Schiller - Friedrich Schiller bei dtv und Hanser

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Schiller
Mein Schiller
© Isolde Ohlbaum
Marcel Reich-Ranicki
Ich liebe Schiller.
Ich liebe den Dichter der Freiheit und der
Jugend. Ich schätze den engagierten Schriftsteller (den Begriff gab es damals noch
nicht), der mit jeder seiner literarischen und
philosophischen Arbeiten etwas erreichen
und bewirken wollte. Ich verehre den größten der deutschen Theaterautoren, dessen
Dramen, ausnahmslos alle, von den ›Räubern‹
bis zum ›Wilhelm Tell‹, mir zeigten, was die
Bühne zu leisten imstande ist. Ich habe eine
Schwäche für nicht wenige seiner geistreichen Gedichte, zumal für seine Ballade ›Die
Kraniche des Ibykus‹, die ich nach wie vor
von allen deutschen Balladen am meisten
bewundere und die mir, ähnlich wie seine
Dramen, die Möglichkeiten des Theaters bewußt machte. Sein Aufsatz ›Die Schaubühne
als eine moralische Anstalt betrachtet‹ entdeckte mir vollends den Sinn, die Aufgabe
und die Bedeutung des Theaters.
So hat sein Werk mir die Augen geöffnet:
Schiller war der erste Dichter, der mich in meiner frühen Jugend ahnen und vielleicht sogar
begreifen ließ, daß Literatur Kritik der Gesellschaft ist, ja Kritik des Lebens.
Ich liebe Friedrich Schiller.
Peter Härtling
© Jürgen Wassmuth
Ein Leben lang Schiller
Sobald ich Schillers Dramen lese, erwarte
ich, was ich schon als Fünfzehnjähriger erwartete: dass die Sätze einen gewaltigen
Sog entfalten, mich forttragen und ich auf
ihre Kraft kindlich vertraue, wie seinerzeit,
als ich zum ersten Mal Maria Stuarts Sehnsuchtsarie las:
Eilende Wolken! Segler der Lüfte!
Wer mit euch wanderte, mit euch schiffte!
Grüßet mir freundlich mein Jugendland!
Ich bin gefangen, ich bin in Banden,
Ach, ich hab keinen andern Gesandten.
Ich fand die Wendung »wer mit euch schiffte«
allerdings kurios, aber sie gab unsrem
Deutschlehrer die Gelegenheit, uns den
Bedeutungswandel von Wörtern zu erklären,
womit er das zu erwartende Bubengelächter
dämpfte.
Über die Briefe kam ich zu Schillers Prosa, seinen Erzählungen, seinen historischen und
philosophischen Schriften und geriet aus
einem rhetorischen Raum in den andern. Das
Pathos, das die Phantasie mitreißt und trägt,
weicht einer beredten Klarheit, die dem Verstand klärend wohl tut. Anmut und Würde
werden durch Schillers Argumentation Flügel zu einem Altar, auf dem MORAL steht. Ihr
verdanke ich einfache abgründige Sätze, die
ich tagelang nicht loswerde – wie diesen:
»Das Tier muß streben, den Schmerz los zu
sein, der Mensch kann sich entschließen, ihn
zu behalten.«
Denn er war unser!
So feiert ihn!
Vor 200 Jahren, am 9. Mai 1805, starb Friedrich Schiller mit nur sechsundvierzig Jahren in seinem Haus auf
der Esplanade in Weimar. 2005 ist daher ein Schiller-Gedenkjahr. Aber: Ist er noch unser? Ist Schiller noch
lebendig? Die Frage nach seiner Aktualität gehört zum Festritual. Eine Antwort wird ernsthaft nicht erwartet, weil sich in Wahrheit dahinter das trutzige Bekenntnis verbirgt: Er ist noch unser!
Man befindet sich dabei vermeintlich in guter Gesellschaft: Goethe, seit 1794 im schöpferischen Dialog
mit Schiller, ehrte den toten Freund am 10. August 1805 mit einer szenischen Aufführung des Gedichts
›Das Lied von der Glocke‹. Dazu schrieb er einen Epilog, in dem die viel zitierten Verse vorkommen:
Denn er war unser! Mag das stolze Wort
Den lauten Schmerz gewaltig übertönen!
Er mochte sich bei uns, im sichern Port,
Nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen.
Indessen schritt sein Geist gewaltig fort
Ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen,
Und hinter ihm, in wesenlosem Scheine,
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
Als Goethe zum 5. und 10. Todestag Schillers die Aufführung mit einem erweiterten Epilog wiederholen
ließ, hieß es weiterhin: »Denn er war unser.« Goethe wusste, dass es zu keiner Zeit aktualisierender
Begründungen bedarf, um jemanden wie Schiller uneingeschränkt zu feiern:
Wir haben alle segenreich erfahren,
Die Welt verdank’ ihm, was er sie gelehrt;
Schon längst verbreitet sich’s in ganze Scharen,
Das Eigenste, was ihm allein gehört.
Er glänzt uns vor, wie ein Komet entschwindend,
Unendlich Licht mit seinem Licht verbindend.
Verwundert, aber doch ganz in Goethes Geist, zeigte sich Thomas Mann, als man ihm im Jahre 1929 ebenfalls die Frage stellte »Ist Schiller noch lebendig?«:
»Es ist eine recht deutsche Rundfrage, die Sie ergehen lassen. Kein Franzose würde darauf kommen,
sich und andere zu fragen, ob Racine oder Corneille ›noch lebendig‹ seien. Sind wir Deutschen nicht
allzusehr ein Volk des voraussetzungslosen Immer-Neu-Beginnens und der Geschichtslosigkeit?…
Zu fragen, ob Schiller noch lebt, deutet auf Mangel an Selbstbewußtsein; es ist nicht viel anders, als
fragten wir, ob wir ein Kulturvolk sind. Man müßte sehr bitter gelaunt sein, um Nein zu sagen.«
Dieser Antwort ist auch im Jahre 2005 nichts hinzuzufügen – außer Goethes Aufforderung:
So feiert ihn! Denn was dem Mann das Leben
Nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben.
1
Der Apfel ist gefallen! Der Knabe lebt!
Marbach Lorch Ludwigsburg
•
•
»Eine Luft, die Schillern angenehm
war, drückte auf mich wie Gift. Einmal
in seiner Abwesenheit setzte ich mich
an seinen Schreibtisch. Ich hatte aber
nicht lange gesessen, als ich mich von
einem heimlichen Übelbefinden überschlichen fühlte, welches sich nach
und nach so steigerte, daß ich einer
Ohnmacht nahe war. Endlich bemerkte ich, daß aus einer Schieblade neben
mir ein sehr fataler Geruch kam. Als
ich sie öffnete, fand ich zu meinem
Erstaunen, daß sie voll fauler Äpfel
war. Frau von Schiller sagte mir, die
Schieblade müsse immer
mit solchen Äpfeln gefüllt
sein, indem dieser Geruch
Schillern wohltue und er
ohne ihn nicht leben und
nicht arbeiten könne.«
Johann Wolfgang von Goethe
am 7. Oktober 1827 zu
Eckermann
Äpfel setzen in Schillers Leben immer
wieder Akzente. Berühmt ist der Apfelschuss im ›Tell‹, weniger bekannt sind
die legendären Äpfel in seiner Schreibtischschublade. Auch die Volksweisheit bringt sich verstohlen zu Gehör:
»Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«
Schiller war es jedenfalls nicht an der
Wiege gesungen, dass er als Dichterfürst neben Goethe an höchster Stelle
im Olymp der deutschen Literatur würde zu sitzen kommen, als er am 10.
November 1759 in Marbach am Neckar
als erster und einziger Sohn von Johann
Caspar Schiller (1723-1796) und seiner
Frau Elisabeth Dorothea (1732-1802)
zur Welt kam.
Der Vater, der seine Hoffnung auf ein
Studium aus Vermögensgründen aufgeben musste, entwickelte neben seinem Brotberuf als Wundarzt und Offizier ein leidenschaftliches Interesse für
landwirtschaftliche Fragen und brachte es damit zu Erfolg und Schriftstellerehren. Kurz vor seinem Tod konnte er
seine Kenntnisse mit Hilfe seines Sohnes schließlich in einem soliden Grundwerk veröffentlichen: ›Die Baumzucht
im Großen aus zwanzigjähriger Erfahrung im Kleinen‹.
So wie alle Eltern ihre unerfüllten
Träume in ihren Sprösslingen zu verwirklichen suchen, bemühte sich auch
Caspar Schiller nach Kräften. Als die
Familie 1764 nach Lorch zog, bekam
der kleine Fritz zusätzlich Unterricht
beim Pfarrer Moser, dem er später in
Apfelstudie von Schillers älterer Schwester Christophine
2
1759 -- 1773
den ›Räubern‹ ein Denkmal setzte. 1766 wurde Caspar Schiller in die Residenzstadt Ludwigsburg versetzt, die ihm wie
dem Sohn bessere Entfaltungsmöglichkeiten bot. Friedrich
besuchte die Lateinschule und verfolgte noch sein ursprüngliches, theologisches Berufsziel. Der Vater kultivierte aber
neben dem Latein noch andere Triebe des fleißigen, wenn
auch oft durch Krankheiten geplagten Schülers. Er nahm das
Kind als Belohnung für seinen Schulfleiß gelegentlich mit ins
Hoftheater. Die Eindrücke wurden von dem Jungen in improvisierten eigenen Aufführungen mit ausgeschnittenen Pappfiguren verarbeitet und durch eigene dramatische Versuche
ergänzt. Schillers Liebe zum Theater geht sicherlich auf diese
Erlebnisse in seiner Kindheit zurück.
Marbach am Neckar
Schillers
Taufbucheintrag
Zunächst aber war für Friedrich noch immer
die Kanzel das Ziel – zur Freude seiner Eltern.
Dem leiblichen kam aber der Landesvater
mit seinen Vorstellungen von Zucht und
gewinnbringender Kultivierung der Landeskinder in die Quere. Caspar Schiller
musste seinen Sohn 1773 für acht lange
und harte Jahre in dessen Militär-Pflanzschule geben. Nach Beendigung des
Studiums landete Schiller 1781 zu seiner und des Vaters bitterster Enttäuschung als Regimentsmedikus beim
Grenadierregiment Augé in Stuttgart.
Das Sprichwort vom Apfel schien
sich wie ein Fluch zu bestätigen.
Johann Caspar Schiller
und
Elisabeth Dorothea
Schiller
Schillers
Taufhäubchen
Die neue kompakte
Schiller-Biografie
von Kurt Wölfel.
Pfarrer Moser
in Lorch
Originalausgabe
_ portrait
Durchgehend vierfarbig
Mit zahlreichen Abbildungen
192 Seiten ¤ 10,– [D]
¤ 10,30 [A] sFr 17,60
ISBN 3-423-31016-2
3
Verhältnisse, die mir zur Folter waren
Der Carlsschüler
Um es kurz und knapp zu machen, die
Hohe Carlsschule, die der 13-jährige, oft
kränkelnde Knabe 1773 beziehen musste, war die Einrichtung eines fürstlichabsolutistischen Despoten. Er regierte
seit 1744 in Württemberg, hieß Carl
Eugen (1728-1793) und seine Kadettenanstalt diente dazu, Personal zu
»Diensten des Herzoglichen Württembergischen Hauses« auszubilden. Maßlos und gewaltsam wie der Herzog war
auch seine Militär-Pflanzschule, wie
sie damals noch beschönigend genannt
wurde.
