrichtungen betraf, so war die Gründung der Gartenstadt als städtebaulich, sozio-kulturell und ökonomisch durchkomponierter Gegenentwurf zu den
menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Stadt gedacht.
Wohnen, Leben und Arbeiten in der Natur, in unmittelbarer Nähe seiner Produktionsstätten, Ausschluss jeglicher Bodenspekulation – das war Schmidts Devise.
Die sozial durchmischte, infrastrukturell komplett ausgestattete Siedlung sollte vor
allem seinen Arbeitern und Angestellten eine neue Heimat bieten und sich eng
an deren Bedürfnissen orientieren. Die Ausarbeitung lag seit 1906 in den bewährten Händen des Architekten Richard Riemerschmid, als Entwerfer der Maschinenmöbel Marke „Dresdner Hausgerät“ den Werkstätten schon lange
verbunden. Und mit dem universal gebildeten, weltgewandten, hochbegabten
und kulturell ambitionierten Energiebündel Wolf Dohrn, einem „Menschenfischer
neuer Ideen“, stand dem liebevoll „Holz-Goethe“ genannten Karl Schmidt ein
weiterer Mann zur Seite, der sich dem Projekt ebenfalls mit Leib und Seele verschrieb. Der promovierte Philosoph und Volkswirtschaftler, Schmidts rechte Hand
in dessen Unternehmen, sollte schon bald als dritter Mann im Bunde auch die
Gründung des Deutschen Werkbundes vorantreiben und neben Riemerschmid
als Mitgesellschafter der gemeinnützigen „Gartenstadtgesellschaft Hellerau
GmbH“ das Projekt entscheidend prägen, indem er ihm eine weitere Dimension
hinzufügte: die eines alternativen Lebensentwurfes schlechthin. Überlegungen zu
Bildung, Erziehung und kultureller Betätigung existierten bereits, kamen jedoch
erst später zur Sprache.
63
HELLERAU
Richard Riemerschmid
Richard Riemerschmid (1868–1957)
20. Juni 1868 in München geboren
1886–87 Militärdienst
1887–90 Studium an der Akademie der bildenden Künste
ab 1890 freier Kunstmaler in München
1898 Mitbegründer der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk in
München
1902 Mitbegründer der Deutschen Gartenstadtgesellschaft
1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes
1907–13 Leitung der Gesamtplanung der Gartenstadt in Hellerau
Ab 1913 Direktor der Kunstgewerbeschule in München
1926–31 Leiter der Kölner Werkschulen
13. April 1957 in München gestorben
Gilt Riemerschmids Interesse als Maler dem Spätimpressionismus und dem Pointilismus, so ist er als Innenausstatter, Möbelentwerfer und Architekt einer der
wichtigsten Vertreter des deutschen Jugendstils. Zu den bekanntesten Werken
aus dieser Zeit gehören der Musiksalon auf der deutschen Kunstausstellung in
Dresden 1899, das Schauspielhaus in München 1900/01 und die Räume auf
der Ausstellung der Dresdener Werkstätten 1903. Als sozial eingestellter Reformer interessiert er sich zunehmend für Fragen der maschinellen Produktion
und der Herstellung von preisgünstigen Produkten, was ihn nach der Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden von 1906 auch dazu bewegt, den Deutschen
Werkbund mitzubegründen, dessen Vorsitzender er von 1921–26 sein wird.
Ebenfalls 1907 übernimmt er die Gesamtplanung der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau bei Dresden, bei der auch Hermann Muthesius und Heinrich
Tessenow mitwirken und die Vorbild für zahlreiche ähnliche Projekte in Deutschland wird. Ab 1909 ist er zudem am Bau der Gartenstadt Nürnberg beteiligt.
Weitere Bauten wie die Luftfahrthalle in München (1925), das Funkhaus Deutsche Stunde in Bayern (1927) und der Pavillon für den Verlag Reckendorf auf
der Pressa-Ausstellung (1928) entstehen.
Mit seinen Möbeln und Inneneinrichtungen aus der Jugendstilzeit ebenso wie mit
seinen Gartenstadtprojekten hat Riemerschmid die Gestaltung der deutschen
Wohn- und Lebenswelt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt und auf einer Erneuerung in den Bereichen Architektur, Design
und Innenausstattung hingewirkt. Richard Riemerschmid, Gestalter des floralen
Jugendstils, versuchte diese Grundgedanken Schmidts mit seinen eigenen Idealen zu kombinieren. Ein Organismus aus Ästhetik und Zweckmäßigkeit basierend auf Qualitätsanspruch und Stilbewusstsein.
http://riemerschmid.5eins.de/riemerschmid_im
_werkbund/gartenstadt-hellerau
Foto:
www.richard-riemerschmid.com/d/ index.shtml
64
HELLERAU
Heinrich Tessenow
Heinrich Tessenow (1876–1950)
7. April 1876 als Sohn eines Zimmermanns geboren
1909 Assistentenstelle an der TH Dresden
Lehrer in der Baugewerkschule in Lüchow
Lehrer an der Kunstgewerbeschule Trier
Assistent von Martin Dülfer an der TH Dresden
1913 Professor an die Kunstgewerbeschule in Wien
1920 Leitung der Architekturabteilung der Akademie der Künste in Dresden
1926 Professor an der Technischen Hochschule Berlin
1925–27 Entwurf eines neuen Schulgebäudes in Klotzsche
1941 Verordnete Emeritierung, Rückzug nach Mecklenburg bis Kriegsende
1947 Professor an der Technischen Hochschule Berlin
30. November 1950 in Berlin gestorben
Heinrich Tessenow gehörte in den lebhaften geistigen Auseinandersetzungen
der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts zu den führenden und interessantesten
Architekten in Deutschland. Sein Wirken ist in die von England ausgehende, als
geistige Besinnung und Erneuerung empfundene europäische Bewegung einzuordnen. Es war ein Besinnen auf Werte, die in der Verwirrung des Historismus
und in der hektischen Suche nach „Stilen“ verloren gegangen waren.
Mit seiner Vorstellung von neuen menschlichen Lebensformen wandte er sich in
seinen Schriften, in seinen Planungen und mit seinen Bauten dem Wohnungsbau, insbesondere dem Kleinwohnungsbau, zu. Durch seine Schriften „Wohnungsbau“ (1909), „Hausbau und dergleichen“ (1916) und „Handwerk und
Kleinstadt“ (1919) wurde er bekannt und erhielt Zugang zu bedeutenden Projekten.
In Hellerau übertrug man ihm auch den Bau der Bildungsanstalt für rhythmische
Gymnastik (Dalcroze-Institut), in dem neue pädagogische Ideen und revolutionäre Formen der Darstellenden Kunst ihren eigenen baulichen Ausdruck fanden.
Das heutige Festspielhaus wird als ein Zeugnis einer neuen Architektur angesehen. Seine Wohnhäuser sind gekennzeichnet durch eine provozierende Einfachheit.
65
HELLERAU
Hermann Muthesius
Hermann Muthesius (1861–1927)
1861 in Großneuhausen/Thüringen als Sohn eines Maurermeisters/Bauunternehmers geboren
bis 1875 Besuch der Volksschule und Sprachunterricht vom örtlichen Pfarrer
Maurerlehre beim Vater, dann nach Realgymnasium in Leipzig Militärdienst
1 Jahr Studium Kunstgeschichte und Philosophie an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin
bis 1887 Architekturstudium an der Technischen Hochschule Berlin, nebenher
Arbeit bei Paul Wallot, dem Erbauer des Reichstages
1887–90 Angestellter einer Baufirma in Tokio, dann 4-monatige Asienreise
1891 2. Hauptprüfung für den Staatsdienst im Hochbau, Regierungsbaumeister
1896–1903 Technischer Attaché für Architektur der dt. Botschaft in London
Oktober 1927 bei Baustellenbesichtigung durch Straßenbahnunfall gestorben
In London verfasste er im amtlichen Auftrag zahllose Berichte über englische Architektur, Kunstgewerbeerziehung, Ausstellungen und auch ingenieurtechnische
Neuerungen, die überwiegend im Zentralblatt der Bauverwaltung veröffentlicht
wurden. Zugleich entwickelte er eine umfangreiche publizistische Tätigkeit, zu
der neben zahlreichen Artikeln in einschlägigen Kunstzeitschriften die berühmte
Streitschrift Stilarchitektur und Baukunst gehört. Das Hauptwerk dieser Zeit sind
jedoch drei umfangreiche Werke über englische Baukunst, von denen das bekannteste „Das englische Haus“ wurde. Nach seiner Rückkehr erhielt Muthesius
einen Ruf an die Technische Hochschule in Darmstadt als Professor für Kunstgeschichte, den er jedoch ablehnte, um als Geheimrat in das Preußische Handelsministerium zu wechseln, wo ihm bis zu seiner Pensionierung 1926 die Reform
der Kunstgewerbeschulen oblag.
Nebenher hat er als Architekt eine umfangreiche Tätigkeit entfaltet, wobei er
überwiegend durch seine Landhäuser bekannt wurde. Aus einem 1907 gehaltenen Vortrag an der Berliner Handelshochschule entwickelte sich ein Skandal,
der als „Fall Muthesius“ berühmt wurde und nach Protesten des wirtschaftlichen
Interessenverbandes des Kunstgewerbes in einer mit Muthesius solidarischen
Gegenbewegung die Gründung des Deutsche Werkbundes auslöste. 1908
wurde er als Mitglied in den Vorstand gewählt und hatte von 1910 –16 dort
das Amt des zweiten Vorsitzenden inne. Mit seiner Einflußnahme auf die Kölner
Werkbundausstellung von 1914 als auch seinem dortigen Vortrag „Die Werkbundarbeit“ der Zukunft entfachte er einen Proteststurm der Künstler, der als „Typenstreit“ berühmt wurde und den Werkbund an den Rand einer Spaltung
brachte. Nach dem Krieg hat Muthesius zwar noch eine große Zahl vorwiegend klassizistischer Häuser gebaut und einige Bücher veröffentlicht, war aber
in Anbetracht der neueren Entwicklungen der Architektur zum außenstehenden
Beobachter geworden. Muthesius starb im Oktober 1927.
66
Sächsischer Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
Architekt: Peter Kulka, 1991–94
Altbau: Barthold und Tiede, 1928–31
Platzgestaltung: Peter Kulka
Peter Kulka Biographie
1937 geboren in Dresden
1958 Abschluß des Ingenieurstudiums,
Fachrichtung Architektur
1964 Abschluß des Studiums der Architektur an
der Hochschule für bildende und angewandte
Kunst in Berlin-Weissensee
1964 Mitarbeiter von Hermann Henselmann am
Institut für Typenprojektierung, Berlin
1965–68 Mitarbeiter im Büro von Hans
Scharoun, Berlin
seit 1969 Freier Architekt
1970–79 Partner in der Architektengemeinschaft
Herzog, Köpke, Kulka, Siepmann, Töpper
seit 1979 Eigenes Büro in Köln
1986–92 Universitätsprofessor für Konstruktives
Entwerfen an der RWTH Aachen
seit 1991 Eigenes Büro in Dresden
seit 1996 Gründungsmitglied der Sächsischen
Akademie der Künste
seit 1996 Mitglied der Berliner Akademie der
Künste
1997–98 Gastprofessor an der RWTH in
Aachen
1998–00 Vorsitzender des Gestaltungsbeirats
der Stadt Regensburg
2004 Mitglied des Gestaltungsbeirates der
Stadt Trier
Gastvorlesungen und Vorträge an zahlreichen
Universitäten und Einrichtungen im In- und Ausland
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands musste die Unterbringung des sächsischen Landtages gelöst werden: Zunächst wurde das alte Ständehaus von
Wallot in Betracht gezogen, doch fiel die Entscheidung, das 1928–31 von
Barthold und Tiede im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaute Landesfinanzamt zu
rekonstruieren, das 1953–89 die Bezirksleitung der SED beherbergt hatte. Dieses Ensemble wurde zur Elbe hin u.a. mit einem Plenarsaal ergänzt – auch um
diesen zentralen Bereich besser zu nutzen. Dazu gab es einen beschränkten
Wettbewerb von 12 sächsischen Architekten, den der 1990 aus Köln nach
Dresden zurückgekehrte Kulka gewann. Der Neubau strahlt Zurückhaltung und
Bescheidenheit aus. Eine kräftige Geste des Schutzes unserer Demokratie symbolisiert jedoch das weit hervorstehende Flugdach am Eingang zum Neubau.
Dieser soll im spannungsvollen Gegensatz zum schweren, steinernen Altbau
leicht und transparent wirken. Funktion und Konstruktion werden nach den Prinzipien der Moderne offen gelegt. Zum Beispiel in den neuen Flügelbauten ist die
offen liegende Stahlskelettkonstruktion mit roh belassenen Stahlbetondecken ein
Gestaltungselement. Viel Glas soll viel nachvollziehbare Transparenz assoziieren. In den Sommermonaten allerdings kann man das Parlamentsgebäude von
der Neustädter Elbseite kaum erkennen, so versteckt es sich hinter den Lindenbäumen. Eine kräftig akzentuierte Vertikale hätte den großen Stolz auf die 1989
besonnen erkämpfte Demokratie gut zum Ausdruck bringen können. Doch der
Architekt Peter Kulka hat den Neubau horizontal gelagert. Eine vertikale Betonung des Neubaus wurde zugunsten des rückwärtig gelagerten, turmartigen
Eckbaus aus dem Jahr 1931 verzichtet. Damit sollte die Gliederung des Terrassenufers mit niedrigen Baukörpern an der Elbe und höheren Bauteilen dahinter
fortgesetzt werden. Im Inneren wird der mit Holz verkleidete Plenarsaal als runder amphitheaterartiger Bau konstruktiv sichtbar. Von außen wölbt sich das Rund
gläsern um die Ecke. Vier massive Kreuzstützen halten ein monumentales Stahldach – ein Motiv entlehnt von der Berliner Neuen Nationalgalerie von Mies
van der Rohe (1965–68).
Für die Öffentlichkeit zugänglich sind das Restaurant und die Sonnenterrasse.
Selbstverständlich ist die Besuchertribüne des Plenarsaals für Interessierte – mit
Voranmeldung – bei den Landtagssitzungen zugänglich. Auch das Foyer wird
oft mit verschiedenen Ausstellungen über die Geschichte und Gegenwart des
sächsischen Parlamentarismus vielfältig genutzt. Ein offenes Haus in vielerlei Hinsicht. Der offene freie Vorplatz, benannt nach Bernhard Lindenau, wird als Demonstrationsplatz für verschiedene politische Äußerungen des Volkes genutzt.
www.das-neue-dresden.de/landtagsachsen.html
Der Altbau von 1931 für das Sächsische Finanz- und Zollamt stammt von Barthold und Tiede, die sonst in Dresden kein weiteres Bauwerk errichteten. Nach
langen Hochhausdebatten in Dresden in den 20er Jahren konnte immerhin ein
7-stöckiger Turm mit 36 Meter Höhe errichtet werden, der kubisch aus der südöstlichen Ecke herausragt.
Jan von Havranek („Das Neue Dresden 1919–49“) fand heraus, daß „laut
einem Vermerk im Schriftarchiv des Landesamtes für Denkmalpflege Dresden die
Fußbodenplatten aus dem Pavillon des Deutschen Reiches von Mies-van-derRohe für die Weltausstellung in Barcelona 1929 stammen“. Einen Gestaltungsakzent bietet zudem die Fensterreihung mit vorgezogenen Gewänden. Gegenüber dem historistisch-eklektizistischen Elektrizitätswerk mit seinem ornamentierten
Turm stellte dieses Bürogebäude zur Entstehungszeit wohl einen starken Kontrast
von demonstrativer Sachlichkeit dar.
Wegen des ungünstigen Baugrundes und des hohen Grundwasserstandes an
diesem elbnahen Standort erhielt das Gebäude einen Unterbau aus Stahlbetonpfählen (ca. 1.000 unter dem Altbau und 176 unter dem Neubau) mit einem
Durchmesser von bis zu 1,20 Meter. Das komplett SED-dominierte sächsische
Parlament tagte nach dem Krieg bis zu einer Auflösung 1952 im Gebäude des
ehemaligen Luftgaukommandos in Dresden Strehlen, was nur zu etwa ¼ zerstört
worden war. Danach wurde das Land Sachsen in drei „Bezirke“ aufgeteilt:
Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).
Der 1937 in Dresden geborene Architekt Peter Kulka baut z.Z. auch das Deutsche Hygiene Museum in Dresden um. Seit einiger Zeit ist er auch mit der Planung zum Wiederaufbau des Ostflügels vom Residenzschloss beschäftigt. 1964
arbeitete er bei Herrmann Henselmann im Institut für Typenprojektierung in Ostberlin und zwischen 1965 und 1968 bei Hans Scharoun in Westberlin. Seit
1979 betreibt Prof. Kulka ein eigenes Büro.
68
Zwinger
Ostra-Allee, Sophienstraße
Architekt: Matthäus Daniel Pöppelmann, 1709–28
Als „Zwinger“ wird im Festungsbau das von Gräben durchzogene Gelände
zwischen den Stadtmauern bezeichnet, der für Feste und Spiele genutzt wurde.
1709 wurde in der Nachbarschaft des Zwingers zum Besuch des dänischen
Königs eine hölzerne Festarchitektur errichtet. 1710 entwarf Matthäus Daniel
Pöppelmann, seit 1680 in Dresden und seit 1705 Landbaumeister, als ersten
dauerhaften Bau eine Orangerie. Die Gebäude, die in der Folgezeit für August
den Starken entstanden, gehen in ihrer aufwändigen, prachtvollen Gestaltung
weit über die ursprüngliche Funktion als Festplatz, Orangerie und schließlich
Museum hinaus. Der Zwinger ist das berühmteste Bauwerk Dresdens und gehört
zu den bekanntesten Kunstdenkmälern. Der verantwortliche Architekt Matthäus
Daniel Pöppelmann sowie der Bildhauer Balthasar Permoser haben hier die architektonische Formensprache ihrer Zeit in einem Gesamtkunstwerk zusammengefasst. Ursprünglich sollte der Zwinger der Vorhof für eine nie ausgeführte
Schlossanlage sein. Aus Platzgründen konnte die Zwingeranlage nicht von einem Garten umgeben werden, deshalb entstand dieser im Zwingerhof selbst.
Bis 1847 war die Elbseite des Bauwerks durch eine hohe Mauer abgeschlossen, danach entstand nach den Plänen Gottfried Sempers die heutige Gemäldegalerie an dieser Stelle.
Der annähernd quadratische Innenhof des Zwingers besitzt eine Breite von 107
und eine Länge von 116 m. Aus seinen Langseiten treten kleinere Seitenhöfe mit
Segmentbogenschluss hervor, woraus ein kreuzförmiger Grundriss resultiert. An
den Ecken der Langseiten befinden sich vier Pavillons (Mathematischer, Französischer, Naturwissenschaftlicher, Deutscher Pavillon), saalartige, eingeschossige
Aufbauten über Bogenhallen, deren Rampen mit geschwungener Treppe vorgelagert sind. Über dem Gesims und vor den Schweifdächern zieren Figuren und
Wappen aus der Werkstatt Balthasar Permosers die Bauten.
Den Abschluss der apsidial geschlossenen Höfe bilden zwei Torpavillons. Der
Wallpavillon, bei dem eine geschwungene Treppe zum ovalen Festsaal führt,
entstand 1716 als bedeutendstes Werk Pöppelmanns. Hier löst sich das Bauwerk auf in eine lebendige Plastik. Als Bekrönung trägt Permosers sechs Meter
hoher Herkules Saxonicus die Weltkugel.
