Ludwig–Maximilians–Universität München – Fakultät für Physik E1 – Mechanik Lösungen zu Übungsblatt 3 WS 2014 / 2015 Prof. Dr. Hermann Gaub Aufgabe 1 Sonnensystem Abstände innerhalb des Sonnensystems werden häufig in Astronomischen Einheiten (AE) angegeben. Dabei ist 1 AE der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne, also in etwa 150 Mio km. a) Nennen Sie die drei Keplerschen Gesetze. b) Jupiter ist im Mittel 5 AE von der Sonne entfernt (Wieso lässt sich das als grobe Abschätzung der großen Halbachse verwenden?). Wie lange dauert ein Jupiterjahr? Saturn hat in etwa die doppelte Entfernung von der Sonne. Wie lange dauert ein Jahr auf dem Saturn? c) Schätzen Sie den Gesamtdrehimpuls des Sonnensytems ab. Welcher Himmelskörper liefert den höchsten Beitrag? Die Massen der Erde, des Jupiters und des Saturns betragen jeweils M⊕ = 6, 0 · 1024 kg, MJ = 1, 9 · 1027 kg und MS = 5, 7 · 1026 kg. Welche anderen Himmelskörper könnten noch eine Rolle spielen (keine Rechnung nötig)? Welche Form der Rotation der Himmelskörper haben wir nicht berücksichtigt? Lösung a) 1. Planeten bewegen sich auf Ellipsenbahnen mit der Sonne in einem der Brennpunkte. 2. Ein Fahrstrahl von der Sonne zum Planeten überschreitet in gleichen Zeiten gleiche Flächen. 3. Die Quadrate der Umlaufzeiten der Planeten verhalten sich wie die 3. Potenzen ihrer großen Halbachsen: a31 Ti2 T12 = oder = const. (1) T22 a32 a3i b) Die Abweichung der Planetenbahnen von Kreisbahnen ist eher gering: Venus, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun haben sehr geringe Exzentrizäten, die kleiner sind als 5 %. Jupiter: TJ2 T⊕2 a3J a3⊕ = (2) (5 AE)3 · (1 yr)2 (1 AE)3 (3) = 53/2 yr ≈ 11, 2 yr (4) ⇒ TJ2 = ⇒ TJ | · T⊕2 1 Saturn: TS2 T⊕2 = a3S a3⊕ | · T⊕2 (5) (10 AE)3 · (1 yr)2 (1 AE)3 (6) ⇒ TS = 103/2 yr ≈ 31, 6 yr (7) ⇒ TS2 = ~ und p~ senkrecht c) Betrachte die Ellipsen näherungsweise als Kreisbahnen. Dann stehen R aufeinander. ~ × p~| = R · M · v = R · M · ωR = R2 · M · 2π L = |R (8) T LJ ≈ 1, 9 · 1043 kg m2 s−1 (9) 42 2 −1 (10) 40 2 −1 (11) LS ≈ 8, 1 · 10 kg m s L⊕ ≈ 2, 7 · 10 kg m s Der Drehimpuls der Erde ist vernachlässigbar. Die äußeren Eisriesen Uranus und Neptun haben noch relativ großen Drehimpuls (verglichen mit den inneren Planeten). Der Vollständigkeit halber (sollte nicht berechnet werden): LU ranus ≈ 1, 7 · 1042 kg m2 s−1 (12) 2 −1 (13) 42 LN eptun ≈ 2, 5 · 10 kg m s Der Gesamtdrehimpuls des Sonnensystem, also die Summe aus den Drehimpulsen der einzelnen Planeten, beträgt etwa 3 · 1043 kg m2 s−1 . Der Hauptdrehimpuls steckt also im Jupiter. Wir haben hier noch nicht die Drehung der Planeten um ihre eigene Achse betrachtet. Dazu fehlt uns aber noch das Konzept des Trägheitsmoments. Die Eigendrehung, auch die der Sonne, fällt aber verglichen mit dem Bahndrehimpuls der vier äußeren Planeten nicht ins Gewicht. Aufgabe 2 Drehmoment und Drehimpulserhaltung Ein kleines Massestück m = 0.5 kg wird an einem masselosen Faden der Länge r = 1 m aus der Ruhe innerhalb von 3 s auf eine Kreisbahn beschleunigt und rotiere dann mit fünf Umdrehungen pro Sekunde. a) Wie groß sind das durchschnittlich wirkende Drehmoment während der Beschleunigungsphase sowie der resultierende Drehimpuls danach? b) Wie schnell dreht sich das Massestück wenn der Faden durch Ziehen in radialer Richtung auf 0,4 m verkürzt wird? Lösung a) Drehimpuls (für ω = const.): ~ = |~r × p~| = r · m · v = m · ω · r2 = 0, 5 kg · 2π · 5 s−1 · 1 m2 = 15, 71 |L| 2 kg · m2 s Drehmoment bei der Beschleunigung: ~ | = |~r × F~ | = r · m · a = m · r2 · α = 0, 5 kg · 1 m2 · 2π · |M wobei α = dω dt 5 −2 kg · m2 s = 5, 24 3 s2 = 2π · 53 s−2 die Winkelbeschleunigung ist. b) Drehimpulserhaltung mit r1 = 1 m und r2 = 0.4 m: L1 = L2 ⇒ mω1 r12 = mω2 r22 ⇒ ω2 = ω1 r12 = 31, 5 s−1 r22 mit v = ω · r ⇒ v2 = ω2 · r2 = 12, 5 m/s