Das „deutsche Prag“ - Univerzita Karlova

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UNIVERZITA KARLOVA V PRAZE
FAKULTA SOCIÁLNÍCH VĚD
Institut mezinárodních studií
Disertační práce
2014
Nina Lohmann
UNIVERZITA KARLOVA V PRAZE
FAKULTA SOCIÁLNÍCH VĚD
Institut mezinárodních studií
Obor: Moderní dějiny
Nina Lohmann
Das „deutsche Prag“ 1939–1945.
Ein Beitrag zur Erforschung der
besetzten Hauptstädte Europas
Disertační práce
Praha 2014
Autorka práce: Nina Lohmann, M.A.
Školitel: Prof. Phdr. Jan Křen, CSc.
Rok obhajoby: 2014
Bibliografický záznam
LOHMANN, Nina. Das „deutsche Prag“. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten
Hauptstädte Europas. Praha: Institut mezinárodních studií FSV UK, 2014.
Vedoucí disertační práce: Prof. PhDr. Jan Křen, CSc.
Anotace
Disertace Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten
Hauptstädte Europas (Německá Praha 1939–1945. Příspěvek k výzkumu okupovaných
hlavních měst Evropy) má za téma německou okupaci Prahy před a především
v průběhu Druhé světové války. Práce na toto téma pohlíží v kontextu aktuálních historiografických výzkumů nacisty obsazené Evropy. Tzv. Protektorát Čechy a Morava totiž zůstává jakousi vedlejší kolejí aktuálních trendů mezinárodní historiografie. Týká se
to i válečných dějin Prahy. Disertace proto nejprve představuje širší kontext výzkumu.
Potom přenáší pozornost na kdysi prominentní posici německé menšiny v Praze, která
se stala ideovým základem německé okupační politiky v bývalém hlavním městě Československa. Těžiště práce leží v rozboru proměn struktur pražské německé společnosti,
resp. populačního vývoj Němců v Praze v průběhu okupačních let. Návazně jsou tu
předloženy příklady toho, jak se okupační režim snažil konsolidovat a rozšiřovat posice
Němců ve městě. Dlouhodobým cílem byla germanizační restrukturalizace hlavního
města Čech. Práci uzavírá kapitola o kolapsu a zániku „německé Prahy“ na konci války.
Annotation
The PhD thesis Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas deals with the German occupation of Prague before and
during World War II in the context of current research on the National-socialist occupation of Europe. The so-called Protectorate of Bohemia and Moravia has been somewhat
on the sidelines of current trends in international historiography as has the history of
Prague in the Twentieth century. The thesis therefore first sketches out the broader research context as well as the roots for German occupation policy in the former Czechoslovak capital city, referring to the once prominent position of the German minority in
Prague. One main focus of the thesis is then to try and analyse the (changing) structure
and the population movement of the Germans in Prague during the years of occupation.
In a next step, examples are given on how the German occupation regime tried to consolidate and expand the Germans’ position in the city, aiming for an eventual re-modeling of the urban structure in terms of a „Germanisation“ of the Bohemian capital. A
chapter on the final collapse and dissolution of „German Prague“ concludes the study.
Klíčová slova
Praha, Druhá světová válka, okupace, Němci, obyvatelstvo
Keywords
Prague, World War II, occupation, Germans, population
Prohlášení
1. Prohlašuji, že jsem předkládanou práci zpracovala samostatně a použila jen uvedené
prameny a literaturu.
2. Prohlašuji, že práce nebyla využita k získání jiného titulu.
3. Souhlasím s tím, aby práce byla v souladu s autorským právem zpřístupněna pro
studijní a výzkumné účely.
V Praze, dne 20. 3. 2014
Nina Lohmann
Poděkování
Na tomto místě bych ráda poděkovala svému váženému školiteli prof. PhDr. Janu Křenovi, CSc. za trpělivost, zajímavé diskuse a cenné rady.
Zároveň děkuji Prof. Dr. Detlefu Brandesovi za dlouholetou podporu.
Nina Lohmann
Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas.
Diss. Praha: Institut mezinárodních studií FSV UK, 2014
Inhalt
I.
Einleitung
9
I. 1.
Fragestellung, Gliederung und methodischer Zugang
12
I. 2.
Forschungskontext und Forschungsstand
16
I. 2.1.
Neuere Forschungen zur nationalsozialistischen
Besatzungsherrschaft in Europa
I. 2.2.
16
Forschungen zu den Städten des „Dritten Reiches“ und der
besetzten Gebiete
34
I. 2.3.
Forschungen zum Protektorat und zu Prag
44
I. 3.
Quellen
52
II.
Das „deutsche Prag“ bis zum März 1939
55
II. 1.
Die Deutschen in der Prager Gesellschaft bis 1918
55
II. 2.
Die Deutschen in der Prager Gesellschaft 1918–1938
61
II. 3.
Das deutsch-jüdische Prag 1918–1938
68
III.
Die Besatzergesellschaft: Die Prager Deutschen 1939–1945
III. 1.
Die Struktur der Prager deutschen Bevölkerung nach der
Volkszählung von 1930
III. 2.
74
Die Größe der deutschen Bevölkerungsgruppe in Prag im
Zeitraum 1939–1945
III. 3.
72
79
Quellen zur Erfassung der Prager deutschen Bevölkerung der
Jahre 1939–1945
86
III. 3.1. Geburtenbelege
88
III. 3.2. Sterbebelege
90
III. 4.
92
Die Struktur der Prager deutschen Bevölkerung 1939–1945
III. 4.1. Herkunft
93
III. 4.2. Konfessionelle Zugehörigkeit
98
III. 4.3. Berufsstruktur
100
III. 4.4. Siedlungsgebiete
102
7
Nina Lohmann
Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas.
Diss. Praha: Institut mezinárodních studií FSV UK, 2014
IV.
Die Okkupation der Stadt: „Deutsche Räume“
106
IV. 1.
Räume des Wohnens
115
IV. 2.
Räume der Erziehung
121
IV. 1.2.1. Die Deutsche Universität
122
IV. 1.2.2. Die deutschen Schulen
128
IV. 3.
138
V.
Räume der Kultur
Krieg in der Stadt: Das Ende des „deutschen Prags“
147
V. 1.
Volkssturm
149
V. 2.
Kriegsende: Flucht, Internierung, Zwangsaussiedlung
159
VI.
Fazit
164
VII. Resumé
167
VIII. Summary
170
IX.
171
Verzeichnisse
IX. 1. Abkürzungsverzeichnis
171
IX. 2. Abbildungsverzeichnis
172
IX. 3. Grafiken und Tabellen
173
X.
Quellen- und Literaturverzeichnis
174
X. 1. Quellen
174
X. 1.1. Archivbestände
174
X. 1.2. Gedruckte Quellen
175
X. 1.3. Gedruckte Zeitzeugenberichte und Erinnerungsliteratur
176
X. 2. Literaturverzeichnis
177
X. 2.1. Zeitgenössisches Schrifttum
177
X. 2.2. Darstellungen
178
8
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Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas.
Diss. Praha: Institut mezinárodních studií FSV UK, 2014
I.
Einleitung
„Prag ist seit dem 16. März 1939 – an diesem Tage wurde der geschichtliche
Erlaß des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler um 13.30 Uhr von Reichsaußenminister von Ribbentrop von der Prager Burg aus über alle deutschen und
tschechischen Sender verkündet – die Hauptstadt des Protektorates Böhmen und
Mähren im Großdeutschen Reiche. Die deutschen Bewohner des Protektorates
sind deutsche Staatsangehörige und nach den Vorschriften des Reichsbürgergesetzes von 1935 Reichsbürger. Für sie gelten daher auch die Bestimmungen
zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre. […] Die übrigen
früheren tschecho-slowakischen Staatsbürger im Protektorat, vor allem die
Tschechen, ein slawisches Volk, sind Angehörige des Protektorates. […]
Prag, die fünftgrößte Stadt Großdeutschlands, eine der schönstgelegenen
Städte der ganzen Erde, breitet sich an beiden Ufern des Moldaustromes aus. Die
Stadt zählt über eine Million Einwohner […]. Die Bevölkerung gehört zum größeren Teile dem tschechischen, zum kleineren Teile dem deutschen Volke an,
doch ist Prag als Stadt von den Deutschen gegründet und aufgebaut, wie fast alle
Städte im böhmisch-mährischen Raume. Insbesondere das historische Prag ist
ein Denkmal deutscher Kulturleistung. Als Hauptstadt des Protektorates ist Prag
natürlich nicht nur der Sitz aller Zentralämter, sondern auch kulturell, wirtschaftlich und verkehrstechnisch der Mittelpunkt. Es ist im ganzen Protektorate die
einzige Stadt mit Großstadtcharakter im europäischen Sinne. […]“1
So charakterisierte der damalige Angestellte des Prager Kulturamts, Walther Michalitschke, in seinem Reiseführer „Prag“ die Stadt an der Moldau im vierten Jahre ihrer de
facto Inkorporation in das nationalsozialistische Deutsche Reich. Aus der Hauptstadt
der nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen freien, demokratischen Tschechoslowakei
war mit dem Einmarsch deutscher Truppen im März 1939 jene des „Protektorats Böhmen und Mähren“ geworden. Für die Prager Deutschen, so der Professor der Deutschen
Universität Prag und seit März 1939 Primator-Stellvertreter Josef Pfitzner, habe damit
„die Reichssehnsucht, die so übermächtig im Herzen aller geloht hatte, die zunächst
außerhalb der Reichsgrenzen bleiben mußten, […] ihre schönste Erfüllung“ erhalten:
„Am 16. März 1939 stand Adolf Hitler auf der Prager Kaiserburg und die Prager Deut-
1
Prag. Ein Reiseführer von Dr. Walther Michalitschke. Mit einem Stadtplan von Rudolf Jirig
und neun Planskizzen von Dr. Ernst Langer, Prag 1943, S. 7–8.
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Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas.
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schen durften ihm dort ihre Anhänglichkeit, Liebe und Dankbarkeit bezeugen. Damit
brach ein neuer Abschnitt in der Geschichte nicht nur Prags an.“2
Dieser „neue Abschnitt“ läutete in der Tat eine der unrühmlichsten Epochen der
deutschen und europäischen Geschichte ein: den Auftakt zum Zweiten Weltkrieg, der
Europa nachhaltig verändern sollte. Auch in Prag hat die deutsche Besatzung, mit der
sich die vorliegende Arbeit beschäftigt,3 bis heute deutliche Spuren hinterlassen: etwa in
Form von Gedenkplaketten, der Benennung von Straßen oder der mittlerweile im „Jüdischen Museum“ zusammengeschlossenen, nicht mehr frequentierten Synagogen. Das
heutige Prag hat nicht mehr viel mit dem alten Prag der Vorkriegszeit gemeinsam; die
grundlegende Veränderung des Charakters der Stadt setzte spätestens im März 1939,
mit dem Einmarsch der Wehrmacht in die Hauptstadt der „Rest-Tschechei“, ein und
fand 1945/46 mit der Flucht, Vertreibung und Zwangsaussiedlung der deutschen Bevölkerung nur mehr ihren vorläufigen Abschluss.
Prag unterscheidet sich dabei von den anderen im nationalsozialistischen Eroberungskrieg besetzten (Haupt-)Städten in mehrfacher Hinsicht: So ist die Stadt an der
Moldau die einzige Metropole, die noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs von den
Deutschen besetzt wurde – der Fall des „angeschlossenen“ Wien ist bekanntlich anders
gelagert. Zudem wurde Prag von den Nationalsozialisten, und nicht nur von diesen, als
eine genuin „deutsche“ Stadt betrachtet, ebenso wie der böhmisch-mährische Raum
analog zur „Ostmark“ ins Reich „zurückkehren“ sollte. Und nicht zuletzt gab es in Prag
tatsächlich auch in der Zwischenkriegszeit noch eine verhältnismäßig große, autochthone deutschsprachige Bevölkerung, die sich zu einem nicht unerheblichen Teil aus Mitgliedern der Prager jüdischen Gemeinde konstituierte.
Prag war also die Hauptstadt eines de iure autonomen, de facto in das Reich inkorporierten quasi-staatlichen Gebildes („Protektorat“), zugleich Metropole einer geostrategisch und ökonomisch wichtigen Makroregion, eine multiethnische Stadt mit einer
traditionell starken jüdischen Minderheit und Symbol sowohl der tschechoslowakischen
Staatlichkeit als auch des untergegangenen „Alten Reiches“. Somit war Prag nicht zuletzt Kristallisationspunkt verschiedener historischer wie aktueller politischer Ansprü2
Pfitzner, Josef: Das tausendjährige Prag. Mit 79 Bildern von Franz Höch, Bayreuth 1940, Zitate S. 46.
3
Teile der vorliegenden Arbeit wurden in früheren Versionen entsprechend der Studienordnung
bereits veröffentlicht – dies wird in den jeweiligen Abschnitten kenntlich gemacht.
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Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas.
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che und kultureller Traditionen bzw. Strömungen und aufgrund seiner ethnischen Vielfältigkeit ein Symbol des alten Mitteleuropa.
All diese Faktoren führten zu gewissen Spezifika der Okkupationspolitik. Unter
anderem sollte der Raum und damit auch die Hauptstadt Prag schon frühzeitig kolonisiert und damit germanisiert werden. Da die Stadt bis zum Mai 1945 weitgehend von
direkten Kampfhandlungen verschont blieb, konnte so zum einen insbesondere auf dem
Feld der zivilen Okkupation, sowohl in der staatlichen als auch quasi privatwirtschaftlichen Sphäre, trotz des Mangels an Personal eine vielleicht größere Durchdringung als
in anderen besetzten Gebieten erreicht werden; zum anderen diente Böhmen-Mähren als
Rückzugsgebiet der militärischen und paramilitärischen Verbände, Prag (neben Wien)
als Ausbildungs-, Lazarett- und Verwaltungszentrum für den (Süd-)Osten. Gerade im
Kontext der geopolitischen Verortung der böhmischen Länder ist also der vergleichsweise zivile Charakter der Besatzungsherrschaft hervorzuheben. Diese spezifische Situation der böhmischen Länder, die daneben aufgrund ihres hohen Industrialisierungsgrades und der Wirtschaftsstruktur bekanntlich gerade für die Rüstungsproduktion des Reiches eine wichtige Rolle spielten,4 hatte nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die nationalsozialistische Germanisierungs- und Volkstumspolitik.5 Zwar gehörte das Protektorat
Böhmen und Mähren ähnlich wie das Generalgouvernement und die Reichskommissariate Ostland und Ukraine zu denjenigen Gebieten unter Zivilverwaltung, die künftig
durch Deutsche besiedelt werden sollten;6 gleichzeitig waren die Grundannahmen und
Vorgaben sowohl für die „Umvolkung“ der einheimischen Bevölkerung – mit Ausnahme der Juden (in der Definition der Nürnberger Gesetze), Roma und anderen aus rassischen Gründen grundsätzlich Verfolgten – als auch für das temporäre Mit- bzw. Nebeneinander wesentlich andere als etwa im Falle der besetzten polnischen Gebiete.
4
Siehe dazu zuletzt Balcar, Jaromír/Kučera, Jaroslav: Von der Rüstkammer des Reiches zum
Maschinenwerk des Sozialismus. Wirtschaftslenkung in Böhmen und Mähren 1938 bis 1953,
Göttingen 2013.
5
Dazu zuletzt Brandes, Detlef: „Umvolkung, Umsiedlung, rassische Bestandsaufnahme“. NS„Volkstumspolitik“ in den böhmischen Ländern, München 2012.
6
Siehe auch die Kategorisierung bei Umbreit, Hans: Auf dem Weg zur Kontinentalherrschaft,
in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 5/1, S. 3–348.
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Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas.
Diss. Praha: Institut mezinárodních studií FSV UK, 2014
I. 1. Fragestellung, Gliederung und methodischer Zugang
In dieser Arbeit soll nun anhand einiger Themenbereiche und auf der Basis ausgewählter Quellen skizziert werden, was die deutsche Besatzung für die Stadt Prag, damals
immerhin schon eine Millionenmetropole, bedeutete. Im Mittelpunkt steht dabei das
„deutsche“ Prag, also die Struktur der Besatzergesellschaft und ihre Aneignung der
Moldaumetropole. Die Arbeit beschränkt sich bewusst auf die Skizzierung der Besatzergesellschaft und die Besatzung aus deutscher Sicht; das Zusammenleben der verschiedenen nationalen Gruppen in Prag in dieser Zeit ist Thema einer anders gelagerten Arbeit.7
Erkenntnisleitend ist dabei die Frage nach den verschiedenen Facetten der Umgestaltung Prags im Rahmen der Germanisierungspolitik sowie des Versuchs der Schaffung einer deutschen „Volksgemeinschaft“8 in einer besetzten Stadt. So wird der Frage
nachgegangen, wie die tschechische Stadt Prag von den deutschen Besatzern allmählich
in eine deutsche Stadt mit deutschen Funktions-, Arbeits-, Lebens-„Räumen“ verschiedenster Art umgeformt wurde bzw. in langfristiger Perspektive umgeformt werden sollte. Dazu gehören unter anderem Maßnahmen zur Beherrschung der Stadt, die Veränderung des Stadtbildes sowie der Funktionsstruktur der Stadt, eine aktive Anwerbe- und
Ansiedlungspolitik mit konkreten Auswirkungen für die Struktur des Stadtraums oder
die Aneignung und (auch symbolische) Besetzung des städtischen öffentlichen Raums
durch die Okkupanten.
Besonders interessieren dabei Maßnahmen und deren Auswirkungen bzw. Reaktionen auf sie unterhalb der Ebene der „hohen Politik“ – so kann die Situation in Prag
zwar nicht losgelöst von dem größeren Kontext der Regional- und Reichspolitik bzw.
des Weltkrieges betrachtet werden; die Stadt soll jedoch weniger als „Bühne der großen
Politik“, denn vielmehr als konkreter Mikrokosmos mit einer bestimmten Bevölkerungsstruktur und als experimenteller Raum einer auf vielen Ebenen verlaufenden und
7
Vgl. Lohmann, Nina: Prag 1939–1945: Parallele Welten im Alltag einer mitteleuropäischen
Metropole unter NS-Herrschaft, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für
Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa Band 15 (2007), S. 271–278.
8
Vgl. zuletzt übersichtlich: Schmiechen-Ackermann, Detlef (Hrsg.): ‚Volksgemeinschaft‘. Mythos, wirkungsmächtige soziale Verheißung oder soziale Realität im ‚Dritten Reich‘? Zwischenbilanz einer kontroversen Debatte, Paderborn 2012 (Nationalsozialistische Volksgemeinschaft 1). Zur „Volksgemeinschaft“ in lokaler Perspektive vgl. von Reeken, Dietmar/Thießen,
Malte (Hrsg.): ‚Volksgemeinschaft‘ als soziale Praxis. Neue Forschungen zur NS-Gesellschaft
vor Ort, Paderborn 2013.
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Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas.
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aufgrund einer vergleichsweise starken deutschen Bevölkerungsminderheit spezifischen
Besatzungspolitik verstanden werden. Es geht also um die Umsetzung und die Auswirkungen der Protektoratspolitik auf lokaler Ebene, konkret in einer vermeintlich „alten
deutschen Stadt“, in der die Deutschen jedoch spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nur noch eine „Insel im Prager tschechischsprachigen Meer“9 bewohnten.
Um die Spezifika sowohl der deutschen Besatzungspolitik in dieser Stadt als
auch jene der bisherigen Forschungen dazu einordnen zu können, ist es zunächst notwendig, auf Basis der internationalen Historiographie der letzten beiden Jahrzehnte den
weiteren Forschungskontext der nationalsozialistischen Okkupation weiter Teile Europas darzustellen, bevor sowohl die entsprechende Städteforschung als auch der Forschungsstand zum „Protektorat Böhmen und Mähren“ im Allgemeinen und zur Stadt
Prag im Besonderen erörtert werden. Diese Kontextualisierung erfolgt auch deswegen
in einer gewissen Ausführlichkeit, da viele der (vor allem nicht-deutschen) Studien zu
diesen Themen von der Forschung oft nicht wahrgenommen werden.
Sodann wird eine kurze zeiträumliche Einordnung des Themas vorgenommen,
indem auf Basis der Literatur die Prager deutsche Gesellschaft bis zum Jahre 1939 in
ihren wesentlichen Zügen skizziert wird. Dies ist wichtig sowohl als Vergleichsfolie für
die gewaltigen und nachhaltigen Veränderungen dieser Gesellschaft in den Besatzungsjahren als auch für eine Annäherung an das Selbstverständnis der Besatzergesellschaft.
Letztere steht schließlich im Zentrum der Betrachtung. So werden in den weiteren Kapiteln im Sinne einer „Kartographierung“ der deutsch besetzten Stadt exemplarisch verschiedene Maßnahmen der Besatzungsmacht skizziert, die darauf abzielten, die Stadt
realräumlich wie politisch-ideologisch langfristig zu beherrschen. Dazu gehörte insbesondere der Aufbau einer „deutschen“ Infrastruktur sowohl auf politisch-administrativer
Ebene als auch auf der Ebene des Alltags der deutschen Einwohnerschaft Prags. Letztere veränderte sich im Laufe der Besatzungszeit markant, wie anhand ausgewählter Parameter gezeigt wird. Den Endpunkt schließlich setzen die Mobilisierung der deutschen
Zivilbevölkerung sowie deren Schicksal in den letzten Kriegsmonaten bzw. nach
Kriegsende.
9
Pešek, Jiří: Jüdische Studenten an den Prager Universitäten 1882–1939, in: Nekula, Marek/Fleischmann, Ingrid/Greule, Albrecht (Hrsg.): Franz Kafka im sprachnationalen Kontext
seiner Zeit. Sprache und nationale Identität in öffentlichen Institutionen der böhmischen Länder,
Köln–Weimar–Wien 2007, S. 213–227, hier S. 217.
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Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas.
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Die Stadtgeschichtsforschung ist traditionell durch einen Methodenpluralismus
gekennzeichnet und stützt sich auf Quellen unterschiedlichster Provenienz. In der vorliegenden Arbeit kommen daher verschiedene Ansätze zum Tragen. Neben der Neuen
Politikgeschichte bzw. der „Kulturgeschichte der Politik“, die insbesondere die Kommunikation von Macht(beziehungen) untersucht, kommt etwa für die Untersuchung der
Bevölkerungsstruktur der Ansatz der Historischen Demographie zum Tragen. In den
letzten Jahren ist zudem, in Anschluss an die Humangeographie, verstärkt auch in der
Forschung zu den Städten und Regionen das Raumparadigma quasi „wiederentdeckt“
worden – sowohl im klassischen Sinne der Stadt als konkretem, realräumlichem, materiell erfahrbarem Schauplatz der Geschichte als auch im Sinne der sozialen Produktion
von Räumen innerhalb dieser Stadt.10 Eine dritte Dimension des Raums in diesem Kontext ist im Sinne von Edward Sojas „Thirdspace“ (ähnlich wie schon bei Henri Lefebvre) der gelebte, wahrgenommene Raum.
Der Stadt- und Regionalökonom Dieter Läpple wies in der deutschen Debatte
über den sog. „spatial turn“ darauf hin, dass wir es in der modernen Gesellschaft stets
mit vielen verschiedenen Räumen gleichzeitig zu tun hätten, die alle ihre spezifischen
Charakteristiken und raumstrukturierenden Kräfte besäßen, die sich zugleich jedoch
häufig überlappten. So unterscheidet er sowohl die unterschiedlichen Ebenen gesellschaftlicher Räume (Mikro-, Meso- und Makro-Räume), als auch, mit Verweis auf Elmar Altvater,11 verschiedene gesellschaftliche Teil- bzw. „Funktionsräume“: „Der gesamtgesellschaftliche Raum ergibt sich somit als eine komplexe und widerspruchsvolle
Konfiguration ökonomischer, sozialer, kultureller und politischer Funktionsräume, die
zwar ihre jeweils spezifische Entwicklungsdynamik haben, zugleich jedoch in einem
gegenseitigen Beziehungs- und Spannungsverhältnis stehen.“12. Dieses Konzept, das
gleich auf mehreren Ebenen versucht, der auch räumlichen Komplexität der menschlichen Gesellschaft Rechnung zu tragen, hat gegenüber anderen soziologischen Konzepten den Vorteil, dass es auch der materiell-räumlichen Struktur wieder ihre durchaus
10
Vgl. zu diesem und den folgenden Absätzen ausführlicher Lohmann, Nina: Der „Raum“ in
der deutschen Geschichtswissenschaft, in: Acta Universitatis Carolinae – Studia Territorialia 3–
4 (2010), S. 47–93.
11
Altvater, Elmar: Sachzwang Weltmarkt. Verschuldungskrise, blockierte Industrialisierung
und ökologische Gefährdung. Der Fall Brasilien, Hamburg 1987.
12
Läpple, Dieter: Gesellschaftszentriertes Raumkonzept. Zur Überwindung von physikalischmathematischen Raumauffassungen in der Gesellschaftsanalyse, in: Martin Wentz (Hrsg.):
Stadt-Räume, Frankfurt/M.–New York 1991, S. 35-46, hier S. 44.
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wichtige Funktion zuweist, nicht zuletzt als Ausdrucksform „kristallisierter Geschichte“.13
Hieran schließt sich auch Karl Schlögels Formel von der „Topographie der
Gleichzeitigkeit“ bzw. der „Gleichzeitigkeit im Raume“ (in Anlehnung an Michail
Bachtins Begriff des „Chronotopos“)14 an, die sich etwa in Karten, in Telefon- oder
Adressbüchern widerspiegelt und der Frage nachgeht, „wie Herrschaft und die Produktion von sozialem, politischem und mentalem Raum zusammenhängen“15. Ausgehend
davon, dass es bei „turns“ um die „Steigerung von Komplexität“ und die „Erweiterung
des Methodenarsenals“ geht, erscheint es also durchaus sinnvoll, in Hinsicht auf den
Raum alte und neue Ansätze komplementär einzusetzen und das Schlagwort „history
takes place“ ernst zu nehmen. Vielleicht nirgendwo sonst lässt sich zudem eine so hohe
Konzentration an verschiedenen, parallelen Räumen und „Verräumlichungspraktiken“
ausmachen wie in einer Stadt, die einen Mikrokosmos gesellschaftlicher Beziehungen,
ein Ort alltäglicher Strukturen und Praktiken, technischer Innovationen, politischer Entscheidungen darstellt. „Verräumlichung“ meint hier in Anlehnung an Geppert et al. die
Praktiken, mit denen die Akteure – mittels Kommunikation – Raumbezüge herstellen
und somit Orientierungspunkte schaffen, sich also sozusagen ihre „Welt“ erschließen.16
Dazu dienen nicht zuletzt auch die individuellen sog. „mental maps“, also kognitive
Karten, mit deren Hilfe sich jeder Stadtbewohner die Stadt jeweils anders „organisiert“
bzw. sich in ihr jeweils auf individuelle Art und Weise orientiert.17 Riccardo Bavaj fordert in diesem Zusammenhang zu Recht, den Blick zu schärfen für diese „Pluralität des
Raumes“ und damit für die „multiplicity of stories“.18
13
Ibid.
Vgl. Schlögel, Karl: Terror und Traum – Moskau 1937, München 2008, S. 23.
15
Vgl. das Gespräch mit Karl Schlögel „Über Räume und Register der Geschichtsschreibung“,
in: Zeithistorische Forschungen 1 (2004) H. 3, http://www.zeithistorischeforschungen.de/16126041-Interview-Schloegel-3-2004 (letzter Zugriff 27. 3. 2008), Abschnitt
16.
16
Vgl. Geppert, Alexander C. T./Jensen, Uffa/Weinhold, Jörg: Verräumlichung. Kommunikative Praktiken in historischer Perspektive, 1840–1930, in: dies. (Hrsg.): Ortsgespräche. Raum und
Kommunikation im 19. und 20. Jahrhundert, Bielefeld 2005, S. 15–49, hier S. 28.
17
Zur „Konstruktion von Räumen im Kopf“ vgl. u. a. Schenk, Frithjof Benjamin: Mental Maps.
Die Konstruktion von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung, in: Geschichte
und Gesellschaft 28 (2002), S. 493–514.
18
Bavaj, Riccardo: Was bringt der ‚spatial turn‘ der Regionalgeschichte? Ein Beitrag zur Methodendiskussion, in: Westfälische Forschungen 56 (2006), S. 457–484, hier S. 484.
14
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In diesem Sinne bildet die Funktionsstruktur der besetzten Stadt einen der
Schwerpunkte der Untersuchung, also die verschiedenen funktionellen Stadt-„Räume“,
wie etwa die einzelnen Wohn- und Versorgungsgebiete, die Erziehungs- und Ausbildungsstätten, die Repräsentationsräume der Kultur. Der Fokus dieser „Kartographierung“ liegt dabei auf den von Deutschen besiedelten, beherrschten oder „angeeigneten“
Räumen, die eine „Stadt innerhalb der Stadt“ darstellen. Diese Eingrenzung ermöglicht
eine Bestimmung dessen, was und vor allem wo das „deutsche Prag“ in dieser Zeit war
und wie die Besatzer die Stadt auch strategisch betrachteten und sich zu eigen machten.
I. 2. Forschungskontext und Forschungsstand
Die Arbeit versteht sich als Beitrag zu der jüngeren Okkupationsforschung, die zunehmend kleinere räumliche Einheiten und Phänomene abseits der großen Politik in den
Blick nimmt. Um den größeren, internationalen Forschungskontext unseres Themas zu
verdeutlichen, wird im Folgenden vor der Einordnung der bisherigen Forschung zum
Protektorat und zu Prag eine ausführliche Übersicht über die deutsche und internationale Literatur zur nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft in Europa geboten. Der
Schwerpunkt liegt dabei auf Arbeiten, die sich mit Themen außerhalb der klassischen
Politik- und Militärgeschichte beschäftigen, sowie auf den Forschungen zu den Großstädten des „Dritten Reiches“ und der besetzten Gebiete.
I. 2.1. Neuere Forschungen zur nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft in
Europa19
Die deutsche Besatzung weiter Teile Europas während des Zweiten Weltkriegs stellt ein
großes und bis heute nur teilweise beackertes Forschungsfeld dar, und das trotz seines
ausgesprochen internationalen Charakters. In den Jahrzehnten nach dem Krieg wurde
jedoch die Besatzungsherrschaft zunächst sehr stark in nationaler, weniger in vergleichender europäischer oder wenigstens in binationaler Perspektive geforscht; die in anderen Ländern, vor allem in Ostmittel- und Osteuropa laufenden Forschungen wurden
allseits nur selten rezipiert; dies scheint sich seit dem Ende des Kalten Kriegs und der
19
Der folgende Text ist eine adaptierte Fassung von: Lohmann, Nina: Směřování německého a
mezinárodního výzkumu nacistického okupačního panství. Pohled na literaturu posledního dvacetiletí, in: Český časopis historický (ČČH) 1 (2014), S. 85–108.
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Nina Lohmann
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nicht zuletzt in vielen Fällen damit einhergehenden Öffnung der Archive langsam zu
ändern.
Im Folgenden sollen daher einige Forschungsthemen und -schwerpunkte der
letzten etwa zwei Jahrzehnte kurz skizziert werden. Dabei interessieren mit Rücksicht
auf das Thema der Arbeit besonders Tendenzen abseits der klassischen Politik-, Verwaltungs- oder Militärgeschichte, also insbesondere Studien zur (Besatzer-)Gesellschaft, zum Alltag und natürlich zu den Städten in den besetzten Gebieten. Dabei handelt es sich um Themenfelder, die gerade in den Forschungen zum Protektorat bisher
weitgehend vernachlässigt wurden.20 Im Anschluss an dieses Kapitel folgt vor diesem
Hintergrund eine ausführlichere Übersicht über die Historiographie zu den deutschen
und besetzten Städten im Zweiten Weltkrieg sowie last but not least über die bisherige
Protektoratsforschung, inklusive derjenigen zur Stadt Prag.
Die Okkupationsforschung ist einzubetten in das Forschungsfeld Nationalsozialismus und Drittes Reich bzw. in den Kontext der Erforschung des Zweiten Weltkriegs und des Holocausts und kann nicht losgelöst von den auf anderen Gebieten laufenden Forschungen betrachtet werden. Schließlich war die Expansion dem Dritten
Reich inhärent und kamen die nationalsozialistischen Anschauungen und Prinzipien
auch bei der Besetzung fremder Länder zur Geltung. Insofern lohnt es sich, am Anfang
einen wenigstens kurzen Blick auf die allgemeinen Schwerpunkte vor allem der umfangreichen deutschen NS-Forschung in den letzten zwei Jahrzehnten zu werfen.
Angesichts dessen, dass die Forschungstätigkeit auf diesem Felde ungebrochen
groß ist,21 kann hier sicher nur ein kleiner Ausschnitt und eine zwangsläufig mehr oder
weniger subjektive Auswahl der wichtigsten bzw. meistdiskutierten Themen angeboten
werden. Für die letzten zwei Jahrzehnte können so, kurz gefasst, in unserer Perspektive
insbesondere folgende Themenkreise ausgemacht werden: Holocaust, Arisierung und
Raub, Volksgemeinschaft und Kriegsgesellschaft, Kollaboration und Widerstand, Uni20
Vgl. dazu auch die Anmerkungen von Kučera, Jaroslav/Zimmermann, Volker: Ke stavu českého výzkumu nacistické okupační vlády v Čechách a na Moravě. Několik úvah u přiležitosti
vydání jedné standardní publikace, in: Soudobé dějiny 16 (2009) 1, S. 112–130 bzw. dies.: Zum
tschechischen Forschungsstand über die NS-Besatzungsherrschaft in Böhmen und Mähren.
Überlegungen anlässlich des Erscheinens eines Standardwerks, in: Bohemia 49 (2009) 1, S.
164–183.
21
Die „Bibliographie zum Nationalsozialismus“ von Michael Ruck aus dem Jahre 2000 erfasste
bereits über 37.000 Titel. Ruck, Michael: Bibliographie zum Nationalsozialismus (elektronische
Ressource), Darmstadt 2000.
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versitäts- und Wissenschaftsgeschichte, Institutionen und Personen, Verbrechen der
Wehrmacht, Bombenkrieg, Erinnerungskultur. Ein Großteil dieser Themen findet sich
auch in den Forschungen zum Besatzungsregime in den verschiedenen Ländern wieder
bzw. betrifft diese direkt, wie etwa die Forschungen zur Wehrmacht.
Im Folgenden sollen einige dieser Forschungsschwerpunkte kurz anhand der
wichtigsten Debatten und Kontroversen rekapituliert werden, die auch Impulse für die
Okkupationsforschung gegeben haben. Wichtige Anstöße für die oft kontroversen Debatten, die um diese Themenkreise geführt wurden, kamen nicht selten von außerhalb
der etablierten deutschen Historikerzunft: So war es etwa Daniel Jonah Goldhagen, der
mit seinem Buch „Hitlers willige Vollstrecker“22 Mitte der 1990er Jahre die Debatte
darüber anheizte, wie viel Mitverantwortung jeder „gewöhnliche“ Deutsche, konkret
dann die Angehörigen der Polizei-Bataillons in den besetzten Gebieten, am Holocaust
trugen.23 Dieser speziellen Debatte voraus ging die sog. Wehrmachtsausstellung des
Hamburger Instituts für Sozialforschung, die im Frühjahr 1995 eröffnet wurde, durch
verschiedene deutsche Städte zog und das bis dato „saubere“ Image der Wehrmacht
nicht nur kritisch hinterfragte, sondern – trotz aller teilweise berechtigten Kritik24 –
nachdrücklich in das Reich der Mythen verwies und dabei heftige Kontroversen auslös22
Goldhagen, Daniel Jonah: Hitler’s Willing Executioners. Ordinary Germans and the Holocaust, New York 1996. Goldhagens Buch knüpfte an die Studie von Browning, Christopher R.:
Ordinary men. Reserve Police Bataillon 101 and the final solution in Poland, New York 1992,
an.
23
Vgl. zu der Debatte u. a. Shoeps, J. H. (Hrsg.): Ein Volk von Mördern? Eine Dokumentation
zur Goldhagen-Kontroverse um die Rolle der Deutschen im Holocaust, Hamburg 1996; Heil,
Johannes/Erb, Rainer (Hrsg.): Geschichtswissenschaft und Öffentlichkeit. Der Streit um Daniel
J. Goldhagen, Frankfurt/M. 1998.
24
Vgl. z. B. Musiał, Bogdan: Bilder einer Ausstellung. Kritische Anmerkungen zur Wanderausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“, in: Vierteljahrshefte
für Zeitgeschichte 47 (1999), S. 563–591; Müller, Rolf-Dieter: Vernichtungskrieg. Verbrechen
der Wehrmacht 1941–1944, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 54 (1995), S. 324–325. So
äußerte zwar auch der Bericht der speziell zur Überprüfung der Ausstellung eingesetzten Kommission Kritik, hielt aber an den Ergebnissen des Projekts im Wesentlichen fest: „Die Überprüfung der Ausstellung hat zu der Erkenntnis geführt, dass die öffentlich geäußerte Kritik zumindest in Teilen berechtigt ist. Die Ausstellung enthält 1. sachliche Fehler, 2. Ungenauigkeiten
und Flüchtigkeiten bei der Verwendung des Materials und 3. vor allem durch die Art der Präsentation allzu pauschale und suggestive Aussagen. […] Dessen ungeachtet bleiben die Grundaussagen der Ausstellung über die Wehrmacht und den im „Osten“ geführten Vernichtungskrieg
der Sache nach richtig. […]“ Vgl. Bartov, Omer et al.: Bericht der Kommission zur Überprüfung der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“, November 2000, 103 S., hier S. 91, URL: <http://www.hisonline.de/fileadmin/user_upload/pdf/veranstaltungen/Ausstellungen/Kommissionsbericht.pdf>
(letzter Zugriff: 1. 10. 2013).
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te.25 Quasi im Gegenzug begann zu Anfang des neuen Jahrtausends eine auch in den
Medien breit geführte und präsentierte Debatte, die die Deutschen als Opfer, nämlich
als Leidtragende des Bombenkriegs, darzustellen versuchte. Diese wurde ausgelöst
durch das Buch „Der Brand“ des Publizisten Jörg Friedrich, in dem dieser den Kontext
der Bombenangriffe der Alliierten, also den von Deutschland ausgehenden Angriffskrieg, minimalisierte und zugleich das unbestreitbare Leiden der Zivilbevölkerung zumindest sprachlich auf eine Ebene mit dem Holocaust zu stellen schien.26
Als direkte Reaktion auf diese „Opferdebatte“ können zwei Bücher betrachtet
werden, die wiederum ein großes Echo in der Fachöffentlichkeit wie auch in den Medien hatten: Götz Alys „Volksstaat“ und Peter Longerichs Abhandlung über die Selbstund Fremdtäuschung der Deutschen in Bezug auf den Holocaust.27 Beide Autoren rückten als ausgewiesene Experten der Täter- und Holocaustforschung28 die Perspektive
wieder ins rechte Lot und stellten die Mittäterschaft der „gewöhnlichen“ Deutschen, sei
es aus Habgier, sei es aus Gleichgültigkeit oder Ignoranz, wieder ins Zentrum der Betrachtung. Ein weiteres Segment der Täterforschung, das in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte erfahren hat, stellen die Institutionen und die in ihnen arbeitenden
25
Vgl. zu der Ausstellung und der nachfolgenden Kontroverse u. a. Heer, Hannes/Naumann,
Klaus (Hrsg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944, Hamburg 1995;
Ulrich, Bernd (Hrsg.): Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“, Hamburg 1999; Thiele, HansGünther (Hrsg.): Die Wehrmachtsausstellung. Dokumentation einer Kontroverse. Dokumentation der Fachtagung in Bremen am 26. Februar 1997 und der Bundestagsdebatten am 13. März
und 24. April 1997, Bonn 1997. Vgl. zusammenfassend Pešek, Jiří: Válečné zločiny německé
wehrmacht v německé badatelské diskusi posledního desetiletí, in: ČČH 107 (2009), S. 599–
615.
26
Friedrich, Jörg: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945, München 2002. Zu der
Debatte vgl. Kettenacker, Lothar (Hrsg.): Ein Volk von Opfern? Die neue Debatte um den
Bombenkrieg 1940–45, Berlin 2003. Zusammenfassend vgl. Pešek, Jiří: Friedrichův „Požár“.
Německé publikum a německá historiografie, in: Kristina Kaiserová/Jiří Pešek (Hrsg.): Viribus
unitis – nedosti bylo Jana Křena. Janu Křenovi k pětasedmdesátinám, Ústí nad Labem 2005, S.
53–74.
27
Aly, Götz: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt/M.
2005; Longerich, Peter: „Davon haben wir nichts gewusst.“ Die Deutschen und die Judenverfolgung 1933–1945, München 2006.
28
Von Götz Aly vgl. u. a.: (zus. mit Susanne Heim) Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und
die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung, Hamburg 1990; „Endlösung“. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden, Frankfurt/M. 1995; Warum die
Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass, Frankfurt/M. 2011. Von Peter
Longerich siehe: Die Ermordung der europäischen Juden. Eine umfassende Dokumentation des
Holocaust, München 1989 (Hrsg.); Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung, München 1998; Heinrich Himmler: Eine Biographie, München 2008.
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sog. Schreibtischtäter dar. Exemplarisch dafür lässt sich die jüngste Kontroverse um das
Auswärtige Amt im Nationalsozialismus anführen, wobei dieses Thema bereits in den
1970er Jahren von Christopher Browning bearbeitet, in Deutschland aber nicht rezipiert
worden war.29
Wie aus dieser sehr kurzen Übersicht bereits deutlich wird, beschäftigt sich die
deutsche Historiographie, neben einer weiterhin starken, im internationalen Forschungskontext verankerten Konzentration auf den Holocaust,30 in den letzten Jahren sehr eingehend und dominant mit der deutschen Gesellschaft im Nationalsozialismus zwischen
Opfer- und Täterrolle. Auch die Forschungen etwa zur nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“, die seit Mitte der 1990er Jahre einigen Auftrieb erfahren haben,31 zu der
Rolle von Wissenschaft und Wissenschaftlern im Nationalsozialismus32 oder zu den
Kontinuitäten bzw. der Erinnerungskultur in der Bundesrepublik33 sind in diesem Kontext zu verorten. Besondere Impulse für die Okkupations- und Weltkriegsforschung
ergaben sich jedoch vor allem aus der Täterforschung in Hinblick auf den Raub- und
Vernichtungskrieg im Osten.34
29
Conze, Eckhard/Frei, Norbert/Hayes, Peter/Zimmermann, Moshe: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010.
Browning, Christopher R.: The Final Solution and the German Foreign Office. A study of referat D III of Abteilung Deutschland 1940–43, New York–London 1978.
30
Wie Ian Kershaw schreibt, „beherrscht der Holocaust jede Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus“. Kershaw, Ian: „Volksgemeinschaft“. Potenzial und Grenzen eines neuen Forschungskonzepts, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59/1 (2011), S. 1–17.
31
Vgl. zuletzt: Schmiechen-Ackermann (Hrsg.): ‚Volksgemeinschaft‘; Oltmer, Jochen (Hrsg.):
Nationalsozialistisches Migrationsregime und „Volksgemeinschaft“, Paderborn 2012; Kershaw,
„Volksgemeinschaft“; Wildt, Michael: „Volksgemeinschaft“. Eine Antwort auf Ian Kershaw,
in: Zeithistorische Forschungen 8/1 (2011), URL: <http://www.zeithistorischeforschungen.de/site/40209111/default.aspx> (letzter Zugriff 1. 10. 2013); Bajohr, Frank/Wildt,
Michael (Hrsg.): Volksgemeinschaft. Neue Forschungen zur Gesellschaft des Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 2009; Wildt, Michael: Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung: Gewalt
gegen Juden in der deutschen Provinz. 1919 bis 1939, Hamburg 2007.
32
Vgl. exemplarisch die vielfältigen Forschungen zur Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die unter
anderem, aber nicht nur in der 17-bändigen Reihe „Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“ (Göttingen 2000–2008) vorgelegt wurden. Siehe dazu die Sammelbesprechung
von Ash, Mitchell G.: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, in: NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 18 (2010), S. 79–118.
33
So zum Beispiel Cornelißen, Christoph/Klinkhammer, Lutz/Schwentker, Wolfgang (Hrsg.):
Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945, Frankfurt/M. 2003; Cornelißen,
Christoph/Holec, Roman/Pešek, Jiří (Hrsg.): Diktatur – Krieg – Vertreibung. Erinnerungskulturen in Tschechien, der Slowakei und Deutschland seit 1945, Essen 2005.
34
Vgl. zuletzt den Überblick von Ganzenmüller, Jörg: Besatzer und Besetzte. Neue Forschungen zum deutsch-sowjetischen Krieg 1941–1945, in: Neue Politische Literatur 53 (2008), S. 43–
56, sowie Pešek: Válečné zločiny.
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Wie steht es also nun um die Forschung zur NS-Besatzungsherrschaft in Europa? Wer sich mit der deutschen Besatzungspolitik im Zweiten Weltkrieg befasst,
kommt zunächst an mindestens zwei Großprojekten der Forschung nicht vorbei.35 Es ist
dies einmal die bereits in den 1970er Jahren begonnene, 2008 abgeschlossene monumentale Reihe „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“, die in insgesamt 13
Bänden und Teilbänden mit insges. 12.500 Seiten vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr herausgegeben wurde. Durch seine lange Laufzeit spiegelt
das Projekt anschaulich die Wandlungen vor allem der thematischen wie methodischen
Zugänge zu diesem Problem wider, ebenso wie die politischen Richtungsstreits und die
damit verbundenen Tabuisierungen.36 Die Bände folgen dabei mehr oder weniger der
Chronologie des Krieges mit seinen einzelnen Etappen und werden jeweils durch thematische Querschnittanalysen ergänzt; das Themenspektrum reicht von den Vorbereitungen und Vorbedingungen des Krieges über die Okkupation der einzelnen Länder hin
zu Kriegsstrategien, der deutschen Kriegsgesellschaft und den Nachwehen des Krieges
in der jungen Bundesrepublik.37 Zwar berühren alle erschienenen Bände mehr oder we35
Ein drittes zu nennendes Großprojekt wäre die noch in der DDR angelegte, später in die Regie des Bundesarchivs übernommene Dokumentationsreihe „Europa unterm Hakenkreuz. Die
Okkupationspolitik des deutschen Faschismus“, in der zwischen 1988 und 1996 insgesamt sieben Dokumenten-, ein Quellen- und Registerband sowie ein bilanzierender Ergänzungsband
erschienen.
36
Vgl. dazu auch Kühne, Thomas: Rezension zu: Müller, Rolf-Dieter (Hrsg.), Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945. Die militärische Niederwerfung der Wehrmacht. Stuttgart
2008, in: H-Soz-u-Kult, 25.2.2011, URL <http://hsozkult.geschichte.huberlin.de/rezensionen/2011-1-144> (letzter Zugriff 1. 10. 2013).
37
In der Reihe „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“ erschienen folgende Bände
(parallel auch auf Englisch bei Oxford University Press unter dem Reihentitel „Germany and
the Second World War“): Bd. 1: Wilhelm Deist, Manfred Messerschmidt, Hans-Erich Volkmann, Wolfram Wette: Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik, Stuttgart
1979, 764 S.; Bd. 2: Klaus A. Maier, Horst Rohde, Bernd Stegemann, Hans Umbreit: Die Errichtung der Hegemonie auf dem europäischen Kontinent, Stuttgart 1979, 439 S.; Bd. 3:
Gerhard Schreiber, Bernd Stegemann, Detlef Vogel: Der Mittelmeerraum und Südosteuropa –
Von der „non belligeranza“ Italiens bis zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, Stuttgart
1984, 735 S.; Bd. 4: Horst Boog, Jürgen Förster, Joachim Hoffmann, Ernst Klink, Rolf-Dieter
Müller, Gerd R. Ueberschär: Der Angriff auf die Sowjetunion, Stuttgart 1983, 1172 S.; Bd. 5/1:
Bernhard R. Kroener, Rolf-Dieter Müller, Hans Umbreit: Organisation und Mobilisierung des
deutschen Machtbereichs: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1939 bis
1941, Stuttgart 1988, 1062 S.; Bd. 5/2: Bernhard R. Kroener, Rolf-Dieter Müller, Hans
Umbreit: Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs: Kriegsverwaltung,
Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942 bis 1944/45, Stuttgart 1999, 1082 S.; Bd. 6: Horst
Boog, Werner Rahn, Reinhard Stumpf, Bernd Wegner: Der globale Krieg – Die Ausweitung
zum Weltkrieg und der Wechsel der Initiative 1941 bis 1943, Stuttgart 1990, 1184 S.; Bd. 7:
Horst Boog, Gerhard Krebs, Detlef Vogel: Das Deutsche Reich in der Defensive – Strategischer
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niger einzelne Aspekte des hier thematisierten Forschungsbereichs „Okkupation“; hervorzuheben sind jedoch in unserem Kontext vor allem die Studien von Hans Umbreit in
den beiden 1988 bzw. 1999 erschienenen Teilbänden 5/1 und 5/2 „Organisation und
Mobilisierung des deutschen Machtbereichs. Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1942–1944/45“, in denen er eine Synopse der Besatzungsregime in
den jeweiligen Ländern sowie eine vergleichende Analyse der wichtigsten damit verbundenen Themenkomplexe anbietet.38 In diesen Synopsen findet auch das sog. „Protektorat Böhmen und Mähren“ Berücksichtigung, das ansonsten sowohl aus chronologischen (Vorkriegsbesetzung) und strukturellen (kaum militärische Kampfhandlungen)
Gründen im Wesentlichen außerhalb der Betrachtung der einzelnen Bände bleibt; hier
macht sich, ähnlich wie im Falle des Westkrieges, noch deutlich die ursprüngliche, klassische militärgeschichtliche Konzeption bemerkbar.
Neben den beiden Studien von Umbreit ist die Abhandlung von Bernhard Chiari
zu den „Voraussetzungen und Folgen der Besatzung in der Sowjetunion“ im Teilband
9/2 im Grunde die einzige, die sich primär mit der Okkupationspolitik beschäftigt und
am Beispiel eines bestimmten Gebietes ausführlich die Kontexte, Voraussetzungen und
Folgen der nationalsozialistischen Besatzungsherrschaft aufrollt und analysiert.39 Eine
vergleichbare Studie für die anderen besetzten Gebiete wäre sicher wünschenswert gewesen, die Fokussierung auf die Sowjetunion ist jedoch sinnbildlich für die Schwer-
Luftkrieg in Europa, Krieg im Westen und in Ostasien 1943 bis 1944/45, Stuttgart 2001, 831 S.;
Bd. 8: Karl-Heinz Frieser (Hrsg.): Die Ostfront 1943/44 – Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten, Stuttgart 2007, 1320 S.; Bd. 9/1: Jörg Echternkamp (Hrsg.): Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945: Politisierung, Vernichtung, Überleben, Stuttgart 2004, 993 S.; Bd. 9/2:
Jörg Echternkamp (Hrsg.): Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945: Ausbeutung, Deutungen, Ausgrenzung, Stuttgart 2005, 1112 S.; Bd. 10/1: Rolf-Dieter Müller (Hrsg.): Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 und die Folgen des Zweiten Weltkrieges: Die militärische Niederwerfung der Wehrmacht, Stuttgart 2008, 947 S.; Bd. 10/2: Rolf-Dieter Müller
(Hrsg.): Der Zusammenbruch des Deutschen Reiches 1945 und die Folgen des Zweiten Weltkrieges: Die Auflösung der Wehrmacht und die Auswirkungen des Krieges, Stuttgart 2008, 797
S.
38
Umbreit, Hans: Auf dem Weg zur Kontinentalherrschaft, in: Das Deutsche Reich und der
Zweite Weltkrieg 5/1, S. 3–348; ders. Die deutsche Herrschaft in den besetzten Gebieten 19421945, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 5/2, S. 3–274. Vgl. von Umbreit ferner:
Der Militärbefehlshaber in Frankreich 1940–1944, Boppard am Rhein 1968, und Deutsche Militärverwaltungen 1938/39, Stuttgart 1977.
39
Chiari, Bernhard: Grenzen deutscher Herrschaft. Voraussetzungen und Folgen der Besatzung
in der Sowjetunion, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 9/2, S. 877–976. Von
Chiari vgl. zu unserem Thema ferner: Alltag hinter der Front. Besetzung, Kollaboration und
Widerstand in Weißrußland 1941–1944, Düsseldorf 1998.
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punktsetzung der deutschen Okkupationsforschung der letzten Jahre. Unter methodologischen Gesichtspunkten ist in der Reihe insgesamt eine Verschiebung bzw. eine Multiplizierung der Betrachtungsweisen zu beobachten – von einer klassischen militär- und
politikgeschichtlichen Sicht „von oben“ hin zu einer stärker sozial- und alltagsgeschichtlichen Sicht „von unten“, die „gesellschaftsrelevante Fragestellungen“ berücksichtigt und dem „sozialen Element des Krieges“ mehr Aufmerksamkeit widmet.40
Das zweite Großprojekt ist die in den 1990er Jahren von Wolfgang Benz geleitete und von der European Science Foundation finanzierte Reihe „Nationalsozialistische
Besatzungspolitik in Europa 1939–1945“, in der insgesamt neun, allerdings zum Teil
etwas disparate Bände erschienen sind. Neben Dokumentenbänden zum „Protektorat
Böhmen und Mähren“41 und zum „Reichskommissariat Ostland“42 sowie einem thematischen Sammelband zum Thema „Rumänien und der Holocaust“43 wurden länderübergreifend vor allem die Themen Anpassung, Kollaboration, Widerstand (1996),44 die
Wirtschaftspolitik und die Verwaltungsstrukturen in den besetzten Gebieten (1997,
1998, 1999)45, Propaganda, Kultur und Öffentlichkeit (1998)46 sowie der Besatzungster-
40
Vgl. dazu auch die Einleitung des Teilbandes 5/2, S. 1. Erreicht wurde dieser Anspruch insbesondere mit den beiden Teilbänden 9/1 und 9/2 zur deutschen Kriegsgesellschaft und dem Teilband 10/2 zu den sozialen und gesellschaftlichen Folgen des Krieges.
41
Kárný, Miroslav/Milotová, Jaroslava/Kárná, Margita (Hrsg.): Deutsche Politik im „Protektorat Böhmen und Mähren“ unter Reinhard Heydrich 1941–1942. Eine Dokumentation, Berlin
1997(Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 2).
42
Benz, Wolfgang/Kwiet, Konrad/Matthäus, Jürgen (Hrsg.), Einsatz im „Reichskommissariat
Ostland“. Dokumente zum Völkermord im Baltikum und in Weißrußland 1941–1944, Berlin
1999 (Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 6).
43
Hausleitner, Mariana/Mihok, Brigitte/Wetzel, Juliane (Hrsg.), Rumänien und der Holocaust
Zu den Massenverbrechen in Transnistrien 1941–1944, Berlin 2001 (Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 10).
44
Benz, Wolfgang/Houwink ten Cate, Johannes/Otto, Gerhard (Hrsg.), Anpassung – Kollaboration – Widerstand. Kollektive Reaktionen auf die Okkupation, Berlin 1996 (Reihe Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 1).
45
Overy, Richard J./Otto, Gerhard/Houwink ten Cate, Johannes (Hrsg.), Die „Neuordnung“
Europas. NS-Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten, Berlin 1997 (Nationalsozialistische
Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 3); Benz, Wolfgang/Houwink ten Cate, Johannes/Otto,
Gerhard (Hrsg.), Die Bürokratie der Okkupation. Strukturen der Herrschaft und Verwaltung im
besetzten Europa, Berlin 1998 (Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945,
4); Houwink ten Cate, Johannes/Otto, Gerhard (Hrsg.), Das organisierte Chaos. „Ämterdarwinismus“ und „Gesinnungsethik“: Determinanten nationalsozialistischer Besatzungsherrschaft,
Berlin 1999 (Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 7); Eichholtz,
Dietrich (Hrsg.), Krieg und Wirtschaft. Studien zur deutschen Wirtschaftsgeschichte 1939–
1945, Berlin 1999 (Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 9).