»Neigung für Poesie beleidigte die Gesetze des Instituts, worin ich erzogen ward, und widersprach dem Plan seines Stifters. Acht Jahre rang
mein Enthusiasmus mit der militärischen Regel; aber Leidenschaft für
die Dichtkunst ist feurig und stark, wie die erste Liebe. Was sie ersticken
sollte, fachte sie an. Verhältnissen zu entfliehen, die mir zur Folter waren,
schweifte mein Herz in eine Idealenwelt aus – aber unbekannt mit der
wirklichen, von welcher mich eiserne Stäbe schieden – unbekannt mit
den Menschen – denn die vierhunderte, die mich umgaben, waren ein
einziges Geschöpf… – unbekannt mit den Neigungen freier, sich selbst
überlassener Wesen… – unbekannt mit Menschen und Menschenschicksal mußte mein Pinsel notwendig die mittlere Linie… verfehlen,
mußte er ein Ungeheuer hervorbringen..., dem ich nur darum Unsterblichkeit wünschen möchte, um das Beispiel einer Geburt zu verewigen,
die der naturwidrige Beischlaf der Subordination und des Genius in die
Welt setzte. – Ich meine die ›Räuber‹.«
Ankündigung der Rheinischen Thalia 1784
4
Das Leben in der Erziehungsanstalt
war bestimmt durch ein straffes Ordnungs-, Kontroll- und Disziplinierungssystem. Zwar konnten die Lehrer die
autoritären Rahmenstrukturen nicht
ändern, aber sie hatten die Möglichkeit, über Unterrichtsinhalte dem Gedankengut der Aufklärung Schlupflöcher zu schaffen. Jakob Friedrich
Abel, Professor und Lehrer für Philosophie, Psychologie und Moral, übte
besonderen Einfluss auf Schiller aus.
Der 16-jährige Zögling wird von ihm mit
der moralphilosophischen Diskussion
der Zeit, mit der literarischen Produktion des ›Sturm und Drang‹ und vor
allem mit den Dramen Shakespeares
bekannt gemacht.
Mit Eifer widmet sich Schiller der Lektüre der Werke des Engländers. Seine Be-
1773 -- 1780
geisterung für die Theaterstücke und die Eindrücke, die der
junge Mann aus dem Studium des antiken Schriftstellers
Plutarch gewonnen hatte, lassen den Plan zu einem großen
Drama reifen. Ab 1777 arbeitet Schiller heimlich während
der Nachtwachen im Krankensaal an seinem ersten großen
Schauspiel. Jetzt macht sich sein bereits 1775
vollzogener Wechsel vom Jura-Studium zur
Medizin bemerkbar und bezahlt. Es sind die
philosophisch-psychologischen Aspekte,
die den Doktoranden interessieren: Hier
hofft er Aufschluss über die menschliche
Natur und über die Leidenschaften zu
erhalten. Ihren Kampf sieht er in der
Dichtung, insbesondere im Drama
Shakespeares, veranschaulicht, und
dem eifert er nach.
Carl Eugen
Spätestens im Sommer 1780 liegt
ein erstes, noch vorläufiges und in
der Folgezeit immer wieder überarbeitetes Manuskript vor. Nach seiner
Entlassung aus der Tyrannei der Hohen Carlsschule Ende
des Jahres 1780 betreibt Schiller dann den Druck der ›Räuber‹
mit ganzer Energie. Ende Mai bzw. Anfang Juni 1781 erscheint
das Stück anonym im Selbstverlag und mit fingiertem Druckort. Der Verfasser ist glücklich, aber hoch verschuldet.
Carlsschule
Schiller und seine Werke
mit all ihren Facetten
für Jugendliche.
Dissertation
Ein Lesebuch
Mit Illustrationen von
Peter Schössow
und zahlreichen Abbildungen
ab 14
Originalausgabe
384 Seiten ¤ 7,50 [D]
¤ 7,80 [A] sFr 13,50
ISBN 3-423-62196-6
Jakob Friedrich Abel
5
Franz heißt die Kanaille
Die Räuber
»Das Theater glich einem Irrenhause,
rollende Augen, geballte Fäuste, stampfende Füße, heisere Aufschreie im
Zuschauerraum! Fremde Menschen
fielen einander schluchzend in die
Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Thüre. Es war eine allgemeine Auflösung wie im Chaos, aus
deßen Nebeln eine neue Schöpfung
hervorbricht!«
So der Bericht eines Augenzeugen der Uraufführung, die am
13. Januar 1782 im Mannheimer Nationaltheater stattfand.
Schiller war ohne Erlaubnis nach Mannheim gereist und
nahm unerkannt in einer Loge des ausverkauften Theaters an
der Aufführung teil. Obwohl die Handlung der ›Räuber‹ zur
Entschärfung ihrer politisch subversiven Kraft ins Spätmittelalter zurückverlegt worden war, geriet der Abend zu
einem der spektakulärsten Bühnenereignisse der deutschen Theatergeschichte. Ein gerade 22-jähriger Autor
eroberte mit seinem dramatischen Erstling die Köpfe und
Herzen seiner Nation im Sturm und wurde schnell zum
in ganz Deutschland gefeierten Dichter der Freiheit und
des Kampfes gegen die Tyrannei.
Wo immer das Stück auf den Spielplan kam, war es
gut für einen Skandal. Sein Bühnenschicksal ist von
Eingriffen und Verboten aus moralischen und politischen Gründen geprägt. Aber selbst die schlimmsten
Verballhornungen konnten seinen Siegeszug nicht
hindern, denn es ließ und lässt immer wieder neue
Deutungen zu: der Bruderzwist, der Vater-SohnKonflikt oder das Revolutionsdrama – diese Themen haben sich bis heute nicht erschöpft. Noch
immer gehören ›Die Räuber‹ der Jugend und der
Zukunft. Kein Schauspieler, der nicht in die Fußstapfen der großen Vorbilder treten möchte,
der nicht Franz und Karl Moor zu verkörpern
wünscht. Auch das Regietheater kann sich
1781 -- 1782
schadlos an Text und Autor austoben. Ist auch nicht jedes
Ergebnis gelungen, so beweist selbst das Unzumutbare die
Lebendigkeit von Schillers Geniestreich.
Schiller, 1781/82
Theaterzettel
Der Erfolg kostet dem neuen deutschen Shakespeare bald
»Familie und Vaterland«. Der Herzog bestraft die rebellische
Gesinnung seines Regimentsmedikus; er verhängt vierzehn
Tage Arrest und Schreibverbot. Als »Weltbürger, der keinem
Fürsten dient«, flüchtet Schiller in einer Nacht-und-NebelAktion zusammen mit seinem Freund Andreas Streicher am 22. September 1782 aus Württemberg nach
Mannheim, wo er sich ein Auskommen als Theaterdichter erhofft. Klaglos nimmt Schiller die
Ablehnung des Theaterintendanten Dalberg
zur Kenntnis und sucht, um Spuren zu verwischen, für einige Wochen unter falschem
Namen Unterschlupf in einem Gasthaus in
Oggersheim bei Worms. Ein zweites Stück
hat der Flüchtling schon ziemlich fertig in
der Tasche und Pläne für sein drittes im Kopf.
Doch die Situation wird immer prekärer.
Wolfgang Heribert
Reichsfreiherr von Dalberg
Friedrich Schiller
Die Räuber
Ein Schauspiel
Frankfurt und Leipzig 1781
Herausgegeben von
Joseph Kiermeier-Debre
Bibliothek der Erstausgaben
288 Seiten ¤ 6,– [D]
¤ 6,20 [A] sFr 10,80
ISBN 3-423-02601-4
Mannheimer Nationaltheater
7
Du bist blaß, Louise?
Kabale und Liebe
»Mit welcher Stirn kann ein Mensch
doch solchen Unsinn schreiben und
drucken lassen (…) Wer 167 Seiten
voll ekelhafter Wiederholungen gotteslästerlicher Ausdrücke, wo ein Geck
um ein dummes affectirtes Mädchen
mit der Vorsicht rechtet, und voll crassen, pöbelhaften Witzes, oder unverständlicher Galimathias, durchlesen
kann und mag – der prüfe selbst.«
Schillers Flucht endete
am 7. Dezember 1782 in Bauerbach in Thüringen auf dem Gut
seiner Gönnerin Henriette von Wolzogen. Er setzte sich sofort an die Arbeit,
um sein zweites Stück, das republikanische Trauerspiel ›Die Verschwörung
des Fiesko zu Genua‹, bühnentauglich
zu machen. Vor allem aber wollte er ganz
rasch ein neues zustande bringen: Eine
Frau, Louise Millerin, sollte die Titelheldin sein, und es sollte ein respektloses
Zeitstück werden, das sich nicht in die
Welt des Mittelalters »zurückspielen«
ließ. Der Erfolg stellte sich umgehend
ein. Doch der Schriftsteller Karl Philipp
Moritz (1756-1793) übte in seiner Rezension vom 21. Juli 1784 harsche Kritik
an dem Drama:
8
Schiller hatte bis in sein 24. Lebensjahr
wenig Erfahrungen mit Frauen gehabt
und, so wird gerne betont, entsprechend blass seien seine frühen Liebesgedichte und Frauengestalten. Bei
Shakespeare konnte man diesbezüglich dennoch etwas lernen. Erfolgreich
stellte Schiller sein Stück zunächst
unter den Voraussetzungen des bürgerlichen 18. Jahrhunderts einem berühmten Vorbild nach: ›Romeo und
Julia‹. Wie die Ausgangslage analog zu
Shakespeares Stück gestaltet ist – verkrustete und überkommene Väterwelten – so der Endzustand: der Liebestod
eines Paares durch Gift. Für den Schluss
gilt dann zitatweise: »Die Szene wird
zum Tribunal«, gar zum Jüngsten Gericht. Das »dumme, affectirte Mädchen«
aber, die Titelheldin – erst später erfolgte die Umbenennung in ›Kabale und
Liebe‹ –, erhielt in Bauerbach nicht nur
durch Shakespeare Umriss und Kontur,
sondern zusätzliche Farbe und Leben
durch die 17-jährige Tochter von Schillers Hausherrin. Charlottes Anmut entzückte ihn ungemein, und am 30. Mai
1783 hielt er in einem »tollen Brief« an
1783
Chodowiecki:
Kupferstich zu ›Kabale und Liebe‹
die Mutter um die Hand des Mädchens an. Man war bei aller Fürsorge
für den Dichter darüber aber nicht
begeistert. Wie viel von der unglücklichen Leidenschaft schließlich in das Stück
einging, das im April 1784 in Frankfurt und
Mannheim bei der Uraufführung für Furore
sorgte, darüber lässt sich nur spekulieren.
Charlotte von
Wolzogen
»Ein unvergleichliches Stück. Zwischen Erzengeln und Teufeln eine wilde Balgerei, bis über
dem Liebestod mit Limonade die bezwungenen
Teufel den zerfleischten Engeln Beifall klatschen«,
schrieb der junge Bertolt Brecht 1920 begeistert
über dieses Glanzstück der von Lessing begründeten Gattung des »bürgerlichen Trauerspiels«. Seine
grellsten Situationen und schreiendsten Farben verdankt es dem Konflikt mit dem Herzog Carl Eugen von
Württemberg. Seinen andauernden großen Erfolg aber verdankt dieses in der deutschen Literatur seltene »well made
play« der weiblichen Hauptfigur. Louise ist keineswegs
blass. Ihr Leiden, ihre Gewissensnöte und ihre unbedingte
Liebe stellt Schiller eindringlich durch revolutionierende
Ausdrucksmittel dar: Mit Tränen, Erblassen, sprachlosem
Erstaunen und hilflosem Schweigen muss sie die neue Macht
des Herzens gegen die alte ständische Rangordnung
behaupten. Darin ist sie groß, und deshalb gehört ihr unsere
Neigung.