Das der Ostra-Allee zugewandte Kronentor ist der eigentliche Zugang zum
Zwingerhof. Es ragt mit seiner zwiebelförmig geschwungenen Dachhaube aus
der Langgalerie am Zwingergraben heraus. Die Langgalerie verbindet das Kronentor mit den Eckpavillons und Bogengalerien. Kronentor und Langgalerie erheben sich auf der ehemaligen Festungsmauer des Zwingergrabens, welcher im
19. Jahrhundert komplett zugeschüttet wurde. Erst bei der Restaurierung des
Zwingers 1929 erfolgte eine Freilegung.
Das Nymphenbad ist eines der Hauptwerke des Dresdner Hofbildhauers Balthasars Permosers. Seine Mitte bildet ein gegliedertes rechteckiges Wasserbecken,
in das von der Höhe des Zwingerwalls von Becken zu Becken und über Kaskaden das Wasser herabstürzt.
Am ganzen Zwingerbau von großer Bedeutung für den Gesamteindruck befinden sich meisterhaft gestaltete Treppenanlagen. Der später errichtete Glockenspielpavillon gegenüber ließ keine Steigerung mehr zu. 1924–36 wurde ihm
ein Glockenspiel aus Meißner Porzellan, das schon Pöppelmann vorgesehen
hatte, eingebaut.
1924–36 wurde der Zwinger unter Leitung des Architekten Hubert Ermisch und
des Bildhauers Georg Wrba grundlegend restauriert, die Plastiken z.T. neu geschaffen. In der Bombennacht des Februar 1945 wurde der Zwinger so getroffen, daß er unwiederbringlich zerstört schien. Aber noch im gleichen Jahr
begannen die Wiederaufbauarbeiten, die bis 1963 andauerten, geleitet von
Ermisch. Das wesentliche Aussehen des Zwingers wurde jedoch beibehalten.
70
Semperoper
eigentlich Hofoper
Architekt: Gottfried Semper, 1871–78
Der erste Bau
Gottfried Semper (1803–79) wurde 1834 – im Alter von 31 Jahren auf Empfehlung Karl Friedrich Schinkels – als Professor der Baukunst und Direktor der
Bauschule nach Dresden berufen. 1838–41 entstand an der Stelle der heutigen
Oper sein erstes Theater (Altes Hoftheater), das am 21. September 1869
einem Brand zum Opfer fiel.
Der zweite Bau
1871–78 entstand die „Semperoper“, sein erstes Hauptwerk, das unter Leitung
seines ältesten Sohnes Manfred Semper (1838–1913) von 1871–78 am
Theaterplatz erbaut wurde – kurz vor Errichtung des Wiener Burgtheaters
(1874–88).
Zwei Dinge waren ihm wichtig, die Richtung weisend werden sollten für den
Theaterbau des späten 19. Jahrhundert und teilweise danach: Die äußere Erscheinung sollte die funktionale Gliederung des Inneren zeigen. So wird die
Rundform des vorgelagerten, 2-geschossigen Eingangs- und Foyerbereichs überragt vom ebenso vorgewölbten Zuschauerraum. Dieser wird seinerseits überragt
vom Bühnenturm. Dazu kam die an römischen Theaterbauten orientierte Formensprache – die Architektur-Plastik wie die Säulenstellungen –, während die hohe
Exedra über dem mittleren Eingangsportal die italienische Hochrenaissance zitiert. Der Theaterbau verfügt über eine prachtvolle Innenausstattung. Die Haupttreppenhäuser sind seitlich an den Hauptbaukörper angesetzt und von den Seiten aus zugänglich und portikusartig betont. Über dem Portal erhebt sich eine
bronzene Pantherquadriga mit Dionysos und Ariadne von Johannes Schilling.
Den mittigen Haupteingang flankieren Skulpturen von Ernst Rietschel. Sie stellen
Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller dar. In der Nacht des 13.
Februar 1945 ist der Bau nach dem Bombardement der Stadt ausgebrannt.
Der dritte Bau
Nach dem Zweiten Weltkrieg bereiteten 1946–55 Sicherungsarbeiten sowie
konzeptionelle Studien 1968–76 den Wiederaufbau vor. Am 24. Juni 1977
erfolgte die Grundsteinlegung und der Wiederaufbau unter der Leitung von
Chefarchitekt Wolfgang Hänsch. Anlässlich des 40. Jahrestages der Zerstörung
konnte am 13. Februar 1985 die Semperoper mit Carl Maria von Webers
Oper „Der Freischütz“ symbolisch wiedereröffnet werden – es war diese Oper,
mit der das Opernhaus am 31. August 1944 geschlossen worden war. Obwohl sie schon Staatsoper war, erhielt die Oper zusätzlich nach der Wende
den offiziellen Titel „Sächsische Staatsoper“.
An die Rückseite wurde ein funktionales Gebäude angebaut. Es enthält Probebühnen, Werkstätten und Büros und Garderoben sowie einen Gastronomiebereich. Das extreme Hochwasser der Elbe im August 2002 fügte dem Opernhaus einen Schaden von 27 Millionen Euro zu. Schon drei Monate nach der
Hochwasserkatastrophe eröffneten am 9. November 2002 statt wie geplant
am 13. August Tänzer und die Sächsische Staatskapelle mit dem Ballett „Illusionen – wie Schwanensee“ die Spielzeit. Im Rahmen der 800-Jahr-Feierlichkeiten
der Stadt Dresden fand am 13. Januar 2006 der erste Dresdner Opernball seit
1939 statt. Die Bestuhlung war durch Tische und Stühle ersetzt worden. Im
Saal, auf den Rängen und in den Logen feierten ca. 2300 Gäste sowie auf
dem Theaterplatz etwa 4000 Dresdner.
Vom Theaterplatz aus bietet sich die Gelegenheit, zwei Bauten Gottfried Sempers vergleichend zu betrachten, die Gemäldegalerie am Zwinger als ein Frühwerk und die ein Viertel Jahrhundert später entstandene Oper als ein reifes
Werk mit weit reichender Wirkung auf den zukünftigen Theaterbau.
Quellen:
- Prof. Horst Thomas
- Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der
HS Karlsruhe nach Dresden und Prag mit Prof.
Florian Burgstaller
72
Lipsiusbau
Brühl´sche Terrasse
Architekten: Constantin Lipsius, 1894,
Auer+Weber+Partner und Rolf Zimmermann, 2005
Ausstellungsgebäude an der Brühl´schen Terrasse in Dresden
Von Wolfgang Bachmann
Pauschaltouristen (früher: Einreisende), die über die Altstadt-Fan-Meile der Brühlschen Terrasse flanieren, werden das riesige, unübersichtliche Ensemble, das
lange Jahre marode und dem Publikum verschlossen auf bessere Zeiten wartete,
irgendwie zu den barocken Desideraten der Dresdner Baugeschichte zählen.
Aber nicht alles, was alt wirkt, ist unbedingt wertvoll. Schon zu ihrer Entstehungszeit waren die Kunstakademie und das Ausstellungsgebäude umstritten, und
auch die Kriterien der Denkmalpflege haben sich bei der Sanierung gewandelt.
Es erinnert an die Pariser Oper, aber auch an Reichstag und Berliner Dom. Ein
Gebäude, das geradezu alle zur Zeit seiner Fertigstellung 1894 erreichbaren
herrschaftlichen Stile vermengte. Der Begriff „Kolossalordnung“ bekam hier nach
dem deutsch-französischen Krieg eine neue, übertragene Bedeutung. Seinem Architekten, Constantin Lipsius, der sich der fortgesetzten Kritik ausgeliefert sah
und mehrere Überarbeitungen abliefern musste, wurde neben der Stilmelange
für dieses „hässlichste Monumentalgebäude Dresdens“ vor allem die Konkurrenz
zur Frauenkirche vorgeworfen. Die Baugeschichte erinnert an aktuelle Episoden
aus der Branche. Lipsius starb völlig erschöpft noch vor der Fertigstellung des
Gebäudes.
Heute begegnen wir diesem imperialen Kauderwelsch eher leidenschaftslos,
die prahlerischen Motive dieser Architektur sind uns fremd, aber eine lediglich
ästhetische Bewertung würde dem Historismus auch nicht gerecht. Also kritische
Masse für die Baugeschichte, um sich mit Karl Böttichers Grammatik „Die Tektonik der Hellenen“ (1852) auseinanderzusetzen. Für Studenten bietet das Gebäude eine Buchstabiertafel in Stilkunde. Nach der Zerstörung am 13. Februar
1945 wurde schon bald nach Kriegsende der weniger getroffene Akademietrakt provisorisch in Betrieb genommen. Das Ausstellungsgebäude, damals noch
ungeteilt, bekam erst Ende der sechziger Jahre wieder eine Verglasung für seine
legendäre „Zitronenpresse“ sonst blieb der ruinöse Zustand durch Stahlaussteifungen vor dem Zusammenbruch bewahrt.
1991 begannen die ersten Sicherungsmaßnahmen. Stahlsprieße und -klammern flankierten die
maroden Sandsteinsäulen, die im Vestibül später
durch glatte Betonstutzen ersetzt wurden. Statt einer bruchlosen Wiederherstellung blieben nach
einer konzeptionellen Neubesinnung die Spuren
der Zerstörung erhalten.
Zurück in den Historismus?
1991 begannen Notsicherung und Restaurierungsarbeiten mit dem Ziel, den ursprünglichen Zustand vor der völkischen Überarbeitung durch die Nazis wiederherzustellen. Beauftragt wurde das Dresdner Groß-Büro IPRO, das den Rohbau
durch Tragwerksergänzungen stützte, außerdem Dächer bzw. Glasdächer und
vor allem die Fassaden instand setzte. Innen ging die „neutrale“ Sanierung (die
später nach einem VOF-Verfahren weiter vergeben werden sollte) doch weiter;
bedauerlicherweise wurde brüchiger Wandschmuck abgeschlagen, um ihn
„wie neu“ zu ergänzen. Drei Jahre später kam die Hochschule zu einer besseren Einsicht, man fühlte sich offenbar unwohl bei der Vorstellung, künftig in puttenüberladenen Räumen einer schwülstigen Neorenaissance zu arbeiten. Der
Bauherr sah das angesichts der immensen Wiederherstellungskosten auch so.
Das neue Ziel war nun, dem Haus eine moderne Ausstattung zu geben, die
zwar die vorhandene Substanz respektierte, aber zerstörte Elemente nicht zeitlos
herbeisimulierte. Das sogenannte Oktogon unter der Kuppel, jetzt abgetrennt
und unter Verantwortung der Hochschule, wurde bereits im Jahr 2000 von Pfau
Architekten nach dieser Maßgabe vollendet. Hier lassen sich – zuletzt mit den
Arbeiten von Klaus-Michael Stephan „Krieg und Frieden“ – hervorragend Ausstellungen einrichten. Die polygonalen Grundrissgeometrien mit den geflickten
Ziegelwänden, die leisen farbigen Spuren der Bemalung und sparsamen
schwarz glimmernden Stahleinbauten, mit denen die Gegenwart wie helfend
das geschundene Gebäude stützt und ergänzt, sind eine überzeugende Aussage. Im letzten Jahr wurde schließlich oberhalb, auf der Terrasse (dem Sockel
der ehemaligen Festung) der jetzt von den Staatlichen Kunstsammlungen bespielte Bauteil eröffnet. Rolf Zimmermann, mit Sanierungen in der Stadt bereits
vertraut, traf auf Carlo Weber, der damals in Dresden eine Professur bekleidete,
so kam die Allianz zwischen dem Stuttgarter und Dresdner Büro zuwege.
Heute zeigt die Wiederherstellung des Ausstellungsgebäudes zwei Handschriften. Im Untergeschoss des Vestibuls nehmen grobschlächtige
Säulen die Lasten auf. Die späteren Zutaten sind
unauffällig und zurückhaltend, aber ohne scarpaeske Spielfreude.
Epochenwende. Ehemals diente das Akademiegebäude anschaulich zur Vermittlung einer Stilund Architekturlehre, die bald nach Fertigstellung
des Hauses überholt war. Die jetzigen Eingriffe
üben sich in neutraler, fast roher Zeitlosigkeit.
Statt romantisches High-tech zu zeigen, ist die
Haustechnik im Boden und über der Staubdecke
verborgen, nur unauffällige Düsen und Lichtschienen sind im großen Ausstellungssaal zu erkennen. Unten rechts der stählerne Kassentresen.
Bauherr Freistaat Sachsen
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen
Auer+Weber+Architekten, Stuttgart und
Rolf Zimmermann, Dresden
www.auer-weber.de
www.architekt-dresden.de
Tragwerksplaner:
Ingenieurbüro Kless Müller GmbH, Dresden
HLS-Planung:
AHS Ingenieurgesellschaft mbH, Falkenberg
Elektroplanung:
Bauplanung Sachsen GmbH,
Ingenieurbüro Rathenow, Dresden
Bauphysik: Müller-BBM, Langebrück
Rohbauarbeiten: www.palm-gmbh.com
Natursteinarbeiten: www.natursteine-schubert.de
Beleuchtung: www.zumtobel.com
Gefahrenmeldeanlage: www. Siemens.com
Aufzüge: www.fbaufzuege.de
Bruttogeschossfläche: 3350 m2
Gesamtkosten: 8,4 Mio Euro
Fotos: Roland Halbe, Stuttgart
Quelle: Baumeister, B10, 2006
Ein Skelett der Baugeschichte
Im Zentrum liegt der große Ausstellungssaal. Er verbirgt unsichtbar die anspruchsvolle Technik über der Staubdecke und unter dem neuen Betonfußboden.
Nur Lüftungsgitter vor den Wänden und Dralldrüsen in den fragmentarischen
Gesimsvoluten lassen ahnen, daß hier keine anspruchslose romantische Hülle,
sondern ein Museum mit akkuraten Anforderungen an Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Beleuchtung und Sicherheit mit minimalen Toleranzen eingerichtet wurde.
Als neues Bauteil kam zwischen den beiden Scherwänden an der Ostseite eine
Galerieebene dazu. Sie ist vorsichtig von den Umfassungswänden abgesetzt,
ihre auskragenden Platten verjüngen sich zur Brüstung hin, was den Eindruck
des später Hinzugekommenen ablesbar macht. Bis zur Höhe des Gesimses sind
hier die Wände weiß verputzt, darüber zeigt unter dem horizontalen Glasdachanschluss ein dunkler Spritzputz die Höhe der früheren Schmuckprofile, deren
fragmentarische Voluten sich wie eine alte schmutzige Lederhaut um ihre Armierung rollen.
Auf die Galerie führt eine gerade Treppe, deren gegenläufig geschwungene
Handläufe dem Weg etwas Musikalisches geben; zur anderen Seite, nach Westen, wo drei Kabinette die Ausstellungsfläche fortsetzen, führt eine schwarzstählerne Spindeltreppe nach oben zur Museumspädagogik. Wer sich noch
erinnern kann, wie spannend der Martin-Gropius-Bau in Berlin vor seiner endgültigen Verschönerung ausgesehen hat, findet hier im Ausstellungsgebäude der
Staatlichen Kunstsammlungen ein Pendant. In der gegenwärtigen Rodin-Ausstellung heißt es, die Werke des Bildhauers zeigten „Oberflächen, die mit Licht und
Schatten spielen“. Die Architektur dieser Räume setzt das Spiel fort.
Besondere Aufmerksamkeit wurde den verschiedenen Treppen gewidmet. Neben der vorhandenen ins Untergeschoss (wo sich Garderobenspinde und Toiletten befinden), die mit einem „Teppich“ aus MDF-Platten belegt wurde (links) gibt
es zum Beispiel Wendeltreppen, die zur Museumspädagogik auf der Galerie oder als Fluchtweg weiterführen.
Lageplan
Längsschnitt
Erdgeschoss
Obergeschoss
76
Das Blaue Wunder
die Blasewitz–Loschwitzer Brücke
Die heutigen Dresdner Stadtteile Loschwitz und Blasewitz waren bis 1921 selbständige, lediglich durch die Elbe getrennte Gemeinden. Zwischen ihnen verkehrte eine stark frequentierte Fähre. Nach einer abgelehnten Petition der beiden Gemeinden für einen Brückenbau sah sich die sächsische Staatsregierung
1874 durch einige reiche Bürger aus Blasewitz, die auf eigene Kosten einen Ingenieur mit der Ausarbeitung von Plänen für eine Brücke beauftragten und sie
dem Landtag vorlegten, wohl so stark unter Druck gesetzt, daß sie schließlich
den Beschluss fasste, die Brücke endlich zu bauen. Die für den Bau zuständige
Behörde war das sächsische Finanzministerium, mit der Ausarbeitung der Pläne
wurde der Geheime Finanzrat Claus Köpcke betraut, der auch Professor für Ingenieurwissenschaften am Polytechnikum in Dresden war. Köpcke projektierte eine Brücke, die für die damalige Zeit wegen ihrer ungewöhnlichen Konstruktion
und ihrer großen Spannweite als sensationell empfunden wurde.
Das Blaue Wunder ist ein recht eigenartiges Bauwerk, das vom Konstruktionstyp
her aber den Hängebrücken zugeordnet wird. Genauer gesagt ist es eine so
genannte Bandeisenbrücke, weil die Fahrbahn nicht wie sonst bei Hängebrükken an Ketten oder Stahlseilen aufgehängt ist, sondern an einem Zugband aus
vernieteten Flacheisen. Köpcke führte beim Entwurf des Blauen Wunders zahlreiche Neuerungen ein, die sich jedoch letztendlich nicht durchsetzen konnten. Insofern ist die Brücke ein Unikat geblieben und ist heute ein technisch wie historisch interessantes Anschauungsobjekt. Die Fahrbahn ist nicht wie sonst bei
Hängebrücken an senkrechten „Hängern“ befestigt, sondern über ein zweifaches Strebenfachwerk an dem Eisenband aufgehängt. Am theoretischen Schnittpunkt von Ober- und Untergurt sowie an den Pylonspitzen befinden sich Gelenke mit Stahlfedern. Diese sind mit einer Art Bremse ausgestattet, die Bewegungen erst ab einer bestimmten Spannung im System zulässt. Ohne diese Bremse
wäre die Brücke beweglicher und würde insbesondere bei stoßweisen Belastungen mehr schwingen. Da bei anderen Brücken mehrere Unglücksfälle dieser Art
vorgekommen waren, hatte man zur damaligen Zeit ein besonderes Augenmerk
auf gleichzeitig marschierende Personengruppen, wie z.B. Soldaten im Gleichschritt. Die Pylone des Blauen Wunders stehen auf Rollenkipplagern, so dass sie
sich bei steigender Temperatur zur Brückenmitte hin neigen.
Köpckes Entwurf wurde 1885 in einem Ausschreibungswettbewerb veröffentlicht, der von der Sächsischen Eisenbahnkompanie AG gewonnen wurde. Es
verstrichen aber noch sechs weitere Jahre, bis schließlich 1891 unter der Leitung des Ingenieurs Hans Manfred Krüger (1852–1926) mit den Bauarbeiten
begonnen wurde. Krüger und Köpcke waren ein eingespieltes Team, die gemeinsam mehrere große Brücken bauten. Zunächst mussten auf beiden Seiten
der Elbe einige Häuser abgerissen werden um ausreichend Platz für die Baustelle zu schaffen. Die Bauteile für die ca. 3500 Tonnen schwere Stahlkonstruktion wurden in der Königin-Marien-Hütte in Cainsdorf vorgefertigt und an Ort
und Stelle zusammengenietet. Bereits zwei Jahre nach dem Beginn der Bauarbeiten war die Brücke fertig und konnte einem zeitgenössischen Belastungstest
unterzogen werden. Da es zur damaligen Zeit noch keine zuverlässigen Berechnungsverfahren gab, mit denen sich das statische Verhalten einer Brücke abbilden lies, kam jeder Belastungsprobe eine sehr große Bedeutung zu. Außerdem
ging es auch darum, die Bevölkerung von der Tragfähigkeit der Brücke zu überzeugen.