23
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ror (1999)47 behandelt. Der Schwerpunkt liegt somit auf der Besatzungspolitik und ihren Facetten; die Gesellschaft wird hier lediglich in ihren unterschiedlichen (öffentlichen/politischen) Reaktionen auf jene (Anpassung, Kollaboration, Widerstand) thematisiert, eine komplexere Untersuchung bzw. ein Vergleich der jeweiligen Kriegsgesellschaften hinsichtlich ihrer sozialen Struktur oder etwa des Privat- und Alltagslebens
bleibt weitgehend aus.
Letzteres wurde und wird allerdings in zwei jüngeren Projekten behandelt: Zum
einen beschäftigte sich damit ein Forscherteam im Rahmen des in den Jahren 2000–
2004 wiederum von der European Science Foundation geförderten, im Ergebnis etwas
heterogenen Projektes mit dem Titel „Occupation in Europe: the Impact of National
Socialist and Fascist Rule“. 48 Seit Mai 2012 fördert darüber hinaus die LeibnizGemeinschaft ein von Peter Haslinger und Tatjana Tönsmeyer geleitetes dreijähriges,
groß angelegtes Editionsprojekt unter dem Titel „World War II – everyday life under
German occupation“, das bisher jedoch noch keine Publikationsergebnisse vorweisen
kann.49
Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle außerdem die großen Synthesen von
einzelnen Autoren. Von der älteren Forschung sei an dieser Stelle vor allem das Großwerk von Czesław Madajczyk genannt, das allerdings in keine westliche Sprache übersetzt wurde.50 Von der jüngeren Forschung ist vor allem die umfangreiche, sorgfältig
46
Benz, Wolfgang/Otto, Gerhard/Weismann, Anabella (Hrsg.), Kultur – Propaganda – Öffentlichkeit. Intentionen deutscher Besatzungspolitik und Reaktionen auf die Okkupation, Berlin
1998 (Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 5).
47
Fleischer, Hagen/Droulia, Loukia (Hrsg.), Von Lidice bis Kalvryta. Widerstand und Besatzungsterror, Berlin 1998 (Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–1945, 8).
48
Vgl. Gildea, Robert/Wieviorka, Olivier/Warring, Anette (Hrsg.): Surviving Hitler and Mussolini. Daily life in occupied Europe, Oxford–New York 2006. Weitere Ergebnisbände behandeln
u. a. die Position der Kirchen im besetzten Europa sowie die Zwangsmigrationen während und
nach dem Krieg.
49
Vgl. die Webseite des Projektes: <http://www.herder-institut.de/forschung-projekte/laufendeprojekte/world-war-ii-everyday-life-under-german-occupation.html> (letzter Zugriff:
1. 10. 2013). Bezeichnenderweise ist die Tschechische Republik in dem internationalen Forscherteam nicht direkt vertreten, das Protektorat Böhmen und Mähren (wie auch die Slowakei
und Ungarn) werden vielmehr von den beiden Projektleitern, ausgewiesenen Experten für diesen Raum, abgedeckt.
50
Madajczyk, Czesław: Faszyzm i okupacje, 1938–1945. Wykonywanie okupacji przez państwa Osi w Europie. Bd. 1: Ukształtowanie się zarzadów okupacyjnych, Bd. 2: Mechanizmy realizowania okupacji, Poznań 1983–84. Vgl. von Madajczyk auf Deutsch ferner: Die deutsche
Besatzungspolitik in Polen (1939–1945), Wiesbaden 1967 und ders.: Die Okkupationspolitik
Nazideutschlands in Polen 1939–1945, Köln 1988.
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recherchierte und darüber hinaus gut lesbare Studie von Mark Mazower zu nennen, dessen eigene Forschungen zur deutschen Besatzung Griechenlands ebenfalls erwähnt werden sollten.51
Schauen wir uns nun an, in welche Richtung sich die Einzelforschungen seit den
1990er Jahren bewegen. Eine stichprobenartige Quantifizierung der in den Jahren 1990–
2012 veröffentlichten bzw. bibliographisch erfassten Studien zum Themenkomplex „nationalsozialistische Okkupation“ hat ergeben, dass der Anteil der Forschungen zur deutschen Okkupationspolitik im Rahmen der NS-Forschungen maximal etwa 13,5 % ausmacht.52 Trotz der Masse an Publikationen, die sich dahinter tatsächlich verbirgt, erscheint dieser Prozentsatz angesichts der Bedeutung dieses Themenkomplexes für die
deutsche und europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts und auch für die Geschichte
des nationalsozialistischen Regimes erstaunlich gering. Allerdings ist an dieser Stelle
anzumerken, dass die Erforschung des Zweiten Weltkriegs, insbesondere dann die nicht
rein militärgeschichtliche, bis zum Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre insgesamt
eher am Rande der NS-Forschung stand. Dies hat sich jedoch im Laufe der 1990er Jahre
geändert: „Mittlerweile steht der Krieg im Zentrum des Interesses der NS-Forschung
und der gesellschaftsgeschichtliche Ansatz bestimmt […] die großen Kontroversen.“53
Die Schwerpunktländer der Forschung sind in diesem Bereich Frankreich und
54
Polen, gefolgt – mit einigem Abstand – von Studien zur Sowjetunion bzw. zu Ländern
der Sowjetunion, insbesondere zu Weißrussland und der Ukraine. Wiederum mit einigem Abstand folgen schließlich die BeNeLux-Länder, v. a. die Niederlande, ferner die
baltischen und die skandinavischen Länder. Relativ am Rande der deutschen und inter51
Mazower, Mark: Hitler's empire. Nazi rule in occupied Europe, London 2008; ders.: Inside
Hitler's Greece. The experience of occupation, 1941–44, New Haven 2001.
52
Vgl. Lohmann: Směřování německého a mezinárodního výzkum, S. 93.
53
Vgl. Kühne, Thomas: Der nationalsozialistische Vernichtungskrieg und die „ganz normalen“
Deutschen. Forschungsprobleme und Forschungstendenzen der Gesellschaftsgeschichte des
Zweiten Weltkriegs. Erster Teil, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999), S. 580–662, hier S.
584.
54
Im Falle Polens ist zu berücksichtigen, dass viele Titel in polnischer Sprache erst in den letzten Jahren Eingang in die ausgewerteten Datenbanken fanden, in denen die jüngste Forschergeneration Kritik an der Praxis der Nicht-Berücksichtigung der polnischen Fachliteratur zu üben
begann. Siehe etwa: Böhler, Jochen: Auftakt zum Vernichtungskrieg. Die Wehrmacht in Polen
1939, Frankfurt/M. 2006, bzw. seine weiteren Arbeiten, die teils in Kooperation mit dem DHI
Warschau entstanden: Mallmann, Klaus-Michael/Böhler, Jochen/Matthäus, Jürgen: Einsatzgruppen in Polen. Darstellung und Dokumentation, Darmstadt 2008; Böhler, Jochen/Lehnstaedt,
Stephan (Hrsg.): Gewalt und Alltag im besetzten Polen 1939–1945, Osnabrück 2012; dies., Die
Berichte der Einsatzgruppen aus Polen 1939, Berlin 2013.
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nationalen Aufmerksamkeit stehen die böhmischen Länder und Italien ebenso wie der
gesamte südosteuropäische Raum, in dessen Rahmen Griechenland noch die größte
Aufmerksamkeit zuteil wird.
Hinsichtlich der thematisch-methodologischen Ausrichtung können wir auf Basis der jedoch oft ungenügenden Verschlagwortung der Bibliographien auch für den
Zeitraum nach 1990 eine fast ausschließliche Fixierung auf die Politik- und Militärgeschichte ausmachen. Die uns vorrangig interessierenden Bereiche, die im weitesten Sinne die Gesellschaft betreffen, stehen dahinter weiterhin eklatant zurück. Konzentrieren
wir uns also nun auf die hier genauer zu betrachtenden Bereiche abseits der klassischen
Politik- und Militärgeschichte. Versucht wird im Folgenden eine kurze Übersicht der
Schwerpunkte der diesbezüglichen Forschungen vor allem zu den beiden Schwerpunktländern Frankreich und Polen, da hier die Forschungen am weitesten vorangeschritten
zu sein scheinen und schon allein deswegen exemplarischen Charakter besitzen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Themenfeld „Gesellschaft, Alltag, Stadt“.
Für das erste Schwerpunktland Frankreich stellte Henry Rousso in seiner viel
beachteten Studie von 1987 „Das Vichy-Syndrom“ für die Nachkriegsjahrzehnte eine
Obsession der französischen Gesellschaft mit den Ereignissen während des Zweiten
Weltkriegs in Frankreich, besonders dann mit dem französischen Vasallen-Staat unter
Maréchal Pétain, fest, die zugleich einige wichtige Bereiche ausblendete, wie etwa die
Kollaboration und die Beteiligung der Franzosen am Holocaust;55 für eine langsame
Wende in der Betrachtungsweise sorgte bekanntlich erst das Buch Robert Paxtons von
1972.56
55
Rousso, Henry: Le Syndrome de Vichy 1944–198.., Paris 1987; ders./ Conan, Éric: Vichy, un
passé qui ne passe pas, Paris 1994 (englisch: Vichy: an ever-present past, Hanover 1998); ders.,
Vichy: l’événemet, la mémoire, l’histoire, Paris 2001. Die Arbeiten der Jahrzehnte bis 1990
bilanzieren die Bände: Le régime de Vichy et les Français, sous la direction de Jean-Pierre
Azéma et François Bédarida avec la collaboration de Denis Peschanski et de Henry Rousso,
Paris 1992; Azéma, Jean-Pierre/Bédarida, François (Hrsg.): La France des années noires. 2
Bde., Paris 1993.
56
Paxton, Robert Owen: Vichy France, London 1972. Zu der Rezeption vgl. u. a. Emler, David:
Přijetí knihy La France de Vichy Roberta Paxtona francouzským tiskem a francouzskou historickou komunitou, in: Acta Universitatis Carolinae. Studia territorialia, Supplementum 1/2
(2010), S. 121–199. Eine nicht unwichtige Rolle spielte allerdings schon zuvor das 1968 ins
Französische übersetzte Buch von Jäckel, Eberhard: Frankreich in Hitlers Europa, Stuttgart
1966. Vgl. dazu und zu der stufenweisen, schwierigen Entwicklung der Zeitgeschichtsforschung
bzw. der Beschäftigung mit der jüngsten Vergangenheit in Forschung und Politik in Frankreich
nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein: Martens, Stefan: Frankreich zwischen „Histoire con-
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Der Holocaust, der in Frankreich schätzungsweise immerhin mehr als 77.000
Menschen betraf,57 sowie der ganze weitere Bereich der Repressionspolitik erfährt in
der Forschung jedoch weiterhin nur zögerlich Aufmerksamkeit. Ein Großteil der Titel
zu diesem Thema entfällt auf Memoiren-/Zeitzeugenliteratur und die (Nicht-)Thematisierung des Holocaust in den Nachkriegsjahrzehnten; wissenschaftliche Studien zur
Shoah an sich sind eher die Ausnahme. Diese scheinen allerdings seit Mitte der 1990er
Jahre und insbesondere schließlich seit der Jahrtausendwende immerhin zuzunehmen,
was sicherlich auch im Zusammenhang mit dem im Jahre 2000 vorgelegten Bericht einer Untersuchungskommission zur „Beraubung der Juden Frankreichs“58 und der daran
anschließenden Gründung der Fondation de la Mémoire de la Shoah zu sehen ist. Bei
den jüngeren Arbeiten steht dabei vor allem die Frage im Zentrum, wer die Akteure der
Judenverfolgung auf lokaler/regionaler und nationaler Ebene waren.59 Für den Bereich
der Repression scheint in der gegenwärtigen Forschung hingegen insbesondere die Frage zu interessieren, welchen Charakter Krieg und Besatzungsregime im Westen hatten
und ob angesichts der zunehmenden Brutalisierung von einer ideologischen Radikalisierung oder militärisch-politischen Notwendigkeiten gesprochen werden kann.60
temporaine“ und „Histoire du temps présent“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55/4
(2007), S. 583–616, hier S. 601.
57
Vgl. „Frankreich“, in: Gutman, Israel/Jäckel, Eberhard/Longerich, Peter/Schoeps, Julius H.
(Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden.
Bd. I, 2. Aufl. München–Zürich 1998, S. 482–495.
58
Vgl. Mission d’étude sur la Spoliation des Juifs de France (présidée par Jean Mattéoli), Rapport général, Paris 2000.
59
Siehe zuletzt vor allem: Joly, Laurent: L'antisémitisme de bureau. Enquête au coeur de la
préfecture de Police de Paris et du commissariat général aux Questions juives (1940–1944),
Paris 2011 und ders., Vichy dans la “Solution finale”: histoire du Commissariat général aux
questions juives. 1941–1944, Paris 2006. Weitere Arbeiten sind u. a.: Cohen, Asher: Persécutions et sauvetages. Juifs et Français sous l'Occupation et sous Vichy, Paris 1993; Ryan, Donna
F.: The Holocaust and the Jews of Marseille. The enforcement of anti-Semitic policies in Vichy
France, Urbana 1996; Poznanski, Renée: Les Juifs en France pendant la Seconde Guerre mondiale, Paris 1997; Meyer, Ahlrich (Hrsg.): Die deutsche Besatzung in Frankreich 1940–1944.
Widerstandsbekämpfung und Judenverfolgung, Darmstadt 2000; Bruttmann, Tal: La logique
des bourreaux (1943–1944), Paris 2003; Lecouturier, Yves: Shoah en Normandie, Le CoudrayMacouard 2004; Laub, Thomas J.: After the fall: German policy in occupied France 1940–1944,
Oxford 2010; Bernay, Sylvie: L'Église de France face à la persécution des Juifs 1940–1944,
Paris 2012.
60
Vgl. dazu auch Schmid, Johannes: Neuere Forschungen zu den ‚Années Noires‘. Repression,
Kultur und Alltag im Frankreich des Zweiten Weltkriegs, in: Francia 36 (2009), S. 319–340,
hier S. 320–323. Siehe z. B. die Beiträge in: Garnier, Bernard /Leleu, Jean-Luc/Quellien, Jean
(Hrsg.): La répression en France 1940–1945. Actes du colloque international 8, 9 et 10 décembre 2005, Mémorial de Caen, Caen 2007, sowie in: Eismann, Gaël/Martens, Stefan (Hrsg.): Oc-
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Die klassischen Themen „Widerstand“ und „Kollaboration“ hingegen stellen
weiterhin einen Schwerpunkt der Forschung zu Frankreich in den „dunklen Jahren“
dar.61 Hier ist ein zunehmendes Aufbrechen der politik- und militärgeschichtlichen Perspektive, sowie eines mit diesen in den Nachkriegsjahrzehnten einhergehenden
Schwarz-Weiß-Schemas zu beobachten. Beide Bereiche werden zunehmend differenzierter betrachtet und in andere Kontexte eingebettet, wie etwa die Anpassungsstrategien der einfachen Bevölkerung im Alltag62, die Kultur- oder Wirtschaftspolitik.63 Der
Kollaboration wird dabei außer im Bereich des Staates und zuletzt zunehmend auch der
Wirtschaft insbesondere im Zusammenhang mit dem Holocaust Aufmerksamkeit zuteil.64
Ein Gebiet, das ebenfalls spätestens seit der Jahrtausendwende, vor allem dann
nach 2005, verstärkte Aufmerksamkeit erfährt, ist, neben der Wirtschaft,65 der weiter
aufgefasste Bereich der „Kultur“, d. h. des Kulturlebens, der Kulturpolitik, der Künstler
und Intellektuellen.66 Zugleich ist dies einer der wenigen Bereiche, in denen auch die
Besatzergesellschaft bzw. ihre Behörden und Instrumente in den Fokus genommen wer-
cupation et répression militaire allemandes. La politique de “maintien de l'ordre” en Europe
occupée, 1939–1945, Paris 2007. Vgl. zuletzt ferner: Thiery, Laurent: Les spécificités de la
répression judiciaire allemande dans le ressort de l’Oberfeldkommandantur 670 de Lille (1940–
1944), in: Francia 39 (2012), S. 211–236.
61
Vgl. auch die jüngste Übersichtsdarstellung von Jackson, Julian: France: The dark years
1940–1944, Oxford u. a. 2001.
62
Vgl. Burrin, Philippe: La France à l'heure allemande. 1940–1944, Paris 1995, der den Begriff
der „accomodation“ in der Diskussion etabliert hat.
63
Betz, Albrecht/Martens, Stefan (Hrsg.): Les intellectuels et l'Occupation. 1940–1944. Collaborer, partir, résister, Paris 2004.
64
Siehe dazu die in Fußnote 59 genannten Arbeiten sowie zuletzt: Bruttmann, Tal /Joly, Laurent/Lambauer, Barbara: Der Auftakt zur Verfolgung der Juden in Frankreich 1940: ein deutschfranzösisches Zusammenspiel, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60/3 (2012), S. 381–407.
Zum Bereich Staat und Wirtschaft siehe den Aufsatz von Lemmes, Fabian: Collaboration in
wartime France. 1940–1944, in: European History Review 15/2 (2008), S. 157–177.
65
Vgl. Dard, Olivier: L' occupation, l'Etat français et les entreprises: actes du colloque organisé
par l'Université de Franche-Comté (Laboratoire des sciences historiques) et le Musée de la Résistance et de la Déportation de Besançon, à Besançon, les 24, 25 et 26 mars 1999. Association
pour le Développement de l'Histoire Economique (ADHE), Paris 2000; Varaschin, Denis
(Hrsg.): Les entreprises du secteur de l'énergie sous l'Occupation, Arras 2006; Effosse, Sabine:
Les entreprises de biens de consommation sous l'Occupation, Tours 2010.
66
Zu dieser Einschätzung gelangt auch Schmid: Neuere Forschungen. Zur Kultur unter der Besatzung vgl. u. a. Dorléac, Laurence Bertrand: L'art de la défaite: 1940–1944, Paris 1993;
Corcy, Stéphanie: La vie culturelle sous l’occupation, Paris 2005; Spotts, Frederic: The
shameful peace. How French artists and intellectuals survived the Nazi occupation, New Haven/Conn. 2008; Barrot, Olivier/Chirat, Raymond: La vie culturelle dans la France occupée,
Paris 2009. Für die Arbeiten zu Paris vgl. Kapitel I. 2.2.
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den. Gesellschaft und Alltag der Bevölkerung in Frankreich während des Zweiten
Weltkriegs haben sich in den letzten 20 Jahren ebenfalls zu einem internationalen Forschungsfeld entwickelt.67 In diesem Kontext sind nicht zuletzt ähnlich wie im Falle der
Kultur eine ganze Reihe von Lokal- und Regionalstudien zu nennen: In mikrohistorischen Studien werden bisher weniger beachtete Aspekte regional differenziert und
durchaus konkret untersucht.68 Die Gesellschaft wird hier in ihren Reaktionen (Anpassung, Ablehnung) auf das Besatzungsregime und die kriegsbedingten Einschränkungen
wahrgenommen, gleichzeitig wird der jeweils vorhandene Spielraum durch die ideologisch-politischen Maßnahmen und Politiken in Augenschein genommen. Einen
Schwerpunkt der städtegeschichtlichen Arbeiten bildet dabei verständlicherweise Paris
(siehe Kapitel I. 2.2).
Ähnliche Tendenzen sind auch für andere Länder Westeuropas auszumachen,
die von der internationalen wie deutschen Forschung allerdings insgesamt weniger beachtet zu werden scheinen. Die Forschung in und zu den BeNeLux-Ländern beschäftigt
sich, unter anderem, ebenfalls verstärkt mit der Kollaboration.69 Thematisiert werden in
diesem Zusammenhang in den Niederlanden z. B. einheimische Freiwillige in der Waffen-SS70 bzw. dann spätestens seit Ende der 1990er Jahre der Anteil der einheimischen
Bevölkerung an der Judenverfolgung.71 Ein wichtiger Forschungsbereich ist in diesem
67
Vgl. insbes. Veillon, Dominique: Vivre et survivre en France. 1939–1947, Paris 1995 sowie
Alary, Eric/Vergez-Chaignon, Bénédicte/Gauvin, Gilles: Les Français au quotidien. 1939–1949,
Paris 2006; Vinen, Richard: The unfree French. Life under Occupation, London 2006.
68
Beispielsweise Gildea, Robert: Marianne in Chains. In Search of German Occupation 1940–
1945, London 2002, zum Alltagsleben im Loiretal; Fogg, Shannon L.: The Politics of Everyday
Life in Vichy France. Foreigners, Undesirables, and Strangers, Cambridge 2008 zum Limousin
in Zentral-Frankreich sowie die Arbeiten von Richard, Thibault: Les Normands sous
l’occupation, und Vivre en région parisienne sous l’Occupation (1940–1944). La Seine-et-Oise
dans la guerre, Condé-sur-Noireau 2004.
69
Siehe z. B. Hirschfeld, Gerhard: Bezetting en collaboratie. Nederland tijdens de oorlogsjaren
1940–1945 in historisch perspectief, Haarlem 1991; Nefors, Patrick: La collaboration industrielle en Belgique. 1940–1945, Bruxelles 2006 und ders., Industriele collaboratie in Belgie. De
Galopindoctrine, de Emissiebank en de Belgische industrie in de Tweede Werldoorlog, Gent
2000; Wouters, Nico: Oorlogsburgemeesters 40/44. Lokaal bestuur en collaboratie in België,
Tielt 2004.
70
Vgl. zuletzt van Roekel, Evertjan: Jongens van Nederland. Nederlandse vrijwilligers in de
Waffen-SS, Houten et al. 2011.
71
van Liempt, Ad/Kompagnie, Jan H. (red.): Jodenjacht. De onthutsende rol van de Nederlandse politie in de Tweede Wereldoorlog, 3. Aufl. Amsterdam 2011; van Liempt, Ad: Kopgeld.
Nederlandse premiejagers op zoek naar joden, 1943, Amsterdam 2002 (deutsch: Kopfgeld. Bezahlte Denunziation von Juden in den besetzten Niederlanden, München 2005); Moore, Bob:
Victims and Survivors. The Nazi Persecution of the Jews in the Netherlands, 1940–1945, Lon-
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Kontext die Rolle der Banken und Betriebe bei der Arisierung und Enteignung jüdischen Vermögens (und dessen Restituierung nach dem Krieg)72 – dies vor dem Hintergrund einer für Westeuropa extrem hohen Deportations- und Arisierungsquote.73 Daneben hat auch die Aufarbeitung der Geschichte der niederländischen und belgischen
Großstädte Auftrieb erfahren (siehe dazu Kapitel I. 2.2).
Ein etwas anderes Bild als für Frankreich und Westeuropa stellt sich erwartungsgemäß für Polen und die größere Region (Nord-)Osteuropas dar. Zum einen dominieren hier Forschungen, die sich mit der deutschen Gewaltpolitik beschäftigen: Als
Schwerpunkte lassen sich „Germanisierungspolitik“ und „Terror, Verfolgung, Holocaust“ als identifizieren.74 Daneben ist, ebenso wie im Falle des Baltikums, eine Tendenz vor allem der einheimischen Forschung hin zu einem Vergleich der nationalsozialistischen und sowjetischen Besatzungsregime zu erkennen.75
don 1997; van der Zee, Nanda: Om erger te voorkomen, Amsterdam 1997 (deutsch: „Um
Schlimmeres zu verhindern ...“: Die Ermordung der niederländischen Juden. Kollaboration und
Widerstand, München 1999).
72
Siehe etwa: van Tielhof, Milja: Banken in bezettingstijd. De voorgangers van ABN AMRO
tijdens de Tweede Wereldoorlog en de periode van rechtsherstel, Amsterdam 2003 (auf Deutsch
erschienen unter dem Titel: Banken und Besatzer. Niederländische Großbanken 1940–1945,
Münster 2007); Klemann, Hein A.M.: Nederland 1938-1948. Economie en sameleving in jaren
van oorlog en bezetting, Amsterdam 2002; Aalders, Gerald: Roof – De ontvreemding van joods
bezit tijdens de Tweede Wereldoorlog, Den Haag 1999 (deutsch: Geraubt! Die Enteignung jüdischen Besitzes im Zweiten Weltkrieg, Köln 2000). Gleich mehrere von der niederländischen
Regierung eingesetzte Kommissionen (unter den Vorsitzenden van Kemenade, Kordes, Scholten) befassten sich um die Jahrtausendwende mit der Problematik der Restitution geraubten
jüdischen Eigentums: Commissie Van Kemenade, Tweede Wereldoorlog: Roof en Rechtsherstel. Eindrapport van de Contactgroep Tegoeden WO II, Amsterdam 2000; Commissie Scholten,
Tweede Wereldoorlog: Roof en Rechtsherstel. Eindrapport van de Begeleidingscommissie onderzoek financiele tegoeden WO-II in Nederland. Leiden 1999; Commissie Kordes, Tweede
Wereldoorlog: Roof en Rechtsherstel. Archieven Tastbare goederen Claims. Second Report.
Den Haag 1998. Analoge Kommissionen gab es auch in Belgien und Luxemburg.
73
Vgl. dazu Dreyfus, Jean-Marc: Die Enteignung der Juden in Westeuropa, in: Goschler,
Constantin/Ther, Philipp (Hrsg.): Raub und Restitution. „Arisierung“ und Rückerstattung des
jüdischen Eigentums in Europa, Frankfurt/M. 2003, S. 41–57.
74
Vgl. z. B. Wolf, Gerhard: Ideologie und Herrschaftsrationalität. Nationalsozialistische Germanisierungspolitik in Polen, Hamburg 2012; Harvey, Elizabeth: Women and the Nazi East.
Agents and witnesses of Germanization, New Haven–London 2003; Harten, Hans-Christian:
De-Kulturation und Germanisierung. Die nationalsozialistische Rassen- und Erziehungspolitik
in Polen 1939–1945, Frankfurt/M. 1996.
75
Vgl. u. a. Młynarczyk, Jacek Andrzej (Hrsg.): Polen unter deutscher und sowjetischer Besatzung 1939–1945 (Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau 20),
Warschau 2009; Materski, Wojciech (Red.): Polska 1939–1945. Straty osobowe i ofiary represji
pod dwiema okupacjami, Warszawa 2009; Chodakiewicz, Marek Jan: Between Nazis and Soviets. Occupation politics in Poland, 1939–1947, Lanham 2004. Für die baltischen Länder vgl.
Felder, Björn Michael: Lettland im Zweiten Weltkrieg. Zwischen sowjetischen und deutschen
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Zum anderen ist auffällig, dass wir einen relativ hohen Anteil an deutschen bzw.
deutschsprachigen Studien ausmachen können; dies mag neben einem traditionell stärkeren Interesse der deutschen Historiographie an dem Krieg im Osten jedoch auch ein
Hinweis darauf sein, dass die zahlreich vorliegenden polnischen Forschungen in
Deutschland nur zögerlich rezipiert wurden bzw. werden. Hans-Jürgen Bömelburg
spricht in diesem Zusammenhang von einer „Rezeptionslücke zwischen der älteren polnischen und der internationalen Forschung“.76 Zugleich muss jedoch konstatiert werden,
dass jüngere vor allem deutsche Forschungen diese Kluft zu überwinden suchen, indem
sie Quellen und Literatur in beiden Sprachen heranziehen. Dies gilt sowohl für die
Kriegsführung als auch für Lokalstudien zur Besatzungspolitik bzw. zum Besatzungsalltag. Zunehmend werden in diesen auch die Besatzer als spezifische Gruppe thematisiert.77
Eine Parallele zu den „westeuropäischen“ Forschungen stellt indes in Polen die
erst nach 1990 eingesetzte Beschäftigung mit dem Holocaust und vor allem mit dem
polnischen Anteil an jenem dar. Eine Schlüsselrolle spielte hier das Buch „Nachbarn“
des polnisch-amerikanischen Historikers Jan Tomasz Gross über den Pogrom im ostpolnischen Jedwabne im Juli 1941. Die Studie erschien zunächst in polnischer, kurz
darauf auch in englischer und deutscher Sprache und löste eine lebhafte internationale
Besatzern 1940–1946, Paderborn 2009; Nollendorfs, Valters: The hidden and forbidden history
of Latvia under Soviet and Nazi occupations, 1940–1991. Selected research of the Commission
of the Historians of Latvia, Riga 2005; Iber, Walter/Ruggenthaler, Peter: Drei Besatzungen unter zwei Diktaturen. Eine vorläufige Bilanz der Forschungsarbeiten der internationalen Historikerkommissionen in Lettland, Litauen und Estland, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2007, Berlin 2007, S. 276–296. Siehe zu Litauen zuletzt auch: Mrázková, Marie:
Deutsche Besatzungspolitik und litauische Gesellschaft 1941–1944. Litauische Reaktionen auf
Holocaust und Mobilisierung, Praha 2011.
76
Hans-Jürgen Bömelburg spricht in diesem Zusammenhang von einer „Rezeptionslücke zwischen der älteren polnischen und der internationalen Forschung“. Bömelburg, Hans-Jürgen: Die
deutsche Besatzungspolitik in Polen 1939 bis 1945, in: Chiari, Bernhard (Hrsg.): Die polnische
Heimatarmee. Geschichte und Mythos der Armija Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg, München 2003, S. 51–86.
77
Neben den in Fußnote 54 genannten Werken vgl. Lehnstaedt, Stephan: Okkupation im Osten.
Besatzeralltag in Warschau und Minsk 1939–1944, München 2010; Roth, Markus: Herrenmenschen. Die deutschen Kreishauptleute im besetzten Polen. Karrierewege, Herrschaftspraxis und
Nachgeschichte, Göttingen 2009 (Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts 9); Seidel, Robert: Deutsche Besatzungspolitik in Polen: der Distrikt Radom 1939–1945, Paderborn 2006;
Musiał, Bogdan: Deutsche Zivilverwaltung und Judenverfolgung im Generalgouvernement.
Eine Fallstudie zum Distrikt Lublin 1939–1944, Wiesbaden 1999. Zu einer spezifischen Besatzergruppe vgl. Lehr, Stefan: Ein fast vergessener „Osteinsatz“. Deutsche Archivare im Generalgouvernement und im Reichskommissariat Ukraine, Düsseldorf 2007.
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Debatte aus, welche das polnische Selbstverständnis nachhaltig erschütterte und neue
Blicke sowohl auf das Thema „Holocaust“ als auch auf die polnische Gesellschaft der
Kriegs- und Nachkriegszeit eröffnete.78 Daran schließt sich auch das weitere Thema der
Kollaboration an, das in Polen ebenfalls seit den 1990er Jahren heiß diskutiert wird, und
zwar wiederum sowohl im Kontext mit der deutschen als auch der sowjetischen Besatzung.79 Kultur und Alltag spielen in den Forschungen dieser Zeit hingegen eine vergleichsweise geringere Rolle.80
Neben den traditionellen Themen wie der weiterhin anhaltenden, mittlerweile
jedoch internationalen und mitunter kontroversen Beschäftigung mit der Armija krajowa81 oder dem Warschauer Aufstand82 werden also auch in Polen seit der politischen
Wende neue Themen diskutiert und vor allem „weiße Flecken“ angegangen. Die Impulse dazu kamen oft von außen, was nicht zuletzt ein weiterer Hinweis auf eine sich inter78
Gross, Jan Tomasz: Sąsiedzi. Historia zagłady żydowskiego miasteczka, Sejny 2000. Vgl.
auch die weiteren Bücher von Gross zu diesem Thema: Fear: Anti-Semitism in Poland After
Auschwitz. An essay in historical interpretation, New York 2006; Golden Harvest, Oxford
2011.
79
Übersichtlich problemorientiert: Borodziej, Włodzimierz: Zur Debatte um Kollaboration in
Polen im Zweiten Weltkrieg, in: Tauber, Joachim (Hrsg.): „Kollaboration“ in Nordosteuropa.
Erscheinungsformen und Deutungen im 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2006, S. 342–352. Vgl.
auch die Beiträge von Jerzy Kochanowski, Piotr Madajczyk und Tomasz Szarota im selben
Band. Debatten entspannten sich nach Borodziej insbesondere um die Bücher von Rybicka,
Anette: Instytut Niemeckiej Pracy Wschodniej. Insitut für Deutsche Ostarbeit. Kraków 1940–
1945, Warszawa 2002, und Engelking, Barbara: „Szaowny panie gistapo“. Donosy do właz
niemieckich w Warszawie i okolicach w latách 1940–1941, Warszawa 2003. Siehe ferner:
Młynarczyk, Jacek Andrzej: Pomiędzy współpracą a zdradą. Problem kolaboracji w Generalnym Gubernatorstwie. Próba syntezy, in: Pamięć i sprawiedliwość 14/1 (2009), S. 103–132;
Friedrich, Klaus-Peter: Collaboration in a „Land without a Qusiling“. Patterns of Cooperation
with the Nazi German Occupation Regime in Poland during World War II, in: Slavic Review 4
(2005), S. 711–746; Salmonowicz, Stanisław/Srczyk, Jerzy: Z problemów kolaboracji v Polsce
w latách 1939–1941, in: Czasy Nowożytne 14 (2003), S. 43–65.
80
Neben älteren Arbeiten von Tomasz Szarota (insbes. Okupowanej Warszawy dzień powszedni. Studium historyczne, 3. Aufl. Warszawa 1988) vgl. z. B. Chwalba, Andrzej: Okupacyjny
Kraków w latach 1939–1945, 2. Aufl. Kraków 2011 (Erstausgabe: Dzieje Krakowa. Tom 5.
Kraków w latach 1939–1945, Kraków 2002); Czocher, Anna: W okupowanym Krakowie.
Codzienność polskich mieszkańców miasta 1939–1945, Gdańsk 2011; Frołów, Anna: Życie
muzyczne w okupowanej Warszawie w latach 1939–1945, Warszawa 2004; Lewandowska,
Stanisława: Prasa okupanowej Warszawy 1939–1945, Warszawa 1992.
81
Siehe exemplarisch Chiari (Hrsg.): Die polnische Heimatarmee (wie Fußnote 76).
82
Siehe etwa Bömelburg, Hans-Jürgen/Król, Eugeniusz Cezary/Thomae, Michael (Hrsg.): Der
Warschauer Aufstand 1944. Ereignis und Wahrnehmung in Polen und Deutschland, Paderborn
et al. 2011; Cieszkowska, Magda (Red.): Wahrheit, Erinnerung, Verantwortung. Der Warschauer Aufstand im Kontext der deutsch-polnischen Beziehungen, Warszawa 2010; Davies, Norman: Rising '44 : ‚The battle for Warsaw‘, London et al. 2003; Borodziej, Włodzimierz: Der
Warschauer Aufstand 1944, Frankfurt/M. 2001; Martin, Bernd/Lewandowska, Stanisława
(Hrsg.): Der Warschauer Aufstand 1944, Warschau 1999.
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nationalisierende Betrachtung der polnischen bzw. polnisch-deutschen Geschichte ist.
Die deutsche Forschung scheint sich analog dazu endlich unvoreingenommen auf die
deutschen Verbrechen und ihre Protagonisten zu konzentrieren.83
Für die besetzten Gebiete der Sowjetunion, hier vor allem Weißrussland und die
Ukraine, konnten vor allem in der deutschen Forschung wesentliche Impulse durch die
Diskussionen über die Wehrmacht und die Beteiligung „ganz normaler Männer“ am
Vernichtungskrieg verzeichnet werden. So erschien eine ganze Reihe von Studien, teilweise als Regionalstudien angelegt, die gerade durch diese neu ausgerichtete Fragestellung hinsichtlich der Täter, aber auch durch die Einbeziehung der Opferperspektive und
die Auswertung nicht-deutschsprachiger Quellen und Forschungen neue Ergebnisse zu
Tage gefördert haben.84 Nicht zuletzt aufgrund des Charakters des Ostkriegs liegt der
Schwerpunkt auf der brutalen Kriegsführung der Wehrmacht und dem Terror gegenüber
der Zivilbevölkerung, und in diesem Rahmen wiederum auf dem Verhalten bzw. der
Interaktion von Besatzern und Besetzten. Wir haben es hier in den letzten Jahren mit
einer regelrechten Flut an deutsch- und englischsprachigen Studien zu tun, die offenbaren, dass auch für den relativ intensiv erforschten Krieg im Osten durch einen Perspektivenwechsel, die Erschließung neuer Quellen sowie neue methodische Zugänge noch
sehr viele thematische Bereiche zu erschließen sind – nicht zuletzt durch vergleichende
Regionalstudien.
83
So außer den in Anmerkung 77 genannten Titeln zum Beispiel: Meindl, Ralf: Ostpreußens
Gauleiter: Erich Koch. Eine politische Biographie, Osnabrück 2007.
84
Vgl. exemplarisch folgende Studien, die zum Großteil aus Qualifikationsarbeiten entstanden:
Kilian, Jürgen: Wehrmacht und Besatzungsherrschaft im Russischen Nordwesten 1941–1944.
Praxis und Alltag in der Militärverwaltungszone der Heeresgruppe Nord, Paderborn et al.
2012; Christ, Michaela: Die Dynamik des Tötens. Die Ermordung der Juden von Berditschew.
Ukraine 1941–1944, Frankfurt/M. 2011; Hartmann, Christian: Der deutsche Krieg im Osten
1941–1944. Facetten einer Grenzüberschreitung. München 2009 (Quellen und Darstellungen
zur Zeitgeschichte 76); Pohl, Dieter: Die Herrschaft der Wehrmacht. Deutsche Militärbesatzung und einheimische Bevölkerung in der Sowjetunion 1941–1944, München 2008; Kunz,
Norbert: Die Krim unter deutscher Herrschaft 1941–1944. Germanisierungsutopie und Besatzungsrealität, Darmstadt 2005; Ganzenmüller, Jörg: Das belagerte Leningrad 1941–1944. Die
Stadt in den Strategien von Angreifern und Verteidigern, Paderborn et al. 2005; Berkhoff, Karel C.: Harvest of Despair. Life and Death in Ukraine under Nazi Rule, Cambridge
MA/London 2004; Gerlach, Christian: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, Hamburg 2000; Chiari: Alltag hinter der
Front; Böhler: Auftakt zum Vernichtungskrieg.
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I. 2.2. Forschungen zu den Städten des „Dritten Reiches“ und der besetzten Gebiete
Unterrepräsentiert bleiben bisher in der deutschen wie internationalen Forschung zum
Zeitraum 1939–1945 die Großstädte, sowohl diejenigen des Deutschen Reiches als auch
jene der besetzten Gebiete.85 Zwar ist das Feld „Nationalsozialismus in der Region“
spätestens seit dem legendären „Bayern-Projekt“ des Instituts für Zeitgeschichte unter
der Leitung von Martin Broszat fest etabliert in der Forschungslandschaft;86 trotz der
regen Aktivitäten auf dem Gebiet der Erforschung deutscher Städte in der Zeit des Nationalsozialismus seit den 1970er Jahren87 dauerte es jedoch bis zum Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends, bis Überblicksdarstellungen erschienen, die das großstädtische Leben im NS-Deutschland komplex und unter verschiedenen Aspekten beleuchteten. Den Anfang machte Hamburg – hier wurde im Jahre 2005 eine „erste umfassende Bilanz zur Geschichte der Hansestadt im ‚Dritten Reich’“ vorgelegt, in der von
einem Autorenkollektiv verschiedene Aspekte der Machtergreifung und der Etablierung
des nationalsozialistischen Regimes untersucht wurden.88
Ein analoges, wenn auch unvergleichbar weniger „dichtes“ Werk erschien im
Jahre 2013 zu Berlin – dieses stellt, genau 80 Jahre nach der so genannten Machtergreifung, ebenfalls den ersten Versuch einer wissenschaftlichen Gesamtdarstellung der
85
Im Folgenden gehe ich vor allem auf Städte ein, die einer vergleichbaren Kategorie wie Prag
zuzuordnen sind (regionale bzw. nationale Metropole), bzw. auf Themen und Fragestellungen,
die eine überregionale Relevanz besitzen und in den letzten Jahren ins Zentrum der Forschung
gerückt sind.
86
Broszat, Martin et al. (Hrsg.): Bayern in der NS-Zeit. 6 Bände, München 1977–1983. Vgl.
auch: Vollnhals, Clemens (Hrsg.), Sachsen in der NS-Zeit, Leipzig 2002. In internationaler Perspektive: Möller, Horst/Wirsching, Andreas/Ziegler, Walter (Hrsg.): Nationalsozialismus in der
Region. Beiträge zur regionalen und lokalen Forschung und zum internationalen Vergleich,
München 1996.
87
Für einen Überblick vgl. die schon etwas älteren Forschungsberichte von SchmiechenAckermann, Detlef: Die Stadt im Nationalsozialismus. Aktuelle Forschungstendenzen, in: CarlHans Hauptmeyer/Jürgen Rund (Hrsg), Goslar und die Stadtgeschichte. Forschungen und Perspektiven 1399–1999, Bielefeld 2001, S. 211–228; ders.: Nationalsozialistische Herrschaft und
der Widerstand gegen das NS-Regime in deutschen Großstädten. Eine Bilanz der lokal- und
regionalgeschichtlichen Literatur, in: Archiv für Sozialgeschichte 38 (1998), S. 488–554.
88
Hamburg im „Dritten Reich“. Hrsg. v. d. Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg,
Göttingen 2005. Zitat: Schildt, Axel: Einleitung, in: ibid., S. 9–23, hier S. 22. Vgl. auch meine
Rezension in: Pražský sborník historický (PSH) 36 (2008), S. 307–318. Bereits in den 1990er
Jahren erschienen zudem zwei wichtige Sammelwerke zur Hansestadt im Nationalsozialismus:
Bajohr, Frank/ Szodrzynski, Joachim (Hrsg.): Hamburg in der NS-Zeit. Ergebnisse neuerer Forschungen, Hamburg 1995; Ebbinghaus, Angelika/Linne, Karsten (Hrsg.): Kein abgeschlossenes
Kapitel: Hamburg im „Dritten Reich“, Hamburg 1997.
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Geschichte der Stadt in der NS-Zeit dar.89 Dieses erstaunliche Versäumnis, so die beiden Herausgeber, zwei ausgewiesene Forscher auf dem Gebiet der NS-Geschichte, sei
„einerseits darauf zurückzuführen, dass Berlin pars pro toto für den deutschen Regierungssitz steht und zur Chiffre reduziert wird. Andererseits ist zu beobachten, dass allzu
lange immer dieselben Fragen – nach dem Verhältnis Hitlers zu der Stadt, den Bauplänen für ‚Germania‘ oder aber zur ‚Eroberung der Arbeiterhochburg‘ – gestellt wurden.“90 Hier wird im ersten Punkt auf ein Problem hingewiesen, das insbesondere die
Forschungen zu den (regionalen, nationalen) Metropolen lange Zeit charakterisiert hat
und genuin städtegeschichtliche Untersuchungen zum Teil immer noch hemmt: Die
Stadt figuriert häufig nur als „Bühne“ der „großen Politik“, für deren Herrschaftspraxis
und -inszenierung, als Ort, an dem in überregionalen Behörden von den Machthabern
Entscheidungen getroffen werden – was aber zum Teil auch auf die oft unbefriedigende
Quellenüberlieferung auf kommunaler Ebene zurückzuführen ist, die bei der Untersuchung kleinerer Einheiten stärker ins Gewicht fällt als bei größeren Räumen.
So dauerte es ebenfalls lange, bis zur Rheinmetropole Köln eine solche Synthese
vorgelegt wurde. Diese bisher einzige monographische Gesamtdarstellung zu einer
deutschen Großstadt im Nationalsozialismus übernahm einer der besten Kenner der
städtegeschichtlichen Problematik in der NS-Zeit, Horst Matzerath.91 Ergänzt wurde
diese umfangreiche Studie, die dem bisherigen Forschungsschwerpunkt ihres Autors
entsprechend der nationalsozialistischen Durchdringung der Kommunalpolitik besondere Aufmerksamkeit widmet, sich jedoch auch verschiedenen Aspekten des Alltags zu89
Wildt, Michael/Kreutzmüller, Christoph (Hrsg.): Berlin 1933–1945, Berlin 2013. Die meisten
Beiträge dieses Sammelwerkes basieren allerdings zum Großteil auf bereits publizierter Literatur. Schon zwei Jahre zuvor wurde ein Band der „Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus“ der Stadt Berlin gewidmet, dessen Aufsätze allerdings keine systematische oder konzeptionelle Behandlung der Problematik darstellen, sondern vielmehr sehr unterschiedliche Aspekte
aufgreifen: Hachtmann, Rüdiger/Schaarschmidt, Thomas/Süß, Winfried (Hrsg.): Berlin im Nationalsozialismus. Politik und Gesellschaft 1933–1945, Göttingen 2011 (Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 27). Zu einer spezifischen Thematik vgl. außerdem zuletzt: Zierenberg, Malte: Stadt der Schieber. Der Berliner Schwarzmarkt 1939–1950, Göttingen 2008.
90
Kreutzmüller, Christoph/Wildt, Michael: Berlin 1933–1945. Stadt und Gesellschaft im Nationalsozialismus, in: Wildt/Kreutzmüller (Hrsg.): Berlin 1933–1945, S. 7–16, hier S. 7. Vgl. von
den Autoren zum Thema zuletzt u. a.: Kreutzmüller, Christoph: Ausverkauf. Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930–1945, Berlin 2012; Bajohr/Wildt (Hrsg.): Volksgemeinschaft.
91
Matzerath, Horst: Köln in der Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945, Köln 2009 (Geschichte der Stadt Köln 12). Von Matzerath vgl. u. a. auch: Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, Stuttgart 1970 sowie eine Auswahl seiner Studien in: Becker-Jákli, Barbara/Jung, Werner/Ruther, Martin (Hrsg.): Nationalsozialismus und Regionalgeschichte. Festschrift für Horst Matzerath, Köln 2002.
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wendet, ein Jahr später durch eine etwas heterogene Aufsatzsammlung zu verschiedenen Aspekten des Kölner öffentlichen Lebens in der NS- und unmittelbaren Nachkriegszeit.92 Zu den weiteren für unser Thema interessanten deutschen Metropolen, wie
etwa Dresden oder Leipzig, aber auch die „Hauptstadt der Bewegung“ München oder
die „Stadt der Reichsparteitage“ Nürnberg, liegen, ähnlich wie im Übrigen auch für
Frankfurt am Main, hingegen bisher nur Teilstudien oder Sammelwerke vor, die sich
auf Einzelaspekte konzentrieren, jedoch keinen Versuch einer systematischen Gesamtdarstellung bilden. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Kommunalpolitik, dem
Stadtausbau und der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik.93
Gemein ist den vorliegenden Gesamtdarstellungen die Frage nach der Geschwindigkeit und dem Grad der „Nazifizierung“ dieser Städte – auf die im Grunde alle
zu der gleichen ernüchternden Antwort kommen wie Frank Bajohr im Falle Hamburgs,
der die nicht allein durch die Angst vor dem diktatorischen Terror zu erklärende breite
Zustimmung, welche die NS-Politik in der deutschen und auch hamburgischen Gesellschaft gefunden habe, hervorhebt. Vielmehr seien die Konturen dieser nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ noch in den ersten Nachkriegsjahrzehnten deutlich erkennbar gewesen.94
Einen Schwerpunkt der deutschen städtgeschichtlichen Einzelforschungen zur
NS-Zeit bildeten in den letzten Jahren daher auch nicht von ungefähr Arbeiten, welche
die Rolle der Stadtverwaltungen mittelgroßer Städte im Rahmen der Verfolgungs-, En-
92
Dülffer, Jost/Szöllösi-Janze, Margit (Hrsg.): Schlagschatten auf das „braune Köln“. Die NSZeit und danach. Köln 2010 (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins e.V 49).
93
Zu Frankfurt vgl. u. a. Tüffers, Bettina: Der Braune Magistrat. Personalstruktur und Machtverhältnisse in der Frankfurter Stadtregierung 1933–1945, Frankfurt/M. 2004 (Studien zur
Frankfurter Geschichte 54); Kingreen, Monica (Hrsg.): „Nach der Kristallnacht“. Jüdisches
Leben und antijüdische Politik in Frankfurt/M. 1938–1945, Frankfurt/M. et al. 1999 (Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts 17). Zu München siehe u. a.: Haerendel, Ulrike: Kommunale
Wohnungspolitik im Dritten Reich. Siedlungsideologie, Kleinhausbau und „Wohnungsarisierung“ am Beispiel München, München 1999 (Studien zur Zeitgeschichte, 57); Large, David
Clay: Where ghosts walked. Munich’s road to the Third Reich, New York 1997 (deutsche Ausgabe: Hitlers München. Aufstieg und Fall der Hauptstadt der Bewegung, München 1998);
Hanko, Helmut M.: Kommunalpolitik in der „Hauptstadt der Bewegung“ 1933–1935. Zwischen
„revolutionärer“ Umgestaltung und Verwaltungskontinuität, in: Martin Broszat/Elke Fröhlich/Anton Grossmann (Hrsg.): Bayern in der NS-Zeit. Bd. 3, München 1981, S. 329–441.
94
Vgl. Bajohr, Frank: Schlussbetrachtung. Meister der Zerstörung, in: Hamburg im „Dritten
Reich“, S. 687–691, hier S. 691.
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teignungs- und Vernichtungspolitik des nationalsozialistischen Regmies untersuchten.95
Innerhalb dieses Schwerpunktes kommt der Arisierung ein besonderer Stellenwert zu.96
Die Stadtgeschichtsforschung hat also auch im klassischen Bereich der Verwaltungsgeschichte ihre Methodenbasis und Fragestellungen gegenüber älteren Studien eindeutig
erweitert und beschäftigt sich, analog zu dem „Mainstream“ der NS-Forschung in den
letzten Jahren (siehe Kapitel I. 2.1), verstärkt vor allem mit der Täterforschung. Die Untersuchungsergebnisse sind zwar sicher nur eingeschränkt auf die eingesetzten Kommunalverwaltungen der besetzten Städte übertragbar, doch lässt sich auch hier die Frage
nach Handlungsfreiräumen und der Verfolgung eigener Interessen stellen, nicht zuletzt
auch in Hinblick auf die Implementierung (oder Verhinderung bzw. Behinderung) nationalsozialistischer Politik.
Ähnliches gilt für die österreichischen Städte.97 Hier erlebte die Pionierstudie
von Gerhard Botz zur „Machtübernahme, Herrschaftssicherung und Radikalisierung“ in
Wien 1938/39 bereits die vierte, ergänzte Auflage, in welcher der Autor allerdings kon95
Vgl. etwa Mecking, Sabine/Wirsching, Andreas (Hrsg.): Stadtverwaltung im Nationalsozialismus. Systemstabilisierende Dimensionen kommunaler Herrschaft, Paderborn 2005; Fleiter,
Rüdiger: Stadtverwaltung im Dritten Reich. Verfolgungspolitik auf kommunaler Ebene am Beispiel Hannovers, Hannover 2006; Gotto, Bernhard: Nationalsozialistische Kommunalpolitik.
Administrative Normalität und Systemstabilisierung durch die Augsburger Stadtverwaltung
1933–1945, München 2006; Schmiechen-Ackermann, Detlef/Kaltenborn, Steffi (Hg.): Stadtgeschichte in der NS-Zeit. Fallstudien aus Sachsen-Anhalt und vergleichende Perspektiven, Münster 2005; Schmiechen-Ackermann, Detlef: Stadt und Nationalsozialismus in Niedersachsen.
Deutungsmuster und konzeptionelle Überlegungen, Stand und Perspektiven der Forschung, in:
Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 77 (2005), S. 31–53; Bergerson, Andrew
Stuart: Ordinary Germans in Extraordinary Times: The Nazi Revolution in Hildesheim, Bloomington–Indianapolis 2004.
96
Siehe zuletzt etwa: Fritsche, Christiane: Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt. Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim, Ubstadt-Weiher u. a. 2013; Henkel,
Matthias/Dietzfelbinger, Eckart (Hrsg.): Entrechtet. Entwürdigt. Beraubt. Die Arisierung in
Nürnberg und Fürth. Begleitbuch zur Ausstellung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg (17. November 2012 bis 31. Juli 2013), Petersberg 2012; Balz, Hanno
(Hrsg.): Verdrängung und Profit. Die Geschichte der „Arisierung“ jüdischen Eigentums in
Lüneburg 1933–1943, Lüneburg 2011; Rappl, Marian: „Arisierungen“ in München. Die
Verdrängung der jüdischen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsleben der Stadt 1933–1939,
in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 63/1 (2000), S. 123–184; Biggeleben, Christof/Schreiber, Beate/Steiner, Kilian J. L. (Hrsg.): „Arisierung“ in Berlin, Berlin 2007; Gibas,
Monika (Hrsg.): „Arisierung in Leipzig“. Annäherung an ein lange verdrängtes Kapitel der
Stadtgeschichte der Jahre 1933 bis 1945, Leipzig 2007; Selig, Wolfram: „Arisierung“ in München. Die Vernichtung jüdischer Existenz 1937–1939, Berlin 2004.
97
Deutsche und österreichische Städte im Nationalsozialismus (sowie das besetzte Warschau)
stellt in kurzen, größtenteils von ausgewiesenen Kennern verfassten Studien der Band: Mayrhofer, Fritz/Opll, Ferdinand (Hrsg.): Stadt und Nationalsozialismus, Linz 2008 (Beiträge zur
Geschichte der Städte Mitteleuropas 21), vor.
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statieren muss, dass seine Arbeit bisher „die einzige derartige über Wien geblieben“
sei.98 Für das Wien der Kriegszeit liegen uns daher nur einzelne Studien zu speziellen
Themenbereichen vor,99 wenngleich Botz in seiner Arbeit stellenweise über den gewählten Zeitraum hinausgeht und auch im 3. Band der mehrbändigen Geschichte Wiens
den Jahren 1939–1945 immerhin gut 50 Seiten gewidmet wurden.100 Andere österreichische Städte sind dagegen mittlerweile besser erforscht. Zu nennen ist hier an vorderster Stelle das groß angelegte Projekt zur Stadt Salzburg im Nationalsozialismus, in
dessen Rahmen bisher vier Bände erschienen sind.101
Eine analoge Aufarbeitung hat auch die Geschichte der Stadt Linz, „Gründungsstadt des Großdeutschen Reiches“ bzw. „Patenstadt des Führers“ und nationalsozialistische Hochburg in Österreich, erfahren. Hier ist insbesondere das äußerst umfangreiche
(1754 S.!), zweibändige Ergebnis eines von der Stadt geförderten Projektes zum „Nationalsozialismus in Linz“ hervorzuheben,102 das aber, ebenso wie die genannten Bände
zu Salzburg, typischerweise von der deutschen Forschung bisher weitgehend ignoriert
98
Botz, Gerhard: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung 1938/39. Mit einem Nachwort von Karl R. Stadler. Überarbeitete und erweiterte
Neuauflage, Wien 2008, Zitat auf S. 11.
99
Vgl. neben Botz’ älterer, ebenfalls bahnbrechender Studie: Wohnungspolitik und Judendeportationen in Wien 1938 bis 1945. Zur Funktion des Antisemitismus als Ersatz nationalsozialistischer Sozialpolitik, Wien 1975, aus den letzten Jahren zum Beispiel: Bailer-Galanda, Brigitte
et al.: „Arisierung“ und Rückstellung von Wohnungen in Wien, Wien 2004; Spring, Claudia
Andrea: Zwischen Krieg und Euthanasie. Zwangssterilisationen in Wien 1940–1945, Wien u. a.
2009; Ash, Mitchell G./Nieß, Wolfram/Pils, Ramon (Hrsg.): Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus: Das Beispiel der Universität Wien, Göttingen 2010; Holzschuh, Ingrid: Wiener
Stadtplanung im Nationalsozialismus von 1938 bis 1942. Das Neugestaltungsprojekt von Architekt Hanns Dustmann, Wien 2011.
