April 2004 Sonderausgabe zur Reihe POLITIK & UNTERRICHT P&U aktuell 13 Kommunalwahlen in Baden-Württemberg Zeichnung: Mester Aus dem Inhalt 1. Am 13. Juni wählen und mitbestimmen .................................... Seite 2 2. Worum geht es in der Kommunalpolitik? ................................ Seite 2 3. Wer steht zur Wahl? – Die Kandidaten .................................... Seite 6 4. Wie wird gewählt? – Das Kommunalwahlrecht ...................... Seite 10 5. Wie wählen die Bürgerinnen und Bürger? .............................. Seite 13 6. Wo kann ich mich informieren? ................................................ Seite 15 7. Projektvorschlag .......................................................................... Seite 16 ISSN 0344-3531 2 1. Am 13. Juni wählen und mitbestimmen Am 13. Juni 2004 werden in den 1.110 Städten und Gemeinden sowie in den 35 Landkreisen BadenWürttembergs die Mitglieder von Gemeinderäten, Ortschaftsräten und Kreistagen gewählt. Rund 35.000 Frauen und Männer werden ausgewählt, um ab September 2004 die Angelegenheiten ihrer Kommune maßgeblich mitzugestalten. Demokratie bedeutet, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst über die Angelegenheiten des Gemeinwesens, d.h. über ihre eigenen Angelegenheiten, bestimmen. Deswegen lebt die Demokratie von der aktiven Beteiligung jedes Einzelnen. Politische Partizipation ist auf vielfältige Weise möglich. Jeder kann sich frei informieren und etwa an öffentlichen Gemeinderatssitzungen teilnehmen. Jeder kann im Rahmen der Gesetze für seine Vorstellungen durch Leserbriefe, Flugblätter oder Demonstrationen werben. Und jeder kann in einer Partei aktiv werden oder sich für ein politisches Mandat, etwa als Gemeinde- oder Kreisrat, bewerben. Aber auch wer sich in Bürgerinitiativen einsetzt, sich in einem Verein engagiert oder sich um Menschen kümmert, die Hilfe brauchen, übernimmt aktiv Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Wahl ist jedoch die zentrale Form der politischen Partizipation in einer Demokratie. Am 13. Juni geht es darum, dass die Bürgerinnen und Bürger von ihrem aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch machen, also wählen gehen oder sich als Kandidat aufstellen lassen. Bei Simone Wohlgemuth steckte bei der Wahlen sind alle Kommunalwahl 1999 in einem WahlBürgerinnen und lokal in Villingen-Schwenningen Bürger aufgeruerstmals den Umschlag mit den Lisfen, Kandidaten ten für die Kommunalwahl in Badenauszuwählen, deWürttemberg in die Urne. Am selben nen sie ihr VerTag feierte sie ihren 18. Geburtstag trauen schenken, und durfte somit auch zum ersten und Programme, Mal wählen. Die Schülerin hatte sich denen sie zustimauch um einen Platz im Gemeinderat von Villingen-Schwenningen bemen. Durch die worben. Wahl bekommen Foto: picture-alliance/dpa diese Personen auf Zeit die Macht, Entscheidungen zu treffen. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden, wie in den nächsten fünf Jahren die Kommunalpolitik aussehen wird. Der 13. Juni 2004 ist also eine gute Gelegenheit, die Politik »vor Ort« mitzugestalten. Im Folgenden können Sie sich informieren: • welche Bedeutung Kommunalpolitik für Sie hat • wer in der Kommunalpolitik Entscheidungen trifft • wie über die Kommunalwahlen Einfluss auf diese Entscheidungen genommen wird. 2. Worum geht es in der Kommunalpolitik? Gemeinden. Die Gemeinden sind die unterste politische Ebene – unterhalb von Bund und Ländern – und somit die Ebene, die dem Bürger am nächsten steht. Die Gemeinden haben das Recht, im Rahmen der Gesetze ihre eigenen Angelegenheiten selbstständig zu regeln. In Baden-Württemberg gibt es 1.110 Gemeinden. Es überwiegen die kleinen und mittleren Gemeinden. Fast 60 Prozent haben weniger als 5.000 Einwohner. Nur neun Städte haben über 100.000 Einwohner, die größten davon sind Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe. Landkreise. Die 35 Landkreise Baden-Württembergs sind Gemeindeverbände mit Doppelcharakter. Einerseits sind sie untere staatliche Verwaltungsbehörden des Landes Baden-Württemberg, die z.B. nach Weisung durch das Regierungspräsidium für die Ausbezahlung des Wohngeldes zuständig sind und Aufsicht über die rechtmäßige Amtsausübung der Bürgermeister führen. Andererseits sind sie Selbstverwaltungsorgane, in denen die Gemeinden eines Landkreises gemeinsam Dinge regeln, die die Kraft einer einzelnen Gemeinde übersteigen, so z.B. die Abfallbeseitigung, Krankenhäuser oder größere Schulzentren. Wenn bei sehr großen Gemeinden Landkreis und Gemeinde sich decken, spricht man anstatt von Landkreisen von Stadtkreisen. In BadenWürttemberg gibt es 9 Stadtkreise. Eine Besonderheit ist der »Verband Region Stuttgart«. Er existiert seit 1994 und umfasst die Landeshauptstadt und fünf benachbarte Landkreise im Verdichtungsraum Stuttgart. Der Verband regelt gemeinsam Dinge, die die Region Stuttgart betreffen. Die Mitglieder der Regionalversammlung werden ebenfalls am 13. Juni direkt von der Bevölkerung gewählt. Kommunalpolitik betrifft uns Doch wie wichtig ist Kommunalpolitik? Nahezu den ganzen Tag über haben wir mit unserer Gemeinde oder auch dem Kreis und deren Leistungen zu tun. Schon morgens beim Aufstehen benutzen wir die Strom- und Wasserversorgung sowie die Kanalisation. Beim Verlassen des Hauses treffen wir vielleicht auf die Straßenreinigung oder die Müllabfuhr. Hof- 3 Zeichnungen: Mester ☞ Interpretieren Sie die Karikaturen. Auf welche Probleme weist der Karikaturist hin? Was fällt Ihnen zu den angesprochenen Themenbereichen ein? Welche weiteren Themen kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie an Kommunalpolitik denken? Beispiele für Aufgaben von Kreisen und Gemeinden eigener Wirkungskreis freiwillige Aufgaben übertragener Wirkungskreis Pflichtaufgaben Landkreise Altenheime, Sportstätten, Abwasserbeseitigungsanlagen, Förderung von Vereinen, allgemein bildende Schulen, Museen (Zuschüsse an Gemeinden oder Vorhaben in Eigenregie) Berufs- und Sonderschulen, Kreisstraßen, Abfallbeseitigung, Schülerbeförderung, Kinder- und Jugendhilfe, Sozialhilfe Wohngeld, Ausbildungsförderung (BAFöG), Kfz-Zulassung Gemeinden Krankenhäuser, Jugendzentren, Theater, Schwimmbäder, Museen, Bibliotheken allgemein bildende Schulen, Straßen, Wasserversorgung, Feuerwehr, Friedhof Standesamt, Meldewesen, Ausstellung von Lohnsteuerkarten fentlich muss die Feuerwehr nicht gerade zu einem Einsatz ausrücken. Vielleicht benutzen wir die öffentlichen Verkehrsmittel, um zum kommunalen Kindergarten oder zur Schule zu kommen. Wie es dort mit der Ausstattung aussieht, hängt in hohem Maße von der Gemeinde ab. Nachmittags besteht die Möglichkeit