›Kabale und Liebe ‹,
Titelseite der Erstausgabe
Friedrich Schiller
Kabale und Liebe
Ein bürgerliches Trauerspiel
in fünf Aufzügen
Mannheim 1784
_
Friedrich Schiller
Kabale und Liebe
Herausgegeben von
Joseph Kiermeier-Debre
Bibliothek der Erstausgaben
224 Seiten ¤ 6,– [D]
¤ 6,20 [A] sFr 10,80
ISBN 3-423-02622-7
Wohnung in Bauerbach
9
Bibliothek
der Erstausgaben
Arm in Arm mit Dir
Don Karlos
Druckvorlage
mit Korrekturen
von Schillers Hand
für die bei Cotta 1805
erschienene
»Theater-Ausgabe«
Die Idee der Freundschaft entwickelte
sich im 18. Jahrhundert zum sentimentalen Freundschaftskult, und Schiller zelebriert ihn mit Hingabe. Eine Freundschaft bildet auch den Kern des neuen
Stücks über den idealisierten spanischen Kronprinzen Don Karlos. Ab März
1783, unmittelbar nachdem ›Kabale und
Liebe‹ fertig gestellt ist, brütet er für Dalberg über seinem »Familiengemälde aus
fürstlichem Hause«. Das ist ein Zugeständnis an die Mannheimer Theaterleitung wie ans Publikum, denn eigentlich
will Schiller ein feuriges Drama über den
Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit, gegen Inquisition und Despotie schreiben.
›Dom Karlos‹, wie der Titel in der Erstausgabe lautete, sollte ein Manifest werden,
das die »prostituierte Menschheit«
rächt, indem es für die Rechte des Herzens in Liebe und Freundschaft plädiert.
Ideal und Wirklichkeit kommen einander bekanntlich nur selten nahe, beson-
ders in Sachen Liebe und Freundschaft. Das geheime Urbild für den
Marquis von Posa, den Freund des
königlichen Prinzen, ist ein Musterbeispiel für verklärte Wirklichkeit. Zur
gleichen Zeit, als Schiller über den
Anfängen seiner »Freiheitsdichtung«
saß, richtete er am 14. April 1783 seinen berühmten Freundschaftsbrief an
den Bibliothekar Wilhelm Reinwald, der
ihn in der einsamen ländlichen Idylle
großzügig mit Lektüre versorgte. Der 46jährige Mann war in kurzer Zeit zu Schillers engstem Vertrauten geworden, dem
er begeistert seine Freundschaft anbot.
Bauerbach.
Früh in der Gartenhütte
»In diesem herrlichen Hauche des Morgens denk ich Sie, Freund – und meinen
Karlos. (…) Jede Dichtung ist nichts anderes als eine enthousiastische Freundschaft oder platonische Liebe zu einem Geschöpf unsers Kopfes. (…) Nun eine
kleine Anwendung auf meinen Karlos. Ich mus Ihnen gestehen, daß ich ihn
gewisermaßen statt meines Mädchens habe. Ich trage ihn auf meinem Busen – ich
schwärme mit ihm durch die Gegend um – um Bauerbach herum.«
101
1785 -- 1787
Der Schluss des Briefes bietet eine weitere Anwendung, nur
auf das Leben selbst: Wie Schiller Karlos liebt, wie Karlos um
Posa wirbt, so wirbt Schiller um Reinwald:
»Sie sind der edle Mann, der mir so lange gefehlt hat, der es
werth ist, daß er mich mit samt allen meinen Schwächen
und zertrümmerten Tugenden besize, denn er wird jene dulden, und diese mit einer Träne ehren. Theurer Freund! (…)
bleiben Sie Mein.«
Idealisierte Wirklichkeit und die Wirklichkeit des Ideals sind
zweierlei Dinge. Der von Welt und Menschen enttäuschte
Reinwald wurde 1786 Schillers Schwager und ging dem
Dichter bald ziemlich auf die Nerven. In der Wirklichkeit
der Dichtung aber blieb die Freundschaft, auch wenn
Posa von einer Kugel getroffen stirbt, unsterblich:
Friedrich Schiller, nach 1786
»Ich fürchte nichts mehr – Arm in Arm mit Dir –
So fod’r ich mein Jahrhundert in die Schranken.«
Wilhelm Friedrich Hermann
Reinwald
Eine lebenslange Freundschaft hingegen verband
Schiller mit dem Dresdner Oberkonsistorialrat Christian Gottfried Körner. Die Einladung des vielseitig
gebildeten und verständnisvollen Freundes versetzte Schiller in die Lage, den ›Don Karlos‹ fertig zu stellen: zunächst in Leipzig, dann in Körners Weinberghäuschen in Loschwitz und schließlich in Dresden. Die zwei
Jahre, die Schiller im Freundes- und Familienkreis Körners
verbrachte, verlebte er sorgenfrei in finanzieller Sicherheit
und regem geistigem Austausch. Ein unsterbliches Produkt
der Freundschaft mit Körner, diesem »Bruder durch Wahl
mehr als (...) durch Geburt«, ist das Gedicht ›An die Freude‹,
das Beethoven in seiner 9. Sinfonie vertonte und das zur
Europahymne wurde.
Friedrich Schiller
Dom Karlos
Infant von Spanien
Leipzig 1787
Christian Gottfried Körner
und das Weinberghäuschen
in Loschwitz
Herausgegeben von
Joseph Kiermeier-Debre
Bibliothek der Erstausgaben
448 Seiten ¤ 8,– [D]
¤ 8,30 [A] sFr 14,30
ISBN 3-423-02636-7
11
Was heißt und zu welchem Ende
studiert man Universalgeschichte?
26. Mai1789
Schiller hatte auf der Carlsschule lustlos Jura studiert, war dann zur Medizin
gewechselt und hatte 1780 seine Dissertation ݆ber den Zusammenhang
der tierischen Natur des Menschen mit
seiner geistigen‹ veröffentlicht. Obwohl Schiller keine Universitätslaufbahn anstrebte, so beweisen doch Titel
und Inhalt dieser Arbeit seine von Anfang an vorhandene starke philosophische Ausrichtung. Er verstand wissenschaftliches Arbeiten als Erfahrungslehre vom Menschen und seinen
Leidenschaften, als spekulative
Geschichtsphilosophie.
Titelblatt der
Antrittsvorlesung in
Jena am 26. Mai 1789
Marktplatz
von Jena
Die Jahre von 1788 bis 1795 verbringt Schiller mit Studien und Arbeiten
zu historischen und philosophischen Themen. Obwohl das erste von Schillers großen Gedichten der Betrachtung, das Gedicht ›Die Götter Griechenlandes‹, das im März 1788 im ›Teutschen Merkur‹ erschien, entschieden Kritik am rationalen Zeitalter der Aufklärung übt und ein Plädoyer für die
Rückkehr der Göttin der Schönheit in die aufgeklärte Welt hält, entscheidet
sich Schiller gegen die Poesie und für die Wissenschaft. Um seine Existenz zu
sichern, nimmt er das Angebot Herzog Carl Augusts von Sachsen-Weimar an,
das ihn im Dezember 1788 als a. o. Professor für Geschichte an die Universität Jena führt. Das hörte sich zumindest gut an. Die Übersiedlung von
Weimar – wo er seit Juli 1787 lebte – nach Jena fand am 11. Mai 1789 statt.
12
Die großen Figuren der Weltgeschichte hatten den Dramatiker schon immer gereizt, und
in der langen Arbeit über dem
›Don Karlos‹ war er in seinem historischen Material
hängen geblieben. Als eine Art Resteverwertung entstand in Weimar die
umfangreiche ›Geschichte des Abfalls
der vereinigten Niederlande von der
Spanischen Regierung‹. Der erste und
einzige von sechs geplanten Bänden,
der Ende Oktober 1788 erschien, lenkte das öffentliche Interesse auf den
historischen Schriftsteller. Auch der
Weimarer Hof wurde auf Schiller aufmerksam. Im Dezember erhielt er über
Goethe – böse Zungen behaupten, dieser habe den Konkurrenten nur von
Weimar »weggelobt« – die förmliche
1788 -- 1795
Friedrich Schiller
Aquarellierte
Zeichnung von
Schillers Schwester
Christophine
Clio, Muse der Geschichtsschreibung. Gemälde
(1797) aus Schillers Besitz
Berufung, doch ohne Besoldung. Am 9. März schreibt der
Professor zweiter Klasse erbost an Körner, wenn ihm er oder
sonst jemand Geld geboten hätte: »die Academi in Jena
möchte mich dann im Asch [!] lecken«. Schiller absolvierte
seine Antrittsvorlesung am 26. Mai 1789 mit Bravour und
referierte abends von 18 bis 19 Uhr vor 500 Studenten unter
dem Titel ›Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?‹ über den Unterschied zwischen einem
Brotgelehrten und einem philosophischen Kopf. Ab Januar
1790 jedoch gewährt Herzog Carl August Schiller in Hinblick
auf die bevorstehende Eheschließung mit Charlotte von
Lengefeld ein Jahresgehalt von 200 Talern.
Während seiner Lehrtätigkeit in Jena nahm Schiller ein zweites historisches Großprojekt in Angriff: die ›Geschichte des
Dreißigjährigen Krieges‹. Sie erschien 1791-1793 in drei Teilen, mehrfach durch Krankheit unterbrochen, mit wenig Begeisterung betrieben und ohne eigentlichen Abschluss. Dennoch wurde sie enthusiastisch gerühmt. Ihr größtes Verdienst
aber ist, dass es ohne das historische Werk kein Trauerspiel
›Wallenstein‹ gäbe. Zu diesem Ende studiert »man« als geborener Dichter Universalgeschichte!
Titelblatt der
›Geschichte des
Abfalls der vereinigten
Niederlande von der
Spanischen Regierung‹
Friedrich Schiller
Sämtliche Werke in fünf Bänden
Herausgegeben von
Peter-André Alt, Albert Meier und Wolfgang Riedel
unter Mitarbeit von Irmgard Müller und Jörg Robert
5808 Seiten ¤ 49,90 [D]
¤ 51,30 [A] sFr 81,50
ISBN 3-423-59068-8
Herzog Carl August
13
Wer ein holdes Weib errungen
22. Februar 1790
Friedrich Schiller
Charlotte von Lengefeld
Der Roman ›Der Geisterseher‹, den
Schiller im Juni 1786 begann und einige
Jahre später aus ungeklärten Gründen
unvollendet abbrach, ist ein Ding mit
vielen Rätseln und Geheimnissen.
Liebe spielt natürlich eine Rolle, aber
auch Leidenschaft und Mord. Am 26.
Januar 1789 schreibt Schiller an die
Schwestern Lengefeld: »Mein Geister-
seher hat mich dieser Tage etlichemal
sehr angenehm beschäftigt (…) Jezt
bin ich eben bey der schönen Griechinn; und um mir ein Ideal zu hohlen, werde ich die nächste Redoute
nicht versäumen. Ich möchte gern ein
recht romantisches Ideal von einer liebenswürdigen Schönheit schildern,
aber dieß muß zugleich so beschaffen
seyn, daß es – eine eingelernte Rolle ist,
denn meine liebenswürdige Griechinn
ist eine abgefeimte Betrügerinn.«
14
Das Ideal seiner Schönheit hatte Schiller schon im Februar 1787 auf einem
Maskenball gefunden, als er sich in die
kokette 19-jährige Henriette von Arnim
(1768-1847) verliebte. Die Körners, die
um Schiller fürchteten, schafften es
schließlich, ihn zur Beendigung des
Verhältnisses zu bewegen. Er verewigte die junge Dame jedoch als die betrügerisch-schöne Griechin im ›Geisterseher‹. Den Nachklang erotischer Erfahrungen im schönen Schein der Dichtung kann man schon am Beginn von
Schillers lyrischem Schaffen aufspüren:
Einerseits in der Stilisierung seiner
Stuttgarter Zimmerwirtin Louise Dorothea Vischer (1751-1816) in den LauraGedichten, andererseits finden seine
sexuellen Eskapaden poetisch-pubertären Ausdruck in erotisch-kraftgenialen Anstößigkeiten. Trotzdem wurde er
später zum Dichter innig-keuscher
Weiblichkeit, zum Sänger der ›Würde
der Frauen‹.
In dem Kapitel »Schiller und die Frauen« finden sich weitere Namen: die liebenswürdige Charlotte von Wolzogen
(1766-1794) aus Bauerbach, die kühle
Margaretha Schwan (1766-1796), Tochter seines Mannheimer Verlegers, sowie verschiedene Darstellerinnen seiner Dramen. Wirklich ernst aber wurde
es mit Charlotte von Kalb (1761-1843).