100
Vgl. das Kapitel „Endspiel“ in dem von Wolfgang Maderthaner verfassten Abschnitt 2
(„Von der Zeit um 1860 bis zum Jahr 1945“) in: Csendes, Peter/Opll, Ferdinand (Hrsg.): Wien.
Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart, Wien–Köln–Weimar 2006, S. 489–
544.
101
Kramml, Peter F./Hanisch, Ernst (Hrsg.): Hoffnungen und Verzweiflung in der Stadt Salzburg 1938/39. Vorgeschichte, Fakten, Folgen, Salzburg 2010 (Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus 1); Kramml, Peter F./Kühberger, Christoph (Hrsg.): Inszenierung der Macht. Alltag,
Kultur, Propaganda, Salzburg 2011 (Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus 2); Weidenholzer, Thomas/Lichtblau, Albert (Hrsg.): Leben im Terror. Verfolgung und Widerstand, Salzburg
2012 (Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus 3); Veits-Falk, Sabine/Hanisch, Ernst (Hrsg.):
Herrschaft und Kultur. Instrumentalisierung, Anpassung, Resistenz, Salzburg 2013 (Die Stadt
Salzburg im Nationalsozialismus 4).
102
Mayrhofer, Fritz/Schuster, Walter (Hrsg.): Nationalsozialismus in Linz. 2. Bde., Linz 2001.
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wurde.103 Daneben sind neuere Projekte und Studien besonders zu der Verfolgung der
Linzer Juden sowie zur Rüstungsindustrie und dem Problem der Zwangsarbeit hervorzuheben.104
Ein Themenkomplex, der sowohl die Städte des „Dritten Reichs“ als auch diejenigen der besetzten Gebiete verbindet, bisher für die Großstädte im Zweiten Weltkrieg
allerdings erst in Ansätzen von der genuin städtegeschichtlichen Forschung aufgegriffen
wurde, ist – in Analogie zu den neueren kultur- und militärhistorischen Forschungen zur
Kriegsgesellschaft – die „Stadt im Krieg“ bzw. der „Krieg in der Stadt“.105 Dabei geht
es nicht nur um den „Urbizid“, also die systematische (physische) Zerstörung von Städten, sondern vielmehr um einen „qualitativen Wandel“ des städtischen Lebens: „Die
umfassende Transformation von Gesellschaften und Ökonomien zu Kriegsgesellschaften und Kriegsökonomien, die direkte oder indirekte Eingliederung der gesamten Bevölkerung in einen nationalen Militärapparat bedrohen die Grundlagen des urbanen Lebens
überhaupt“, wie Marcus Funck konstatiert.106 Leider gibt es bisher für den Zweiten
Weltkrieg bisher keine Parallele zu dem zweibändigen, sozialhistorisch angelegten Pionierwerk „Capital Cities at War“, das das Leben in Berlin, London und Paris im Ersten
Weltkrieg vergleichend untersucht.107
Eine nach „Stadt-Kategorien“ gegliederte Zusammenschau in Ansätzen (es handelt sich leider nur um den Abdruck der Referate ohne Fußnoten) bietet uns ein zu Be103
Die Ausnahme bilden nach den Angaben in der Internationalen Bibliographie der Rezensionen (IBR) Besprechungen in den „Beiträgen zur Geschichte des Nationalsozialismus“ 2003
sowie in der Zeitschrift „Das historische-politische Buch“ von 2002.
104
Vgl. Rathkolb, Oliver (Hrsg.): NS-Zwangsarbeit. Der Standort Linz der „Reichswerke Hermann Göring AG Berlin“ 1938–1945, Wien u. a. 2001; John, Michael: Die jüdische Bevölkerung in Linz und ihre Ausschaltung aus öffentlichem Leben und Wirtschaft 1938–1945, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1991 (1992), S. 111–168.
105
Vgl. z. B. die chronologisch angelegte, alltagsgeschichtliche Darstellung zu Köln im Zweiten
Weltkrieg: Rüther, Martin: Köln im Zweiten Weltkrieg. Alltag und Erfahrungen zwischen 1939
und 1945. Darstellung, Bilder, Quellen, Köln 2005. Von der internationalen Forschung siehe
etwa: Ziegler, Philip: London at War. 1939–1945, London 2002; van der Pauw, Johannes Leonard: Rotterdam in de Tweede Wereldoorlog, 3. Aufl. Amsterdam 2011.
106
Funck, Marcus: Stadt und Krieg im 20. Jahrhundert, in: ders. (Hrsg.): Themenschwerpunkt:
Stadt und Krieg im 20. Jahrhundert, Berlin 2004 (Informationen zur modernen Stadtgeschichte
2/2004), S. 5–9, hier S. 5.
107
Winter, Jay/Robert, Jean-Louis (Hrsg.): Capital cities at war. Paris, London, Berlin 1914–
1919, Cambridge u. a. 1997; dies. (Hrsg.): Capital cities at war. Paris, London, Berlin 1914–
1919. Volume 2. A Cultural History, Cambridge 2007. Der Band Chassaigne, Philippe/AudoinRouzeau, Stéphane (Hrsg.): Villes en guerre (1914–1945), Paris 2004, beschäftigt sich nur minimal mit der Stadt im Zweiten Weltkrieg (siehe v. a. Cointet, Jean-Paul: Paris occupé 1940–
1944, in: ibid., S. 229–236).
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ginn der 1990er Jahre erschienener, internationaler Tagungsband zum Thema „Städte
im Zweiten Weltkrieg“,108 in dem vor allem die programmatischen Einleitung von Tomasz Szarota für das Thema dieser Arbeit von Interesse ist.109 Dass die Forschung auch
in den folgenden anderthalb Jahrzehnten nicht viel weiter fortgeschritten ist, zeigt der
ebenfalls sehr heterogene Tagungsband des Prager Stadtarchivs von 2007 zu den europäischen Großstädten im Zweiten Weltkrieg,110 aus dem allerdings immerhin deutlich
hervorgeht, dass die Menschen in verschiedenen mittel- und südosteuropäischen Städten
(z. B. Prag, Krakau oder Ljubljana) mit ähnlichen Problem zu kämpfen hatten und auch
ähnliche Strategien anwandten, um diese zu bewältigen.
Kriegsstädte per definitionem waren schließlich die besetzten europäischen
Städte. Wie schon aus dem vorherigen Kapitel I. 2.1 deutlich wurde, profitiert auch die
Stadtgeschichte von dem allgemeinen Aufschwung der Okkupationsforschung und der
Verschiebung des Blicks auf alltags- und sozialgeschichtliche bzw. „kulturgeschichtliche“ Fragestellungen. Da auch hier das Feld recht weit ist, beschränkt sich die kurze
Übersicht auf die neuere Literatur zu ostmittel- und westeuropäischen Metropolen (Polen, Frankreich, Niederlande/Belgien); hier sind zum einen der Zeitpunkt der Besatzung
und die Besatzungsdauer, zum anderen die geographischen Parameter und damit auch
die ideologischen Komponenten der NS-Besatzungspolitik für eine Kontextualisierung
des in vielerlei Hinsicht „hybriden“ Prager Falls relevant.111 Im Zentrum der Aufmerk-
108
Hiller, Marlene P.; Jäckel, Eberhard/Rowehr, Jürgen (Hrsg.): Städte im 2. Weltkrieg. Ein
internationaler Vergleich, Essen 1991.
109
Szarota, Tomasz: Der Alltag in den besetzten Hauptstädten Europas als Gegenstand der
Forschung, in: Hiller/Jäckel/Rowehr (Hrsg.): Städte im 2. Weltkrieg, S. 10–25.
110
Fejtová, Olga/Ledvinka, Václav/Pešek, Jiří (Hrsg.): Evropská velkoměsta za druhé světové
války. Každodennost okupovaného velkoměsta: Praha 1939–1945 v evropském srovnání, Praha
2007. Vgl. auch meine Rezension des Bandes in: ČČH 109/2 (2011), S. 382–385.
111
Die süd-, südost- und osteuropäischen Städte werden in diesem Kontext insbesondere wegen
des Zeitpunkts und der Umstände der Besatzung nicht behandelt. Zudem war der Charakter des
Besatzungsregimes gerade in den Städten des Ostens, etwa in der Ukraine, sehr spezifisch. Zu
den besetzten Hauptstädten Skandinaviens, Oslo und Kopenhagen, ist dagegen bisher nur sehr
wenig geforscht worden. Zu Kopenhagen vgl. z. B. die drei Beiträge zur Kriegszeit in: Henningsen, Peter/Mariager, Rasmus (Hrsg.): Strenge tider. København i krig og fred 1943–49,
København 2006 (Historiske meddelelser om København 99). Zu Oslo siehe die Studie von
Moll, Martin: Norwegens Hauptstadt Oslo 1940–1945. Eine besetzte „germanische“ Stadt im
Kampf um kulturelle Deutungshoheit, in: Fejtová/Ledvinka/Pešek (Hrsg.): Evropská velkoměsta, S. 513–546. Zum „Reichskommissariat Norwegen“ vgl. grundlegend: Bohn, Robert: Reichskommissariat Norwegen. „Nationalsozialistische Neuordnung“ und Kriegswirtschaft, München
2000. Siehe ferner: Ders. (Hrsg.): Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern
1940–1945, Stuttgart 1997 (Historische Mitteilungen Beiheft 26).
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samkeit stehen dabei im Sinne der vorliegenden Arbeit vor allem solche Studien, die
sich auch mit der bisher vergleichweise wenig erforschten Besatzergesellschaft beschäftigen.
Wenn wir als erste Vergleichsachse die polnischen Städte Warschau und Krakau
wählen,112 so sind zunächst die Werke eines der internationalen Experten auf diesem
Gebiet, des bereits erwähnten Tomasz Szarota, zu nennen, der sowohl zum Alltag im
besetzten Warschau als auch zum Alltagsleben in den besetzten Hauptstädten Europas
zwar deskriptiv angelegte, aber aufgrund ihres umfassenden Charakters sehr verdienstvolle Werke veröffentlicht hat.113 In diesen widmet er sich am Rande auch der Besatzergesellschaft, wenngleich dies in erster Linie auf der Basis veröffentlichter Quellen oder
der zeitgenössischen Presse erfolgt. So skizziert er etwa neben den zivilen Besatzungsbehörden, ihren Protagonisten und den deutschen Truppen in der Stadt auch das „deutsche Viertel“, das für die Beamten und Angehörigen des Militärs errichtet wurde.114
Ins Zentrum der Betrachtung rückte Stephan Lehnstaedt die Warschauer Besatzergesellschaft: So legte er, an Szarotas Studien anknüpfend, 2010 eine Arbeit zum
„Besatzeralltag in Warschau und Minsk“ vor, die sich allerdings überwiegend auf die
Warschauer Thematik konzentriert. In seiner Studie geht er der Leitfrage nach, welche
Bedingungen „ganz normale Männer“ zu Gewalttätern und Massenmördern werden
ließen. Leider konzentriert er sich mehr auf soziologische Erklärungsmodelle (so konstatiert er in Anlehnung an Bourdieu einen „Besatzungshabitus“), ohne diese jedoch
näher empirisch zu fundieren, als auf eine detailliertere Untersuchung der Struktur der
Besatzergesellschaft.115 Da diese Studie allerdings eine der wenigen ist, die für den
ostmitteleuropäischen Raum überhaupt dieses Thema aufgreifen, können wir sie für die
Untersuchung der deutschen Gesellschaft im besetzten Prag insbesondere hinsichtlich
112
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass selbstverständlich
auch zu anderen polnischen Städten in den letzten Jahren wieder verstärkt geforscht wird, die
aufgrund ihrer Charakteristik jedoch in dieser kurzen Übersicht ausgespart werden. Dies betrifft
insbesondere Łódż/Litzmannstadt im „Reichsgau Wartheland“. Siehe hierzu zuletzt: Horwitz,
Gordon J: Ghettostadt. Lódz and the making of a Nazi city, Cambridge/Mass. 2008.
113
Szarota, Tomasz: Warschau unter dem Hakenkreuz. Leben und Alltag im besetzten Warschau 1.10.1939 bis 31.7.1944, Paris 1985 (hierbei handelt es sich um die stark gekürzte Übersetzung des 1973 in Warschau unter dem Titel Okupowanej Warszawy dzień powszedni. Studium historyczne erschienenen Originals). Ders.: Życie codzienne w stolicach okupowanej Europy. Szkice historyczne. Kronika wydarzeń, Warszawa 1995.
114
Vgl. Szarota: Warschau unter dem Hakenkreuz, S. 231–257.
115
Lehnstaedt: Okkupation in Osten. Siehe auch meine Besprechung in ČČH 109 (2011) 3, S.
584–589.
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der Rahmenbedingungen der Okkupation wie auch in Bezug auf die Strukturierung und
Reglementierung des Alltags durchaus als Vergleichsfolie betrachten.
Dass mit Blick auf Prag vielleicht eher ein Vergleich mit der Hauptstadt des
„Generalgouvernements“ Krakau als mit Warschau lohnte, deuten schon die kurzen
Aufsätze in dem Kriegsstädteband des Prager Stadtarchivs an.116 Abgesehen von der
Größe der Stadt sowie vor allem der starken Stellung der katholischen Kirche in der
kleinpolnischen Metropole gab es im Besatzungsalltag nämlich durchaus einige Parallelen: Etwa die ideologische Aufladung Krakaus als „alte deutsche Stadt“ mit entsprechenden „Re-Germanisierungsbemühungen“, die Funktion der Stadt als Hauptstadt und
Verwaltungssitz eines nominell autonomen Gebietes mit allen damit verbundenen Aufgaben und Problemen, die sozial spezifische, sehr heterogene deutsche Bevölkerung in
einer Stadt mehrerer Nationen. Zudem wurde in den letzten Jahren auf diesem Felde
relativ viel geforscht: So legte eine Autorin 2011 eine Schrift zum Alltag im besetzten
Krakau vor,117 die als Ergänzung der umfangreichen, nach den verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegliederten Gesamtdarstellung von Andrzej Chwalba betrachtet werden
kann. Letztere widmet dem „deutschen Krakau“ – neben der durchgängigen Skizzierung
der Besatzungspolitik – zumindest ein Kapitel.118 Zugleich sind Einzelaspekte, wie etwa
die Judenverfolgung, die „Sonderaktion Krakau“ oder der „Untergrundstaat“ mittlerweile relativ gut erforscht.119 Studien, die sich vorwiegend mit der Besatzergesellschaft
beschäftigen würden, liegen allerdings bisher nicht vor.
Ähnlich sieht es aus für die westeuropäischen besetzten Städten. So können wir
etwa für die niederländischen und belgischen Städte zwar ebenfalls in den letzten Jahren
vor allem alltagsorientierte Gesamtdarstellungen verzeichnen, eine nähere Beschäfti116
Chrobaczyński, Jacek/Trojański, Piotr: Cracow – the capital of the General Government.
Functions of the city in the system of the German occupation and clandestine activity, in: Fejtová/Ledvinka/Pešek (Hrsg.): Evropská velkoměsta, S. 57–70; Czocher, Anna: The official cultural life in occupied Cracow in the opinions of its habitants, in: ibid., S. 343–353; Gabryś, Anna:
Everyday life in Cracow’s salons: The way to preserve normality, in: ibid., S. 355–364. Vgl.
zum Folgenden meine erwähnte Besprechung in ČČH 109/2 (2011), S. 382–385.
117
Czocher: W okupowanym Krakowie.
118
Chwalba: Okupacyjny Kraków. Das „deutsche Krakau“ wird auf den Seiten 41–85 behandelt, zur Besatzungspolitik gegenüber dem „polnischen Krakau“ siehe v. a. die Seiten 163–256.
119
Vgl. zuletzt: Löw, Andrea/Roth, Markus: Juden in Krakau unter deutscher Besatzung. 1939–
1945, Göttingen 2011; Bochenek, Marta (Red.): Polskie Państwo Podziemne w okupowanym
Krakowie. Materiały sesji naukowej odbytej 14 kwietnia 2012 roku, Kraków 2013 (Kraków w
Dziejach Narodu 32); August, Jochen (Hrsg.): „Sonderaktion Krakau“. Die Verhaftung der
Krakauer Wissenschaftler am 6. November 1939, Hamburg 1997.
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gung mit den Besatzern und der konkreten Beherrschung des Stadtraums ist jedoch nur
in Ansätzen vorhanden. Vielmehr steht analog zu der Erforschung größerer Regionen
bzw. des Besatzungsregimes insbesondere die Herrschaftsorganisation im Zusammenspiel von Besatzern und Besetzten, also die Kollaboration, vor allem in Hinsicht auf die
Judenverfolgung, im Fokus.120 Ähnlich wie im Falle der polnischen Städte ist jedoch am
Rande zu konstatieren, dass sich fast ausschließlich Forscher aus den jeweiligen Ländern mit dieser Problematik beschäftigen und die Forschungsergebnisse daher größtenteils in einer weniger zugänglichen Sprache vorliegen, was Vergleiche erschwert.121
Das besetzte Paris hingegen scheint eine breite, internationale Forschergemeinde
anzuziehen, so dass nach Öffnung der Archive eine Reihe neuerer Studien an ältere Ergebnisse anknüpfen bzw. diese differenzieren konnten.122 So legte zuletzt Allan Mitchell eine umfassende, quellengestützte Studie vor, die er selbst als Ergänzung zu den
bereits zitierten Studien von Paxton und Jackson betrachtet und in der er sein Hauptaugenmerk auf die Besatzer richtet.123 Paris wird in dieser chronologisch-thematisch angelegten Darstellung sehr komplex sowohl als städtischer Raum als auch und vor allem als
Machtzentrale des besetzten Frankreichs porträtiert, wobei die polykratischen Machtstrukturen und die Akteure des Besatzungsregimes ebenso wie der Spielraum der bzw.
die Interaktion mit den lokalen Behörden im Zentrum stehen. Zu bemängeln ist sicher
120
Vgl. Meershoek, Guus: Dienaren van het gezag. De Amsterdamse politie tijdens de bezetting, Amsterdam 1999; van der Boom, Bart: Den Haag in de Tweede Wereldoorlog, Den
Haag 1995; van der Pauw: Rotterdam in de Tweede Wereldoorlog; Delplancq, Thierry: Des
paroles et des actes. L'administration bruxelloises et le registre des Juifs 1940–1941, in: Cahiers
d'histoire du temps present 12 (2003), S. 141–179; ders.: L'exclusion des Juifs de la fonction
publique en Belgique 1940–1944. Le cas des administrations locales bruxelloises, in: Revue
belge d'histoire contemporaine 35/2-3 (2005), S. 243–278; Brachfeld, Sylvain: De collaboratie
van de politie bij de arrestatie van de Antwerpse joden gedurende de Duits bezetting van België,
in: Bulletin trimestriel de la fondation Auschwitz 84 (2004), S. 53–72.
121
Eine Ausnahme bildet die darüber hinaus vergleichende Studie von Wouters, Nico: Municipal Government during the Occupation (1940–5): A Comparative Model of Belgium, the
Netherlands and France, in: European History Quarterly 36/2 (2006), S. 221–246. Die vielleicht
erste deutschsprachige, wenn auch eher populäre Gesamtdarstellung der Besetzung Amsterdams
ist Beuys, Barbara: Leben mit dem Feind. Amsterdam unter deutscher Besatzung Mai 1940 bis
Mai 1945, München 2012.
122
Von den älteren Studien vgl. v. a. Michel, Henri: Paris allemand, Paris 1981, und PryceJones, David: Paris in the Third Reich: A History of German Occupation, London 1981. Aus
historiographischer Sicht eher zu vernachlässigen sind der multidisziplinäre, sehr heterogene
Konferenzband Drost, Wolfgang et al. (Hrsg.): Paris sous l'Occupation – Paris unter deutscher
Besatzung. Actes du 3e colloque des Universités d'Orléans et de Siegen, Heidelberg 1995,
sowie die lediglich literaturgestützte Erzählung von Cointet, Jean-Paul: Paris 40–44, Paris 2001.
123
Mitchell, Allan: Nazi Paris. The history of an occupation. 1940–1944, New York 2008.
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nicht zuletzt angesichts des Titels, dass die genuin stadtgeschichtliche Perspektive in
dieser Arbeit etwas zu kurz kommt.
Einen eigenen Forschungsschwerpunkt zu Paris bildet ferner das Kulturleben in
der besetzten Stadt.124 Für die deutsche Forschung steht dabei die auswärtige Kulturpolitik im Fokus – aufgrund der Bedeutung dieses Bereichs für die nationalsozialistische
Propaganda dient jedoch auch hier die Stadt wieder in erster Linie nur als Bühne des
Geschehens. Gleichzeitig eröffnet sich jedoch mittels dieser Thematik ein weiteres Feld,
auf dem sowohl die durch Kompetenzstreitigkeiten gezeichnete deutsche Besatzungspolitik und ihre Entscheidungsträger als auch die Interaktion mit den einheimischen Akteuren, die sich ständig im Spannungsfeld zwischen Kollaboration und Resistenz bewegten, skizziert werden.125
Insgesamt ist festzuhalten, dass die Okkupationsforschung vor allem auf dem
Feld der Stadtgeschichte noch erhebliche Defizite aufweist. Zu oft ist die Stadt weiterhin nur Entscheidungszentrale oder Schauplatz überregionaler politischer Maßnahmen.
Ein weiteres Desiderat stellen Studien zur Besatzergesellschaft dar, die sich gerade in
kleineren Räumen wie den besetzten Hauptstädten gut erforschen ließe; der Fokus liegt
weiterhin vielmehr auf der – ebenfalls noch keineswegs ausreichend erforschten – Gesellschaft und zunehmend auch auf dem Alltag der ansässigen Bevölkerung, für die etwa
im Falle Frankreichs zumindest einige Regionalstudien vorliegen; hier verfügten mikrohistorische Lokalstudien sicherlich über ein größeres Differenzierungspotenzial.
I. 2.3. Forschungen zum Protektorat und zu Prag
Wo ist die Forschung zu den böhmischen Ländern, vor allem zum Protektorat und zu
Prag, in dieser internationalen Forschungslandschaft zu verorten? Das „Protektorat
Böhmen und Mähren“ ist im Kontext der internationalen Besatzungsforschung gleich in
mehreren Hinsichten ein Ausnahmefall: So können wir, anders als in fast allen anderen
Ländern weder eine ähnlich rege Forschungstätigkeit zu diesem Zeitabschnitt der Geschichte, noch eine umfassende Aufarbeitung möglicher „weißer“ Flecken der Besat124
Siehe zuletzt für ein breiteres Publikum: Riding, Alan: And the show went on. Cultural life
in Nazi-occupied Paris, New York 2010.
125
Vgl. Engel, Kathrin: Deutsche Kulturpolitik im besetzten Paris 1940–1944: Film und Theater, München 2003 (Pariser Historische Studien 63). Siehe auch die ältere Arbeit von Michels,
Eckard: Das Deutsche Institut in Paris, 1940–1944: ein Beitrag zu den deutsch-französischen
Kulturbeziehungen und zur auswärtigen Kulturpolitik des Dritten Reiches, Stuttgart 1993.
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zungszeit, noch große gesellschaftliche Diskussionen zu bzw. ein reges Interesse an
diesbezüglichen Themen konstatieren, wenn auch insbesondere in den 1990er Jahren
einige ursprünglich vor 1989 verfasste Werke bzw. solche, die aufgrund ihrer Thematik
vor 1989 nicht hätten erscheinen können, publiziert wurden.126
Als Standardwerke für die Geschichte der böhmischen Länder unter deutscher
Besatzung gelten noch immer die Studien von Detlef Brandes zur politischen Geschichte des Protektorats aus den 1960er bzw. 1970er Jahren,127 die zuletzt durch die zweibändige Synthese von Jan Gebhart und Jan Kuklík Konkurrenz bekommen haben,
wenngleich sich Letztere weitgehend auf den bereits älteren Forschungsstand stützt und
ebenfalls klassische Themenfelder bedient.128 Die – thematischen wie methodologischen – Schwerpunkte der Forschung haben sich auch nach der Wende nicht wesentlich
verschoben; wie bereits Kučera und Zimmermann 2009 angemerkt haben, dominiert
weiterhin eine klassische politikgeschichtliche, ggf. militärgeschichtliche Perspektive
das Feld.129 Auch die Forschungen zur sog. „Heydrichiade“, die sicher einen Schwerpunkt in letzten Jahren bilden, bewegen sich innerhalb dieser Parameter.130
Als großes Thema wurde hingegen, quasi als parallele Entwicklung zu der in der
Bundesrepublik Deutschland sowie teilweise auch in Österreich einsetzenden seriösen
Beschäftigung mit diesem Problem, der Komplex „Vertreibung und Zwangsaussied126
Zu nennen sind insbesondere die Werke von Jan Gebhart, Jan Kuklík, Václav Kural, Robert
Kvaček Tomáš Pasák, Dušan Tomášek und anderen. Siehe etwa: Kural, Václav: Místo společenství konflikt! Češi a Němci ve Velkoněmecké říši a cesta k odsunu (1938–1945), Praha
1994; Tomášek, Dušan/Kvaček, Robert: Causa Emil Hácha, Praha 1995; Pasák, Tomáš: JUDr.
Emil Hácha (1938–1945). Předmluva: Robert Kvaček, Praha 1997; ders.: Pod ochranou Říše,
Praha 1998; Tomášek, Dušan/Kvaček, Robert: Obžalována je vláda, Praha 1999.
127
Brandes, Detlef: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Teil I. Besatzungspolitik,
Kollaboration und Widerstand im Protektorat Böhmen und Mähren bis Heydrichs Tod (1939–
1942), München–Wien 1969; Brandes, Detlef: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Teil
II. Besatzungspolitik, Kollaboration und Widerstand im Protektorat Böhmen und Mähren von
Heydrichs Tod bis zum Prager Aufstand (1942–1945), München–Wien 1975.
128
Gebhart, Jan/Kuklík, Jan: Velké dějiny zemí Koruny české. 1938–1945. Bd. XVa u. XVb,
Praha–Litomyšl 2006 u. 2007.
129
Kučera/Zimmermann: Zum tschechischen Forschungsstand. Vgl. exemplarisch auch die Studie von Maršálek, Pavel: Pod ochranou hákového kříže. Nacistický okupační režim v českých
zemích 1939–1945, Praha 2012, die im Kontext der tschechischen Forschungen zum Protektorat
sicher nicht zu vernachlässigen ist, jedoch bis auf Ausnahmen nur die tschechische Literatur zur
Kenntnis nimmt.
130
Vgl. zuletzt Šustek, Vojtěch: Atentát na Reinharda Heydricha a druhé stanné právo na území
tzv. protektorátu Čechy a Morava: edice historických dokumentů. Bd. 1, Praha 2012. Kyncl,
Vojtěch: Bez výčitek... Genocida Čechů po atentátu na Reinharda Heydricha, Praha 2012 (Práce
Historického ústavu AV ČR. Řada A, Monographia, 40) bemüht sich immerhin um einen im
tschechischen Kontext etwas anderen Ansatz, nämlich den der Täterforschung.
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lung“ entdeckt, der Blick also auf das Kriegsende und die Nachkriegszeit gerichtet.
Bahnbrechend waren hier vor allem die teilweise auch ins Deutsche übersetzten Arbeiten von Tomáš Staněk, die von der deutschen Forschung u. a. durch eine Reihe von Tagungsbänden ergänzt werden.131 Diese kritische bzw. teils vielleicht gar etwas überkritische Beschäftigung mit diesen Ereignissen hat jedoch überraschenderweise keine weiteren Impulse für die Erforschung der Besatzungszeit, also die unmittelbar der Vertreibung und Zwangsaussiedlung vorangehenden Ereignisse, ausgelöst.
Zugleich gilt weiterhin, auch im Kontext der Vertreibungsproblematik, die ebenfalls bereits von Kučera und Zimmermann getroffene Feststellung, dass die tschechische
Historiographie die internationalen Kontexte wie auch die internationale Forschung nur
wenig zur Kenntnis nimmt. Als jüngstes Beispiel können hier die beiden Tagungen des
Ústav pro studium totalitních režímů aus den Jahren 2012 und 2013 dienen, die sich
unter dem Titel „Válečný rok 1942 (resp. 1943) v okupované Evropě a v protektorátu
Čechy a Morava“ im Grunde ausschließlich mit tschechoslowakischen Themen beschäftigten und sich vorwiegend auf militärische Angelegenheiten sowie, traditionellerweise,
den Widerstand konzentrierten.
Dabei ließen sich, wie aus der groben Übersicht deutlich wurde, nicht zuletzt
aufgrund des etwas fortgeschritteneren Forschungsstandes in anderen Ländern Europas
durchaus Vergleichsperspektiven finden – um Parallelen, aber auch Unterschiede zu der
Situation in den böhmischen Ländern herauszuarbeiten. Dies könnte etwa gerade diejenigen Bereiche betreffen, zu denen durchaus bereits einzelne Studien vorliegen, wenn
131
Siehe u. a. Staněk, Tomáš: Odsun Němců z Československa 1945–1947, Praha 1991; Tábory
v českých zemích 1945–1948, Šenov u Ostravy 1996; Perzekuce 1945. Perzekuce tzv. státně
nespolehlivého obyvatelstva v českých zemích (mimo tábory a věznice) v květnu–srpnu 1945,
Praha 1996 bzw. Verfolgung 1945. Die Stellung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien (außerhalb der Lager und Gefängnisse), Wien–Köln–Weimar 2002 (Buchreihe des Institutes für den Donauraum und Mitteleuropa 8). Von der deutschen Forschung vgl. v. a. Brandes,
Detlef: Der Weg zur Vertreibung 1938–1945. Pläne und Entscheidungen zum Transfer der
Deutschen aus der Tschechoslowakei und aus Polen, 2., überarb. u. erw. Aufl. München 2005
(Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 94). Im weiteren Kontext wurde das Thema von
der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission schon Ende der
1990er Jahre betrachtet: Brandes, Detlef /Ivaničková, Edita/Pešek, Jiří (Hrsg.): Erzwungene
Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938–1947 im
Vergleich mit Polen, Ungarn und Jugoslawien, Essen 1999. Siehe auch: Melville, Ralph/Pešek,
Jiří/Scharf, Claus (Hrsg.): Zwangsmigrationen im Mittleren und Östlichen Europa. Völkerrecht
– Konzeptionen – Praxis (1938–1950), Mainz 2007; Pešek, Jiří/Tůma, Oldřich/Kittel, Manfred/Möller, Horst (Hrsg.): Německé menšiny v právních normách 1938–1948. Československo
ve srovnání s vybranými evropskými zeměmi, Brno 2006.
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auch in unterschiedlicher Dichte: Die Erforschung von Holocaust und Arisierung in den
böhmischen Ländern wurde insbesondere durch die rege Forschungs- und Publikationstätigkeit der Theresienstädter Initiative vorangebracht;132 für die Kollaboration ist bis
heute wohl das aus dem Nachlass herausgegebene Buch von Tomáš Pasák133 die umfassenste tschechische Gesamtdarstellung zu dieser Problematik, Studien jüngeren Datums
beschäftigen sich insbesondere mit der Filmproduktion und -wirtschaft im Protektorat.134 Für den Bereich der Kultur liegen ebenfalls bereits ältere Studien vor,135 die weitere Tätigkeit auf diesem Gebiet ist recht divers;136 die vielleicht regste Forschungstätigkeit in diesem Zusammenhang können wir auf dem Feld der Wissenschaftsgeschichte verorten.137 Der Alltag liegt bisher noch weitgehend außerhalb der Wahrneh-
132
Vgl. insbesondere die Arbeiten von Jaroslava Milotová und Miroslav Kárný. Zur Arisierung
siehe v. a. die Publikationen von Drahomír Jančík und Eduard Kubů (v. a. Jančík, Drahomír/
Kubů, Eduard: „Arizace“ a arizátoři. Drobný a střední židovský majetek v úvěrech Kreditanstalt
der Deutschen (1939–45), Praha 2005 und dies./ Šouša, Jiří: Arisierungsgewinnler. Die Rolle
der deutschen Banken bei der „Arisierung“ und Konfiskation jüdischer Vermögen im Protektorat Böhmen und Mähren (1939–1945), Wiesbaden 2011 (Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Ostmitteleuropas 21)) sowie etwa von Petr Bednařík zur Kinematographie (Arizace
české kinematografie, Praha 2003).
133
Pasák, Tomáš: Český fašismus 1922–1945 a kolaborace 1939–1945, Praha.
134
Kašpar, Lukáš: Český hraný film a filmaři za protektorátu. Propaganda, kolaborace, rezistence, Praha 2007; Motl, Stanislav: Mraky nad Barrandovem, Praha 2006. Verschiedene Aspekte wurden immerhin zuletzt in dem Bändchen Petráš, Jiří (Red.): Kolaborace. Kolaborace? Kolaborace! Sborník příspěvků z vědecké konference konané v Jihočeském muzeum v Českých
Budějovicích dne 5. května 2006, České Budějovice 2007 aufgegriffen.
135
Doležal, Jiří: Ceská kultura za protektorátu. Skolství, písemnictví, kinematografie, Praha
1996; Červinka, Frantisek: Česká kultura a okupace, Praha 2002.
136
Zu einem besonderen Bereich vgl. außer den in Fußnote 133 genannten Werken: Dvořáková,
Tereza/Klimeš, Ivan: Prag-Film AG 1941–1945. Im Spannungsfeld zwischen Protektorats- und
Reichs-Kinematografie, München 2008. Zur NS-Kulturpolitik siehe: Fauth, Tim: Deutsche Kulturpolitik im Protektorat Böhmen und Mähren 1939 bis 1941, Göttingen 2004. Die Dissertation
von Volker Mohn, NS-Kulturpolitik im Protektorat Böhmen und Mähren. Konzepte, Praktiken,
Reaktionen, ist bisher leider noch nicht erschienen. Es ist bezeichnend, dass wir selbst in dem
Band Marek, Michaela/Kováč, Dušan/Pešek, Jiří/Prahl, Roman (Hrsg.): Kultur als Vehikel und
als Opponent politischer Absichten. Kulturkontakte zwischen Deutschen, Tschechen und
Slowaken von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre, Essen 2010, keinen einzigen Beitrag zum Protektorat finden.
137
Siehe u. a. Kostlán, Antonín (Hrsg.): Wissenschaft in den böhmischen Ländern 1939–1945,
Praha 2004. Die in diesem Rahmen relativ zahlreichen Forschungen zur Deutschen Universität
während des Protektorats wählen häufig mehr oder weniger eine vor allem „politische“ Betrachtungsweise, so insbesondere Míšková, Alena: Německá (Karlova) univerzita od Mnichova k 9.
květnu 1945, Praha 2002 bzw. dies.: Die Deutsche (Karls-) Universität vom Münchener Abkommen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Universitätsleitung und Wandel des Professorenkollegiums, Prag 2007. Vgl. zuletzt aber die entsprechenden Kapitel bei Konrád, Ota: Dějepisectví, germanistika a slavistika na Německé univerzitě v Praze 1918–1945, Praha 2011, der
sich zumindest um die Skizzierung der thematischen Entwicklung ausgewählter Fächer bemüht.
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mung der Protektoratsforschung138, und eine Gesellschaftsgeschichte des Protektorats
liegt bisher nicht einmal in Andeutungen vor;139 nur unwesentlich ist es um die Wirtschaftsgeschichte bestellt.140
Die internationale bzw. vor allem deutsche Forschung konzentrierte sich bisher
jedoch vorwiegend auf die politische Geschichte des Protektorats bzw. des „Reichsgaus
Sudetenland“141. Die deutsche Gesellschaft des Protektorats ist – anders als jene des
Sudetengaus142 – bisher ebenso wenig zum Forschungsgegenstand geworden wie die
tschechische, Ausnahmen bilden vor allem biographische Studien zu bestimmten Personengruppen und Protagonisten der Okkupationspolitik.143 Besondere Aufmerksamkeit
haben in diesem Rahmen ferner Wissenschaftler144 und spezifische Personengruppen
erfahren.145 Diese etwas zögerliche bzw. einseitige Erforschung der Protektoratszeit
138
Einige Aspekte werden angerissen in: Kuklík, Jan/Gebhart, Jan: Dramatické i všední dny
protektorátu, Praha 1996.
139
Lediglich als ein erster Versuch, andere als die bisher üblichen Bevölkerungsgruppen in den
Blick zu nehmen, können einige Beiträge in dem aus einer Tagung des Ústav pro studium totalitních režímů hervorgegangenen Bändchen Hazdra, Zdeněk (Hrsg.): Válečný prožitek české
společnosti v konfrontaci s nacistickou okupací (1939–1945). Sborník příspěvků ze sympozia
k 70. Výročí vypuknutí druhé světové války, Praha 2009, gewertet werden.
140
Vgl. etwa das entsprechende Kapitel in: Průcha, Václav a kol.: Hospodářské a sociální dějiny
Československa 1918–1992. 1. Díl. Období 1918–1945, Brno 2004, S. 417–578 oder die
Studien von Teichová, Alice: Instruments of Economic Control and Exploitation: the German
Occupation of Bohemia and Moravia, in: Overy/Otto /ten Cate (Hrsg.): Die „Neuordnung“ Europas, S. 83–108; dies.: The Protectorate of Bohemia and Moravia (1939–1945): the economic
dimension, in: Teich, Mikuláš: Bohemia in History, Cambridge 1998, S. 267–305.
141
Vgl. u. a. Gebel, Ralf: „Heim ins Reich!“ Konrad Henlein und der Reichsgau Sudetenland
(1938–1945), München 1999; Osterloh, Jörg: Nationalsozialistische Judenverfolgung im
Reichsgau Sudetenland 1938–1945, München 2006 (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 105; tschechische Ausgabe Praha 2010); Bryant, Chad: Prague in Black. Nazi Rule and
Czech Nationalism, Cambridge/MA–London 2007 (tschechische Ausgabe Praha 2013) (siehe
auch meine Rezension in: ČČH 107/2 (2009), S. 416–421); Brandes, Detlef: „Umvolkung, Umsiedlung, rassische Bestandsaufnahme“. NS-„Volkstumspolitik“ in den böhmischen Ländern,
München 2012. Thematisch eine Ausnahme bildet: Jasinski, Zenon: Czeska szkola w protektoracie Czech i Moraw, Opole 2006 (Studia i monografie / Uniwersytet Opolski, 363).
142
Siehe hierzu das Standardwerk von Zimmermann, Volker: Die Sudetendeutschen im NSStaat. Politik und Stimmung der Bevölkerung im Reichsgau Sudetenland (1938–1945), Essen
1999 (tschechische Ausgabe Praha 2001).
143
Siehe etwa: Küpper, René: Karl Hermann Frank (1898–1946). Politische Biographie eines
sudetendeutschen Nationalsozialisten, München 2010 (tschechische Ausgabe Praha 2012);
Gerwarth, Robert: Hitler’s Hangman. The Life of Heydrich, New Haven et al. 2011 (tschechische Ausgabe Praha 2012), der allerdings dem Wirken Heydrichs im Protektorat nur vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit widmet.
144
Vgl. etwa Glettler, Monika/Míšková, Alena (Hrsg.): Prager Professoren 1938–1945. Zwischen Wissenschaft und Politik, Essen 2001.
145
Siehe zuletzt etwa: Šustrová, Radka: Pod ochranou protektorátu. Kinderlandverschickung v
Čechách a na Moravě: politika, každodennost a paměť 1940–1945, Praha 2012.
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führt nicht zuletzt dazu, dass die böhmisch-mährische Problematik auch in thematisch
angelegten Projekten bzw. Sammelbänden zum besetzten Europa immer noch viel zu
häufig ausgeblendet bleibt – als Beispiel sei an dieser Stelle nur ein Band zur „Kollaboration im östlichen Europa“ angeführt, in dem es zwar je einen Aufsatz zu Polen oder
der Slowakei, nicht jedoch zum Protektorat gibt.146 Vielleicht war die Einordnung des
böhmisch-mährischen Raumes zu „Osteuropa“ nicht eindeutig genug. Allerdings hat
selbst die Deutsch-Tschechische/Deutsch-Slowakische Historikerkommission in ihren
Publikationen die Besatzungszeit weitgehend ausgeklammert.147
Der Grund für das Desinteresse bzw. die Nicht-Thematisierung der böhmischmährischen Raums in den breiteren Kontexten der nationalsozialistischen Okkupation
der europäischen Länder ist dabei jedoch sicher nicht nur in der weniger umfangreichen,
methodologisch eher „traditionellen“ und international nur schwach vernetzten tschechischen Forschung zu sehen. Aus historiographischer Sicht sollte notwendigerweise
vielleicht auch die Frage gestellt werden, wo diese Region für die Okkupationszeit politisch-geographisch zu verorten ist. Inwiefern war das „Protektorat“ nur ein „normaler“
Bestandteil des Großdeutschen Reiches? Dieses Problem der uneindeutigen geopolitischen Zuordnung der Tschechoslowakei bzw. Böhmen-Mährens scheint nicht unerheblich zu sein für dessen bisherige relative Vernachlässigung durch die internationale Forschung, die ihre Untersuchungsregionen mehr oder weniger immer noch nach den geographischen Kategorien des Kalten Kriegs einzuteilen zu scheint.
Darunter leidet auch die Forschung zur Geschichte der Stadt Prag in der Protektoratszeit: Trotz der einschneidenden Konsequenzen, die die deutsche Besatzung für den
Charakter der Stadt hatte, ist die Geschichte Prags in den Jahren 1939–1945 noch weitgehend unerforscht, komplexere wissenschaftliche Darstellungen sind bisher ein Desiderat.148 Für die Prager (vor allem deutsche) Gesellschaft der Jahrzehnte vor der natio146
Dieckmann, Christoph/Quinkert, Babette/Tönsmeyer, Tatjana (Hrsg.): Kooperation und Verbrechen. Formen der „Kollaboration“ im östlichen Europa 1939–1945, Göttingen 2003.
147
Eine Ausnahme ist der Band: Glettler, Monika/Lipták, Ľubomír/Míšková, Alena (Hrsg.):
Geteilt, besetzt, beherrscht. Die Tschechoslowakei 1938–1945: Reichsgau Sudetenland, Protektorat Böhmen und Mähren, Slowakei, Essen 2004. Mit der Erinnerungskultur und der Historiographie zu dieser Zeit beschäftigt sich der Band Cornelißen/Holec/Pešek (Hrsg.): Diktatur –
Krieg – Vertreibung.
148
Vgl. aber die Überblicksdarstellungen: Ledvinka, Václav: Hlavní město protektorátu Čechy a
Morava (1939–1945), in: Ledvinka, Václav/Pešek, Jiří: Praha, Praha 2000, S. 599–629; Kokoška, Stanislav: Praha v letech 1939 až 1945, in: Bělina, Pavel et al., Dějiny PrahyII. Od sloučení
pražských měst v roce 1784 do současnosti, Praha–Litomyšl 1998, S. 370–416. Siehe ferner die
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nalsozialistischen Besatzung können wir dagegen auf eine ältere und zwei neuere Studien zurückgreifen: Für das halbe Jahrhundert vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der
die politischen Verhältnisse und damit die Stellung der Deutschen im Land und in der
Hauptstadt grundlegend veränderte, ist bis heute die sozialhistorische Studie von Gary
Cohen aus dem Jahr 1981 grundlegend.149 Die Zwischenkriegszeit in Prag behandelten
zuletzt zwei deutsche Dissertationen, die uns ebenso wie die umfangreiche ältere Literatur die Verortung des Themas „deutsches Prag“ in einem längeren Zeithorizont ermöglichen.150
In ihrer jüngst erschienenen Biographie Josef Pfitzners bieten Alena Míšková
und Detlef Brandes weitgehend auf Basis der zweibändigen Edition zu Josef Pfitzner
(siehe Kapitel I. 3) dann einen kurzen Einblick in verschiedene Bereiche der städtischen
Politik in der Protektoratszeit.151 Die Entwicklung der Stadtverwaltung in der Zwischenkriegs- und Kriegszeit hat Andelín Merta bereits im Jahre 1975 skizziert,152 ansonsten
ist auch die Verwaltungsgeschichte bzw. die Geschichte des Magistrats und seiner verschiedenen Ämter und Aufgabenbereiche, kurz die städtische Politik, für die Kriegszeit
noch unbearbeitet. Eine an der Pädagogischen Fakultät der Karls-Universität Prag im
Jahre 2007 verteidigte Diplomarbeit beschäftigt sich deskriptiv und auf einer recht dünillustrierten Publikationen: Uhlíř, Jan Boris/Kaplan, Jan: Praha ve stínu hákového kříže, Praha
2005; MacDonald, Callum/Kaplan, Jan: Praha ve stínu hákového kříže: Pravda o německé okupaci 1939–1945, Praha 1995. – Die Mischung aus Erinnerung und Darstellung von Peter Demetz ist interessant, für die Forschung allerdings schwierig einzuordnen: Demetz, Peter: Mein
Prag. Erinnerungen 1939 bis 1945, Wien 2008. Siehe auch meine Rezension in: Acta Universitatis Carolinae – Studia Territorialia 3–4 (2011), S. 143–148. Der bereits erwähnte, vom Stadtarchiv Prag immerhin unternommene Versuch einer Synopse der besetzten mitteleuropäischen
Großstädte (Fejtová/Ledvinka/Pešek (Hrsg.): Evropská velkoměsta) zeigte in deprimierender
Weise auf, wie wenig dieser Bereich in Tschechien bisher erforscht ist.
149
Cohen, Gary B.: The politics of ethnic survival: Germans in Prague, 1861–1914, Princeton/NJ 1981.
150
Adam, Alfons: Unsichtbare Mauern. Die Deutschen in der Prager Gesellschaft zwischen
Abkapselung und Interaktion (1918–1938/39), Essen 2013 (Veröffentlichungen zur Kultur und
Geschichte im östlichen Europa 41); Koeltzsch, Ines: Geteilte Kulturen. Eine Geschichte der
tschechisch-jüdisch-deutschen Beziehungen in Prag (1918–1938), München 2012. Zu Koeltzsch
vgl. die kritische Besprechung von Jiří Pešek in: ČČH 111/1 (2013), S. 178–190. Die weitere
Literatur wird in dem entsprechenden Kapitel angeführt.
151
Brandes, Detlef /Míšková, Alena: Vom Osteuropa-Lehrstuhl ins Prager Rathaus. Josef Pfitzner 1901–1945, Praha–Essen 2013. Zu Pfitzner siehe auch: Hadler, Frank/Šustek, Vojtěch: Josef
Pfitzner (1901–1945). Geschichtsprofessor und Geschichtspolitiker, in: Glettler/Míšková:
Prager Professoren, S. 105–135, sowie Šustek, Vojtěch: Nacistická kariéra sudetoněmeckého
historika, in: Míšková/Šustek: Josef Pfitzner I, S. 8–38.
152
Merta, Andělín: Vývoj pražské městské správy v letech 1922–1945, in: PSH 9 (1975), S.
147–195.
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nen Literatur- und spezifischen Quellenbasis hauptsächlich mit den „Lebensbedingungen“ der Stadtbevölkerung, und in diesem Rahmen vor allem mit den Verordnungen
bezüglich der Lebensmittelversorgung und den allgemeinen Lebenshaltungskosten.153
So stehen uns für die Geschichte Prags während der Besatzungszeit bisher im
Grunde nur Publikationen zu vereinzelten Themenbereichen zur Verfügung. Für das
Kriegsende hat zuletzt Stanislav Kokoška eine überzeugende Studie vorgelegt; leider
bleibt dieses ansonsten sehr hoch zu schätzende Buch jedoch weitgehend einer klassischen ereignis- und militärgeschichtlichen Sichtweise verpflichtet.154 Über das Schicksal der Deutschen am und nach Kriegsende wurden bisher nur Teilstudien veröffentlicht.155 Mit den nationalsozialistischen Plänen für die Umgestaltung Prags haben sich
sowohl Vojtěch Šustek156 als auch, in einer anderen Perspektive, Miloš Hořejš beschäftigt, dessen Forschungen schließlich Eingang in seine 2013 erschienene Monographie gefunden haben.157 Im selben Jahr erschien mit dem „Führer durch das Protektorats-Prag“ auch eine zwar nicht historiographische, aber dennoch gerade für die Topographie des besetzten Prags interessante, reich bebilderte Publikation von Jiří Padevět.158 Ansonsten muss im Wesentlichen auf Literatur zurückgegriffen werden, die in
der Regel den größeren Kontext des Protektorats behandelt und sich nur vereinzelt auch
mit der Prager Situation abseits der „Bühne der großen Politik“ beschäftigt.
153
Kuthanová, Olga: Nacifikace města Prahy. Diplomová práce, Pedagogická fakulta, Univerzita Karlova v Praze 2007, online abrufbar unter: <www.sezimovo-usti.cz/_kultura/ebenes/2008_
kuthanova.pdf> (letzter Aufruf: 12.1.2014).
154
Kokoška, Stanislav: Praha v květnu 1945. Historie jednoho povstání, Praha 2005 bzw. ders.:
Prag im Mai 1945. Die Geschichte eines Aufstandes, Göttingen 2009. Vgl. zu der deutschen
Ausgabe auch meine Rezension in Bohemia 49 (2009), S. 557–561.
155
Vor allem Dejmková, Ivana: Hagibor – smutná historie jednoho místa v Praze, in: PSH 34
(2006), S. 183–250 sowie ferner die älteren, nicht mehr ganz aktuellen Beiträge von Lukas, Jiří:
Odsun německého obyvatelstva z Prahy v roce 1946, in: PSH 23 (1990), S. 88–117; Radvanovský, Zdeněk: Několik poznámek k odsunu německého obyvatelstva z Prahy v roce 1946: Na
okraj článku J. Lukase v Pražském sborníku historickém XXIII, in: PSH 26 (1993), S. 138–148.
Informationen zur Prager Situation finden wir auch in den genannten Publikationen von Staněk.
156
Šustek, Vojtěch: Josef Pfitzner a germanizace města Prahy, in: Documenta Pragensia 21
(2002), S. 167–181.
157
Hořejš, Miloš: Protektorátní Praha jako německé město. Nacistický urbanismus a Plánovací
komise pro hlavní město Prahu, Praha 2013.
158
Padevět, Jiří: Průvodce protektorátní Prahou. Místa, události, lidé, Praha 2013.
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I. 3. Quellen
Zur Geschichte der Okkupation der böhmischen Länder sind bereits seit den 1960er
Jahren einige Quelleneditionen verschiedener Qualität und Ausrichtung erschienen.159
Während die meisten dieser Editionen in der Regel den weiteren Protektoratskontext
betreffen und die Stadt Prag als solche im besten Falle am Rande berühren, ist eine Publikation für die Geschichte der Stadt während des Protektorats unverzichtbar: die nach
der Jahrtausendwende erschienene zweibändige Edition zu Josef Pfitzner.160 Hervorzuheben sind insbesondere die von Vojtěch Šustek edierten Teile, d. h. die Korrespondenz
Pfitzners mit K. H. Frank von April 1939 bis Oktober 1944 sowie die (nicht vollständigen) Tätigkeitsberichte Pfitzners als Primator-Stellvertreter für den Zeitraum 1. Januar
1940 bis 15. April 1944. Der Wert dieser Korrespondenzen liegt nicht zuletzt auch in
den sehr aufwendig und sorgfältig recherchierten, teils kommentierten weiteren Quellenhinweisen. Trotz kleinerer Fehler etwa in der Transkription handelt es sich um eine
Edition, wie eine Historikerin sie sich nur wünschen kann. Das Tagebuch Josef Pfitzners wiederum gewährt uns einen spezifischen Blick auf die Ereignisse und Probleme in
Prag im letzten Kriegsjahr.
Von den Archivquellen erwies sich der aufgrund seines enormen Umfanges bisher allerdings nur teilausgewertete Bestand des „Deutschen Standesbeamten Prag“, der
im Prager Stadtarchiv aufbewahrt wird und auf dessen Grundlage sich die deutsche Bevölkerung Prags in der Zeit der Besatzung relativ gut rekonstruieren lässt, als besonders
ergiebig.161 Darüber hinaus lagern im selben Archiv weitere bisher nur teilweise erschlossene Bestände aus der Zeit der deutschen Besatzung, die aufgrund ihres seriellen
Charakters ergänzend hinzugezogen werden können, für die jedoch weitere Studien
159
Vgl. v. a. Kárný/Milotová/Kárná (Hrsg.): Deutsche Politik im „Protektorat Böhmen und
Mähren“; Kárný, Miroslav/Milotová, Jaroslava (Hrsg.): Anatomie okupační politiky hitlerovského Německa v „Protektorátu Čechy a Morava“. Dokumenty z období říšského protektora
Konstantina von Neuratha, Praha 1987 (Sborník k problematice dějin imperialismu 21); dies.
(Hrsg.): Od Neuratha k Heydrichovi. Na rozhrání okupační politiky hitlerovského Německa v
„Protektorátu Čechy a Morava“, in: Sborník archivních prací 39/2 (1989), S. 281–394.
160
Míšková, Alena/Šustek, Vojtěch (Hrsg.): Josef Pfitzner a protektorátní Praha v letech 1939–
1945. Bd. I: Deník Josefa Pfitznera. Úřední korespondence Josefa Pfitznera s Karlem Hermannem Frankem, Praha 2000; Šustek, Vojtěch (Hrsg.): Josef Pfitzner a protektorátní Praha v letech
1939–1945. Bd. II: Měsíční situační zprávy Josefa Pfitznera, Praha 2001.
161
Magistrát hl. m. Prahy I., Referát IV. popisní, Německý matriční úřad (Standesamt) Praha
1939–1945. Für den Zugang zu diesem Material und die enstprechende kompetente Beratung
danke ich Frau PhDr. Hana Svatošová vom Stadtarchiv Prag.
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notwendig sind (siehe dazu ausführlicher Kapitel III. 3). Ferner wurden im Stadtarchiv
u. a. die Präsidialprotokolle des Magistrats der Hauptstadt Prag der Jahre 1943–1945,
die Kartothek der deutschen Magistratsangestellten sowie der Fonds NSDAP Prag eingesehen; Letzterer beinhaltet jedoch hauptsächlich die Sudetendeutsche Partei betreffendes Material aus der Zeit vor der Okkupation.
Abgesehen davon müssen die meisten Quellen zu Prager Realien der Kriegszeit
in den verschiedenen, insbesondere im Nationalarchiv Prag aufbewahrten Beständen
zum Protektorat recherchiert werden. Dort wurden für diese Arbeit insbesondere die
Fonds des Reichsprotektors, des Staatssekretärs bzw. Staatsministers sowie ergänzend
jene der NSV und der HJ ausgewertet. Eine Schwierigkeit bestand neben den oft ungenauen Inventaren und der thematischen Zersplitterung dieser Fonds aufgrund ihrer Reorganisation nach dem Krieg darin,162 dass sich die meisten Materialien, wie beispielsweise die SD-Berichte, in der Regel auf das Protektorat als Ganzes oder auf einzelne
Landesteile (und nicht die Stadt Prag) beziehen.
Für die Ereignisse am und nach Kriegsende schließlich stehen uns zwei Dokumenteneditionen zur Verfügung: Die in ihrer Entstehung problematische „Dokumentation der Vertreibung“163 sowie die Dokumentenreihe „Vysídlení Němců a proměny
českého pohraničí 1945–1951“164. In beiden finden wir auch einige Berichte und Dokumente, die das Prager Gebiet betreffen. Da in die „Dokumentation der Vertreibung“
nur ein Bruchteil der zu Prag eingegangenen Berichte Aufnahme fand, wurde diese
durch Recherchen in der sog. Ost-Dokumentation des Lastenausgleichsarchiv des Bun-
162
Vgl. dazu auch Šustek, Vojtěch: Úřední korespondence Josefa Pfitznera s Karlem Hermannem Frankem. Ediční poznámka, in: Míšková/Šustek (Hrsg.): Josef Pfitzner I, S. 264–268, bzw.