zu Sport in der Sporthalle oder im Schwimmbad. Andere gehen in die Stadtbibliothek oder in die Musikschule. Abends gibt es vielleicht eine Theaterveranstaltung oder einen VHSKurs. Auch hier entscheidet die Kommune – und nicht zuletzt ihre Finanzausstattung – über das Angebot. Manche treffen sich im Jugendzentrum. Unser Wohlbefinden hängt in hohem Maß von den Leistungen der Kommunen ab. Damit nicht genug. Schätzungsweise 80 Pro- 4 zent aller Angelegenheiten, die einzelne Bürgerinnen und Bürger in Kontakt mit dem »Staat«, also mit Behörden bringen, werden von der Gemeindeverwaltung erledigt. Kommunale Aufgaben. Die Aufgaben der Kommunen lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen. Da sind zum einen die vom Staat übertragenen Aufgaben (auch Weisungsaufgaben genannt), wie z.B. bei der Gemeinde die Ausstellung von Lohnsteuerkarten oder Pässen. Auf der anderen Seite sind da eigene Aufgaben der Kommunen. Hier gibt es zum einen Aufgaben, um die sich die Gemeinde auf jeden Fall kümmern muss (Pflichtaufgaben), z.B. die Regelung der Schulversorgung. Zum anderen gibt es vollkommen freiwillige Aufgaben wie die Errichtung eines Schwimmba- © Globus Infografik GmbH Womit beschäftigt sich der Gemeinderat? Die Schlagzeilen stammen aus baden-württembergischen Tageszeitungen der zweiten Jahreshälfte 2003. Sie gehören zu Artikeln, die über Gemeinderatssitzungen berichten. ☞ Überlegen Sie jeweils, worüber der Gemeinderat beraten haben könnte und in welchen größeren Themenbereich der Diskussionsgegenstand gehört. Diskutieren Sie anschließend, welche Bereiche der Kommunalpolitik für Sie als Jugendliche von besonderem Interesse sind. 5 Formen direkter Demokratie Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den politischen Entscheidungen beschränkt sich nicht auf die Wahl des Bürgermeisters und des Gemeinderats. Auf kommunaler Ebene gibt es so viele Mitsprachemöglichkeiten wie auf keiner anderen Politikebene in Deutschland: • Antrag auf Einberufung einer Bürgerversammlung. • Antrag, dass sich der Gemeinderat mit einem bestimmten Thema befasst. • Antrag, dass ein bestimmter Sachverhalt den Bürgerinnen und Bürgern zur Entscheidung vorgelegt wird (Bürgerbegehren). • Direkte Abstimmung aller Bürgerinnen und Bürger über einen bestimmten Sachverhalt (Bürgerentscheid). Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sind die mächtigsten Elemente der direkten Demokratie in der Gemeinde. Schwimmbad oder Theater – wer entscheidet in der Kommunalpolitik? Gemeinderat. Die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger ist der Gemeinderat. Alle fünf Jahre werden seine Mitglieder gewählt. Die Anzahl der Räte hängt von der Gemeindegröße ab und bewegt sich zwischen acht und 60. Der Gemeinderat ist das »Hauptorgan der Gemeinde«. Er fasst die Beschlüsse über die Gemeindeangelegenheiten, überwacht die Gemeindeverwaltung und verabschiedet und kontrolliert den Haushalt, bestimmt also grundsätzlich darüber, wofür die Gemeinde ihr Geld verwendet. Darüber hinaus entscheidet der Gemeinderat bei der Einstellung von Gemeindebediensteten. Die Leitung der Gemeinde des oder einer Bibliothek. Für die Landkreise gilt eine ähnliche Aufteilung. Den größten Entscheidungsspielraum haben die Gemeinden (und Landkreise) natürlich bei den eigenen Aufgaben – und hier unterscheiden sie sich auch deutlich voneinander. Projekte können nur dann durchgeführt werden, wenn genügend Geld dazu da ist. Was eine Gemeinde oder ein Landkreis in diesem Bereich zu leisten vermag, hängt natürlich in hohem Maße von der Finanzausstattung ab. Wie alle öffentlichen Haushalte kommen jedoch auch die kommunalen Kassen in letzter Zeit sehr stark unter Druck. Ortschaftsrat. In mehr als 400 Gemeinden mit räumlich getrennten Ortschaften gibt es neben den Gemeinderäten auch Ortschaftsräte. Die Mitglieder der Ortschaftsräte werden ebenfalls bei der Gemeinderatswahl gewählt und bestimmen ihrerseits aus ihrer Mitte einen Ortsvorsteher. Sie beraten die Dinge, die den Teilort betreffen und haben einen begrenzten Bereich, in dem sie auch selbst entscheiden können. Zeichnung: Mester ☞ Fassen Sie die Aussage der Karikatur zusammen. Inwieweit wird sie durch die Informationen in diesem Abschnitt gestützt? Gemeinderat und Bürgermeister. Der Gemeinderat ist zwar »Hauptorgan«, aber nicht oberstes Organ der Gemeinde. Das kommt daher, dass er mit dem Bürgermeister einen mächtigen Mit- oder Gegenspieler hat. Der Bürgermeister (in Stadtkreisen und Großen Kreisstädten trägt er die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister) nimmt eine Schlüsselposition in der Gemeinde ein. Er vertritt die Gemeinde nach außen, führt den Vorsitz im Gemeinderat sowie allen seinen Ausschüssen. In dringenden Fällen kann er sogar anstelle des Gemeinderats entscheiden. Weil der Bürgermeister darüber hinaus auch Chef der Gemeindeverwaltung ist, leitet er nicht nur die laufenden Geschäfte, sondern ist auch der eigentliche »Profi« in der Gemeinde mit einem wichtigen Informations- und Argumentationsvorsprung ge- 6 genüber dem Gemeinderat. Seine starke Stellung rührt nicht zuletzt daher, dass er wie der Gemeinderat direkt und in einer eigenständigen Wahl von den Bürgerinnen und Bürgern, allerdings für jeweils acht Jahre, gewählt wird. Ein selbstbewusster Gemeinderat legt aber die großen Linien der Gemeindepolitik fest und bestimmt in allen wichtigen Einzelfallentscheidungen. Landkreis. Die Aufteilung zwischen Ratsversammlung und Leiter der Verwaltung ist im Landkreis ähnlich wie in der Gemeinde. Das »Parlament« des Landkreises ist der alle fünf Jahre gewählte Kreistag. Der Landrat als Vorsitzender des Kreistages und Leiter des Landratsamtes wird dagegen nicht direkt von den Bürgern, sondern auf acht Jahre vom Kreistag gewählt. Die Kommunen als unmittelbarer Lebensraum Das Dorf oder die Stadt wird von vielen Menschen als ihr Lebensraum empfunden. Viele Dinge gehören zum unmittelbaren Lebensumfeld und sind vertraut. Die Kommunalpolitik beeinflusst dieses Lebensumfeld direkt. Dabei unterscheidet sich Kommunalpolitik in vielem von der »großen Politik«. Die politischen Entscheidungen sind orts- und sachbezogen. Politik ist weniger abstrakt, denn die Bürgerinnen und Bürger können leichter erkennen, ob und wie sich eine Entscheidung auf ihr Leben auswirkt. Die Ortsbezogenheit macht Kommunalpolitik nicht nur überschaubarer, sie macht es auch leichter, Dinge zu bewegen. Auf kommunaler Ebene ist es für den Einzelnen oder eine Gruppe nicht so schwer, sich Gehör zu verschaffen und auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Ein wichtiger Schritt dazu wäre es, sich beispielsweise bei den