Man wollte ganz sicher sein, daß die Brücke im täglichen Betrieb niemals eine
größere Last würde tragen müssen als bei der Belastungsprobe am 11. Juli
1893: 3 Dampfwalzen, 3 weitere Straßenwalzen samt Pferden, 3 Straßenbahnwagen, die mit Schiffsankern und Steinen beladen waren, 3 Sprengwagen samt Wasser und Zugtieren, einen voll besetzten Pferdebahnwagen und
mehrere Kutschen, insgesamt ein Gewicht von 157 Tonnen. Außerdem marschierten noch Straßenpassanten und eine Kompanie des Dresdner Jägerbataillons über die Brücke. Die Brücke erwies sich mit einer maximalen Durchbiegung
von 9 mm in der Mitte des Trägers als außerordentlich solide. Am 15. Juli
1893, wurde die Brücke unter großer Anteilnahme der Bevölkerung feierlich
eingeweiht. Das Bauwerk wurde zu Ehren des damaligen sächsischen Königs
auf den Namen „König-Albert-Brücke“ getauft. Ab 1918 hieß sie dann offiziell
„Loschwitzer Brücke“ aber im Volksmund war sie immer das „Blaue Wunder“.
Hartnäckig hält sich die Legende, der Name der Brücke sei erst dadurch entstanden, daß sich der ursprünglich grüne Anstrich über Nacht in die blaue Farbe verwandelt hätte. Da aber schon ab April 1893 in diversen Zeitungsartikeln
Belege für die Farbe Blau vorhanden sind, kann man dieses Gerücht wohl eindeutig in den Bereich der Fantasie einordnen.
Mit einer Spannweite von 141,5 m war sie eine der größten Brücken Europas
und die Verwendung von Stahl sowie die besondere Konstruktion waren noch
sehr ungewohnt. Die Bauarbeiten verschlangen die für damalige Verhältnisse
gewaltige Summe von 2,25 Mill. Goldmark, die von den beiden Gemeinden
und der sächsischen Staatsregierung getragen wurden. Um die Investition wieder hereinzuholen, wurde für jede Person, die die Brücke benutzen wollte, ein
Brückenzoll erhoben. Dieser betrug Anfangs pro Person 2 Pfennige, für Gänse
und Hühner ebenfalls 2 Pfennige und für Zugtiere 10 Pfennige. Durch den Zoll
wurden reichlich Einnahmen erzielt, bis er im Jahre 1921 im Zuge der Eingemeindung der beiden Ortsteile zu Dresden wieder abgeschafft wurde.
Ab 1895 wurde die Brücke auch von der elektrischen Straßenbahn und bald
schon von immer mehr Kraftfahrzeugen benützt. Bis zum Jahre 1935 hatte der
Verkehr so zugenommen, daß sich Fußgänger und Autos immer mehr in die
Quere kamen. Eine Zeit lang wurde ernsthaft darüber nachgedacht, die Brücke
abzureißen und durch eine Betonbrücke zu ersetzen. Schließlich entschied man
sich jedoch dafür, lediglich auf beiden Seiten Gehwege anzubauen. In den
fünfziger Jahren musste die Fahrbahn, die bis dahin aus Holzbohlen bestanden
hatte, gegen Eisenbleche ausgetauscht werden und 1982 wurde das gesamte
Mauerwerk gründlich saniert. Trotz aller Anstrengungen mehrten sich jedoch
bald die Anzeichen für eine deutliche Überlastung der Brücke, die im April
1986 zunächst zur Einstellung des Straßenbahnverkehrs führte. Inzwischen ist
die Nutzung der Brücke aber auch für alle Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 15 Tonnen generell verboten. Eine Ausnahme gibt es nur für
Busse. Wie so viele Brücken die im 2. Weltkrieg von der einen oder der anderen Seite zerstört wurden, sollte auch das Blaue Wunder beim Rückmarsch der
deutschen Truppen von der SS gesprengt werden. Durch ihr mutiges Eingreifen
verhinderten die 2 Dresdner die Zerstörung des heute unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks.
Die Belastungsprobe am 11. Juli 1893
78
Villa Marie
Fährgässchen1
Die toskanische Villa liegt am Fuße des „Blauen Wunders“. Der Garten rund um
die bekannte Villa befindet sich oberhalb der weiten Wiesen, die vom „Blauen
Wunder“ bis in die Innenstadt eine einzigartige Flusslandschaft bilden. Ein paar
Meter von der Villa Marie entfernt halten die Dampfer der weißen Elbflotte. Als
eines der bekanntesten Häuser in Dresden-Blasewitz entstand es vermutlich um
1860. Es wechselten mehrere Male die Besitzer. Die Villa ist ein solides, geräumiges Haus, mit einem Fachwerkdachgeschoß, einem Holztürmchen und zwei
Balkonen. Die Bezeichnung „Villa Marie“ selbst taucht erst in den 30er Jahren
des 20. Jahrhunderts auf. Der letzte Eigentümer wurde zu Zeiten der DDR enteignet und das Haus an die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) übertragen. Als das Haus zunehmend verfiel und seine Bewohner das Weite suchten,
schaltete sich zu Beginn der 80er Jahre die staatliche Bauaufsicht ein und erklärte die Villa für unbewohnbar. Ab 1982 begann die wahrscheinlich lebendigste
Zeit für die Villa Marie. Einheimische Künstler um „Wanda“ (Claudia Reichardt)
besetzten die Villa am Blasewitzer Elbufer; trotz mehrfacher Räumungsbefehle
beherbergte die Villa fast zehn Jahre lang eine inoffizielle Galerie, bis diese im
September 1987 verboten wurde. 1988 bis 1990 war des zweistöckige Haus
Heimstatt der Galerie „fotogen“ („autogen“). Dabei plante die Stadt Dresden
1988 schon den Abriss der Villa. Dank einiger beherzter Denkmalpfleger und
der illegalen Besetzer konnte dieses verhindert werden. Die seit dem Ende der
siebziger Jahre vom Verfall bedrohte Villa avancierte in den Folgejahren zur Ruine. Seit dem Auszug der alternativen Dresdner Kunstszene stand die Villa leer.
Die WOBA Südost – Nachfolger der KWV – erwog unter sehr fragwürdigen
Umständen die Übereignung der Villa an das Kombinat Obst, Gemüse und
Speisekartoffeln (OGS). Dieses wiederum plante die Villa als Gästehaus zu nutzen. Die Auflösung des Kombinates verhinderte das. Schließlich wurde die Villa
Marie 1990 baupolizeilich gesperrt.
1991 wurde dem Alteigentümer auf seinen Restitutionsantrag (Rückübertragung)
stattgegeben. Anfang 1992 erwarben der Münchner Immobilienmakler Otto
Bantele und der Münchner Rechtsanwalt Peter Jäger die „Villa Marie“ und begannen 1993 mit der Restaurierung der Ruine. Ursprünglich als Wohnhausnutzung geplant, wurde die Idee, die Villa als „Galerie-Restaurant“ der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, umgesetzt. Die Restaurierung belief sich auf
ein Investitionsvolumen von 1,8 Millionen Mark. Anfang Juni 1994 war die
komplette Restaurierung des Gebäudes abgeschlossen. Klaus Karsten Heidsiek,
der u.a. zehn Jahre Koch in einem 3-Sterne-Hotel in Mailand war, pachtete die
Villa für sein Restaurant und seine Bar. Er wurde extra für diese reizvolle Aufgabe von den Eigentümern gewonnen.
79
Standseilbahn
Körnerplatz, Loschwitz
Die Standseilbahn in Dresden wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Betrieb genommen. Damals wie heute verbindet sie das hoch über der Elbe thronende
Dresdner Villenviertel Weißer Hirsch mit der Stadt entlang des Flusses. 547 m
Fahrt mit der Standseilbahn bergauf werden belohnt mit einem traumhaften Blick
auf die sächsische Landeshauptstadt. Hier, auf dem „Balkon Dresdens“, liegt Ihnen die Stadt zu Füßen. Wer verweilen möchte, um diesen Blick bei vorzüglichen Speisen und Getränken ausgiebig zu genießen, findet im Restaurant „Luisenhof“ an der Bergstation der Standseilbahn eine erste Adresse. Direkt unter Ihnen überspannt das berühmte „Blaue Wunder“ als eine der 6 Dresdner Elbbrükken die Elbe. Es verbindet den Körner- mit dem Schillerplatz. Von deren alten
Backsteinfassaden geht ein außergewöhnlicher Reiz des alten Dresden aus.
Bereits die Fahrt mit der Standseilbahn ist ein ganz besonderes Erlebnis. Denn
vom Fuße der Elbhänge aus ist das Tal zwischen den Stadtteilen Weißer Hirsch
und Oberloschwitz gar nicht wahrnehmbar. Erst wenn man in der Bahn Platz
genommen hat und aus dem Tunnel der Talstation taucht, fällt es auf. Dann fährt
man vorbei an der Rothen Amsel, einer Mühle im altdeutschen Stil, 1880 erbaut und tief im Taleinschnitt liegend. Und schon wird der Wagen weiter nach
oben gezogen und begegnet dem talwärts fahrenden. An einer Ausweichstelle
in der Mitte der Strecke treffen sich die beiden Wagen auf der sonst eingleisigen Strecke. Die Bergstation ist gleichfalls der Ausgangspunkt für einen Spaziergang durch das schöne Villenviertel und die hier beginnende Dresdner Heide.
Hier oben liegen auch die Dresdner Elbschlösser, Musterbeispiele des Historismus: Schloss Albrechtsberg, die Villa Stockhausen – auch Lingner-Schloss genannt – und schließlich das Schloss Eckberg.
Im Jahr 1895 eingeweiht, wurde die Bahn ursprünglich mit vier Personen- und zwei Güterwagen betrieben. Seit 1945 sind nur noch zwei
Personenwagen im Einsatz. Im Unterschied zur
Bergschwebebahn wird die Standseilbahn ausschließlich von der Bergstation aus gesteuert. Auf
ihrer Fahrt passiert sie zwei Tunnel (96 m und 54
m) und überquert ein Brückenviadukt (102 m).
Um die eingleisige Strecke gleichzeitig in beide
Richtungen – bergauf und bergab – betreiben zu
können, wurde eine so genannte Abt'sche Ausweiche eingerichtet. Ab 1960 wurde die erste
deutsche Standseilbahn nach und nach modernisiert, 1993/94 fand eine umfassende Rekonstruktion statt.
Höhenunterschied: 95 Meter
Max. Neigung: 29 %
Spurweite: 1000 mm
Maximale Geschwindigkeit: 5 m/s
Seillänge: 578 Meter
80
Tag 3
Zeitplan Samstag, 27.09.08
08.00 Uhr Frühstück und Auschecken
09.00 Uhr Fahrt nach Leipzig
10.15 Uhr Galerie für zeitgenössische Kunst – GfZK 1 + 2
Architekten: Bruno Eelbo, 1893, Peter Kulka, 1998, as-if Arch.,
2004
mit Bus
Karl-Tauchnitz-Straße 9–11
11.00 Uhr Zu Fuß zum Musikerviertel
11.15 Uhr Besichtigung Stadtvillen im Musikerviertel
Architekten: König Wanderer, Fuchshuber + Partner u.a.
Haydnstraße, Robert-Schumann-Straße u.a
11.45 Uhr Weiterfahrt zum Café Grundmann
12.00 Uhr Mittagessen im Café Grundmann
mit Bus
August-Bebel-Straße 2/Mahlmannstraße 16
13.15 Uhr Weiterfahrt zu den Buntgarnwerken
13.30 Uhr Besichtigung der Buntgarnwerke
mit Bus
Nonnenstraße
Atrium, Lofts am Elsterufer
Architekten: Fuchshuber + Partner
Holbeinstraße
Wohnprojekt Sweetwater
Architekten: Weiß + Volkmann
Holbeinstraße
14.15 Uhr Weiterfahrt nach Plagwitz
14.30 Uhr Besichtigung der Baumwollspinnereigebäude
Architekten: Ottomar Jummel, Händel + Franke
mit Bus
Spinnereistraße 7
15.00 Uhr Weiterfahrt zur Konsumzentrale
15.15 Uhr Besichtigung Konsumzentrale
Architekt: Fritz Höger
mit Bus
zu Fuß weiter
Industriestraße 85–95
15.45 Uhr Besichtigung Stelzenhaus
Architekten/Umplanung: Weiß + Volkmann
Weißenfelserstraße 65
16.15 Uhr Weiterfahrt nach Lößnig
16.45 Uhr Besichtigung Rundling in Lößnig
Architekt: Hubert Ritter, 1929/30
Führung: Dipl.-Ing. Ines Gillner, Leipziger Wohnungs- + Bauges. mbH
mit Bus
Siegfriedplatz
17.15 Uhr Weiterfahrt zur LWB vorbei am Völkerschlachtdenkmal
17.45 Uhr Vortrag „Stadtumbau Ost“
Dipl.-Ing. Ines Gillner, Leipziger Wohnungs- + Baugesellschaft
mbH/LWB
mit Bus
Pragerstraße 21
18.00 Uhr Fahrt zum Renaissance Hotel Leipzig
18.30 Uhr Einchecken Renaissance Hotel Leipzig
Großer Brockhaus 3, 04103 Leipzig
19.30 Uhr Spaziergang zum Restaurant Alte Nikolaischule
20.00 Uhr Abendessen im Restaurant in der Alten Nikolaischule
Architekten: Storch, Ehlers + Partner
Nikolaikirchhof 2, 04109 Leipzig, Telefon 0341/211 85 11
Zu Fuß zuruck zum Hotel
mit Bus
82
Galerie für Zeitgenössische Kunst
Karl-Tauchnitz-Straße 9–11
Architekt: Bruno Eelbo, 1893, Peter Kulka, 1998,
as-if Architekten, 2004
GfZK 1
Der bekannte Geologe Hermann Credner, Professor in Leipzig, ließ sich 1893
durch den Architekten Bruno Eelbo die stattliche Villa am Johannapark im Stile
der italienischen Renaissance errichten. Nach seinem Tode übernahm sie im
Jahre 1914 der Verleger der Leipziger Neuesten Nachrichten, Edgar Herfurth.
Bis heute ist der Name Herfurthsche Villa in Gebrauch.
1994, dreieinhalb Jahre nach Gründung des Fördervereins, gewann der 1937
in Dresden geborene Architekt Peter Kulka den Wettbewerb für den Neubau
der Galerie, die an der Wächterstraße vorgesehen war. Finanzielle Schwierigkeiten zwangen den Verein schließlich, die eigentlich für diesen Zweck völlig
ungeeignete Gründerzeitvilla zur Galerie umzubauen. Die so genannte GfZK 1
befindet sich in der von Peter Kulka umgebauten und 1998 eröffneten Gründerzeitvilla, die 1999 mit dem Architekturpreis der Stadt Leipzig ausgezeichnet
wurde.
Peter Kulka nahm bei seinem Umbau weitgehend auf die repräsentative, architektonische Struktur der Villa Rücksicht, straffte diese, behielt die Raumfolgen bei
und erweiterte diese um Durchblicke und Sichtachsen im Inneren. Die Räume
selbst sind klar gestaltet, die architektonischen Details reduziert, bis auf drei
Räume (Salon Credner, Salon Herfurth, Café) wurde die Villa entkernt. Innen
folgte Kulkas Gebäude dem Konzept des White Cubes. Er schuf Räume, die
die volle Konzentration auf Kunst und deren ästhetische Qualitäten ermöglichen
sollen. Der Anbau von Kulka setzt sich kontrastreich vom Jahrhundertwendebau
ab.
Architekt: as-if Architekten, Paul Grundei, Stephanie Kaindl, Christian Teckert, Berlin
GfZK 2
Kleines Gebäude, große Themen: Nichts weniger als die Zukunft des Kunstmuseums, die Kritik am System der Architektenwettbewerbe und die Frage, was eigentlich „Flexibilität“ in der Architektur bedeuten kann – das sind die drei
großen Themenfelder, auf denen die junge Architektengruppe as-if mit ihrem Erstlingswerk erfrischend radikale Positionen einnimmt. Dazu gehört Mut, ein solides intellektuelles Rüstzeug, vor allem aber ein Bauherr, der Experimente nicht
nur duldet, sondern dazu anstiftet. Barbara Steiner, die Direktorin der Galerie für
zeitgenössische Kunst in Leipzig (GfZK), hat die Bauherrenrolle sogar in einer
Weise ausgedehnt, dass einem im Baugewerbe kein so recht passender Begriff
einfallen will. Im Filmgeschäft würde sie im Abspann als Produzentin auftauchen
(die Architekten wären die Regisseure), womit ihre Tätigkeit weitaus besser beschrieben wäre.
Zu den ungewöhnlichen Konstellationen dieses Projekts gehört seine Vorgeschichte. Im Jahr 1990 geht aus dem „Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im
Bundesverband der Deutschen Industrie“ die Initiative hervor, in Leipzig ein Zentrum für Gegenwartskunst zu etablieren. Treibende Kraft ist der Industrielle und
Kunstmäzen Arend Oetker. Im Jahr 1994 findet ein Architekturwettbewerb zur
Errichtung permanenter Ausstellungsräume statt, den der Kölner Architekt Peter
Kulka gewinnt. Vier Jahre später ist der Umbau der ehemaligen Villa des Zeitungsverlegers Paul Herfurth abgeschlossen. Als im Jahr 2001 die österreichische Kunsthistorikerin Barbara Steiner die Leitung übernimmt, hat die GfZK
bereits einen überregionalen Ruf als Ausstellungsort für Gegenwartskunst erworben. Kurz darauf stellte ein sächsischer Minister ihr unverhofft 2,5 Mio. Euro für
die Erweiterung der Villa in Aussicht. Normalerweise hieße das: Es findet wieder ein Architekturwettbewerb statt. Doch durch die Umwandlung der GfZK in
eine autonome Stiftung wurde das Verfahren der öffentlichen Hand entzogen
und die Direktorin konnte die Architektengruppe as-if mit einem Direktauftrag
ausstatten. Im Gespräch erklärt sie, dass Wettbewerbe nicht grundsätzlich abzulehnen seien. In diesem Fall aber waren ihre Vorstellungen eines zeitgenössischen Kunstraums bereits so weit ausformuliert, dass es ihr sinnvoller erschien,
ohne Jury und großes Verfahren ein Büro auszuwählen und den Bau gemeinsam
zu entwickeln. Den Einwand, das Instrument des Architekturwettbewerbs werde
von Architekten als demokratische Errungenschaft hochgehalten, will die Direktorin nicht gelten lassen: Die Geschichte der GfZK habe gezeigt, dass der Erfolg
des Ausstellungshauses von starken Einzelpersonen abhängig sei. Ein Wettbewerb wäre nicht demokratischer, sondern berge die Gefahr, dass eine formal
exzentrische Lösung sich eher durchsetze als ein vielleicht unscheinbar erscheinendes Konzept, das aber weitaus intensiver die Anforderungen an einen Ausstellungsraum reflektiere. Da sie zuvor als Leiterin des Wolfsburger Kunstvereines
bereits mit dem as-if-Teammitglied Christoph Teckert zusammengearbeitet hatte,
einem Architekten, Künstler und Theoretiker, der dort eine erste Raumskizze realisieren konnte, waren ihre Präferenzen klar gesetzt.