Aufgabe 3 Satellit in Umlaufbahn a) Mit welcher Geschwindigkeit müsste ein Satellit von der Erdoberfläche mindestens senkrecht nach oben geschossen werden, damit er dem Schwerefeld der Erde entkommt? b) Welche Umlaufzeit (in Abhängigkeit vom Abstand zum Erdmittelpunkt) muss ein Satellit haben, damit er auf einer stabilen Umlaufbahn oberhalb der Erdoberfläche bleibt? Wie groß wäre die Umlaufzeit und die Winkelgeschwindigkeit direkt an der Erdoberfläche? Welche Umlaufzeit muss der Satellit haben, um auf einer geostationären Bahn - also immer über dem gleichen Punkt der Erdoberfläche - zu bleiben? Welche Höhe über dem Erdboden hat diese geostationäre Bahn? Tipps: Der Erdradius beträgt R = 6, 37 · 106 m, ihre Masse M = 5, 98 · 1024 kg. Nehmen Sie an, die Erde sei kugelförmig, vernachlässigen Sie den Einfluss der Erdrotation und benutzen Sie den Energieerhaltungssatz. Lösung a) Zs2 U = s1 Z∞ ∆U ~ = F~ (s) ds Z∞ Zs2 Fk (s) ds = s1 F (r) dr mit F (r) = GM m r2 (14) R Z∞ GM m dr GM m ∞ dr = GM m = − r2 r2 r R R R GM m GM m GM m = − − − = ∞ R R = (15) (16) Diese aufzuwendende Energie ∆U muss beim Start als kinetische Energie vorliegen. mv 2 GM m = ∆U = 2 R r 2GM km ⇒v= = 11, 2 R s Ekin = 3 (17) (18) m b) Kräftegleichgewicht: FG = Fzp ⇒ GM = mω 2 r r2 q −3/2 1 Stabile Umlaufbahn: ω = GM = 2, 0 · 107 · 1rm s , an der Erdoberfläche (r = R) r3 gilt dann ω = 1, 24 · 10−3 s−1 ⇒ T = 2π ω = 5058 s = 1, 4 h Direkt an der Erdoberfläche (R) muss die Kreisfrequenz ω am größten sein, für größere Radien wird sie kleiner. 1/3 Geostationäre Bahn: T = 1 d ⇒ rGeo = GM = 42, 3 · 106 m. Die Höhe über dem ω2 Erdboden beträgt also 36000 km. Aufgabe 4 Zentripetal- und Schwerebeschleunigung der Erde Die Erde hat einen Äquatorradius von 6378,14 km. Sie dreht sich in 23 Stunden, 56 Minuten und 4,09053 Sekunden einmal vollständig um ihre Achse (= ˆ Sterntag, der mittlere Sonnentag dauert 24 Stunden). Die Erdbeschleunigung am Äquator beträgt auf Meeresniveau gÄq = 9, 78052 m/s2 . a) Geben Sie die Winkelgeschwindigkeit an und berechnen Sie die Tangentialgeschwindigkeit am Äquator. b) Wie groß ist die Zentrifugalbeschleunigung für einen beliebigen Punkt auf der Erde? c) Welchen Wert hätte die Erdbeschleunigung, die sich aus Schwerebeschleunigung und Zentripetalbeschleunigung zusammensetzt, wenn die Erde sich nicht drehen würde? d) Die Rotation verändert die Richtung der Erdbeschleunigung. Geben Sie den Winkel zwischen der Schwerebeschleunigung und der Zentripetalbeschleunigung für einen beliebigen Punkt auf der Erde an. e) Wie lange müsste ein Sternentag, d.h. eine vollständige Erdumdrehung dauern, damit am Äquator Zentrifugalbeschleunigung und Schwerebeschleunigung betragsmäßig gleich wären? (überlegen Sie mögliche Konsequenzen dieses Zustands) Lösung R = 6378140 m, T = 23 h 56 min 4,09053 s = 86146,09053 s, gÄq = 9, 78052 m/s2 −5 s−1 a) ω = 2π T = 7, 292115855 · 10 ~ ⇒ |~ v~t = ω ~ ×R vt | ≡ vÄq = ω · R = 465, 1013582 m/s ≈ 1674, 4 km/h b) r(φ) = R cos φ ⇒ az (φ) = R · cos φ · ω 2 (siehe Vorlesung 2.1) c) Die Erdbeschleunigung setzt sich zusammen aus Schwerebeschleunigung und Zentrifugalbeschleunigung. Hier ist die Erdbeschleunigung ohne Zentrifugalbeschleunigung gesucht: ~gÄq = ~g0 + ~az (φ = 0) ⇒ ~g0 = ~gÄq − ~az (φ = 0) = ~gÄq + ω 2 · R ≈ 9.78052 + 0.03391 ≈ 9.81444 m/s 4 d) Am Äquator ist der Winkel α = 0, am Pol gilt α = 90◦ . α entspricht dem Winkel φ vom Breitengrad. e) Am Äquator gilt φ = 0 Zentrifugalbeschleungigung gleich Schwerebeschleunigung: q g0 = azp = ω 2 R ⇒ ω 2 = gR0 ⇒ ω = gR0 q R ⇒ T = 2π ˆ 1 h 24 min 25,17 s. = 2π ω g0 ≈ 5065, 17 s = Diese Zeit entspricht der Umlaufzeit erdnaher Satellitenorbits. Konsequenz: Schwerelo” sigkeit“ am Äquator, starke Abplattung der Erde, riesige Wellen in den äquatornahen Ozeanen, Abfließen der Ozeane ins Weltall... 5