Kommunalwahlen als Kandidatin oder Kandidat zur Verfügung zu stellen. Zeitaufwand für Gemeinderatstätigkeit (Stunden pro Monat) nach Gemeindegrößenklassen 3. Wer steht zur Wahl? – Die Kandidaten Parteien und »Rathausparteien«. In der Regel treten bei der Gemeinderatswahl zwei oder mehrere Listen von Bewerbern gegeneinander an. Dabei gibt es auf kommunaler Ebene eine Besonderheit. Neben den bekannten und etablierten Parteien, die landes- und bundesweit antreten, stellen auch rein örtliche Wählervereinigungen Listen auf. Diese Freien Wählervereinigungen nennt man wegen ihres lokalen Bezugs auch oft »Rathausparteien«. Vereinigungen, die bisher weder im Gemeinderat oder Landtag vertreten waren, müssen eine Reihe von Unterschriften beibringen, bevor sie einen Wahlvorschlag einreichen können. Passives Wahlrecht. Auf der Liste können maximal so viele Personen aufgeführt sein, wie Mitglieder in den Gemeinderat oder Kreistag zu wählen sind. Prinzipiell ist jeder wählbar (passives Wahlrecht), der selbst wählen darf (aktives Wahlrecht) (➡ Wie wird gewählt?) Bestimmte Personengruppen können allerdings wegen Befangenheit ein Mandat nicht antreten. So sieht man Angestellte und Beamte der Gemeinde (im Falle des Kreistages des Landkreises) oder direkte Verwandte des Bürgermeisters als nicht unabhängig genug für einen Sitz im Gemeinderat an. Ein leichter Job? Als Gemeinde- oder Kreisrat hat man ein Ehrenamt. Ist man einmal gewählt, so ist man prinzipiell dazu verpflichtet, dieses Amt auch auszuüben. Die Gewählten sind in der Ausübung ihres Mandates frei. Das heißt, niemand kann ihnen Aufträge geben oder sie zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten verpflichten. Wer in einem Gemeinderat sitzt und seine Arbeit ernst nimmt, hat viel Arbeit. Der Gemeinderat tagt mindestens ein Mal pro Monat. Dazu kommen Treffen von Ausschüssen und Verbänden sowie die Vor- und Nachbereitung der Sitzungen. Die finanzielle Entschädigung, die sich an der Größe der Gemeinde bemisst, ist dagegen bescheiden. Quelle: Helmut Köser: Der Gemeinderat in Baden-Württemberg. Sozialprofil, Rekrutierung, Politikverständnis, in: Theodor Pfizer/Hans-Georg Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in Baden-Württemberg. 3. Aufl., Stuttgart (Kohlhammer) 2000, S. 161. Zählt man alles zusammen – Kreisräte, Ortschaftsräte und die Gemeinderäte –, so warten im Juni 2004 rund 35.000 Posten darauf, besetzt zu werden. Die Zahl der Kandidaten wird weit höher sein. Allein bei den letzten Gemeinderatswahlen im Jahr 1999 hatten sich ge- 7 lich kennen. Auch das erklärt die besonders starke Vertretung von Personen mit bestimmten Berufen, die durch ihre Tätigkeit – z.B. als Arzt oder Ladenbesitzer – schon vielen in der Gemeinde bekannt sind. Einen hohen Bekanntheitsgrad kann man aber nicht nur durch seinen Beruf erreichen. Auch das Engagement in Politik, Kirche, Vereinen, Feuerwehr usw. wirkt sich positiv aus auf die Chancen, aufgestellt und gewählt zu werden. Sitzung des Gemeinderats im Tübinger Rathaus. Im Vordergrund (2. v. l.) Brigitte Russ-Scherer, eine der wenigen (Ober-)Bürgermeisterinnen in BadenWürttemberg. Foto: Manfred Grohe nau 64.196 Personen um einen Sitz beworben. Es ist mitunter nicht ganz einfach, genügend geeignete Bewerberinnen und Bewerber für die Wahl zu finden. Der »ideale Kandidat«. Wie sieht für eine Wählervereinigung der ideale Kandidat oder die ideale Kandidatin aus? Viele wünschen, dass die Parlamente – und so auch die »Kommunalparlamente« – ein getreues Abbild der Bevölkerung sind. Das heißt, dass die verschiedenen Berufsgruppen, Männer und Frauen, Jüngere und Ältere in ähnlicher Verteilung wie in der Bürgerschaft vertreten sind. Betrachtet man aber die rund 20.000 Gemeinderäte, zeigt sich, dass manche Personengruppen besonders stark vertreten sind. So liegt der Anteil der Selbstständigen unter den Gemeinderäten deutlich über ihrem Anteil an der Bevölkerung. Arbeiter hingegen findet man seltener in den Räten. Welche Berufe besonders häufig vorkommen und bei den Wählern besonders beliebt sind, hängt natürlich von der örtlichen Sozialstruktur ab. In Universitätsstädten findet man häufiger als anderswo akademische Berufe. In den in BadenWürttemberg dominierenden kleinen und mittleren Gemeinden haben dagegen die Vertreter des selbstständigen Mittelstandes, also Handwerker, Einzelhändler, Gastwirte usw., die »Nase vorn«. Sehr wichtig ist das persönliche Ansehen, das häufig mit dem Beruf verbunden ist. Deshalb haben die freien Berufe – Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten und Ärzte – bei der Bewerbung um einen Gemeinderatssitz durchweg einen Vorteil. Wichtig ist vor allem, dass möglichst viele Wähler den Kandidaten persön- Schließlich entspricht die Altersstruktur der »Kommunalparlamente« nicht der der Bevölkerung. Gemeinderäte sind in der Regel zwischen 40 und 60 Jahre alt; die Gruppe der 50- bis 60Jährigen ist dabei am stärksten. Besonders schwach sind die über 70Jährigen und die unter 30-Jährigen vertreten. Der typische Gemeinderat ist ein Mitfünfziger, vielen in der Gemeinde bekannt, hat einen angesehenen Beruf – und ist in der Regel ein Mann. Wo bleiben die Frauen? Frauen machen über die Hälfte der Bevölkerung aus. Doch in der Politik sind sie nach wie vor schwach vertreten. Nach den letzten Kommunalwahlen lag der Frauenanteil in den Gemeinderäten bei knapp 19 Prozent, in den Kreistagen nur bei 14 Prozent. Allein in 72 Gemeinden sind die Räte ganz ohne Frauen. In den politischen Führungsämtern sind die Frauen noch seltener. Derzeit findet man gerade mal 24 (Ober-)Bürgermeisterinnen im Land. Eine Landrätin sucht man bislang vergebens. Woher kommt diese schwache Vertretung der Frauen? Haben die Frauen keine Lust auf politische Auseinandersetzungen in Gemeinderat und Kreis- Zeichnung: Mester 8 Eine Kommunalpolitikerin berichtet P&U: Frau Schmid, wann beginnen die Vorbereitungen zur Kommunalwahl? Brigitte Schmid ist Gymnasiallehrerin und Mutter von drei Kindern. Sie ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag des Alb-Donau-Kreises und Gemeinderätin in Munderkingen, einer Stadt mit 5.000 Einwohnern am Südrand der Schwäbischen Alb. Der Gemeinderat in Munderkingen hat 19 Mitglieder, die meisten davon gehören der CDU an. P&U führte im Januar 2004 ein Interview mit Brigitte Schmid. Bei manchen Parteien beginnen die Vorbereitungen schon gut ein Jahr vor den Wahlen. Man fängt dann an darüber nachzudenken, welche Leute man auf eine Kandidatur ansprechen könnte. Die heiße Phase beginnt im Januar 2004. Jetzt muss man immer mehr telefonieren, um geeignete Leute zu finden. Bis Ende März sollte man die