Autor: Oliver Elser
erschienen in: Werner Durth: Architektur in
Deutschland 2005, Deutscher Architekturpreis
2005, Stuttgart 2006
Bauwelt Preis 2007, aaa austrian architecture
award, bau 2006, Auszeichnung zum Deutschen Architekturpreis, 2005 Architekturpreis der
Stadt Leipzig zur Förderung der Baukultur, 2005
Quelle:
www.architekturtexte.ch/www/home/overview
Quelle Fotos:
www.gfzk-online.de/de/ index.hp?menue=101
Mit der GfZK 2, dem Neubau der Galerie für
Zeitgenössische Kunst, eröffnete 2004 ein neues
Café. Das Konzept der wechselnden Gestaltung
durch einen Künstler bzw. eine Künstlerin wurde
auch in den neuen Räumen beibehalten. Nach
Anita Leisz übernahm Jun Yang diese Aufgabe.
Sein Café trägt den Namen „Paris Syndrom“.
Dies charakterisiert ein Krankheitsbild japanischer Touristen, deren Sehnsucht nach Erfüllung
ihrer Vorstellungen von Paris vor Ort enttäuscht
wurde. Sie erleiden eine Art negativen Kulturschock, der nahe einer Traumatisierung ist. Der
von Jun Yang gewählte Café-Name ist programmatisch für die gesamte Konzeption, steht diese
doch für Wunsch und Sehnsucht bei einer gleichzeitigen Ernüchterung angesichts der Begegnung
mit der jeweiligen Realität. Der Wunsch nach
Unerreichbarem drückt ein Begehren aus, das
sich nicht real einlösen lässt: Nachahmung und
Nachbildung erzeugen ein Bild, eine Projektionsfläche für unerfüllte Sehnsucht. Die Sessel sind
mit einem Louis-Vuitton-Imitat bezogen, pompös
wirkende Lüster hängen an der Decke des
Cafés, das mit Stuckelementen besetzt ist. Die
Stühle erinnern an das Design von Charles und
Ray Eames, die Fotografien an den Wänden
zeigen berühmte Bauten der Architekturgeschichte, die an verschiedenen Orten der Welt
nachgebaut wurden. Zeitschriften wie die französische „Vogue“ oder „Wallpaper“ liegen für die
BesucherInnen aus und Coverversionen berühmter Songs rufen das Original ins Gedächtnis.
Jeden Monat gibt es im „Café Neubau/Paris
Syndrom“ die verschiedensten Veranstaltungen.
Neben festen Formaten erhalten junge Bands,
die vorwiegend aus dem Kunstkontext kommen,
die Möglichkeit, ihre Musik zu spielen. Es finden
Filmvorführungen und Lesungen statt.
Quelle:
www.gfzk.de
Um zu verstehen, was den Bau von as-if nun tatsächlich und jenseits aller Theorie auszeichnet, ist ein kleiner Umweg in Form eines zehnminütigen Spaziergangs zu empfehlen. Denn ganz in der Nähe der Galerie ist nahezu zeitgleich
das städtische Kunstmuseum fertiggestellt worden, der größte seit 1989 in den
Neuen Bundesländern errichtete Museumsbau. Galerie und Museum stehen zueinander wie These und Gegenthese, Bau und Gegenbau. Am Sachsenplatz
entstand eine pompöse, von den Berliner Architekten Hufnagel Pütz Rafaelian
geplante Ruhmeshalle für die bedeutende Kunstsammlung der Stadt Leipzig, die
zuvor im ehemaligen Reichsgericht untergebracht war, wo mittlerweile der Bundesgerichtshof residiert. Ein glasumhüllter Sichtbetonquader, der mit Lufträumen
so verschwenderisch ausgehöhlt wurde, dass der Besucher sich fragt, wo denn
eigentlich die Kunst abgeblieben ist. Die eigentlichen Ausstellungsräume sind
zwar alles andere als bescheiden dimensioniert, doch sie fallen zunächst gar
nicht auf, weil die Bauskulptur selbst alle Blicke aus sich zieht.
Im Musikerviertel Leipzigs hingegen, in unmittelbarer Nähe zur Hochschule für
Grafik und Buchkunst, der Geburtsstätte der „Leipziger Malerschule“, wurde für
die GfZK ein Gebäude auf das parkähnliche Grundstück gesetzt, das von außen betrachtet als Schulerweiterungsbau aus den 1960er Jahren durchgehen
könnte. Vom Boden ist es mit einer Fuge getrennt, als wäre die Konstruktion nur
vorübergehend hier abgestellt worden. Statt pathetischer Gesten, die den Betrachter zu einem Winzling schrumpfen lassen, orientierten sich Architekten und
Direktorin eher an den wohnzimmerhohen Räumen des dänischen Louisiana-Museums. Das Haus soll nicht überwältigen, sondern die Kunst aus der Sphäre der
Hochkultur auf Augenhöhe herunterbringen. Der Feind heißt Erhabenheit, auch
wenn er so scheinbar harmlos daherkommt wie im „white cube“, dem idealtypischen weißen Museumsraum der Moderne.
Die Lösung des paradoxen Problems, für eine Institution ein neues Gebäude erreichten zu wollen, die ihrerseits für sich in Anspruch nimmt, „institutionskritisch“
zu sein, führt zu einem Innenraum, der den etwas ausgeleierten Begriffen der
„Diskursivität“ und „Verhandelbarkeit“ überraschend neue Seiten abgewinnt: Mit
einem verblüffenden Schiebewandsystem lassen sich für jede Ausstellung andere
Wege, Belichtungssituationen und Raumstimmungen schaffen. Bis zu acht Meter
lange Wandscheiben können verschoben werden, wodurch immer wieder neue
Sequenzen und Zuordnungen entstehen. Es ist kaum fotografierbar, wie sehr
sich der Innenraum dadurch ändert. Der Effekt ist so dramatisch, dass nur zu bedauern ist, dass die Wände nicht von den Besuchern bewegt werden dürfen.
Nur wer zwischen zwei Ausstellungen die Möglichkeit hat, nach Herzenslust
die Wände des leeren Gebäudes zu verschieben, der bekommt eine Ahnung
davon, wie fundamental die Veränderungen sind, die das flexible Raumsystem
hervorbringen kann.
Wie alles an diesem Gebäude, ist auch seine Flexibilität in einen kleinen Theorieexkurs eingebettet: Denn hier wird nicht der neutrale, verwandelbare Raum
auf Basis eines geometrischen Rasters angeboten, der beispielsweise im Pariser
Centre Pompidou seinen Vorgänger hätte. Das Konzept erinnert eher an die
Storefront Gallery von Vito Acconci und Steven Holl in New York (1993), wo
der Ausstellungsraum zur Straße aufgeklappt und erweitert werden kann. In den
unregelmäßigen Raumzuschnitten der GfZK steckt ein hohes Maß an künstlerischem Eigensinn. Zugleich aber erscheint die im Grundriss kaum nachzuvollziehende kristalline Raumstruktur in der Realität als völlig plausible Versuchsanordnung. Jede Position der Schiebewände ergibt eine neue Interpretation des
Ausstellungsraums. Eine andere Referenz des Projekts sind die Pavillons des
Künstlers Dan Graham. Auch in der GfZK überlagern sich die Spiegelungen in
den Glasflächen und lassen Ausstellungsräume, Café und Kinosaal ineinander
fließen. Statt den Blick durch Achsen zu bändigen, schweift er herum wie in einem Kaleidoskop.
85
KPMG Leipzig
Beethovenstraße 1
Schneider und Schumacher Architekten, 1996/97
Das sechsgeschossige Gebäude für die KPMG in Leipzig befindet sich in einem
gründerzeitlich geprägten Viertel südlich des Stadtringes. Zwischen Beethovenstraße und der mittelalterlich geprägten Münzgasse entstand auf einem spitzwinkligen Eckgrundstück ein Stahlbetonskelettbau mit Ganzglasfassaden, dessen
geschwungener kristalliner Bug die erkerartigen Ausbildungen der umgebenden
Gebäude modern interpretiert. Die flächenbündige Glasfassade zur Münzgasse
lässt den Mittelteil der Gebäudefront zur überdimensionalen Vitrine werden und
verbindet so den Platzraum mit dem Atrium des Gebäudes. Zwischen der doppelverglasten Außen- und der einfachverglasten Büroraumfassade öffnet sich die
interne Halle, in welcher eine filigrane Erschließungsstruktur mit brückenähnli-
chen Übergängen zu den Bürobereichen, eine spektakuläre Treppe und zwei
gläserne Aufzugsschächte angeordnet sind. Durch den Lichthof sind Büroetagen
von außen erkennbar. Die Anbindung an die Massivbauten der Münzgasse erfolgt durch eine Übergangszone aus halbtransparenten Paneelen und verschließbaren Sonnenschutzelementen. Das Zentrum des Gebäudes bildet das durch
alle Geschosse reichende Atrium, das sich in der Detailbehandlung von Laufebenen, Treppen, Geländern usw. durch Transparenz und Geradlinigkeit, asketische Strenge und Klarheit auszeichnet.
Galerie:
Bildarchiv © Joerg Hempel Photodesign
Quelle:
http://joerg-hempel.com/gallery/A501
86
Stadtvillen im Musikerviertel
Auf dem Unkrautgelände hinter dem einstigen Gästehaus für DDR-Funktionäre,
auf dem früher Hubschrauber landeten, entsteht wieder ein Wohnareal. Das erste realisierte Gebäude ist die Stadtvilla von König Wanderer Architekten. Das
Objekt entstand als erstes im Rahmen des städtisch initiierten Selbstnutzerprogramms auf dem Gelände, auf dem vor dem Krieg Gründerzeithäuser standen.
Gemäß Bebauungsplan der parzellierten Gästehauswiese aus den 90er Jahren
müssen die Häuser an der Grenze zum Bürgersteig stehen, im Abstand von 6 m
zum nächsten Gebäude. Das Verhältnis von Wand- und Fensterflächen war festgelegt. Inzwischen sind einige dieser Stadtvillen mit unterschiedlicher Formensprache entstanden. Ambitionierte Entwürfe für weitere Stadtvillen werden auf
großen Schildern auf verschiedenen Grundstücken am Rande der Wiese beworben. Investierwillige Bauherren, die sich für kühne, kubische, moderne Architektur interessieren sind rar. Architekten, die selbst als Bauträger auftreten können,
hätten es auch hier leichter, anspruchsvolle Entwürfe zu verwirklichen.
König Wanderer Architekten
Der Wegweiser für die Zukunft der Gästehauswiese könnte die Haydnstraße
11–15 sein. In Abstimmung mit dem Stadtplanungsamt entstand in 2003 das
Konzept: ein Stadthaus für drei Familien. Der kompakte Baukörper mit der dunklen Klinkerfassade, die in verschiedenen Schieferfarben schimmert, wirkt wie ein
moderner Monolith – Kontrapunkt zu Gründerzeithäusern und Plattenbauten in
der Nachbarschaft. Die Ziegel bilden an allen vier Seiten die Haut des Monolithen, der sich zur Straße und zur Wiese öffnet und zu den Nachbarhäusern hin
weitestgehend geschlossen bleibt. Zur Wiese hin bestehen die Ausfachungen in
den Ziegel verkleideten Rahmen aus großzügigen erdfarbenen Holz- und Glaselementen, zur Straße hin sind sie dunkel.
Die Wohneinheiten sind 5 m breit und umfassen vier Etagen. Die Deckenfelder
im oberen Bereich sind zum Teil herausnehmbar, um die Wohnungen nach
oben erweitern zu können. Schmale Treppen, klare Grundrisse, bündige Fensterund Türrahmen bestimmen das Bild. Schiebetüren und Einbauschränke sind
ebenfalls von den Architekten entworfen. Das Haus ist mit Erdwärmesonden ausgestattet und für einen Aufzug vorgerüstet. Die notwendigen Stellplätze sind
unter der 5 m tiefen Auskragung im Eingangsbereich platziert, die von vielen
Bewohnern stattdessen als offener Fahrradabstellbereich genutzt wird. Die Architekten hoffen, dass es eine Art Bauaustellung wird. Keine beliebige Architektur,
sondern ein Ensemble moderner Bauten, die sich klar positionieren.
www.koenigwanderer.de
www.fuchshuberpartner.de
Fuchshuber + Partner
Für die Bebauung des Eckgrundstückes Ferdinand-Rhode-Straße/Robert-Schumann-Straße im Musikerviertel von Leipzig haben sich zwei Bauherren gefunden
gemeinsam die Bauaufgabe durchzuführen. Aus den Anforderungen des B-Planes heraus ist für dieses Grundstück ein Gebäude vorgesehen. Auf Grund der
Größe wurde das Flurstück geteilt und es entstanden zwei Häuser in der Gesamterscheinung als eines.
Die Nutzung der Gebäude erstreckt sich gemäß den Vorgaben an die Geschossigkeit über vier Ebenen, wobei das Erdgeschoss den Nebenräumen und Technik/Garage vorbehalten ist und die Wohnräume sich in den Obergeschossen
befinden. Die Wohn- und Schlafebenen der beiden Nutzungseinheiten sind im
Wechsel im 1. bzw. 2. Obergeschoss untergebracht. Die Dachterrassen mit angrenzendem Studio bilden jeweils den oberen Abschluss. Den Komfort zur Verbindung der Etagen bietet jeweils ein Aufzug.
Bei der individuell auf die speziellen Bedürfnisse abgestellten Planung der einzelnen Grundrissebenen wurde auch im Hofbereich mit der Privatsphäre der
Nutzer sensibel umgegangen. Die Gebäude sind in massivem Mauerwerk mit
Wärmedämmung als Niedrigenergie- bzw. Passivhaus errichtet worden. Das
sich in Fertigstellung befindliche Gebäude fügt sich eigenständig in die umliegende, offene Bebauungsweise ein. Durch das gemeinsame Entwickeln eines
Gebäudetyps auf zwei in sich verschränkten Grundstücken ist der Spagat zwischen den planerischen Eckpunkten und einer großzügigen Bebauung gelungen.
EG
1. OG
2. OG
3. OG
90
Café Grundmann
August-Bebel-Straße 2/Mahlmannstraße 16
Das 1880 errichtete Wohngebäude bildet den Auftakt der noblen Bauten in der
August-Bebel-Straße, die zu den schönsten Ensembles des Historismus und des
Jugendstils in Leipzig gehört. Hier befindet sich das interessanteste Café-Interieur
der Stadt Leipzig. Die im Original erhaltene Art-déco-Ausstattung stammt aus
dem Jahr 1930. Der damalige Besitzer des typischen Wiener Cafés, der Konditormeister Lutze, ließ in diesem Jahr die edle hölzerne Wandverkleidung und die
Stuckdecke einbauen sowie das heute noch im wesentlichen erhaltene Mobiliar
aufstellen. Seit dem Jahr 1919 wird das Café ununterbrochen von Konditormeistern bewirtschaftet. Sowohl die immobile Ausstattung, d.h.: Decke, Wände
etc., als auch die Möblierung wurden nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten restauriert. Besonderen Reiz bezieht das Interieur aus der Verwendung der
Satin-Holz-Verkleidung der Wandflächen, die horizontalen Gliederungen sind
dagegen aus Mahagoni gearbeitet.
Satin-Holz ist eine ältere Modebezeichnung für eine Gruppe tropischer Hölzer,
die in den 1920er Jahren gern verwandt wurden. Das Café ist seit dem Jahr
2000 nach seinem neuen Besitzer Eckehart Grundmann benannt. Bemerkenswert feinfühlig sind die neuen Radleuchter im Restaurantraum durch den Leipziger Künstler Stefan Francik als gelungene Art-déco-Adaption gestaltet.
Quelle:
www.cafe-grundmann.de
91
Industriearchitektur in Plagwitz
In Leipzigs Westen hat sich mit dem Stadtteil Plagwitz ein ca. 90 Hektar großes
Flächendenkmal der Industriearchitektur erhalten, das seinesgleichen sucht. Es
war das erste planmäßig entwickelte, großräumige Industriegebiet Deutschlands.
Das deutsche Unternehmertum ist eng mit der Geschichte von Plagwitz verbunden und wurde erheblich vom Gutsbesitzersohn und Rechtsanwalt Dr. Carl Erdmann Heine (1819–88) geprägt. Durch sein Engagement in den Jahren
zwischen 1840 und 1880 wurde Leipzig zum Vorreiter der deutschen Industrialisierung. Schon früh zeigte sich Heine von der damals noch revolutionären Eisenbahn sowie der wirtschaftlichen Nutzung von Wasserwegen begeistert. So
handelt es sich bei dem 1873 eröffneten Bahnhof Plagwitz-Lindenau um den ersten Industriebahnhof Europas. Heines Visionen ermöglichten den Bau eines Kanals, der zur Schaffung einer Schifffahrtsstraße von Leipzig nach Hamburg
führen sollte. Ziel war, die in Leipzig produzierten Industriewaren über den
Hamburger Hafen weltweit abzusetzen. Der Visionär erwarb in Plagwitz große
Wiesen und Ackerland und nutzte diese für Wohnungsbau und Industrieansiedlung. Er legte das sumpfige Gebiet trocken und regulierte Wasserläufe.
Weiterhin engagierte sich Heine stark für die Ansiedlung von Industrieunternehmen und kümmerte sich um deren Anbindung an die Wasserwege bzw. an das
Schienennetz. Die Kombination von Wohnquartieren und Arbeitsstellen war einmalig und verhalf der Industrie – in Verbindung mit den idealen Transportwegen
– zum stürmischen Aufbruch.
Ab 1920 ließen Rüstungsindustrie, Aktienspekulation, Krieg und wirtschaftlicher
Verfall der sozialistischen Planwirtschaft den Industriestandort immer mehr ins
Hintertreffen geraten. Nach der Wende 1989 erfolgte endgültig der Niedergang von Plagwitz, das im Zweiten Weltkrieg nur geringfügig beschädigt wurde. Nachdem fast eineinhalb Jahrhunderte die Schornsteine geraucht hatten,
folgte die Deindustrialisierung im Zeitraffer. Die Betriebe wurden liquidiert, die
Bevölkerung wanderte ab und es kam zu hohem Leerstand und Abrissen. Über
90.000 Industriearbeitsplätze gingen in Leipzig verloren, davon ein großer Teil
in Plagwitz. Der Stadtteil wurde totgesagt und schien endgültig dem Verfall
preisgegeben. Gespenstische Häuser, leere Fabrikgebäude, vom Gras überwucherte Bahngleise und verschmutzte Gewässer prägten dessen Image.
Nun waren abermals Visionen gefragt. Eine neue Gründerzeit begann. Die
Baudenkmäler sowie die Gewässer und Gleisbogen, die in ihrer Gesamtheit
den einzigartigen Charme von Plagwitz ausmachen, sollten renoviert und rekonstruiert werden. Die Stadt und zahlreiche Investoren starteten ein umfangreiches
Aufbauprogramm. Im Jahr 2000 erhielt Plagwitz als externer Standort der Hannoveraner EXPO unter dem Motto „Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhundert –
Quelle:
www.leipzig.de
Was für Hamburg die Speicherstadt, das ist für
Leipzig – industriearchitektonisch gesehen – der
Stadtteil Plagwitz mit seinen Fabriken der Jahrhundertwende. 1989, im Jahr der Wende, hatte
Plagwitz 37.000 Bewohner. Von den etwa 800
hier vorhandenen Betrieben waren rund 40
Großbetriebe. Der Niedergang der Industrie,
der Verfall der Stadt, eine extreme Umweltbelastung – dies alles waren Indizien für das Ende
des Sozialismus. In Plagwitz wurden sie auf besonders deprimierende Art erlebbar. Mit dem
fast völligen Wegbrechen der Industrie nach
1990 entstand eine städtebauliche Situation, die
kaum Zukunftschancen in sich zu bergen schien.