Pažout, Jaroslav/Sedláková, Monika: Německé státní ministerstvo pro Čechy a Moravu, Praha.
NSM 1939–1945. Inventář, Praha 2005; Sedláková, Monika: Státní tajemník u říšského protektora v Čechách a na Moravě, Praha. ÚŘP-ST 1939–1945. Inventář, Praha 2009.
163
Für die Tschechoslowakei siehe: Schieder, Theodor et al. (Bearb.): Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa Bde. IV/1 und IV/2. Im Text unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1957, München 2004. Zu dem Projekt siehe Beer, Mathias: Im Spannungsfeld von Politik und Zeitgeschichte. Das Großforschungsprojekt „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 46
(1998), S. 345–389.
164
Für den in dieser Arbeit behandelten Zeitabschnitt und Raum siehe v. a.: Arburg, Adrian
von/Staněk, Tomáš (Hrsg.): Vysídlení Němců a proměny českého pohraničí 1945–1951. Dokumenty z českých archivů. Bd. II.1. Duben–srpen/září 1945: „Divoký odsun“ a počátky osídlování, Středokluky 2011.
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desarchivs in Bayreuth ergänzt.165 Ergänzend wurden für eine Übersicht der militärischen Verbände und Standpunkte in der Stadt die Bestände des BundesarchivMilitärarchivs Freiburg eingesehen, die sich für das eigentliche Thema der Arbeit jedoch als wenig ergiebig erwiesen.
Als ergänzende Quellen wurden neben einigen, wenigen Prag betreffenden Berichten aus dem Deutschen Tagebucharchiv Emmendingen außerdem zeitgenössische
Fotografien aus dem umfangreichen Fonds der ČTK bemüht. Bei diesen handelt es sich
um offizielle Fotografien, die bis auf Ausnahmen (etwa am Kriegsende) der Inszenierung des Regimes und der „deutschen“ Stadt Prag dienten, wobei auch hier wieder die
verschiedenen Kontexte (deutsche/nichtdeutsche Bevölkerung in Prag, Deutsches
Reich, Ausland) zu beachten sind. Neben der Art und Weise der Propagierung bestimmter Inhalte gewähren sie uns bei aller gebotenen Vorsicht nicht zuletzt auch einen Einblick in die Atmosphäre und das Antlitz Prags während der Besatzung und können so
der Veranschaulichung gewisser Ereignisse und Sachverhalte (etwa der Präsenz deutscher bzw. nationalsozialistischer Symbole, Großveranstaltungen, uniformierter Einheiten etc.) dienen.
165
Weitere im Lastenausgleichsarchiv aufbewahrte Bestände geben u. a. im Rahmen der Entschädigungsansprüche ehemaliger Prager Deutscher Auskunft über enteignetes Grund- und
Betriebseigentum (Heimatauskunftstelle Böhmen und Mähren, ZLA7-02/76); da es sich auch
hier um umfangreiche Akten handelt, konnte bisher nur eine Teilauswertung erfolgen.
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II.
Das „deutsche Prag“ bis zum März 1939
Um zu verdeutlichen, welche symbolische Rolle Prag für die böhmischen bzw. Prager
Deutschen, aber auch für die „großdeutschen“ Besatzer spielte, soll im Folgenden kurz
die Entwicklung der Prager deutschen Kommunität etwa seit der Jahrhundertwende
nachgezeichnet werden; durch die Skizzierung des langsamen Machtverlustes und die
vermeintliche Benachteiligung in dem nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten neuen
Staat werden einige Maßnahmen des Okkupationsregimes, insbesondere aber der Eifer
der sudetendeutschen Vertreter in dieser Hinsicht, verständlicher. Im Grunde handelte
es sich oftmals um ein „Zurückdrehen der Uhr“ in die alte österreichische Zeit, in der
die Deutschen noch die staatstragende Elite gestellt hatten, Deutsch die Amtssprache
war und die deutsche Gemeinde trotz ihrer schon damals nur Minderheitenstellung erhebliche Privilegien auch auf kulturellem Gebiet genossen hatte. Zugleich wird deutlich, welche Rolle die jüdische Bevölkerung Prags innerhalb der deutsch-tschechischen
Stadtgesellschaft spielte und diese, insbesondere jedoch ihren deutschen Teil, prägte.
II. 1. Die Deutschen in der Prager Gesellschaft bis 1918
Um die Jahrhundertwende stellte die etwa 60.000 Personen umfassende Prager deutsche
Bevölkerung in der Prager Agglomeration166, in der an die 600.000 Menschen lebten,
zwar eine zwar kleine, durch ihre mittelständische Berufs- und Sozialstruktur jedoch
relativ elitäre Minderheit, die allerdings zunehmend an politischem Einfluss verlor: Seit
den 1860er Jahren wurde der Stadtrat durch die Tschechen dominiert, seit 1882 befanden sich bis auf eine Ausnahme keine Deutschen mehr unter den obersten Stadtvätern.
Die deutschsprachigen Prager dominierten jedoch weiterhin die Institutionen der
Staatsverwaltung, hatten eine zentrale Rolle in der Prager Wirtschaft und dem Finanzwesen inne und waren prominent in der Intelligenz und unter den Künstlern der Stadt
vertreten. Beide „Nationen“ hatten ihre kulturellen Institutionen, wie etwa im Bereich
des Schul- und Hochschulwesens, der Theater oder auch der Sportvereine. Die Vormachtstellung, die die Prager Deutschen noch zu Mitte des 19. Jahrhunderts eingenom-
166
Groß-Prag formierte sich erst in den Jahren 1908–1911 durch die Vereinigung der Landeshauptstadt mit den meisten Vorstädten. Vgl. Pesek: Od aglomerace.
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men hatten, in einer Zeit, in der es in Prag eine deutsche Mittel- und Oberschicht und
eine große tschechische Unterschicht gab, war jedoch verloren: Im letzten Drittel des
19. Jahrhunderts war ihnen durch die deutlich Modernisierung der (nicht nur) Prager
tschechischen Gesellschaft eine starke Konkurrenz erwachsen.167
Parallel zu dem Positionsverlust in der Stadt gab es spätestens seit den Tumulten
im Rahmen der sog. Badeni-Affäre um die Sprachenverordnung von 1897, welche die
doppelte, d. h. deutsch-tschechische Amtssprache in Böhmen und Mähren festlegte,168
in den deutsch besiedelten Grenzgebieten Tendenzen, die „Hauptstadt des böhmischen
Deutschtums“ nach Reichenberg (Liberec) zu übertragen, und zwar einschließlich der
Hochschulen und anderer kultureller Einrichtungen. Diese Bewegung in Richtung eines
„Los von Prag“ blieb in verschiedenen Wellen bis 1918/19 virulent.169 Letztlich setzte
allerdings die Prager deutsche Beamten- und Hochschul-Elite durch, den „historischen
deutschen Kulturboden“ in Prag nicht aufzugeben, sondern vielmehr in eine kulturelle
wie wirtschaftliche und politische Konkurrenz mit der tschechischen Gesellschaft zu
treten.170
167
Vgl. Cohen, Gary B.: Education and Middle-Class Society in Imperial Austria 1848–1918,
West Lafayette 1996, S. 128, 165ff.
168
Zur Badeni-Affäre vgl. u. a. Neblich, Esther: Die Auswirkungen der Badenischen Sprachverordnung von 1897, Marburg 2002.
169
Cohen: The politics of ethnic survival, S. 245f.; Cohen, Gary B./Rataj, Tomáš (Hrsg.): Denkschrift der Prager Deutschen (1916) – Pamětní spis pražských Němců (1916), in: PSH 40
(2012), S. 165–259, hier S. 173f.; Novotný, Jan: Projekt provincie Deutschböhmen v ambicích
liberecké radnice do roku 1914, in: Documenta Pragensia 14 (1997), S. 183–192; Melanová,
Miloslava: Liberec na cestě k projektu samostatné provincie, in: Česko-slovenské vztahy. Slovensko-české vzťahy. Liberecký seminář 1996, 1997, Liberec 1998, S. 83–95, hier S. 84f.
170
Zwei der Protagonisten dieser Pro-Prag-Bewegung waren der Germanist August Sauer und
der Slawist Franz Spina, die beide u. a. forderten, dass die Deutschen in Böhmen Tschechisch
lernen sollten – v. a. um in der notwendigen Kommunikation zwischen Tschechen und Deutschen nicht benachteiligt zu sein. Eine wichtige Rolle spielte in diesem Zusammenhang die
deutschnationale Monatszeitschrift „Deutsche Arbeit“. Zu ihr vgl. u. a. Köpplová, Petra: Die
Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen und die
Deutsche Arbeit, in: Brücken 8 (2000), S. 143–178. Spina stellte u. a. die in deutschböhmischen
Kreisen eher unpopuläre Forderung auf, an den deutschen Schulen den Tschechisch-Unterricht
auszubauen. Siehe dazu: Spina, Franz: Die Erlernung des Tschechischen in unseren deutschen
Lehranstalten, in: Deutsche Arbeit 5 (1906/6), S. 438–442. Robert Luft hat allerdings gezeigt,
dass es dabei nicht um das Ideal der „Völkerverständigung“ ging. Vgl. Luft, Robert: Sprache
und Nationalität an Prager Gymnasien um 1900, in: Ehlers, Klaas-Hinrich/Höhne,
Steffen/Maidl, Václav/Nekula, Marek (Hrsg.): Brücken nach Prag. Deutschsprachige Literatur
im kulturellen Kontext der Donaumonarchie und der Tschechoslowakei. Festschrift für Kurt
Krolop zum 70. Geburtstag, Frankfurt/M. 2000, S. 105–122, hier S. 117. Zu August Sauer siehe
zuletzt: Höhne, Steffen (Hrsg.): August Sauer (1855–1926). Ein Intellektueller in Prag zwischen
Kultur- und Wissenschaftspolitik, Köln–Weimar–Wien 2010. Zu Franz Spina vgl. v. a. Udolph,
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Der Machtverlust der Deutschen hing in nicht geringem Maße mit dem schon vor dem
Ersten Weltkrieg einsetzenden, sich dynamisch entfaltenden Demokratisierungsprozess
zusammen. Wie Robert Luft jüngst in seinem Werk über den tschechischen Parlamentarismus überzeugend darlegte, waren die tschechischen politischen Parteien sehr erfolgreich bei ihrem angestrebten Ziel der „pragmatischen“ Partizipation an Herrschaft und
Macht im österreichischen Staat. Voraussetzung dafür war ein außergewöhnlich hoher
und sehr differenzierter Organisationsgrad, der den Nationalisierungs- und Modernisierungsprozess der tschechischen Gesellschaft begleitete.171 Die deutsche Minderheit hingegen blieb dagegen weiterhin eher in den alten Strukturen verhaftet; eine Herausforderung (nicht nur) für die Prager Deutschen war somit, diese Modernisierung der gesellschaftlichen Strukturen anzunehmen und zu ihren Gunsten zu nutzen.
Nationalpolitisch war die Situation der Prager deutschen Gesellschaft nicht zuletzt dadurch „erschwert“, dass sie, gerade in den gebildeten Schichten, durch eine starke jüdische Kommunität geprägt war. Zugleich besaß Prag eine hohe Anziehungskraft
für diese Gruppe, da hier gerade im Vergleich mit anderen Städten der Monarchie wie
etwa Wien oder Graz, aber auch des Reiches, die meisten Spannungen und Konflikte
innerhalb der Gesellschaft eher entlang nationaler Linien verliefen und eine verhältnismäßig weniger ausgeprägte antisemitische Stoßrichtung hatten.172
Das deutsche Prag des ausgehenden 19., beginnenden 20. Jahrhunderts war
durch ein reges Vereinsleben charakterisiert. Das gesellschaftliche Zentrum (vor allem
für die obere Mittelklasse und Oberschicht) stellte in diesem Kontext spätestens seit
1862 das Deutsche Casino dar; dieser Verein hatte um die Jahrhundertwende über 1.000
Ludger/Höhne, Steffen (Hrsg.): Franz Spina (1868–1938). Ein Prager Slawist zwischen Universität und politischer Öffentlichkeit, Wien–Köln–Weimar 2012 (Intellektuelles Prag im 19.
und 20. Jahrhundert 2); ferner: Pešek, Jiří: Deutsche Slawistik an der Prager Universität 1909–
1945 im Lichte ihrer Dissertationen, in: Svatoš, Michal/Velek, Luboš/Velková, Alice (Hrsg.):
Magister noster. Sborník statí věnovaných in memoriam prof. PhDr. Janu Havránkovi CSc.,
Praha 2005, S. 231–240, hier S. 234f.
171
Vgl. Luft, Robert: Parlamentarische Führungsgruppen und politische Strukturen in der
tschechischen Gesellschaft. Tschechische Abgeordnete und Parteien des österreichischen Reichsrats 1907–1914, München 2012, S. 185. Siehe auch die Rezension von Jiří Pešek in: ČČH
111/4 (2013), S. 883–888.
172
Vgl. dazu etwa Pešek, Jiří/Lohmann, Nina: Guido Goldschmiedt (1850–1915). Ein jüdischer
Chemiker zwischen Wien und Prag, in: Edelmayer, Friedrich/Grandner, Margarete/Pešek, Jiří/Rathkolb, Oliver: Über die österreichische Geschichte hinaus. Festschrift für Gernot Heiss
zum 70. Geburtstag, Münster 2012, S. 79–110, hier S. 90–93.
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bzw. nach manchen Angaben gar über 2.000 Mitglieder.173 Fast die Hälfte davon waren
bezeichnenderweise Mitglieder der Prager jüdischen Gemeinde.174
Prag war aber vor allem – nach Wien – das zweitwichtigste Hochschulzentrum
der Monarchie.175 Die mehr als 5.000 Hochschulstudenten und Gymnasialschüler,176 die
traditionell aus ganz Böhmen, teilweise auch aus Mähren und nur in geringem Maße
auch aus anderen Teilen der Monarchie,177 zum Studium nach Prag kamen, bildeten
eine ganz eigene, teilweise sehr politisierte, vor allem aber nationalisierte Kommunität
und prägten insbesondere das Kulturleben der Stadt.178 Letzteres war in der Moldaumetropole äußerst ausgeprägt: Prag war bekanntlich eine Stadt der Schriftsteller,179 der
173
Vgl. vor allem: Cohen: The politics of ethnic survival, S. 170, 255. Siehe auch: Novotný,
Jan: Kasino a pražské německé elity do první světové války, in: Documenta Pragensia 19
(2001), S. 135–146, hier S. 141f.
174
Vgl. Havránek, Jan: Social Classes, Nationality Ratios an Demographic Trends in Prague
1880–1900, in: Historica 13 (1966), S. 171–208; ders.: Structure sociale des Allemands, des
Tchèques, des chrétiens et des juifs à Prague, à la lumière des statistiques des années 1890–
1930, in: Godé, Maurice/Le Rider, Jacques/Mayer, Françoise (Hrsg.): Allemands, juifs et
Tchèques à Prague 1890–1924. Actes du colloque de Montpellier, décembre 1994, Montpellier
1996, S. 71–81; ders.: Sociální struktura pražských Němců a Čechů, křesťanů a židů ve světle
statistik z let 1890–1930, in: ČČH 93 (1995), S. 470–480.
175
Vgl. Cohen: Education, S. 9: „Vienna and the Bohemian capital, Prague, by themselves had
more than half of all Austrian University and technical college enrollments throughout the second half of the neneteenth century.“ sowie ibid., S. 83: „In winter 1909–10, the Vienna University with 7579 students and the two Prague universities with 4808 students still accounted for
54 percent of all the matriculated university students in Austria.“ Vgl. auch Pešek, Jiří: Die
Prager Universitäten im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts: Versuch eines Vergleichs, in: Lemberg, Hans (Hrsg.): Universitäten in nationaler Konkurrenz. Zur Geschichte der Prager Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert. Vorträge zweier Tagungen der Historischen Kommission
für die böhmischen Länder (vormals: der Sudetenländer) 1996 und 1997, München 2003
(Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 86), S. 145–166.
176
Vor 1914 gab es in Prag fünf deutsche Gymnasien, vier Oberrealschulen und weitere Mittelschulen. Vgl. dazu Luft: Sprache und Nationalität.
177
Vgl. Pešek, Jiří: Prag und Wien 1884 – ein Vergleich zwischen den Universitäten und deren
Rolle für die Studenten aus den Böhmischen Ländern, in: Corbea-Hoisie, Andrea/Le Rider,
Jacques (Hrsg.): Metropole und Provinzen in Altösterreich (1880–1918), Wien–Köln–Weimar
1996, S. 94–109.
178
Vgl. Čermák, Josef: Das Kultur- und Vereinsleben der Prager Studenten. Die Lese- und
Redehalle der deutschen Studenten in Prag, in: Brücken N. F. 9–10 (2001/2002), S. 107–189.
179
Vgl. z. B. Nekula, Marek/Fleischmann, Ingrid/Greule, Albrecht (Hrsg.): Franz Kafka im
sprachnationalen Kontext seiner Zeit. Sprache und nationale Identität in öffentlichen Institutionen der böhmischen Länder, Köln–Weimar–Wien 2007; Nekula, Marek: Franz Kafkas Sprachen: „…in einem Stockwerk des innern babylonischen Turmes…“, Tübingen 2003; Nekula,
Marek (Hrsg.): Deutsch in multilingualen Stadtzentren Mittel- und Osteuropas. Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert, Wien 2008; Maidl, Václav: Německé literární
podoby Prahy na sklonku monarchie, in: Documenta Pragensia 19 (2001), S. 147–155.
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Künstler und Musiker,180 des (tschechischen wie deutschen) Theaters181 und nicht zuletzt auch der Wissenschaft.182
Die Volkszählungen geben uns Auskunft darüber, wie viele deutschsprachige
Einwohner der damaligen Prager Agglomeration mit welcher Konfession in welchen
Bezirken wohnten und in welchen Berufen sich die Deutschen besonders intensiv (oder
besonders selten) betätigten.183 So können wir für die Zeit um die Jahrhundertwende
eine relativ zerstreute deutsche Besiedelung der Stadt konstatieren, was durch das
schnelle Wachstum der Vorstädte vor dem Ersten Weltkrieg noch deutlicher wurde:184
1880 noch war die 39.000 (15,3 %) Personen starke deutschsprachige Minderheit, bei
einer Gesamtbevölkerung von 226.000, vorwiegend in der Innenstadt konzentriert. In
der Altstadt machten die Deutschen 22,4 % (9.696) der Bevölkerung aus, in der Neustadt zwar nur 16,3 %, jedoch war die Gruppe hier, vor allem in der Unteren Neustadt,
absolut am größten (11.903), auf der Kleinseite kamen sie immerhin auf 20,4 % und in
der Josefstadt (Josefov) gar auf 38,7 %.
Im Jahre 1910 sah das Ganze schon anders aus: Von 442.000 Pragern gehörten
nur 6 % (32.332) der deutschen Kommunität an.185 Die höchste Konzentration in absoluten Zahlen war in der Prager Neustadt (8.650 oder 10,7 %) und in der damals noch
selbstständigen Vorstadt Kgl. Weinberge (Královské Vinohrady) zu verzeichnen, in der
6.880 deutschsprachige, vor allem jüdische Einwohner lebten (9 %) – die letztgenannte
180
Vgl. Ludvová, Jitka: Německý hudební život v Praze 1880–1939, in: Uměnovědné studie 4
(1983), S. 51–183.
181
Vgl. zuletzt: Ludvová, Jitka: Až k hořkému konci. Pražské německé divadlo 1845–1945,
Praha 2012; Ludvová, Jitka: Die Kleine Bühne in Prag: Geschichte eines Theaters in Dokumenten, in: Stifter Jahrbuch N. F. 25 (2011), S. 57–85. Vgl. auch in einem breiteren Kontext: Ther,
Philipp: In der Mitte der Gesellschaft. Opernhäuser in Zentraleuropa 1815–1914, Wien 2006
bzw. erweitert und mit einem Fokus auf dem tschechischen Nationaltheater: Ders.: Národní
divadlo v kontextu evropských divadelních dějin. Od založení do první světové války, Praha
2008.
182
Vgl. Köpplova: Die Gesellschaft; Pešek, Jiří/ Míšková, Alena: Die Prager Deutsche Universität und die Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in
Böhmen als ein kulturell-politisches Doppelzentrum der deutschböhmischen Gesellschaft, in:
Marek/Kováč/Pešek/Prahl (Hrsg.): Kultur als Vehikel, S. 189–210.
183
Zur Kritik der Statistik als einer mächtigen Waffe im Kampf der Nationen und Nationalitäten
um die Vormachtstellung siehe: Leonhard, Jörn/Hirschhausen, Ulrike von: Empires und Nationalstaaten im 19. Jahrhundert, Göttingen 2009, hier das Kapitel: „Kampf um Zahlen: Der Zensus als imperiales Herrschaftsmittel“, v. a. S. 53–78, 118–122.
184
Vgl. hierzu und zum Folgenden die Tabelle auf Basis der Volkszählungen bei: Cohen: The
politics of ethnic survival, S. 92f.
185
Vgl. Havránek: Sociální struktura, hier S. 472. Seine Prozentangaben weichen leicht von
denen Cohens ab (nach unten).
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Tatsache fand im Übrigen nicht zuletzt in der riesigen, 1896 eröffneten und durch den
Bombenangriff vom Februar 1945 ausgebrannten Weinberger Synagoge ihren Ausdruck.186 Allgemein expandierte die deutsche Bevölkerung in die wichtigsten Vorstädte
sowie in das schnell wachsende, nach Prag bereits eingemeindete, vorstädtische Viertel
Holešovice (1.291 Personen oder 3,3 %).
Zusammenfassend können wir also für die Zeit bis 1918 festhalten, dass die
Deutschen sich sowohl quantitativ immer stärker in einer Minderheitenposition wiederfanden, und zwar auch in den traditionell stark besiedelten Vierteln der Altstadt, der
Unteren Neustadt, der Kleinseite und der Josefstadt, als auch, und das hing mit dieser
demographischen Entwicklung ursächlich zusammen, zunehmend an Einfluss in der
Kommunalpolitik, im Kultur-, Finanz- und Wirtschaftsleben der Stadt verloren. Dennoch waren sie, als wesentlicher Bestandteil der „Konfliktgemeinschaft“ (Jan Křen),187
gerade über ihre internationalen Kontakte, Beziehungen etc., vor allem natürlich in den
österreichischen Teil der Monarchie, weiterhin ein wichtiger Faktor im öffentlichen
Leben der Stadt. Eine wichtige Rolle spielten dabei die zwischen den beiden nationalen
Gruppen kulturell wie sprachlich vermittelnden Juden, die sich aber bereits in dieser
Zeit immer stärker in Richtung der Mehrheitsgesellschaft orientierten.188
Das Schlüsselproblem der Prager deutschen Gesellschaft war bereits vor 1914
ihre vergleichsweise schwache bis negative Populationsentwicklung: Die (reichen) Prager Deutschen waren in der Regel älter als die durchschnittliche – überwiegend tschechische – Prager Population, sie bekamen weniger Kinder und waren auf den Zuzug aus
186
Die Synagoge wurde dann allerdings erst 1951 vollständig abgetragen. Vgl. Pešek, Jiří: Královské Vinohrady, in: Jaroslav Veis a kol., Quod bonum, felix, faustum, fortunatuimque sit. 3.
lékařská fakulta Univerzity Karlovy v Praze, Praha 2013, S. 30–41, sowie z. B. die Aufnahmen
und Pläne auf den Webseiten des Jüdischen Museums Prag:
<http://www.jewishmuseum.cz/cz/predmet.php?datum=04&rok=13> (letzter Zugriff: 1. 2.
2014). Siehe auch: Semotanová, Eva (Red.): Historický atlas měst České republiky. Bd. 19.
Praha-Královské Vinohrady, Praha 2010.
187
Vgl. die jüngste, überarbeitet Ausgabe des Klassikers: Křen, Jan: Konfliktní společenství.
Češi a Němci 1780–1918, Praha 2013.
188
Vgl. Luft, Robert: Nationale Utraquisten in Böhmen. Zur Problematik „nationaler Zwischenstellungen“ am Ende des 19. Jahrhunderts, in: Godé/Le Rider/Mayer (Hrsg.): Allemands, Juifs
et Tchèques, S. 37–40.
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der deutschböhmischen Provinz angewiesen, wenn sie ihre Position in quantitativer
Hinsicht mindestens stabilisieren wollten.189
Im Zuge des Ersten Weltkriegs keimte in den deutschnationalen Kreisen der
böhmischen und Prager Deutschen kurzzeitig die Hoffnung auf, in den Kernländen des
österreichischen Teiles der Monarchie wieder die Oberhand zu gewinnen und die deutsche Herrschaft zu festigen. Diese Pläne manifestierten sich in der so genannten „Osterbegehrschrift“ vom Frühjahr 1916; die aus dem Kreis um das Deutsche Casino stammenden „Forderungen der Deutschen in Prag für die Neuregelung der Verhältnisse nach
dem Kriege“ vom selben Jahr waren dann die – gemäßigte – Konkretisierung für die
Prager Agglomeration.190 In dieser wurde u. a. gefordert, einen „deutschen administrativen Ausschuss“ zur Sicherung der deutschen Nationalinteressen in Prag zu konstituieren.191
II. 2. Die Deutschen in der Prager Gesellschaft 1918–1938
Der Krieg endete allerdings anders als von den böhmischen bzw. Prager Deutschen erwartet. Prag, bzw. seit 1922 das vereinigte Groß-Prag,192 wurde zur Hauptstadt der neu
gegründeten Tschechoslowakei.193 Die Volkszählung von 1921 zeigte, dass Prag in den
Grenzen von Groß-Prag inzwischen 677.000 Einwohner hatte,194 davon nur noch ganze
4,5 % (30.429) Deutsche, einschließlich der deutschsprachigen Juden.195 Damit war der
Anteil der Deutschen in Prag auf ein historisches Minimum gesunken.196
189
Siehe v. a. Havránek: Social Classes. Vgl. auch: Pešek, Jiří: Urbanisierung und Assimilation
in Prag von der Dualismuszeit bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Südostdeutsches Archiv 34/35
(1991/92), S. 43–54.
190
Cohen/Rataj (Hrsg.): Denkschrift, hier S. 169–174.
191
Ibid., S. 174.
192
Vgl. Pešek, Jiří: Od aglomerace k velkoměstu. Praha a středoevropské metropole 1850–1920,
Praha 1999, S. 195–203.
193
Giustino, Cathleen M.: Prague, in: Gunzburger Makaš, Emily (Hrsg.): Capital cities in the
aftermath of empires. Planning in Central and Southeastern Europe, London et al. 2010, S. 157–
173.
194
Boháč, Antonín: Hlavní město Praha. Studie o obyvatelstvu, Praha 1923, S. 34, 37.
195
Havránek: Sociální struktura; Adam: Unsichtbare Mauern, S. 107–111, präsentiert die Ergebnisse der Volkszählungen 1921 und 1930 tabellarisch, ohne die entsprechenden Arbeiten
von Jan Havránek zu kennen bzw. zu zitieren.
196
Schon 1930 jedoch war der Anteil der Deutschen nach den Angaben in der Volkszählung
wieder leicht gestiegen, nämlich auf 5 %. Vgl. Havranek: Sociální struktura, S. 472. Siehe dazu
ausführlicher Kapitel III.1.
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Die prozentuell meisten Deutschen finden wir 1921 in der Josefstadt (16,3 %), in
der Neustadt (9,1 %), besonders weiterhin in der Unteren Neustadt, und auf der Kleinseite (9 %). Einen Anteil an der Bevölkerung von über 5 % können wir daneben in der
Altstadt und in den Vorstädten Karlín und Smíchov ausmachen, besonders aber in jenen
neuen Vierteln, die den höheren deutschsprachigen Schichten schon bessere und modernere Wohnräume anzubieten hatten: Vinohrady, Bubeneč und Dejvice.
In den genannten Stadtteile gab es daneben weiterhin große jüdische Gemeinden
– außer in der Innenstadt besonders in Vinohrady (6,9 % der Einwohner des Viertels)
und in Bubeneč (4,4 %). Jan Havránek hat allerdings gezeigt, dass sich schon 1921 die
Mehrheit der Prager Juden zur tschechischen Gesellschaft bekannte: Nur 23,3 % der
Einwohner mit mosaischer Religion gaben 1921 an, dass sie deutschsprachig sind, und
umgekehrt gab es unter den Prager Deutschen nur 24,4 %, die sich der jüdischen Gemeinde zurechneten.197 Inwieweit dies den tatsächlichen Verhältnissen entsprach oder,
wie Boháč vermutete, eher Ausdruck eines vorsorglichen Bekenntnisses der in der Regel bilingualen Prager Juden zur Mehrheitsgesellschaft war, ist nur schwer zu beurteilen.198
Die Berufsstatistik nach den Angaben von 1921 zeigt,199 dass die Prager
deutschsprachige Gesellschaft vor allem im Bergbau und Hüttenwesen tätig war: Unter
den Mitarbeitern dieser in Prag eher kleinen Gruppe gab es 14 % Deutsche und 2,1 %
Juden. Diese Männer waren allerdings keine Arbeiter oder Tagelöhner, sondern vielmehr Beamte und Angestellte der Prager Zentralen der entsprechenden Betriebe. Ähnlich, wenngleich auf einem niedrigeren Niveau (5,7–7,1 %), sah es in der Textil-, Glasund Chemie-Industrie aus. Weitere typische Branchen mit einem hohen Prozentsatz an
Prager Deutschen waren das Finanzwesen (12,8 %) und das Schulwesen (11 %). In der
öffentlichen Verwaltung waren dagegen nur 3,5 % der Deutschen in Prag beschäftigt.
Die Frage, die sich bei der Lektüre dieser Angaben stellt, ist, wieso eine solch
überschaubare Bevölkerungsgruppe eigentlich über Jahrzehnte in der Forschung ein so
großes Echo erzielt hat. Die meisten Arbeiten, die sich mit dieser Minderheit beschäftigen, konzentrieren sich in der Regel auf die Beschreibung ihrer Institutionen oder bzw.
und akzentuieren vor allem die nationalpolitischen Konflikte zwischen jener und der
197
Vgl. Havranek: Sociální struktura, S. 475.
Vgl. Boháč: Hlavní město Praha, S. 30.
199
Vgl. zum Folgenden: Havranek: Sociální struktura, S. 474.
198
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tschechischen Mehrheitsgesellschaft.200 Natürlich können diese Konflikte ebenso wenig
ausgeklammert werden wie der in beiden nationalen Lagern virulente Antisemitismus;
dafür waren die Zusammenstöße der unmittelbaren Nachkriegszeit und des Jahres
1920,201 die antisemitischen Tumulte an der Deutschen Universität (die so genannte
Steinherz-Affäre202), die deutsch-tschechischen antisemitisch, xenophob und sozialelitär motivierten Unruhen der rechtsradikalen Studenten im Herbst 1929,203 die sog.
Tonfilm-Affäre des Jahres 1930204 und natürlich auch der sog. Insignien-Streit des Jahres 1934205 zu heftig und zu stark medialisiert und instrumentalisiert.
Es ist jedoch die Frage, ob es angebracht ist, diese Konflikte wiederholt in das
Zentrum der historiographischen Aufmerksamkeit zu stellen und ihnen damit einen
Stellenwert zuzuschreiben, den sie für die Mehrheit der damaligen Gesellschaft vielleicht gar nicht hatten. Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass die Optik leicht
durch die überlieferten Quellen (in der Regel erhalten wir sowohl in bestimmten Evidenzen, etwa der Polizei, als auch z. B. über die Medien mehr Informationen und Nachrichten über Ereignisse, die von der Norm abweichen, wie etwa Konflikte, Gewalt etc.,
als über die „Normalität“ des Alltags) und natürlich die „Attraktivität“ eines konfliktreichen Themas verzerrt werden kann.
200
Die jüngsten Beispiele für diese Betrachtungsweise sind Koeltzsch: Geteilte Kulturen und
Adam: Unsichtbare Mauern.
201
Becher, Peter: Kulturpolitische Konfliktherde in der Ersten Republik: Der Streit um das
Prager Ständetheater 1920 und die Prager Tonfilmaffäre 1930, in: Hoensch, Jörg. K./Kováč,
Dušan (Hrsg.): Das Scheitern der Verständigung. Tschechen, Deutsche und Slowaken in der
Ersten Republik 1918–1938, Essen 1994, S. 119–133; Benešová, Zdeňka/Součková, Taťána/Flídrová, Dana: Stavovské divadlo. Historie a současnost, Praha 2000, S. 90f.; Demetz, Peter: Prag in Schwarz und Gold. Sieben Momente im Leben einer europäischen Stadt, München
2000, S. 340.
202
Arlt, Peter: Samuel Steinherz (1857–1942) Historiker. Ein Rektor zwischen den Fronten, in:
Glettler/Míšková (Hrsg.): Prager Professoren, S. 71–101. Offenbar auf Arlt gestützt, ohne ihn
jedoch zu zitieren, auch: Adam: Unsichtbare Mauern, S. 194–200.
203
Havránek, Jan: Anti-Semitism at Prague Universities in November 1929, in: Judaica bohemica 37 (2002), S. 145–150.
204
Wingfield, Nancy M.: When Film Became National. ‘Talkies’ and the anti-German Demonstrations of 1930 in Prague, in: Austrian History Yearbook 29/1 (1998), S. 113–138; Koeltzsch, Ines: Tschechisch- und deutschsprachige Kinowelten im Prag der Zwischenkriegszeit
an der Schnittstelle von Unterhaltungskultur, Wirtschaft und Politik, in: Marek/Kováč/Pešek/
Prahl (Hrsg.): Kultur als Vehikel, S. 279–297, hier S. 279f.
205
Als Quelle vgl.: Domin, Karel: Můj rektorský rok. Z bojů o Karolinum a za práva Karlovy
university, Praha 1934; zur Einordnung dieses Streits siehe u. a.: Havránek, Jan: Univerzita
Karlova, rozmach a perzekuce, in: Havránek, Jan/Pousta, Zdeněk (Hrsg.): Dějiny Univerzity
Karlovy IV. 1918–1990, Praha 1998, S. 19–60, hier S. 43–45. Vgl. auch Adam: Unsichtbare
Mauern, S. 200–202.
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Das, was nicht nur das „deutsche Prag“ in der Ersten Tschechoslowakischen Republik als Kulturphänomen vor allem ausmachte und auszeichnete, war eine im internationalen Vergleich relativ friedliche, vom Staat finanziell zumindest grundsätzlich geförderte produktiv-kreative Konkurrenzsituation in einem Spektrum, das von der Kultur
über die Ausbildung, Wissenschaft, Architektur hin zur Sozial- und Wirtschaftspolitik
reichte. Das deutsche Prag war ein Bestandteil der dynamisch wachsenden Hauptstadtmetropole der jungen, demokratischen Republik und profitierte trotz seiner Minderheitenposition von den reichen Möglichkeiten, die sich im Rahmen der Modernisierung,
der Umwandlung und Stadterweiterung Prags anboten.206
In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass für einige junge tschechische Intellektuelle Prag in dieser Zeit offenbar weiterhin überwiegend „deutsch“ geprägt blieb. So charakterisierte etwa der damals 21-jährige, kurz zuvor aus Frankreich
zurückgekehrte Jiří Voskovec das Prag des Jahres 1926 mit den Worten:
„Vlivy francouzské, dnes sice nejdůraznější, jsou citelny však výlučně
v oboru intelektuálním. Každodenní život, ráz ulic, zkrátka to, co možno nazvati
„civilní kulturou“, je naopak silně německé. Německý normál u nás začíná pivem a končí českým filmem. Příznačný je pak ráz tuctové ‚moderní‘ architektury. Po válce se úkol učinit z Prahy přes noc velkoměsto dostal do rukou
válečným zbohatlíkům, většinou Němcům, a Židům s německou kulturou.
Přičinili se prakticky o to, aby vyšli co nejvíce vstříc své budoucí bratrské klientele, a tak zejména bary, přepychové restaurace, kabarety a vůbec zábavní podniky vyššího stylu jsou chrámky středoevropského germánského procovství, jež
najdete nezměněno v Berlíně, ve Vídni nebo v Budapešti. […] Ve skutečnosti
patří Praha mnohem více k Německu a k Francii než k světu slovanskému.“207
Die beiden Milieus lebten nicht nur nebeneinander, sondern vielmehr in einer – oftmals
schwierigen – Symbiose.208 Die deutsche bzw. jüdische Minderheit wurde dabei weder
verfolgt noch aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, sondern vom Staat finanziell
206
Vgl. Ledvinka/Pešek: Praha, S. 559–596. Leider findet die Zwischenkriegszeit und insbesondere die deutsche Minderheit jener Zeit in dieser Synthese nur verhältnismäßig wenig Raum.
207
Voskovec, Jiří: Exotická Praha, Přerod 1926, neu abgedruckt in: Voskovec, Jiří/Werich, Jan:
Faustovy skleněné hodiny 1922–1929. I, Praha 1997, S. 207–210, hier S. 208 und S. 210.
208
Vgl. auch Michel, Bernard: Praha. Město evropské avantgardy 1895–1928, Praha 2010, S. 9:
„Ze soupeření mezi těmito dvěma komunitami, jež nijak nebránilo vzájemné výměně a dialogu,
vznikala energie a životní naléhavost. Němci chtěli prokázat svoji intelektuální nadřazenost,
která měla ospravedlnit jejich dosavadní převahu. Češi zase toužili předvést své nové úspěchy.“
Vgl. auch das Kapitel über die deutsche Kultur in Prag nach 1918, ibid., S. 315–336.
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unterstützt und in die Aktivitäten der Gesamtgesellschaft integriert.209 Teilweise kam es
auf einigen Gebieten gar zu einer übernationalen Zusammenarbeit.210 Die Beurteilung
dessen, ob die Positiva oder Negativa dieser „Cohabitation“ überwogen bzw. die Gesamtsituation charakterisierten und prägten, kann im Grunde nur über einen Vergleich
mit der Situation in anderen multinationalen, vor allem mittel- und osteuropäischen,
Großstädten jener Zeit erfolgen.211 Hilfreich wäre sicher auch eine detailliertere und
fundiertere Untersuchung der beteiligten Akteure; so könnte etwa eine prosopographische Untersuchung der Prager deutschen bzw. deutsch-jüdischen Minderheit etwas
mehr Licht in die Umstände bringen. Eine solche, konkret sozialhistorische Behandlung
des Themas ist bis heute ein Desiderat, was zur Folge hat, dass wir eigentlich kaum wissen, wer dieses „deutsche“ Prag in jener Zeit eigentlich ausmachte.
Zu den Charakteristika nicht nur der deutschen Gesellschaft der Stadt gehörte
auch nach 1918 sicherlich die Migration nach und von Prag, insbesondere, wie schon
erwähnt, im Bereich des Schul- und Hochschulwesens, in dem ein wesentlicher Teil der
Prager deutschen „Intelligenz“ beschäftigt war.212 Zwar liegen bereits einige Studien zu
den Protagonisten im Bereich der Politik, Wissenschaft oder Künste vor; ein Gruppenporträt dieser sehr spezifischen Gesellschaft, das ihre einzelnen, politisch oftmals sehr
differenzierten Segmente ins Zentrum der Untersuchung stellen würde, fehlt jedoch
bisher.213
209
Siehe als Beispiel etwa den Prager Volksbildungsverein Urania, der eine große Vortrags-,
Theater- und Rundfunktätigkeit entfaltete: Ledvinka, Václav: Urania a Vančurův dům. Poznámka k činnosti německých spolků v Praze v meziválečném období, in: Documenta Pragensia
18 (2000), S. 325–334. Vgl. auch Adam, Alfons: „Gediegene Veranstaltungen auf den Gebieten
der Musik, der bildenden Kunst, der Literatur und der Wissenschaft“. Das Prager Volksbildungshaus Urania in der Ersten Republik, in: Becher, Peter/Knechtel, Anna (Hrsg.): Praha –
Prag 1900–1945: Literaturstadt zweier Sprachen, Passau 2010, S. 107–124; Adam: Unsichtbare
Mauern, S. 293–306.
210
Diese Tendenz zur Kooperation zeigte sich vor allem im Bereich des Prager Theater- und
Musiklebens der Zwischenkriegszeit. Vgl. Ludvová: Až k hořkému konci; dies.: Německý hudební život; dies.: Die Kleine Bühne.
211
Zur Methode des historischen Vergleichs siehe: Kaelble, Hartmut: Der historische Vergleich.
Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1999.
212
Vgl. Pešek: Die Prager Universitäten im ersten Drittel, sowie Havránek, Jan: Kde v Praze
bydleli univerzitní profesoři v letech 1882–1948?, in: Documenta Pragensia 20 (2002), S. 401–
413, der anhand der unter den Professoren und Dozenten der Deutschen Universität beliebten
Viertel die Segmentierung der Prager deutschen Gesellschaft skizziert.
213
Zu den deutschen Vertretern in der Kommunalpolitik vgl. etwa: Jelínek, Tomáš: Zástupci
německých politických stran v orgánech pražské samosprávy v období mezi dvěma světovými
válkami, in: PSH 35 (2007), S. 115–153.
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Noch weniger als über die berufstätige Bevölkerung wissen wir im Grunde über
die Schüler der oberen Mittelschulen und über die Hochschulstudenten, die ein wichtiges Segment der Stadtbevölkerung stellten.214 Prag hatte zu Beginn der 1930er Jahre
zwei deutsche Realgymnasien, eine Realschule, ein Mädchengymnasium und eine
Lehrerbildungsanstalt, zudem ein Konservatorium. Neben den Studenten der Deutschen
Universität Prag spielte die Studentenschaft der Deutschen Technischen Hochschule
eine wichtige Rolle in der Stadt. Sie stellten keine kleine Gruppe: Für den genannten
Zeitraum ist von im Schnitt etwa 1.000 höheren Mittelschülern und 7.000 Hochschulstudenten in Prag auszugehen. Nur ein, wenn auch großer, Teil von ihnen stammte allerdings aus der Stadt selbst; neben Migranten vom Lande gab es auch immer einen
relativ hohen Anteil von Ausländern sowohl an den Prager Hochschulen215 als auch an
den Mittelschulen.216
Diese etwa 8.000 jungen Menschen bildeten eine dynamische Masse und stellten
nicht nur einen Teil des Publikums, sondern auch der kreativen Elite der deutschsprachigen kulturellen Gemeinde. Über die wichtigsten studentischen Vereine oder Verbindungen liegen bereits einige Studien vor.217 Zugleich handelte es sich um eine relativ
hoch politisierte bzw. politisierbare Gruppe: So gehörte ein Teil der deutschen Studentenschaft dem deutsch-nationalen Lager an und strebte von dort aus bald in die völkische bzw. nationalsozialistische Bewegung; daneben gab es jedoch auch eine ausge214
Vgl. Adam: Unsichtbare Mauern, S. 140–142; Pešek, Jiří: Prager jüdische Studenten am
Ende der Ersten Tschechoslowakischen Republik. Juristen 1937/38, in: Nekula, Marek/Koschmal, Walter (Hrsg.), Juden zwischen Deutschen und Tschechen. Sprachliche und kulturelle Identitäten in Böhmen 1800–1945, München 2006, S. 65–72; ders.: Jüdische Studenten
an den Prager Universitäten 1882–1939, in: Nekula/Fleischmann/Greule (Hrsg.): Franz Kafka
im sprachnationalen Kontext, S. 213–227.
215
Konkret am Beispiel der deutschen Universitätsstudenten der Chemie vgl.: Pešek, Jiří/ Šaman, David: Mitteleuropäische Forschungslandschaft im Vergleich: Die Prager (deutsche) und
die Wiener Chemie im Lichte ihrer Dissertationen aus den Jahren 1882 bis 1945, in: AUC-ST
9/3 (2009), S. 47–77, hier S. 71–75.
216
Vgl. Adam: Unsichtbare Mauern, S. 142.
217
Siehe etwa: Lönnecker, Harald: „... freiwillig nimmer von hier zu weichen ...“ Die Prager
deutsche Studentenschaft 1867–1945. Bd. 1. Vereine und Verbindungen des deutschnationalen
Spektrums, Köln 2008. Siehe dazu auch die kritische Rezension von Steffen Höhne in: Bohemia
49 (2009), S. 522–524. Vgl. auch: Adam, Unsichtbare Mauern, S. 154–178. Daneben hat Josef
Čermák diese Problematik in einer Reihe von Studien bearbeitet: Čermák, Josef: Das Kulturund Vereinsleben der Prager Studenten; ders.: Das Kulturleben der Prager deutschen Studenten
seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag,
in: Nekula/Koschmal (Hrsg.): Juden zwischen Deutschen und Tschechen, S. 33–63; ders.: Die
Koexistenz der deutschen und tschechischen Studentenvereine, in: Becher/Knechtel (Hrsg.):
Praha – Prag 1900–1945, S. 89–105.
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prägte liberale Kommunität, die sich vor allem in der Lese- und Redehalle organisierte.
Die jüdischen Studenten hingegen trieb der erstarkende Antisemitismus an beiden Prager deutschen Hochschulen218 zunehmend an die tschechischen Hochschulen bzw. in
die tschechische Gesellschaft.219
Ein Problem, das sich den Deutschen (und eben weniger den oft bilingualen
deutschen Juden) nach 1918 stellte, war sicherlich der Aufstieg des Tschechischen zur
offiziellen Staatssprache, was die Karrieremöglichkeiten für die nicht des Tschechischen Mächtigen vor allem im öffentlichen Dienst erheblich reduzierte. Viele suchten
ihr Glück nicht zuletzt in Deutschland oder Österreich, wo darüber hinaus in der Regel
eine bessere Entlohnung erwartet werden konnte (wie etwa im Bereich der Hochschule
bereits seit dem 19. Jahrhundert).
Eine deutliche Veränderung der Situation nicht nur für viele solcher Exil-Prager
brachte das Jahr 1933. Jene, die im nationalsozialistischen Deutschen Reich nunmehr
aus politischen oder rassischen Gründen die Verfolgung zu fürchten hatten, kehrten
oftmals nach Prag zurück. Dies galt in besonderem Maße sowohl für Wissenschaftler
als auch für Künstler, Schriftsteller oder Journalisten.220 Prag wurde aber zugleich auch
zu einem der wichtigsten Zentren der deutschen politischen, kulturellen und „rassischen“ reichsdeutschen Emigration.221 So war Prag bis 1938 nicht nur der Sitz der SO218
Vgl. Adam: Unsichtbare Mauern, S. 214, wo ein entsprechender Bericht des Gesandten Koch
von 27. September 1929 paraphrasiert wird. Für den Wortlaut siehe: Alexander, Manfred
(Hrsg.): Deutsche Gesandtschaftsberichte aus Prag, Teil III: Von der Regierung unter Švehla bis
zum Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland 1926–1932. Berichte
des Gesandten Dr. Walter Koch, München 2009, S. 212.
219
Vgl. dazu auch: Čapková, Kateřina: Češi, Němci, Židé? Národní identita Židů v Čechách
1918–1938, Praha–Litomyšl 2005.
220
Vgl. zuletzt die Aufarbeitung der Schicksale des Prager jüdischen Journalisten Hans Natonek
und des Prager jüdischen Zeichners Walter Trier: Böttger, Steffi: Für immer fremd. Das Leben
des jüdischen Schriftstellers Hans Natonek, Leipzig 2013; Neuer-Warthorst, Antje: Walter
Trier. Eine Bilderbuchkarriere, Berlin 2013.
221
Allgemein vgl.: Becher, Peter/Canz, Sigrid: Drehscheibe Prag. Deutsche Emigranten 1933–
1939, München 1989; Becher, Peter/Heumos, Peter (Hrsg.): Drehscheibe Prag. Zur deutschen
Emigration in der Tschechoslowakei 1933–1939, München 1992; in einem breiteren Rahmen:
Barvíková, Helena et al., Exil v Praze a Československu 1918–1938, Praha 2005. Vgl. ferner:
Siegel, Eva-Maria: Vorläufiges Leben. Emigrationsalltag in Prag 1933–1939, in: Exil. Forschung – Erkenntnisse – Ergebnisse 9 (1992), S. 23–38. Die jüngste Publikation zum Thema
behandelt zwar die gesamte damalige Tschechoslowakei, viele konkrete Beispiele beziehen sich
aber auf Prag: Čapková, Kateřina/Frankl, Michal: Nejisté útočiště. Československo a uprchlíci
před nacismem 1933–1938, Praha–Litomyšl 2008 bzw. auf Deutsch: Unsichere Zuflucht. Die
Tschechoslowakei und ihre Flüchtlinge aus NS-Deutschland und Österreich 1933–1938, Wien
2012. Literarisch arbeitete dieses Kapitel der deutschen Geschichte bekanntlich Erich-Maria
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PADE, sondern vor allem Zufluchtsort für die deutschen Juden, die durch jüdische Organisationen vor Ort nach Möglichkeit unterstützt wurden. Die Situation der Emigranten (vielleicht mit Ausnahme der reichen, berühmten oder politisch einflussreichen Eliten222) war sicherlich nicht einfach. Trotzdem war Prag offenbar für von ihnen attraktiver als z. B. Paris – selbstverständlich nur bis zur Münchener Krise 1938.223
Leider ist über die deutschen und jüdischen Emigranten, die nach 1933 in die
Stadt kamen, nur wenig bekannt. Die Forschung konzentriert sich bisher auf die politischen und kulturellen Eliten oder, wie etwa Čapková und Frankl, auf die Hilfsorganisationen oder die wesentlichen Probleme, mit denen diese Menschen konfrontiert waren.
Eine sozialgeschichtliche Untersuchung der Emigranten oder eine Analyse ihrer Tätigkeiten fehlt bisher im Grunde völlig.
II. 3. Das deutsch-jüdische Prag 1918–1938
Ein eigenes Thema stellt das deutsch-jüdische Prag der Zwischenkriegszeit dar. Dieses
hat sich in den letzten etwa fünf Jahrzehnten nicht nur zu einem beliebten Forschungsgegenstand, sondern auch zu einem – positiven – „Mythos“ entwickelt, der in den letzten Jahren allerdings Risse bekommt, wobei nicht ganz klar ist, ob es sich tatsächlich
um eine erkenntnisfördernde Neufokussierung handelt oder nicht vielleicht doch eher
um den Ausdruck eines „Generationenkonflikts“ um die Deutungshoheit innerhalb der
vor allem tschechischen Historiographie.224
Die Prager Juden bzw. die in Prag lebenden Juden spielten auch in der Zwischenkriegszeit weiterhin die wichtige Rolle der Mittler zwischen den Tschechen und
den Deutschen. Wie schon angedeutet, verschoben sich nun allerdings mit dem Aufstieg
Remarque in seinem 1938/39 entstandenen Roman „Liebe Deinen Nächsten“ auf, in dem auch
Prag eine Rolle spielt.
222
Vgl. exemplarisch: Osterkamp, Jana: Hans Kelsen in der Tschechoslowakei, in: Walter, Robert/Ogris, Werner/Olechowski, Thomas (Hrsg.): Hans Kelsen. Leben – Werk – Wirksamkeit,
Wien 2009, S. 305–318. Übersichtlich: Čapková/Frankl: Nejisté útočiště, Kapitel „Privilegovaní“, S. 94–113.
223
Siehe dazu: Pánková, Lucie: Německá emigrace ve 30. letech 20. století. Příklad meziválečné Prahy a Paříže 1933–1938/1939, in: Documenta Pragensia 20 (2002), S. 259–296.
224
Auch die jüngere deutsche Generation schließt sich dieser kritischen Sichtweise jedoch an
(vgl. zuletzt etwa Koeltzsch: Geteilte Kulturen), wobei erstaunlicherweise der zeitgenössische
Kontext etwa der wesentlich unerfreulicheren Zustände im Deutschen Reich oder auch in Österreich oftmals außer Acht gelassen wird. Hier wäre, wie bereits erwähnt, sicher ein Vergleich
begrüßenswert, der bei der Einordnung hilft.
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der Tschechen zum „Staatsvolk“ auch die nationalen Präferenzen innerhalb der jüdischen Gemeinde. Diese zweisprachige,225 sich bisher jedoch vor allem deutsch identifizierende Kommunität reagierte auf die neuen Verhältnisse ausgesprochen pragmatisch:
Besuchten um 1910 nur 10 % der mosaischen Schüler die tschechischen Schulen in
Prag, so taten dies bis zum Jahre 1926/27 schon 71 % aller Prager jüdischen Kinder.226
Die Zahl der sich als jüdisch deklarierenden Schüler in Prag blieb dabei zwischen 1912
und 1927 weitgehend stabil auf dem Niveau von etwa 1.200 Kindern.
Die Gründe für diese Wende in bezug auf das nationale Bekenntnis bzw. die
Anpassung an eine der beiden nationalen Gesellschaften sind noch nicht vollständig
erforscht – in Betracht kommen sowohl eine gewisse vorsorgliche Konfliktvermeidungs- bzw. Überlebensstrategie als auch und vor allem eine nachhaltige Karriere- und
Erfolgsstrategie in der neuen Republik.227 Jedenfalls assimilierten sich die böhmischen
und vor allem die Prager Juden zunehmend in die tschechische Mehrheitsgesellschaft,
wie Kateřina Čapková ausführlich analysiert hat.228 Die neue tschechoslowakische Verfassung des Jahres 1920 ermöglichte es den Juden daneben auch, sich zur „jüdischen
Nationalität“ zu bekennen.229
Bei den folgenden Kommunalwahlen in Prag kandidierten folgerichtig
auch jüdische Parteien und vereinigten immerhin 4% der Wählerstimmen auf sich. Diese Parteien wurden offensichtlich sowohl von deutschen als auch von tschechischen
Juden gewählt. Die linke deutsch-jüdische Intelligenz wählte hingegen vor allem die
Tschechoslowakische Sozialdemokratische Partei bzw. die Kommunistische Partei.230
225
Vgl. Nekula, Marek: Der tschechisch-deutsche Bilingualismus, in: Koschmal, Walter/Nekula, Marek/Rogall, Joachim (Hrsg.): Deutsche und Tschechen. Geschichte – Kultur – Politik,
München 2001, S. 207–216.
226
Vgl. Adam: Unsichtbare Mauern, S. 136, nach Šiška, Josef: Populační a bytové poměry, in:
Rada hl. města Prahy (Hrsg.): Praha v obnoveném státě československém, Praha 1936, S. 71–
88.
227
Solange sich die Prager Juden noch mit den Deutschen identifiziert hatten, hatten sich viele
antideutsche Ausschreitungen in Judenpogrome verwandelt. Vgl. dazu Čapková: Češi, Němci,
Židé?, S. 108–115.
228
Čapková: Češi, Němci, Židé?
229
Ibid., S. 27–40.
230
Vgl. dazu: Ledvinka, Václav: Vznik Velké Prahy a politický profil správy města ve dvacátých létech 20. století, in: Documenta Pragenisa 5 (1985), S. 91–111; Jelínek: Zástupci německých politických stran.