Der Lebensweg dieser unglücklich verheirateten Frau ist in viele Dichterbiographien verflochten und fehlt auch in
1781 -- 1790
Schillers Leben nicht. Sie brachte ihm Manieren bei, führte
ihn in höfischen Kreisen ein und vermittelte ihm das Wissen
um verfeinerte sinnlich-erotische Möglichkeiten. Ihren Wünschen nach einer engeren Verbindung entzog er sich, indem
er Mannheim am 9. April 1785 ziemlich fluchtartig verließ.
Gleichwohl hinterließ sie rätselhafte Spuren in diversen Werken und 1787 begegnete er ihr in Weimar wieder.
»Die Leidenschaft flieht! / Die Liebe muß bleiben«, heißt es
später im ›Lied von der Glocke‹, dem Lobpreis der bürgerlichen Familienverhältnisse. Der Vers besitzt biographischen
Hintergrund.
»Ich sehne mich nach einer bürgerlichen und
häußlichen Existenz«, schreibt Schiller an
Körner am 7. Januar 1788. Etwas musste passiert sein, denn schon am 8. Dezember erging
sich Schiller in Andeutungen an Freund Körner:
Karoline von Wolzogen
»In Rudolstadt habe ich mich auch einen Tag aufgehalten und eine recht liebenswürdige Familie
kennengelernt. Eine Frau von Lengefeld lebt da
mit einer verheirateten und einer noch ledigen
Tochter. Beide Geschöpfe sind (ohne schön zu sein)
anziehend und gefallen mir sehr. Man findet hier viel
Bekanntschaft mit der neuen Literatur, Feinheit,
Empfindung und Geist. Das Klavier spielen sie gut,
welches mir einen recht schönen Abend machte.«
Charlotte von Kalb
Frontispiz und
Titelblatt zu
›Der Geisterseher‹
(1789)
Dass eine der Schwestern verheiratet war, hielt Schiller nicht
davon ab, mit beiden zu liebäugeln. Nach einigem Schwanken zwischen ihnen, entschied er sich schließlich für Charlotte (1766-1826), die jüngere Schwester. Am am 22. Februar
1790 fand in der Dorfkirche zu Wenigenjena die Trauung
statt. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.
Caroline oder Charlotte:
Schillers Entscheidung,
dargestellt in einem spannenden
Lebensbild.
Originalausgabe
Mit zahlreichen Abbildungen
Klappenbroschur
Februar 2005
200 Seiten ¤ 12,50 [D]
¤ 12,90 [A] sFr 21,90
ISBN 3-423-24446-1
Rudolstadt
15
Schnell öffnet er den Brief und liest
Schiller und Goethe
Schiller, 1794
und Goethe, 1790
Weimar, 2. Februar 1789 an Körner
»Öfter um Goethe zu sein, würde mich unglücklich machen (…) Er
macht seine Existenz wohltätig kund, aber nur wie ein Gott (…) Mir ist
er dadurch verhaßt, ob ich gleich seinen Geist von ganzem Herzen liebe
und groß von ihm denke. Ich betrachte ihn wie eine stolze Prüde, der
man ein Kind machen muß, um sie vor der Welt zu demütigen.«
Förmliche Begegnung, gesprächsweise Vertiefung der Bekanntschaft,
kultivierte Freundschaft und intensiver Briefwechsel: Der Weg Schillers
zu Goethe war lang, Glück gehörte dazu, dass sie zusammenfanden,
dass die kurze Spanne ihres geistigen Austauschs zum Inbegriff deutscher klassischer Dichtung werden konnte. Sieben Jahre der Annäherung bedurfte es, um ans Ziel zu kommen. 1794 wurde die »stolze Prüde«
schwach. Goethe nimmt Schillers Einladung zur Mitarbeit an den ›Horen‹
an, einer ambitionierten Monatsschrift, die Schiller herauszugeben plante.
Am 20. Juli 1794 passiert wie zufällig das Unglaubliche: Die Geistes-
16
antipoden, so berichtet Goethe, verließen die Sitzung der ›Naturforschenden Gesellschaft‹ in Jena gleichzeitig
und wurden vor der Saaltüre in ein Gespräch verwickelt.
»Wir gelangten zu seinem Hause, das
Gespräch lockte mich hinein; da trug
ich die Metamorphose der Pflanzen
lebhaft vor, und ließ mit manchen charakteristischen Federstrichen, eine symbolische Pflanze vor seinen Augen entstehen. Er vernahm und schaute das
alles mit großer Theilnahme (…); als
ich aber geendet, schüttelte er den
Kopf und sagte: das ist keine Erfahrung, das ist eine Idee.«
1794 -- 1805
Die Standpunkte konnten trennender
nicht sein, aber von Stund an war ein
Bezug zwischen beiden hergestellt, ein
»Bund, der ununterbrochen gedauert,
und für uns und andere manches Gute
gewirkt hat«. Schiller war am Ziel. Das
klassische Jahrzehnt der deutschen
Literatur war angebrochen, von dem,
so Goethe den Bericht über seine
»Erste Bekanntschaft mit Schiller«
abschließend, die beiderseitigen
Briefe »das unmittelbarste, reinste und vollständigste Zeugniß«
geben.
Die ›Horen‹
Erstes Heft
Der Horenvertrag
Am 23. August 1794 kam der
erste Brief von Schiller; seine Analyse
von Goethes Genie mündet in den Satz: »So ungefähr beurteile ich den Gang Ihres Geistes.« Goethe akzeptierte
die tiefe Verbeugung und bedankte sich artig für den Geburtstagsbrief, der in treffenden Formulierungen »die Summe seiner Existenz zog«. In dichter Folge umfasst die Korrespondenz bis zum letzten Brief Goethes an Schiller am 26. oder 27.
April 1805 über 1000 Dokumente einer Freundschaft, die bei
zunehmender Vertraulichkeit bis zuletzt das vertrauliche »Du«
dennoch gemieden hat. Goethe wusste um den einzigartigen Wert dieses gemeinsamen Werks und hat die Briefe
1828/29 in sechs Bänden herausgegeben. Als bedeutendes literarisches Denkmal entspricht es dem berühmten
Monument der beiden Dichterfürsten vor dem Nationaltheater in Weimar, das die Nachwelt durch Ernst Rietschel diesem Freundschaftsbund 1857 errichtet hat.
Schillers Garten in Jena
Goethe-Schiller-Denkmal
von Ernst Rietschel
17
… in dem Reich des
ästhetischen Scheins …
»… wird das Ideal der Gleichheit erfüllt«,
schreibt Schiller im 27. Brief über seine
visionären Vorstellungen von der Autonomie der Kunst, die er 1795 unter dem
Titel ›Über die ästhetische Erziehung
des Menschen‹ veröffentlicht hat. In
diesem Reiche kann man sich verschieden bewegen, auf je verschiedenen
Pfaden: singend oder sagend, poetisch
oder prosaisch, theoretisch oder praktisch. Schiller selbst bewegt sich auf
theoretischen Wegen als ein »sentimentalischer«, aus der Spekulation und
Reflexion arbeitender Künstler. Der
Gegensatz ist der aus der Intuition
schaffende »naive« Künstler, für den in
der Moderne Goethe das einzige Beispiel ist. Schiller hatte seine Festlegung
in der ebenfalls 1795 erschienenen Abhandlung ›Über naive und sentimentalische Dichtung‹ getroffen: antike Naivität und moderne Sentimentalität, griechischer Geist und nordische Schöpfung, Natur oder Ideal. Damit war die
hochklassische Phase der deutschen Literatur zwischen 1795 und
1805 eingeläutet. Neben dem »geborenen Griechen« Goethe stellt
Friedrich Schiller, 1794
sich Schiller als Repräsentant der philosophischen Richtung, der allerdings den
Gewinn reflexiver Fähigkeiten mit dem
Verlust konkreter Anschauungskraft zu
bezahlen hatte. Die Rückverwandlung
von Gedanken in Gefühle, von Philosophie in Poesie – Schiller war sich dessen
bewusst – war schwierig.
Wie schwierig es war, zeigt die lange
Lebensphase poetischer Abstinenz. Der
Flucht in die »Geschichte« folgte eine
Hinwendung zur »Theorie« und Philosophie. Körner hatte Schiller schon seit
1788 zu dichterischen Arbeiten gedrängt. Nicht anders nun Goethe, dem
diese Seite Schillers stets ein Dorn im
Auge war.
»Es ist betrübend, wenn man sieht, wie
ein so außerordentlich begabter Mensch
sich mit philosophischen Denkweisen
herumquälte, die ihm nichts helfen
konnten (…), wie er sich damals mit
der Intention plagte, die sentimentalische Poesie von der naiven ganz frei
zu machen. Aber nun konnte er für
jene Dichtart keinen Boden finden,
und dies brachte ihn in unsägliche Verwirrung.«
Wie auf Schillers philosophischen Furor
bezogen erscheint daher Goethes
Diktum: »Bilde, Künstler! Rede nicht!«
Tatsächlich fand Schiller von der Rede
zurück zum Gedicht. Einmal gelang es
ihm im Wettstreit mit Goethe sogar, es
diesem und dem Ideal des »Sängers
der Vorwelt« gleichzutun: als Balladendichter im berühmten Balladenjahr
1797. Da wurde Schiller zu jenem
1793 -- 1797
Sänger, der »mit dem lebenden Wort horchende Völker entzückt«. Sein Erfolg hielt an bis
heute; seither ist er der »Glückliche, dem in
Goethe und Schiller
Karikaturistische Zeichnung, 1804
des Volkes / Stimme noch hell zurück tönt(e)
die Seele des Lieds«.
Im Wettstreit mit Goethe, in der epischlyrisch-dramatischen Gattung der Ballade,
wurde Schiller »volkstümlich«. Seine Meisterstücke sind das Produkt überwundener Verstandeskultur, fulminant in ihrem
Erzählgestus, anschaulich in meisterhafter Darstellung, sprichwörtlich in
fast jeder Verszeile, Volkes Stimme
gewordene Alltagsphilosophie:
»Und der Mensch versuche die Götter nicht«
(Der Taucher)
»Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle«
(Die Kraniche des Ibykus)
»Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn«
(Die Bürgschaft)
»Hier wendet sich der Gast mit Grausen«
(Der Ring des Polykrates)
»Raum für alle hat die Erde«
(Der Alpenjäger)
Weisheiten von Schiller –
für alle Lebenslagen.
Herausgegeben von
Johann Prossliner
Originalausgabe
Illustration zur Ballade
›Der Kampf mit dem
Drachen‹, 1824
144 Seiten ¤ 6,– [D]
¤ 6,20 [A] sFr 10,80
ISBN 3-423-13271-X
19
Und das Schöne blüht nur im Gesang
Der Lyriker
An die Freude
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
Was der Mode Schwert geteilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt. …
Erst seit 1803 heißt es dort: »Deine
Zauber binden wieder, / Was die Mode
streng geteilt, / Alle Menschen werden
Brüder, / Wo dein sanfter Flügel weilt.«
Friedrich Schiller, 1796
Gedichte zu verfertigen, hat Schiller schon in frühen Jahren geübt. Vom
neunjährigen Knaben ist ein Neujahrsgruß zum 1. Januar 1769 erhalten.
Allerdings waren solche Reimereien zeitüblich und nichts Außergewöhnliches. Dennoch gibt es auch frühe Vorzeichen späterer Meisterschaft.
Schon Balthasar Haug erkannte früh das Talent seines Schülers in der
Carlsschule: Seine Prophetie vom »Mund, der Großes singen wird«
sollte sich bewahrheiten, auch wenn es noch viele Jahre dauerte, bis sich
Schiller die Lyrik, seine »uneroberte Provinz«, erkämpft hatte.