Auch die heruntergekommene Wohnbebauung
schien in dieser unwirtlichen Umgebung wenig
Sanierungsaussichten zu haben. Wer heute Plagwitz durchstreift, wird verblüfft sein. Nicht nur
viele Wohnhäuser, sondern auch eine große
Zahl von Industriebauten ist heute schon Instand
gesetzt und neu genutzt. Diese Entwicklung ist
geprägt von modernisierten Wohnungen der
Wilhelminischen Epoche, von umgenutzten Industriearchitekturen und künftig auch von neuem
Großgrün auf den von Karl Heine weitsichtig angelegten, künftig aber nicht mehr benötigten
Gleisschneisen, deren Schienenstränge das Gebiet kammartig erschließen. Insbesondere die
teils großartigen Industriebauten prägen das architektonische Milieu dieses Stadtteils.
Quelle:
Leipzig, Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart, Wolfgang Hocquél, Passage Verlag,
2. Auflage
Ein Stadtteil im Wandel“ weltweite Aufmerksamkeit und damit einen deutlichen
Entwicklungsschub.
Glücklicherweise überdauerten die meisten Bauensembles der Gründerzeit und
der frühen Moderne die schwierigen Jahre und entfalteten nach ihrer Restaurierung bald den Reiz einer untergegangenen Welt. Heute kann man ehrfurchtsvoll
die prachtvollen Backsteinbauten sowie die beeindruckenden Brücken über den
Karl-Heine-Kanal bewundern, die Leipzig zur Hafenstadt machen sollten. In ehemaligen Fabrikhallen sind exklusive Lofts entstanden, in deren Höfen dank Wurzelheizung exotische Palmen gedeihen.
Architektonisch bedeutsam sind u.a. die im Jahr 1866 gegründete „Wollgarnfabrik Titel & Krüger” (Nonnenstraße/Elsterstraße), das 1928 nach Entwürfen
des Hamburger Architekten Fritz Höger erbaute Verwaltungsgebäude der Leipziger „Konsum-Zentrale” (Industriestraße 85–95) – eine grandiose Symbiose von
Backsteinexpressionismus und Neuer Sachlichkeit – die 1880 gegründete „Maschinenbaufabrik Unruh & Liebig” (Naumburger Straße 28) und die zwischen
1879 und 1925 in der Nonnenstraße errichteten „Buntgarnwerke” – eines der
größten Gründerzeitdenkmale Deutschlands. Wer eine Bootstour auf dem KarlHeine-Kanal macht, dem wird mit Sicherheit ein widerspenstiges Gebilde ins
Auge fallen: Das 2003 nach einem Umbau eröffnete „Stelzenhaus” (Weißenfelser Straße) – ein ehemaliges Wellblechwalzwerk der Firma „Grohmann &
Frosch” – wurde aufgrund Platzmangels Ende des 19. Jahrhunderts an einer Kanalbiegung errichtet. Getragen wird das streng funktionalistische Gebäude von
wuchtigen Betonstützen.
Die Entwicklung Plagwitz von einem Dorf zum Industriestandort lässt sich vier
Epochen zuordnen: Die Industrialisierung 1840–70, Welthandel und Gründerboom von 1870–1918, Weltwirtschaftskrise und Kriegsmaschinerie von
1920–45, Aufstieg und Fall als Industriestandort nach dem Neubeginn von
1945–89. Das brache Industrieviertel hat sich inzwischen zu einem modernen,
grünen, sozial verträglichen und begehrten Quartier für Wohnen, Arbeit und
Freizeit umgewandelt, das in Deutschland seinesgleichen sucht.
93
Buntgarnwerke
Architekten: Ottomar Jummel
und später Händel & Franke, 1879–88
Die Buntgarnwerke Leipzig GmbH entstand 1990 aus der Umwandlung des
Volkseigenen Betriebes Buntgarnwerke Leipzig, einem Textilkombinat mit 3
Standorten in Sachsen. In den Folgejahren wurde die Produktion nach Tschechien verlagert und die deutschen Standorte umgewidmet. Der Elster-Park in Leipzig ist mit seinen 100.000 m2 Brutto-Geschossfläche Europas größtes Industriedenkmal aus der Gründerzeit. Wasser durchzogen und zentral gelegen zählt er
zu den aus zahlreichen Fernsehfilmen und Presseveröffentlichungen bekannten
Sehenswürdigkeiten der Stadt Leipzig.
Die Front an der Elsterseite der Nonnenstraße ist etwa 250 m lang und wird
von mehrgeschossigen Spinnereigebäuden gebildet. Bemerkenswert ist der markante, kuppelbekrönte Turm am Haupteingang. Die kräftige Gliederung der Klinkerarchitektur durch helle, horizontale Putzstreifen und Natursteinelemente lässt
den Bau ungewöhnlich gewaltig erscheinen. Die Anlage wirkt trotz der zeitlich
weit auseinander liegenden Bauabschnitte insgesamt dennoch sehr einheitlich.
Auch das 1922/23 gebaute Kesselhaus passt sich dem vorgegebenen Gründerzeitstil an. Der linke, östliche Eingang der Nonnenstraße ist von einem Vordach auf hohen schlanken Pfeilern betont.
Vielfach ausgezeichnet gehörte der Elster-Park nicht nur zum weltweiten Themenpark der Expo 2000, sondern wurde auch in das Bewerbungskonzept zur
Olympiade 2012 aufgenommen. In 2006 wurde das Ensemble dem internationalen DIFA Award (Platz 3) ausgezeichnet. Der Elster-Park liegt 1,5 Kilometer
vom Rathaus und der Innenstadt entfernt am Nonnenpark. Vom Karl-Heine-Kanal
und der Weissen Elster durchzogen bildet er ein Quartier, das seinesgleichen
sucht. Sie finden dort heute u. a. Restaurants, Szenebars und eine Tanzschule,
Loftbüros von 50 bis 5.000 m2, Wohnungen und ein Boardinghaus, Handel
und Dienstleistungen, Ärtzehaus mit Apotheke.
1866 Gründung der Seiden-, Garn- und Tapisseriewarenhandlung C.A. Tittel am Markt 19
1869 Herr A. A. Krüger wird Teilhaber
1875 Erwerb des Grundstücks in Plagwitz in der
Nonnenstraße
1878 Errichtung einer Fabrikation von Tapisseriewaren
1887 Gründung der „Sächsischen Wollgarnfabrik Tittel & Krüger Aktiengesellschaft“ 542 Beschäftigte produzieren 600.000 kg Tapisseriegarne im Jahr
1888–98 Bau weiterer Spinnereigebäude in
Backsteinarchitektur mit dekorativer Natursteingliederung
1901 Umsatz des Betriebes bereits über 12
Mio. Reichsmark
1906–08 Verlegung der Berliner Filiale nach
Leipzig, Bau des 2.Abschnittes auf der Schleußiger Uferseite (Hochbau Süd)
1911 etwa 2.000 Arbeiter und Angestellte
1923 noch etwa 1.000 Beschäftigte
um 1926 Übernahme der Gebäude der Firma
Phil. Penin in der Nonnenstraße 42/44, gegründet 1878
1938 Der Umsatz beträgt 25 Mio. RM, der
Reingewinn 1,4 Mio. RM
1951 Die Wollgarnfabrik wird Treuhandbetrieb
des Rates der Stadt
1950–52 Nach Einstellung der Produktion von
Handstrickgarnen beginnende Vermietung umfangreicher Produktionsräume
1952–90 VEB Leipziger Wollgarnfabrik, anschließend Verschmelzung zur Mitteldeutsche
Kammgarn, ab den 70er Jahren VEB (volkseigener Betrieb) Buntgarnwerke Leipzig
1990 Umwandlung des VEB Buntgarnwerke
Leipzig in Buntgarnwerke Leipzig GmbH
1991 Verlagerung der Produktion von Sachsen
nach Tschechien
1992 Privatisierung
Quellen:
Unterlagen des Sächsischen Staatsarchivs
Leipzig,
www.buntgarnwerke.de/html/historie.html
94
Lofts am Elsterufer
Holbeinstraße
Gregor Fuchshuber & Partner
Für die verschiedenen Baukörper der ehemaligen Buntgarnwerke existierten seit
der Aufgabe des Betriebes im Jahr 1991 die unterschiedlichsten Nutzungskonzepte. Letztendlich wurde für den Hochbau Süd ab 1998 die nunmehr fertig
gestellte Umnutzung in ein Wohngebäude realisiert. Gestalterisch und entwurfstechnisch wurden dabei in vielfältiger Hinsicht neue Wege beschritten: Ziel war,
die Außenhülle mit ihrer Fenstergestaltung, die durch Kriegseinwirkung und
Nachkriegsreparaturstau weitgehend vermauert waren, wiederherzustellen und
gleichzeitig im Inneren für die Wohnnutzung angemessene Belichtung und Belüftung herzustellen. Darüber hinaus sollten, soweit vorhanden, die originalen
Ausstattungsdetails (Tore, Treppenhäuser, Decken) weitestgehend erhalten bleiben. Auch der bauliche Charakter des Fabrikgebäudes und insbesondere die
technisch extrem anspruchsvolle, gewölbte Stahlbetondeckenkonstruktion blieben im Neubau unverändert sichtbar. In die etwa 5 m hohen Fabriketagen wurden mehrgeschossige Wohneinheiten eingefügt, die funktional und gestalterisch
überzeugen und am Markt gut angenommen werden.
Der Gebäudeteil Hochbau Süd der Buntgarnwerke ist in einer Eisenbetonkonstruktion 1906 in Straßburg durch die Firma Züblin geplant worden. Hinter einer konventionellen Ziegelfassade mit dekorativen Putzbändern verbirgt sich ein
für die Bauzeit hochmodernes Stahlbetonskelett mit 2-schaligen Decken. In die
ehemals ca. 40 m breiten und 100 m langen Industriehallen wurde zur Belichtung der errichteten Wohneinheiten ein Innenhof eingeschnitten. Die ca. 5 m
hohen Räume wurden innenhofseitig durch eine Galerie unterteilt und verfügen
im Gegensatz zur geräumigen Wohnhalle fassadenseits über eine gegliederte
Zimmerstruktur nach Wunsch des Nutzers.
Der Zugang erfolgt über die nach innen auskragenden Laubengänge. Der filigrane Aufzugsturm, der sowohl die Erschließungslaubengänge, als auch die
metallenen Fluchtstege auf den Zwischenebenen anbindet, ist gestalterisch das
bestimmende Element des Innenhofes. Die originalen Ausstattungsdetails Tor, Verblechungen und Schmuckelemente wurden originalgetreu wiederhergestellt. In
den Treppenhäusern wurden ebenfalls die originalen Geländer modernen Sicherheitserfordernissen angepasst und mit Handläufen versehen. Insbesondere
auf die Ausbildung der Putzschalen wurde großer Wert gelegt. Der Charakter
des Industriebaus bleibt spürbar.
Im Inneren der Wohnungen ist klar abzulesen, was originaler Bestand und was
Neuzufügung ist. Die Decken sind unverputzt, die originale Schalungsstruktur ist
sichtbar. Die Wohnungstrennwände wurden in sichtbar belassenem Kalksandstein-Fasenmauerwerk ausgeführt und farblich vom Altbestand abgesetzt. Darüber hinaus wurde bei der Materialauswahl und bei der Wahl der Formensprache Wert darauf gelegt, einen Einklang zwischen der funktionalen, vorgefundenen Architektursprache und einer möglichst klaren, stringenten Lösung der
Neueinbauten zu finden.
95
Sweetwater
Stadthäuser an der Weißen Elster, Fertigstellung 2006
Architekten: Weis & Volkmann Architektur
mit Ernst Scharf, Arch 42
www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/projekte/wettbewerb/architektur
Im Kontext des Umbaus der Stadt Leipzig von der hochverdichteten Industriestadt zum urbanen Wohnort stellt das Projekt „Sweetwater“ ein bemerkenswertes
Beispiel vor: Hier wurde ein Grundstück entwickelt, das groß genug ist, ein kleines Wohnquartier am Wasser ins Leben zu rufen. Obwohl die Grundstücksfläche mit an angelsächsischen Vorbildern orientierten Reihenhäusern gut ausgenutzt wird, bleibt dennoch auch ausreichend Raum für private und öffentliche
Freiflächen. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass durch die Anordnung
und Proportionierung der Bauten auch bestehende Räume abgerundet und akzentuiert werden und ein neuer kleiner Stadtplatz als Quartierszentrum eingefügt
wurde.
Das „Sweetwater“ bildet mit seinen dreigeschossigen Zeilenbauten in der Nachbarschaft massiver Industriebauten aus dem 19. Jahrhundert natürlich eher einen
Fremdkörper. Aber es gelingt, eine neue Stadtinsel zu bilden, die in sich schlüssig ist, ein attraktives, alternatives Wohnangebot macht und sich offen in das
Gewebe der bestehenden Stadt integriert. Darüber hinaus bietet „Sweetwater“
wirtschaftlich erschwinglichen Wohnraum in einer sehr attraktiven zentralen
Lage. Der Mut und Innovationswille der Architekten und vor allem auch der Entwickler ist vorbildhaft und soll mit einer Anerkennung gewürdigt werden.
Lobende Erwähnung beim Architekturpreis 2007 der Stadt Leipzig.
96
Baumwollspinnerei
Spinnereistraße 7
Mit der Produktion wuchs auch die Zahl der
Menschen in der Spinnerei. Arbeiten in der
Baumwollspinnerei hieß letztlich auch dort leben.
So arbeiteten die Männer ca. 14, die Frauen
ca. 11 Std. am Tag. Das nähere Umfeld der
Spinnerei wurde Piependorf genannt. Die Frauen
trugen alle Schürzen, lange Röcke und viele
Kämme im Haar. Gegen Morgen, nach Austragung von etlichen Faustkämpfen, gab es dann
„Kranke“ und „Verletzte“. Eine stichhaltige Begründung zum „Blaumachen“ war also gegeben.
Wie gesagt, es war ja alles so billig. In den Mittagspausen, in welchen beim Pfeifer-Louis auch
oft getanzt wurde, und zum Feierabend standen
am Eingang zur Spinnerei die Straßenhändler
und boten Apfelsinen, Bücklinge, oder auch
Gipsfiguren und Textilien feil; es war alles da.
Der Freitag war der große Tag. Mittags bekamen die Frauen ihren Lohn, zum Feierabend die
Männer. Da wurde „gelebt“. Mittags lachten der
Bäcker und der Obsthändler, am Abend die
Gastwirte. Sonnabends hatte die Kantine die
Ehre. Für ein Mark bekam man die halbe Welt.
Die Piependorfer Eingeborenen lebten wie eine
große Familie, keiner war reicher, keiner war ärmer als der andere. Sie vermehrten sich, rauften
auch manchmal und standen vom Freitag bis
Die Spinnerei ist eine historische Fabrikanlage, die in den Jahren 1884 bis
1907 zur größten kontinentaleuropäischen Baumwollspinnerei gewachsen war.
Nach ihrer Gründung im Jahre 1884 wuchs im Westen von Leipzig eine regelrechte Fabrikstadt mit über 20 Produktionsgebäuden, Arbeiterwohnungen, Kindergärten und einer Erholungssiedlung heran. 1907 hatte die Fabrik ihre größte
Ausdehnung erreicht. Auf rund 100.000 m² Bruttogeschossfläche wurde mit
240.000 Spindeln Baumwolle verarbeitet. Bis zu 4.000 Menschen haben hier
bis 1989 im Drei-Schichtbetrieb gearbeitet. Nach der Wiedervereinigung wurde die Produktion eingestellt.
Das eigentliche Fabrikgelände der Spinnerei mutet regelrecht wie eine kleine
Fabrikstadt an. Es handelt sich um eine geschlossene Quartierbebauung auf rd.
6 ha Größe. Die Spinnerei ist eingegrenzt durch die Spinnereistrasse, die Thüringer Straße, die alte Salzstrasse und die Saalfelder Straße. Das Fabrikgelände zeigt sich nach Außen verschlossen und ist im Inneren bestanden mit 20 Einzelgebäuden. Neben den vier ehemaligen großen Spinnereien, heute die Hallen 7, 14, 18 und 20, gibt es weitere 16 ehemalige Funktionsgebäude. Von
ursprünglich 24 Gebäuden sind diese noch erhalten. Fast alle Gebäude wurden als sehr massive Backsteinbauten errichtet. Der komplexe Erhaltungsgrad
der historischen Bausubstanz hat nach dem Niedergang der Baumwollgarnproduktion in den frühen 90er Jahren eine langsame aber kontinuierliche Wiederbelebung und schonende Sanierung der Fabrik ermöglicht. Oft geht es sogar
mehr ums Konservieren als ums Sanieren. Ein wichtiges Anliegen des Sanierungszieles ist es möglichst viel zu bewahren und trotzdem gute Bedingungen
für die neuen Mieter zu schaffen.
Sonntag unter dem Einfluß des Alkohols. Die Gegend war in Leipzig berüchtigt und deshalb gemieden. Nur die Friedhofsbesucher kamen und
gingen. Wer Sonntags ausging nach der inneren Stadt, der musste sozusagen Spießrutenlaufen. In der Thüringer-Straße lugten tausend
Augen, vom gewaltigen Betriebskrankenkassenmann Scheer bis zur letzten Hausfrau. Man
mußte doch sehen, was die Vorübergehenden
auf dem Leibe hatten. Ich sagte schon, es war
eine ärmliche Welt. Die Romantik war geringer
Natur, die Poesie kümmerlich. Und doch sah und
hörte der Aufmerksame soviel, als er zu einem
ganzen Roman brauchte. Es war ja doch der
Abglanz der großen Welt von draußen. Bis
1899 waren ein Kindergarten und weitere Arbeiterwohnhäuser entstanden. Eine 21 Mann
starke Musikkapelle und der „Männerchor Frohsinn“ wurden ins Leben gerufen und werden gerne zu betrieblichen Gelegenheiten herangezogen. 1903 setzt ein Streik den 10 Stunden Arbeitstag durch.
www.spinnerei.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Leipziger_Baumwollspinnerei
Künstler, die heute die neue Leipziger Schule prägen, fanden und finden bis
heute die idealen Atelierräume und die nötige Ruhe für ihre Arbeit. Kreative wie
Architekten, Drucker, Designer und Modemacher haben sich mit viel Eigeninitiative ihren idealen Lebens- und Arbeitsbereich geschaffen. Kleine Handwerksbetriebe sowie die verschiedensten Dienstleistungsbetriebe fanden in der Spinnerei
das geeignete Umfeld. Gastronomie, Theater- und Tanzgruppen, Kunst- und Kulturinitiativen, kleine spezielle Läden und individuelle großflächige Wohnlofts bewirken neben der einzigartigen Architektur der komplexen Fabrikstadt den
Charakter einer ausgesprochen charmanten Urbanität. Viele der heute weltbekannten Namen der Neuen Leipziger Schule waren die Pioniere der Revitalisierung. Inzwischen sind über die Hälfte aller Flächen wieder vermietet.
Zu einem großen Schwerpunkt innerhalb der Spinnerei haben sich die Kunstproduktion, die Kunstpräsentation und der Kunsthandel entwickelt. Über 100
professionelle Künstler allein aus dem Bereich der bildenden Künste arbeiten in
dem Areal. 13 Galerien und Ausstellungsflächen, Galerie EIGEN + ART, Dogenhausgalerie, Galerie Matthias Kleindienst, die Galerie b2, die maerzgalerie, ASPN, FRED London/Leipzig, Filipp Rosbach Galerie, PIEROGI Leipzig,
Kavi Gupta Galerie (Chicago), LADEN FUER NICHTS und das kostendeckend
arbeitende SPINNEREI archiv massiv sowie die Non-profit Fläche der Stiftung
Federkiel in der Halle 14 präsentieren Kunst aus Leipzig und aus aller Welt. Abgerundet wird das Bild durch die Ansiedelung des Künstlerbedarfshandels boesner, der inzwischen zum wichtigen Versorger für die vielen Künstler am Ort
geworden ist.