Kandidaten zusammen haben. Der Wahlkampf selbst ist dann der leichtere Teil. P&U: Wie schwer oder leicht ist es, Kandidaten zu finden? Für die meisten Parteien ist es schwer. Viele Leute scheuen es, in eine Partei einzutreten. Wir haben deswegen auch viele Kandidaten auf der Liste, die nicht Mitglied der Grünen sind. Für die meisten ist der Arbeitsaufwand ein Hindernis. Viele der engagierten Leute in Vereinen, die als Elternvertreter oder anderweitig in der Stadt engagiert sind, haben keine Zeit, noch etwas Zusätzliches zu machen. Andere sind beruflich so eingebunden, dass sie sich die Zeit für die Sitzungen nur schwer »herausschneiden« können. Frauen mit Kindern haben ein Betreuungsproblem. Andere wiederum haben eine gewisse Scheu, an die Öffentlichkeit zu treten. P&U: Kann man den idealen Kandidaten ganz grob umschreiben? Der ideale Kandidat ist nicht unbedingt der Kandidat, der die meisten Stimmen bringt. Stimmen bringen grundsätzlich bekannte Leute, die einen angesehenen Beruf haben. Gute Stimmenbringer sind Ärzte. Einen Vorteil haben auch die, die schon im Gemeinderat sind. Je länger jemand im Gemeinderat ist, umso bekannter ist er, umso mehr Stimmen bekommt er. Auch Engagement in Vereinen usw. ist von Vorteil. Nehmen wir mal ein Gegenbeispiel. Wenn eine Hausfrau mit zwei Kindern gerne für den Gemeinderat kandidieren will und sie ist in keiner Krabbelgruppe, Kindergartengruppe, Elterngruppe engagiert tag? Haben sie weniger Zeit als die Männer, wenn sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren müssen? Haben Sie zu wenige Kontakte zu wichtigen Leuten, zu den Parteien? Oder werden sie schlicht und einfach von Männern diskriminiert, die die politischen Entscheidungen lieber ohne Frauen treffen? Es gibt verschiedene Vorschläge, wie man die Vertretung von Frauen in politischen Gremien erhöhen könnte. In Frankreich schreibt seit zweieinhalb Jahren ein »Gesetz über die Parität« vor, dass bei nahezu allen Wahlen die Wahlvorschläge je zur Hälfte oder hat nicht irgendeinen »Namen«, der in der Stadt schon bekannt ist, dann hat sie große Schwierigkeiten. P&U: Wie viel hat man denn als Gemeinderat zu tun? Das hängt davon ab, in welchen Ausschüssen man ist und ob man sich auch außerhalb der Sitzungen weiter engagiert. Außerdem hängt die Arbeitsbelastung auch von der Größe der Gemeinde ab. In einer Stadt wie Munderkingen muss man mit einer Sitzung pro Monat rechnen. Die dauert alles in allem fünf bis sechs Stunden. Mit anderen Terminen schätze ich den Kernaufwand übers Jahr verteilt auf ungefähr 15 Stunden pro Monat ein. Wer ein konkretes Projekt betreut, kommt leicht auf deutlich mehr. P&U: Wird die Arbeit bezahlt? Schmid: Es gibt eine Aufwandsentschädigung. Ich bekomme für meine Gemeinderatstätigkeit im Jahr ungefähr 200 Euro. P&U: Warum sind Sie Gemeinderätin geworden? Man lebt in einer Stadt und es fallen Entscheidungen, die einem nicht gefallen. Ich hatte die Möglichkeit »rumzumosern« oder mich zu engagieren. Also habe ich mich engagiert und kann so weit mitbestimmen, dass ich gegebenenfalls etwas verhindern kann, was mir nicht gefällt. P&U: Ist es leicht, auf kommunaler Ebene etwas zu bewegen? Es ist auf jeden Fall leichter als anderswo. Auf Gemeinde- und auch auf Kreisebene sind die Probleme recht klar und die Entscheidungen konkret. Man diskutiert über Dinge vor Ort, die man anschauen kann und bei denen man viel besser abschätzen kann, was die Folgen einer politischen Entscheidung sind. Man hat auch mehr Zeit, über Details zu diskutieren. In einem kleineren Gemeinderat kommt hinzu, dass man ohne weiteres Koalitionen über die Parteien hinweg bilden kann. P&U: Wie ist das Verhältnis der politischen Kontrahenten zueinander? Es gibt nur ganz selten Themen, bei denen die Fraktionsfronten hart aufeinander treffen. In der Regel wird über die Parteien hinweg abgestimmt. Viele Entscheidungen fallen nach ausführlicher Diskussion auch einstimmig oder zumindest mit einer sehr breiten Mehrheit. Bei uns im Gemeinderat ist das Klima so gut, dass jeder mit jedem redet. Wichtig ist ja auch die »Nachsitzung« in einer der örtlichen Wirtschaften. Wenn man so richtig gestritten hat, was ja durchaus vorkommt, wenn's vielleicht auch mal giftig wurde, löst man dann das dort wieder auf, damit das Verhältnis auch gut bleibt. Im Kreistag, also eine Ebene höher, sind die Fronten schon mal härter. Hier wird viel einheitlicher nach Fraktionen abgestimmt und manchmal ist der Ton auch bissiger. Da ist es noch wichtiger, wenn man nachher noch mal zusammensitzt, damit die Konflikte nicht stehen bleiben und man gar irgendwann nicht mehr miteinander redet. aus Männern und Frauen bestehen müssen. Gerade im Kommunalbereich waren die Auswirkungen dieses Gesetzes beträchtlich. Nach den Wahlen von 2001 stieg der Anteil der Frauen in den Gemeinden, für die das Parité-Gesetz galt, von knapp 22 auf ungefähr 48 Prozent. Prinzipiell sind sich alle Parteien darüber einig, dass der Frauenanteil in der Politik erhöht werden sollte. Uneinig ist man sich aber darüber, ob dies über die Festlegung von Quoten oder auf andere Weise geschehen soll. Der Versuch der Landtagsfraktionen von SPD und Grünen, einen 40-Prozent-Anteil von 9 Frauen auf den Wahlvorschlägen im Kommunalwahlrecht vorzuschreiben, ist im Landtag gescheitert. Die Mehrheit sprach sich gegen rechtliche Vorschriften aus. Es gibt verschiedene Initiativen, die politische Beteiligung von Frauen zu fördern. So unterstützt z.B. das überparteiliche Projekt der Landeszentrale für politische Bildung »Tandem in der Politik« den weiblichen politischen Nachwuchs. Interessierte Frauen können einer erfahrenen Politikerin eine Quelle: Tandem in der Politik – TiP. Handreichung Mentoring für Frauen in der KommuZeit lang »über die nalpolitik, hrsg. v. d. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg mit UnSchulter schauen« und terstützung des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Stuttgart 2001, S. 11. so Einblick in die politische Arbeit gewinnen. es auf die Frauen an, sich selbstbewusst auch geGleichzeitig gibt es Kurse, in denen man sich auf gen Widerstände ihren Platz in der Politik zu erseine eigene politische Arbeit vorbereiten kann. obern. Und schließlich bestimmen Wählerinnen und Wähler durch ihre Stimmabgabe auch über den Letztendlich liegt es in hohem Maße an den Parteien zukünftigen Frauenanteil in den »Kommunalparlaund den Wählervereinigungen, ob und inwiementen«. weit sie vermehrt Frauen aufstellen. Ebenso kommt CDU-Frauen fordern den »Reißverschluss« Christine Arlt-Palmer, die … Vorsitzende der Frauenunion, gehört zu den Selbstbewussten in der CDU. Die 38-Jährige, Mutter dreier Kinder, Regionalrätin und Mitglied im CDU-Kreisvorstand, möchte die Gunst der Stunde nutzen. Zum ersten Mal hat die Ratsfraktion eine Frau an ihre Spitze gewählt, nämlich Susanne Eisenmann – prompt möchte Arlt-Palmer noch einen Schritt weiter gehen. Sie fordert deutlich mehr Chancen für die CDU-Frauen bei der Kommunalwahl am 13. Juni 2004. Bei den letzten Wahlen … 1999 standen auf dem CDU-Stimmzettel bereits 30 Prozent Frauen. In der 25köpfigen Ratsfraktion sitzen mittlerweile zwölf Stadträtinnen. Doch das ist Christine Arlt-Palmer nicht genug. In den kommenden Monaten wollen sie und ihre Mitstreiterinnen »weitere frauenpolitische Akzente setzen«. Was damit gemeint ist, wird so manchen altgedienten CDU-Stadtrat einen aussichtsreichen Listenplatz und womöglich sogar das Mandat kosten: »Bei der Gemeinderatswahl von 1999 hatten wir knapp ein Drittel Frauen auf dem Stimmzettel«, sagt Arlt-Palmer … (2004) sollte es nach ihrer Ansicht »genau die Hälfte« sein. Doch damit nicht genug: Christine Arlt-Palmer und ihre Frauenunion verlangen den »Reißverschluss«. Das bedeutet: Jeder zweite Platz hinter der Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann soll an eine Frau vergeben werden – insgesamt also 30 Frauen und 30 Männer! … Bisher gibt es bei der CDU nur die Übereinkunft, auf jedem dritten Platz eine Frau zu nominieren. Mit der Kampfansage ist der Zwist programmiert, denn bis dato hat nur einer aus der CDU-Männerriege durchblicken lassen, dass er 2004 nicht wieder antreten wird … Alle anderen Räte der Christdemokraten halten sich vorsichtshalber noch bedeckt … (Christine Arlt-Palmer meint): »Wir Frauen in der Politik sind erst dann gleichberechtigt, wenn wir in unseren Reihen genauso viele Flaschen haben dürfen wie die Männer.« Stuttgarter Zeitung, 8. August 2003 (Thomas Borgmann). Der »Reißverschluss« ähnelt den Regelungen in Frankreich. ☞ Überlegen Sie: Auf welche Widerstände könnten die Vorschläge der CDU-Frauen stoßen? Welche Argumente können Sie dagegen anführen? 10 4. Wie wird gewählt? – Das Kommunalwahlrecht Wahlgrundsätze. Wahlen sind dann demokratisch, wenn sie bestimmten Standards entsprechen. Für die Gemeinderats- und Kreistagswahlen gelten dieselben Prinzipien wie auch für die Bundestags- und Landtagswahlen: • Allgemein: Prinzipiell dürfen alle Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren wählen. • Unmittelbar: Die Bürgerinnen und Bürger wählen ihre Vertreter direkt. • Frei und geheim: Niemand darf in seiner Wahlfreiheit eingeschränkt werden. Deswegen wählt jeder unbeobachtet in einer Wahlkabine. • Gleich: Jede Stimme zählt gleich viel. Deutsche und EU-Bürger über 18 sind wahlberechtigt. Wahlberechtigt sind alle Bürger der Gemeinde, sofern sie nicht aufgrund eines Gesetzes oder eines richterlichen Spruches – z.B. wegen Geisteskrankheit – vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Allerdings muss man mindestens seit drei Monaten in der Gemeinde (bzw. im Landkreis) seinen Wohnsitz haben. Anders als bei Landtags- und Bundestagswahlen haben bei Kommunalwahlen nicht nur Deutsche, sondern auch ausländische EU-Bürger das aktive und passive Wahlrecht. Grundlage dafür war der Maastrichter Vertrag von 1992. Ziel war es, möglichst viele Einwohner am politischen Leben zu beteiligen. Die Kommunalpolitik mit ihren im Rahmen der allgemeinen Gesetze überschaubaren Sachentscheidungen erschien hier das geeignetste Feld für eine Ausweitung des Wahlrechtes. politischen Parteien keine Einigkeit. Notwendig wäre hierzu eine Grundgesetzänderung auf Bundesebene. Ebenfalls umstritten ist die Herabsetzung des Wahlalters. Einige der deutschen Länder haben in den letzten Jahren die Altersgrenze auf 16 Jahre gesenkt und damit vielen Jugendlichen die Beteiligung an Kommunalwahlen ermöglicht. Wählen »à la carte« Vor der Wahl bekommen alle Wahlberechtigten eine Karte zugesandt mit einer Mitteilung, wann und wo die Wahl stattfindet. Gewählt wird in einem öffentlichen Wahllokal. Ein Wahlhelfer händigt den Wählerinnen und Wählern die Stimmzettel der kandidierenden Parteien und Wählervereinigungen mit einem Merkblatt aus und überprüft, ob der Wähler auch im Wählerverzeichnis eingetragen ist. Den Stimmzettel selbst füllt der Wähler in einer Wahlkabine aus und wirft ihn dann in einem Umschlag verschlossen in eine Wahlurne. Nach der Wahl werden die Urnen geöffnet und von den Wahlhelfern öffentlich ausgezählt. Wer am Wahltag das Wahllokal nicht aufsuchen kann, hat die Möglichkeit der Briefwahl. Jeder Wähler hat so viele Stimmen, wie Gemeinderäte (oder Kreisräte) zu wählen sind. Die Anzahl der Räte richtet sich nach der Größe der Gemeinde. In einer Großstadt wie z.B. Karlsruhe sind das 48. In einer kleinen Gemeinde wie im oberschwäbischen Munderkingen sind es z.B. 19. Der Wähler hat grundsätzlich bei der Wahl zwei Möglichkeiten. Für genaue Aussagen liegen zu wenige Daten vor. Aber insgesamt lässt sich sagen, dass die Beteiligung der EU-Ausländer bei den letzten Kommunalwahlen noch schwach war. In Karlsruhe lag sie bei 20 Prozent, in Stuttgart etwas höher. Einzelne Gemeinden meldeten auch Spitzenwerte um die 40%. Über 1.000 nicht-deutsche EU-Bürger ließen sich bei den Gemeinderatswahlen 1999 aufstellen. Davon sind 63 gewählt worden. Damit stellen sie gerade einmal 0,3 Prozent aller Gemeinderäte im Land. Manche fordern auch das kommunale Wahlrecht für andere ständig in Deutschland lebende Ausländer. Darüber herrscht jedoch unter den Zeichnung: Reinhold Löffler 11 Wer nimmt schon Jugendliche ernst? – Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg Gewählt wird in Deutschland in der Regel ab 18, denn erst mit 18 Jahren gilt der Einzelne als vollkommen selbstständig und verantwortlich für sein Tun. Dennoch wird immer wieder darüber diskutiert, Jugendliche zumindest an der Kommunalpolitik stärker zu beteiligen. Einzelne Länder haben deshalb in den letzten Jahren das Wahlalter bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre gesenkt. In Baden-Württemberg liegt die Altersgrenze nach wie vor bei 18 Jahren. Hier gibt es andere Möglichkeiten der politischen Beteiligung. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, über Jugendgemeinderäte oder Jugendräte Einfluss auf die Politik »vor Ort« auszuüben. Logo für die elektronisch durchgeführte Jugendgemeinderatswahl 2001 in Esslingen. Bild: esip – Esslinger-Innovationspartner Die Jugendgemeinderäte werden nach unterschiedlichen Arten gewählt. Fast alle Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, auch die ohne deutschen Pass, haben das Wahlrecht. In manchen Gemeinden wählen zum Beispiel alle Schülerinnen und Schüler, in anderen wählen prinzipiell alle Jugendliche. Bei den Wahlen gehen die Jugendlichen zum Teil neue Wege. In Fellbach zum Beispiel konnte jeder wahlberechtigte Jugendliche an einem beliebigen PC per Internet seine Stimme abgegeben. Dafür bekam er zuvor in einem speziellen Umschlag eine durch einen Zufallsgenerator ermittelte Transaktionsnummer, die er bei seiner Wahl als »Wahlausweis« eingeben musste. In den Jugendgemeinderäten können die Jugendlichen ihre Interessen gegenüber der kommunalen Politik vertreten. Sie haben dazu in fast allen Gemeinden das Recht, ihren Standpunkt im Gemeinderat darzulegen und Anträge zu stellen. Außerdem haben sie in unterschiedlicher Höhe einen eigenen Etat, d.h. Gelder, die sie für Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen und sonstige Aktionen verwenden können. Die Jugendlichen können sich prinzipiell zu allen kommunalpolitischen Problemen äußern. Dennoch gibt es Themen, für die sie in der Regel besonders zuständig sind: Jugendzentren, Gestaltung und Einrichtung von Spiel- und Sportplätzen, Skateboardanlagen, Sprayer-Aktionen, öffentlicher Personennahverkehr usw. In Esslingen wurde beispielsweise auf Initiative des Jugendgemeinderats an Wochenenden ein Nachttaxi-Dienst eingeführt. Meist finden pro Jahr sechs bis zehn Sitzungen statt. Den Vorsitz hat entweder ein Jugendlicher oder der Bürgermeister. Die Erfahrungen sind dabei unterschiedlich. Mal wird der Erwachsene als kompetenter Versammlungsleiter geschätzt, mal wäre man lieber unter sich. Manchmal neigen auch die Erwachsenen dazu, den Mitspracherahmen des Jugendgemeinderats eng zu fassen. Hier müssen die Jugendgemeinderäte in der politischen Auseinandersetzung auch gegen Widerstände für ihre Interessen eintreten. Demokratie lebt schließlich ja davon, dass man nicht immer einer Meinung ist ... • Er gibt einen Stimmzettel unverändert ab. Damit erhält jeder Bewerber auf dem Stimmzettel jeweils eine Stimme. • Er kann aber auch einen Stimmzettel verändern oder »à la carte« aus den verschiedenen Wahlvorschlägen seinen eigenen Stimmzettel zusammenstellen. Kumulieren – Häufeln. Der Wähler muss nicht jedem Bewerber gleich viele Stimmen geben. Er kann Kandidaten, die er besonders gerne im Gemeinderat oder Kreistag sehen möchte, stärker unterstützen und ihnen bis zu drei Stimmen geben. Dieses Anhäufeln von Stimmen nennt man Kumulieren. Bei einem Kreuz oder einer 1 in dem Kästchen hinter dem vorgedruckten Namen bekommt der Bewerber eine Stimme, bei einer 2 oder 3 entsprechend mehr. Der Der Jugendgemeinderat Gerlingen im Juni 2003 im Haus auf der Alb in Bad Urach. Unter dem Motto »Jugend Macht Politik« ziehen Gerlinger Jugendgemeinderäte Bilanz und planen Projekte für die zweite Hälfte ihrer Amtszeit. Foto: Wolfgang Berger Wähler darf allerdings nicht mehr Stimmen vergeben, als er hat. Im Falle von Karlsruhe muss er also genau nachzählen, ob die Summe seiner Stimmen nicht mehr als 48 beträgt. Wer sich verzählt, stimmt ungültig ab. Panaschieren – Mischen. Der Wähler ist aber nicht auf die Kandidaten eines Stimmzettels beschränkt. Er kann auch Bewerber verschiedener Stimmzettel mischen (panaschieren). Es ist sogar möglich, mehrere gekennzeichnete Stimmzettel abzugeben. In der Regel wird der Wähler aber einen oder mehrere Namen von einem anderen Wahlvorschlag in die freien Zeilen seines Stimmzettels schreiben. Wenn er will, kann er auch diesen Kandidaten mehrere Stimmen geben (kumulieren). Allerdings gilt auch hier: Wer mehr Stimmen vergibt, als Sitze zu vergeben sind, macht seine Wahl ungültig. 12 Stimmzettel zur Kommunalwahl 1999 aus Karlsruhe Quelle: Stadt Karlsruhe Gültig oder nicht? In der erfundenen Gemeinde Bad Wurzenried finden Gemeinderatswahlen statt. Die Gemeinde hat knapp 10.000 Einwohner. Entsprechend sind 18 Gemeinderäte zu wählen. Hier sind vier Wahlzettel von vier verschiedenen Wählern, die von ihrem Recht zum Kumulieren und Panaschieren Gebrauch gemacht haben. ☞ Stellen Sie fest, welche der Wahlzettel gültig und welche nicht gültig sind. Geben Sie bei Ungültigkeit die Gründe an. Bei der Beurteilung der Wahlzettel gilt generell der Grundsatz, dass der Wählerwille eindeutig erkennbar sein muss. Lösungen: Liste 1 (SPD): gültig; Liste 2 (CDU): ungültig wegen Überschreitung der Höchststimmenzahl; Liste 3 (UW): gültig (jedoch erhält nur der panaschierte Andreas Eitel eine Stimme); Liste 4 (Grüne): ungültig wegen Überschreitung der Höchststimmenzahl. 13 Bei keiner anderen Wahl haben die Bürgerinnen und Bürger so viel eigenständigen Gestaltungsraum. Aber nutzen Sie diese Möglichkeiten überhaupt? Und sind diese Regelungen nicht für viele zu kompliziert? In Großstädten kumulieren und panaschieren teilweise über 50 Prozent, in kleineren Gemeinden steigt der Anteil auf 90 Prozent und mehr. Der Anteil der ungültigen Stimmzettel liegt mit ca. 3 Prozent (Gemeinderatswahlen 1999) nur etwas höher als bei Landtags- und Bundestagswahlen (ungefähr 1 Prozent). Vom Stimmzettel zum Mandat. Zur Ermittlung der gewählten Bewerber werden zunächst für jeden einzelnen Wahlvorschlag die Stimmen der einzelnen Kandidaten zusammengezählt. Hat jemand beispielsweise auf dem Stimmzettel der CDU zwei Kandidaten der SPD aufgeführt (panaschiert), so werden deren Stimmen natürlich dem Wahlvorschlag der SPD zugerechnet. Anders als bei den Bundestags- oder Landtagswahlen gibt es bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg keine Fünfprozentklausel. Mit dem so genannten d'Hondtschen Zählverfahren wird dann ermittelt, wie viele Sitze auf eine Liste entfallen. Bei diesem Verfahren erhält jede Liste weit gehend den Anteil an den Gesamtsitzen, den sie an den Gesamtstimmen erhalten hat. Um nochmals das Beispiel von Karlsruhe zu nehmen, so kam die SPD bei den letzten Gemeinderatswahlen auf ungefähr 25 Prozent der Stimmen und bekam 12, d.h. ebenfalls ungefähr 25 Prozent der zu vergebenden 48 Gemeinderatssitze. Die so ermittelten Sitze erhalten diejenigen Bewerber der Liste, die die meisten Stimmen erhalten haben. Jeder Teilort soll vertreten sein: Die »unechte Teilortswahl« Die unechte Teilortswahl ist der wohl verwirrendste Teil des Kommunalwahlrechts in Baden-Württemberg. Entscheidet sich eine Gemeinde für die unechte Teilortswahl, so wird jedem Teilort von vornherein eine bestimmte Anzahl von Sitzen im Gemeinderat garantiert. Die Bewerber sind auf den Stimmzetteln dann nach den einzelnen Wohnbezirken aufgeführt. Die Teilortswahl heißt deshalb »unecht«, weil die Gemeinde nicht – wie man meinen könnte – in voneinander unabhängige Wahlkreise aufgeteilt ist. Vielmehr wählen die Bewohner eines Teilortes nicht nur die Kandidaten ihres Wohnbezirkes, sondern verteilen ihre Stimmen auf die Kandidaten des gesamten Gemeindegebietes. Der Wähler muss darauf achten, dass er insgesamt nur so vielen Bewerbern in den jeweiligen Teilorten Stimmen gibt, wie von diesen Wohnbezirken Gemeinderäte zu stellen sind. Er muss also noch genauer seinen Stimmzettel überprüfen als ohne Teilortswahl. Die Ermittlung der Stimmen ist etwas komplizierter, aber im Prinzip ähnlich wie bei der »normalen« Wahl. Die jeweils stimmenstärksten Kandidaten der jeweiligen Teilorte erhalten die für sie reservierten Mandate. 