Seiner Selbstkritik fielen etwa zwei Drittel seiner in einem Vierteljahrhundert entstandenen Gedichte zum Opfer, darunter sein bis heute populärstes aus dem Jahre 1785:
20
Für Schillers klassische »Poesie der Betrachtung«, wie der Freund Körner seine
philosophische Lyrik bezeichnete, ist
das Jahr 1788 von großer Bedeutung.
Mit zwei langen Gedichten, ›Die Götter
Griechenlandes‹ und ›Die Künstler‹,
setzte der Dichter ganz neue Akzente.
Philosophische Thesen wurden einer
poetischen Reflexion unterzogen. In
seinen besten und gelungensten Versen aus der klassischen Zeit sind poetische Form und komplexe Inhalte in nun
unverwechselbarer Art des lyrischen
Sprechens zu einer organischen Einheit
verschmolzen.
Der Erfolg der späten Jahre musste aber
zunächst in dem poesielosen Intervall
bis 1795 in den theoretischen Schriften
erarbeitet werden. Erst danach kann
Schiller wieder zur Dichtung zurückkehren. In den großen weltanschaulichen Gedichten werden nun die gedanklichen Gehalte der ästhetischen Ab-
1782 -- 1799
handlungen poetisches Ereignis. Schillers Musenquell sprudelt wieder, und es entstehen in reicher
Fülle Werke von klassischer Strenge und Originalität.
Musen-Almanach für das Jahr
1798 und 1799
Die erste große Arbeit ist 1795 das Gedicht ›Die Ideale‹; noch im selben Jahr folgt die durch den Garten in
Hohenheim angeregte ›Elegie‹, die später in ›Der Spaziergang‹ umbenannt wurde. ›Das Reich der Schatten‹,
das erst 1804 den Titel ›Das Ideal und das Leben‹ erhielt,
schließt sich an. Von 1796 bis 1799 erscheinen in dem
von Schiller redigierten ›Musen-Almanach‹ die Gedichte
›Die Macht des Gesanges‹ und ›Der Tanz‹, die ›Klage der
Ceres‹ und ›Das Glück‹. Den Höhepunkt unter den Glanzlichtern bildet der 1799 entstandene Klagegesang mit dem
Titel ›Nänie‹:
Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter
bezwinget, …
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich,
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.
Dem Dichter als Sänger ist die Würde der Menschheit überantwortet, ihm gehört die Freiheit, die der Theorie nach der
ästhetische Staat schenkt, die in Wirklichkeit aber allein in
der Dichtung als Schönheit aufscheinen kann.
Freiheit ist nur in dem Reich der Träume,
Und das Schöne blüht nur im Gesang.
(Der Antritt des neuen Jahrhunderts)
Schillers
Schreibkommode
Gedichte, Balladen, Lieder.
Der Poet Schiller in
einer repräsentativen Auswahl:
zum Selberlesen und Verschenken.
Herausgegeben von
Joseph Kiermeier-Debre
Originalausgabe
208 Seiten ¤ 5,– [D]
¤ 5,20 [A] sFr 9,–
ISBN 3-423-13270-1
21
Das ist das Los des Schönen auf der Erde
Wallenstein
Es wurde der Höhepunkt seines Schaffens: das dramatische
Gedicht ›Wallenstein‹. Beinahe ein Jahrzehnt beschäftigte
Schiller die Gestalt des böhmischen Feldherrn aus dem
Dreißigjährigen Krieg, zunächst als Historiker, dann als Dramatiker. Ungeheure Stoffmassen waren zu bewältigen, und
das Ergebnis war ein Werk in drei mehr als abendfüllenden
Teilen: ›Wallensteins Lager‹ als ein Vorspiel, das Schauspiel
›Die Piccolomini‹ und schließlich das eigentliche Trauerspiel
›Wallensteins Tod‹. Nach drei Jahren intensivster Arbeit im
engeren Sinne – und Schiller war wirklich ein flotter Verseschmied, dem sogar die »geflügelten Worte« nur so aus der
Feder flossen – konnte er am 15. März 1799 befreit seinem
Freund Goethe mitteilen: »Montags erhalten Sie den Wallen-
stein ganz. Tot ist er schon und auch parentiert, ich habe nur
noch zu bessern und zu feilen.« Goethe antwortete umgehend und nicht weniger salopp aus Weimar: »Recht
herzlich gratuliere zum Tode des theatralischen
Helden! Könnte ich doch meinem epischen vor eintretendem Herbste auch
das Lebenslicht ausblasen! Mit Verlangen erwarte ich die montägige Sendung.«
Gut vier Wochen später, am 20. April 1799 – die
beiden vorangehenden Teile waren bereits uraufgeführt worden, während Schiller noch am jeweils
nächsten schrieb –, ging auch der letzte, ›Wallensteins
Tod‹, mit großem Erfolg über die Bühne. Neben dem
gesamten Weimarer Hof gaben der König und die Königin
von Preußen, der König von Schweden und das russische Kaiserpaar aus Petersburg dem Dramatiker die Ehre. Selbst die
Kasse stimmte ausnahmsweise, so dass Schiller, als er die
ersten Einkünfte aus dem Stück erhielt, anmerkte: »Der Geist
des alten Feldherrn führt sich nun als ein würdiges Gespenst
auf, er hilft Schätze heben.« An der Erfolgsgeschichte wollten
Titelblätter
natürlich auch andere teilhaben. Die deutschen Theaterbühnen, allen voran Berlin, zogen rasch nach. Die 1. Auflage der
Erstausgabe 1800 bei Cotta in Tübingen war rasch abverkauft, und bald erschienen auch die Nach- und Raubdrucker
auf dem Plan.
Thekla und Seni
22
1798 -- 1799
Das Faszinierende an diesem Werk Schillers ist, dass es auf
einzigartige Weise seine poetischen, ästhetischen, philosophischen und historischen Ideen bündelt und keine trockene
Geschichtsdarstellung wurde. Er hat »aus dem geringen Echten, das er kannte, aus den Legenden, Verleumdungen, Parteischriften«, die »historische Wirklichkeit erschaut«
(Golo Mann). Ihm ist es aber vor allem gelungen, in
den Verstrickungen und im Scheitern seines modernen Helden ein zeitloses Muster abzubilden: Der
Typus »Wallenstein« lässt sich unschwer in den
»Mächtigen« der Gegenwart wiederfinden.
Schließlich zeigt sich in den hinzuerfundenen
Figuren Max Piccolomini und Thekla, Prinzessin von Friedland, den im Zeichen der Venus
verbundenen Liebenden, ein tröstlicher VorSchein einer goldenen Zeit, die nur in der vergänglichen Schönheit oder im unvergänglichen Kunstwerk aufleuchtet.
›Wallenstein‹ mit Korrekturen Schillers
Federmesser Schillers, 1800
Weimarer Hoftheater
_
Friedrich Schiller
Wallenstein
Friedrich Schiller
Wallenstein
Ein dramatisches Gedicht
Tübingen 1800
Herausgegeben von
Joseph Kiermeier-Debre
Bibliothek der Erstausgaben
640 Seiten ¤ 10,– [D]
¤ 10,30 [A] sFr 17,60
ISBN 3-423-02660-X
Friedrich Schiller, 1810
23
Bibliothek
der Erstausgaben
Ich bin besser als mein Ruf
Maria Stuart
Titelblatt
und Abendmahlszene
Schon in Bauerbach hatte sich Schiller mit Maria
Stuart beschäftigt, die er später mit ironischem
Unterton »königliche Heuchlerin« nannte. Trotz so
weit zurückliegender Pläne ging es diesmal im Unterschied zum eben beendeten ›Wallenstein‹ ziemlich
schnell. Im Februar 1799 bespricht sich Schiller erstmals mit Goethe über den Stoff, und trotz familiärer
Belastungen durch Lottes Schwangerschaft, Geburt der
Tochter Caroline und langer Krankheit, trotz der Widrigkeiten des Umzugs von Jena nach Weimar im Dezember
kommt das Stück gut voran. Übers Jahr gibt es am 14. Juni
1800 erneut einen Uraufführungserfolg. Schiller ist auf der
Höhe seiner dramatischen Kraft.
Das fünfaktige Trauerspiel ›Maria Stuart‹ ist der schlagende
Beweis für eine beeindruckende formale Meisterschaft. Die
Handlung ist streng gegliedert; die Dramaturgie des Stücks wird zu Recht
als vollkommen gerühmt. Schiller erreicht den formalen und inhaltlichen
Höhepunkt seiner Geschichte um die verfeindeten Cousinen und Königinnen, um Elisabeth und Maria aus dem Hause Tudor, geradezu generalstabsmäßig in der Mitte des dritten Aktes. Hier führt er die beiden Protagonistinnen, die sich im Leben nie begegnet sind, in poetisch freier
Behandlung der Geschichte zusammen – diese dramatische Zuspitzung
des historischen Stoffes ist genial.
Neben der als blasphemisch umstrittenen Abendmahlszene, dem als
nahezu obszön empfundenen leidenschaftlichen Liebesbekenntnis Mortimers gegenüber Maria, war und ist es diese erfundene Begegnung, die
bis heute begeistert und empört. Schiller spielt souverän mit der Wechselwirkung rivalisierender Königinnen und gekränkter Frauen. Die an
sich schon reißerisch-rührende Geschichte um eine schöne Frau, die mit
241
ihrer kokettierenden Sinnlichkeit die
Männer betörte und als Anstifterin
diverser Mordversuche galt, bekommt
durch ihre dramatische Ausgestaltung
den ultimativen Reiz. Ein anonymer
zeitgenössischer Rezensent bringt es
1800 auf den Nenner:
»Diese ganze Scene ist was die Wahrheit betrift, vortrefflich. Auch Könniginnen sind ja Weiber und zwar so
weibliche Weiber, als jede andere. Die
Stufenfolge ist vortreflich. Allein es
fragt sich, ob diese ganze Unterredung
1799 -- 1800
die Foderungen der Schönheit erfüllt? Der Zweck warum
der Dichter die beiden Königinnen zusammenbringt war
kein anderer, als der Elisabeth noch ein bestimmtes Motiv zu
geben das Todesurtheil der Maria zu unterschreiben. Konnte dieses, sagt man nun, nicht auch erreicht werden, ohne
daß sich die beiden Könniginnen wie Fischweiber zankten?
(...) Ich glaube, nein.«
Der gewiefte Stückeschreiber Bertolt Brecht hat sich der
Topszene und des Rezensenten erinnert und über das delikate Thema 1939 ein Übungsstück für Schauspieler mit dem
Titel ›Der Streit der Fischweiber‹ geschrieben. Es greift mit
den Mitteln der Parodie und Travestie die bei Schiller angelegte Provokation auf, banalisierte jedoch die wechselseitigen Vorwürfe der Hurerei. Das Original ist einfach besser.
Maria Stuart
Caroline Schiller,
geb. am 11. Oktober 1799
MARIA.
(vor Zorn glühend, doch mit einer edeln Würde)
Ich habe menschlich, jugendlich gefehlt,
Die Macht verführte mich, ich hab’ es nicht
Verheimlicht und verborgen, falschen Schein
Hab’ ich verschmäht, mit königlichem Freimuth.
Das ärgste weiß die Welt von mir und ich
Kann sagen, ich bin besser als mein Ruf.
Weh euch, wenn sie von euren Thaten einst
Den Ehrenmantel zieht, womit ihr gleißend
Die wilde Glut verstohlner Lüste deckt.
Nicht Ehrbarkeit habt ihr von eurer Mutter
Geerbt, man weiß, um welcher Tugend willen
Anna von Boulen das Schaffot bestiegen.