98
Konsumzentrale
Sonderheft Expo 2000 - Auswahltext 2
Bernd Sikora
Flaggschiff (gekürzter Text)
Die Leipziger Konsumzentrale des Architekten Fritz Höger
Eine interessante Verbindung zwischen dem Expo-Außenstandort Leipzig-Plagwitz und dem Zentrum der EXPO 2000, Hannover, bietet der Erweiterungsbau
der Konsumzentrale in Leipzig-Plagwitz, der zwischen 1929 und 1933 vom Architekten Fritz Höger gebaut wurde. Den Auftrag für das Verlagshochhaus in
Hannover erhielt Höger auch auf Grund des Ruhms, den er durch das Hamburger Chilehaus (1921–24) erlangt hatte: Hier hatte er gezeigt, dass er den
„Geist des Ortes“ durch die dort spezifischen Gestaltungsformen und die gebietstypischen norddeutschen Klinker auf besondere Weise herausarbeiten konnte. Die an einen Schiffsbug erinnernde Ostseite des vielgeschossigen Chilehauses brachte für Höger und Hamburg ein höchst wirkungsvolles Markenzeichen.
Andere vermögende Auftraggeber wollten diesen Effekt ebenfalls für sich nutzen. Für den von der norddeutschen Landschaft, ihrer Bautradition und ihrem
Handwerk geprägten und mit expressiven Elementen des Art déco arbeitenden
Höger ergab sich so für mehrere Jahre eine äußerst günstige Auftragslage. Es ist
interessant, dass nach 1933 in Deutschland nicht nur die im Stil der internationalen Moderne tätigen Architekten, wie beispielsweise Walter Gropius und
Erich Mendelsohn, sondern auch der sich auf die norddeutsche Klinkerarchitektur beziehende Höger (Goebbels fand seine Bauten „sowjetisch“) von der faschistischen Kulturpolitik abgelehnt wurden. Die Nazis bevorzugten an römischen und klassizistischen Architekturen orientierte Formen, wie sie bereits vor
1914 geschaffen worden waren.
Doch zunächst waren es Högers Bauten in Hamburg und Hannover, die Anlass
zur Einladung für die Teilnahme am Wettbewerb für den Erweiterungsbau der
Leipziger Konsumzentrale boten. Höger gewann den 1. Preis und konnte in drei
Baustufen seine Planung realisieren. Sicher waren es auch die Perspektivzeichnungen, die zum Wettbewerbserfolg Högers geführt haben, thematisierten sie
doch das Motiv „Schiff“ gegenüber dem Chilehaus auf neue Weise als stromlinienförmig orientierte Schichtung der Decks eines Schiffs, das vorüberzieht. Der
damals äußerlich relativ charakterlose Vorort Plagwitz befand sich im Aufbruch:
Der Kanal sollte bis nach Hamburg geführt werden, und dafür wurde der Lindenauer Hafen ausgebaut. Tempo, zu erreichendes Ziel – diesen Gedanken griff
Höger auf, ganz im Geiste des erfolgsorientierten Vorstands der Genossenschaft. Der italienische Höger-Monograph Piergiacomo Bucciarelli sieht in der
1992 erschienenen deutschen Übersetzung in der Konsumzentrale einen deutlichen Bezug zu Erich Mendelsohn und auch zum Roxy-Palast (1929) Martin Punitzers, „einem der repräsentativsten Beispiele der Berliner Neuen Sachlichkeit“.
Der Besucher von Leipzig-Plagwitz findet mit der Konsumzentrale einen Bau,
ohne dessen Reflexion der Blick auf die Architektur um 1930 und den Architekten Fritz Höger unvollständig wäre. Leipzig macht es dem Besucher heute auch
leichter, Zugang zum Architekten und zu seinem Bau zu finden. Noch vor einem
Jahrzehnt verband das Konsumareal 2 von maroden Gebäuden gesäumte Straßenschluchten. Nur wenigen mag bis zu dieser Zeit das Besondere der Klinkerfront mit den „Schüsselglas-Scheiben“ aufgefallen sein. Inzwischen ist gegenüber ein Stadtteilpark entstanden. Er führt bis zum Karl-Heine-Kanal, der nun-
mehr wieder eine, wenn auch bescheidene, Personenschifffahrt ermöglicht und
in unmittelbarer Nähe des Konsumbaus eine Anlegestelle erhalten wird. Nun
stellt sich mit der gewonnenen Fernansicht der Sinnzusammenhang her, wird
Högers inhaltlicher Entwurfsansatz erst verständlich: Das symbolträchtige Bild erinnert an Großraumfähren oder Containertransporter mit ihren aufgesetzten Führungsbrücken.
Die Architektur ergibt sich aus der Funktion „Lagern und Verteilen“. Auch die Detailformen und Farbgebungen sind der Motivwelt von Reederei und Kontor, von
Schiff und Meer entlehnt: Die Fußbodenkeramik der Eingangshalle weist den
Farbton von den Wettern ausgesetzten Schiffsböden auf, die Wandfliesen zeigen das Blaugrün von Wasser und Eisbergschmelze. Das Treppengeländer ähnelt Stahltrossen mit einem Poller am festen Ufer. Handläufe und Poller sind mit
Messing veredelt. Keine scharfen Kanten und Zacken gibt es mehr, alle Rahmungen sind gerundet. Wandvertäfelungen mit Wurzelfurnier befinden sich vor elegant geformten Funktionseinbauten. Das Portal besitzt blattgoldbelegte Bänder
aus Klinker. Auf dem „Oberdeck“ befindet sich der Saalaufbau, gerundet und
kühn gen Westen, zum Weltmeer gerichtet. An der Seitenflanke ist der Mast
des Flaggschiffs angesetzt.
Der Konsumverein hatte die 1933 und nach 1945 oktroyierten Strukturänderungen überlebt. Selbst wenn heute das rege Leben der einstigen Güterproduktion,
der Verpackung und Verteilung nicht mehr nachvollziehbar ist, entsteht doch eine
Dienstleistungsstruktur neuer Art für die heute etwa 150.000 Konsum-Mitglieder
und die erhoffte große Zahl neuer Mieter im Haus. Mit Stolz kann der Vorstandsvorsitzende Stephan Abend vom Konzept einer behutsamen, denkmalgerechten Sanierung, die sich auf die in einer Ölpapierrolle unter Schutt wieder
aufgefundenen Originalpläne Högers stützen kann, und von modernen Nachnutzungsstrategien, die der beauftragte Projektentwickler MAKO verfolgt, berichten.
Das Areal hält auch – über den Innenhof – die Entdeckung der Konsumgeschichte parat. Durch die erhaltene Putzfassade des ersten Baubestands wird
die Geschichte bis ins Jahr 1884 nachvollziehbar. Damals war am 8. Mai der
„Consum-Verein für Plagwitz und Umgegend“ gegründet worden. Durch eine
umsichtige Finanzpolitik konnte der Verein sehr bald seine positive Bilanz erweitern, die Mitgliedschaft erhöhen und etliche Filialen einrichten. Nach der 1890
erfolgten Eingemeindung von Plagwitz erhielt er den Namen „Konsumverein
Leipzig-Plagwitz und Umgegend“. Aus dieser Zeit stammt der rote Ziegelbau am
schmalen Ostende des Hofs. 1903, im Jahr eines großen Brands auf dem Gelände, schlossen sich die deutschen Konsumvereine zu einem Zentralverband
zusammen. Der Leipziger Verein wurde eines der stärksten und erfolgreichsten
Mitglieder. Er produzierte unter anderem Leipziger Konsumbrot und ließ für sich
produzieren, verpackte und verteilte zum eigenen Gewinn und zum Nutzen seiner Mitglieder. Dem Erweiterungsbedarf konnte durch zusätzliche Flächenkäufe
und die nach Högers Plänen errichteten Bauten entsprochen werden. Die Lagerhausfassade greift mit waagerechten Lichtbändern und Bullaugenfenstern ebenfalls das Schiffsmotiv auf. Der flachere Einschnitt in der Front macht deutlich,
dass der Gesamtentwurf nach 1933 nicht restlos umgesetzt werden konnte. Der
Eckturm mit dem Verwaltungstrakt und einer großen Turmuhr vervollständigt das
einer Hafensituation nicht unähnliche Bild. Aber zwischen Außen- und Innenfront
zeigt sich an einer Stelle ein scheinbarer Widerspruch, denn der gründerzeitliche Putzbau ist an der Industriestraße nicht erkennbar. Geschickt hat Höger ihn
mit einer massigen Klinkerfassade umbaut. Die Fassade steht auch bei allen Erweiterungsbauteilen vor dem Tragwerk. Eine gesonderte Fassadenhaut, vorgestellt oder vorgehängt, erweist sich auch bei heutiger Industriebauarchitektur als
sinnvoll. Högers Planungskonzept für den Leipziger Bau ist deshalb nicht nur wegen der Thematisierung der Motive Schiff, Wasser und Hafen, sondern auch
wegen der dauerhaften und umnutzbaren Bauweise für den heutigen Besucher
interessant.
Quelle:
www.leipzigerblaetter.de/volltext/textex_2.html
100
Stelzenhaus
Weißenfelserstraße 65
Architekten: Hermann Böttcher, 1939,
Weis + Volkmann, 2001–03
Schwebende Halle der Moderne, Stelzenhaus in Leipzig
Industriedenkmale haben bekanntlich ihren ganz eigenen Charme. In stillgelegten Hochöfen, Gasometern, Stollen oder Werkhallen spiegeln sich Jahrhunderte
der Wirtschafts- und Sozialgeschichte wider. Die gerne als „Kathedralen der Arbeit“ betitelten, manchmal riesigen Anlagen faszinieren uns umso mehr, wenn
sie auch von architektonischer Qualität sind und ihre eigene Ästhetik entfalten.
Dies gilt zum Beispiel für das „Stelzenhaus“ in Leipzig-Plagwitz. Es wurde 1939
als Fabrik zur Zinkherstellung und Wellblechwerk erbaut und gilt als hervorragendes Beispiel für Industriearchitektur in der Nachfolge der klassischen
Moderne.
Die Stahlbetonkonstruktion mit Sichtmauerwerk und Stahlfenstern besteht aus
zwei Hallen, einem Verbindungsbau, einer Plattform und einem Bürogebäude.
Aus Platzmangel erbaute Architekt Hermann Böttcher die Stahlbetonkonstruktion
auf hohen Stelzen, die dem Komplex seinen Namen gaben: Die massive Lagerhalle schwebt gewissermaßen über dem Wasser des Karl-Heine-Kanals – eine
Seltenheit.
Die Gegend hatte sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem
ausgeprägten Industriestandort entwickelt. Das auf ein mittelalterliches Dorf zurückgehende Plagwitz war zuvor ein beliebtes Leipziger Ausflugsziel, wo viele
Bürger ihre Landhäuser erbauten, Gärten anlegten und auf den Wasserstraßen
Gondelfahrten unternahmen. Das sumpfige Gebiet wurde schließlich auf Initiative des Rechtsanwaltes Karl Heine (1819–88) planmäßig erschlossen. Heine
ließ den nach ihm benannten Kanal anlegen, 1871 kam die Eisenbahn, an der
in Plagwitz der erste Industriebahnhof Europas eröffnet wurde.
Das „Stelzenhaus“ wurde ursprünglich für die Firma Grohmann und Frosch erbaut, nach 1945 vom VEB Bodenbearbeitungsgeräte genutzt und stand schließlich leer.
Sächsischer Staatspreis 2004
Hieronymus-Lotter-Preis 2004
Lobende Erwähnung Deutscher Umbaupreis 2004
Lobende Erwähnung Leipziger Architekturpreis
2003
location Tatort, 2002
location Soko Leipzig, 2003
102
Stadtumbau im Gebäudebestand
der LWB
Dipl.-Ing. Ines Gillner, Prokuristin und Leiterin
Baukoordinierung , Leipziger Wohnungs- und
Baugesellschaft mbH, Prager Straße 21
Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) wurde 1990 als
100 % Tochtergesellschaft der Stadt Leipzig gegründet. Der Gesellschaftszweck
ist damals wie heute die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit sozialverträglichem Wohnraum. Heute besitzt die LWB einen Anteil von 11 % der
Wohnungsbestände, die am Leipziger Markt teilnehmen.
Die Entwicklung des Wohnungsbestandes der LWB von 1990 bis 2008 ist geprägt von:
- Sanierung von 23.000 WE
- Verkauf von 54.000 WE (Zwischenerwerber, Investitionsvorrang, Bauträger,
normalem Verkauf, Versteigerung)
- durch Rückgabe/Vergleiche Abbau von 42.000 WE mit Restitutionsanspruch
(4.159 Gebäude).
Heute befinden sich rund 40.000 Wohnungen im Kernbestand der Gesellschaft. Der Vermietungsgrad hat sich bei 80,7 % eingepegelt. Die sanierten
Wohnanlagen weisen einen Leerstand von rund 4,2 % auf. Die teilsanierten Gebäudebestände zeigen einen Leerstand von durchschnittlich 7 %. Dieser sehr
gute Vermietungsgrad ist unter anderem ein Ergebnis der Stadtumbauaktivitäten
der Gesellschaft.
Wie wurde dem Leerstand entgegen gewirkt?
- Einteilung des Gesamtbestandes in die Geschäftsfelder Kernbestand und
Verwertung
- Organisatorische Optimierung des Kern-/Verwertungsbestandes
- Stadtumbau in enger Abstimmung mit der Stadt Leipzig: Dazu gehören: Abriss, Verkauf, Sanierung
- zügige Vermögensklärung.
Seit dem Jahr 2000 wird in der Stadt Leipzig mit dem Stadtentwicklungsplan
(STEP), der gebietsweise die Probleme und Defizite aufzeigt, aber ebenso die
vorhandenen Qualitäten und Potenziale hervorhebt, gearbeitet. Dieser STEP
wurde für den Teil Großsiedlungen gemeinsam mit den Eigentümern erarbeitet.
Die Abbruchaktivitäten der LWB bewegen sich exakt entlang des STEP. Bis
31.12.2007 wurden 9.384 WE abgerissen.
Für die Abrisse stehen Fördermittel aus dem Stadtumbau Ost Programm und aus
Städtebauförderung zur Verfügung. Zusätzlich ist entsprechend § 6a Altschuldenhilfegesetz mit dem Abriss der Gebäude eine Entlastung von Altschulden
möglich.
Zur Erreichung der Stadtumbauziele ist in den Verwaltungsvorschriften auch die
Nachnutzung der Abrissgrundstücke geregelt. Mietwohnungsbau darf für die folgenden 10 Jahre nicht errichtet werden und eine einfache bis qualitätvolle Begrünung ist aus den Fördermitteln zu finanzieren. Daraus ergeben sich folgende
Wege zur Verwertung der Freiflächen:
- Es gibt Grundstücke, die mit Gestattungsvereinbarungen für 5–15 Jahre von
der Stadt Leipzig genutzt und betreut werden.
- Auf einigen freigelegten Grundstücken entstehen Stadthäuser (selbst genutztes
Eigentum).
- Mietergärten und Parkplätze wurden geschaffen.
- Es gibt aber auch Grundstücke, die lediglich eine Rasensaat erhalten haben.
Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft erhielt im letzten Jahr eine Anerkennung im Rahmen des Bauherrenpreises für ein gelungenes Stadtumbauprojekt im Westen der Stadt. In dieser denkmalsgeschützten Siedlung aus den 50er
Jahren wurde, wie an anderen Standorten auch, der Abriss von Gebäuden mit
Sanierung der verbleibenden Substanz verknüpft. Entstanden ist eine Wohnanlage mit Qualität im Innen- und Außenbereich, die nach Fertigstellung zügig vermietet war.
www.lwb.de
104
Nibelungenring in Leipzig
Architekt: Hubert Ritter 1929/30
Visionär des Städtebaus
Hubert Ritter
Am 17.3.1886 in Nürnberg geboren, gilt Hubert Ritter als Visionär des Städtebaus. Er gestaltete als Stadtbaurat in den Jahren 1926/34 das
Gesicht Leipzigs wesentlich mit und gehört zur
Generation jener Architekten, die als Wegbereiter die moderne Architektur in Deutschland prägten.Viele interessante Bauten sind Ritter zu
verdanken, so z.B. das Neue Grassimuseum
(1925/27), das Westbad in Lindenau (1925/
26), die beiden Kuppeln der Großmarkthalle
(1927/29), die Pädagogische Hochschule in
der Karl-Heine-Straße (1928), das im Krieg zerstörte Planetarium im Zoo sowie mehrere Schulen und Krankenhäuser wie z.B. das St. Elisabeth
in Connewitz. Als städtebauliche Meisterleistung
gilt jedoch der „Rundling“ in Lößnig, eine eindrucksvolle Anlage mit 624 Wohnungen. Sie
gehört zu den herausragenden stadtplanerischen Leistungen der Moderne.
Eine herausragende Siedlung der Moderne in Leipzig ist der „Rundling“.
Hubert Ritter, seit 1924 Stadtbaurat und bekennender Anhänger der Moderne,
die in Leipzig mit seinen großen Gründerzeitquartieren nur schwer Fuß fassen
konnte, plante und erbaute sie 1929/30.
„Seine Einzelbauten, seine Wohn- und Stadtquartiere wurden aus der städtebaulichen Situation; aus dem Ort; für den Ort entwickelt. Dadurch wurden sie
ihrerseits zu einem Ort, einem Ort mit Charakter.“ Der Lößniger Rundling ist ein
typisches Produkt der Versuche, für die Bewohner ein architektonisches Symbol
als Ausdruck der Gemeinschaft zu schaffen.
Die Bebauung folgt in konzentrischen Kreisen dem hügeligen Bodenprofil, wobei dies durch die Höhe der Gebäude im inneren Ring noch verstärkt wird.
Die Häuser wurden in traditioneller Bauweise errichtet und die Grundrisse (elf
Standardgrundrisse) folgen den mit der Kreisform wechselnden Ausrichtungen
der Wohnungen, um optimale Besonnungsverhältnisse entstehen zu lassen. Die
Aufteilung der Freiflächen erfolgte so, dass die Eigenart des „Rundlings“ unterstrichen wird. Der Innenring umschließt einen Rundplatz, der früher mit einem
großen Planschbecken in der Mitte versehen war.
Die Siedlung befand sich durch Kriegsschäden und unterlassene Instandhaltung
während der DDR Zeit in einem bedauernswerten Zustand. Im Jahr 1992 begann die Sanierung durch die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB).
122 Wohnungen und eine Tiefgarage wurden in Anlehnung an die vorhandene Architektur neu gebaut. In den folgenden Bauabschnitten wurden 969
Wohnungen in den Bestandsgebäuden saniert.
Im Jahr 1996 erhielt die LWB für das Projekt „Sanierung und städtebauliche Ergänzung des Rundlings“ den Bauherrenpreis für „Hohe Qualität und tragbare
Kosten“ vom Bund der Architekten, dem Gesamtverband der Wohnungswirtschaft und dem Deutschen Städtetag. Neubau und Sanierung wurden begleitet
von Herrn Dr. Leonhardt, dem zuständigen Denkmalspfleger und dem Planungsbüro Schmitz Aachen als beauftragten Architekten.