5. Wie wählen die Bürgerinnen und Bürger? Am Wahlabend stellt sich die große Frage: Wie sind die Wahlen ausgefallen? Wer ist im Kreis- oder Gemeinderat vertreten? Welche Fraktionen sind stärker, welche schwächer? Auch wenn Kommunalwahlen anderen Regeln gehorchen als Bundestags- und Landtagswahlen, werden sie überregional doch als politische Stimmungsbarometer gesehen, die Aufschluss darüber geben, wie die Bevölkerung die Landes- und Bundespolitik der Parteien beurteilt. Aufgrund der Tatsache, dass Europa-, Kreistagsund Gemeinderatswahlen an einem Tag stattfinden und vor allem wegen des komplizierten Wahlverfahrens bei den Kommunalwahlen wird man auf das endgültige amtliche Ergebnis länger warten als bei Bundestags- und Landtagswahlen. Zeichnung: Thomas Plaßmann Jeder Zweite oder Dritte geht nicht zur Wahl Gespannt wird man auch sein auf die Wahlbeteiligung, denn die ist bei Kommunalwahlen generell sehr gering. Jeder zweite oder dritte Bürger geht nicht zur Wahl. Warum ist das so? Und wer sind diejenigen, die nicht zur Wahl gehen? Die Nichtwähler. Die Wahlforschung hat auch bei anderen politischen Wahlen versucht, den Nichtwähler, das »unbekannte Wesen«, näher zu bestimmen. So lässt sich tendenziell für alle Wahlen sagen, dass eher jüngere und ältere Menschen der Wahl fernbleiben. Auch finden sich unter den Nichtwählern in stärkerem Maße die so genannten »einfacheren Leute«. Mit höherem sozialem Status, der in der Re- 14 Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg seit 1970 Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg gel an Beruf, Einkommen und formaler Bildung gemessen wird, steigt auch die Wahlbeteiligung. Weniger häufig gehen auch diejenigen Menschen zur Wahl, die sozial isoliert sind, also wenig soziale Kontakte – in Familie, Freundeskreis, Beruf, Verein, Kirche – haben. Auch Menschen, die sich nicht so stark an eine Partei gebunden fühlen, tendieren stärker als andere zur Wahlenthaltung, ebenso wie diejenigen, die sich für die Politik generell nicht interessieren. Schließlich gibt es noch die Wahlenthaltung als bewusste Form, seine Unzufriedenheit mit der Politik und den politischen Angeboten der Parteien auszudrücken. Letztendlich gibt es verschiedene Gründe, die die Menschen veranlassen, nicht zur Wahl zu gehen. Nichtwählen bei Kommunalwahlen. Ähnliches findet man auch bei Kommunalwahlen. Allerdings gibt es auch besondere Akzente. Zunächst fällt im Vergleich zu Bundestags- und Landtagswahlen die besonders geringe Wahlbeteiligung auf. Sie stieg nur 1994 wohl auch deswegen etwas an, weil in diesem Jahr Kommunalwahlen und Europawahlen am gleichen Tag stattfanden. Die generell geringe Wahlbeteiligung lässt vermuten, dass viele die Kommunalwahlen als nicht besonders wichtig erachten. Untersuchungen zeigen, wie sich eine längere Ortsansässigkeit, eine stärkere Bindung an die Wohngemeinde, eine starke Integration ins soziale Leben – etwa durch Vereinsmitgliedschaft – positiv auf die Wahlbereitschaft auswirken. Die an den Ort gebundenen Menschen fühlen sich von den kommunalpolitischen Entscheidungen stärker betroffen. Mobilität dagegen wirkt eher hemmend. Wer in der Gemeinde zwar seine Wohnung hat, aber woan- ders arbeitet, fühlt sich unter Umständen seinem Wohnort nicht so sehr verbunden. Ähnliches gilt für diejenigen, die an einem Ort nur für eine bestimmte Zeit wohnen, etwa während der Ausbildung oder des Studiums. Auf die erhöhte Mobilität kann auch die geringe Wahlbeteiligung der jüngeren Wählerinnen und Wähler zurückgeführt werden. Dementsprechend weisen 30- bis 50-Jährige mit Kindern und einem eigenen Haus am Ort eine erhöhte Wahlbeteiligung auf. Sie sind wenig mobil und haben ein hohes Interesse an den Leistungen der Kommune wie Kindergarten, Schule usw. Aber nicht nur Bindung an die Heimatgemeinde und Interesse sind wesentlich. Man kann auch beobachten, dass Menschen sich eher enthalten, wenn ihre Einstellungen und Werte mit den am Ort vorherrschenden Wertvorstellungen nicht übereinstimmen. Davon profitieren in Baden-Württemberg eher Freie Wähler, CDU und mitunter die FDP. SPD und Grüne verlieren dadurch in der Regel, außer in Gemeinden, in denen sie schon über einen gewissen starken Rückhalt verfügen oder gar in der Mehrheitsposition sind. Bei Kommunalwahlen ticken die Uhren anders Vergleicht man Bundestags- und Kommunalwahlen, so fallen deutliche Unterschiede auf. Warum wählen viele anders als bei überregionalen Wahlen? Ticken die Uhren bei Kommunalwahlen anders? Für Besonderheiten im kommunalen Wahlverhalten können drei Faktoren verantwortlich gemacht werden. Anderes Politikverständnis. Viele sehen Kommunalpolitik mit ganz anderen Augen als die Politik auf Landes- und Bundesebene. In der »großen Politik« werde heftig gestritten und um Macht gekämpft, die Parteien bestimmten das Bild und lieferten sich zum Teil ideologische Schlachten. In der Kommunalpolitik gehe es dagegen nicht um »Politik« oder Ideologie, sondern um die Lösung von technischen oder verwaltungsmäßigen Problemen. Aus der Orts- und Sachorientierung folgt daher, dass viele Menschen den Parteien in der Kommunalpolitik eher kritisch gegenüberstehen. Entsprechend profitieren die freien Wählervereinigungen, die sich in bewusster Abgrenzung von politischen Parteien als sach- und ortsbezogen präsentieren. Oft handelt es sich bei diesen Wählervereinigungen um wirkliche »Rathausparteien« oder um parteiübergreifende lokalpolitische Vereinigun- 15 gen. Nicht selten aber verbergen sich hinter einer freien Wählervereinigung Mitglieder einer bestimmten Partei. Dass sie auf kommunaler Ebene mit dieser »Verkleidung« antreten, ist eben auf dieses besondere Politikverständnis zurückzuführen. Kumulieren und Panaschieren. Das Kommunalwahlrecht gibt dem Wähler Möglichkeiten, die er bei keiner anderen Wahl hat. Zum einen kann der Wähler durch das Kumulieren Einfluss auf die persönliche Auswahl der Kandidaten sowie deren Rangordnung ausüben. Er greift damit sehr stark in einen Bereich ein, der normalerweise den Parteien vorbehalten ist. Zum anderen kann er panaschieren und somit seine Stimmen auf Kandidaten unterschiedlicher Parteien oder Wählervereinigungen verteilen. Er ist somit nicht wie bei Bundestags- und Landtagswahlen gezwungen, sich für eine Partei zu entscheiden. Und viele nutzen auch diese Möglichkeit zur parteiübergreifenden Wahl. Stimmanteile der Parteien und Freien Wählern bei den Gemeinderatswahlen 1999 im Vergleich zu Bundestags- und Landtagswahlen (1998/2001) Den Werten für die Gemeinderatswahlen liegen die gleichwertigen Stimmen bei der Anwendung der Verhältniswahl zugrunde. Unter den Freien Wählern sind Stimmen für Kandidaten der Listen von Wählervereinigungen und gemeinsamen Wahlvorschlägen von Parteien und Wählervereinigungen (5%) enthalten. Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg Orientierung am Kandidaten. Si☞ Fassen Sie die Unterschiede zwischen den Gemeinderatswahcher spielt bei vielen Wählern die len und den beiden überregionalen Wahlen zusammen und Bindung an eine Partei eine große äußern Sie Vermutungen über die Ursachen der VerschiebunRolle. Ein traditioneller CDU- oder gen. SPD-Wähler wird auch bei den Kommunalwahlen eher Kandidaten Kandidatenorientierung ist desto größer, je kleiner seiner Partei bevorzugen. Dennoch spielt die Parteidie Gemeinde ist. Dementsprechend profitieren Parbindung bei Kommunalwahlen eine geringere Rolle teien und Wählervereinigungen besonders, die wenials bei Bundestags- und Landtagswahlen. Die ger Programme als vielmehr ihre Kandidaten ins Wähler machen ihre Entscheidung in höherem Maße Zentrum stellen. davon abhängig, wie geeignet ihnen der einzelne Kandidat erscheint. Das zeigt sich schon allein daran, dass Kandidaten, die den Wählern bekannt Bei Kommunalwahlen ticken also die Uhren zwar sind, prinzipiell höhere Wahlchancen haben. Diese nicht völlig, aber doch etwas anders. 6. Wo kann ich mich informieren? Die beste Quelle für die aktuellen Entwicklungen in Ihrer Heimatgemeinde ist die örtliche Tageszeitung. Informationen erhalten Sie auch beim Landratsamt, der Gemeindeverwaltung (Rathaus) sowie bei den Ortsvereinen der Parteien und den örtlichen Wählervereinigungen. Auch im Internet findet man interessantes Material. Homepage zu den Kommunalwahlen, eingerichtet von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Gute Startadresse mit vielen weiteren Links. www.kommunalwahl-bw.de Arbeitsmaterialien der Initiative »Jugend beteiligt sich und wählt kommunal« (u.a. Landesjugendring Baden-Württemberg). U.a. »Wahlprüfsteine«: Fragen von Jugendlichen an Politiker. www.ljrbw.de/ljr/projekte/jugend_kommunal.htm Dachverband der Jugendgemeinderäte BadenWürttemberg. Allgemeine Informationen und Links zu den einzelnen Jugendgemeinderäten. www.jugendgemeinderat.de Cyberdingen, Kommunalpolitik virtuell (u.a. Landesjugendring Baden-Württemberg). Ein Planspiel, bei dem Jugendliche Entscheidungsprozesse in der Kommunalpolitik »durchspielen« können. www.cyberdingen.de Der Landesfrauenrat, die politische Interessenvertretung der Frauen in Baden-Württemberg, begleitet kritisch die Kommunalwahlen. www.landesfrauenrat-bw.de 16 7. Projektvorschlag Begleiten Sie die nächsten Kommunalwahlen als kritischer Beobachter. Lernen Sie dabei Ihre Gemeinde und die Regeln kennen, nach denen Kommunalpolitik funktioniert. Lernen Sie die politischen Angebote der verschiedenen Wählervereinigungen kennen. Nutzen Sie dabei die Gelegenheit und machen Sie auf Ihre Interessen als Jugendliche aufmerksam. Im Folgenden finden Sie einige Ideen für ein Projekt im Rahmen des Gemeinschaftskundeunterrichts oder der Arbeit in einer Jugendgruppe. ☞ Machen Sie sich zu Beginn des Projektes einen Zeitplan und legen Sie fest, welche Aufgaben von wem übernommen werden. ☞ Entscheiden Sie dabei, welche Teile des Projektes arbeitsteilig angelegt, welche am besten gemeinsam gemacht werden. ☞ Überlegen Sie auch, in welcher Form Sie Ihre Ergebnisse präsentieren wollen. Sie können sie auf Lernplakaten festhalten und abschließend diskutieren, eine Ausstellung in Ihrer Schule organisieren, ein Video drehen, Artikel in der örtlichen Presse schreiben ... Vorschläge: A) Erkunden Sie Ihre Gemeinde. Informationen bekommen Sie beispielsweise über ein Interview mit einem Mitglied der Gemeindeverwaltung oder einem Gemeinderatsmitglied. ☞ Welcher Partei gehört der (Ober-)Bürgermeister an? Wie lange ist er schon im Amt? ☞ Wie viele Mitglieder und wie viele Fraktionen hat der Gemeinderat? ☞ Wie hoch ist der Anteil an Frauen, jüngeren Menschen, EU-Ausländern? Welche Berufsgruppen herrschen vor? ☞ Wie viele Bedienstete hat die Gemeindeverwaltung? ☞ Wie viel Geld hat die Gemeinde zur Verfügung? Wofür gibt sie es aus? ☞ Welches sind die aktuellen Probleme und Vorhaben der Gemeinde? ☞ Überlegen Sie selbst in der Gruppe als Jugendliche: Was sind Ihre eigenen Wünsche und Vorschläge für Ihre Gemeinde? B) Befragen Sie Kandidaten. Sie können beispielsweise eine Podiumsdiskussion veranstalten, auf die Sie Vertreter der verschiedenen Listen einladen. ☞ Besorgen Sie sich Wahlvorschläge und Informationsmaterial der Bewerber. ☞ Charakterisieren Sie das Auftreten der Bewerber und der Wählervereinigungen hinsichtlich ihrer Programme, Kandidaten und ihr allgemeines Auftreten. ☞ Befragen Sie die Kandidaten nach den Gründen für ihre Kandidatur, ihrem Programm. Wie ist ihre Stellung zu den Wünschen und Vorschlägen der Jugendlichen? C) Beobachten Sie den Wahlkampf. ☞ Worüber wird diskutiert? Wo treten die Kandidaten auf? Wie wird darüber in der Presse berichtet? ☞ Sie können eine Umfrage auf der Straße machen. Fragen Sie die Menschen, wie Sie die Politik in Ihrem Heimatort einschätzen. D) Sammeln Sie Informationen zum Wahlausgang. ☞ Sind Sie zufrieden mit dem Wahlausgang? ☞ Diskutieren Sie mögliche Gründe für die Wahlentscheidung. Impressum: P&U aktuell wird von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg herausgegeben und erscheint in unregelmäßiger Folge als Ergänzung zur Zeitschrift Politik & Unterricht. Herausgeber und Chefredakteur: Dr. h.c. Siegfried Schiele, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Geschäftsführender Redakteur: Dr. des. Reinhold Weber Autor dieser Ausgabe: Dr. Andreas Gawatz, Biberach, Studienrat am Gymnasium Ehingen (Donau), hat mehrere Arbeiten zur Landesgeschichte, zur Wahl- und Parteienforschung sowie Beiträge in Schulbüchern verfasst. Anschrift der Redaktion: Stafflenbergstraße 38, 70184 Stuttgart Fax: 0711/164099-77; e-mail: [email protected] Neckar-Verlag GmbH, Klosterring 1 78050 Villingen-Schwenningen Druck: PFITZER DRUCK GMBH, 71272 Renningen Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder. 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