Friedrich Schiller
Maria Stuart
Ein Trauerspiel
Tübingen 1801
Herausgegeben von
Joseph Kiermeier-Debre
Bibliothek der Erstausgaben
256 Seiten ¤ 6,– [D]
¤ 6,20 [A] sFr 10,80
ISBN 3-423-02611-1
Friedrich Schiller
25
Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen
Die Jungfrau von Orleans
Die Braut von Messina
Als Schiller ein Stück über ›Die Jungfrau von Orleans‹ vorlegte, erwartete Herzog Carl August ein Werk nach Art des
Voltaire. Dieser Spötter hatte das Mädchen aus Domrémy in
seiner ›Pucelle‹ hart hergenommen. Das war Schillers Absicht nicht. Er sah in Voltaires Version das edle Bild des Mädchens schwer beschädigt und klagte:
Titelkupfer und Titelblatt der Erstausgabe
der ›Jungfrau von Orleans‹
Das edle Bild der Menschheit zu verhöhnen,
Im tiefsten Staube wälzte dich der Spott,
Krieg führt der Witz auf ewig mit dem Schönen,
Er glaubt nicht an den Engel und den Gott,
Dem Herzen will er seine Schätze rauben,
Den Wahn bekriegt er und verletzt den Glauben.
Krönungszug
aus der
›Jungfrau
von Orleans‹
26
Dies erinnernd, verwundert es, dass ausgerechnet in unserer
Zeit, der ein »edler Sinn für edlere Gestalten« im Sinne von
Schillers Huldigung eher fremd ist, ein richtiger »JohannaBoom« auf den deutschen Bühnen festzustellen ist. Bedenkt
man zudem, dass die »romantische Tragödie« von 1801 schon
seit der vorletzten Jahrhundertwende nur eine Randrolle im
Schiller-Repertoire spielte, kommt der Boom schon fast einer
Wiederentdeckung gleich. Auch wenn die Inszenierungen
und ihre Rezensenten keine klaren Gründe für das aktuelle
Interesse zu sagen wissen, »Krieg mit dem Schönen« führen
sie jedenfalls nicht. Das ist gut, weil das Stück sich scheinbar
keine eindeutig aktualisierenden Begründungen borgen
muss. Die hatte es auch zu Lebzeiten Schillers nicht nötig.
Die Uraufführung in Leipzig am 11. September 1801 geriet zu
einem der größten Theatererfolge Schillers. Er wohnte der
Vorstellung am 17. September bei und wurde vom Publikum
mit Ovationen bedacht. Die Berliner Aufführung unter Iffland
am 23. November 1801 wurde durch den pomphaft inszenierten Krönungszug eine Sensation. Der Dichter selbst konnte
die Huldigung des Publikums anlässlich seiner Reise nach
Berlin im Mai 1804 entgegennehmen, als er am 6. Mai seine
Loge betrat.
1801 -- 1803
August Wilhelm Iffland
Figuren aus der
›Jungfrau von Orleans‹.
Aus einem Kartenalmanach,
1804 – 1810
Schon zwei Abende vorher war Schiller bei
seinem Erscheinen in der Theaterloge von den
Zuschauern mit endlosem Jubel begrüßt worden. Man gab ›Die Braut von Messina‹. Die Uraufführung hatte am 19. März 1803 in Weimar
stattgefunden. Schiller selbst war als Page aufgetreten und mit »Vivat«-Rufen gefeiert worden.
Dieses Trauerspiel mit Chören stellt den Versuch dar,
antikes Theater aktualisierend in die Moderne zu
übersetzen. Es wurde zum »Sorgenkind« des Dramatikers. Goethes Gedicht vom 15. Dezember 1818 auf
Schillers Versuch deutet Vorbehalte an:
Dies durfte wohl der Dichter einmal schildern,
Wir danken ihm, daß er’s vollbracht;
Doch geben wir so trostlos herben Bildern
Von minder klugem Pinsel gute Nacht.
Was er uns brachte, bleibt uns wohl empfohlen, (…)
Was er getan, soll keiner wiederholen.
›Die Braut von Messina‹, die die Reihe der mit
›Maria Stuart‹ beginnenden und mit der ›Jungfrau
von Orleans‹ fortgeführten Läuterungsdramen beschließt, gehört zu den eher selten gespielten
Stücken. Gleichwohl gab es immer wieder gewichtige Inszenierungen, weil der Dichter mit
seinen abenteuerlichen Dramaturgien auch in
diesem Falle für wilde Interpretationen Raum lässt.
Ruth Berghaus brachte es beispielsweise 1990 in
Berlin auf die aktuell-schlichte Formel: ›Die feindlichen Brüder‹ = ›Deutschland‹.
Szene aus der ›Jungfrau von Orleans‹
Friedrich Schiller in Hoftracht, um 1790
27
Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern
Wilhelm Tell
Wilhelm Tell mit
seinem Sohn
Titelkupfer und Titelblatt von
›Wilhelm Tell‹
Revolution unter den Einschränkungen
der Wirklichkeit verspielte Freiheit.
Über diese wollte er, so in einem Widmungsgedicht zu einem Exemplar der
Erstausgabe, kein Drama, kein Zeitstück schreiben, wohl aber über jene
Freiheit aus der Menschlichkeit:
Am 17. März 1804 wurde Schillers letztes vollendetes Theaterstück, das
Schauspiel ›Wilhelm Tell‹, unter der Leitung Goethes im Weimarer
Hoftheater uraufgeführt. Nach über fünf Stunden fiel der Vorhang. Die
Begeisterung war beispiellos und Schiller vermerkte, dass sein Werk
»mit dem größten Success, wie noch keins meiner Stücke« sich ins
Bewusstsein der Öffentlichkeit schrieb. Das sollte so bleiben. ›Wilhelm
Tell‹ wurde ein Volksstück, es wurde sprichwörtlich: »Durch diese hohle
Gasse muß er kommen« / »Das war Tells Geschoß« / »Die Axt im Haus
erspart den Zimmermann« / »Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern« ... Schillers Schauspiel gab dem Schweizer Ursprungsmythos
seine über die Zeiten hin gültige künstlerische Gestalt, es wurde selbst
eine Art wirklichkeitsbildender Mythos. Und Schiller machte seinem Ruf
als »Dichter der Freiheit«, den er sich mit den ›Räubern‹ erworben hatte,
alle Ehre.
Wenn freche Willkür an das
Heilge rührt,
Den Anker löst, an dem die
Staaten hängen,
– Das ist kein Stoff zu freudigen
Gesängen!
Das zu Anfang des Jahres 1802 begonnene Schauspiel führt die Geschichte des Schweizer Unabhängigkeitskampfes und des Selbsthelfers
Tell zusammen. Es offenbart sich als Heilsgeschichte, als theatralisch
gelungene Umsetzung der Schillerschen Geschichtsphilosophie mit
ihren Vorstellungen von neuen Lebens- und Gesellschaftsformen. Es ist
Schillers Antwort auf die seiner Meinung nach von der Französischen
Doch wenn ein Volk, das fromm
die Herden weidet, (…)
Den Zwang abwirft, den es
unwürdig leidet,
– Das ist unsterblich und des
Liedes wert.
28
1802 -- 1804
Schiller hat die Schauplätze seines Dramas
nie gesehen, aber zur Zweihundertjahrfeier der
›Tell‹-Uraufführung zog sein Stück – inszeniert vom
Deutschen Nationaltheater Weimar – bei der Premiere am 23. Juli 2004 etwa 2500 Zuschauer an
einen der Originalschauplätze, auf die Rütliwiese
über dem Vierwaldstättersee in der Schweiz. Was
sich 1804 in Weimar als Verlust und Wunsch bezogen auf 1789 verstehen ließ, was sich 1989 in Weimar
und andernorts in der DDR als nationalstaatlicher Aufruf zum Wiedergewinn von Freiheit und Einigkeit darstellen mochte, präsentiert sich im Jahr 2004 auf
der Rütliwiese mit Blick in die Zukunft als ein altneuer Begriff von Freiheit und Brüderlichkeit im ursprünglichsten Sinne der Französischen Revolution: fraternité, Brüderlichkeit jenseits aller nationalen Grenzen. Rösselmann,
der Pfarrer, nimmt das Gelöbnis ab:
Rütlischwur
Friedrich von Schiller
1804/1805
Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüßt
Von allen Völkern, die tief unter uns
Schwerathmend wohnen in dem Qualm der Städte,
Laßt uns den Eid des neuen Bundes schwören.
– Wir wollen seyn ein einzig Volk von Brüdern,
In keiner Noth uns trennen und Gefahr.
(alle sprechen es nach mit erhobenen drei Fingern)
– Wir wollen frey seyn wie die Väter waren,
Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
(wie oben)
– Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
Und uns nicht förchten vor der Macht der Menschen.
(wie oben. Die Landleute umarmen einander)
Adelsbrief und Wappen.
1802 wurde Schiller von
Herzog Karl August in
den erblichen
Adelsstand erhoben
Friedrich Schiller
Wilhelm Tell
Schauspiel
Tübingen 1804
Herausgegeben von
Joseph Kiermeier-Debre
Bibliothek der Erstausgaben
240 Seiten ¤ 6,50 [D]
¤ 6,70 [A] sFr 11,70
ISBN 3-423-02647-2
29
Immer besser, immer heitrer!
9. Mai1805
Schiller liebte das Leben; er war ein Gesellschaftsmensch. Er ging, wenn
immer es seine Gesundheit zuließ, auf Geselligkeiten, trank gerne Kaffee
und Wein, liebte das Spiel und den Tabak. Seine zahlreichen Krankheitsanfälle machten ihm aber auch bewusst, dass seine Zeit knapp bemessen sein würde. Der letzte Winter war besonders schlimm, aber seit Ende
Februar 1805 schien es wieder aufwärts zu gehen. Schiller ist wieder fieberfrei, und die schnelle Zunahme der Kräfte erlaubt die Weiterarbeit am
›Demetrius‹. Auch dieses Drama basiert auf einem historischen Stoff:
Der angebliche Sohn Iwans des Schrecklichen erhebt Ansprüche auf den
Zarenthron. ›Demetrius‹ ist als ein Gegenstück zur ›Jungfrau von Orleans‹ konzipiert, und es soll in dichterischer Freiheit schließen, »indem er
in eine neue Reihe von Stürmen hineinblicken läßt und gleichsam das
Alte von neuem beginnt«.
Die Idee dieses Dramas blieb der Nachwelt ein Rätsel. Schiller konnte das
Stück nicht mehr vollenden, und alle Interpretationen über seine antiidealistische, gar fatalistische Deutung der Geschichte bleiben Spekulation. Wie weit er sich vorwagen wollte, er wusste es vermutlich selber noch
nicht, jedenfalls nicht im Detail. Immerhin, Schiller arbeitete bis Ende
301
April noch fleißig am ›Demetrius‹ weiter. Am 25. April 1805 vermeldet er
zuversichtlich: »Die bessere Jahreszeit
läßt sich endlich auch bei uns fühlen
und bringt wieder Mut und Stimmung; aber ich werde Mühe haben, die
harten Stöße, seit neun Monaten, zu
verwinden (…). Indessen will ich mich
ganz zufrieden geben, wenn mir nur
Leben und leidliche Gesundheit bis
zum fünfzigsten Jahr aushält.«
Am 1. Mai setzen sogar die sonst üblichen Schmerzen an der linken Seite
aus, und abends besucht er mit seiner
Schwägerin Caroline von Wolzogen das
Theater. Dort überfällt ihn in seiner
Loge ein heftiger Schüttelfrost – der
Anfang vom Ende. Das Fieber hält die
1805
nächsten Tage an, und am 5. Mai verschlechtert sich sein
Zustand zusehends. Gleichwohl – wie das Ende das Werk, so
ziert das »letzte Wort« das Leben – sagt Schiller noch am
8. Mai zu seiner Schwägerin, die ihn fragt, wie es ihm gehe:
»Immer besser, immer heitrer!« Es gibt andere Versionen von
Schillers letzten Worten, weniger optimistische. Am Todestag, dem 9. Mai, soll er in einem Zustand halber Bewusstheit die Worte geäußert haben: »Judex. Judex.« – Richter,
Richter.
Wenn wir wählen dürfen, entscheiden
wir uns für den Optimismus vom 8. Mai
oder noch besser, wir wählen Schillers
poetisches Schlusswort. Es fand sich
auf seinem Schreibtisch, und wenn
man Caroline von Wolzogen Glauben schenken mag, war der Monolog der Marfa im ›Demetrius‹ das
Letzte, woran er gearbeitet hat.