Nach seinem Studium an der Technischen Hochschule München war Ritter 1913 als Stadtbaumeister in Köln tätig. Nachdem jedoch seine
Promotion am Widerstand des damaligen Kölner
Oberbürgermeisters Konrad Adenauer 1924
scheiterte, bewarb er sich im Oktober desselben
Jahres in Leipzig und trat dort seinen Dienst an.
Sein Ziel war die Neuordnung der scheinbar unkontrolliert wachsenden Stadt, indem er ihr einen
Rahmen für die zukünftige Entwicklung vorgab.
Der darauffolgende Generalbebauungsplan von
1929, welcher von der Stadt verabschiedet und
als „baupolitisches Programm auf lange Sicht“
auszugsweise veröffentlicht wurde. Für eine Stadt
mit 700.000 Einwohnern war das damals ein
Novum. Ritters Anliegen war es, den historischen
Stadtkern zu erhalten. Im Südosten der Stadt
plante Ritter einen durchgehenden Grünzug von
der Ringpromenade bis zum Gelände des Völkerschlachtdenkmals. Verwaltungs- und Geschäftshäuser sollten künftig am Promenadenring
entstehen. Dieses Konzept des „City-Rings“ prägt
Leipzig noch heute. Nachdem die Wiederwahl
Ritters als Stadtbaurat im November 1930 scheiterte, promovierte er 1932 über den „Krankenhausbau der Gegenwart“ und wurde dadurch
weit über die Grenzen Deutschlands bekannt.
1940 wurde er zum „Beauftragten für den Generalbebauungsplan der Stadt Krakau“ ernannt,
von 1941–44 war er Stadtbaurat in
Luxemburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg und
seiner Rückkehr nach Leipzig widmete sich Ritter
den Planungen für den Wiederaufbau des Johannisplatzes und des Universitätsklinikviertels.
1952 übersiedelte er nach München. Hier starb
er am 25.5.1967.
Quelle:
www.LTM-Leipzig.de (Presseportal)(presse
08/013/02.08)
Roland Ostertag, Hubert Ritter, Leipzig, Unbefriedete Vergangenheit, Deutsches Architektenblatt
1994
106
Völkerschlachtdenkmal
Prager Straße
Architekten: Entwurf: Bruno Schmitz, 1897,
Ausführung: Clemens Thieme, 1913
Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig erinnert an die erste große Massenschlacht der Menschheitsgeschichte. Über eine halbe Million Soldaten aus fast
ganz Europa standen sich im Oktober 1813 auf den Schlachtfeldern um Leipzig gegenüber. Mehr als 120.000 Menschen haben während der blutigen
Kämpfe oder anschließend durch Hunger und Seuchen ihr Leben verloren. Im
Herbst 1813 wird bei Leipzig Weltgeschichte geschrieben. Die verbündeten Armeen Russlands, Preußens, Österreichs und Schwedens stehen Napoleons Streitmacht gegenüber. Vom 16. bis zum 19. Oktober kämpfen eine halbe Million
Soldaten um das künftige politische Schicksal Europas. Tagelang toben erbitterte Schlachten und Gefechte um die Dörfer vor den Mauern der Stadt.
Schließlich muss Napoleon der Übermacht seiner Gegner weichen. Rund
110.000 Menschen bezahlen die Schlacht mit ihrem Leben.
Daten:
Grundsteinlegung: 18. Oktober 1898
Einweihung: 18. Oktober 1913
Höhe: 91 m
Höhe der Kuppelhalle (Innenhöhe): 68 m
Fundamentplatte: 70 × 80 × 2 m
Anzahl der Fundamentpfeiler: 65
Gesamtzahl der Stufen bis zur Plattform: 500
Fußbreite: 126 m
Masse aller baulichen Anlagen: 300.000 t
Anzahl der verbauten Natursteinblöcke: 26.500
Menge des verbauten Betons: 120.000 m³
Kosten: 6 Millionen Goldmark
Seit dem frühen 19. Jahrhundert spielt das historische Ereignis Völkerschlacht im
Bürgertum eine wichtige Rolle. Im Jahre 1913 wurde das Völkerschlachtdenkmal von Kaiser Wilhelm II. in Anwesenheit des sächsischen Königs und weiterer
Fürsten deutscher Staaten sowie der Vertreter Österreichs, Rußlands und Schwedens eingeweiht. Das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt steht an der
Stelle, an der Napoleon am 18. Oktober 1813 seinen Gefechtsstand hatte.
Auf den Betonpfeilern, auf die der Denkmalshügel aufgeschüttet ist, lastet ein
Gewicht von ca. 300.000 t. Vor dem Mahnmal wurde ein Wasserbecken angelegt, das die Tränen der Völker, die um die Opfer der Schlacht trauerten, symbolisiert. Die Innenhalle mit ihren 68 m Höhe gliedert sich in drei Ebenen. Die
erste Ebene ist eine Krypta, die an die Gefallenen erinnern soll. Auf der zweiten
Ebene findet man eine Ruhmeshalle für das deutsche Volk und darüber befindet
sich die Kuppelhalle.
Der Monumentalbau wurde von Clemens Thieme ausgeführt. Die Entwürfe
stammten vom Berliner Architekten Bruno Schmitz. Die Figuren, die jeweils eine
Charaktereigenschaft darstellen, wurden zum Teil vom Breslauer Bildhauer
Christian Behrens gefertigt. Das Völkerschlachtdenkmal, in dessen Kuppel (Fußdurchmesser 28 m) auch Konzerte stattfinden, kann besichtigt werden (Mai bis
Oktober: 10–17 Uhr, November bis April: 9–16 Uhr). Nach 500 Stufen Aufstieg kann man von der Plattform die herrliche Rundsicht über Leipzig und Umgebung genießen.
Rückseite vor dem Umbau
108
Nikolaischule
Gasthof Alte Nikolaischule
Nikolaikirchhof
Architekten: Umbau und Sanierung Storch Ehlers + Partner,
1990–94
Straßenfassade nach dem Umbau
Längs- und Querschnitt
Die Nikolaischule wurde 1511/12 als erste Leipziger Stadtschule errichtet.
Nach Umbau und Erweiterung des Gebäudes standen den Knaben vom 17.
bis 19. Jahrhundert nur 4 Schulstuben zum Unterricht zur Verfügung. Sie waren
im EG und im 2. OG eingerichtet, während der Rektor mit seiner Familie die
gesamte erste Etage bewohnte. Eine Schulaula ebenso wie der, bis dahin noch
gänzlich fehlende, Karzer standen erst seit 1827 mit der Anbindung des benachbarten Eckhauses zur Verfügung. Zu den berühmten Nikolairanern (Schüler
der Nikolaischule) gehörten im 17. Jahrhundert Gottfried Wilhelm Leibniz und
Christian Thomasius, im 18. Jahrhundert Johann Gottfried Seume und 1828 bis
1830 der in Leipzig geborene Richard Wagner. Sie wurden von bedeutenden
Zeitgeistern unterrichtet, die als Schola Nicolaitana nicht selten an der benachbarten Universität zusätzlich ein Lehramt begleiteten.
Zu den heutigen Räumen des Gasthauses „Alte Nikolaischule“ zählt das ehemals geräumigste Klassenzimmer im Erdgeschoß links des Haupteinganges, das
bis 1827 in Ermangelung eines Schulsaales auch als Auditorium für öffentliche
Veranstaltungen, für Examen und als Rednersaal genutzt wurde. Bibelinschriften
auf den Wandflächen und verzierten Natursteinkonsolen gehörten neben einer
schlichten Holzdecke zur bescheidenen Ausstattung der Schulstube. Die Möblierung dieses so genannten Großen Auditoriums beschränkte sich Ende des 18.
Jahrhunderts auf zwei Schränke, drei schwarze Schreibtafeln, fünf Tafeltische
und entsprechend lange Bänke. Nach einer Beschreibung des Magisters Friedrich Gottlob Hoffmann wurde um 1840 hier die 6. Klasse unterrichtet, aber
„auch die allgemeinen Gebet- und Redeübungen gehalten“. 1872 zog das
Nikolaigymnasium in ein neues Gebäude.
Die Erdgeschoßstube wurde in der Folgezeit als Amtsstube vermietet. Ab 1897
war hier die Erste Leipziger Sanitätswache des Samaritervereins untergebracht.
Die 5. Klasse wurde im so genannten kleinen Auditorium rechts des Einganges
unterrichtet. Die Arkaden waren dem Raum erst 1906 mit Einrichtungen der
Wachstube der Königlichen Garnisonswache vorgeblendet worden. Das alte
Klassenzimmer erhielt dabei eine völlig neue Gestalt. Die Erdgeschoßgewölbe
im westlichen Gebäudeteil wurden nicht für Schulzwecke genutzt. Der Städtische Rat vermietete sie im 18. Jahrhundert als Kaufgewölbe, seit 1816 auch als
Messelokale. 1858 war zu diesem Zweck die Erdgeschoßzone des gesamten
Eckhauses mit Schaufenster geöffnet worden. Im Zusammenhang mit der Umnutzung des gesamten Gebäudes nach Auszug der Nikolaischule mietete die Erste
Leipziger Polizeiwache diese Räume. Als Ergebnis der Sanierung des alten
Schulhauses von 1991 bis 1994 entstanden in der Leipziger Innenstadt ein
neues kulturgeschichtliches Ausflugsziel und eines der bekanntesten Restaurants
der Stadt.
Im Jahre 1990 war die Alte Nikolaischule unbenutzt. Sie war wegen Baufälligkeit gesperrt. Vom Glanz der ältesten Bürgerschule Deutschlands war nichts geblieben.
Innenfassade
Treppenhauswand (Brandwand)
Detail Wendeltreppe
Treppenhaus
Die Aufgabe, den Bau mit Leben zu füllen, wurde von der Kulturstiftung Leipzig
gestellt. Das Gebäude sollte zu einem kulturellen Anziehungspunkt werden: Kulturcafé im Erdgeschoß, Gerätesammlung der Universität im Keller, die Antikensammlung im 1. Obergeschoß, dazu Vortrags- und Studienräume und schließlich im Dach die Sächsische Akademie der Wissenschaften. Das Konzept bestand darin, Alt und Neu miteinander zu verschränken.
Im Laufe der Arbeiten traten verschiedene historische Fundstücke zutage, die in
die Konzeption integriert werden konnten: eine wundervoll bemalte Holzdecke
aus der Renaissance, farbig gefaste Putzfelder in den Obergeschossen. Ursprünglich sollte in Absprache mit den zukünftigen Nachbarn ein Lichthof dem
rückwärtigen Treppenhaus Helligkeit spenden. Nach der Rückgabe des Nachbargrundstücks an Alteigentümer, musste umdisponiert werden. Eine geschlossene Brandwand wurde verlangt. Doch Widerstände können beflügeln: Es
entstand trotzdem ein Lichthof: belichtet von oben. Ein steiler moderner Raum
wurde gegen die gelagerten historischen gesetzt.
1995
1995
1995
1997
Architekturpreis AK Sachsen
Architekturpreis der Zementindustrie
Sächsischer Staatspreis
Deutscher Architekturpreis
www.storch-ehlers-partner.de/projekte/
alte-nikolaischule_leipzig_preise.php
110
Tag 4
Zeitplan Sonntag, 28.09.08
08.00 Uhr Frühstück und Auschecken
Gepäck im Hotel abstellen
09.00 Uhr Spaziergang durch das Graphische Viertel
Führung: Dipl.-Ing. Arch. Volker Meyer zu Allendorf
09.15 Uhr Besichtigung Grassi-Museum mit Innenhöfen
Architekten: Zweck + Voigt, Sanierung: Ilg, Friebe, Nauber
Dresdnerstraße 11–13
Besichtigung Gutenbergschule
Architekt: Otto Droge
Gutenbergplatz 6/8
Haus des Buches
Architekten: HPP, Hentrich-Petschnigg & Partner KG
und Angela Wandelt
Gerichtsweg 28
Besichtigung Schumann Haus
Inselstraße 18
Besichtigung Reclam-Karree
Architekt: Max Bösenberg
Inselstraße 22
12.30 Uhr Mittagessen im Restaurant Castellum 1776
Im Kellergewölbe einer ehem. Druckerei
Hans-Poeche-Straße 2, Nähe Hotel und Hbf
14.00 Uhr Gepäckabholen im Hotel und zu Fuß zum Hbf Leipzig
14.30 Uhr Ankunft im Hbf Leipzig
Ende der Exkursion
112
Grassi-Museum
Johannisplatz 5–11
Architekten: Carl William Zweck + Hans Voigt,
Oberleitung Stadtbaurat Hubert Ritter, 1929,
Ilg Friebe Nauber, 2005–07
Hubertus Adam
Die Blütezeit des Grassi-Museums in Leipzig währte nur ein Jahrzehnt. 1929
war der ausgedehnte Komplex östlich des Stadtzentrums eingeweiht worden,
der die Museen für Kunsthandwerk, Völker- und Länderkunde und Musikinstrumente umfasste. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begann die Evakuierung der Kunstwerke; 1943–45 erhielt das Gebäude schwere Bombentreffer.
Weil Fremdnutzer in das notdürftig wiederhergestellte Bauwerk einquartiert worden waren, konnte der Ausstellungsbetrieb in den fünfziger Jahren nur auf minimaler Fläche beginnen. Die Stadtverwaltung ignorierte die Bedeutung des Museums für Kunsthandwerk vollends: Nach einem Heizungsschaden 1982 wurde
die Präsentation geschlossen. Nach 1989 verbesserte sich die Situation nur
langsam: Das erste mit der Sanierung betraute Architekturbüro erwies sich als inkompetent. An dessen Stelle trat David Chipperfield, der ein sensibles Konzept
für die Wiederherstellung und Ergänzung des Gebäudekomplexes entwickelte.
Doch das Projekt des im Museumsbereich erfahrenen Londoners scheiterte an
den Kosten: Stadt, Land und Bund konnten sich über die Finanzierung nicht
einigen.
Im Jahr 2000 zog das Museum für Kunsthandwerk, das seit 1994 fünf Räume
im Grassi-Museum nutzte, in ein innerstädtisches Provisorium um. Endlich begann die Sanierung des Gebäudes – nunmehr nach Plänen des ortsansässigen
Büros Ilg Friebe Nauber. Im Oktober 2005 war die Arbeit der Gebäudehülle
abgeschlossen. Nach weiteren zwei Jahren, die für die Restaurierung und Installation der Exponate verwendet wurden, konnte die nun als Museum für angewandte Kunst firmierende Institution 2007 ihre Dauerausstellung eröffnen. Eine
der wichtigsten europäischen Sammlungen für Kunsthandwerk und Design kehrte damit nach mehr als sechs Jahrzehnten in die Öffentlichkeit zurück.
Obwohl das Haus als 2. deutsches Kunstgewerbemuseum schon 1874 gegründet wurde, verdankt es seine Bedeutung vor allem Richard Graul, der zwischen
1896 und 1929 als Direktor amtierte. Er war die treibende Kraft für den Museumsneubau, da der aus dem Erbe des Mäzens Johann Dominic Grassi finanzierte Neurenaissancebau am Königsplatz zu klein geworden war. Der neue,
um mehrere Höfe gegliederte Komplex, den die Architekten Carl William
Zweck und Hans Voigt unter Oberleitung des Stadtbaurats Hubert Ritter realisierten, oszilliert zwischen moderater Moderne und Art déco und gilt als einer der
wenigen deutschen Museumsneubauten aus der Zeit der Weimarer Republik.
Den Bezugspunkt des breit gelagerten Ensembles, dessen Flügel sich zwischen
zwei Ausfallstraßen aufspreizen, bildete einst die 1963 gesprengte Johanniskirche. Nach Plänen von Ritter sollte das Grassi-Museum den Ausgangspunkt
einer Stadterweiterung Richtung Osten bilden, die nie realisiert wurde.
Seit 2005 erstrahlt das Gebäude mit seiner rekonstruierten Dachbekrönung in
neuem Glanz. Schade nur, dass die Architekten wegen des Kostendrucks Eingriffe in die Substanz akzeptierten. Weil wechselnder Lichteinfall konservatorische Probleme erzeugt, entschied man sich für ein leichter und kostengünstiger
zu handhabendes Kunstlichtmuseum. Dass die einstigen Fenster indes in diesen
Zonen aus der Fassade völlig getilgt wurden, ist skandalös und zeugt kaum von
politischem Verantwortungssinn.
Die Präsentation, wie schon zu Zeiten Grauls chronologisch arrangiert, folgt
einer klassischen Abfolge, ohne eine neue Sichtweise anzubieten: Kleinkunst
der Antike, gotische Schnitzplastik, Majoliken der italienischen Renaissance,
Trinkgefässe des Barock, Porzellan des Rokoko, Möbel des Klassizismus, Kunsthandwerk des Historismus sind wichtige Themen. Die Leipziger Gestalter HeinzJürgen Böhme und Detlef Lieffertz haben mit Vitrinen und Podesten einen abwechslungsreichen Parcours inszeniert. Die meisten Wände sind hell gestrichen,
doch mitunter werden in kojenartigen Formationen Akzente in Gelb, Rot oder
Blau gesetzt. Zum Teil orientierte man sich bei der Präsentation an Grauls Konzept der Stilräume und fügte die Exponate zu stimmigen Ensembles – etwa im
Saal der italienischen Renaissance, wo zu den in Vitrinen ausgestellten Majoliken eine venezianische Holzdecke sowie zwei in die Wände eingebaute Kamine treten.
Zu Ausstellungsstücken, welche die internationale Entwicklung des Kunsthandwerks dokumentieren, treten Meisterwerke aus Sachsen. Dazu zählen die spätgotische Schnitzplastik von Peter Breuer ebenso wie der Leipziger Ratsschatz
und der grandiose „Triumph des Kreuzes“ von Balthasar Permoser. Die Zeit des
Klassizismus ist mit Denkmälern und Denkmalentwürfen des einflussreichen Leipziger Akademiedirektors Adam Friedrich Oeser und Möbeln von Friedrich Gottlob Hoffmann gut vertreten; einen besonderen Höhepunkt stellt der um 1795
ausgestattete römische Saal aus Schloss Eythra dar. Bis zum Jahr 2010 soll sich
die Ausstellungsfläche mit den Rundgängen zu den Themen Asien sowie Jugendstil bis Gegenwart nochmals verdoppeln. Ein Ausschnitt aus den Sammlungen
des 20. Jahrhunderts ist schon jetzt im Pfeilersaal zu sehen. Die Rekonstruktion
der für den Raumeindruck dieses expressionistischen Interieurs wichtigen Lichtdecke sowie die Wiederherstellung der von Josef Albers entworfenen, streng
geometrischen Treppenhausverglasung stehen zu Recht ganz oben auf der
Wunschliste der Museumsleitung.
Quelle:
www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/
aus_der_versenkung_ans_licht
114
Gutenbergschule
Berufliches Schulzentrum
Gutenbergplatz 6/8
Architekt: Otto Droge, 1929
Im Osten an den Alten Johannisfriedhof angrenzend, wurde die Schule am 29.
Juni 1929 „zur Herausbildung eines tüchtigen gewerblichen Nachwuchses“ eingeweiht, erläutert eine Erinnerungstafel in der Eingangshalle des Erdgeschosses.