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Die bisherige Forschung weist darauf hin, dass die Prager Juden bereits im
19. Jahrhundert im mitteleuropäischen Vergleich etwas spezifisch waren.231 So gab es
nur eine sehr geringe jüdische Immigration von außerhalb der böhmischen Länder nach
Prag. Die dem böhmischen Milieu kulturell fremden Aschkenasim, die den Charakter
der meisten großstädtischen Gemeinden Mitteleuropas prägten, mieden Prag überwiegend. Wie Čapková schreibt, war der wichtigste Grund für diese Distanz die stark
christlich bzw. säkular geprägte Kultur der Prager Juden.232
Die im Schulwesen zu beobachtende Tendenz einer zunehmenden Präferenz der
tschechischen Institutionen durch die Prager Juden galt auch für den Bereich der Hochschulen. So zeigte Jiří Pešek auf Basis der Studentenstatistiken, dass der Anteil der sich
als mosaisch bezeichnenden Studenten an der tschechischen Karls-Universität zunächst
von 5 % im Studienjahr 1921/22 auf 15 % im Jahr 1931/32 anstieg und sich dann bis
zum Ende der Ersten Tschechoslowakischen Republik auf einem Niveau von 10 % einpendelte.233 An der wesentlich kleineren Deutschen Universität Prag stieg der Anteil der
Juden von 25 % im Studienjahr 1921/22 auf 30 % im Jahre 1931/32, um dann jedoch
bis zum Studienjahr 1936/37 schnell und kontinuierlich auf 12,5 % abzusinken. Zwar
scheint hinsichtlich des Prozentsatzes der Unterschied nicht groß bzw. die Entwicklung
nicht eindeutig zu sein; wenn wir aber die Inskriptionen an beiden Universitäten vergleichen, sehen wir, dass die tschechische Karls-Universität schon im Studienjahr
1931/32 ihre deutsche Schwester bzw. Konkurrentin überholte (1.613 Studenten des
mosaischen Bekenntnisses gegenüber 1.431). Dieser Trend setzte sich dann bis zur Zerschlagung der Republik fort: Im Jahre 1936/37 können wir 928 Juden an der tschechischen Karls-Universität und nur noch 552 an der Deutschen Universität identifizieren.
Der Antisemitismus war jedoch, wie im gesamten Europa der Zwischenkriegszeit, unbestreitbar in beiden nationalen Lagern präsent.234 Zwar gab es auch in Prag
Pogrome in der unmittelbaren Nachkriegszeit; für die Zeit danach deutet allerdings ei231
Vgl. dazu Čapková: Češi, Němci, Židé, S. 71–90.
Siehe Čapková: Češi, Němci, Židé?, S. 19. Die Autorin bezieht sich dabei auf Iggers, Wilma:
Zeiten der Gottesferne und der Mattheit. Die Religion im Bewusstsein der böhmischen Juden in
der ersten Tschechoslowakischen Republik, Leipzig 1997. Vgl. auch Pešek: Jüdische Studenten,
hier S. 218.
233
Vgl. hierzu und zum Folgenden Pešek: Jüdische Studenten, S. 221f. Für die Statistiken siehe:
Havránek/Pousta (Hrsg.): Dějiny Univerzity Karlovy IV, S. 603–607 u. 614–616.
234
Zu den Spezifika des tschechischen Antisemitismus vgl.: Čapková: Češi, Němci, Židé?, S.
115–121.
232
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niges darauf hin, dass die von deutschen wie tschechischen ultranationalistischen Antisemiten provozierten und organisierten Tumulte, Ausschreitungen und Demonstrationen235 im Vergleich zu ähnlichen Vorkommnissen in den Großstädten der Nachbarländer aber etwas weniger brutal und destruktiv waren.236 Anders als etwa in vielen Städten
und Ortschaften der Weimarer Republik237, vom „Dritten Reich“ ganz zu schweigen,
kam es in Prag in der Zwischenkriegszeit zu keinem wirklichen Pogrom oder auch
„nur“ zu Anschlägen auf jüdische Friedhöfe oder Synagogen. Im Gegensatz zu der Situation im Deutschen Reich gab es in der tschechischen Mehrheitsgesellschaft keinen
Widerstand gegen eine Assimilation der Juden, die darüber hinaus durch ihre mehrheitliche Befürwortung der Republik bzw. des Republikanismus in beiden Ländern ebenfalls eine andere Beurteilung erfuhren.238 So unterstützte und eröffnete gar der tschechische Nationalist und ehemalige ausgewiesene Antisemit Karel Baxa in den Jahren
1931–1933 als Prager Oberbürgermeister mehrere große zionistische und jüdische Veranstaltungen in der Hauptstadt der Republik.239
235
Vgl. ibid., S. 111–115; Für das Universitätsmilieu siehe: Havránek: Anti-Semitism at Prague
Universities; Míšková, Alena: Die Lage der Juden an der Prager Deutschen Universität, in: Hoensch, Jörg/Biman, Stanislav/Lipták, Ľubomír (Hrsg.): Judenemanzipation – Antisemitismus –
Verfolgung in Deutschland, Österreich-Ungarn, den Böhmischen Ländern und in der Slowakei,
Essen 1999, S. 117–129.
236
Vgl. z. B. Walter, Dirk: Antisemitische Kriminalität und Gewalt. Judenfeindschaft in der
Weimarer Republik, Bonn 1999; Winkler, Heinrich August: Die deutsche Gesellschaft der Weimarer Republik und der Antisemitismus, in: Martin, Bernd/Schulin, Ernst (Hrsg.): Die Juden
als Minderheit in der Geschichte, München 1981, S. 271–289. Allgemein: Volkov, Shulamit:
Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert, München 1990.
237
Vgl. Wirsching, Andreas: Vom Weltkrieg zum Bürgerkrieg? Politischer Extremismus in
Deutschland und Frankreich 1918–1933/39. Berlin und Paris im Vergleich, München 1999. Für
München siehe Walter: Antisemitische Kriminalität, S. 97–110.
238
Siehe Walter: Antisemitische Kriminalität, S. 245 u. 250.
239
Konkret handelte es sich u. a. um die 7. Weltkonferenz der Women’s International Zionist
Organisation, die im Altstädter Rathaus stattfand, sowie die Weltfestspiele Makkabi im Vorfeld
des 18. Zionistenkongresses im Sommer 1933 in Prag. Vgl. dazu Koeltzsch: Geteilte Kulturen,
S. 148.
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III. Die Besatzergesellschaft: Die Prager Deutschen
1939–1945
Wie bereits erwähnt, fehlt für Prag ebenso wie für das sog. Protektorat Böhmen und
Mähren insgesamt ähnlich wie für die meisten anderen okkupierten Städte und Regionen eine Analyse der Besatzergesellschaft, die in diesem Gebiet überdies, anders als in
allen anderen besetzten Gebieten, eine spannungsgeladene Mischung von „Einheimischen“, „Zugezogenen“ und „Durchreisenden“ darstellte. Im Folgenden soll daher der
Frage nachgegangen werden, wie die Prager deutsche Gesellschaft der Jahre 1939–1945
zusammengesetzt war und welche Auskünfte uns die zur Verfügung stehenden Quellen
dazu geben können.240
Für die demographische Erfassung einer Bevölkerung oder einer bestimmten
Bevölkerungsgruppe gibt es in der Regel zwei Möglichkeiten: Zum einen die Auswertung offizieller, veröffentlichter Zensusdaten und Statistiken; und zum anderen die Erhebung von Daten aus Quellen, die zu anderen Zwecken angelegt wurden, wie etwa
Kirchenbücher, Taufregister, standesamtliche Personenregister, Melderegister usw. Erstere vermitteln uns Informationen über die Bevölkerung zu bestimmten Zeitpunkten,
wie etwa ihre Größe und Gliederung nach bestimmten Merkmalen, also Geschlecht,
Alter, Familienstand, räumliche Verteilung usw.; Letztere vermitteln in der Regel so
genannte „vitalstatistische“ Daten über Ereignisse, die „zwischen bestimmten Zeitpunkten aufgetreten sind und mit deren Hilfe sich die entsprechenden Veränderungen der
Bevölkerung erklären lassen“, also: Geburten, Sterbefälle, Eheschließungen, Umzüge
usw.241
Für Prag im Zeitraum 1939–1945 stehen wir vor der Situation, dass uns keine
Zensusergebnisse und auch sonst in Bezug auf die Bevölkerung kaum offizielle statistische Daten vorliegen. Die einzigen veröffentlichten Daten sind spezifische Einzeldaten
bzw. Nebenprodukte anderer statistischer Erhebungen.242 Die letzte Volkszählung fand
240
Dieses Kapitel wurde in einer früheren Fassung veröffentlich als: Lohmann, Nina: Kdo byli
pražští Němci v letech 1939–45?, in: PSH 40 (2012) [2013], S. 299–330.
241
Vgl. dazu Sokoll, Thomas/Gehrmann, Rolf: Historische Demographie und quantitative Methoden, in: Maurer, Michael (Hrsg.): Aufriß der historischen Wissenschaften. Bd. 7. Neue Themen und Methoden der Geschichtswissenschaft, Stuttgart 2003, S. 152–229, hier S. 164f.
242
Das Statistische Jahrbuch des Protektorats Böhmen und Mähren (Statistická ročenka protektorátu Čechy a Morava) beispielsweise, das bis 1943 erschien, vermittelt für die einzelnen Städten lediglich ausgewählte Angaben zu Löhnen, Miet- und Lebensmittelpreisen usw.
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neun Jahre vor der Errichtung des Protektorats statt, die für Ende Mai Jahr 1940 geplante Volks-, Berufs- und Betriebszählung wurde kurzfristig auf unbekannte Zeit verschoben. Letztere wurde offenbar hauptsächlich deswegen abgesagt, weil auch die entsprechende Zählung im „Altreich“ auf die Zeit nach dem Krieg verschoben wurde. In einem
Vermerk des Sonderreferats Statistik vom 3. September 1942 bezüglich einer sog. kleinen Volkszählung heißt es:
„Der Führer hat aber entschieden, daß eine Volkszählung im Protektorat erst
6 Monate nach Kriegsende veranstaltet werden soll. Auch der Herr Staatssekretär wünscht nicht, daß die Zahl der Deutschen, auf deren Feststellung gerade der
BdS [Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, NL] größten Wert legt, in einer autonomen Protektoratsstelle bekannt wird, was bei der
Durchführung einer Bestandsaufnahme nicht zu verhindern wäre.“243
Aus (begründeter) Angst vor den Ergebnissen wurden jedoch bereits im Vorfeld (März
1940) von der zuständigen Abteilung I der Behörde des Reichsprotektors die Fragen
nach der Staatsangehörigkeit und der Muttersprache lieber ausgeklammert: die Zählung
hätte uns also in dieser Hinsicht sowieso keine Ergebnisse gebracht.244
243
NA, ÚŘP, k. 421, I-3g6620, Sonderreferat Statistik, Vermerk zum Antrag der Gruppe II/2
betreffend die Durchführung einer kleinen Volkszählung im Protektorat Böhmen und Mähren,
3. 9. 1942.
244
Vgl. zu den Vorbereitungsarbeiten und der dazugehörigen Korrespondenz des Jahres 1940
den Bestand im Národní Archiv v Praze (NA), Úřad říšského protektora v Čechách a na Moravě, Praha (ÚŘP), k. 421, I-3g6625. Im Bestand des Staatlichen Statistischen Amtes finden
sich lediglich die Ergebnisse der Volks-, Berufs- und Betriebszählung 1939 im Sudetengau.
Vgl. NA, Státní úřad statistický, k. 94.
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III. 1. Die Struktur der Prager deutschen Bevölkerung nach der
Volkszählung von 1930
Schauen wir uns also zunächst die letzte uns bekannte Ausgangslage bezüglich der
deutschen Bevölkerung Prags an. Die Prager Gesamtbevölkerung war wie angedeutet in
den Jahren seit der Erlangung der Selbstständigkeit des tschechoslowakischen Staates
vor allem durch Zuwanderung stark gewachsen und erreichte im Jahre 1930 knapp
840.000 Einwohner.245 Von diesen meldeten sich 41.701 als tschechoslowakische
Staatsbürger deutscher Nationalität. Der Promilleanteil dieser Gruppe an den in Prag
gemeldeten tschechoslowakischen Staatsbürgern stieg damit von 45,9 im Jahre 1921 auf
50,2 im Jahre 1930.246 Von den in Prag anwesenden ausländischen Staatsbürgern waren
im Jahre 1930 3.448 Österreicher und 1.748 Reichsdeutsche; mit insgesamt 5.196 stellte
diese Gruppe fast ein Drittel aller in Prag registrierten ausländischen Staatsbürger und
war mit Abstand die größte aller erfassten (noch vor den russischen Emigranten mit
knapp 4.000 Personen).247 Wenden wir wiederum das Nationalitätenprinzip (und nicht
das Staatsbürgerprinzip) an, so verringert sich die Gruppe der „deutschen“ Ausländer
auf 4.118. Es ist anzunehmen, dass zumindest ein Teil der Differenz von über 1.000 auf
die knapp 1.500 Ausländer jüdischer Nationalität entfiel.248 Insgesamt kommen wir also
so auf 45.819 Personen oder ca. 5,5 % Einwohner deutscher Nationalität im Prag des
Jahres 1931 plus eine unbestimmte Anzahl von deutschsprachigen tschechoslowakischen bzw. deutschen und österreichischen Staatsbürgern jüdischer Nationalität (insgesamt umfasste diese Gruppe 8.230 Personen).
Die hervorragend ausführliche Volkszählung erfasste u. a. auch die Siedlungsgebiete nach Nationalität. So siedelten die tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher
Nationalität vorwiegend (knapp 43%) in den Bezirken im und um das Zentrum der Stadt
(Prag I-VII), hier insbesondere in der Prager Neustadt (Prag II, 20%) und in Holešovice245
Die Wohnbevölkerung betrug genau 836.048 Personen. Die oft genannte Zahl von 850.000
schließt auch die „vorübergehend Anwesenden“ mit ein. Vgl. hierzu und zum Folgenden: Sčítání lidu v Republice Československé ze dne 1. prosince 1930. Díl I. Růst, koncentrace a hustota obyvatelstva, pohlaví, věkové rozvrstvení, rodinný stav, státní příslušnost, národnost, náboženské vyznání, hrsg. v. Státní úřad statistický, Praha 1934 (= Československá statistika,
Bd. 98), hier Tab. 1, und Winkler, Erwin: Prags Bevölkerung in der Statistik, Prag 1938 (Deutsche Gesellschaft für Familienkunde und Eugenik für die Tschechoslowakische Republik.
Kleine Schriftenreihe, Heft 2).
246
Sčítání lidu, I , Tab. 5.
247
Ibid., Tab. 7.
248
Ibid., Tab. 8.
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Bubny (Prag VII, 9%).249 Fast genauso viele Tschechoslowaken deutscher Nationalität
wie in der Neustadt waren in Prag XII (Vinohrady) anzutreffen, der Rest verteilte sich
etwa in der Größenordnung von Holešovice-Bubny vornehmlich auf Prag XIX (insbes.
Bubeneč, Dejvice) und Prag XVI (Smíchov), etwas weniger dann (in dieser Reihenfolge) Prag XI (Žižkov), Prag X, Prag XIII (Vršovice), Prag VIII (v. a. Libeň) und Prag
XIV (v. a. Nusle und Michle) (siehe Tab. 1 und Abb. 1). Der Rest ist hier zu vernachlässigen.
Vergleicht man die Ergebnisse mit denen von 1921, wie dies auch in der Auswertung der Volkszählung von 1930 getan wurde, so ist in fast allen genannten Vierteln
ein geringer bis markanter Zuwachs der deutschen Bevölkerung zu verzeichnen, aufgrund der absoluten Größenordnung am auffälligsten wohl in Holešovice-Bubny, das zu
einem bevorzugten, später gezielten Siedlungsgebiet der deutschen Bevölkerung wurde.250 Bei den deutschen und österreichischen Staatsbürgern ist kein wesentlicher Unterschied im Siedlungsmuster erkennbar, so dass die genannten Siedlungsschwerpunkte
(Stand 1930) für die Prager deutscher Nationalität insgesamt zutreffen.
Die überwiegende Mehrheit, nämlich zwei Drittel der deutschen Bevölkerung
bekannte sich dabei zum römisch-katholischen Glauben, knapp 18 % zum israelitischen,
nur 9 % zum deutschen evangelischen und etwa 4 % waren glaubenslos (der Rest verteilt sich auf verschiedene andere Bekenntnisse).251 Hinsichtlich der Sozialstruktur zu
Beginn der 1930er Jahre greifen wir auf die Berichte des Statistikbüros der Hauptstadt
Prag zurück.252 Ein Drittel der Prager deutschen Gesamtbevölkerung, d. h. nicht nur der
Werktätigen, war demnach im Handels-, Banken- und Versicherungswesen etc. tätig,
etwa 20 % in der Industrie (v. a. Maschinenbau und Bekleidung), immerhin gut 13 %
im öffentlichen Dienst (Verwaltung, Justiz, Schul- und Gesundheitswesen etc.), sieben
Prozent waren freiberuflich tätig und den Großteil des Restes bildeten Rentner und Sozialleistungsempfänger (13 %) sowie Studenten und Schüler (12 %), die damit weiterhin ein markantes Segment der Prager deutschen Bevölkerung ausmachten.253
249
Zur Stadtentwicklung und dem Weg Prags zur Großstadt vgl. Pešek: Od aglomerace k velkoměstu.
250
Vgl. ibid., Tab. 24.
251
Vgl. Sčítání lidu, I , Tab. 29.
252
Šiška, Josef (Red.): Statistická zpráva hlavního města Prahy za léta 1930–1933. Hrsg. v.
Statistický úřad hlavního města Prahy, Praha 1937.
253
Vgl. ibid., S. 62–65, Tab. 48.
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Tab. 1: Die Siedlungsgebiete der Prager deutschen Bevölkerung auf Basis der
Ergebnisse der Volkszählung von 1930254
Stadtteil
Hlavní město Praha
I.
(Staré město)
2.769
6,6
II.
(Nové město)
7.782
18,7
III.
(Malá strana)
1.874
4,5
IV.
(Hradčany)
915
2,2
V.
(Josefov)
513
1,2
VI.
(Vyšehrad)
68
0,2
VII.
(Holešovice-Bubny)
3.753
9,0
1.471
3,5
364
0,9
VIII. (u. a. Libeň, Bohnice)
IX.
(u. a . Vysočany, Hloubětín)
X.
(Karlín)
1.771
4,2
XI.
(u. a. Žižkov)
2.381
5,7
XII.
(Král. Vinohrady)
7.111
17,0
1.696
4,1
1.049
2,5
334
0,8
3.450
8,3
XVII. (u. a. Košíře, Motol)
330
0,8
XVIII. (u. a. Břevnov, Střešovice)
565
1,4
3.505
8,4
XIII. (u. a. Vršovice, Staré Strašnice)
XIV. (Nusle, Michle, Krč)
XV.
(u. a. Braník, Podolí)
XVI. (u. a. Smíchov)
XIX. (u. a. Dejvice, Bubeneč)
254
Gesamtzahl
Prozentanteil an
d. Deutschen der deutschen Bev.
41.701
100
Vgl. Sčítání lidu, I , Tab. 23.
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Abb. 1: Deutsche Siedlungsgebiete in Prag 1930. Quelle: Winkler: Prags Bevölkerung, S. 14.
Wie Erwin Winkler in seiner 1938 erschienenen Studie darlegt, stand es bereits Mitte
der 1930er Jahre um das natürliche Bevölkerungswachstum (nicht nur) der deutschen
Bevölkerung der Stadt nicht besonders gut. So machte der Anteil der Lebendgeburten
deutscher Mütter im Jahre 1935 trotz eines Bevölkerungsanteils von etwa 5 % mit 115
nur 1,25 % der Gesamtzahl der Lebendgeburten in Prag aus, wobei die Tendenz in den
Jahren davor fallend war.255 Zugleich blieb der Anteil der Sterbefälle mit etwa 3 % oder
knapp 300 in diesen Jahren stabil. Wie Winkler es fast prophetisch ausdrückte: „Eine
Vermehrung der Deutschen Prags kann also lediglich durch Zuwandern geschehen.“
255
Vgl. Winkler: Prags Bevölkerung, S. 6f.
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Gleiches galt im Übrigen aber für die gesamte Prager Bevölkerung, worauf auch
die Altersstruktur hinweist: Auch hier war die Stadt auf den Zuzug junger Menschen im
Alter von 20–30 angewiesen. Wie die Statistik zeigt, zogen in den Jahren 1930–33 jährlich etwa 120.000 Personen nach Prag (im Jahr 1930 gar 125.000), der Großteil kam aus
anderen Teilen der Tschechoslowakischen Republik, hiervon wiederum gut drei Viertel
aus Böhmen.256 In diesen Jahren zogen jeweils rund 13.000 Personen deutscher Nationalität (1933 sogar über 16.500) in die tschechoslowakische Hauptstadt, davon stammten
in den Jahren 1930–32 gut 80 % aus der Tschechoslowakei; nur im Jahre 1933 sank ihr
Anteil aufgrund der starken Zuwanderung aus dem Ausland (über 4.000 Personen, also
fast doppelt so viele wie in den Jahren zuvor), vor allem wohl aus dem Deutschen
Reich, auf etwa 75 %. Zu den stärksten Zuzugsorten gehörten die folgenden, vor allem
nord- und westböhmischen Städte: Karlovy Vary (1930–33 insges. 2.089 Pers.), Teplice-Šanov (1.830), Liberec (1.546), Děčín (1.254), Cheb (1.111), Mariánské Lázně
(1.056) und Chomutov (1.052). Die einzige auffällige geographische Ausnahme bildet
die verhältnismäßig kleine mittelböhmische Ortschaft Týn nad Labem bei Kolín, aus
der in jenen Jahren eine relativ große Gruppe deutscher Übersiedler (1.559) nach Prag
zu verzeichnen ist.
Soweit zu der letzten statistisch belegten Ausgangslage, die jedoch bereits durch
die Veränderungen der zweiten Hälfte der 1930er Jahre Makulatur gewesen sein dürfte:
Im Herbst 1938 ergänzten, wie bereits in Kapitel II angedeutet, viele Flüchtlinge aus
den annektierten Randgebieten der Tschechoslowakei die schon seit dem Jahre 1933 in
das Land und auch nach Prag strömenden Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich, ggf.
aus Österreich.257 Nichtsdestotrotz liefern diese Daten uns ein Bild von der „normalen“,
also der traditionellen Prager deutschen Bevölkerung zu Friedenszeiten (wenngleich es
natürlich bereits durch den Ersten Weltkrieg und die nachfolgenden Veränderungen zu
einer strukturellen Veränderung gekommen war, nicht zuletzt durch die bereits erwähnte zunehmende Identifizierung der jüdischen Bevölkerung mit der tschechischen bzw.
später mit der jüdischen Nationalität258). Somit können uns die genannten Ergebnisse
256
Vgl. zu diesem Abschnitt die Angaben in: Šiška (Red.): Statistická zpráva hlavního města
Prahy za léta 1930–1933, S. 70–71.
257
Vgl. Pánková: Německá emigrace; Čapková/Frankl: Nejisté útočiště.
258
Vgl. dazu neben Čapková: Češi, Němci, Židé auch Havránek, Jan: Die Juden zwischen den
Tschechen und Deutschen in Prag, in: Jiří Pešek et al. (Hrsg.): University, historiography, society, politics. Selected studies of Jan Havránek, Praha 2009, S. 377–387.
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der Volkszählung des Jahres 1930 als Vergleichsfolie dienen in Hinsicht auf die Veränderung der Prager deutschen Population während der Besatzung; für die Okkupationszeit selbst sind wir dann auf die Zusammenführung und Auswertung verschiedener anderer Quellen angewiesen.
III. 2. Die Größe der deutschen Bevölkerungsgruppe in Prag im
Zeitraum 1939–1945
Von vorneherein ist dabei zu bedenken, dass sich die Struktur der deutschen Bevölkerung Prags im Laufe der Besatzungszeit wesentlich veränderte und von derjenigen der
Vorkriegszeit, auch der unmittelbaren, deutlich unterschied. Zu berücksichtigen sind in
diesem Kontext insbesondere die politischen Flüchtlinge aus dem Reich bis 1938, von
denen nicht wenige in einer groß angelegten Aktion gleich nach Errichtung des Okkuaptionsregimes verhaftet wurden: Im Rahmen der bereits vor der Invasion vorbereiteten Aktion („Gitter“) wurden im gesamten Protektorat in der ersten Woche 1.600 Personen, hauptsächlich deutsche Emigranten und tschechische Kommunisten, inhaftiert, die
Zahl stieg durch weitere Verhaftungen bis Mai 1939 auf zwischen 4.376 259 bzw.
4.639260 und 5.800–6.400261 an, erstere Zahlen bezieht sich wahrscheinlich nur auf
Böhmen. In den ersten 48 Stunden wurden davon alleine im Raum Prag 450 Personen
verhaftet,262 bis Mai waren es schließlich knapp 2500.263 Zu den inhaftierten Deutschen
259
Kárný, Miroslav: Nad souborem dokumentů o nacistické okupační politice z období říšského
protektora Konstantina von Neuratha, in: Kárný/Milotová (Hrsg.): Anatomie okupační politiky,
S. VII–LXV, hier S. XX.). (von bei ihm genannten 4.376 Inhaftierten insgesamt, ibid., S. 324
f.). Bei Kárný: Nad souborem, S. XXI, der versucht, einige der betroffenen Personengruppen
auch zahlenmäßig zu identifizieren, heißt es: „Tyto údaje je třeba správne interpretovat. Nejde
v nich o celkový počet všech osob zatčených v Čechách po 15. březnu do 12. května, ale zahrnují jen ty, které buď zatklo gestapo přímo anebo které věznilo po předání osob zatčených protektorátními bezpečnostními složkami. Proto např. zatčení v akci Gitter, zaměřené proti komunistům a německým emigrantům, jsou v této statistice zahrnutí jen částečně.“ Vgl. zu der Verhaftungsaktion auch: Vajskebr, Jan: První zatýkací akce německých bezpečnostních složek
v Protektorátu Čechy a Morava (tzv. Aktion Gitter), in: Pejčoch, Ivo/Plachý, Jiří a kol.: Okupace, kolaborace a retribuce, Praha 2010, S. 17–23.
260
Brandes: Die Tschechen I, S. 24
261
Gebhart/Kuklik: XVa, S. 177.
262
Ledvinka/Pešek: Praha, S. 601.
263
Kokoška: Praha v letech 1939 až 1945, S. 374; Sládek, Oldřich: Standrecht und Standgericht.
Die Gestapo in Böhmen und Mähren, in: Paul, Gerhard/Mallmann, Klaus-Michael (Hrsg.): Die
Gestapo im Zweiten Weltkrieg. „Heimatfront“ und besetztes Europa, Darmstadt 2000, S. 317–
339, hier S. 325.
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liegen allerdings keine gesicherten Zahlen vor, Sládek beziffert sie für ganz Böhmen auf
747.264 Eine weitere grundlegende Veränderungen für die Struktur der Prager deutschen
Gesellschaft brachten dann vor allem die Einführung der Prinzipien der Nürnberger
Rassegesetze auch auf dem Boden des Protektorates im Juni 1939265 und die 1941 einsetzenden Deportationen,266 im Laufe des Krieges dann ferner die Anwesenheit verschiedener militärischer Verbände, Ausgebombter aus dem Reich, deutscher Flüchtlinge
aus dem Osten sowie Kriegsversehrter in den Prager Lazaretten.
Mit der Okkupation musste auch die Frage der „Volkszugehörigkeit“ und der
Staatsbürgerschaft grundsätzlich geregelt werden. Als deutscher Volkszugehöriger galt
mit Erlass vom März 1939, „wer sich selbst als Angehöriger des deutschen Volkes bekennt, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Tatsachen wie Sprache, Erziehung,
Kultur usw. bestätigt wird […]“.267 Dies bedeutete, dass sich auch Tschechen, Slowaken
oder andere nicht „Deutschstämmige“ zum Deutschtum melden konnten, so sie denn die
264
Von bei ihm genannten 4.376 Inhaftierten insgesamt. Ibid., S. 324 f. Bei Kárný: Nad souborem, S. XXI, der versucht, einige der betroffenen Personengruppen auch zahlenmäßig zu identifizieren, heißt es: „Tyto údaje je třeba správne interpretovat. Nejde v nich o celkový počet všech
osob zatčených v Čechách po 15. březnu do 12. května, ale zahrnují jen ty, které buď zatklo
gestapo přímo anebo které věznilo po předání osob zatčených protektorátními bezpečnostními
složkami. Proto např. zatčení v akci Gitter, zaměřené proti komunistům a německým emigrantům, jsou v této statistice zahrnutí jen částečně.“ Vgl. zu der Verhaftungsaktion auch: Vajskebr,
Jan: První zatýkací akce německých bezpečnostních složek v Protektorátu Čechy a Morava (tzv.
Aktion Gitter), in: Pejčoch, Ivo/Plachý, Jiří a kol.: Okupace, kolaborace a retribuce, Praha 2010,
S. 17–23.
265
Vgl. dazu Kárný, Miroslav: Die Ausschaltung der Juden aus dem öffentlichen Leben des
Protektorats und die Geschichte des „Ehrenariertums“, in: Theresienstädter Studien und Dokumente 5 (1998), S. 7–39, sowie zur rechtlichen Stellung der Juden im Protektorat 1939–1941
chronologisch-thematisch: Petrův, Helena: Právní postavení židů v Protektorátu Čechy a Morava (1939–1941), Praha 2000. Bei der Volkszählung von 1930 wurden in Prag etwas über
8.000 Deutsche gezählt, die sich zum israelitischen Glauben bekannten. Wie Winkler: Prags
Bevölkerung, S. 13, in einer Fußnote erschrocken bemerkt: „Könnten wir alle Rassejuden Prags
erfassen, überstiege ihre Zahl vermutlich die Zahl der Deutschen.“
266
Ingesamt wurden knapp 45.000 Personen aus Prag nach Łódź bzw. Theresienstadt/Terezín
deportiert. Vgl. die Aufstellung der Transporte in: Terezínská pamětní kniha. Židovské oběti
nacistických deportací z Čech a Moravy 1941–1945. Díl druhý, Praha 1995, S. 1341–1344. Zur
Prager jüdischen Bevölkerung in der Okkupationszeit vgl. u. a. Krejčová, Helena/Svobodová,
Jana/Hyndráková, Anna (Hrsg.): Židé v protekorátu. Hlášení Židovské náboženské obce v roce
1942. Dokumenty, Praha 1997; Svobodová, Jana/Krejčová,Helena: Sociální a demografická
struktura pražského židovského obyvatelstva její proměny v letech 1938–1945, in: dies. (Hrsg.):
Postavení a osudy židovského obyvatelstva v Čechách a na Moravě v letech 1939–1945. Sborník studií, Praha 1998, S. 50–85; Svobodová, Jana: Úmrtnost pražského židovského obyvatelstva v Praze 1938–1945, in: Svobodová /Krejčová (Hrsg.): Postavení a osudy židovského obyvatelstva, S. 86–117.
267
Runderlass RdMI vom 29. März 1939, zitiert nach: Brandes: „Umvolkung, Umsiedlung,
rassische Bestandsaufnahme“, S. 41.
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rassischen und idelogischen Kriterien (Bekenntnis zum Deutschtum) erfüllten. Zunächst
wurden diejenigen tschechoslowakischen Staatsbürger, die sich in der Volkszählung
von 1930 zum Deutschtum bekannt hatten, zum 20. April 1939 deutsche Staatsangehörige bei gleichzeitiger Zuerkennung der Rechte von Protektoratsangehörigen, wodurch sie einen privilegierten Status hatten.268
Die Gesamtbevölkerung der Stadt Prag umfasste zum 1. 1. 1939 985.000 Personen.269 Im ersten Jahre des Protektorats ging diese Zahl leicht zurück, nämlich auf offiziell 976.760.270 Otto Lehovec erklärt dies in seiner Anfang 1943 abgeschlossenen, 1944
erschienenen Studie so, dass diese Angaben auf Grundlage der ausgegebenen Lebensmittelkarten errechnet worden seien und somit alle truppenmäßig verköstigten Personen
sowie auch diejenigen Deutsche, die ihre Lebensmittelkarten durch den Oberlandrat
(OLR) erhielten, ebenso wie viele Arbeiter, die sich die Woche über in Prag aufhielten,
jedoch woanders gemeldet seien, darin nicht erfasst seien. Er schätzte diese offizielle
Angabe also um 40–50.000 zu niedrig, was sich auch in etwa mit der seit der Volkszählung von 1930 auf Basis der natürlichen Bevölkerungsbewegung und der Anzahl der
Meldescheine errechneten Einwohnerzahl des städtischen Statistikamtes decke.271 Dieses wies zum 1.1.1940 1.021.750, zum 1.1.1941 1.031.186 Einwohner aus. Doch seien
auch diese Angaben „aus verschiedenen Gründen nicht genau“.272 Für den Oktober 1942
erhalten wir dann im Rahmen der Erhebung des Wohnungsbestands eine Angabe von
1.054.750 Einwohnern.273 Wenn also auch diese Angaben nicht ganz genau sind, weil
sich evtl. gemeldete Personen an anderen Orten befanden bzw. einige Personengruppen
268
Vgl. Brandes: „Umvolkung, Umsiedlung, rassische Bestandsaufnahme“, S. 41. Die Erfassung der Volksdeutschen und die Ausgabe der Ausweispapiere erfolgte auf der Basis von
Fragebögen. Siehe ibid., S. 42f.
269
Monatsberichte des Statistischen Amtes der Hauptstadt Prag, H. 1, 1939, zitiert nach: Lehovec, Otto: Prag. Eine Stadtgeographie und Heimatkunde, Prag 1944, S. 82.
270
Ústřední statistický úřad v Praze (Hrsg.): Statistická ročenka protektorátu Čechy a Morava.
II. ročník 1942, Praha 1942, S. 7.
271
Leider gibt es nach Auskunft des AHMP für die Kriegsjahre eine Lücke im Bestand des Statistischen Amtes und waren die Berichte bisher auch auf anderem Wege nicht zu beschaffen, so
sie denn überhaupt existieren.
272
Lehovec: Prag, S. 2.
273
Vgl. Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Josef Pfitzner für die Zeit vom
1.7. bis 30.9.1943, 20. Oktober 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 401–434, hier Abs. 69, S.
425. Nach Jaromír Müller hingegen bewegte sich die (zivile) Gesamtbevölkerung Prags bis
1942 knapp unter einer Million, 1943 sei sie dann infolge der Deportationen auf etwa 950.000
gefallen. Diese Angaben basieren allerdings auf der Anzahl der ausgegebenen Haushaltskarten.
Vgl. Müller, Jaromír: Praha pod tlakem německé okupace, in: Věstník hlavního města Prahy,
7. 7. 1945, S. 41–46, hier S. 43.
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nicht offiziell registriert wurden, so können wir doch tendenziell ein relativ dynamisches Bevölkerungswachstum in einer verhältnismäßig kurzen Zeit konstatieren.
Man sieht zugleich allerdings deutlich die Schwierigkeit, überhaupt zuverlässige
Zahlen für diese Zeit zu erhalten, da mehrere Stellen eigene Schätzungen abgaben, zumeist auf unklarer Grundlage, die zudem nie alle Personen, die sich im Prager Stadtgebiet zu einem gegebenen Zeitpunkt aufhielten, erfassten. Die Schwierigkeit bestand u. a.
in der enormen Fluktuation der Bevölkerung durch Truppenbewegungen, die stufenweise Deportation bestimmter Bevölkerungsgruppen sowie die teils sehr dynamische Anund Übersiedlung von Reichsdeutschen; gegen Kriegsende schließlich fungiert Prag als
Aufnahme- und Lazarettstadt für zahlreiche Ost-Flüchtlinge und Soldaten.
So nimmt es nicht wunder, dass die verschiedenen Quellen uns auch über den
Umfang der deutschen Zivilbevölkerung zu verschiedenen Zeitpunkten zum Teil äußerst unterschiedliche Angaben liefern (das Militär wird in diesen Angaben in der Regel
ausgeklammert)274, wobei die Berechnungsgrundlage wiederum meist unklar bzw. unbekannt ist. Die in den Quellen von verschiedenen Stellen oft herangezogene „Nachweisung über die deutschen Volkszugehörigen im Protektorat Böhmen und Mähren“
nach dem Stand vom 1. 3. 1940 etwa zählt für den politischen Bezirk Prag-Stadt nur
26.313 gemeldete Personen, für den gesamten Oberlandratsbezirk Prag dann 27.540.275
Unklar ist jedoch, auf welcher Grundlage die Berechnung erfolgte, welche Personengruppen ein- bzw. welche ausgeschlossen wurden.276 Ende Mai 1941 jedenfalls geht
Oberlandrat Watter in seinem Verwaltungsbericht auf Basis der Fettaktion bereits davon
aus, „dass die Zahl der Deutschen in Grossprag die Zahl von 33.000 und in meinem
274
Für eine Übersicht der in Prag stationierten Verbände und Truppen vgl. Tessin, Georg: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–
1945. Bd. 16, bearb. v. Christian Zweig, Osnabrück 1996, S. 123ff. (Heer), S. 130ff. (Luftwaffe), S. 138f. (SS), S. 140 (RAD).
275
Vgl. der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, Erfassung der deutschen Volkszugehörigen im Protektorat Böhmen und Mähren, 18. Mai 1940, vertraulicher Anhang Nachweisung
über die deutschen Volkszugehörigen im Protektorat Böhmen und Mähren nach dem Stande
vom 1. März 1940. NA, Státní tajemník u říšského protektora v Čechách a na Moravě, Praha
(ÚŘP-ST), 109-284/84.
276
George Kennan hingegen geht für Oktober 1940 gar von einer Gesamtzahl von 120.000 Personen aus (ohne Militär), wobei er sich auf tschechische Zahlen für den Dienstgebrauch stützt,
die Basis für diese Schätzung jedoch ungeklärt bleibt. Vgl. Kennan, George: Report Oct. 1940,
„A Year and a Half of the Protectorate of Bohemia and Moravia“, in: ders.: From Prague after
Munich, Princeton 1968, S. 226ff., hier S. 232.
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gesamten Oberlandratsbezirk die Zahl von 37.000 nicht übersteigt“277, im Juni desselben
Jahres konstatiert er dann 32.216 Deutsche im Alter über 14 in Prag – diese Zahl sei
anlässlich der Erhebungsarbeiten für die Durchführung der Reichshilfe gewonnen worden.278
Etwas genauere, wenn auch nicht unbedingt gesichertere Zahlen liefert uns dann
die geheime Denkschrift des Oberlandrats über „Die Stellung und Stärke des Deutschtums in Prag zu Beginn des Jahres 1942“, datiert vom 1. Januar 1942.279 In dieser geht
Watter – „nach Abrechnung des jüdischen Blutanteils von ungefähr 40 %“ (!) – von
einer Zahl von 30.000 Deutschen im Jahre 1930 aus. Diese Zahl habe sich dann infolge
der Abwanderungen ins „Sudetenland“ 1938 noch einmal verringert, so dass „bei der
Erfassung der Deutschen im Jahre 1939 zunächst nur 23.330 Prager Deutsche gezählt
werden“ konnten. Hinzu seien noch rund 8.700 Reichsdeutsche, 1.000 durch Heimatscheine legitimierte, nicht in Prag wohnhafte Deutsche sowie rund 4.600 Antragsteller
auf die deutsche Staatsangehörigkeit zu zählen. Die Zahl von rund 37.600 Personen
deckt sich dann auch in etwa mit der von Watter in dem Bericht zitierten „Kartei der zur
Fetthilfe Angemeldeten nach dem Stand vom 31.5.1941“, die für Prag Stadt 35.893
Deutsche, dazu geschätzt 1.200 Kinder bis zu 3 Jahren auswies.280 Für den gesamten
OLR-Bezirk Prag, d. h. mit Prag-Land (Praha-Venkov), Ritschan (Říčany) und Eule
(Jílové u Prahy), wurden in diesem Kontext rund 39.000 Deutsche erfasst. Im Vergleich
277
Ausschnitt aus dem Verwaltungsbericht des Oberlandrats Prag vom 23. Mai 1941. NA, ÚŘP,
k. 289, I1b-2017, fol. 11. Weiter heißt es: „Dabei sind alle Deutschen mit eingerechnet, die – sei
es als Studenten, sei es als Wehrmachtsangehörige – nur vorübergehend in Prag tätig sind und
daher nicht unbedingt zum bodenständigen Deutschtum gerechnet werden können.“
278
OLR Watter an RP am 10.6.1941. NA, ÚŘP-ST, 109-4/1050, auch abgedruckt in: Šustek:
Josef Pfitzner II, S. 123.
279
NA, ÚŘP, k. 289, I1b-2017, fol. 30ff. Die 38 Seiten starke Denkschrift ist in einigen, wenigen Auszügen auch abgedruckt in: Kárný/Milotová/Kárná (Hrsg.): Deutsche Politik, S. 209–
212.
280
Die rund 37.000 Deutschen in Prag Stadt gliederten sich nach OLR Watter „rassisch“ im
Übrigen wie folgt: ungefähr 10.000 „Sudetendeutsche und Reichsdeutsche, die schon vor 1939
die deutsche Staatsangehörigkeit besessen haben“, ungefähr 20.000 „frühere Volksdeutsche mit
einwandfreier deutscher Volkszugehörigkeit“, etwa 6.000 „deutsche Staatsangehörige mit nur
teilweise deutschem Bluteinschlag“ – also vor allem „Gemischtstämmige“ – sowie ca. 1.000
„Asoziale und Fett-Deutsche“, d. h. „Fremdstämmige, die um Aufnahme in den deutschen
Staatsangehörigkeitsverband und in die Fettkartei nachgesucht haben, über deren endgültige
Staatsangehörigkeit aber noch Ungewissheit herrscht“. Watter, Die Stellung und Stärke des
Deutschtums in Prag zu Beginn des Jahres 1942, 1.1.1942, S. 8. NA, ÚŘP, k. 289, I1b-2017,
fol. 37 (Unterstreichungen im Original).
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mit den von Watter im Mai 1941 auf derselben Basis gemeldeten Angaben (siehe oben)
erhalten wir also etwa höhere Zahlen.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Ende März 1942 die Gruppe II/2 (Ernährung
und Landwirtschaft) des Reichsprotektoramtes im Zusammenhang mit den Krankenbezugsscheinen, wo von einer deutschen Bevölkerung in Prag von 37.500 ausgegangen
wird.281 Fast parallel dazu, nämlich im April 1942, wird im Kontext des Wohnungsbedarfs der Deutschen im Protektorat in einer der Parteiverbindungsstelle auf Anfrage
zugesandten „Nachweisung über die Anzahl der deutschen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen nach dem Stande vom 21. Januar 1942“ für den Oberlandratsbezirk Prag auf Grundlage der ausgestellten Staatsangehörigkeitsanträge und Heimatscheine bzw. der „noch zu bearbeitenden Fragebogen“ und der „Zahl der sonst noch
festgestellten deutschen Staatsangehörigen“ eine Zahl von 42.416 angegeben.282 Im Oktober desselben Jahres geht Primator-Stellvertreter Pfitzner dann bereits von 45.000
Deutschen allein in der Stadt Prag aus, „wobei das Militär nur zum geringen Teil mitgerechnet ist“.283 Allein die Truppenstärke der SS in Prag betrug im August 1942 über
5.650 Mann (davon 190 in der Allgemeinen SS, der Rest in der Waffen-SS).284
Dass wir über den Besatzungszeitraum hinweg von verschiedenen Quellen
abweichende Angaben erhalten, hängt sicher nicht nur mit den unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen und dem augenscheinlichen Fehlen einer zentralen Statistik/Evidenz zusammen, sondern in nicht geringem Maße wohl auch mit den bereits
erwähnten, starken Fluktuationen dieser Bevölkerungsgruppe.285 Dies machte es für die
281
Gruppe II/2 Ernährung und Landwirtschaft (Schmidt) an Abteilungsleiter II betr. Krankenbezugsscheine in Prag, 30.3.1942. NA, ÚŘP-ST, 109-4/1050, auch abgedruckt in: Šustek: Josef
Pfitzner II, S. 262.
282
Nachweisung über die Anzahl der deutschen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen nach dem Stande vom 21. Januar 1942. NA, ÚŘP, k. 421, I-3g6620.
283
Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Josef Pfitzner für die Zeit vom 1.9.
bis 31.10.1942, abgedruckt in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 288–312, hier S. 291. Pfitzner vermittelt in demselben Bericht die Information, dass knapp 3.000 Männer der Jahrgänge 1914–25
in die Wehrstammrollen nachgetragen worden seien.
284
Errechnet nach: Befehlshaber der Waffen-SS Böhmen und Mähren vom 10.8.42, Stärke der
im Protektorat Böhmen und Mähren liegenden SS-Einheiten am 1.8.42. NA, ÚŘP-ST, 109-7/73,
f. 24.
285
Vgl. dazu exemplarisch den Abschnitt 7 zum Thema „Verknappung von Gebrauchsgegenständen“ im Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Josef Pfitzner für die Zeit
vom 1.3. bis 30.6.1943, abgedruckt in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 367–389, hier S. 371: „Bisher wird bei der Festlegung der Kontingente für die Hauptstadt Prag und für die vom deutschen
Wirtschaftsamte mitbetreuten Bezirke Prag-Land-Nord und Prag-Land-Süd, sowie für jene Ver-
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Behörden offensichtlich schwierig, die Versorgung der ansässigen Deutschen mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Gebrauchs sicherzustellen, weswegen es wiederholt zu Beschwerden kam. Auszugehen ist in jedem Fall von einem deutlichen
Zuwachs dieser Bevölkerungsgruppe, worauf auch die verschiedensten, wegen des
Krieges jedoch nur teilweise realisierten Wohnungsbauprojekte (etwa in Bubeneč) hindeuten (vgl. Kapitel IV. 1.). Ab spätestens dem Jahre 1943 ist dann mit einem massiven
Zuzug Bombengeschädigter aus dem Reich zu rechnen.286 Aus einem Bericht der Abteilung VI (Ernährung und Landwirtschaft) des Deutschen Staatsministeriums für Böhmen
und Mähren vom April 1945 erfahren wir, dass in einem undefinierten Zeitraum zuvor
Lebensmittellager in Bubeneč angelegt wurden, die der temporären Versorgung von
150.000 Deutschen dienen sollten.287 Ob dies nur die Situation der letzten Kriegsmonate
(Flüchtlinge, Verletzte, Ausgebombte) reflektiert, vornehmlich an die Truppenversorgung gedacht wurde oder etwa auch die Deutschen im Umland mit eingerechnet wurden, bleibt allerdings bisher unklar.
Da also eine auch nur annähernd zuverlässige Schätzung der Deutschen in Prag
für die Kriegszeit nicht vorliegt, zumal auch die Ausgangslage völlig unklar ist, sind wir
auf die Zusammenführung verschiedener Quellen angewiesen, um wenigstens Aussagen
über die Dynamik der Bevölkerungsentwicklung treffen zu können. Als Basisrichtlinie
für die vermutliche zahlenmäßige Stärke der deutschen Zivilbevölkerung kann uns die
braucher, die von den Kartenstellen der Waffen-SS in Beneschau und der Wehrmacht in
Pribrans ihre Lebensmittelkarten erhalten, 58.000 in diesem Bereiche ansässige Deutsche angenommen. Es wird indessen immer wieder die Vermutung ausgesprochen, dass diese auf Grund
der Reichshilfe- und Gemüseaktion zustandegekommene Zahl zu tief gegriffen sei, ohne dass
im Augenblick eine Möglichkeit gegeben wäre, durch eine Erhebung ein genaues Zahlenbild zu
erlangen. Aber auch ein zweiter Unsicherheitsfaktor beeinträchtigt die Höhe der deutschen Kontingente sehr erheblich. Es geht um den beträchtlichen Hundertsatz Deutscher, die sich in Prag
nur vorübergehend aufhalten, sich aus dem Versorgungssektor jedoch ordnungsgemäss ummelden, hier Bezugsscheine beantragen, sich eindecken und dann nach kurzer Zeit die Stadt wieder
verlassen. Wegen der ausserordentlich starken Zugkraft, die Prag auf die Deutschen des Reiches
ausübt, ist gerade auf deutscher Seite mit diesem fluktuierenden Element zu rechnen, während
die Tschechen eine solche Bewegung nicht kennen.“
286
Vgl. etwa den Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Josef Pfitzner für die
Zeit vom 1.7. bis 30.9. 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 401–434, hier S. 406f., oder denjenigen für die Zeit vom 1.10. bis 31.12.1943, in dem Pfitzner konstatiert, dass im Jahre 1943 für
rund 38.000 Bombengeschädigte und Flüchtlinge aus der Ukraine Unterkünfte beschafft worden
seien. Ibid., S. 449.
287
Die Lager sollten laut dem Bericht aufgelöst bzw. zur Flüchtlingsversorgung herangezogen
werden. Vgl. Abteilung VI an den Chef des Ministeramts, 12.4.1945. NA, Německé státní ministerstvo pro Čechy a Moravu, Praha (NSM), 110-10/61, f. 3.
85
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bereits kurz nach Kriegsende auf Basis der erhaltenen Haushaltskarten erfolgte Schätzung Jaromír Müllers dienen, der die Gesamtzahl der (politischen, d. h. nach Staatsbürgerschaft definierten und durch ein „D“ auf den entsprechenden Karten gekennzeichneten) Deutschen in Prag (ohne Soldaten) über den gesamten Zeitraum auf absolut 75–
80.000 Personen beziffert.288
III. 3. Quellen zur Erfassung der Prager deutschen Bevölkerung der
Jahre 1939–1945
Da sich die städtischen Matrikel des Untersuchungszeitraums weiterhin bei den städtischen Behörden (konkret: Úřad městské části Praha 1) befinden und von daher der
Forschung nur eingeschränkt zugänglich sind, müssen andere Quellengruppen für die
angestrebte Erfassung der deutschen Bevölkerung der Jahre 1939–1945 herangezogen
werden.289 Die meisten Archivfonds, die diesbezüglich in Betracht kommen, sind zwar
bisher nicht detailliert inventarisiert, können jedoch angesichts ihres seriellen Charakters mit einigem Zeitaufwand relativ gut ausgewertet werden. In Hinblick auf die deutsche Bevölkerung bieten sich gleich mehrere Quellengruppen an, die bis auf Ausnahmen290 jeweils bestimmte Personengruppen erfassen. Neben Personalbögen, Schulmatrikeln, Staatsbürgerschaftsanträgen,291 der Konskription,292 den polizeilichen Melde-
288
Vgl. Müller: Praha pod tlakem, S. 43. Es ist allerdings nicht ganz klar, wie Müller zu dieser
Zahl kommt; die vom Autor versprochene Fortführung dieser Problematik, d. h. der Bestimmung der Anzahl der Deutschen in Prag während der Besatzung, konnte nicht gefunden werden.
– Dejmková: Hagibor, S. 194, vermutet, dass es sich bei den darin erfassten Deutschen um
„starousedlíci a osoby, které se v Praze usadily za války, tedy lidé, kteří se pohybovali jako
jednotlivci“, handelte: „Nešlo o lidi ubytované v kasárnách či jinak hromadně stravované, rozhodně nepatřili k oněm posledním německým uprchlickým vlnám.“
289
Mit den Originalmatrikeln arbeitete Ivana Dejmková vom Stadtarchiv Prag, die jedoch leider
in ihrer Studie über Hagibor nur konkrete Angaben über die Toten am und nach Kriegsende
macht, und das nur für jene Zivilisten, die nicht in Prag ansässig waren. Zusätzlich erwähnt sie
noch 700 Eintragungen über Angehörige der Wehrmacht, die in den Lazaretten Groß-Prags im
Zeitraum 1. 2. bis 30. 4. 1945 verstarben (Dejmková: Hagibor, S. 200).
290
Außen vor bleiben bei dieser Untersuchung die Haushaltskarten und die städtischen Matrikel,
da sie für unsere Zwecke nur bedingt infrage kommen, da sie nicht nach Nationalität, sondern
geographisch nach Konskriptionsnummer bzw. alphabetisch nach Namen gegliedert sind.
Gleichwohl bieten sie natürlich die Möglichkeit einer genaueren Untersuchung etwa ausgewählter Wohnblöcke in deutschen Siedlungsschwerpunkten oder einer stichprobenartigen Konfrontation der deutschen und der tschechischen Bevölkerung.
291
Archiv hlavního města Prahy (AHMP). Magistrát hl. m. Prahy I., hlavní spisovna magistrátu
hl. m. Prahy, Referát IV. popisní, Agenda státní příslušnosti (Abt. Staatsangehörigkeit). Dieser
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bögen usw. kommen für die Untersuchung der deutschen Bevölkerung Prags in der Okkupationszeit insbesondere die Akten des „Deutschen Standesbeamten in Prag“ in Betracht, die zu einem guten Teil erhalten geblieben sind.293 Dieses diente, als Teil der
Reichsauftragsverwaltung (Abteilung IV) beim Magistrat, der Erfassung der Aufgebote,
Eheschließungen, Urkundenbestellungen (Sachgebiet a) sowie der Geburten, Sterbefälle, Kirchenaustritte, Ahnenpassbeglaubigungen (Sachgebiet b) der Reichsangehörigen
im Stadtgebiet.294
Wie erwähnt, befinden sich die eigentlichen, bisher nur eingeschränkt zugänglichen Matrikel weiterhin bei den städtischen Behörden; die entsprechenden Protokollbücher sind jedoch bereits in den Bestand des Stadtarchivs Prag übergegangen. Hierbei
handelt es sich vor allem um Geburten- und Sterbebelege (jeweils 1939–1944) sowie
um Kirchenaustrittserklärungen (1940, 1942–1944) und, in Aktenform, die umfangreiche Eheschließungsagenda (1939–1942).295 Diese betreffen jeweils einen spezifischen
Personenkreis – im Falle der Geburtsakten etwa handelt es sich logischerweise vor allem um Paare, bei denen zumindest die Frau das 45. Lebensjahr in der Regel noch nicht
überschritten hat; die Sterbeakten betreffen vor allem, aber nicht nur, ältere Personen,
gegen Kriegsende dann auch immer mehr junge Männer, sprich Soldaten. Die Kirchenaustrittserklärungen wiederum umfassen unabhängig vom Alter all diejenigen Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft, die zum Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in Prag das Bedürfnis verspürten, jene zu verlassen. Für alle genannten Quellen gilt, dass Personen
erfasst wurden, die sich bei Eintritt des entsprechenden Ereignisses in Prag dauerhaft
äußerst umfangreiche Bestand, dessen innere Gliederung unklar ist, ist bisher nur beschränkt
zugänglich und wurde daher im Zuge der Recherchen nur teilweise gesichtet.
292
Für die deutschen Staatsangehörigen in Pilsen hat Tomáš Bernhardt die Konskriptionsbögen
1942–1950 ausgewertet: Bernhardt, Tomáš: Obyvatelé s německou státní příslušností v Plzni v
letech 1942–1950. Počet a struktura. Předběžná zpráva a průběžné výsledky, in: Karlová, Štěpánka/Lišková, Veronika/Stočes, Jiří (Hrsg.): Historická dílna I. sborník příspěvků přednesených v roce 2006, Plzeň 2006, S. 122–161. Zu den Problemen dieser Quelle vgl. ibid., S. 133–
138.
293
AHMP. Magistrát hl. m. Prahy I., hlavní spisovna magistrátu hl. m. Prahy, Referát IV. popisní, Německý matriční úřad (Standesamt) Praha 1939–1945. Dieses Amt war zuständig
sowohl für die bisherigen Reichsangehörigen als auch für die ehemaligen tschechoslowakischen
Staatsangehörigen deutscher Nationalität, die durch die schon erwähnte Verordnung des Reichsministeriums des Inneren (Verordnung RMdI) vom 20. 4. 1939 zu deutschen Staatsangehörigen wurden. Vgl. Brandes: „Umvolkung“, S. 41ff.
294
Für den Geschäftsverteilungsplan der Reichsauftragsverwaltung beim Primator der Hauptstadt Prag, Stand 4. 9. 1942, vgl. Šustek: Josef Pfitzner II, S. 312–317. Ein Teil des Bestandes
befand sich bis zum Jahre 2006 im Národní Archiv.
295
Ein Teil des Bestandes befand sich bis zum Jahre 2006 im Národní Archiv.
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oder auch nur vorübergehend befanden; die überwiegende Mehrzahl der Einträge bezieht sich jedoch auf Personen, die zu diesem oder zum letzten ermittelbaren Zeitpunkt
in Prag und Umgebung gemeldet waren.