Die Zeilen lassen sich unter
den Vorzeichen der Ewigkeit
durchaus als ein Vermächtnis lesen:
Apotheose Schillers,
der von Shakespeare
empfangen wird, 1820
Schillers letzte Zeilen
zu›Demetrius‹
O warum bin ich hier geengt, gebunden,
Beschränkt mit dem unendlichen Gefühl!
Wer hebt den Raum auf, der mich von ihm scheidet?
Du ewge Sonne, die den Erdenball
Umkreist, sei du die Botin meiner Wünsche!
Du allverbreitet ungehemmte Luft,
Die schnell die weitste Wanderung vollendet,
O trag ihm meine glühnde Sehnsucht zu!
Ich habe nichts als mein Gebet und Flehn,
Das schöpf ich flammend aus der tiefsten Seele,
Beflügelt send ichs in des Himmels Höhn,
Wie eine Heerschar send ich dirs entgegen!
Wohnung Schillers in Weimar an der Esplanade
Tabaksdose Schillers,
um 1800
31
… soll das Werk den
»Es ist bei Schillern jedes Wort praktisch,
im Leben überall anwenden. Aber ihr
Auch 200 Jahre nach dem Tode seines Freundes Schiller ist diese Einschätzung Goethes vom 22. Juni 1827 noch auf verblüffende Weise gültig. Obgleich Schillers Werk eine ungeheure Verbreitung nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten europäischen Ausland fand und bis heute
nicht ganz aus dem Lektürekanon der Schulen verdrängt wurde, obgleich
er als Dichter der Freiheit gefeiert (und bisweilen instrumentalisiert) wurde
und seine Stücke noch immer zum erlesensten Theater-Repertoire
gehören – wer kennt ihn noch, den ›praktischen Schiller‹? Die Zeit der Parodien ist offensichtlich vorbei, denn das launig-satirische Spiel setzt die
Kenntnis des Originals voraus. Aber jeder kennt seine Pappenheimer,
musste einmal die schmerzliche Erfahrung machen, dass der Frömmste
nicht in Frieden leben kann, wenn es dem bösen Nachbarn
nicht gefällt, er weiß aber auch, noch ist nicht aller Tage Abend.
Alles Schiller. Seine »geflügelten Worte« gehören – ebenso
wie die Goethes und die seines großen Vorbildes Shakespeare –
zu unserem Alltag und begleiten uns in allen Lebenslagen.
Der Dichter, der vor allem als Theatermann seine Texte professionell auf Wirkung und Eingängigkeit anlegte, würde sich vermutlich über die ›Nachhaltigkeit‹ freuen: Zweifelsohne zählt er
zu den am meisten zitierten Klassikern der Weltliteratur.
»Schiller, der strapazierfähigste Dichter Deutschlands, lebt«
(Marcel Reich-Ranicki), und im Grunde muss er von keinem
Podest heruntergeholt werden. Wer aber wissen will, was er
redet, sollte sich kundig machen, sollte Schiller lesen. Eine
vergnügliche Entdeckungsreise könnte bei den Zitaten
beginnen, um ihren Spuren folgend zu seinen Werken zu
gelangen: zu seinen Balladen und Gedichten, zu
seinen Stücken und zu seinen Schriften. Seine »geflügelten Worte« sind Lockvögel, die zu uns selbst
führen, zu unserer Kultur, zu unserer Geschichte.
32
Meister loben
und man kann ihn
kennt ihn nicht.«
Kostproben A – Z
A Die Axt im Haus erspart den Zimmermann. (Tell 3,1)
B Auf den Brettern, die die Welt bedeuten. (An die Freunde)
C Der Mensch besitzt den ungewöhnlichsten Charakter oder keinen.
(Don Karlos 3,7)
D Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.
(Jungfrau von Orleans 3,6)
E Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst. (Wallensteins Lager, Prolog)
F Früh übt sich, was ein Meister werden will. (Tell 3,1)
G Durch diese hohle Gasse muß er kommen. (Tell 4,3)
H Da werden Weiber zu Hyänen. (Glocke)
I
Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte.
(Die Bürgschaft)
J
Jetzt oder nie! (Tell 3,2)
K Der kluge Mann baut vor. (Tell 1,2)
L Und neues Leben blüht aus den Ruinen. (Tell 4,2)
M Dem Mann kann geholfen werden. (Räuber 5,2)
N Der Not gehorchend, nicht dem eignen Trieb.
(Die Braut von Messina)
O Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab. (Nänie)
Kleines Lexikon der Schiller-Zitate
Herausgegeben von
Johann Prossliner
Originalausgabe
256 Seiten ¤ 6,95 [D]
¤ 7,20 [A] sFr 12,40
ISBN 3-423-34145-9
P Daran erkenn ich meine Pappenheimer. (Wallensteins Tod 3,15)
Q An der Quelle saß der Knabe. (Der Jüngling am Bache)
R Raum ist in der kleinsten Hütte. (Der Jüngling am Bache)
S Die Sterne lügen nicht. (Wallensteins Tod 3,9)
T Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn. (Die Bürgschaft)
U Fort mußt du, deine Uhr ist abgelaufen. (Tell 4,3)
V Was nicht verboten ist, ist erlaubt. (Wallensteins Lager 6)
W Wehe, wenn sie losgelassen! (Glocke)
X Siehe N: Was ist der langen Rede kurzer Sinn? (Piccolomini 1,2)
Y Siehe N: Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang. (Glocke)
Z »Was tun?« Spricht Zeus. (Die Teilung der Erde)
33
Schiller
Zwei Eimer sieht man ab und auf
In einem Brunnen steigen,
Und schwebt der eine voll herauf,
Muß sich der andre neigen.
Sie wandern rastlos hin und her,
Abwechselnd voll und wieder leer,
Und bringst du diesen an den Mund,
Hängt jener in dem tiefsten Grund,
Nie können sie mit ihren Gaben
In gleichem Augenblick dich laben.
Tag und Nacht
In dem Stück Turandot des italienischen Dichters Carlo Gozzi müssen die Bewerber
um die Hand der chinesischen Prinzessin Turandot drei Rätsel lösen. Wer versagt,
wird getötet. Schiller hat für die Aufführungen seiner Bearbeitung des Stücks immer
wieder neue Rätselgedichte geschaffen. Obwohl sie nicht ganz leicht zu lösen waren,
fand das Weimarer Publikum großen Gefallen daran, zumal niemand befürchten
musste, getötet zu werden, wenn des Rätsels Lösung nicht gefunden wurde.
Auch Sie können sich furchtlos an unser Schiller-Preisrätsel heranwagen. Bei richtiger Lösung – sie fällt Ihnen sicher nicht schwer, wenn Sie das ›Schiller Magazin‹
gelesen haben – können wir zwar nicht mit einer chinesischen Prinzessin aufwarten, aber doch mit zahlreichen Belohnungen für Ihre Mühe.
1. Preis: Ein Wochenende für 2 Personen in Weimar mit Übernachtung im ›Hotel Elephant‹ und Weimar-Ticket,
um auf den Spuren Schillers und Goethes zu wandeln
2. – 10. Preis: 1 Eintrittskarte für eine Schiller-Aufführung Ihrer Wahl im deutschsprachigen Raum
11. – 20. Preis: Die neue fünfbändige Schiller-Ausgabe des _
21. – 50. Preis: 1 Schiller-Buch nach Wahl aus dem _-Programm
Als Überraschungspreis ist die lebensgroße Schiller-Standfigur zu gewinnen, die auf dem Umschlag abgebildet ist.
Einsendeschluss ist der 9. Mai 2005. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
1. Wie heißt die »Kanaille«?
6. Fast alle großen Länder Europas sind Schauplatz eines
Dramas von Schiller. Für welches der nachfolgenden
Länder gibt es kein Stück Schillers?
F R Erich
D I Franz
E U Konrad
RF
UN
CH
2. Nach welcher Hauptfigur war Kabale und Liebe
zuerst betitelt?
DE
EL
SC
7. Das Geschichtsdrama Wallenstein kennt neben den
historisch belegten Figuren aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges auch erfundenes Personal. Welche der
nachfolgenden Figuren ist eine Erfindung Schillers?
Marketenderin
Louise Millerin
Die Räuberin
3. In welchem Alter schrieb Schiller sein erstes Gedicht?
AF
KE
NT
HO Mit 4 Jahren
E I Mit 9 Jahren
E N Mit 17 Jahren
OC
TF
HT
Ludwigsburg
Weimar
Mannheim
5. In welchem Drama Schillers spielt ein Apfel eine nicht
unbeträchtliche Rolle?
ET
TE
NS
Max Piccolomini
Oberst Buttler
Graf Terzky
8. Die »Freiheit« blüht nach Schillers Auffassung nur:
4. Wo hielt sich Schiller am 13. Januar 1782 auf?
ER
GO
DE
Schweiz
Spanien
Schweden
9. Welche Damen in Schillers Werk zanken sich nach
Meinung eines zeitgenössischen Kritikers wie die
»Fischweiber«?
L I
ER
AU
Kabale und Liebe
Wallenstein
Wilhelm Tell
34
im Himmelreich
in dem Reich der Träume
im Reich des Kaisers
Die Königinnen von Schottland und England
Luise Millerin und Lady Milford
Die Prinzessin von Eboli und die spanische Königin
Preisrätsel
10. Warum war der 26. Mai 1789 ein denkwürdiger
Tag für Schiller?
16. Welche dieser drei Damen spielt in Schillers
Theaterstücken keine Rolle?
Weil er an diesem Tag in den Adelsstand
erhoben wurde.
L Y Weil er an diesem Tag heiratete.
E H Weil er an diesem Tag seine Antrittsvorlesung an
der Universität Jena hielt.
TR
US
UN
S E
17. Wer bestrafte Schiller mit 14 Tagen Arrest und
Schreibverbot?
11. Charlotte war ein beliebter Mädchenname des
18. Jahrhunderts. Welche der drei nachgenannten
Freundinnen Schillers mit dem Vornamen »Charlotte«
wurde schließlich seine Ehefrau?
S I
TD
UM
Charlotte von Kalb
Charlotte von Lengefeld
Charlotte von Wolzogen
KE
SB
NH
IM
ML
LE
Über die Metamorphose der Pflanzen
Über die ästhetische Erziehung des Menschen
Über das Studium der Universalgeschichte
I S
I B
CH
›Das Lied von der Glocke‹
Das sog. Lied ›An die Freude‹
›Das Lied von der Erde‹
Geschichte
Medizin
Theologie
ED
EN
E I
In Stuttgart und Berlin
In Marbach am Neckar und Weimar
In Mannheim und Jena
Schicken Sie bitte die richtige Lösung unter dem Stichwort
›Friedrich Schiller-Preisrätsel‹ an:
15. Welches Liebespaar Schillers stirbt wie Romeo
und Julia durch Gift?
EM
EU
ER
Das Volkslied
Die Ballade
Das Märchen
20. Wo befinden sich die bedeutendsten SchillerGedenkstätten?
14. In welcher der drei Disziplinen erwarb Schiller seinen
Doktor-Titel?
TE
EB
NF
Zwei Kinder
Kein Kind
Vier Kinder
19. In der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Goethe
wurde das Jahr 1797 zu einem bedeutenden Jahr.
Welches literarische Genre stand zu dieser Zeit im
Mittelpunkt ihres beiderseitigen Interesses?
13. Welches der nachfolgend als »Lieder« bezeichneten
Gedichte stammt nicht von Schiller?
ET
RE
L I
Herzog Carl August von Weimar
Herzog Carl Eugen von Württemberg
Herzog Friedrich Christian von SchleswigHolstein-Augustenburg
18. Die Eheleute Charlotte und Friedrich Schiller hatten
wie viele Kinder?
12. Über welches Thema ging das Gespräch zwischen
Goethe und Schiller, das ihre beiderseitige Freundschaft besiegelte?