Auftraggeber war der Verein Leipziger Buchdruckereibesitzer. Die Entwürfe lieferte Otto Droge. Das viergeschossige Hauptgebäude und die flacheren, vorgezogenen Flügelbauten (der nördliche entstand erst nach 1945) umschließen eine rechteckige, begrünte Hofanlage. Die hellen Putzfassaden sind unter Verwendung von rotem Rochlitzer Porphyrtuff gegliedert, die Fensterreihungen werden
geschossweise horizontal betont. Seitlich ist die Hauptfassade in zeittypischer
Weise turmartig überhöht und mit einer Normaluhr dekoriert. Auch die obligate,
seitlich angeordnete Fahnenstange fehlt nicht. In der Gestaltung des Gebäudes
vereinigen sich unterschiedliche stilistische Strömungen der 1920er Jahre, wie
Neue Sachlichkeit und funktionelles Bauen sowie darüber hinaus im Inneren Art
déco und Backsteinästhetik. Das Gebäude gehört heute zur Hochschule für
Technik, Wirtschaft und Kultur, Fachrichtung Polygraphie.
Quelle:
Leipzig Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart, Passage Verlag, 2. Auflage
Hier im östlichen Vorstadtbereich konzentrierten sich bis zur Zerstörung im zweiten Weltkrieg die Bauten der polygraphischen Industrie und der Verlage. Heute
ist dieses Gewerbe hier kaum noch vertreten. Nur die Fragmente des nach
1945 vereinfacht wieder aufgebauten Buchgewerbehauses an der Prager
Straße gegenüber der Ingenieurschule lassen noch etwas vom ursprünglichen
Aussehen dieses 1900 von E. Hagberg im Stile der deutschen Neorenaissance
errichteten Baus erkennen. Ganz verschwunden ist heute die stattliche Buchhändlerbörse, die sich, an die heutige Prager Straße grenzend, anschloss. Dieser malerische Neorenaissancebau, 1886 bis 1888 von den Berliner Architekten H. Kayser und K. von Großheim errichtet, wurde ebenfalls am 4. Dezember 1943 ein Opfer der Bomben. Hier entstand 1993 bis1996 das Haus des
Buches. Erhalten hatte sich am Gutenbergplatz 3–7 das in den Jahren 1938
bis1940 nach Entwurf von Curt Schiemichen errichtete lang gestreckte BugraMessehaus, das der Ausstellung polygraphischer Maschinen diente. Durch eine
zu Beginn der 1990er Jahre begonnene und nicht beendete Baumaßnahme
präsentiert es sich derzeit als Investruine.
115
Haus des Buches
Gerichtsweg 28
Architekten: HPP - Hentrich-Petschnigg & Partner
und Angela Wandelt,1995/96
Das Haus des Buches in Leipzig wurde im März 1996 eröffnet und den Bürgern der Stadt Leipzig übergeben. Es befindet sich im ehemaligen Graphischen
Viertel auf historischem Grund: hier stand bis zur Bombennacht vom 4. Dezember 1943 das 1888 im Renaissancestil errichtete Buchhändlerhaus, Sitz der
Buchhändlerbörse, die 1825 als einer der ältesten deutschen Wirtschaftsverbände in Leipzig gegründet wurde. Mit der Zerstörung dieses Hauses verlor die
Messestadt nicht nur eines ihrer prächtigsten Monumentalbauwerke – begraben
wurde eine Epoche, in der Leipzig noch ganz selbstverständlich als „Mittelpunkt
des deutschen Buchhandels“ galt.
Die Wende kam mit dem politischen Umbruch: 1990 erinnerte man sich im Zuge der Fusionsverhandlungen der Börsenvereine in Leipzig und Frankfurt am
Main alter Leipziger Traditionen. 1993 gab der symbolische erste Spatenstich
das Signal für ein ehrgeiziges Projekt, mit dem der Börsenverein des Deutschen
Buchhandels sich zum „Leipziger Platz“ bekannte und gemeinsam mit dem
1990 gegründeten Kuratorium „Haus des Buches“ e.V. einen Ort schuf, an dem
Bücherfreunde und Büchermacher einander begegnen können.
Drei in Höhe und Grundriss unterschiedliche Baukörper werden im Erdgeschoß
durch eine dreieckige flache Foyerzone zusammengefasst. Hinter dem Eingang
am Gerichtsweg befinden sich ein großzügiger Empfangsbereich und ein etwas
höher gelegtes Literaturcafé. Ein siebengeschossiger, turmartiger Baukörper betont den Zugang an der Prager Straße. Er ist bewusst etwas aus der Bauflucht
gerückt. Westlich anschließend, parallel zur Prager Straße, öffnet sich der lang
gestreckte, kammartige Baukörper mit zwei Innenhöfen zur Straße. Dies ist eine
für Leipzig neuartige, ungewöhnliche Lösung. Die beiden begrünten Höfe sind
an der offenen Straßenseite durch riesige Glaswände wieder geschlossen, so
dass sich ein dynamischer Wechsel von Klinker- und Glasfassaden ergibt. Das
Gebäude beherbergt das Kulturamt der Stadt und Büros der Buchbranche. Das
rote Klinkerensemble gehört zu den bemerkenswerten Neubauten der letzten
Jahre. Die Architekten wurden 1998 mit dem BDA-Preis Sachsen geehrt.
116
Schumann-Haus
Inselstraße 18
Das Schumann-Haus ist ein interessanter Sachzeuge für die in den 1830er Jahren im Osten Leipzigs einsetzende Stadterweiterung. Die lnselstraße könnte man
als eine Hauptachse der neuen Friedrichstadt ansehen. Hier siedelte sich vor allem das mittlere Bürgertum an. Nach den Bauakten zu urteilen, wurde das Haus
1838 „vor dem Grimmaischen Thore“ von dem Maurermeister Friedrich August
Scheidel errichtet, der hier auch bis 1846 wohnte. Das fünfzehnachsige, dreigeschossige, freistehende Gebäude gehört zu den bedeutenden erhaltenen
Bauschöpfungen des Klassizismus in Leipzig. Es ist das vielleicht schönste Wohnhaus dieser Epoche. Den markant aus der Fassade heraustretenden fünfachsigen Mittelrisalit gliedern in den Obergeschossen sechs kannelierte Pilaster in Kolossalstellung mit korinthischen Kapitellen. Zwischen den Kapitellen sind Reliefplatten mit szenischen Darstellungen angeordnet. Darüber liegen ein kräftiger
Architrav mit Girlandenschmuck und ein weit ausladendes Gesims. Über dem
Mitteleingang ist die Beletage durch einen dreiachsigen Balkon auf Konsolen
mit einem zeittypischen Rautengitter betont. Die besondere Würde der Architektur entsteht durch den überhöhten Mittelrisalit, dessen Architrav die Traufkante unterbricht und von einem belvedereartigen Aufsatz bekrönt wird. Der Leipziger
Denkmalschützer Jens Müller hat vermutet, dass der damalige Stadtbaudirektor
Albert Geutebrück Einfluss auf die Gestaltung genommen haben könnte, da dieser u. a. eine Bauinspektion durchgeführt hat.
In diesem Hause wohnten Robert und Clara Schumann von 1840 bis 1844,
vermutlich im 1. Obergeschoß rechts. Das junge Paar, das sich am 12. September 1840 in der Kirche von Schönefeld (heute Stadtteil von Leipzig) trauen ließ,
verbrachte hier die ersten glücklichen Jahre, bevor es Ende 1844 nach Dresden
übersiedelte. Das Schaffen von Clara Wieck und Robert Schumann ist eng mit
Leipzig verbunden. Im Jahre 1833 stellte Clara Wieck in einem eigenen Konzert im Gewandhaus erstmals ein Werk von Robert Schumann (1. Satz der 1.
Sinfonie) der Öffentlichkeit vor. Im folgenden Jahr gründete Schumann die Neue
Zeitschrift für Musik. Im Jahre 1843 berief ihn Felix Mendelssohn Bartholdy an
das neu gegründete Konservatorium für Musik in Leipzig. In der Schumann-Wohnung waren u. a. Franz Liszt, Hector Berlioz, Richard Wagner und Felix Mendelssohn Bartholdy zu Gast. Eine kleine Gedenkstätte in den teilweise authentisch restaurierten Räumen der ersten Etage wird von einem Schumann-Verein
betrieben.
117
Reklam-Karree
lnselstraße 22
Architekt: Max Bösenberg, 1887–1905
Sanierung: Bunk-Hartung-Partner, 1993–95
Seit dem 19. Jahrhundert war das Graphische Viertel im Osten Standort von
Verlagen und Druckereien. Die imposante Dreiflügelanlage ließ der Verleger Anton Philipp Reclam durch Max Bösenberg von 1887 bis 1905 errichten. Der
Haupteingang an der lnselstraße ist durch einen repräsentativen Mittelrisalit aus
Sandstein mit plastischem Schmuck betont. Über dem mittleren Tor befindet sich
im Rundbogenfeld ein Relief, das die missionarische Funktion des Buches versinnbildlicht. Die Medaillons links und rechts über den Seiteneingängen stehen
unter dem Thema Buchdruck und Buchhandel. Den oberen Abschluss der Mittelachse bildet eine von zwei Löwen flankierte Uhr. Der rechte Seitenrisalit ist mit
einem Goethe-Schiller-Medaillon zwischen Lorbeerzweigen geschmückt. Im Segmentgiebel darüber steht das Monogramm „R“ für den Verlagsnamen. Es wird
von Sphinxen gerahmt. Beim wieder aufgebauten Risalit an der linken Seite wurde auf den plastischen Schmuck verzichtet. Die Fassaden aus gelben Klinkern
mit roten Gliederungen, den Sandsteinrisaliten der Hauptfront, Gesimsen und
Treppenhäusern bilden ein äußerst beeindruckendes städtebauliches Ensemble.
Nach einer Bombardierung im zweiten Weltkrieg, bei der ein Teil der Fassade
sowie das Dachgeschoß zerstört wurden, zog der Verlag nach Stuttgart, produzierte aber auf dem alten Gelände in Leipzig die berühmten, preiswerten Reclam-Bücher weiter. In den 1960er Jahren wurde dieser Gebäudekomplex dann
dem Graphischen Großbetrieb lnterdruck angegliedert. Nach der Wende im
Herbst 1989 wurde das Haus verkauft und saniert. Außerdem wurde das weiträumige Areal durch eine stadtvillenartige Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern ergänzt. Von 1993 bis 1995 waren die Architekten Bunk-Hartung-Partner aus Bad Homburg mit der Wiederherstellung des ursprünglichen Reclam-Ensembles betraut. Auch das alte Heizhaus im Hof wurde saniert. Die neu errichteten Gebäude greifen mit ihrem gelb geklinkerten Sockelbereich die traditionelle
Farb- und Materialgebung auf und erzielen mit ihren weißen Putzfassaden ein
ausgewogenes Erscheinungsbild. 1996 wurde das Reclam-Karree mit dem
Hieronymus-Lotter-Preis für Denkmalpflege der Kulturstiftung Leipzig ausgezeichnet. Eine Gedenktafel in der Grünanlage zur Kreuzstraße erläutert: „In diesem
Gebäude wirkte und arbeitete Anton Philipp Reclam/geboren 28.6.1807/gestorben 5.1.1896/Begründer der weltberühmten Reclambibliothek“.
118
Grafischer Hof
Restaurant Castellum 1776
Reudnitzer Straße/Hans-Poeche-Straße
Der Grafische Hof vereint auf einem Gelände von ca. 5000 qm an der Reudnitzer Straße Ecke Hans-Poeche-Straße verschiedene Unternehmen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Medien, Handel und Gastronomie. Zukünftig soll Arbeiten
und Wohnen unter einem Dach stattfinden, so dass durch die gewerbliche wie
auch private Nutzung die ehemaligen „Graphischen Werkstätten“ Leipzigs wiederbelebt werden.
Im Grafischen Hof befinden sich Einrichtungsläden für stilvolles Wohnen und
Gartenmöbel. Gemütliches Wohnen in den kälteren Monaten verspricht ein
Fachhandelsgeschäft und Meisterbetrieb für Kamine, Kaminöfen, Kachelöfen
und Schornsteine. Im Ambiente der alten Heizanlage, lädt die Galerie im Heizhaus regelmäßig zu Kunstausstellungen, Konzerten und Lesungen ein. Im Hof finden Kunst- und Designmärkte statt. Tonstudios, Musikverlage, Tanzstudios für
Stepptanz und Flamenco, Werbeagenturen, Künstler, Architekten und Innenarchitekten, Designer, ein Keramikstudio, Druckereien und die Werkstätten der Buchkinder Leipzig e.V. bieten die Möglichkeit zur kreativen Zusammenarbeit. Das
Gelände wird gerne für Filmarbeiten genutzt.
Ebenso beherbergt der Grafische Hof das Restaurant „Castellum 1776“, das in
den weitläufigen Kellerräumen italienische Speisen vor dem Hintergrund von
historischen Backsteinwänden und -gewölben anbietet.
119
Quellenverzeichnis
Architekturführer Dresden, Dietrich Reimer Verlag, Berlin
www.architekturtexte.ch
Architekturführer Dresden, Lupfer et. Al. Hg./ Berlin 1997
www.baunetz.de
„Berichte zum Wiederaufbau der Frauenkirche zu Dresden – Konstruktion des Steinbaus und Integration der Ruine“, Herausgeber: Fritz Wenzel, Universitätsverlag Karlsruhe
www.buntgarnwerke.de
Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der HS Karlsruhe nach Dresden und Prag mit
Prof. Florian Burgstaller
www.coophimmelblau.at
Falk Jäger; Glas Nr. 4 (2007)
www.cafe-grundmann.de
www.daniel-libeskind.com
www.das-neue-dresden.de
Foster & Partners; industrieBAU 2 (2005)
http://db.uni-leipzig.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2003
www.detail.de
Informationsmappe Förderverein Bau der Synagoge Dresden e.V.
www.dresden-hellerau.de
Leipzig, Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart, Wolfgang Hocquél, Passage Verlag,
2. Auflage
www.freundeskreis-synagoge-dresden.de
Thomas Will: „Rekonstruktion der europäischen Stadt? – Zur Diskussion um den Dresdner Neumarkt“
www.hellerau.de
Unterlagen des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig
http://joerg-hempel.com
Vitzthum, M., Voland, P., Foster & Partners; Stahlbau 75 (2006)
www.kunstforumhellerau.de
www.gfzk.de
www.leipzig.de
www.leipzigerblaetter.de
www.LTM-Leipzig.de
www.lwb.de
www.nzz.ch
www.richard-riemerschmid.com
http://riemerschmid.5eins.de
www.rundkino-dresden.de
www.schloss-eckberg.de
www.slub-dresden.de
www.spiegel.de
www.spinnerei.de
www.stern.de
www.wikipedia.de
120
Leipzig
Stadtplanauszug
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
City-Hochhaus, Restaurant „Panorama Tower“
GfZK 1+2 (Galerie für zeitgenössische Kunst)
Stadtvillen im Musikerviertel
Café Grundmann
Buntgarnwerke mit „Atrium“ und Wohnprojekt „Sweetwater“
Baumwollspinnerei
Konsumzentrale
„Stelzenhaus“
„Rundling“ in Lößnig
Völkerschlachtdenkmal
LWB, Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH
Renaissance Hotel Leipzig
Restaurant in der Alten Nikolaischule
Graphisches Viertel mit Grassi-Museum, Gutenbergschule,
Haus des Buches, Schumann-Haus, Reclam-Karee
121
Dresden
Stadtplanauszug
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Hauptbahnhof Dresden
Prager Straße mit Rundkino,
UFA-Kristallpalast u.a
Frauenkirche
Neue Synagoge
Brühl´sche Terrassen, Lipsiusbau,
Ausstellungsgebäude, Kunstakademie
Hotel Westin Bellevue Dresden
Baustelle Waldschlösschenbrücke
Restaurant Schloß Eckberg
Campus TU Dresden
SLUB Zentralbibliothek
Militärhistorisches Museum
Gartenstadt Dresden-Hellerau
Sächsischer Landtag
Semperoper und Zwinger
Restaurant Villa Marie an der Loschwitzer
Brücke „Blaues Wunder“
122
Teilnehmer/-innen
Professoren-Exkursion Dresden-Leipzig
25.09. bis 28.09.2008
Nr.
Titel
Nachname
Vorname
FB
FH/TU
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Dipl.-Ing.
Dipl.-Ing. Arch.
Bulenda
Dittrich
Dunkelau
Edelmann
Fierz
Freischlad
Fuchs
Günster
Kawamura
Kowalewsky
Leonhardt
Meier
Meissner
Mosler
Nelskamp
Neuleitner
Raff
Riediger
Romero
Schaub
Scheiblauer
Steinhilber
Techen
Thomas
Weber
Zenner
Zoller
Pröll
Vogler
Thomas
Horst
Wolfgang
Albert
Peter
Volker
Hartmut
Armin
Kazuhisa
Jobst
Matthias
Richard
Andreas
Friedo
Heinz
Nikolaus
Hellmut
Hans-Georg
Stephan
Hans-Joachim
Anne Christin
Ursula
Holger
Horst
Günter
Norbert
Friedrich
Michael
Waltraud
BI
A
A
BI
A
A
A
A
A
A
A
A
A
BI
BI
BI
A
BI
A
BI
A
A
A
A
A
A
A
BI
A
Hochschule Regensburg
GSO Hochschule Nürnberg
FH Frankfurt
FH Mainz
Universität Karlsruhe
Hochschule Darmstadt
GSO Hochschule Nürnberg
Hochschule Karlsruhe
FH Mainz
FH Mainz
FH Frankfurt
SRH Hochschule Heidelberg
Hochschule Karlsruhe
GSO Hochschule Nürnberg
Hochschule Biberach
FH Regensburg
FH Wiesbaden
Hochschule Biberach
HTWG Konstanz
Hochschule Biberach
FH Frankfurt
HFT Stuttgart
FH Frankfurt
GSO Hochschule Nürnberg
FH Wiesbaden
FH Kaiserslautern
FH Regensburg
Ziegel Zentrum Süd
Ziegel Zentrum Süd
123
Impressum
Herausgeber
© Ziegel Zentrum Süd e.V.
Konzeption
Dipl.-Ing. Architektin Waltraud Vogler
Recherche und Exkursionsvorbereitung
Dipl.-Ing. Architektin Waltraud Vogler
Dipl.-Ing. Michael Pröll
Margret Kaiser
Layout und grafische Beratung
D.SIGNstudio Edigna Aubele, München
Druck
Druckerei Fritz Kriechbaumer, Taufkirchen
AnsprechpartnerInnen:
FB Architektur
FB Bauingenieurwesen
Sekretariat
Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin, Geschäftsführerin
Michael Pröll, Diplom-Ingenieur
Margret Kaiser
Ziegel Zentrum Süd e. V.
Beethovenstraße 8
80336 München
Fon 089/74 66 16 - 11
Fax 089/74 66 16 - 60
[email protected]
www.ziegel.com
Wir bedanken uns herzlich bei allen Personen, die uns bei der Recherche, der Vorbereitung der Exkursion
und durch Vorträge und Führungen unterstützt haben. Besonderer Dank gilt: Frau Prof. Anthusa Löffler, Herrn
Prof. Horst Thomas, Herrn Prof. Dr. Thomas Bulenda und Herrn Dipl.-Ing. Arch. Volker Meyer zu Allendorf.
Die Herstellung und das Papier der Broschüre „Professoren-Exkursion 2008“ des Ziegel
Zentrum Süd e.V. sind zertifiziert nach den Kriterien des Forest Stewardship Councils
(FSC). Der FSC schreibt strenge Kriterien bei der Waldbewirtschaftung vor und vermeidet
damit unkontrollierte Abholzung, Verletzung der Menschenrechte und Belastung der Umwelt. Da die Produkte mit FSC-Siegel verschiedene Stufen des Handels und der Verarbeitung durchlaufen, werden auch Verarbeitungsbetriebe von Papier, z.B. Druckereien, nach
den Regeln des FSC zertifiziert.
www.ziegel.com
Herunterladen