Zusammengenommen finden wir allein in diesen drei genannten Beständen über
12.000 Einträge, die wiederum Angaben über weitere Personen vermitteln, etwa die
Eltern, die Ehegatten oder die Kinder. Die Möglichkeiten der Auswertung dieser Daten
sind sehr vielfältig. Zwar wurden alle genannten, bisher nur teilweise geordneten Bestände für diese Arbeit mindestens gesichtet; ich konzentriere mich in diesem Kapitel
jedoch zunächst nur auf die Geburten- und Sterbeprotokolle als auf die wichtigsten Bestände und beschränke die Fragestellung auf einige ausgewählte Themenkreise. Der
Vorteil der beiden gewählten Quellen ist, dass sie die grundsätzlichen Ereignisse im Leben eines Menschen dokumentieren (Geburt/Tod) und von daher „nicht-diskriminierend“ sind, denn es werden alle Personen deutscher Nationalität erfasst, die sich zum
gegebenen Zeitpunkt in Prag aufhielten oder dort gemeldet waren, einschließlich der
Soldaten und auch der deutsch-jüdischen Bevölkerung, soweit die Stichproben dies
vermitteln können. Für die Zwecke dieses Kapitels wurde die Stichprobe auf die Monate April und Oktober 1940 und 1944 reduziert. Diese ist aufgrund der zu geringen Anzahl der Einträge unter statistischen Gesichtspunkten zwar nicht repräsentativ, kann
aber doch mindestens gewisse Tendenzen aufzeigen, und nur um diese kann es hier gehen.
III. 3.1. Geburtenbelege
Die Sterbe- und Geburtenbelege liegen uns wie gesagt jeweils in Form gebundener Protokollbücher vor. Die Formulare und Eintragungen variieren jeweils über die Zeit, sind
in den wesentlichen Angaben jedoch konsistent. Geführt wurden die Eintragungen in
beiden Fällen systematisch offenbar seit September 1939. Beide Bestände weisen jeweils spezifische Charakteristika und Probleme auf, die im Folgenden kurz dargelegt
werden sollen.
Die verfügbaren Geburts-Sammelakten umfassen insgesamt 15 Bände für den
Zeitraum 1939 bis 1944, wobei jeweils der erste Band der Jahre 1941 und 1943 fehlt.
Bis Ende 1944 sind in diesem Bestand zusammengerechnet 6.265 laufende Einträge zu
verzeichnen, davon stehen uns aufgrund der genannten fehlenden Bände jedoch nur
88
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5.465 zur Verfügung. Die Eintragungen erfolgten grundsätzlich chronologisch, d. h.
nach eingegangener Meldung, wobei es je nach Meldeverhalten der einzelnen Geburtskliniken zwischen den Monaten und vor allem um den Jahreswechsel zu Überschneidungen kommt; in Ausnahmefällen wurden Geburten gar erst mehrere Monate später
gemeldet.
Die Bögen bieten in der Regel Auskunft mindestens über Mutter und Kind und
in der Regel auch über den Vater. Neben den Angaben zur Geburt finden wir in den
Formularen in der Regel den genauen Wohnort der Familie, den Geburtstag und -ort,
die Konfession, die Muttersprache und den Beruf von Vater und Mutter, sowie nicht
zuletzt Jahr und Ort der Eheschließung, wobei die Eintragungen nicht immer vollständig oder eindeutig sind.
Da wir es hier mit einer Gruppe im zeugungsfähigen Alter zu tun haben, erscheint gerade diese Quelle in Hinsicht auf die Pläne für eine gezielte Ansiedlung der
deutschen Bevölkerung im Sinne einer langsamen Germanisierung der Stadt besonders
relevant.296 Wie wir anhand der folgenden Grafik sehen können, wächst diese Gruppe
über den untersuchten Zeitraum zumindest in absoluten Zahlen wie vermutet sehr kräftig. So können wir für einige Monate im Jahre 1942 eine Verdoppelung gegenüber 1940
feststellen, für 1944 bisweilen gar eine Verdreifachung der Geburtenzahlen gegenüber
dem Ausgangsjahr. Die abfallenden Tendenzen Richtung Jahresende erklären sich offensichtlich weitgehend durch die oben erwähnten fehlenden Bände für Januar 1941 und
1943 sowie für 1945 insgesamt; gerade im Falle der letzten Monate des Jahres 1944 ist
zudem eine stark verzögerte Evidenz zu vermuten.
296
Zur Germanisierung Prags vgl. u. a. Šustek: Josef Pfitzner a germanizace.
89
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Grafik 1: Deutsches Standesamt, Geburtenbelege 1940, 1942 und 1944297
III. 3.2. Sterbebelege
Die Sterbebelege mit insgesamt 19 Büchern und 4.054 Einträgen sind im Vergleich zu
den Geburtsprotokollen problematischer. Zwar erfolgten auch hier die Eintragungen
grundsätzlich chronologisch nach eintreffender Meldung, jedoch war offenbar die Evidenz der Sterbefälle weniger strikt, so dass wir es mit sehr vielen verspäteten Meldungen zu tun haben, die für eine Gesamtstatistik z. T. mühsam erfasst werden müssen.
Verspätete Eintragungen machen u. a. aus: Kriegssterbefälle (oft von Soldaten, die vor
ihrem Einsatz in Prag stationiert waren), Hinrichtungen (wobei entweder der Hinrichtungsort oder der Meldeort Prag ist), Sammeleintragungen von Kliniken wie dem Sanatorium in Bohnice etc. Auch die Art der Dokumentation ändert sich im Laufe der Zeit –
werden anfangs noch verschiedene Formulare und Belege beigefügt, so begnügt man
297
Insgesamt wurden für das Jahr 1940 728 Fälle ausgewertet, für das Jahr 1942 1.309 Fälle und
für das Jahr 1944 1.685 Fälle. Zusammen genommen wurden also 3.722 Fälle evidiert. Der
Zuwachs zwischen den Jahren 1940 und 1942 beträgt also 79,8 %, zwischen 1942 und 1944
dann noch 28,7 %; der Gesamtzuwachs zwischen 1940 und 1944 beträgt 131 %.
90
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sich gegen Ende des Krieges mit nur noch einem Blatt. In den Sterbebelegen finden wir
für den Verstorbenen weitestgehend ähnliche Angaben wie für die Eltern in den Geburtenbelegen; zusätzliche Angaben betreffen natürlich die Todesursache, in manchen Fällen auch die Eltern bzw. die Hinterbliebenen. Da hier die Bände für das Jahr 1945 ebenfalls nicht zur Verfügung stehen, sind auch die Einträge mindestens für Ende 1944 unvollständig. Dennoch ist auch hier eine klare Tendenz der Bevölkerungsbewegung erkennbar (siehe Grafik 2).
Bei dieser Gruppe können wir ebenfalls eine stetige Steigerung feststellen, auch
wenn wir die Monate zu Beginn des Jahres 1944, die durch die vielen Kriegssterbefälle
aus der Reihe fallen, herauslassen. Lediglich von Mitte 1942 bis Mitte 1943 können wir
eine gewisse Stagnation konstatieren. Die wie bei der Geburtenevidenz abfallende Tendenz in den letzten Monaten des Jahres 1944 erklären sich ebenso hauptsächlich aus den
im AHMP fehlenden Bänden für 1945; zugleich muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass gerade die Kriegssterbefälle in den letzten Jahren und Monaten des
Krieges mit vielmonatiger, teils mehrjähriger (!) Verspätung gemeldet wurden – wenn
überhaupt.298
Es ist natürlich fraglich, welche Rückschlüsse diese Quellen auf die Bevölkerungsbewegung insgesamt zulassen. Gerade die in den Geburtenbelege erfasste
Gruppe, in der aufgrund der Altersstruktur ein relativ hoher Anteil von Zugezogenen
aus dem Reich zu vermuten ist, deutet jedoch eine gewisse Dynamik an: So haben wir
es offenbar mit einem im Vergleich zur tschechischen Mehrheitsgesellschaft zahlenmäßig zwar immer noch recht geringen, prozentuell jedoch massiv wachsenden Segment der Bevölkerung zu tun.
298
Vgl. dazu auch: Overmans, Rüdiger: Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg,
München 1999 (Beiträge zur Militärgeschichte 46).
91
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130
120
110
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
8.39
11.39
2.40
5.40
8.40
11.40
2.41
5.41
8.41
11.41
2.42
5.42
8.42
11.42
2.43
5.43
8.43
11.43
2.44
5.44
8.44
11.44
Anzahl
Grafik 2: Deutsches Standesamt, Gesamteinträge Sterbebücher 1939–1944299
Monat.Jahr
III. 4. Die Struktur der Prager deutschen Bevölkerung 1939–1945
Wenn wir nun nach der Zusammensetzung dieser Prager deutschen Bevölkerung in der
Besatzungszeit fragen, bieten sich verschiedene Parameter an, die sich aus den Quellen
gewinnen lassen. Da wir es mit einer Personengruppe zu tun haben, die zugleich Merkmale einer (von außen kommenden) „Besatzergesellschaft“ wie auch einer autochthonen Gesellschaft aufweist, erscheinen, auch unter dem Gesichtspunkt der geplanten
„(Re-)Germanisierung“ der „alten deutschen Stadt Prag“, in erster Linie folgende Kriterien relevant: 1. die Herkunft/Geburtsorte (Migration), 2. die konfessionelle Zugehörigkeit, 3. die Berufsstruktur und 4. die Siedlungsgebiete innerhalb der Stadt. Stichproben
wurden wie bereits erwähnt jeweils für die Monate April und Oktober der Jahre 1940
und 1944 durchgeführt.300 Auf diese Weise sollte versucht werden, auch die demogra-
299
Die Gesamtzahl der ermittelten Sterbefälle beträgt nach Jahren: 1939: (seit September) 148,
1940: 569, 1941: 679, 1942: 755, 1943: 881, 1944: 1005.
300
Gegenproben insbesondere hinsichtlich Siedlungsstruktur wurden zum Teil auf Basis der
ebenfalls im AHMP aufbewahrten Kartothek der deutschen Magistrats-Angestellten als einer
spezifischen Personengruppe vorgenommen, die die hier erzielten Ergebnisse im Wesentlichen
bestätigen. Siehe AHMP, Magistrát hl. m. Prahy, Prezidium rady a magistrátu, osobní odd.,
kartotéka německých zaměstnanců.
92
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phischen Veränderungen innerhalb dieses Zeitraums zu erfassen. Für den Stand des Jahres 1942 stehen uns einige Angaben aus dem bereits zitierten Geheimbericht des Oberlandrats Watter zur Verfügung. In die folgenden Auswertungen wurden von allen in den
Quellen in den Stichmonaten Erfassten nur die in der Stadt Prag Wohnhaften einbezogen; das bedeutet, dass bei den Geburtsprotokollen 9 % (1940) bzw. 15 % (1944) der
Einträge, bei den Sterbeprotokollen gar 23 % (1940) bzw. knapp 40 % in dieser Phase
nicht weiter berücksichtigt wurden (vgl. Tab. 2 und 3):
Tab. 2: Wohnort der Eltern in den Geburtenbelegen des Deutschen Standesamtes Prag
der Monate April und Oktober 1940 und 1944
Jahr
1940
1944
Monat
April
Oktober
Gesamt
April
Oktober
Gesamt
Gesamtzahl
53
68
121
142
130
272
Prag
50
60
110
118
111
229
andere
3
8
11
24
19
43
Tab. 3: Wohnorte der Verstorbenen nach den Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944
Jahr
1940
1944
Monat
April
Oktober
Gesamt
April
Oktober
Gesamt
Gesamtzahl
49
35
84
74
65
139
Prag
36
28
64
43
41
84
andere
13
7
20
31
24
55
III. 4.1. Herkunft
Die Frage der Herkunft der Deutschen, die in den Besatzungsjahren in Prag lebten, ist in
mehrfacher Hinsicht relevant. Zunächst geht es darum, das Mengenverhältnis zwischen
„Eingeborenen“ (d. h. Pragern und Deutschen aus anderen Ortschaften der böhmischen
Länder) und Zugezogenen aus den verschiedenen Teilen des Reiches bzw. der annektierten Gebiete zu ermitteln, um das Ausmaß der gezielten deutschen Besiedlung der
Stadt zu ermessen; weiter gilt es festzustellen, aus welchen Gebieten die Zugezogenen
93
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(in diesem Falle inklusive derjenigen aus den böhmischen Ländern) stammten, ob es
etwa Schwerpunkte gab bzw. ein gewisses Muster erkennbar ist. Der Faktor der Herkunft bzw. Migration wird schließlich besonders interessant in Verbindung mit anderen
Kriterien wie etwa der Berufs- oder Siedlungsstruktur oder der konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerung.
Da wir in den untersuchten Quellengattungen keine Hinweise auf den letzten
Wohnort finden, müssen wir uns mit den Geburtsorten begnügen. Diese geben natürlich
keine Auskunft darüber, wann die entsprechende Person – so sie nicht gebürtig aus Prag
stammt – in die böhmische Metropole zugezogen ist; gerade im Falle der Reichsdeutschen, die in den Jahren 1940 und 1944 erfasst werden ist jedoch zu vermuten, dass
dies in der Regel nach der Okkupation geschehen ist, so dass wir zumindest über diese
Migrationsbewegung einige Aussagen treffen können. Schwieriger verhält es sich bei
den Deutschen vor allem aus Böhmen, aber auch aus Mähren – bei diesen gibt es, wie
gesehen, schon in den Jahrzehnten zuvor eine stetige Wanderungsbewegung. Hier lohnt
es also vor allem, das Größenverhältnis dieser Gruppe gegenüber den „Altreichsdeutschen“ über den Untersuchungszeitraum genauer zu betrachten, sowie eventuell
Unterschiede bei den durch die Quellengattungen erfassten Gruppen zu identifizieren.
Unsere Stichprobe auf Basis der Geburten- und Sterbebelege zeigt, dass die
meisten in diesen beiden Quellen erfassten in Prag lebenden Deutschen wie bei der Prager Bevölkerung üblich einen Migrationshintergrund haben, also nicht gebürtig aus Prag
stammen. Sowohl 1940 als auch 1944 bilden die gebürtigen Prager zusammengenommen vielmehr eine Gruppe von unter 15%, mit sinkender Tendenz (vgl. Tab. 4).
Differenzieren wir aber zwischen den beiden Quellengruppen, so lässt sich in
dieser Hinsicht der erste bedeutende Unterschied zwischen den durch sie erfassten Bevölkerungs- und in der Regel auch Altersgruppen feststellen. Während sich unter den
Verstorbenen der Monate April und Oktober 1940 schon ein gutes Fünftel, 1944 dann
gar über ein Drittel gebürtige Prager befinden (vgl. Tab. 5), können wir bei den Geburtsorten der Eltern der Neugeborenen eine ganz andere Größenordnung und auch
Tendenz feststellen: Kamen im Jahre 1940 noch knappe 12 % der Eltern gebürtig aus
Prag, so waren es 1944 nur noch knappe 9 % (vgl. Tab. 6). Dabei waren die Mütter mit
13 % (1940) bzw. 11 % (1944) insgesamt stärker vertreten als die Väter (11 % bzw. 6
%).
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Tab. 4: Geburtsorte nach den Geburts- und Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes
Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944301 (in Prozent)
Jahr
1940
1944
Prag
14,08
12,98
B/M/S
49,46
40,31
DR
23,47
35,47
Ö
andere/k.A.
Gesamt
7,58
5,42 100% = 277
5,81
5,43 100% = 516
Wie aus der Tab. 4 hervorgeht, sinkt zwischen 1940 und 1944 auch der Anteil der in
den böhmischen Ländern Geborenen zugunsten eines deutlichen Zuwachses der gebürtigen Reichsdeutschen: Gibt es im Jahre 1940 unter den erfassten Personen noch etwa
doppelt so viele Menschen aus den böhmischen Ländern wie aus dem „Altreich“, so
nähern sich diese beiden Gruppen im Jahre 1944 fast einem Gleichstand. Ein Blick auf
die Tabellen 5 und 6 wiederum verdeutlicht, dass diese Zahlen hauptsächlich eine Entwicklung innerhalb der Elternschaft, also der in der Regel mittleren Altersgruppe, reflektieren.
Tab. 5: Geburtsorte der Verstorbenen nach den Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Jahr
1940
1944
Prag B/M/S
22,22 46,03
34,52
38,1
DR
14,3
16,7
Ö andere/k.A.
11,1
6,35
7,14
3,57
Gesamt
100%= 63
100%= 84
Tab. 6: Geburtsorte der Eltern nach den Geburtenbelegen des Deutschen Standesamtes
Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Jahr
1940
1944
Prag B/M/S DR
Ö andere/k.A.
11,68 50,47 26,17 6,54
5,14
8,796 40,74 39,12 5,56
5,79
Gesamt
100%= 214
100%= 432
Deutliche Hinweise darauf, dass hauptsächlich Personen der jüngeren bis mittleren Altersgruppe zuwanderten, der Zuzug von Deutschen aus dem „Altreich“, wie auch wei-
301
In den Geburtsbelegen wurden die Geburtsorte der Eltern der Neugeborenen erfasst, in den
Sterbebelegen die Geburtsorte der Verstorbenen. Dazu muss angemerkt werden, dass die Geburtsorte relativ vollständig erfasst werden, allerdings, wie zu erwarten, ohne nähere Angaben
über die genaue Herkunftsregion, was vor allem bei Kleinstädten und Dörfern Präzisierungen
erfordert. Diese wurden durch eigene Recherchen bestimmt, bei mehreren Ortschaften gleichen
Namens kann es daher zu einer (sehr geringen) Fehlerquote kommen. – Die Legende schlüsselt
sich wie folgt auf: B/M/S = Böhmen, Mähren, Schlesien im Sinne der böhmischen Länder bzw.
des Territoriums der Tschechoslowakei; DR = „Altreich“; Ö = Österreich in den Grenzen bis
März 1938; andere/k.A. = andere Ortschaften bzw. keine Angaben.
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terhin aus dem „Sudetenland“, die Altersstruktur der Deutschen in Prag seit dem Jahre
1939 also stark veränderte, finden wir auch in dem bereits zitierten Geheimbericht von
Oberlandrat von Watter vom Januar 1942. So hätten gerade die jüngeren Altersgruppen
von dieser Entwicklung profitiert, wohingegen die Altersklassen über 40 in Bezug auf
die Gesamtzahl „wesentlich abgenommen“ hätten.302 Insgesamt ergibt sich nach von
Watter hinsichtlich der Altersgliederung aus Basis der „Reichshilfekartei“ folgendes
Bild:
Tab. 7: Altersgliederung auf Grund der Kartei der bei der „Reichshilfe“ erfassten Deutschen, Stand Januar 1942303
Altersgruppe
bis zu 20 Jahren
20–30 Jahre
30–40 Jahre
40–50 Jahre
50–60 Jahre
über 60 Jahre
Prozentanteil 1939304 Prozentanteil 1/1942 Wachstumsrate in %
15,1
24,2
+ 60,3 %
13,7
19,5
+ 42,3 %
25,3
25,4
+ 0,4 %
22,5
16,2
- 28,0 %
11,6
8,5
- 26,7 %
11,8
6,2
- 47,5 %
Eine typische Gruppe, die in diese genannten Wachstumsgruppen fällt und darüber hinaus traditionell einen relativ hohen (auch quantitativen) Stellenwert innerhalb der Prager
deutschen Gesellschaft einnimmt, sind die Studenten der Prager Universität. Bei seiner
Untersuchung der Studenten der Philosophischen Fakultät der Deutschen Universität
Prag in den Jahren 1940 bis 1945 konnte denn auch Jiří Pešek einen starken Zuwachs
von Studenten aus dem „Altreich“ nachweisen:305 Zwar stammte über den gesamten
Zeitraum gesehen immer noch die größte Gruppe der Studenten aus den böhmischen
Ländern (Protektorat und Sudetengau: 54,7 %), die Studenten aus dem „Altreich“ kamen jedoch nach seinen Berechnungen auf immerhin 37,4 %. Gegenüber den 1,5 %, die
302
Watter, Die Stellung und Stärke des Deutschtums, S. 6.
Quelle: ibid., S. 5.
304
Dieser Wert basiert auf den von Watter angegebenen Zahlen der im Jahre 1939 in Prag erfassten Deutschen, d. h. die als „jüdisch“ oder „jüdisch versippt“ geltenden Deutschen sind in
dieser Aufstellung nicht berücksichtigt. Insgesamt wurden 23.300 „altansässige Deutsche“ erfasst.
305
Vgl. Pešek, Jiří: Die „eigenen“ und die „fremden“ Studenten der Philosophischen Fakultät
der Prager Deutschen Universität 1940–1945, in: Neutatz, Dietmar/Zimmermann, Volker
(Hrsg.): Die Deutschen und das östliche Europa. Aspekte einer vielfältigen Beziehungsgeschichte. Festschrift für Detlef Brandes zum 65. Geburtstag, Essen 2006, S. 149–168, hier S.
156f.
303
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diese Gruppe noch Mitte der 1930er Jahre gestellt habe, haben wir es also auch hier mit
einer gewaltigen Steigerungsrate zu tun. Ähnliches gilt im Übrigen für die Promovierten: Auch hier konnte Pešek einen stetig wachsenden Anteil von Reichsdeutschen ausmachen – im akademischen Jahr 1944/45 stellte diese Gruppe dann schon die Hälfte
aller Absolventen.306
Wenngleich also das Urteil Ivana Dejmkovás, dass die Deutschen aus dem „Altreich“ die Mehrheit der Prager Deutschen in der Kriegszeit gebildet hätten,307 vielleicht
nicht ganz zutreffend ist bzw. auf Basis unserer Quellen nicht bestätigt werden kann, so
ist der Trend doch eindeutig: Mit zunehmender Kriegsdauer verlagerte sich das Gewicht
zugunsten der zugezogenen Reichsdeutschen, und zwar sowohl durch einen starken
Zuzug aus diesen Gebieten als auch durch das Aussterben der alteingesessenen Prager
deutschen Bevölkerung. Auch die steigenden Geburtenziffern in den Kriegsjahren reflektieren somit in erster Linie diese Entwicklung und die (erwartete) Bildung einer
neuen bzw. neuartigen Prager deutschen Gesellschaft.
Ohne darauf an dieser Stelle näher eingehen zu wollen, können wir hinsichtlich
der regionalen Herkunft der Zugezogenen aus anderen Teilen des Reiches auf Basis der
Angaben über die Geburtsorte lediglich konstatieren, dass keine ganz eindeutigen Muster auszumachen sind, wobei, wie auch schon Pešek im Falle der Studenten feststellte,
es die größten Konzentrationen in den angrenzenden bzw. nicht weit von den böhmischen Ländern entfernten Regionen zu geben scheint. So können größere Gruppen v. a.
aus Berlin-Brandenburg, Sachsen, Schlesien und Bayern identifiziert werden; gleichzeitig kristallisieren sich aber auch etwa das Ruhrgebiet und der Niederrhein sowie Südwestdeutschland als Abwanderungsregionen heraus. Hier wären allerdings noch weitergehende Untersuchungen, auch auf Basis anderer serieller Quellen, erforderlich.
Gleiches gilt für die Frage der „Mischehen“, sowohl zwischen Deutschen aus
dem „Altreich“ bzw. Österreich und den böhmischen Ländern als auch zwischen Tschechen und Deutschen. Auf Basis der Geburtenbücher können wir für das Jahr 1940 zwei
interessante Trends konstatieren, die sich 1944 allerdings nur teilweise fortsetzen. Während wir für April 1940 unter ein Prozent Mischehen zwischen Reichsdeutschen/Öster306
Vgl. ibid., S. 157.
Vgl. Dejmková: Hagibor, S. 194: „Pražští Němci z doby předválečné byli v menšině, většinu
tvořili Němci z Říše, kteří sem byli dosazeni do úřadů a podniků, vysocí armádní činitelé či za
kariérou přišlí Němci i osoby, které se za války přihlásily za Němce.“
307
97
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reichern und Personen aus den böhmischen Ländern einschließlich Prags konstatieren
können, steigt diese Quote im Oktober auf 25 %! Im April 1944 können wir mit etwa
21 % eine ähnliche Quote verzeichnen, im Oktober 1944 macht diese Gruppe jedoch
nur noch 16 % aus. Eine etwas andere, wenngleich nicht unerwartete Entwicklung war
auf dem Gebiet der deutsch-tschechischen Mischehen (nach Angabe der Muttersprache)
auszumachen: Ist im April 1940 noch ein Viertel der erfassten Ehen deutsch-tschechisch
gemischt, so sinkt diese Quote im Oktober zwar auf 5 %, im April wie im Oktober 1944
bewegt sie sich dann jedoch auf immerhin 8 %.308
III. 4.2. Konfessionelle Zugehörigkeit
Auf die Entwicklung der konfessionellen Struktur der Prager deutschen Bevölkerung
hatte dieser Zustrom von Deutschen v. a. aus dem „Altreich“ erhebliche Auswirkungen.
Wie die Tabelle 8 zeigt, bekannten sich im Jahre 1940 trotz einer grundlegenden strukturellen Veränderung gegenüber der Ausgangsgruppe des Jahres 1930 weiterhin zwei
Drittel aller Deutschen in Prag zum römisch-katholischen Glauben. Hauptsächlich wohl
durch die Eliminierung der Deutschen jüdischen Glaubens (1930: 18 %), die in den
ausgewerteten Protokollbüchern in der Regel nicht berücksichtigt wurden (bis auf ein
paar Ausnahmen bei den Sterbebelegen), hat die Gruppe der Evangelischen schon zu
diesem Zeitpunkt jedoch einen deutlichen prozentuellen Zuwachs erfahren. Interessanterweise können wir schon zu diesem recht frühen Zeitpunkt einen nicht unerheblichen
Anteil von „Gottgläubigen“ konstatieren, wenngleich dies, wie die Tabellen 9 und 10
zeigen, einzig auf die Bekenntnisse der Eltern der Neugeborenen zurückzuführen ist.
308
Auch die von OLR Watter erfolgte Aufstellung „volksverschiedener“ Eheschließungen für
die Jahre 1940 und 1941 zeigt einen deutlichen Rückgang: Waren es 1940 noch 179, so ging
diese Zahl 1941 auf 36 zurück. Dies hatte aber offenbar weniger mit der Bereitschaft auf deutscher und tschechischer Seite zu einer dauerhaften Verbindung zu tun als vielmehr mit den Behörden: „Die Mehrzahl wurde abgelehnt.“ Watter, Die Stellung und Stärke des Deutschtums, S.
6.
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Tab. 8: Konfessionelle Zugehörigkeit nach den Geburten- und Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Jahr
1940
1944
Konfession309
kath. ev. gottgl. jüd. andere ohne k. A. Gesamt
66,1 16,6
10,9 1,4
0,7
1,4
2,9 100 % = 277
51,6 24,1
19,8
0
1,2
2,7
0,6 100 % = 516
Tab. 9: Konfessionelle Zugehörigkeit der Verstorbenen nach den Sterbebelegen des
Deutschen Standesamtes Prag der Monate April u. Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Jahr
1940
1944
Konfession
kath.
ev. gottgl. jüd. andere ohne k.A. Gesamt
68,25 14,29
0 6,35
0 1,59 9,52 100 % = 63
58,33 26,19 10,71
0
0 1,19 3,57 100 % = 84
Tab. 10: Konfessionelle Zugehörigkeit der Eltern nach den Geburtenbelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Jahr
1940
1944
Konfession
kath. ev. gottgl. jüd.
65,42 17,3 14,02
0
50,46 23,6 21,53
0
andere ohne k.A. Gesamt
0,93
1,4 0,93 100 % = 214
1,39
3,0
0 100 % = 432
Wenn wir uns die Gesamtverteilung für das Jahr 1944 anschauen, können wir nicht nur
einen sehr deutlichen Rückgang der Katholiken auf nunmehr die Hälfte der Bevölkerung konstatieren, sondern auch einen starken Zuwachs der Protestanten und vor allem
der „Gottgläubigen“. Zu diesem nationalsozialistischen Ersatz-Bekenntnis310 meldet sich
1944 immerhin schon ein Fünftel der Bevölkerung, zum deutsch-evangelischen Glauben gar ein Viertel.
Wenngleich die Unterschiede zwischen Geburten- und Sterbebelegen weniger
prägnant sind als noch bei der Frage der Geburtsorte, können wir doch auch hier wieder
309
Legende: kath. = katholisch; ev. = evangelisch; gottgl. = gottgläubig; jüd. = jüdisch; k. A. =
keine Angaben.
310
Es handelte sich konkret um eine am 26. November 1936 „durch Runderlaß des Reichsinnenministers eingeführte religiöse Identifikationsformel für Personen, die weder einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft angehören noch sich als glaubenslos bezeichnen wollten.“ Vgl. den Eintrag „Gottgläubig“, in: Benz, Wolfgang/Graml, Hermann/Weiß, Hermann
(Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 3. korr. Aufl. Stuttgart 1998, S. 493 (zitiert nach
der 2. digitalen Ausgabe Berlin 2000; im Folgenden: EdNS). Siehe auch: Schmitz-Berning,
Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus, 2. durchges. u. überarb. Aufl. Berlin 2007, S.
281–283.
99
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zwischen beiden erfassten Personengruppen differenzieren. Ist der Anteil der Evangelischen sowohl 1940 als auch 1944 in beiden erfassten Gruppen noch relativ gleich
hoch, bei einer dynamischeren Entwicklung im Falle der Verstorbenen, so sinkt der Anteil der Katholiken bei den Eltern der Neugeborenen wesentlich drastischer. Analog
dazu ist hier ein Anstieg um 50 % bei den „Gottgläubigen“ zu verzeichnen, und auch
bei den Verstorbenen sind es immerhin knapp 11 % (von Null), die dieser Gruppe zuzurechnen sind. Ein detaillierter Blick auf die Statistik gibt Aufschluss, ob es sich gerade
bei letzterer Gruppe ausschließlich um Zugezogenen handelt oder ob auf diese Weise
die Akzeptanz nationalsozialistischer Werte auch in den böhmischen Ländern zum
Ausdruck kommt.
Tab. 11: Gottgläubige nach Geburtsorten (nach den Geburten- und Sterbebelegen des
Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944, in Prozent)
Jahr
1940
1944
Prag + B/M/S
46,7
36,3
DR
46,7
58,8
Ö
3,3
2,0
andere 100 % =
3,3
30
2,9
102
Diese Stichprobe deutet darauf hin, dass es sich bei den „Gottgläubigen“ zwar mehrheitlich um Zugezogene handelte, sich bis 1944 aber auch ein nicht unerheblicher Teil der
„einheimischen“ Bevölkerung (hier immerhin über ein Drittel) dieser Gruppe anschloss.
Sowohl 1940 als auch 1944 betrug die Verteilung zwischen Männern und Frauen dabei
etwa 60:40, wobei in der Gruppe der Männer jeweils wiederum 60 % aus dem Deutschen Reich und nur ein knappes Drittel aus den böhmischen Ländern stammten, bei
den Frauen hingegen die Einheimischen fast die Hälfte ausmachten. Bei Letzteren handelte es sich in der Regel um Frauen, die mit Reichsdeutschen verheiratet waren.
III. 4.3. Berufsstruktur
Die Berufs- und Sozialstruktur der deutschen Bevölkerung aus den hier ausgewerteten
Quellen zu erfassen, ist zwar möglich, stößt aber auf einige Schwierigkeiten. In der
Hauptsache betrifft dies die oft ungenauen, zum Teil auch fehlenden Eintragungen für
diesen Bereich und die damit zusammenhängende uneindeutige Kategorisierung (wenn
zum Beispiel nur der Name der Firma bzw. des Arbeitgebers angegeben ist, nicht je100
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doch die bekleidete Position). Trotzdem können wir auch hier eine zumindest grobe
Charakterisierung vornehmen.
Für 1939 konstatiert Oberlandrat Watter in seinem Bericht bereits eine (allerdings durchaus statistisch nicht überzeugend belegte) Veränderung der Berufsstruktur
der Deutschen in Prag, das aus deutscher Sicht nunmehr „eine ausgesprochene Note als
‚Beamtenstadt‘“ habe.311 Die vormalige berufliche „Streuung“ der Deutschen, wie sie
sich noch in der Tschechoslowakischen Republik dargestellt habe, sei „ungesund“ gewesen und habe „krass die jüdische Beimischung“ aufgezeigt – hiermit ist vor allem der
bereits erwähnte hohe Anteil an Beschäftigten im Handelswesen und in den freien Berufen gemeint. Richtig überzeugen kann Watter mit seinen Argumenten allerdings nicht,
denn dafür ist die Zahlengrundlage, die er angibt, zu ungenau. So seien von den 23.330
Deutschen, die durch die Verordnung vom April 1939 die deutsche Staatsbürgerschaft
verliehen bekamen, insgesamt 10.789 Personen (also weniger als die Hälfte) in nicht
selbstständiger Stellung tätig gewesen.312 Über die anderen 12.541 Personen erfahren
wir in dem Bericht nichts – nicht einmal, ob sie in irgendeiner Weise berufstätig waren
oder nicht (Kinder, Rentner, Studenten). Dem Verfasser geht es hier offensichtlich darum, ein gewisses Bild der Bevölkerungsstruktur zu zeichnen. So konstatiert Watter
denn auch, dass von diesen knapp 11.000 Personen aktuell 28,2 % in Arbeiterberufen313
und 71,8 % in Angestelltenberufen314 tätig seien. Umgerechnet auf die erfasste Gesamtbevölkerung ergibt sich jedoch ein gar nicht so anderes Bild wie noch am Anfang der
1930er Jahre: So machen die Angestellten nach Watters Angaben demnach nur ein Drittel der als „Deutsche“ erfassten Gesamtbevölkerung (23.300) aus, die Arbeiter nur etwa
13 %. Dies ist zwar durchaus ein Anstieg gegenüber 1930, aber ein im Gesamtumfang
geringerer, als Watter glauben machen möchte: Laut den Ergebnissen der Volkszählung
entfielen auf die Gruppe der Arbeiter unter der Prager deutschen Bevölkerung 9,3 %,
auf die Gruppe der Angestellten und Beamten (die Watter offensichtlich zusammenfasst) zusammen etwa 31 %.315 Zwar haben wir es also mit einem prozentualen Zuwachs
311
Watter, Die Stellung und Stärke des Deutschtums, S. 8.
Ibid., S. 7.
313
Als stärkste Gruppe nennt er hier u. a. die Metallarbeiter mit 6,6 %; allerdings gibt es daneben noch die große, nicht näher definierte Gruppe „übrige Arbeiterberufe“ mit 15,9 %. Ibid.
314
Das Gros davon in kaufmännischen, Büro- und Verwaltungsberufen (49,6 %). Ibid.
315
Vgl. Tab. 5: Poměr přítomného obyvtelstva některých měst k povolání a postavení v
povolání osob činných v kombinaci s národnosti, in: Sčítání lidu v Republice Československé
312
101
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bei den Arbeitern um fast 50 % zu tun, in der Realität hat sich diese Gruppe gegenüber
1930 jedoch zahlenmäßig verringert: Von 4.265 Personen auf 3.042 (28,2 % von
10.789). Gleiches gilt für die Angestellten und Beamten, deren Gesamtzahl sich analog
zu der als „deutsch“ definierten Bevölkerung fast halbierte (von zusammen 14.286 Personen auf nunmehr 7.747).
Unabhängig von diesen Zahlenspielen ist aber schon mit Beginn und dann mit
fortschreitender Dauer der Besatzungszeit tatsächlich mit einem steigenden Anteil von
Beamten und Angestellten innerhalb der deutschen Einwohnerschaft zu rechnen. Eine
erste Auswertung auf Basis der Geburtenbücher für die ausgewählten Monate bestätigt
dies: Sind 1940 etwa 85 % (oder 96) der erfassten Personen (Väter) der Gruppe der Beamten und Angestellten zuzurechnen, so sind es 1944 schon 89,5 % (oder 180). Gerade
1944 stoßen wir allerdings auf die Schwierigkeit, dass ein hoher Prozentsatz der männlichen Bevölkerung in den verschiedenen bewaffneten Verbänden tätig ist und eine Angabe des Zivilberufes oft fehlt. So steigt etwa die Betätigung im Rahmen von SS und
Gestapo von ca. 6 % (7 Pers.) der Erfassten im Jahre 1940 auf immerhin gut 21 % (43
Pers.) 1944. Auch insgesamt profitierten die Deutschen von den „neuen Möglichkeiten“
auf dem Arbeitsmarkt: Sowohl 1940 als auch 1944 sind gut über ein Drittel der frischgebackenen Väter auf die ein oder andere Weise direkt im Besatzungsapparat beschäftigt (städtische und Protektoratsbehörden, Ableger diverser Reichsbehörden, Einrichtungen von SS und Gestapo, Propagandaapparat etc.).316 Es muss jedoch an dieser Stelle
erneut betont werden, dass gerade die Eintragungen in unseren Quellen hinsichtlich der
Berufsstruktur äußerst ungenau sind, so dass die gerade getroffenen Feststellungen lediglich als ein Trendwert zu betrachten sind.
III. 4.4. Siedlungsgebiete
Als letzten Punkt wollen wir uns das Siedlungsmuster der Deutschen im Untersuchungszeitraum anschauen. Hatten wir konstatiert, dass Anfang der 1930er Jahre die
Deutschen zumeist in den Stadteilen im und um das Zentrum herum siedelten, und hier
ze dne 1. prosince 1930. Díl II. Povolání obyvatelstva, Část 3. povolání a sociální rovrstení obyvatelstva podle národnosti (také cizinců) a podle náboženského vyznáni, hrsg. v. Státní úřad
statistický, Praha 1935, S. 178–181.
316
Siehe auch Brandes: Die Tschechen I, S. 166, der für August 1941 ingesamt 6.853 deutsche
Beamte und Angestellte in der Protektoratsverwaltung konstatiert, von denen, so ist zu vermuten, ein nicht unwesentlicher Teil in den Prager Dienststellen tätig war.
102
Nina Lohmann
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vor allem in der Prager Neustadt (II) und Holešovice-Bubny (VII), so können wir auf
Basis unserer Stichprobe feststellen, dass sich daran im Grunde auch in der Besatzungszeit wenig geändert hat (vgl. Tab. 12). Allerdings können wir einige interessante Trends
beobachten: Zum einen scheint sich der Siedlungsschwerpunkt an das linke Moldauufer
zu verlagern, insbesondere nach Holešovice-Bubny und Dejvice bzw. Bubeneč – immerhin fast 30 % der in unseren Quellen erfassten Deutschen siedeln sowohl 1940 als
auch 1944 in Prag VII und Prag XIX, weitere gut 7 % in Smíchov und Umgebung. Zum
anderen ist in diesem Zusammenhang interessant, dass die Besiedelung der Neustadt auf
einem vergleichsweise niedrigeren Niveau als noch 1930 konstant bleibt, der Zuzug
nach Vinohrady, nach einem vorläufigen Rückgangs der Besiedlung im Jahr 1940, im
Laufe der Okkupation jedoch zunimmt. Zwar kann dies auf Basis der hier untersuchten
Quellen nicht genau bestimmt werden, jedoch ist aufgrund des Zeithorizonts und auf
Basis einiger Sonden in die Dokumentation der Wohnungsarisierung ein direkter Zusammenhang mit der Wohnungsarisierung zu vermuten:317 In einer nach dem Krieg
erstellten Liste arisierter Wohnungen von NSDAP-Mitgliedern etwa befinden sich von
insgesamt 50 arisierten Wohnungen 25 in Prag XII (Vinohrady).318
Tab. 12: Die von den Deutschen 1940 und 1944 bevorzugten Stadtteile (nach den Geburten- und Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944, Angaben in Prozent)
Jahr
II – Nové VII –
XII – Král.
XVI – v. a. XIX – v. a.
100 % =
Město
Holešovice- Vinohrady
Smíchov,
Dejvice, BuBubny
Radlice
beneč
1940
13,3
18,5
8,7
7,5
12,7
173
1944
14,5
15,4
14,4
7,1
13,8
311
Die Bericht von OLR Watter vom Januar 1942 kommt im Übrigen zu ähnlichen Ergebnissen, was die Siedlungsschwerpunkte betrifft, so dass die auf Basis der Geburten- und
Sterbebelege ermittelten Zahlen als durchaus repräsentativ betrachtet werden können:319
317
Vgl. zu dieser Problematik Sedláková, Monika: „Burza“ s židovskými byty – součást protektorátní bytové politiky, in: Documenta Pragensia 26 (2007), S. 205–220. Ein wesentlicher Teil
der entsprechenden Dokumentation befindet sich im Nationalarchiv Prag im Fonds des
Reichsprotektoramtes: NA, ÚŘP, ka. 62–64.
318
Byty po židech. AHMP, Fonds NSDAP Praha, ohne Paginierung.
319
Verzerrungen entstehen dadurch, dass er einige Stadtteile zusammenfasst, deswegen sei an
dieser Stelle noch ergänzend angeführt, dass in unseren Quellen Prag XVIII, das er mit Prag
XIX zusammen ausweist, 1940 gute 4 % bzw. 1944 3 % der deutschen Wohnviertel ausweist.
103
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Als die „Hauptstützpunkte der Deutschen Prags“ identifiziert er Prag VII, wo 19 % aller
Deutschen wohnten, sowie Prag XIX (17 %).
Tab. 13: Wohnorte der Deutschen nach dem Bericht des OLR Watter vom Januar 1942
(umgerechnet in Prozent; Toponyme gemäß Quelle)320
Stadtteile
Altstadt I und V (Josefov)
Neustadt Süd und Nord – II
Burg III und IV
Messe VII
Karolinenthal VIII, IX und X
Veitsberg
Weinberge XII
Südost-Schwerin XIII
Schanze XIV, XV u. Podol
Smichow XVI und XVII
Sandtor XVIII und XIX
Gesamt: 35.875 Personen
Prozent
3,4
11,9
3,1
19,4
6,9
7,9
9,1
5,9
7,9
7,5
17,0
100
Auch in diesem Fall lohnt jedoch wieder ein Blick auf nach Quellen getrennte Tabellen,
um eventuelle Unterschiede zwischen dem „alten“ und dem „neuen“ Prag zu identifizieren.
Tab. 14: Bevorzugte Stadtteile nach den Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes
Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944, Angaben in Prozent)321
Jahr
1940
1944
I
9,4
8,3
II
10,9
13,1
III
9,4
3,6
VII
7,8
15,5
XII
12,5
15,5
XIII
10,9
9,5
XVI
10,9
2,4
XIX
6,3
13,1
100% =
64
84
320
Nach Watter, Die Stellung und Stärke des Deutschtums, S. 4.
Die Zählung der Stadtviertel war seit 1922 wie folgt: I – Staré Město, II – Nové Město, III –
Malá Strana, IV – Hradčany, V Josefov, VI – Vyšehrad, VII – Holešovice-Bubny, VIII – Libeň,
Kobylisy, Střížkov, Trója, Bohnice, IX – Vysočany, Prosek, Hloubětín, X – Karlín, XI – Žižkov, Hrdolřezy, Malešice, XII – Král. Vinohrady, XIII –Vršovice, Záběhlice, Hostivař, Strašnice, XIV – Nusle, Michle, Krč, XV – Braník, Podolí, Hodkovičky, XVI –Smíchov, Radlice,
Hlubočepy, Malá Chuchle, XVII – Košíře, Motol, Jinonice, XVIII – Břevnov, Střešovice, Liboc, XIX – Dejvice, Bubeneč, Sedlec, Vokovice, Veleslavín.
321
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Tab. 15: Bevorzugte Stadtteile nach den Geburtenbelegen des Deutschen Standesamtes
Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944, Angaben in Prozent)
Jahr
1940
1944
II
14,7
15,0
VII
24,8
15,4
XII
XIII
6,4
8,3
14,1
4,4
XIV
4,6
4,8
XVI
5,5
8,8
XVIII
5,5
3,5
XIX 100% =
16,5 109
14,1 227
Wenn auch die Stichprobe in statistischer Hinsicht klein ist, so fällt doch ins Auge, dass
das „alte“ deutsche Prag, vertreten durch die Verstorbenen, ein etwas anderes ist als das
„neue“ Prag. Machen bei den Sterbefällen Prag I–III immerhin 30 bzw. 25 % aus, so ist
bei den Geburten lediglich ein konstant hoher Prozentsatz in Prag II, also der Prager
Neustadt, zu verzeichnen, die Altstadt wie auch die Kleinseite bewegen sich hier lediglich zwischen 1 und 2 %. Zugleich ist deutlich, dass viele der jungen Familien offenbar
in Holešovice-Bubny sowie in Dejvice und Bubeneč wohnten bzw. zunehmend auch in
Vinohrady. Es ist auch diese Gruppe, die offensichtlich für die zunehmende Beliebtheit
des letztgenannten Stadtviertels verantwortlich ist.
Die anhaltend starke deutsche Vertretung in Holešovice-Bubny (schon seit der
Zwischenkriegszeit als „Malý Berlín“ bekannt) sowie in Dejvice bzw. Bubeneč ist auf
den (wenn auch schleppenden) Ausbau der deutschen Siedlung (im Sinne einer Konzentration der deutschen Bevölkerung in diesen Stadtteilen) zurückzuführen.322 Gerade
in diesen, mehr oder weniger zusammenhängenden, Gebieten von Prag VII und XIX
können wir, wiederum auf Basis der Geburtenbücher, unter den Deutschen zudem auffällig viele Angehörige der bewaffneten Verbände (vor allem der SS, aber auch höhere
Dienstgrade der Wehrmacht) und der Protektoratsbehörden ausmachen.
322
Zu der Konzentration der deutschen und jüdischen Bevölkerung in dem als Gebiet mit Entwicklungspotenzial betrachteten Bubny, das durch den bekannten Genossenschaftsbau des Architekten Adolf Foehr im Gebiet U Smaltovny 22, 20, Šimáčkova und Bubenská 33 in den Jahren 1937–1939 im Volksmund endgültig als „Malý Berlín“ figurierte, existiert meines Wissens
bisher keine sozialgeschichtliche oder auch nur historisch-deskriptive Studie. Zu der architektonischen Seite vgl. Vlček, Pavel a kol.: Úmělecké památky Prahy. A–L, Praha 2012, S. 518 und
Lukáš, Zdeněk: Pražská architektura v průběhu druhé světové války, in: věda a technika
v českých zemích v období druhé světové války, Praha 2009, S. 71–77.
105
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IV. Die Okkupation der Stadt: „Deutsche“ Räume
„Nač kdysi po bitvě na Bílé hoře potřebovalo Rakousko půl druhého století,
docílila hrubá vůle německého uchvatitele v málo letech: český zevní ráz republikánské Prahy vystřídal uměle vytvořený obraz poněmčilého města z doby před
rokem 1861 se všemi důsledky násilného zásahu do úpravy zevnějšího charakteru české a slovanské Prahy XX. století, jež byla výsledkem organického postupu
provedeného v souhlase se skutečným vývojem národnostní struktury města.Prostředky německého uchvatitele byly nevybíravé. Obce Velké Prahy, usedlosti na jejím okraji, četná náměstí a ulice, kulturní ústavy i jiné objekty obdržely
nové theoreticky vykonstruované nebo obnovené a dávno zašlé názvy, při čemž
několik (Burgstädter Ring, Mozartplatz, Heydrich-Ufer) povýšeno na výsadní,
nepřeložitelný termín, orientační tabule, firmy, ba i pamětní desky obratem se
proměnily na dvojjazyčné, s budov zmizely bývalé vysostné státní emblémy,
knihkupecké krámy, musejní a výstavní sály přijaly novou instalaci. I po duchovní stránce byl veřejný projev města násilně upraven […]. Tak ztratila Praha
vedle dočasného zániku svého politického a kulturního významu ve střední Evropě i svůj národní charakter a byla ochuzena i o svůj bohatý duševní život.“323
Mit der Okkupation der „Rest-Tschechei“ begann auch und insbesondere der Kampf um
die Deutungshoheit im öffentlichen Raum der Stadt Prag. Wie das Zitat aus dem Jahre
1945, also kurz nach Ende der Besatzung, deutlich macht, waren die von den Okkupanten ergriffenen Maßnahmen in diese Richtung keineswegs bloße symbolische oder
gar administrative Akte der neuen Machthaber, sondern wurden auch von der tschechischen Bevölkerung als das verstanden, was sie waren: hoch politische, gewaltsame
Eingriffe in den Charakter der Stadt mit dem Ziel, das vermeintliche „deutsche Erbe“
sichtbar zu machen und Prag in eine „deutsche Stadt“ umzudeuten.324
Diese Propagierung des deutschen Charakters der im Grunde tschechischen
Stadt hatte mehrere Stoßrichtungen: Nach innen gerichtet schuf sie zum einen für die
Deutschen verschiedenster Provenienz ein (zwar forciertes, jedoch auf weitgehend
fruchtbaren Boden fallendes) Identifikations- und Integrationsangebot im Sinne der
Einbeziehung in das Konstrukt einer nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft“ und
323
Wirth, Zdeněk: Kulturní ztráty Prahy 1939–1945, in: Pražský kalendář 1946. Kulturní ztráty
Prahy 1939–1945. Fotografoval Josef Sudek. Úvod a text Zdeněk Wirth, Praha [1945].
324
Vgl. dazu auch Lemberg, Hans: Prag im Zerrspiegel. Die Propagierung des „deutschen Prag“
in der Protektoratszeit, in: Svatoš, Michal/Velek, Luboš/Velková, Alice (Hrsg.): Magister noster. Sborník statí věnovaných in memoriam Prof. PhDr. Janu Havránkovi, CSc., Praha 2003, S.
383–394 sowie ferner Weger, Tobias: Das „deutsche Prag“. Von der Beständigkeit eines Mythos, in: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde 44 (2001), S. 135–156.
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vermittelte die Botschaft, dass diese Stadt ein integrativer, historisch legitimierter Bestandteil des „Großdeutschen Reiches“ sei. Letzteres gilt selbstverständlich auch für den
nichtdeutschen bzw. „nichtarischen“ Teil der Bevölkerung, allerdings unter anderen
Vorzeichen: Durch die offene und aggressive Zurschaustellung des deutschen Machtanspruchs und die forcierte Propagierung der „neuen Ordnung“ auf verschiedensten
Ebenen sollte das Gefühl der Allmacht bzw. Ohnmacht geweckt werden, das ein Aufbegehren gegen die neuen Machthaber als sinnlos erscheinen ließ. Nicht zuletzt deswegen
bestanden viele Akte des Ungehorsams oder der Resistenz vor allem im ersten Jahr der
Besatzung in dem Kampf um „Symbole“ und den öffentlichen Raum – sei es die in der
Literatur immer wieder genannte symbolträchtige, in eine Massenprozession resultierende Umbettung der Gebeine des tschechischen Nationaldichters Karel Hynek Mácha
auf den Slavín bzw. die Massenpilgerung zum Grabmal František Palackýs im Mai
1939 oder das Tragen von Symbolen der Republik bei den Manifestationen zum 28. Oktober desselben Jahres.325
Die Propagierung des „deutschen Prags“ nach außen wiederum zielte vor allem
auf die Deutschen des „Altreichs“, hier insbesondere die Angehörigen der militärischen
Verbände, aber zugleich auch auf das eigentliche Ausland zur Rechtfertigung der faktischen Annexion der Tschechoslowakei durch das Deutsche Reich. Mit wieviel Aufwand diese Propagierung im Kontext des für die Außenpropaganda wichtigen, zentral
gelenkten Massentourismus betrieben wurde, hat Hans Lemberg in seiner kurzen Analyse der deutschen Reiseführer und Bildbände über Prag aus den Besatzungsjahren angedeutet.326
Die Herrschaftsrepräsentation des Besatzungsregimes in Prag reichte, neben den
genannten Straßen- und Objektumbenennungen und ideologischen Vorgaben vor allem
im Kulturangebot, von der Ausschmückung der Straßen und Gebäude mit Hakenkreuzfahnen oder anderen Symbolen über rituelle Veranstaltungen auf öffentlichen Plätzen
bis zu Aufmärschen uniformierter Einheiten zu verschiedensten Gelegenheiten (siehe
als Beispiele die Abb. 2–4). Die neuen Machtverhältnisse und die neuen Machthaber
325
Zu einer solchen nationalen Projektionsfläche wurden auch andere besetzte Hauptstädte –
vor allem im Westen, wo die Repressionspolitik im Vergleich zu den osteuropäischen Städten
weniger intensiv war. Für Brüssel vgl. z. B. Majerus, Benoît: Stadt, Nation und Besatzung. Die
Straßen Brüssels als patriotische Projektionsfläche (1914–1918 und 1940–1944), in: Informationen zur modernen Stadtgeschichte 2 (2004), S. 10–19, hier besonders S. 14–17.
326
Lemberg: Prag im Zerrspiegel.
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waren so allgegenwärtig im öffentlichen Leben der Stadt, zugleich wurden spezielle
„deutsche“ Räume neu geschaffen bzw. alte ausgebaut.
Abb. 2: Feierlichkeit anlässlich des Geburtstages Adolf Hitlers – Parade auf dem Moldauufer
(Vltavské nábřeží) in Prag, Aufnahmedatum: 19.4.1940. Quelle: ČTK, FO02081098
Abb. 3: Feier zum 52. Geburtstag Adolf Hitlers – Vereidigung der SS-Rekruten auf dem Altstädter Ring in Prag, Aufnahmedatum: 19. 4. 1941. Quelle: ČTK, F201007200221301.
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Abb. 4: Jindřišska ulice, Beflaggung aus Anlass des 3. Jahrestages der Errichtung des Protektorats, Aufnahmedatum: März 1942. Quelle: ČTK, F201008130186901
Diese permanent-penetrante Herrschaftsrepräsentation des NS-Regimes im
städtischen Raum war kein Prager Spezifikum, noch war oder ist dieses propagandistische Feld eine exklusiv nationalsozialistische Angelegenheit.327 Besonders außerhalb des Alltags stehende, quasi-religiöse Fest- oder Massenveranstaltungen, wie im
Prager Fall beispielsweise die organisierte Großdemonstration, inklusive eines kollektiven „Treueschwurs“, auf dem Wenzelsplatz nach der Aufhebung des II. Standrechts am
3. Juli 1942 (siehe Abb. 5), fünf Wochen nach dem Attentat auf den stellvertretenden
Reichsprotektor und SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich in Prag,328 oder auch
Gemeinschaftsaktionen, wie etwa jene des Winterhilfswerks (siehe Abb. 6), dienten
dem Regime auch im „Altreich“ dazu, durch rituelle soziale Praxis die kollektive Identität (oder auch: das kollektive bzw. kommunikative Gedächtnis329) im Sinne der
„Volksgemeinschaft“ zu fördern bzw. Letztere öffentlichkeitswirksam zu inszenieren:
327
Siehe Saldern, Adelheid von (Hrsg.): Inszenierter Stolz. Stadtrepräsentationen in drei deutschen Gesellschaften (1935–1975), Stuttgart 2005.
328
Siehe dazu Šustek: Atentát.
329
Vgl. Assmann, Jan: Der zweidimensionale Mensch. Das Fest als Medium des kollektiven
Gedächtnisses, in: ders./Sundermeier, Theo (Hrsg.): Das Fest und das Heilige. Religiöse Kontrapunkte zur Alltagswelt, Gütersloh 1991, S. 13–30; Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und
kulturelle Identität, in: ders.: Kultur und Gedächtnis, Frankfurt 1988, S. 9–19.