I E
WI
RB
»Die Jungfrau von Orleans«
»Die Witwe von Ephesus«
»Die Braut von Messina«
Deutscher Taschenbuch Verlag
Werbeabteilung, Friedrichstraße 1a, 80801 München
Luise und Ferdinand
Max und Thekla
Hero und Leander
Einsendeschluss ist der 9. Mai 2005.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinner
des Preisrätsels werden von uns benachrichtigt.
Lösung:
1
11
2
12
2
3
13
4
14
5
15
15
6
16
17
35
7
8
17
18
8
9
19
10
20
11
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Friedrich Schiller und Marbach
Schillers Geburtshaus
Dichter in Schwaben hatten’s nicht
leichter als anderswo – ihrer späteren Verehrung in der Heimat tat
dies jedoch keinen Abbruch, auch
nicht in Marbach am Neckar. Dort
begann vor 245 Jahren, am 10.
November 1759, die Lebensgeschichte Schillers. Gewohnt hat
er hier nur wenige Jahre, zurückgekehrt an seinen Geburtsort ist
er vermutlich nie. Erst Jahre nach
seinem Tod hat man sich an seine
Herkunft erinnert und begonnen, nach Zeugnissen
seines Aufenthaltes zu suchen. Aus bescheidenen
Anfängen des Dichterkults im 19. Jahrhundert erwuchs 1903 das Schiller-Nationalmuseum und 1955
das Deutsche Literaturarchiv als großes Sammlungs- und Ausstellungszentrum für die deutsche
Literatur. Neben Weimar ist es nach wie vor die wichtigste Stätte der Schillerforschung.
häubchen und seine Schreibkommode, aber
auch auf Bücher aus seinem Besitz, auf
Manuskripte, Briefe und Porträts. Hinzu
kommen zahlreiche Zeugnisse der Wirkungsgeschichte wie Gedenkblätter, Illustrationen und Büsten. Vor allem der
gegenständliche und bildliche Nachlass
Friedrich Schillers ist es, der in wesentlichen Teilen nach Marbach gelangt ist.
Diese Schätze zeigt das Schiller-Nationalmuseum und Deutsche Literaturarchiv im
200. Todesjahr des Dichters, ergänzt um hochkarätige Leihgaben aus dem Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv, vom
23. April bis zum 9. Oktober 2005 in einer großen Ausstellung
unter dem Titel »Götterpläne & Mäusegeschäfte«. Er entstammt Schillers dramatischem Erstling, den ›Räubern‹, wo
es heißt: »Ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen und ihre Riesenprojekte – ihre Götterpläne und ihre Mäusegeschäfte, das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit.« Ziel der Marbacher Ausstellung ist es, Schillers
Sichtbare Zeugen aus der Kindheit des Dichters in facettenreiches und widersprüchliches Leben einem interesMarbach sind bis heute das Geburtshaus und große sierten Publikum in Originaldokumenten vorzustellen.
Teile der Altstadt. Unsichtbar hingegen, weil in den
Magazinen verwahrt, sind all jene Gegenstände aus Die Ausstellung wird von zahlreichen Vorträgen, Seminaren,
dem Familien- und Freundeskreis, die nach dem Tod Führungen und anderen Angeboten begleitet. Vom 10. Novemdes Dichters am 9. Mai 1805 erhalten geblieben ber 2005 bis zum 17. April 2006 ist in Marbach außerdem die
sind. In Marbach kann der Besucher auf Schillers in Weimar konzipierte Ausstellung »Die Wahrheit hält
Strümpfe, Hosen und Westen stoßen, auf sein Tauf- Gericht – Schillers Helden heute« zu sehen.
Schiller-Nationalmuseum
Auskünfte sind unter folgender Adresse zu erhalten:
Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv
Schillerhöhe 8-10
71672 Marbach am Neckar
Tel.: 07144-848-0
Fax: 07144-848-299
E-Mail: [email protected]
Web: www.dla-marbach.de
Öffnungszeiten:
Schiller-Nationalmuseum: Dienstag bis Sonntag, 10 – 18 Uhr,
Mittwoch bis 20 Uhr.
Am 24., 25., 26. und 31. Dezember bleibt das Museum geschlossen.
38
Friedrich Schiller und Weimar
Als Friedrich Schiller am 3. Dezember 1799 vom nahe gelegenen Jena nach Weimar übersiedelte, kam dies nicht unerwartet: Bereits seit 1794 bestand
das berühmte Freundschafts- und
Schaffensbündnis mit Goethe.
Aus dieser Allianz erwuchs das
ästhetisch-literarische Programm
der ›Weimarer Klassik‹.
Schiller-Haus
Weimar war in vielerlei Hinsicht bequemer für Schiller: Zu Goethe und anderen Dichterkollegen war es
ein Katzensprung, überall begegnete man illustren
Besuchern und Gästen. Vor allem aber hatte Schiller
es nicht mehr weit zum Weimarer Hoftheater, mit
dem er seit 1798 eng verbunden war. Denn im Oktober dieses Jahres hatte dort zur Eröffnung des
umgebauten Theaters die Uraufführung von ›Wallensteins Lager‹ stattgefunden. Fast alle späteren
Stücke wurden ebenfalls vor dem Weimarer Publikum uraufgeführt.
Am 29. April 1802 zog er mit seiner Familie in das
neuerworbene Haus an der Esplanade im Zentrum
Weimars ein, wo er bis zu seinem Tod am 9. Mai 1805
lebte und arbeitete.
Schillers Wohnhaus ist heute Museum, den literarischen Nachlass hütet das Goethe- und SchillerArchiv der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen.
In Weimar wurde auch die Edition der Schiller-Nationalausgabe angesiedelt, ein gigantisches Unternehmen und eine der wenigen Brücken kultureller
Zusammenarbeit, die auch über die Jahre der deutschen Teilung trugen.
Zur 200. Jahresfeier der Uraufführung des Freiheitsdramas ›Wilhelm Tell‹ wurde das Stück vom Weimarer Theater erstmals am schweizerischen Original-
schauplatz aufgeführt. Diesem Prolog auf das
Jubiläumsjahr 2005 wird eine große Ausstellung im Weimarer Schiller-Museum unter dem
Titel: »DieWahrheit hält Gericht – Schillers Helden« folgen. Vom 9. Mai bis zum 10. Oktober
2005 können Weimar-Besucher dort den Helden von Schillers dramatischen Werken begegnen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur die
nach populärem Verständnis heroisch-vorbildlichen Hauptfiguren, sondern auch die passiv-negativen wie
auch die kollektiven. Unter heutigem Blickwinkel soll ihrer
Herkunft, Wirkung und Bedeutung nachgegangen werden.
Im Austausch mit Marbach wird vom 30. Oktober 2005 bis
zum 17. April 2006 die dort gezeigte Ausstellung »Götterpläne & Mäusegeschäfte« im Weimarer Schiller-Museum zu
sehen sein. Führungen und Tagungen runden das Jubiläumsprogramm ab.
Goethe- und Schiller -Archiv
Auskünfte sind unter folgender Adresse zu erhalten:
Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen
Frauentorstr. 4
99423 Weimar
Tel.: 03643 / 545-401
Fax: 03643 / 41 98 16
E-Mail: [email protected]
Web: www.swkk.de
39
Mein Schiller
Ulla Hahn
© by Manfred Thomas / Münster
Schiller, das war – und ist – für mich das
»Evangelium der Freiheit« (Goethe).
Frei sein wollen – seit ich ihn als Zwölfjährige
kennenlernte, hält mich dieser Wille gepackt.
Die Umstände beherrschen, statt sich von
ihnen beherrschen zu lassen: welch ein Ansporn »Trotz alledem«: das war mein Schiller,
das ist er geblieben.
© Karin Rocholl
Elfriede Jelinek
An den Schillerschen Dramen interessiert
mich die Sprech-Wut der Personen. Es
herrscht nur selten Schweigen, die Figuren
sprechen aufeinander ein, als gälte es ihr
Leben. Und dieses Sprechen bedeutet ja
auch, daß es ihr Leben gilt. Sie reden auch um
ihr Schweigen, diese Figuren, sie schweigen
eben nur selten. Sie fechten es miteinander
aus, sie kriechen förmlich ineinander hinein.
Sogar über das Schweigen reden sie noch,
nein, sie sprechen das Schweigen, das, weil
es eben auch ein Sprechen ist, hell wird. Es
wird nicht erst erhellt (denn auch das
Schweigen kann ja erhellend sein), es wird
hell, weil es ausgesprochen wird, als Schweigen. Es ist also kein dunkles Schweigen zwischen den Figuren, sondern, weil es ein
gesprochenes ist, ein helles Schweigen.
Schiller zieht da immer alle Register, damit
die Personen der Stücke in ihr Schweigen
40
nicht hineinfallen (weil sie »davon« nicht
sprechen können und daher »darüber«
schweigen müßten), sondern das Schweigen mit dem Sprechen aufgefüllt wird. Es
wird den Personen der Dramen nicht überlassen, ob sie über etwas sprechen oder
schweigen wollen, ob sie etwas ahnen, andeuten oder skizzieren wollen. Sie sprechen
über alles, auch wenn sie nicht sprechen,
fortwährend. Die Wesen, die nach Wahrheit
tasten, greifen ineinander, das Getriebe treibt
es mit sich selbst, indem es sich in den Widerpart, den anderen, hineinschraubt. Diese Personen sind Getriebene, weil sie sprechen
müssen. Sie haben nicht die Wahl. Wie das
Tier, das auch nicht die Wahl hat und schweigen muß. Die Figuren haben die Wahl. Daher
müssen sie sprechen. Es geht nicht anders.
Sie haben keine andre Möglichkeit.
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kommentierte
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Schillers Werken
im Taschenbuch –
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Friedrich Schiller
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Herausgegeben von
Peter-André Alt, Albert Meier und Wolfgang Riedel
unter Mitarbeit von Irmgard Müller und Jörg Robert
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¤ 51,30 [A] sFr 81,50
ISBN 3-423-59068-8
Impressum
Das ›_ Schiller-Magazin‹ wird vom Deutschen Taschenbuch Verlag,
Friedrichstraße 1a, 80801 München, herausgegeben
und ist kostenlos im Buchhandel erhältlich.
© Deutscher Taschenbuch Verlag, München
Internet-Adresse: www.dtv.de
Text und Textauswahl: Prof. Dr. Joseph Kiermeier-Debre.
Der Verfasser arbeitet als Museumsleiter, Programm- und Ausstellungsmacher
und ist Dozent für Neuere deutsche Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Er ist Autor zahlreicher Bücher und Schriften und
Herausgeber der _ Bibliothek der Erstausgaben (bisher 60 Bände).
Redaktion: Klassik-Lektorat
Umschlag: © _ / Stephan Schöll
Gestaltung: Stephan Schöll
Lithografie: Partner Satz, Ingolstadt
Druck: Hofmann Druck, Nürnberg
Bildquellennachweis:
Für alle Bilder gilt, soweit nicht anders vermerkt, folgendes Copyright:
© Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Literaturarchiv Marbach a. Neckar
Abb. S. 5: Jakob Friedrich Abel, von J. F. Weckerherlin, um 1790
© Landesmedienzentrum BW, Stuttgart
Abb. S. 30: Friedrich Schiller, Steinzeichnung von Johann Gottfried Schadow, 1804
© Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin
Abb. S. 39: © Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, Weimar
_-Taschenbücher sind in allen Buchhandlungen erhältlich.
Programm- und Preisänderungen müssen wir uns leider vorbehalten.
Stand: Oktober 2004
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Deutscher Taschenbuch Verlag, Postfach 40 04 22, 80704 München, www.dtv.de – Ihr Kulturportal
Programm- und Preisänderungen vorbehalten.
Die angegebenen Preise für Österreich (¤ [A]) wurden von unserem österreichischen
Alleinauslieferer als sein gesetzlicher Letztverkaufspreis festgesetzt.
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