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„Der Nachdruck, der auf das gemeinsame Handeln gelegt wurde, ist auffällig
und charakterisiert das NS-Regime auch auf anderen Gebieten. Erklärbar wird
dies durch die damit verbundene Strategie, auf solche Weise eine Communitas
zu bilden. Communitas bedeutet […] die Entstehung einer Gemeinschaft, die
weder auf sozialer, lebensweltlich geprägter Erfahrung und Nähe noch auf realer, selbstbestimmter Kommunikation und Interaktion beruht, sondern auf gemeinsamer Teilnahme an Ritualen und auf emotionalisiertem Erleben einer auf
Gemeinschaftsbildung hinzielenden Symbolpolitik.“330
Die Exklusion der Juden aus der „Volksgemeinschaft“ sowie aus der größeren städtischen Zweckgemeinschaft, einschließlich der „Arisierung“ ihres Besitzes, diente zumindest in ihrer propagandistischen Dimension nicht zuletzt auch diesem Zweck.
Abb. 5: Organisierte Massenmanifestation von ca. 200.000 Menschen auf dem Wenzelsplatz
nach dem Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor SS-Obergruppenführer Reinhard
Heydrich, Aufnahmedatum: 3. 7. 1942. Quelle: ČTK, F201008030160901.
330
Saldern, Adelheid von: Symbolische Stadtpolitik – Stadtpolitik der Symbole. Repräsentationen in drei politischen Systemen, in: dies. (Hrsg.): Inszenierter Stolz, S. 29–80, hier S. 79.
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Die Politik der Inklusion und Exklusion war bei derartigen Maßnahmen und Veranstaltungen ein wesentliches Element, im besetzten Prag erhielt sie zusätzlich zu der rassistischen und antisemitischen Komponente eine weitere Stoßrichtung: Es handelte sich
um den Versuch einer (zunächst „nur“ politischen) „Germanisierung“ der Stadt.331 An
vorderster Front kämpfte in dieser Angelegenheit der deutsche „Primator-Stellvertreter“
Josef Pfitzner, der schon am Tag nach der Errichtung des Protektorats dem tschechischen Primator als Wahrer der Reichsinteressen „zur Seite“ gestellt wurde.332
Abb. 6: Inszenierte Eintracht auf dem zentralen Platz der Stadt: Eintopftag des
Winterhilfswerks auf dem Altstädter Ring, Aufnahmedatum: 4. 4. 1943. Quelle:
ČTK, F201309300871801.
331
Siehe dazu: Šustek: Josef Pfitzner a germanizace bzw. Šustek, Vojtěch: Bemühungen um die
Germanisierung Prags während der NS-Okkupation. Aus den Berichten des Stellvertretenden
Primators Josefs Pfitzner, in: Glettler/Lipták/Míšková (Hrsg.): Geteilt, besetzt, beherrscht,
S. 53–66. Zur Germanisierungspolitik im Protektorat siehe ferner: Němec, Petr: Germanizační
působení nacistů v některých oblastech života protektorátní společnosti, in: Soudobé dějiny 1/2–
3 (1993/94), S. 206–221; ders.: Das tschechische Volk und die nationalsozialistische Germanisierung des Raumes, in: Bohemia 32/2 (1991), S. 67–90; Heinemann, Isabel: „Rasse, Siedlung,
deutsches Blut“. Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung Europas, Göttingen 2003, S. 127–186; Bryant: Prague in Black; Brandes: „Umvolkung“.
332
Zu ihm und seiner Position in der Stadtverwaltung siehe Míšková/Brandes: Josef Pfitzner;
Šustek: Nacistická kariéra; Merta: Vývoj pražské městské správy.
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Zu den wichtigsten symbolischen Maßnahmen gehörten, wie in den später besetzten
Städten auch,333 zunächst die Umbenennungen von Straßen (siehe exemplarisch die
feierliche Umbenennung der Pelléová in General-Roettig Str., Abb. 7). Diese zielten
nach Meinung offenbar in erster Linie auf die deutsche Bevölkerung ab; so schrieb
Pfitzner im Mai 1940 an Frank: „Wie Sie wissen, liegt mir die tunlich rasche Durchführung der Umbenennung und Verdeutschung im Prager Namenbild sehr am Herzen. […] Um nun diesen ganzen Fragenkreis nicht in Vergessenheit geraten zu lassen
und um dieses ganze Werk der Oeffentlichkeit und vor allem dem Deutschtum Prags
nahezubringen, entschloss ich mich, einen langen Artikel unter der Ueberschrift ‚Prags
neues Namensantlitz‘ der Presse zur Verfügung zu stellen.“334 Zu den weiteren Maßnahmen in diese Richtung zählten die Entfernung von Denkmälern, die Anbringung zweisprachiger Schilder in öffentlichen Einrichtungen und die Einführung des Deutschen
als Amtssprache.335 Daneben wurde bereits in die Zukunft gedacht: So wurde die
bisherige Staatliche Regulierungskommission 1940 durch die „Planungskommission für
die Hauptstadt Prag und Umgebung“ unter Leitung des Berliners Paul Niemeyer
abgelöst, die, analog zu den Planungen der „Reichshauptstadt Germania“336 bzw. jenen
im besetzten Warschau337 und anderen osteuropäischen Städten,338 die urbanistische
333
Zu Warschau und Minsk siehe Lehnstaedt: Okkupation, S. 83.
Vgl. Pfitzner an Frank vom 9. Mai 1940, in: Míšková/Šustek: Josef Pfitzner I, Dok. 30, hier
S. 374f. Dieser Artikel wurde jedoch offenbar zurückgehalten, da das amtliche Straßenverzeichnis noch nicht erschienen war und es hinsichtlich der Umbenennung einiger Straßen u. a.
vonseiten der Wehrmacht abweichende Meinungen gab. Insbesondere wurde verlangt, die Namensgebung „aktueller“ zu gestalten, außerdem sollte in den von der Wehrmacht hauptsächlich
belegten Vierteln diese Tatsache berücksichtigt werden. Vgl. die entsprechende Korrespondenz
vom April und Mai 1940. NA, ÚŘP-ST, 109-4/533. Manche Straßen und Plätze, wie etwa der
Palacký-Platz/Palackého náměstí (neu: Rudolfs-Platz/Rudolfovo náměstí) und die PalackýGasse/Palackého ul. (Gürtlergasse/Pasířska ul.) in Prag II wurden erstaunlich spät umbenannt
(in diesem Fall erst im ersten Halbjahr1942). Vgl. Umbenennung des Palacký-Platzes und der
Palacký-Gasse, in: Amtliches Mitteilungsblatt der Hauptstadt Prag, 15. 6. 1942.
335
So meldet etwa OLR Watter im September 1940 dass, „[u]m dem Stadtbild ein deutsches
Gepräge zu geben, […] mit allen Mittel darauf hingewirkt [worden sei], dass die Doppelsprachigkeit nunmehr überall beschleunigt durchgeführt wird.“ Dies sei „nunmehr ziemlich überall
geschehen“. OLR Watter, Bericht über die Deutschtumsarbeit im Oberlandratbezirk Prag, 19.
September 1940. NA, ÚŘP, k. 289, I-1b 2017 1940–1942.
336
Vgl. dazu Reichhardt, Hans Joachim/Schäche, Wolfgang: Von Berlin nach Germania. Über
die Zerstörungen der „Reichshauptstadt“ durch Albert Speers Neugestaltungsplanungen, Berlin
1998.
337
Dazu vgl. Gutschow, Niels/Klain, Barbara: Vernichtung und Utopie. Stadtplanung Warschau
1939–1945, Hamburg 1994.
338
Gutschow, Niels: Ordnungswahn. Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939–
1945, Basel u. a. 2001 (Bauwelt-Fundamente 115), beschäftigt sich mit den Plänen deutscher
334
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Nachkriegs-Umgestaltung der „fünftgrößten Stadt des Reiches“ in eine deutsche Stadt
zur Aufgabe hatte.339
Abb. 7: Staatssekretär K. H. Frank und Primator-Stellvertreter J. Pfitzner bei der feierlichen Umbenennung der Pelléova třída in Prag-Dejvice in General-Roettig-Straße, Aufnahmedatum: 4.4.1940. Quelle: ČTK, FO01280868
Die wichtigsten praktischen Maßnahmen in Bezug auf die geplante Germanisierung
betrafen allerdings zunächst die Umgestaltung der Funktionsstruktur der Stadt, die zugleich deren Beherrschung – sowohl symbolisch im Sinne der öffentlichen Präsenz als
auch praktisch im Sinne der konkreten Machtausübung – sicherstellte. Während die
Reichsprotektorbehörde sowie das Amt des Staatssekretärs (bzw. später das Deutsche
Staatsministerium) im Czernin-Palais am Rande des Hradschin untergebracht waren,
residierte die Oberlandratsbehörde zunächst am Moldauufer, bevor sie dann nach Holešovice verlegt wurde. Wehrmacht und Polizei konzentrierten ihre Kommandanturen auf
dem linken Moldauufer, vor allem auf der Kleinseite (Prag III) und in Dejvice (Prag
Architekten für den „Abbau polnischer Städte“ und den „Aufbau deutscher Städte“ (u. a. Warschau, Krakau, Łodż/Litzmannstadt, Posen, Auschwitz).
339
Vgl. ausführlich und mit reicher Bebilderung Hořejš: Protektorátní Praha.
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XIX), während Gestapo340 und SD ihre Zentralen in der Prager Neustadt hatten. Die SS
besaß Liegenschaften in der ganzen Stadt,341 ihre Standortkommandantur befand sich in
der ehemaligen tschechischen Juristischen Fakultät am Moldauufer.
Wie zuvor schon nach der Machtübernahme in den deutschen Städten oder etwa
in Wien wurde direkt mit Beginn der Okkupation neben dem Aufbau des Repressionsapparats auch das Netz nationalsozialistischer Organisationen gesponnen.342 Im Protektorat wie in seiner Hauptstadt etablierten sich von den Ortsgruppen der NSDAP, der HJ
und des BDM über SA und SS u. a. auch die verschiedenen NS-Korps und -Berufsbünde sowie nicht zuletzt die NS-Volkswohlfahrt.343 Alle diese Parteiorganisationen errichteten bzw. etablierten in der Stadt nicht nur ihre Zentralen, sondern auch Zweigstellen,
Sammelstellen, Heime etc. in den jeweiligen Stadtbezirken. So gab es etwa neben der
Kreisleitung der NSDAP auf der Halbinsel Kampa insgesamt 12 NSDAP-Ortsgruppen
in der Stadt (Altstadt, Burg, Karolinenthal, Messe, Neustadt-Nord, Neustadt-Süd, Ost,
Sandtor, Schanze, Smichow, Südost, Weinberge).344
Neben diesen „Herrschaftsräumen“ entstanden weitere deutsche Einrichtungen
bzw. bestehende wurden ausgebaut, um die deutsche Infrastruktur in der Stadt zu festigen. Zu Letzterer gehörten nicht nur die Institutionen der Macht bzw. Verwaltung, sondern auch und vor allem Räume des Alltags und der Freizeit wie Geschäfte, Lokale,
Tabaktrafiken,345 Sportplätze346 etc. Im Folgenden sollen diese Maßnahmen und die mit
340
In der StaPo-Leitstelle in Prag waren im August 1941 812 Menschen beschäftigt, womit es
sich „um die seinerzeit größte Staatspolizeistelle überhaupt“ handelte. Siehe Sládek: Standrecht,
S. 326.
341
Siehe Plan der SS-Liegenschaften in Prag (Zentrum), Stand 9. 1. 1940. NA, ÚŘP-ST, 1092/39.
342
Zu dem Aufbau des NSDAP-Netzwerkes etwa in Berlin vgl. Nolzen, Armin: Die NSDAP im
Gau Berlin nach 1933, in: Wildt/Kreutzmüller (Hrsg.): Berlin 1933–1945, S. 69–82. Zu Wien
siehe Botz: Nationalsozialismus, S. 106ff. In Warschau hingegen, wo die deutsche Zivilbevölkerung während der Besatzungszeit einschließlich der Volksdeutschen ca. 20.000 Personen
umfasste, war das NSDAP-Netzwerk hingegen eher schwach ausgebaut, wie Kohlrausch, Martin: Warschau im Zweiten Weltkrieg – Besatzung und nationalsozialistische Stadtplanung, in:
Mayrhofer/Opll (Hrsg.): Stadt und Nationalsozialismus, S. 23–43, hier S. 28, schreibt.
343
Vgl. die Auflistung bei: SD-Leitabschnitt Prag an Gies vom 27. März 1940, Organisation der
Deutschen im Protektorat, Stand 12. 3. 1940. NA, ÚŘP-ST, 109-4/963, f. 71–74, auch
abgedruckt bei Kárný/Milotová (Hrsg.): Anatomie okupační politiky, S. 124–126.
344
Vgl. das Verzeichnis der Dienststellen einschließlich einer Übersichtskarte über die gebietliche Einteilung der NSDAP-Ortsgruppen, März 1940. NA, Fonds National-sozialistische
Volkswohlfahrt Prag (NSV), k. 1.
345
Wie im September 1939 von den Besatzern festgestellt wurde, gab es nur eine deutsche Tabaktrafikantin in Prag, woraufhin Maßnahmen eingeleitet werden sollten, um diesen Missstand
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ihnen verbundenen Probleme anhand ausgewählter, zentraler Themenbereiche wenigstens andeutungsweise exemplifiziert werden.
IV. 1. Räume des Wohnens
Ähnlich wie in den Großstädten des Deutschen Reiches herrschte auch in Prag eine extreme Wohnraumknappheit,347 die in diesem Fall durch den gewollten und geförderten
Zuzug bzw. den vorübergehenden Aufenthalt von Reichsdeutschen noch verschärft
wurde. Am Anfang des Krieges gab es deshalb noch großzügige Pläne, nach dem Muster deutscher Städte sog. Volkswohnbauten für Deutsche zu errichten (in Betracht kamen die Schwerpunkt-Viertel Holešovice, Bubeneč und Dejvice), die allerdings größtenteils zurückgestellt werden mussten, wenngleich vor allem der Ausbau tschechischer
Wohnbauten von den kriegsbedingten Einschränkungen betroffen war.348
In einem Vortrag über die Tätigkeit der Gruppe Wohnungswesen der Hauptstadt
Prag349 von Anfang Dezember 1944 heißt es:
„Ich möchte es gleich im vorhinein sagen, daß eine Lösung des Wohnungsproblems derzeit unmöglich ist, eine solche wird erst nach Beendigung des
zu beseitigen. Siehe Frank über Burgsdorff an Bertsch (ohne Anlagen), 20. September 1939.
NA, ÚŘP-ST, 109-3/23, f. 51.
346
Nach OLR Watter sollten perspektisch „in jedem einzelnen Stadtteil, wo Deutsche wohnen,
kleinere Sportplätze geschaffen werden“. Seien bereits „geeignete tschechische Sportanlagen“
vorhanden, so werde versucht, „diese den Deutschen zur Verfügung zu stellen“. OLR Watter,
Bericht über die Deutschtumsarbeit im Oberlandratbezirk Prag, 19. September 1940. NA, ÚŘP,
k. 289, I-1b 2017 1940–1942.
347
Vgl. etwa zu Wien: Botz: Wohnungspolitik und Judendeportationen; zu Berlin: Bernhardt,
Christoph: Wohnungspolitik und Bauwirtschaft in Berlin 1930–1950, in: Kreutzmüller/Wildt
(Hrsg): Berlin, S. 177–192; zu München: Haerendel: Kommunale Wohnungspolitik im Dritten
Reich; zu Hamburg: Führer, Karl Christian: Meister der Ankündigung. Nationalsozialistische
Wohnungsbaupolitik, in: Hamburg im „Dritten Reich“, S.432–444 .
348
Vgl. Josef Pfitzner, Bericht über die Tätigkeit vom 1. Jänner bis 20. Feber 1940, 22. Februar
1940, in: Šustek (Hrsg.): Josef Pfitzner II, Dok. 1, hier Abs. 1, S. 16.
349
Diese wurde noch vor der Reorganisation der Stadtverwaltung Prag 1942 im Juni 1941 errichtet und nahm ihre Tätigkeit zum 1. Januar 1942 auf. Gemäß dem Organisations-Runderlass
Nr. 18/1941 umfasste sie außer der Direktion 5 Ämter. Siehe Protokoll des Vortrags von Mag.Oberrat Max Huber über das Aufgabengebiet der Gruppe Wohnungswesen. AHMP, Magistrát
hl. m. Prahy, Protokoly sborů městskě správy, Inv. č. 687, Protokoly primátor. schůzek list.–
prosinec 1944, Protokoll über die am 8. Dezember 1944 im kleinen Sitzungssaal des Altstädter
Rathauses stattgefundene Beratung laufender Verwaltungsangelegenheiten. Zur Einrichtung der
Gruppe Wohnungswesen siehe auch einen Absatz bei Merta: Vývoj pražské městské správy,
S. 184. Zur Reorganisation der Stadtverwaltung nach dem Muster größerer deutscher Städte vgl.
ibid., S. 185–188.
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Krieges durch Aufleben der Bautätigkeit ermöglicht. Wir brauchen uns also jetzt
nicht so sehr mit der Lösung des Wohnungsproblems zu befassen, sondern vielmehr mit der Frage, wie der in Prag bestehenden Wohnungsnot, ja ich möchte
sogar sagen Wohnungskatastrophe zu begegnen ist. […]
Der Wohnungsstandart (sic) war in Prag immer schlecht. Die Statistiken lehren uns, daß in den reichsdeutschen Städten sich der Wohnungsstandart (sic) in
einer durchschnittlichen Zahl von 0.006–1 Person, durchschnittlich also 0.8 Personen pro Raum darstellte, während in Prag auf einem Raum durchschnittlich
1.6 entfallen, also genau das Doppelte. Das zeigt uns, daß eine reichsdeutsche
Stadt, wenn sie zur Hälfte […] ausgebombt wäre oder ausgebombt ist, erst auf
den Wohnungsstandart (sic) kommt, auf welchem Prag normalerweise schon ist.
Da wir in Prag nun ungefähr 327000 Wohnungen haben, so müßten wir, um auf
den Standart (sic) des Reiches zu kommen, noch einmal 327.000 Wohnungen
dazu bauen, wozu noch kommt, daß seit dem Jahre 1939 nur sehr wenig und und
in den letzten nichts gebaut werden konnte […].
Nun war aber anch (sic) dem Jahre 1939 ein weiterer Zuzug nach Prag zu
verzeichnen, dadurch, daß zivile und militärische Reichsbehörden in Prag errichtet wurden und so der Zuzug von Wehrmachtangehörigen und Reichsbauten
nach Prag erfolgte, weiters aber insbesondere dadurch, daß durch den sozialen
Aufschwung die Zahl der Eheschließungen und insbesondere der Geburten stärker anwuchs, was weiteren Wohnungsbedarf zur Folge hatte.
Wie immens dieser Wohnungsbedarf ist, ergibt sich aus der bei der Gruppe
Wohnungswesen seit Einführung der Reg.Vo. 103 aus dem Jahre 1943, d. i. seit
Mai 1943 bis heute aufgelaufenen Wohnungsanträgen. Es waren dies im ganzen
32.393 Anträge, von welchen in der genannten Zeit vom Wohnungsamte 6.377
erledigt werden konnten, sodaß derzeit im Wohnungsamte über 26.000 unerledigte Wohnungsanträge erliegen (sic).“350
Wie der Referent, Magistrat-Oberrat Max Huber, weiter ausführt, gehe es zwar vielfach
um Wohnverbesserungsanträge, die auf Grundlage der Regierungsverordnung 103, die
„den Wohnungsanspruch dekretiert“ habe, gestellt worden, in der derzeitigen Situation
der kriegsbedingten allgemeinen Mangelwirtschaft abzulehnen seien;351 allerdings seien
von den genannten 26.000 unerledigten Anträgen
350
Protokoll des Vortrags von Mag.-Oberrat Max Huber über das Aufgabengebiet der Gruppe
Wohnungswesen am 8. Dezember 1944. Loc. cit.
351
„Nun stehe ich […] auf dem Standpunkt, daß gerade die Wohnung in Prag heute eine der
markantesten Mangelwaren darstellt und genau so, wie sich heute nicht jedermann ohne weiteres Möbel oder eine andere Mangelware beschaffen kann, […] genau so selbstverständlich
mußte (sic) es für die Bevölkerung sein, daß jeder Einzelne eine Wohnung nur bei Nachweis
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„ungefähr 2.500 ausgesprochene Notstandsfälle, wie Umsiedler aus den
Kriegsgebieten, Bombengeschädigte, Exekutivgeräumte, Kriegsversehrte, weiters gegen 5.000 Tbc-Fälle […]. Weiters 3.500 vordringliche Fälle, d. s. überfüllte und gesundheitsschädliche Wohnungen, wobei als überfüllt ein Raum
dann angesehen wird, wenn mehr als drei, also 4 und mehr Personen in einem
Raum wohnen […].“352
Diese insgesamt 11.000 als dringlich eingestuften Fälle könnten auf keinen Fall durch
die jährlich etwa 2.000 freiwerdenden Wohnungen erledigt werden. Die durch den starken Zuzug vom Lande schon seit der Zwischenkriegszeit herrschende Wohnungskrise
in Prag,353 die durch die Bombardierung der reichsdeutschen Städte und die vielfache
Übersiedlung ins Protektorat seit 1942 weiter angestiegen war,354 führte daher unter
anderem zu verschiedensten Ad-hoc-Maßnahmen, die sich allerdings für die Dauer des
Krieges als permanente Notlösungen etablierten. So berichtet Huber in seinem Vortrag
vom Dezember 1944 auch, dass es in Prag bisher keine Obdachlosen gebe, da es immer
gelungen sei, „die Leute irgendwie unterzubringen“.355
Diese Notlösungen betrafen auch Teile der deutschen Bevölkerung, insbesondere natürlich die aus dem „Altreich“ Zugezogenen oder Evakuierten. Anders als etwa in
Warschau kam es jedoch in Prag nicht zur Absonderung von Bezirken. So wurde weder
ein jüdisches Ghetto errichtet noch wurde während des Krieges ein abgetrenntes deutsches Wohnviertel aufgebaut,356 auch wenn es, wie in Kapitel III gezeigt, eine gewisse
Konzentration in bestimmten Stadtvierteln am linken Moldauufer gab, die durch vom
eines bestehnden (sic) Notstandes und nur auf Bezugschein, d. i. der Zusweisungswchein (sic)
vom Wohnungsamt, erhalten kann. Es wird auch bereits bei den vorgesetzten Behörden meine
Anregung behandelt, einen Wohnungsstop in Prag herauszugeben, d. h. jeder der wohnt, bleibt
bis zum Kriegsende in seiner bisherigen Wohnung wohnen.“ Ibid.
352
Ibid.
353
Siehe auch Brandes/Míšková: Vom Osteuropa-Lehrstuhl, S. 278f. Die Zahl der benötigten –
fehlenden – Wohnungen stieg gerade in den ersten Jahren des Protekorats sprunghaft an: Wurde
mit Stand Juni 1940 noch ein Bedarf von 8.000 Wohnungen errechnet, so waren es ein halbes
Jahr später (Januar 1941) bereits 12.000. Ibid.
354
Vgl. Sedláková: „Burza“ s židovskými byty, S. 215. Vgl. auch die bereits erwähnte Feststellung Pfitzners, dass im Jahre 1943 für rund 38.000 Bombengeschädigte und Flüchtlinge aus der
Ukraine Unterkünfte beschafft werden mussten. Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters
Prof. Dr. Josef Pfitzner für die Zeit vom 1.10. bis 31.12.1943, 25. Januar 1944, in: Šustek
(Hrsg.): Josef Pfitzner II, S. 443–459, hier Abs. 16, S. 449.
355
Protokoll des Vortrags von Mag.-Oberrat Max Huber über das Aufgabengebiet der Gruppe
Wohnungswesen am 8. Dezember 1944. Loc. cit.
356
Zu den seit 1940 diskutierten Plänen, Warschau in drei Bezirke einzuteilen, und dem in den
Jahren 1943/1944 schließlich realisierten deutschen Wohnviertel in Warschau siehe Szarota:
Warschau unter dem Hakenkreuz, S. 251–253, und Lehnstaedt: Okkupation im Osten, S. 77–93.
117
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kriegsbedingten Baustopp ausgenommene Wohnungsneubauten ausschließlich für deutsche Mieter wie etwa in Bubeneč357 oder Břevnov358 sowie den Ausbau der deutschen
Infrastruktur (Schulen etc.) gezielt gefördert wurde. Ebenso wie später in den anderen
besetzten Hauptstädten359 wurden auch in Prag vielmehr Hotels und andere Einrichtungen in Anspruch genommen,360 um Verwaltungspersonal, Angehörige der bewaffneten
Verbände, Funktionäre, die KLV und weitere, zumeist durchreisende Personengruppen
aufzunehmen. Im Oktober 1943 meldet Pfitzner, dass im dritten Vierteljahr 1943 2.228
Personen von Wehrmacht, Waffen-SS, RAD und Organisation Todt in Prager Hotels
untergebracht worden und Prager Hotels und Pensionen der Stadt „bis zu 70 % von
Dauermietern blockiert“ seien.361 Darüber hinaus wurden diese eigentlichen Wohnräume zunehmend für Wehrmachtszwecke beschlagnahmt.362
357
Vgl. etwa die Ausschreibung von März 1941für den Bau von 25 Siedlungshäusern für Deutsche in diesem Stadtteil, die bis Mitte 1943 allerdings nur zu einem geringen Teil realisiert wurde. Vgl. Wunderlich an Gies, 18.3.1941, Aktenvermerk über die Besprechung vom 7. März mit
Herrn Oberreg.-Rat Gies, abgedruckt in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 100–103, hier S. 101, und
Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Pfitzner für die Zeit vom 1.3. bis
30.6.1943, 13. Juli 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 367–389, hier Abs. 30, S. 386. Gerade
diese Siedlungshäuser sollten nur ausgewählten Mietern zur Verfügung gestellt werden: „Besondere Sorgfalt wird auf die Auswahl der Bewerber für die Bubentscher Wohnungen unter
rassischen Gesichtspunkten gelegt.“ Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr.
Pfitzner für die Zeit vom 1.1. bis 28.2.1943, 15. März 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S.
346–361, hier Abs. 30, S. 358.
358
So meldet Pfitzner im Mai 1944, dass es der Gruppe Wohnungswesen endlich gelungen sei,
„eine Ausnahme vom Bauverbot für die Fertigstellung eines Blockwohnhauses in Breunau zu
erwirken“ und dass er damit rechne, dass noch im Laufe des Jahres 40 Mietparteien dort untergebracht werden können. Siehe Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Pfitzner
für die Zeit vom 1.1. bis 15.4.1944, 11. Mai 1944, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 464–479, hier
Abs. 37, S. 479.
359
Für Paris siehe Mitchell: Nazi Paris, S. 14, für Warschau Lehnstädt: Okkupation, S. 84f.
360
Neben den Hotels waren auch Schulen und Turnhallen betroffen. Vgl. Tätigkeitsbericht des
Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Josef Pfitzner für die Zeit vom 1.7. bis 30.9.1943, 20. Oktober
1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 401–434, hier Abs. 53, S. 420.
361
Im darauffolgenden Vierteljahr waren es dann 2.002 Personen. Vgl. Tätigkeitsbericht des
Primator-Stellvertreters des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Pfitzner für die Zeit vom 1.7. bis
30.9.1943, 20. Oktober 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 401–434, hier Abs. 19, S. 410f.;
Tätigkeitsberichte des Primator-Stellvertreters der Hauptstadt Prag für die Zeit vom 1. Oktober
bis 31. Dezember 1943, 25. Januar 1944, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 442–459, hier Abs. 13,
S. 448.
362
Im Januar 1944 meldet Pfitzner beispielsweise, dass in dem Berichtszeitraum u. a. das Hotel
„Berger“ und die Pension „Bohemia“ in Werschowitz/Vršovice für die Wehrkreisverwaltung ,
und das Hotel „Heinrichs-Passage“ in der Heinrichgasse/Jindřišská 7 (Prag II) für die Wehrmachtkommandantur Prag „sichergestellt“ worden seien. Darüber hinaus wurde das Hotel „Metropol“ (Goldene Gans) auf dem Wenzelsplatz für die Befehlsstelle Prag der Erweiterten Kinderlandverschickung beschlagnahmt. Ibid., Abs. 2, S. 443.
118
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Wie Monika Sedláková auf Basis einer vergleichsweise guten Quellenlage demonstrieren konnte, war seit dem Sommer 1940 ähnlich wie in Wien und anderen Städten des Reiches eines der Hauptinstrumente zur Verbesserung der Wohnungsnot die
großflächige Arisierung von Wohnungen.363 Diese erfolgte in vielen Fällen „auf Bestellung“ über eigens angefertigte Fragebögen und Wohnungsausweise und wurde von der
„Zentralstelle für jüdische Auswanderung“364 koordiniert und durchgeführt, und zwar in
„Kooperation“ mit der Jüdischen Gemeinde (seit Herbst 1941 vertreten durch die eigens
für diesen Zweck eingerichtete sog. „Treuhandstelle“, in der in 42 Referaten mehr als
1.000 Menschen tätig waren) auf der einen und den entsprechenden Dienststellen von
Stadt, Protektoratsbehörde und NSDAP auf der anderen Seite.365 Nicht selten kam es in
diesem Rahmen zu Denunziationen noch nicht erfasster „Juden“, deren Wohnung
Begehrlichkeiten weckte.366
Profiteure waren zumeist reichsdeutsche Angestellte der Behörde des Reichsprotektors, aber auch Hochschulprofessoren sowie Angehörige von Gestapo, Wehrmacht
und SS; insgesamt gab es zum 1. Januar 1941 in Prag 5.000 Anträge von Deutschen auf
die Zuteilung einer Wohnung.367 Obwohl es sich aufgrund der Größe der jüdischen Gemeinde in Prag um ein sehr umfangreiches Reservoir an Wohnungen handelte (bis zum
Oktober 1940 wurden knapp 15.000 „jüdische“ Wohnungen registriert), konnte der Bedarf jedoch bei weitem nicht gedeckt werden. Das lag nicht zuletzt daran, dass zunehmend auch Flüchtlinge bzw. Bombengeschädigte untergebracht werden mussten – allein
363
Sedláková: „Burza“ s židovskými byty. Die Juden wurden aus ihren Häusern und Wohnungen ausgesiedelt und mussten in der Regel zunächst in andere jüdische Haushalte ziehen, manche wurde allerdings direkt deportiert. Zuerst betroffen waren die Stadtviertel Prag I und V,
später auch II und XII. Ibid., S. 207. Vgl. exemplarisch das Schicksal des Prager Professors der
Chemie Hans Leopold Meyer und seiner Familie: Pešek, Jiří/Šaman, David: Hans Meyer –
klíčová postava pražské německé universitní chemie prvé třetiny 20. století, in: AUC–HUCP
49/1–2 (2009), S. 43–92, hier S. 86f.
364
Zu dieser vgl. Milotová, Jaroslava: Die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag.
Genesis und Tätigkeit bis zum Anfang des Jahres 1940, in: Theresienstädter Studien und Dokumente 4 (1997), S. 7–30.
365
Vgl. Sedláková: „Burza“ s židovskými byty, S. 208f.
366
Vgl. die diesbezügliche Dokumentation im Bestand der Reichsprotektorbehörde: NA, ÚŘP,
k. 62, Z-Verwaltung 1 1939–42.
367
Vgl. Sedláková: „Burza“ s židovskými byty, S. 206f.
119
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im Jahr 1943 handelte es sich nach Angaben Pfitzners um ca. 38.000 Personen, offenbar
vor allem aus der Ukraine.368
So musste weiterhin zu anderen Maßnahmen gegriffen werden:369 u. a. zum Bau
von Wohnbaracken bzw. der Verlagerung von Dienststellen, die bisher in zweckentfremdeten Wohnungen untergebracht waren, in diese Baracken; zur Zuführung von
solch zweckentfremdeten Wohnungen dem Wohnungsmarkt,370 wobei die Schwierigkeit bestand, geeignete Ersatzräume zu stellen; zum (geplanten) Bau von Behelfsheimen
in Holešovice, wobei sich jedoch aufgrund der kriegsbedingten Einschränkungen vor
allem hinsichtlich des Baumaterials und der einsatzfähigen Arbeitskräfte Verzögerungen einstellten; sowie zu verstärkten Eingriffen in die Wohnungsvermittlung zur Untermiete. Erst das Übersiedlungsverbot vom Herbst 1944 entspannte die Lage hinsichtlich des dynamisch wachsenden Wohnungsbedarfs zumindest vorübergehend etwas.371
368
Vgl. Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters der Hauptstadt Prag für die Zeit vom 1.
Oktober bis 31. Dezember 1943, 25. Januar 1944, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 442–459, hier
Abs. 16, S. 449.
369
Siehe zum Folgenden: Protokoll des Vortrags von Mag.-Oberrat Max Huber über das Aufgabengebiet der Gruppe Wohnungswesen am 8. Dezember 1944. Loc. cit.
370
Siehe Runderlasse des Reichsprotektors „Rückführung zweckentfremdeter Wohnungen in
Böhmen und Mähren“ vom 19. Februar 1943 und „Freimachung zweckentfremdeter Wohnungen durch die deutschen Dienststellen“ vom 16. Juni 1943. NA, 109-4/1206, f. 18f. u. 1f. Die
Maßnahme entsprach der auch im übrigen Reichsgebiet getroffenen Regelung. Ibid., f. 2 u. 8.
Nach Pfitzner habe sich die Zweckentfremdung der Wohnungen in Prag „verheerend“ ausgewirkt. Im Zuge einer in diesem Rahmen unternommenen Überprüfung der Räumlichkeiten stillgelegter Betriebe kam für Wohnzwecke („Notwohnungen“) nur 11,5 % der ermittelten Fläche in
Betracht. Vgl. Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Josef Pfitzner für die Zeit
vom 1.7. bis 30.9.1943, 20. Oktober 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 401–434, hier Abs.
69, S. 424f.
371
Vgl. Sedláková: „Burza“ s židovskými byty, S. 215.
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IV. 2. Räume der Erziehung
Prag war wie erwähnt seit jeher das Bildungs- und Kulturzentrum der Deutschen in
Böhmen gewesen.372 Dies blieb auch während der Protektoratszeit der Fall, obwohl der
prozentuelle Anteil der Deutschen an der Bevölkerung etwa in Pilsen oder Budweis
deutlich höher war, das Zentrum des mährischen Deutschtums war traditionell Brünn. In
Prag gab es aufgrund der Tradition bereits eine gut ausgebaute Infrastruktur, die im
„Protektorat“ noch erweitert werden sollte. Zentrale Einrichtungen waren neben dem
Deutschen Theater (vgl. Kapitel II und IV. 1.3) vor allem Institutionen der Bildung und
Wissenschaft, insbesondere die deutsche Universität.373 Diese, von den Deutschen als in
der Tradition der altehrwürdigen Karls-Universität stehend betrachtete Universität war
die erste von schließlich drei sog. „Reichsuniversitäten“ in den im Zweiten Weltkrieg
besetzten bzw. annektierten Gebieten.374 Zugleich wurde das bereits existierende deut-
372
Vgl. Kapitel II sowie Pešek: Prag und Wien 1884.
Zu dem Netz deutscher Wissenschaftsinstitutionen sind v. a. die ehemalige Gesellschaft zur
Förderung deutscher Kunst, Wissenschaft und Literatur in Böhmen, seit 1941 Deutsche Akademie der Wissenschaften in Prag, oder der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen, seit
1939 in den Sudetenländern zu zählen. Siehe Míšková, Alena/Neumüller, Michael: Společnost
pro podporu německé vědy, umění a literatury v Čechách. (Německá akademie věd v Praze).
Materiály k dějinám a inventář archivního fondu. 1891–1945, Praha 1994; Lohmann, Nina:
„Eingedenk der Väter, unerschütterlich treu unserem Volke!“: Der Verein für Geschichte der
Deutschen in den Sudetenländern im Protektorat Böhmen und Mähren, in: Neutatz/Zimmermann (Hrsg.): Die Deutschen und das östliche Europa, S. 25–46. Im Jahr 1942 wurde ferner die
„Reinhard-Heydrich-Stiftung“ gegründet, die eine Art Konkurrenz zur Deutschen Akademie der
Wissenschaften als zentrale Institution der deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen in Prag
darstellte. Zu ihr siehe Wiedemann, Andreas: Die Reinhard-Heydrich-Stiftung in Prag (1942–
1945), Dresden 2000. Zu der Deutschen Tschechischen Hochschule in Prag (DTH), deren Archiv offensichtlich nicht erhalten ist, siehe: Josefovičová, Milena/Efmertová, Marcela/Jakubec,
Ivan: Vývoj pražské německé techniky 1863–1945, in: Moderní dějiny 14 (2006), S. 5–50; Josefovičová, Milena: Reorganizace výuky a výzkumu na Německé vysoké škole technické v
Praze v letech 1938– 1945, in: Hořejš, Miloš/Lorencová, Ivana (Hrsg.): Věda a technika v českých zemích v období 2. světové války, Praha 2009, S. 400– 406. Schon in früheren Jahrzehnten gab es eine enge Kooperation zwischen der DU und der DTH v. a. auf dem Gebiet der Lehre, wo es regelmäßig zu einem Dozentenaustausch kam. Im Protektorat gab es dann Verhandlungen über eine allerdings nicht erfolgte Zusammenlegung von DU und DTH. Diese scheiterte
an dem Widerstand des zum 1. Januar 1940 neu berufenen Rektors der DTH Alfred Buntru. Zu
ihm siehe: Tschacher, Werner: „Ich war also in keiner Form aktiv tätig“. Alfred Buntru und die
akademische Vergangenheitspolitik an der RWTH Aachen 1948–1960, in: Geschichte im Westen 19 (2004), S. 197–229.
374
Außer in Prag gab es in den besetzten Gebieten Reichsuniversitäten in Straßburg (1941–
1944) und Posen (1941–1945). Vgl. u. a. Białkowski, Błażej: Utopie einer besseren Tyrannis.
Deutsche Historiker an der Reichsuniversität Posen (1941–1945), Paderborn 2011; Schaller,
Helmut Wilhelm: Die Reichsuniversität Posen. 1941–1945, Frankfurt/M. 2010; Baechler, Chris373
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sche Schulwesen in der Stadt deutlich ausgebaut. Gerade Letzteres stellt in seinem Umfang sicher ein Unikum dar im Kontext der besetzten europäischen Hauptstädte.375
IV. 1.2.1. Die Deutsche Universität
Zu den verhältnismäßig gut aufgearbeiteten Bereichen der Forschung gehört wie bereits
erwähnt die Prager deutsche Universität bzw., wie sie seit September 1939 symbolträchtig hieß, die „Deutsche Karls-Universität“. Diese wurde per Verordnung vom 2.
August 1939 zum 1. September 1939 unter direkte Verwaltung des Reichsministeriums
für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung gestellt. Bereits einen Tag zuvor, am 31.
August, waren die nicht weniger symbolträchtigen Universitäts-Insignien, Gegenstand
einer heftigen Kontroverse zu Zeiten der Ersten Tschechoslowakischen Republik, in den
Besitz der deutschen Prager Universität übergegangen.376
Schon vor dem Einmarsch der deutschen Truppen war es überdies zu einer „Arisierung“ und „Selbstgleichschaltung“ der Universität gekommen,377 in deren Folge rund
34 % des Lehrkörpers (77 Personen: Professoren, Dozenten und Lektoren)378 und ein
unbekannter Prozentsatz der Studierendenschaft von der Institution „entfernt“ worden
tian/Igersheim, François/Racine, Pierre (Hrsg.): Les Reichsuniversitäten de Strasbourg et de
Poznan et les résistances universitaires 1941–1944, Strasbourg 2005.
375
Auch z. B. in Warschau wurden kurz nach der Besatzung erste deutsche Schulen eröffnet.
Vgl. Szarota: Warschau unter dem Hakenkreuz, S. 251.
376
Míšková, Alena: Německá univerzita za druhé světové války, in: Havránek, Jan/Pousta, Zdeněk (Red.): Dějiny Univerzity Karlovy IV. 1918–1990, Praha 1998, S. 213–231, hier S. 215. –
Zur Frage der Benennung der Prager Universitäten nach dem Ersten Weltkrieg, dem sog. Insignien-Streit und der sog. Lex Mareš, welche die Frage der Nachfolge der von Karl IV. gegründeten Hochschule – vorläufig – löste vgl. außer den in Kapitel II.2, Fußnote 205 genannten Titeln
v. a. Lipscher, Ladislav: Das Gesetz über das Verhältnis der beiden Prager Universitäten und
seine Folgen, in: Die Teilung der Prager Universität 1882 und die intellektuelle Desintegraton in
den böhmischen Ländern. Vorträge d. Tagung d. Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom
26.–28. November 1982, München 1984, S. 173–187 sowie Svatoš, Michal: Die Prager Universitäten im öffentlichen Leben der Ersten Tschechoslowakischen Republik, in: Lemberg
(Hrsg.): Universitäten in nationaler Konkurrenz, S. 135–143.
377
Siehe dazu: Havránek: Univerzita Karlova, rozmach a perzekuce, S. 47: „Německá univerzita se stala centrem nacistického hnutí a již 10. března 1939 vyvěsila na Karolinu vlajku
s hákovým křížem. Na její půdě se ustavila pražská organizace NSDAP a její studenti měli za
úkol vyprovokovat v Praze srážky, které by vyvolaly příznivou atmosféru pro okupaci německými vojsky.“
378
Für eine Übersicht der 63 Professoren und Dozenten, welche die Universität 1939 aus rassischen Gründen verlassen mussten, vgl. Míšková: Die Deutsche (Karls-)Universität, S. 285–290.
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waren.379 Der Anteil der jüdischen Studierendenschaft an der DU hatte sich bereits im
Laufe der 1930er Jahre zusehends verringert (vgl. Kapitel II), wobei neben der sich
verändernden Selbstzuschreibung jener Studenten vor allem der immer stärker hervortretende Antisemitismus an der DU sowie die allgemein zunehmende Assimilation der
Juden in die tschechische Mehrheitsgesellschaft eine Rolle spielten.380
Insgesamt kam es in Prag, wie Alena Míšková bemerkt, im Vergleich mit den
Universitäten des „Altreichs“ nur zu einer Phasenverschiebung: „Die Periode der Säuberungen und der Gleichschaltung, die in Deutschland von 1933 bis 1938/39 dauerte,
verlief in Böhmen vom Herbst 1938 bis März beziehungsweise Ende 1939, im Bereich
der Personalpolitik fast bis 1945.“381 Die Folge war ein drastischer Austausch des Kollegiums, den bis zum Kriegsende nur etwa ein Drittel des Personals von 1937/38 unbeschadet überstand.382
Als „Reichsuniversität“ kam der Prager Alma Mater wie auch den anderen
„Grenzlanduniversitäten“ in Breslau oder Posen eine besondere Bedeutung zu: „Prag
sollte als wissenschaftliches Zentrum in südöstlicher Richtung wirken“.383 Wenngleich
sich der Heydrich’sche Plan, in Prag eine SS-Universität zu gründen, nicht verwirklichte, kam es gerade in diesem Zusammenhang doch zu einer inhaltlichen „Neuausrichtung“ bzw. zur Einführung neuer Fächer und zu einer Neustrukturierung des Lehr-
379
Vgl. Míšková: Německá univerzita, S. 214f. Dort ist die Rede von 20 % jüdischer Studenten
an der DU am Ende des Jahres 1938 (das entspräche knapp 700 Personen), bei ders.: Die Lage
der Juden, S. 119, gar von 20–25 %. Bei Míšková, Alena: Die „Arisierung“ an der Deutschen
Universität Prag, in: Antonín Kostlán (Hrsg.): Wissenschaft in den böhmischen Ländern 1939–
1945, Praha 2004, S. 97–106, hier S. 106, und Míšková: Die Deutsche (Karls-)Universität, S.
59, wird hingegen von nur noch etwas mehr als 10 % ausgegangen, wobei allerdings wohl auch
diese – offizielle – Zahl noch zu hoch gegriffen ist. Vgl. dazu Pešek: Die „eigenen“ und die
„fremden“ Studenten, S. 150. Hinsichtlich der Studierendenzahlen an der DU in den Jahren
1900–1940 siehe Pešek, Jiří/Míšková, Alena/Svobodný, Petr/Janko, Jan: Německá univerzita v
Praze v letech 1918–1939, in: Havránek/Pousta (Red.): Dějiny Univerzity Karlovy IV, S. 181–
211, hier S. 182.
380
Zu diesen Aspekten vgl. Pešek: Jüdische Studenten; ders.: Prager jüdische Studenten am
Ende.
381
Mišková, Alena: Die Deutsche Universität Prag im Vergleich mit den anderen deutschen
Universitäten in der Kriegszeit, in: Lemberg (Hrsg.): Universitäten in nationaler Konkurrenz, S.
167–175, hier S. 168.
382
Vgl. Mišková: Die Deutsche Universität Prag im Vergleich, S. 171. Für die Philosophische
Fakultät siehe Konrád: Dějepisectví, S. 214–219.
383
Mišková: Die Deutsche Universität Prag im Vergleich, S. 169. Mišková vermutet als Unterstützer dieses Konzepts Alfred Rosenberg und seit Ende 1941 auch Reinhard Heydrich. Dieser
Ausrichtung entsprach auch der bereits genannten Reinhard-Heydrich-Stiftung.
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körpers: „Verglichen mit den Reichsuniversitäten etablierten sich Rassenstudien aller
Art in Prag in einer ungewöhnlichen Breite.“384
Dies hatte eine verstärkte Berufung von vor allem reichsdeutschen Professoren
zur Folge, die in ihrer Mehrheit ausgewiesene Nationalsozialisten waren: Von insgesamt 90 ordentlichen (49) wie außerordentlichen (28) Professoren und Privatdozenten
(13) kamen 49 (54 %) aus dem „Altreich“ und 16 (17 %) aus dem heutigen Österreich,
aus den böhmischen Ländern hingegen nur 9 (10 %). Die Ursprungsorte der Hochschullehrer waren vor allem Berlin (hierher kamen gut 22 % aller Neuberufenen, auch im
Falle der ordentlichen Professoren), München und Breslau.385
Míšková schreibt diese Bevorzugung der Hochschullehrer aus dem „Altreich“
nicht zuletzt dem vergleichsweise geringen Nazifizierungsgrad des ursprünglichen
Kollegiums der Prager deutschen Universität zu – durch die Neuberufungen habe der
Anteil der NSDAP-Mitglieder von 39 % (oder 58 Personen) 1940 schon im ersten Jahr
auf 60 % (89) gesteigert werden können. Im letzten Studienjahr 1944/45 sind dann insgesamt 62,5 % (115) bzw. nach den Angaben in der ebendort angeführten Tabelle, die
vom Text abweicht, 61,4 % (113) des Lehrkörpers in der NSDAP organisiert gewesen.
Knapp 17 % waren darüber hinaus Mitglieder der SS, knapp 16 % der SA.386 Wie Konrád errechnet hat, wurden von 53 vormaligen SdP-Mitgliedern unter den Hochschullehrern schon in der Anfangsphase 1938/39 46 in die NSDAP aufgenommen, obwohl dies
nicht automatisch geschah, sondern individuelle Parteiaufnahmeanträge gestellt werden
384
Mišková, Alena: Rassenforschung und Oststudien an der Deutschen (Karls-) Universität in
Prag, in: Brandes/Ivaničková/Pešek (Hrsg.): Erzwungene Trennung, S. 37–51, hier S. 43. – Zu
einigen der Protagonisten vgl. Konrád: Dějepisectví, S. 234–246; Wiedemann, Andreas: Karl
Valentin Müller – ein Rassenhygieniker im Dienste der Volkstumspolitik, in: Albrecht, Stefan/Malíř, Jiří/Melville, Ralph (Hrsg.): Die „sudetendeutsche Geschichtsschreibung“ 1918–
1960. Zur Vorgeschichte und Gründung der Historischen Kommission der Sudetenländer. Vorträge der Tagung der Historischen Kommission für die böhmischen Lander (vormals: Sudetenländer) in Brünn vom 1. bis 2. Oktober 2004 aus Anlass ihres fünfzigjährigen Bestehens, München 2008, S. 167–182; Roth, Karl Heinz: Heydrichs Professor. Historiographie des „Volkstums“ und der Massenvernichtungen: Der Fall Hans Joachim Beyer, in: Schöttler, Peter (Hrsg.):
Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945, 2. Aufl. Frankfurt/M. 1999, S.
262–342; Mišková, Alena: Die Deutsche Universität im Zweiten Weltkrieg, in: Lemberg
(Hrsg.): Universitäten in nationaler Konkurrenz, S. 177–193, hier S. 184ff.
385
Siehe die tabellarischen Übersichten bei Mišková: Die Deutsche Universität Prag im
Vergleich, S. 173.
386
Vgl. ibid., S. 174. Die prozentuell am stärksten belastete Fakultät war die juridische. Der am
9. Januar 1940 von Göttingen nach Prag berufene neue Rektor Wilhelm Saure war sowohl
NSDAP-Mitglied als auch SS-Oberführer im Stab des Rasse- und Siedlungshauptamtes. Vgl.
Mišková: Die Deutsche Universität, S. 183.
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mussten. Von 104 Hochschullehrern, die sowohl vor als auch nach 1938 an der deutschen Universität tätig waren, traten schließlich 77 der NSDAP bei. Von den 35 an der
Philosophischen Fakultät auch nach 1939 verbliebenen Universitätslehrern, von denen
22 bereits Mitglieder der SdP gewesen waren, wurden im Herbst 1938 30 in die NSDAP
aufgenommen. Einigen, wie etwa Gustav Pirchan oder Anton Ernstberger, wurde dagegen die beantragte Parteimitgliedschaft aus verschiedenen Gründen verwehrt.387
Nicht unwichtig in diesem Zusammenhang war sicherlich auch die starke, zentrale Rolle des NS-Deutschen Dozentenbundes unter dem Chemiker und Gaudozentenführer Konrad Bernhauer.388 Neben der Parteimitgliedschaft spielte bei der Personalpolitik an der Universität zunehmend auch die Organisation in den angeschlossenen
Verbänden einer Rolle: So konstatiert Míšková, dass im Studienjahr 1944/45 alle akademischen Ämtern mit Mitgliedern der SA bzw. SS besetzt gewesen seien.389 Insgesamt
konnten die Personalverluste durch die Säuberungen 1938/39 allerdings bis Kriegsende
schon rein quantitativ nicht kompensiert werden: Von 1940 bis 1945 stieg die Anzahl
der Professoren und Dozenten von 148 nur schrittweise auf 184 und blieb damit deutlich (16 % oder 29 Personen) unter dem Vorkriegsstand.390
Eine ähnliche Tendenz ist für die Studierendenschaft zu beobachten: Die Studierendenzahl wuchs hier von 2.220 ordentlichen und 15 außerordentlichen Hörern im
Wintersemester 1939/40 auf 3.330 ordentliche Studenten, 92 ordentliche Gasthörer
sowie weitere 2.728 von der Wehrmacht beurlaubte (974), anderweitig beurlaubte (156)
Studenten oder Fernimmatrikulierte (1.598) im Sommersemester 1944.391 Auch in
dieser Gruppe können wir einen verstärktes Interesse „altreichsdeutscher“ Studenten
verzeichnen, die vor allem, aber nicht nur aus den unmittelbaren Grenzgebieten nach
Prag kamen.392 Wie Pešek für die Philosophische Fakultät feststellen konnte, handelte
es sich insbesondere um Studentinnen, die mit fortschreitender Kriegsdauer an dieser
387
Konrád: Dějepisectví, S. 213f. Zu Pirchan siehe Lehr, Stefan: Gustav Pirchan (1881–1945),
Ein Prager Historiker zwischen Deutschen und Tschechen, in: Hruza, Karel (Hrsg.): Österreichische Historiker. Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Wien–Köln–Weimar 2012, S. 329–
374, hier S. 331 u. 353f.
388
Vgl. Mišková: Die Deutsche (Karls-) Universität, S. 78–82.
389
Vgl. ibid., S. 258.
390
Vgl. die Zahlenangaben bei Mišková: Die Deutsche Universität Prag im Vergleich, S. 171.
391
Die Zahlen für das Studienjahr 1939/40 finden sich bei Pešek: Die „eigenen“ und die „fremden“ Studenten, S. 150, jene für das Sommersemester 1944 bei Mišková: Die Deutsche (Karls-)
Universität, S. 176.
392
Vgl. Pešek: Die „eigenen“ und die „fremden“ Studenten, S. 151 u. 156.
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Fakultät über zwei Drittel aller Studierenden ausmachten – die im Laufe des Krieges
durch die Einberufungen in die Wehrmacht dezimierte männliche Studentenschaft wurde also zum Großteil durch weibliche Studierende ersetzt.393 Bei den Fernimmatrikulierten handelte es sich um auswärtige Wehrmachtssoldaten, von denen im Jahr 1943 allein
ca. 700 Medizinstudenten im Rahmen von sog. Studentenkompanien in der Stadt stationiert und an der Deutschen Universität immatrikuliert waren.394 Diese Durchsetzung der
Prager deutschen akademischen Kommunität mit Reichsdeutschen, vor allem auf den
Leitungspositionen,395 führte fast zwangsläufig zu Spannungen und Konflikten
zwischen Letzteren und den Sudetendeutschen, die sich auch hier benachteiligt fühlten.396
Die Studierendenschaft war ebenfalls stark „nazifiziert“, wie Pešek am Beispiel
der Philosophischen Fakultät demonstriert hat: So seien nach den Eintragungen in der
Studentenkartei 53 % aller Studierenden Mitglieder in der HJ bzw. im BdM gewesen,
wobei die Quote im Falle des BdM, also bei den Studentinnen, deutlich höher lag als bei
den männlichen Kollegen.397 Auch die Mitgliedsquote in dem an der DU bereits im
Herbst 1938 formierten Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDtB) lag
mit gut 48 % deutlich über dem Reichsdurchschnitt, eine ähnlich hohe Quote (knapp
46 %) konstatiert Pešek auch für die NSDAP. Ein Viertel der männlichen Studenten war
darüber entweder in der SS oder der SA organisiert.398 In diesem Sinne kann also von
der Prager deutschen Universität durchaus als von einer nationalsozialistischen „Kaderschmiede“ gesprochen werden.399
393
Ibid., S. 152. Eine ähnlich dynamische Tendenz konnte auch für die Medizinische und Naturwissenschaftliche Fakultät ausgemacht werden.
394
Vgl. Mišková: Die Deutsche (Karls-) Universität, S. 175–177. Vgl. auch den Erlebnisbericht
von Hermann S., der in diesem Rahmen das 3. Semester (Wintersemester 1944/45) in Prag studierte und dessen Physikumsprüfung (mit Sondergenehmigung) bzw. deren Wiederholung für
den 5. Mai 1945 angesetzt war. Erlebnisbericht Mai–Juli 1945 (Niederschrift Juli 1954). Einführung 1987, Nachtrag April 2008. Deutsches Tagebucharchiv e. V. Emmendingen (DTA),
Sign. 1701.
395
Vgl. Mišková: Die Deutsche (Karls-) Universität, S. 111 und S. 260f.
396
Siehe dazu Mišková: Die Deutsche Universität, S. 183f.
397
Vgl. Pešek: Die „eigenen“ und die „fremden“ Studenten, S. 158.
398
Ibid., S. 159. Die Mobilisierungsquote war sowohl im Falle der NSDAP als auch der SA
bzw. SS bei den „Altreichsdeutschen“ höher als bei den Protektorats- bzw. Sudetendeutschen
(ibid., S. 161).
399
Ibid., S. 160. Ein weiterer Grund für den hohen Organisationsgrad war sicherlich nicht zuletzt auch die Tatsache, dass bei der Stipendienvergabe dieser Aspekt eine entscheidende Rolle
spielte. Siehe Mišková: Die Deutsche (Karls-) Universität, S. 117.
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Die Gauleitung des NSD-Studentenbundes wurde 1940 mit der örtlichen Leitung
vereinigt und hatte ihren Sitz in der Hibernergasse (Hybernská) 4 in Prag. Sie war
zuständigkeit für alle deutschen Hochschulen im Protektorat; von den ursprünglich 24
Kameradschaften blieben bis Juli 1944 nur noch 17 übrig, denen 4 Kameradschafts–
häuser zur Verfügung standen.400 Insgesamt haben wir es also bei den Hochschulangehörigen mit einer nicht zu vernachlässigenden Personengruppe zu tun, die, insbesondere im Falle der Studenten, ein aktiver und sichtbarer Faktor im öffentlichen Leben der
Stadt war (siehe Abb. 7). So spielten die deutschen nationalsozialistischen Studenten
etwa eine unrühmliche Rolle im Vorfeld der Schließung der tschechischen Karls-Universität am 17. November 1939, von der die Deutsche Universität nicht nur durch die
Übernahme der Gebäude profitierte.401
400
Vgl. Mišková: Die Deutsche (Karls-) Universität, S. 220. Hinsichtlich der Gliederung des
NSD-Studentenbundes in Ämter, Referate und Fachgruppen siehe ibid., S. 116.
401
So wurde etwa die ehemalige tschechische Philosophische Fakultät 1940 in ein „Haus Deutscher Hochschulen“ umgewandelt, in dem ein Großteil der universitären und außeruniversitären
wissenschaftlichen Gremien, Einrichtungen, Vereine ihren Sitz hatten. Vgl. Mišková: Die Deutsche (Karls-) Universität, S. 108. – Zu den Studentenprovokationen am 28. Oktober 1918, in
deren Rahmen der Student Jan Opletal angeschossen wurde und schließlich am 11. November
verstarb, vgl. Brandes: Die Tschechen I, S. 85f.; Pasák, Tomáš: 17. listopad 1939 a Univerzita
Karlova, Praha 1997, S. 39 u. 54 sowie Vojtíšek, Václav: Karlová universita za německé okupace, in: Buben, Václav (Hrsg.): Šest let okupace Prahy, Praha 1946, S. 31–38, hier S. 34: „Provokacemi německých studentů a ordnerů, surovým zakročováním esesáků a gestpáků, kteří
strhávali Čechům odznaky a bránili jim v důstojných projevech, docházelo k srážkám i
k útokům ozbrojených čet na bezbranný lid, na bezbrannou mládež i děti. Byli zatčení, týraní,
ranění.“
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Abb. 8: Marsch deutscher Studenten zur Prager Burg am Jahrestag der Protektoratsgründung.
Aufnahme von der Straße Am Graben (Na příkopě), links das Café Lloyd, im Hintergrund der
Palast U Hybernů. Aufnahmedatum: 15. 3. 1940, Quelle: ČTK FO01281783.
IV. 1.2.2. Die deutschen Schulen
Während zu den tschechischen Schulen in der Protektoratszeit zumindest ansatzweise
bereits einige Studien vorliegen,402 wurde das Thema des deutschen Schulwesens
während der Besatzung von der Forschung bisher weitgehend ausgeklammert. Dabei
handelte es sich um ein wichtiges, potenzielles Instrument für die langfristige Beherrschung und Germanisierung des böhmisch-mährischen Raumes.
In der Zwischenkriegszeit hatte die Entwicklung des bis zum Ersten Weltkrieg
überproportional gut ausgebauten deutschen Schulwesens in Böhmen, Mähren und
Schlesien immer wieder Anlass zur Klage über eine vermeintliche Benachteiligung der
402
Vgl. u. a. Doležal: Česká kultura, S. 33–95, hier auch einige Seiten zum deutschen Schulwesen; Brandes: „Umvolkung“, S. 63–81; Gebhart/Kuklík: Velké dějiny XVa, S. 536–548; Jasinski: Czeska szkola; Němec, Petr: Úloha školství při germanizaci českého národa v období okupace, in: Sborník k dějinám 19. a 20. století 12 (1991), S. 67–90; Pasák, Tomáš: Organizační a
správní změny v českém školství v období nacistické okupace, in: In Memoriam Zdeňka Fialy.
Z pomocných věd historických, Praha 1978, S. 215–257.
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Deutschen im tschechoslowakischen Staat gegeben.403 Tatsächlich hatte die Zahl der
deutschen Schulen im neuen Staat abgenommen, und zwar nicht nur absolut, sondern
auch in Proportion zur Bevölkerungsgruppe; die Ursachen dafür waren jedoch offensichtlich komplexerer Natur und nicht (nur) in einer ausgesprochen „tschechoslowakischen“ Politik begründet. Gleichzeitig waren die Schulen ein wichtiges Instrument in
einer Zeit, in der neue Identitäten gesucht oder herausgebildet wurden bzw. werden sollten. So war nicht nur die quantitative Entwicklung des deutschen wie tschechischen
Schulwesens, sondern auch das Bildungsziel, die „Erziehung zum Staatsbürger“, heftig
umstritten gewesen.404 Wie Němec gezeigt hat, war diesen Bemühungen in Richtung
einer „Tschechoslowakisierung“ im Sinne eines Bekenntnisses zum tschechoslowakischen Staat aus verschiedenen Gründen nur wenig Erfolg beschieden.405
Es verwundert daher nicht, dass die Schulpolitik auch für die Besatzungsbehörden einen hohen Stellenwert einnahm.406 Im gesamten Protektorat wurden im ersten
Jahr der Besatzung 122 deutsche Volks- und Bürgerschulen (bzw. Hauptschulen) gegründet, bis zum Schuljahr 1944/45 wurde die Zahl der deutschen Bürgerschulen mehr
als verdoppelt (von 36 auf 78), die Zahl der deutschen Volksschulen stieg auf das 2,5fache.407 Auch die deutschen höheren Schulen wurden von 13 1938/39 auf 22
403
Vgl. hierzu und zum Folgenden: Němec, Mirek: Erziehung zum Staatsbürger? Deutsche
Sekundarschulen in der Tschechoslowakei 1918–1938, Essen 2010, hier S. 16ff. Dort auch eine
Übersicht über die quantitative Entwicklung der Mittelschulen in der Tschechoslowakischen
Republik 1918/19–1935/36. – Zu den wichtigsten Konfliktfeldern siehe auch übersichtlich:
Mitter, Wolfgang: Das deutschsprachige Schulwesen in der Tschechoslowakei im Spannungsfeld zwischen Staat und Volksgruppe (1918–1938), in: Lemberg, Hans (Hrsg.): Bildungsgeschichte, Bevölkerungsgeschichte, Gesellschaftsgeschichte in den böhmischen Ländern und in
Europa. Festschrift für Jan Havránek zum 60. Geburtstag, München 1988, S. 82–94.
404
Zum Begriff und seiner Interpretation in der Zwischenkriegs-Tschechoslowakei vgl. Němec:
Erziehung zum Staatsbürger?, S. 22ff.
405
So müsse „konstatiert werden, dass die deutsche (Mittel)Schule in der Tschechoslowakei bis
1938 kaum dazu beitrug, ‚ein Zerreißen der deutsch-tschechischen Konfliktgemeinschaft‘ zu
verhindern. Sie schaffte es trotz mancher guter Ansätze nicht, die nationale Abgrenzung zu
überwinden; ebenso wenig gelang es ihr, die Identität der deutschen Schüler so zu beeinflussen,
dass sie ihre Loyalität nachhaltig dem Staat zuwandten. Die staatlich kontrollierte Schule konnte
keineswegs anderen Institutionen Paroli bieten, die die Sozialisation der deutschen Jugend betrieben.“ Ibid., S. 368.
406
Vgl. Brandes: „Umvolkung“, S. 53: „[…] vor allem das deutsche Schulwesen sollte die
Deutschen des Protektorats nicht nur auf die Übernahme führender Positionen vorbereiten, sondern auch bei der Eindeutschung der Kinder aus Mischehen und von ‚Deutschstämmigen‘ helfen.“
407
Vgl. Brandes: Die Tschechen I, S. 161. So gründete der Deutsche Kulturverband allein bis
zum Ende des Schuljahres 1938/39 60 neue Volks- und Bürgerschulen.
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1943/1944 ausgebaut.408 Die Entwicklung der Schülerzahlen folgte dem Ausbau der
Schulen: So stieg nach Doležal die Zahl der Schüler an deutschen Volks-, Bürger und
Mittelschulen im Protektorat von 17.196 im Jahr 1938 auf 37.274 im Jahr 1944, die
Gesamtzahl der Schüler an deutschen Schulen (mit Ausnahme der Hochschulen, Hilfsschulen, Kindergärten, Krippen und sonstiger Kurse) gar von 20.630 1938 auf 47.815
im Schuljahr 1943/44.409 Zwar wurden auch tschechische Schüler an deutschen Volksund Bürgerschulen aufgenommen, diese machten allerdings nicht einmal 3 % aus. Für
den Anstieg der Schülerzahlen sind nach Doležal daher hauptsächlich aus dem Reich
zugezogene Schüler verantwortlich. Hinzu kamen, wenngleich nur in geringen absoluten Zahlen, eine verstärkt betriebene Aufnahme von Kindern aus gemischten Familien
sowie der Wechsel deutscher Schüler von tschechischen an deutsche Schulen.410
Im Gegensatz zu den deutschen Hochschulen wurden die deutschen Schulen
nicht in die Reichsverwaltung übernommen, sondern unterstanden dem Erziehungsministerium des Protektorats.411 Gleichwohl aber wurde (neben dem Lehrplan) das Schulsystem dem deutschen angepasst: Unter anderem wurden so bis auf die Gymnasien alle
deutschen Mittelschulen zu „Deutschen Oberschulen“, aus den Bürgerschulen wurden
„Hauptschulen“.412 Ein Problem, mit dem die Protektoratsbehörden bzw. die Lan408
Vgl. Brandes: „Umvolkung“, S. 53.
Doležal: Česká kultura, S. 59. Doležal stützt sich dabei auf die Angaben des Statistischen
Amtes der Tschechoslowakischen Republik von 1945. – In einem Bericht des SD-Leitabschnitts
Prag vom 7. Dezember 1943 erhalten wir folgende tabellarische Aufschlüsselung: Insgesamt hat
es demnach Ende 1943 im Protektorat insgesamt 327 deutsche Volksschulen (davon 139 in
Böhmen und 188 in Mähren) mit 817 Lehrern, 22.538 Schülern in 844 Klassen gegeben (gegenüber 5.544 tschechischen Schulen, 19.451 Lehrern, 565.296 Schülern in 15.559 Klassen –
die durchschnittliche Klassengröße an den deutschen Schulen war also erheblich kleiner.). Dazu
gab es 64 Hauptschulen (19 in Böhmen, 45 in Mähren) mit 372 Lehrern, 8.548 Schülern in 305
Klassen (tschechische Hauptschulen Schulen: 1.145, 11.492, 277.120, 7.242) und 22 höhere
Schulen (Mittelschulen) mit 372 Lehrern, 5.344 Schülern in 90 Klassen. Insgesamt kommen wir
hier also auf eine Gesamtschülerzahl an allen genannten Schultypen von 36.430. Hinzu kommen Schüler an den Lehrerbildungsstätten (1.484), Deutschen Heimschulen (168), Gewerblichen Fach- und Berufsschulen (9.362) und Schulen landwirtschaftlicher Richtung (849). Insgesamt kommen wir so gar auf 48.293 Schüler. Vgl. SD-Leitabschnitt Prag an Frank, Deutsche und
tschechische Schulfragen in Mähren, 7. Dezember 1943, Anlage. NA, NSM, 110-4/517, f. 17–
23.
410
Vgl. Doležal: Česká kultura, S. 63.
411
Allerdings wurde zum 1. Januar 1940 die bisherige deutsche Sektion der Landesschulräte in
eigenständige deutsche Landesschulräte umgewandelt, die in der Angelegenheit der deutschen
Schulen eigenständige Entscheidungen treffen konnten. Doležal: Česká kultura, S. 60.
412
Vgl. Doležal: Česká kultura, S. 59f. Siehe auch: Školství v zemi České a Moravskoslezské
bez pohraničí v letech 1941/42 až 1944/45, in: Zprávy Státního úřadu statistického. Řada A,
číslo 1, XXVI/8 (1945), S. 57–64, hier S. 57.
409
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desschulräte dauerhaft zu kämpfen hatten, war der eklatante Lehrermangel, der sich im
Laufe des Krieges durch die Einberufungen in die Wehrmacht noch wesentlich verschärfte und den Ausbau deutscher Schulen stoppte bzw. gar zur Schließung einiger
Einrichtungen führte.413 Der Hauptgrund für diesen Mangel war die schlechtere Bezahlung der Lehrer im Protektorat (bzw. die im Verhältnis zur Bezahlung hohen Lebenshaltungskosten414) , aber auch der schnelle Ausbau des deutschen Schulwesens, in dessen
Rahmen offenbar nicht mit der nur geringen Anzahl an qualifizierten einheimischen
Lehrkräften gerechnet worden war:
„Um die Misstände im deutschen Schulwesen zu beseitigen, wäre es in erster
Linie erforderlich, die Besoldung der Erzieherschaft der des Altreiches anzugleichen. Allein auf Grund der schlechten Bezahlung der Lehrkräfte ist der ausgesprochene Lehrermangel an den deutschen Schulen erklärlich. Darüber hinaus
wurden aber auch unmittelbar nach der Errichtung des Protektorates eine Vielzahl von Schulen gegründet, ohne dass vorher die dafür notwendigen Lehrkräfte
bereitgestellt waren. Es musste dann auf weniger geeignete Personen sowie auf
Hilfslehrkräfte zurückgegriffen werden.“415
Auch die sog. „Volkstumspflegezulage“, die seit dem 1. April 1940 zur Angleichung
der Gehälter im Protektorat an jene im Reich ausgezahlt wurde,416 schaffte aufgrund der
kriegsbedingten Ausfälle keine wirksame Abhilfe.
Schauen wir uns nun die Ausgangslage in Prag an. Leider sind die in der Literatur zur Verfügung stehenden Zahlen nicht vollständig bzw. nicht kongruent: Noch vor
dem Ersten Weltkrieg hatte es in Prag fünf deutsche Gymnasien und vier Oberrealschulen sowie einige weitere Mittelschulen gegeben.417 1918 gab es in Prag noch zwölf
deutsche (staatliche) Mittelschulen, von denen bis 1933/34 fünf verblieben.418 Auch in
Prag waren also zumindest die deutschen Mittelschulen nicht zuletzt wegen der rück413
Vgl. Brandes: „Umvolkung“, S. 58, und Doležal: Česká kultura, S 60f.
Dies galt insbesondere hinsichtlich der Wohnungskosten. Vgl. Schreiben Heckel vom 17.
Juli 1942. NA, Úřad říšského protektora, fond AMV 114, 114-15/9, f. 27f.
415
Deutsches Schulwesen im Protektorat (Volks- und Bürgerschulen). SD-Leitabschnitt Prag B2
Böhme an Staatsminister Frank vom 12. 3. 1940. NA, 109-4-1421, f. 81.
416
Siehe dazu Brandes: „Umvolkung“, S. 56. Zunächst wurde diese Ausgleichszulage nur den
Lehrern gewährt, kurze Zeit später allen reichsdeutschen Bediensteten der Protektoratsverwaltung; die Protektoratsdeutschen waren von der Maßnahme zunächst ausgeschlossen.
417
Siehe Kapitel II.2.
418
Davon zwei Realgymnasien (Prag II: Jindřišská, Kleinseite, Prag III: Zborovská), eine Realschule (Prag II: Mikulandská), ein Mädchen-Reformrealgymnasium (Prag II: Charvátová) und
eine Lehrerbildungsanstalt (Prag III: Karmelitská). Vgl. Adam: Unsichtbare Mauern, S. 141 u.
146.
414
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läufigen Geburtenrate von der Schließung betroffen, die Gebäude wurden teils konfisziert für die Behörden des neuen Staates.419 Hinsichtlich der Volks- und Bürgerschulen haben wir jedoch eine etwas andere Situation: Nach Máša kamen zu 6 deutschen
Volks- und 2 Bürgerschulen aus der Zeit vor 1918 in der Zwischenkriegszeit noch 1
Volks- und 2 Bürgerschulen hinzu.420 Lehovec spricht gar von insgesamt zwölf deutschen Volksschulen im Jahre 1934/35.421 Der Zuwachs in dieser unteren Schulstufe
erklärt sich offenbar zumindest teilweise durch den Zuzug von Flüchtlingen aus dem
Deutschen Reich nach 1933.
Während der Besatzungszeit erhöhte sich die Zahl der deutschen Volks- und
(jetzt:) Hauptschulen in der Stadt Prag allmählich auf insgesamt 20 (16 Volks-, 4
Hauptschulen): Wie Máša anführt, sei im Jahr 1939 eine Volksschule neu gegründet
worden, 1940 dann vier, 1942 zwei und 1943 schließlich noch eine.422 Der Ausbau der
deutschen Volksschulen, also der untersten Schulstufe, deckt sich mit der in Kapitel III
getroffenen Beobachtung, dass es hauptsächlich Personen der jüngeren bis mittleren
Altersgruppe waren, die zuwanderten; diese gebaren in Prag offenbar nicht nur Kinder,
sondern schickten deren ältere Geschwister dort auch in die Schule bzw. in die ebenfalls
zahlreichen neu eröffneten deutschen Kindergärten und Schülerhorte.423 Insgesamt stieg
die Schülerzahl im gesamten Oberlandratsbezirk Prag (Groß-Prag und Prag-Land) in
diesen Schulformen in den ersten Jahren der Okkupation von 1195 Schülern in 9 Volksund 4 Hauptschulen zum 1. 9. 1939 auf insges. 2820 Schüler in 18 Volks- und 4 Hauptschulen zum 1. 9. 1941. Dieser Trend hielt auch in den Folgejahren an, für die Stadt
Prag können wir einen jährlichen Zuwachs zwischen 10 und 16 % konstatieren: Von
2.689 Volks- und Hauptschülern im Schuljahr 1941/42 über 3.118 im Jahr 1942/43 auf
419
Adam: Unsichtbare Mauern, S. 142. Dort auch eine Übersicht der geschlossenen Schulen.
Máša, Ludvík: Německé obecné a hlavní školy v Praze v době okupace, in: Buben (Hrsg.):
Šest let okupace Prahy, S. 57–61, hier S. 57.
421
Vgl. Lehovec: Prag, S. 162.
422
Vgl. Máša: Německé obecné a hlavní školy, S. 58.
423
Exemplarisch sei auf die Meldung Josef Pfitzners vom Januar 1944 verwiesen, der für den
zurückliegenden Berichtszeitraum meldet, dass die neuen deutschen Kindergärten in Prag I, XII
(Georgsplatz/Náměstí Jiřího z Poděbrad) und VII (Siedlungsstr./Osadní) sowie die deutschen
Schülerhorte in Prag I, VII (Winzerstr./Vinařská) und Werschowitz (Vršovice) „fertiggestellt
und von der NSV in Betrieb genommen worden“ seien. Vgl. Tätigkeitsbericht des PrimatorStellvertreters der Hauptstadt Prag für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1943, 25.
Januar 1944, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 442–459, hier Abs. 17, S. 450.
420
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3.433 im Jahr 1943/44.424 Im Bereich der höheren Schulen kam lediglich im Schuljahr
1939/40 eine Oberschule hinzu.425 Zum Stichtag 1. 4. 1940 erhalten wir hinsichtlich der
deutschen Schulen aller Schulformen (mit Ausnahme der Hochschulen) in Prag folgenden Stand (Straßenbezeichnung gemäß Quelle):426
I. Oberschulen und Lehrerbildungsanstalten
- Prag II, Stefansgasse: Oberschule für Jungen (ehem. Realgymnasium)
- Prag II, Charvatgasse 5: Oberschule für Mädchen (ehem. Mädchen-Lyzeum)
- Prag II, Nikolandergasse: Oberschule für Jungen (ehem. Realschule)
- Prag III, Zborovská 7: Gymnasium für Jungen (ehem. Gymnasium)
- Prag XIX, Bílá 1: Oberschule für Jungen und Mädchen
- Prag III, Karmelitská: Pädagogische Akademie
II. Deutsche Fach- und Berufsschulen
- Prag II, Smetanaplatz: Kunstgewerbeschule („utraquist. mit nur 1 deutschem Lehrer“)
- Prag II, Charvatgasse: Musikakademie
- Prag I, Fleischmarkt: Handelsakademie mit 2j. Handelsschule u. kaufm. Fortbildungsschule
- Prag, Bartolomäusgasse: Fachschule für Frauenberufe
- Prag II, Smečkagasse 22: allg. gewerbl. Fortbildungsschule d. Handwerkervereines
- Prag II, Smečkagasse: Fachschule für Gast- und Kaffeesiedergewerbe d. Handwerkervereines
III. Deutsche Volksschulen
- Prag I – Masná (č.p. 1.000)
- Prag II, Gerbergasse 13 (Volksschule vereinigt mit ev. Schule)
424
Siehe Máša: Německé obecné a hlavní školy, S. 58. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wie
auch schon in den Jahrzehnten zuvor viele vor allem ältere Schüler nicht aus Prag stammten,
sondern aus der böhmischen Provinz; für sie standen in der Stadt Schülerheime bereit, die nunmehr vom Deutschen Kultuverband in Verbindung mit der HJ / dem BDM betrieben wurden.
Siehe etwa die Einladung zur Eröffnungsfeier des neuen deutschen Schülerheims für Jungen in
Prag II, Rosengasse, vom 26. August 1940. NA, Fonds Hitlerova mládež (Hitlerjugend), k. 27.
425
Vgl. Gebhart/Kuklík: Velké dějiny XVa, S. 550.
426
Adaptierter Auszug aus: Verzeichnis der deutschen Schulen des Protektorats Böhmen und
Mähren. Stichtag 1. IV. 1940. NA, ÚŘP-ST, 109-4/1421, f. 29ff.
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- Prag VII, Šimáčková 14
- Prag VIII – 212
- Prag X, Havličekgasse 6
- Prag XII, Mährische Gasse 3
- Prag XXII, Palackystr. 21
- Prag XIV Nusle, Gasse des russ. Gymnasiums
- Prag XV, Nad Branickym pivovarem 313
- Prag-Modřan, Božena Němcova G. Nr. 1478
- Prag XVI-Smíchov, Jungmanngasse 5
- Prag XIX-Dejvice, Bílá 1
IV. Deutsche Bürgerschulen bzw. Hauptschulen
- Prag I – Masná (č.p. 1.000) (für Jungen)
- Prag I – Masná (č.p. 1.000) (für Mädchen)
- Prag XII, Mährische Gasse 3
- Prag X, Havličekgasse 6
Wir sehen eine deutliche Konzentration von Schulen in den traditionellen Wohngebieten der Prager Deutschen, vor allem in der Neustadt (Prag II). Auffällig sind zudem die
bereits zu Beginn der Okkupation gegründeten Schulen in den „neuen“ bzw. perspektivischen Siedlungsgebieten: Das gilt insbesondere für die Oberschule für Jungen und
Mädchen als auch die Volksschule in Prag XIX. Bereits fünf Monate später konnte dann
OLR Watter bereits insgesamt 15 deutsche Volksschulen im Prager Stadtgebiet vermelden sowie die Beantragung weiterer Schulen in Prag XIX, Smíchov (Smichow) und
Spořilov (Rosenbühl).427 In Planung waren nach Angaben des Oberlandrats ferner
Schulneubauten in Libeň (Lieben), Žižkov (Veitsberg), Prag XIV und Prag XVIII sowie
außerhalb des Stadtgebietes in Říčany (Ritschan) und perspektivisch auch in Kbely
(Gbell).
427
Für die Schulneubauten in Smichow (Smíchov) und Rosenbühl (Spořilov) gab es überdies
bereits eine Finanzierungszusage der Stadt Prag (2,9 bzw. 2,7 Mio. Kronen). Vgl. OLR Watter,
Bericht über die Deutschtumsarbeit im Oberlandratbezirk Prag, 19. September 1940. NA, ÚŘP,
k. 289, I-1b 2017 1940–1942.
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Mit fortschreitender Kriegsdauer mussten sich allerdings nicht nur die tschechischen, sondern auch die deutschen Schulen, die seit dem 15.9.1943 dem eigens eingerichteten deutschen Schulamt bei der Stadt Prag unterstanden,428 zumindest teilweise
den Erfordernissen der Zeit unterordnen. So wurde etwa eine weitere deutsche
Volksschule für Mädchen in Prag XIII (König-Georgstr./ Ulice Jiřího z Poděbrad 950)
zusammen mit der ebenfalls dort untergebrachten tschechischen Hauptschule für Knaben Ende 1943 endgültig für Wehrmachtszwecke – konkret für die Einrichtung von
Auffangstellen für Lazarettzüge – beschlagnahmt.429 Die deutschen Schulen in der
Masná (Fleischmarkt) hingegen wurden Anfang 1944 durch Zuteilung des Gebäudes
der städtischen Druckerei sogar räumlich noch erweitert,430 und auch die deutsche Knaben-Volksschule in Prag VII (Holešovice) sowie ein Teil der in der Zwischenzeit dort
offenbar ebenfalls gegründeten deutschen Hauptschule wurden bereits im Juli 1943 sicher nicht zu ihrem Nachteil in ein städtisches (d. h. tschechisches) Schulgebäude in der
Vinařská (Winzergasse) umgesiedelt.431
Neben den ordentlichen Schulen wurden auch im Protektorat darüber hinaus sog.
deutsche „Heimschulen“ eingerichtet. Diese Internate waren ähnlich wie die AdolfHitler-Schulen und die „Nationalpolitischen Erziehungsanstalten“ (NPEA) Eliteschulen,
die sowohl im „Altreich“ als auch in einem Teil der besetzten Gebiete gegründet wurden.432 Die Voraussetzung für die Aufnahme waren neben den obligatorischen ras428
Vgl. dazu den Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Pfitzner für die Zeit
vom 1.7. bis 30.9. 1943, 20. Oktober 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 401–434, hier Abs.
45, S. 418; Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters der Hauptstadt Prag für die Zeit vom 1.
Oktober bis 31. Dezember 1943, 25. Januar 1944, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 442–459, hier
Abs. 17, S. 450.
429
Ibid., Abs. 2, S. 443 und Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Pfitzner für
die Zeit vom 1.7. bis 30.9. 1943, 20. Oktober 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 401–434,
hier Abs. 45, S. 418. Der Hauptteil der Schüler wurde nach Angaben Pfitzners bereits zuvor in
das benachbarte tschechische Gymnasium, die obersten Klassen hingegen nach Spořilov (Rosenbühl) verlegt.
430
Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Pfitzner für die Zeit vom 1. Jänner bis
15. April 1944, 11. Mai 1944, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 464–479, hier Abs. 26, S. 475.
431
Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Pfitzner für die Zeit vom 1.3. bis
30.6.1943, 13. Juli 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 367–389, hier Abs. 22, S. 382; Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Pfitzner für die Zeit vom 1.7. bis 30.9. 1943,
20. Oktober 1943, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 401–434, hier Abs. 45, S. 418.
432
Außer im Sudetengau und im protektorat gab es NPEA z. B. auch in den Niederlanden und in
Luxemburg. Zu den verschiedenen nationalsozialistischen Eliteschulen vgl. u. a. Fröhlich, Elke:
Die drei Typen der nationalsozialistischen Ausleseschulen, in: Leeb, Johannes (Hrsg.): „Wir
waren Hitlers Eliteschüler“: Ehemalige Zöglinge der NS-Ausleseschulen brechen ihr Schweigen, München 1999, S. 241–263 und Miller-Kipp, Gisela: Elitebildung in den Elite-Schulen des
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sischen Kriterien gute Studienleistungen und eine aktive Mitgliedschaft in der HJ.433
Die Heimschulen waren also ausgesprochen „nationalsozialistische“ Ausbildungsstätten, die Offiziersanwärter bzw. Rekruten insbesondere für die Waffen-SS hervorbringen
sollten.434
Im Protektorat wurden so neben drei Nationalpolitischen Erziehungsanstalten435
(Ploskovice/Ploschkowitz, Roudnice n.L. /Raudnitz a.d.E., Kutna Hora/Kuttenberg) an
verschiedenen Orten auch deutsche Heimschulen eröffnet – außer in Prag in Libějovice
(Libejowitz), Poděbrady (Podiebrad), Frýdlant na Ostravicí (Friedland a d. Ostrawitza),
Jemnice (Jamnitz), Čáslav (Tschaslau), Kutna Hora (Kuttenberg) und Rychnov nad
Kněžnou (Reichenau a. d. Knieschna). Im Oktober 1944 bestanden im Protektorat somit
insgesamt 8 Heimschulen, davon 2 Oberschulen für Jungen, 1 Oberschule und Gymnasium für Jungen, 2 Oberschulen für Mädchen, 1 Oberschule für Jungen und Mädchen
(Jamnitz) und je eine Hauptschule und Volksschule für Jungen. Insgesamt besuchten zu
diesem Zeitpunkt 750 Schüler die genannten Schulen.436
Die deutsche Heimschule in Prag wurde im Schuljahr 1943/44, und damit ein
Jahr später als geplant,437 als Gymnasium für Jungen im ehemaligen erzbischöflichen
Gymnasium in der Bendazeile 1 (Prag XVI – Smíchov, bis 1940: Husova, heute: Drti„Dritten Reiches“. Praxis und Systemfunktion, in: Segger, Ricarda (Hrsg.): „Es war eine Welt
von Befehl und Gehorsam.“ Nationalsozialistische Elitebildung und die Adolf-Hitler-Schule
Sachsen in Pirna-Sonnenstein (1941 bis 1945), Pirna 2008, S. 17–36.
433
Vgl. Gebhart/Kuklík: Velké dějiny XVa, S. 550f.
434
Die meisten Absolventen entschieden sich dennoch für die Wehrmacht. Vgl. Doerfel, Marianne: „Deutsche Heimschule Prag“ 1943–1945, in: PSH 37 (2009), S. 289–316, hier S. 293.
Doerfels Aufsatz basiert im Wesentlichen auf den Erinnerungen ehemaliger Schüler des
Meißener Gymnasiums.
435
Für das Protektorat siehe zuletzt: Šimůnek, Michal: Poslední „vůdcovská škola“ nacistické
diktatury. Tzv. Nacionálně politický výchovný ústav Čechy (Nationalpolitische Erziehungsanstalt Böhmen) v Kutné Hoře, 1943–1945, in: Acta Universitatis Carolinae – Historia Universitatis Carolinae Pragensis 51/1 (2011), S. 59–81. Dort auch weiterführende Literatur zu den NPEA
bzw. „Napola“, wie sie auch abgekürzt wurden.
436
Vgl. Schreiben Heckel (Abt. III) an das Ministeramt vom 12. Oktober 1944, „Deutsche Heimschulen in Böhmen und Mähren“. NA, NSM, 110-4/499, f. 18f.
437
In dem Bericht der Gruppe Unterricht an Staatssekretär Frank vom 31. Juli 1942 ist noch
davon die Rede, dass nach einer Einigung mit der Obersten Rechnungskontrollbehörde, die
ebenfalls Anspruch auf das Grundstück erhoben habe, die „Heimschule mit 8 Klassen in Gymnasialform in dem ehemaligen erzbischöflichen Konvikt in Prag“ im Herbst eröffnet werde.
Vgl. NA, NSM, 110-4/488, f. 39. Zuvor waren in einem Teil des Gebäudes die Luftwaffe sowie
die Rechnungsabteilung einer autonomen Behörde untergebracht. Vgl. Heckel (Gruppe Unterricht), Aufzeichnung über das Ergebnis der Bereisungen und der Besprechungen am 17. und 18.
d. Mts. betreffend Einrichtung von Heimschulen im Protektorat, 19. Juni 1942. NA, NSM, 1104/488, f. 40–41, hier 40.
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nova) mit 7 Gymnasialklassen und 4 Oberschulklassen eröffnet.438 Von den ursprünglich 138 Schülern waren im September 1943 86, also knapp zwei Drittel, Heimschüler;439 von Letzteren kam etwas mehr als die Hälfte aus Prag.440 Die Schülerschaft setzte
sich also keineswegs nur aus Prager oder Protektoratsdeutschen zusammen, sondern die
Jungen kamen aus allen Teilen des Reiches. Einige wurden z. B. zur Disziplinierung
von einem Meißener Gymnasium nach Prag verlegt,441 andere wurden teilweise von
weiteren Internatsschulen abgeworben.442 Diese Mischung in den Heimschulen des Protektorats war von Anfang an so geplant. In einer Aufzeichnung des Leiters der Gruppe
Unterricht beim Staatssekretär, Heckel, vom 19. Juni 1942 heißt es:443
„Es wurde festgelegt, daß wenigstens zunächst der Kern der Schüler der
Heimschulen aus dem Reich zu stellen ist. Dazu würden deutsche Kinder aus
dem Protektorat und gegenenfalls eindeutschungsfähige tschechische Kinder in
diese Heimschulen aufgenommen werden, die aber später möglichst in das Altreich überführt werden sollen.“
Gleiches galt für die Lehrer: „Bei dem besonderen Lehrermangel im Protektorat müssen
die Lehrer der Heimschulen aus dem Reich mitgeschickt werden. Es wird nur in Einzelfällen möglich sein, Lehrer aus dem Protektorat den Heimschulen noch zuzuweisen.“
Die Kapazität der Prager Heimschule war mit der genannten Belegschaft jedoch keineswegs erschöpft; so wurde schon bei der Eröffnung geplant, dass die Klassen „im Laufe
der nächsten Zeit auf normale Stärke aufgefüllt werden sollten“. Unter anderem sollte
dies durch den Aufbau eines „Erzieherzugs“ als 6. Oberschulklasse realisiert werden,
dessen „Jungmannen“ schließlich dem „Erzieherberuf an Heimschulen zugeführt“ wer438
Siehe Abteilung III an Frank vom 9. September 1943. NA, NSM, 110-4/488, f. 31.
Ibid.
440
Siehe Abteilung III an Frank vom 10. Mai 1943. NA, NSM, 110-4/488, f. 35.
441
Zur Vorgeschichte siehe Doerfel: „Deutsche Heimschule Prag“, S. 296–302.
442
Etwa im Mai 1944 von der Deutschen Heimschule Schloß Iburg in Niedersachsen. Vgl.
Vollbrecht, Gerhard: Die Deutsche Heimschule Schloß Iburg (Oberschule für Jungen) 1942–
1945, Bad Iburg o. J., <home.arcor.de/heimatkunde_iburg/Heimschule.pdf> (letzter Zugriff:
1. 10. 2013), 54 S., hier S. 33. Vgl. auch die Erinnerung eines ehemaligen Schülers: „Wir fuhren
im Oktober 1943 in die Deutsche Heimschule (DH) nach Prag-Smichov, in der auch Schüler
anderer Gymnasien unterschiedlicher Klassen aus dem damaligen Deutschen Reich, Schüler
sudetendeutscher und tschechischer Eltern und später auch ältere Schüler u. a. aus Siebenbürgen
nach der ersten Kriegsdienstausbildung zur Schülerschaft gehörten.“ Frohberg, Günter: Erinnerungen eines Prager Heimschülers der ehemaligen Klasse 42A der Fürstenschule St. Afra in
Meißen, in: Sapere aude. Bote von St. Afra. Augustiner Blätter 43 (1996), S. 815–819, hier S.
816, <verein-der-altafraner.de/Download-document/53-Heft-43-1996.html> (letzter Zugriff:
1. 10. 2013).
443
NA, NSM, 110-4/488, f. 40–41, hier 40a.
439
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den und bereits während des Studiums Unterrichtspraxis erhalten sollten.444 Neben der
gymnasialen erfolgte in der von SS-Hauptsturmführer Rolf Müller geleiteten Heimschule auch dem „Bildungsziel“ entsprechend eine vormilitärische Ausbildung. So gab
es nach Erinnerung von Zeitzeugen etwa jeden zweiten Sonntag Schießübungen auf
dem Übungsplatz in Motol.445
IV. 3. Räume der Kultur
Der Kultur kam in allen besetzten Gebieten eine besondere Bedeutung für die Propaganda ebenso wie für die „Befriedung“ der Bevölkerung zu. So waren etwa nach Engel
die Hauptziele der deutschen Kulturpolitik im besetzten Frankreich:
„Zum einen die kurzfristige Aufrechterhaltung des französischen Kulturlebens zur Sicherung von Ruhe und Ordnung und zum anderen die langfristig angestrebte Verbreitung deutscher Kultur in Frankreich, die Errichtung einer sogenannten deutschen kulturellen Hegemonie.“446
Dies gilt in gleichem Maße für das „Protektorat“, in dem die „Pazifizierung“ des Raumes das oberste Nahziel der Besatzer war.447 Umso überraschender ist es, dass die bisherigen Forschungen zur Kultur in Prag in den Kriegsjahren bisher nicht allzu zahlreich
oder gar systematisch sind.448 So sind wir für die Einordnung des Prager bzw. vor allem
444
Abteilung III an Frank vom 9. September 1943. NA, NSM, 110-4/488, f. 31. Dort auch die
Zitate.
445
Vgl. Doerfel: „Deutsche Heimschule Prag“, S. 307.
446
Engel: Deutsche Kulturpolitik, S. 21. In diesem Rahmen verweist sie v. a. auf die Studie von
Thalmann, Rita: La Mise au pas. Idéologie et stratégie sécuritaire dans la France occupée, Paris
1991. Wagner, Undine: Das Prager Musikleben im Protektorat Böhmen und Mähren (1939–
1945), in: Fejtová/Ledvinka/Pešek (Hrsg.): Evropská velkoměsta, S. 293–315, hier S. 296f.,
formuliert hinsichtlich des zwar autonomen, jedoch durch Zensurmaßnahmen eingeschränkten
tschechischen Kulturlebens für die NS-Kulturpolitik im Protektorat als Ziel die „Kontrolle“
dieses Bereiches sowie „die Tschechen von der tatsächlichen Politik und von massivem politischem Widerstand weitestgehend“ abzulenken. In Polen hatte die Kulturpolitik im Kontext der
„Germanisierung“ eine deutlich aggressivere Stoßrichtung. Siehe z. B. Czocher: The official
cultural life, S. 343: „[…] Cracow was to become a German city and that was to be evident not
only in the outer aspect but also in its culture and history. […] Cultural policy constituted an
integral element of the occupying policy.“ Zu Warschau siehe Szarota: Warschau unter dem
Hakenkreuz, S. 177–188.
447
Siehe dazu Milotová/Kárný: Od Neuratha k Heydrichovi, S. 284.
448
Die relativ wenigen und disparaten Forschungen beschäftigen sich darüber hinaus in der
Regel mit der tschechischen Kultur in den Besatzungsjahren. Siehe etwa Červínka: Česká kultura; Doležel: Česká kultura. Mit der NS-Kulturpolitik in den ersten Jahren des Protektorats be-
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des Prager deutschen Kulturlebens in den größeren Besatzungskontext auf Teilstudien
in diese komplexe Thematik angewiesen. Die bisher fundierteste Studie hat sicher Jitka
Ludvová in ihrem umfangreichen Buch über das deutsche Theaterleben in Prag 1845–
1945 vorgelegt.449 Weniger erforscht ist dagegen bisher das literarische Leben des deutschen bzw. deutsch okkupierten Prags, wenngleich auch hierzu einige Publikationen vor
allem von Peter Becher vorliegen.450 Ähnlich ist es um das Kunstleben bzw. Ausstellungswesen bestellt,451 die „Kinostadt Prag“452 hat ebenfalls bisher nur begrenzte Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Auch die Prager deutsche Kultur und Kulturszene sollte sich durch den Einmarsch der Wehrmacht und die nachfolgende Gleichschaltung grundlegend ändern,
wurde sie doch bekanntlich jahrzehntelang durch Protagonisten aus dem Milieu des
deutsch-jüdischen Prags geprägt. Diese hatten es entweder geschafft, rechtzeitig zu
emigrieren, oder wurden nach der Besatzung vom Kulturleben ausgeschlossen. Da auch
viele „arische“ Kulturschaffende bereits im Herbst 1938 Prag in Richtung Deutsches
schäftigt sich Fauth: Deutsche Kulturpolitik, der sich jedoch vor allem auf die Tätigkeit der
Abteilung IV des Reichsprotektoramtes konzentriert und die eigentliche Kulturarbeit nur in
wenigen Beispielen behandelt. Die Dissertation von Volker Mohn zum Thema der NSKulturpolitik liegt bisher wie erwähnt nicht vor.
449
Ludvová: Až k hořkému konci, für die Kriegsjahre siehe S. 573–591. Die Autorin behandelt
die Thematik dabei in einem breiten zeitlichen wie thematischen Kontext.
450
Becher, Peter: Vermessung eines unbekannten Geländes. Kleine Chronik der deutschsprachigen Literatur Böhmens und Mährens 1938–1945, in: Ehlers/Höhne/Maidl/Nekula (Hrsg.):
Brücken nach Prag, S. 429–467; Becher, Peter/Fiala-Fürst, Ingeborg (Hrsg.): Literatur unter
dem Hakenkreuz. Böhmen und Mähren 1938–1945, Prag 2005, hier besonders der komparativ
angelegte Aufsatz von Fritz, Susanne: Literarisch-kulturelles Leben in Dresden, Reichenberg
und Prag zwischen 1938 und 1945, in: ibid., S. 326–361; Becher, Peter: Die Prager Buchausstellung im Clam-Gallas-Palais vom November 1939 als Beispiel der NS-Literaturpolitik im
Protektorat Böhmen und Mähren, in: Höhne, Steffen/Udolph, Ludger (Hrsg.): Deutsche –
Tschechen – Böhmen. Kulturelle Integration und Desintegration im 20. Jahrhundert, Köln–
Weimar–Wien 2010, S. 287–302.
451
Siehe dazu z. B. Mikulová, Soňa: Jubilejní výstava Metzner-Bundu 1914–1944, in: Documenta Pragensia 20 (2002), S. 191–257, hier besonders S. 209–212; Mohn, Volker: Kulturně
politické zájmy úřadu Rosenberg v Protektorátu Čechy a Moravu na příkladu propagandistické
výstavy Deutsche Größe, in: Marginalia Historica. Časopis pro dějiny vzdělanosti a kultury 2
(2010), S. 41–67. Pech, Milan: Stav výtvarné kultury za Druhé světové války v Praze, in: Fejtová/Ledvinka/Pešek (Hrsg.): Evropská velkoměsta, S. 263–278 und Sekyrka, Tomáš: Pražské
výstavy 1939–1945, in: ibid., S. 279–291, beschäftigen sich mit der tschechischen Kunst bzw.
Kunstszene.
452
Koeltzsch: Geteilte Kulturen, S. 289. Zu den Prager Kinos der Zwischenkriegszeit siehe
ibid., S. 288–308, zur Protektoratszeit siehe Bednařík, Petr: Pražská kina za protektorátu, in:
Fejtová/Ledvinka/Pešek (Hrsg.): Evropská velkoměsta, S. 327–342, der die Thematik auf begrenztem Raum komplex behandelt.
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Reich oder Sudetengau verlassen hatten, lag das deutsche Kulturleben zu Beginn der
Okkupation mehr oder weniger brach.453
Eine nicht unwichtige Rolle spielte dabei auch die Tatsache, dass die deutschen
Kulturinstitutionen und -veranstaltungen in der ersten Tschechoslowakischen Republik
gleichberechtigt vom Staat unterstützt wurden, 454 diese Dotation jedoch in der Zweiten
Republik zum größten Teil wegfiel, weswegen viele Einrichtungen vor der Pleite standen.455 Die Stilllegung und Gleichschaltung auch der deutschen Vereinstätigkeit ermöglichte es den neuen Machthabern schließlich, deren verbliebenes Eigentum zu konfiszieren.456 Ein ähnliches Schicksal ereilte auch die Presselandschaft – Blätter wie die republikanische „Prager Presse“ oder die „Bohemia“ wurden eingestellt, das liberale „Prager
Tagblatt“ erhielt eine neue Leitung und Redaktion und wurde unter dem Titel „Der neue
Tag“ als nunmehr nationalsozialistisches Propagandablatt etabliert.457
Wie Tim Fauth schreibt, hatte die NS-Kulturpolitik in den ersten Jahren des Protektorats die Schwerpunkte Zensur, Durchdringen und wirtschaftliche Aneignung von
Kulturbetrieben sowie Sanktionsmöglichkeiten der deutschen Exekutive (d. h. Gestapo
und SD).458 Prag sollte wieder im „alten Glanz“ der deutschen Kultur vor Errichtung der
Tschechoslowakei „erstrahlen“, zugleich sollte „die alte Reichsstadt“ zu einem Aushängeschild des Dritten Reiches werden. Auf praktischer Ebene bestand die propagandistische Notwendigkeit, ein Gegengewicht zur tschechischen Kulturszene zu schaffen, die
der Protektoratsregierung unterstand. Die „deutsche Kultur“ in Prag wurde also quasi
453
Vgl. Ludvová: Až k hořkému konci, S. 574, 576.
Siehe Ludvová: Německý hudební život, S. 73.
455
Vgl. Ludvová: Až k hořkému konci, S. 576. Siehe auch Wagner: Das Prager Musikleben, S.
312: „Zahlreiche Institutionen und Vereinigungen, die das Prager deutsche Musikleben nach
1918 geprägt hatten, wurden in den Jahren 1938 und 1939 aufgelöst oder mit Einrichtungen
beziehungsweise Organisationen des Deutschen Reiches gleichgeschaltet.“
456
Am 27. Mai 1941 wurden durch einen Erlass des Reichsprotektors alle deutschen Vereine im
Protektorat, die vor 1939 existierten, für aufgelöst erklärt und ihr Eigentum an das Reich überführt. Siehe dazu: Ludvová: Až k hořkému konci, S. 580.
457
Vgl. Brůchová, Tereza/Nekula, Marek: Die bildliche Darstellung der Juden in der Zeitung
DER NEUE TAG (1939–1945), in: Brücken. Germanistisches Jahrbuch Tschechien – Slowakei.
N. F. 9–10 (2001–2002), S. 241–255, hier S. 244f., sowie Ludvová: Až k hořkému konci,
S. 576f. Es ist symptomatisch, dass die vor drei Jahren erschienene Biographie des leitenden
Kulturreferenten dieser Tageszeitung, Heinz Stuckenschmidt, die Protektoratszeit ausklammert:
Grünzweig, Werner/Niklew, Christiane: Hans Heinz Stuckenschmidt. Der Deutsche im Konzertsaal, Hofheim 2010.
458
Fauth: Deutsche Kulturpolitik, S. 11.
454
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als Chefsache wiederbelebt,459 wenn auch in einer deutlich anderen Ausprägung als in
der „jüdisch“ geprägten Vorkriegszeit.460
Primator-Stellvertreter Pfitzner mühte sich nach Kräften, den deutschen Institutionen auf Kosten der tschechischen städtische Zuschüsse zukommen zu lassen.461
Wie schon im Bereich des Schulwesens waren die Behörden allerdings auch auf dem
Gebiet der Kultur mit dem nicht unerheblichen Problem konfrontiert, dass es in Prag zu
wenige deutsche Kulturschaffende und vor allem zu wenig deutsches Publikum gab.
Zwar konnte Letzteres teilweise aus der akademischen Gemeinde und dem Beamtenapparat „requiriert“ werden, jedoch nicht in dem gewünschten Ausmaß, was das Ziel der
Besetzung des öffentlichen Raums auch über die kulturelle Präsenz gefährdete.
Besonders deutlich wurde dies im Falle der Theater bzw. der Oper. Hier wurde
zu den existierenden zwei deutschen Prager Theatern, dem nunmehr zur Oper umfunktionierten Neuen deutschen Theater und der Kleinen Bühne, noch das Ständetheater als
ehemaliges deutsches Theater wieder in deutsche Regie überführt. Dies führte zu der
Situation, dass man nunmehr drei Bühnen sowie dazu noch einige Gastaufführungen im
Deutschen Haus am Graben und in verschiedenen Theatern des Protektorats462 „bespielen“ musste, ohne dafür ausreichend Personal zu haben,463 geschweige denn Publikum.
Ersteres versuchte man außer durch die bereits erwähnte Protektoratszulage
(rückwärtig zum 1. 4. 1942)464 durch verschiedene Gastspiele von Ensembles und Orchestern aus dem Reich,465 die Verpflichtung des tschechischen Symphonieorchesters
459
So sollten die Befugnisse auf diesem Gebiet ausschließlich bei der Abteilung IV des Amtes
des Reichsprotektors liegen. Siehe ibid., S. 23.
460
Vgl. ibid., S. 59–63.
461
Vgl. Brandes/Míšková: Vom Osteuropa-Lehrstuhl, S. 307. Siehe dazu auch die Tätigkeitsberichte von Pfitzner in Šustek: Josef Pfitzner II.
462
Vgl. die Tätigkeitsberichte der Deutschen Theater Prag. NA, ÚŘP, k. 1138, ohne Paginierung.
463
In der Saison 1943/44 z. B. gab es in Prag insgesamt 258 deutsche Schauspieler, 20 Schauspielerinnen, 8 Opernsängerinnen, 6 Sänger, 8 Tänzer und 26 Tänzerinnen, daneben ein Theaterorchester mit 52 Spielern. Vgl. Ludvová: Až k hořkému konci, S. 589f. Ein Problem für die
ergab sich für die nationalsozialistischen Besatzer dadurch verursacht, dass in Prag auch im
Theaterbereich sowie in den entsprechenden Fördervereinen, wie etwa dem Deutschen Theatreverein, traditionell viele Juden tätig gewesen waren. Ibid., S. 575.
464
Siehe Generalintendanz der Deutschen Theater in Prag an den Reichsprotektor, 10. August
1942. NA, ÚŘP, k. 1138, IV T-5411 Deutsche Theater Prag, ohne Paginierung.
465
Im „Gaukulturmonat“ Mai 1940 gastierten z. B. die Berliner Philharmoniker, die Exl-Bühne,
das Wiener Burgtheater, das Theater in der Josefstadt, das Schillertheater, das Deutsche Theater
Berlin und das Deutsche Opernhaus Berlin im Neuen deutschen Theater. Vgl. Tätigkeitsbericht
der Deutschen Theater Prag Mai 1940 (Abschrift). NA, ÚŘP, k. 1138, ohne Paginierung. Ein
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bzw. die Übertragung der Opernbelegschaft aus dem ausgebombten Duisburg nach Prag
im Jahre 1943 zu lösen.466 Das Publikum-Problem wurde schließlich so gelöst, dass die
Sitzkapazitäten in den Theatern um etwa ein Drittel verringert und die Zahl der Aufführungen auf zwei bis drei pro Woche reduziert wurden.467
Teilweise wurde jedoch auch versucht, das Problem „per Befehl“ in den Griff zu
bekommen: So wurde das Sudetendeutsche Philharmonische Orchester (seit Sommer
1940 „Deutsches Philharmonisches Orchester Prag“) in das in der Ersten Tschechoslowakischen Republik noch als Parlament genutzte Konzerthaus Rudolfinum verlegt und
per Rundschreiben des Reichsprotektors von Neurath vom 3. Oktober 1939 seine Aufführungen zur Pflichtveranstaltung für alle Volksgenossen erklärt.468 Der „totale Krieg“
seit dem 20. Juli 1944 und die Berufung weiterer Jahrgänge in die Wehrmacht brachte
das Prager deutsche Theater- und Musikleben seit dem Herbst 1944 dann jedoch praktisch zum Stillstand, im Gegensatz zu dem weiterhin lebhaften tschechischen Kulturleben (u. a. auf ca. 20 Bühnen).
Etwas anderes stellte sich die Situation der Lichtspieltheater dar, da es hier zu
keiner solch strikten Trennung bzw. dem unverhältnismäßigen Ausbau rein deutschsprachiger Einrichtungen kam. Prag war bereits in der Zwischenkriegszeit das Zentrum
der böhmischen Filmproduktion und eine Kinohochburg gewesen, und das, wie
Koeltzsch vermutet, auch im europaweiten Vergleich.469 Im Protektorat wurde die Kapazität dieses auch ökonomisch lukrativen Kultursektors noch ausgebaut: Gab es im
Jahr 1939 in Prag insgesamt bereits 108 Kinos (mit zusammen knapp 60.000 Sitzen),
von denen 89 jeden Tag spielten und 17 sog. Premierenkinos waren, so kamen bis 1942
Jahr später kam es gar zu einem Gastspiel der Mailänder Scala, das nach geplanten zwei Abenden „ob des aussergewöhnlichen Erfolgs“ noch um einen dritten Abend und eine Veranstaltung
für die Soldaten der Wehrmacht verlängert wurde. Tätigkeitsbericht der Deutschen Theater in
Prag /Reichstheater/ für Mai 1941 (Abschrift). NA, ÚŘP, k. 1138, ohne Paginierung.
466
Ludvová: Až k hořkému konci, S. 589f.
467
Ibid., S. 583, 585.
468
Vgl. Fauth: Deutsche Kulturpolitik, S. 577. Weitere deutsche Konzerträume befanden sich an
anderen Orten der Stadt, etwa im Waldstein-Palais.
469
Vgl. Koeltzsch: Geteilte Kulturen, S. 291. So könne davon ausgegangen werden, „dass Prag
im Vergleich mit den übrigen europäischen Hauptstädten eine relativ hohe Kinodichte aufwies.
Vermutlich verfügte die tschechoslowakische Hauptstadt mit 87 Sitzplätzen pro 1 000 Einwohnern sogar über eine höhere Dichte als die Kinometropolen Paris und Berlin, für die Jason 54
respektive 43 Sitzplätze errechnet hatte. Auch Wien und Warschau konnten mit 36 beziehungsweise knapp 20 Sitzplätzen pro 1 000 Einwohnern nicht annähernd eine mit Prag vergleichbare
Dichte erreichen.“ Ibid., S. 291f.
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noch drei weitere hinzu (Oko in Holešovice, Arbes in Smíchov und Atlas auf Florenc),
von denen mindestens eins (Oko) jedoch bereits vor der Okkupation projektiert war.470
Viele der größeren Prager Kinos, vor allem die Premierenkinos, waren im Besitz
jüdischer Unternehmer471 und kamen nach der Verordnung des Reichsprotektors über
das jüdische Eigentum vom Juni 1939472 in die Hände von Treuhändern. Zwar waren
unter diesen auch einige mit dem Filmgeschäft vertraute Tschechen; die wichtigsten
Premierenkinos sollten jedoch nach dem Plan des Chefs des Filmreferats beim Amt des
Reichsprotektors, Glessgen, unter deutsche Kontrolle kommen. Im August 1940 übernahm so schließlich die Ufa-Film die Kinos Aleš, Na Příkopě und Koruna.473 Weitere
Kinos, wie etwa das Kino „Praha“, wurden parteitreuen Privatleuten übertragen.474
Ein repräsentatives deutsches Kino wurde jedoch zunächst nicht aufgebaut: Das
einzige deutschsprachige Kino Prags der Zwischenkriegszeit, das Urania in der Klimentská Straße,475 wurde nach Angaben der Gruppe Kulturpolitische Angelegenheiten
vom Januar 1940 bereits im November 1939 zwar zusammen mit der gesamten „Urania“ und deren Haus vom „Volksbildungswerk“ der Deutschen Arbeitsfront übernommen. Diese nunmehr „Deutschen Lichtspiele“ sollten aber zunächst „der Öffentlichkeit
gegenüber nicht als das repräsentative deutsche Kino Prags aufgezogen“ werden.476
Dazu wurde vielmehr schon 1942 das Kino „Viktoria“ Am Graben (Na Příkopě) be470
Siehe Bednařík: Pražská kina, S. 327 u. 335.
So waren etwa die Kinos Hvězda und Alfa auf dem Wenzelsplatz und das Kino Adria auf
dem Jungmannplatz in der Hand des Unternehmers Osvald Kosek, das Kino Broadway/Na příkopě gehörte dem Unternehmer Leon Berger, das Kino Apollo bzw. später Amerika (noch
später Jalta) auf dem Wenzelsplatz Otto Sonnenfeld. Vgl. Bednařík: Pražská kina, S. 327f. und
331. Der Anteil der jüdischen Unternehmer an der tschechischen Filmindustrie insgesamt lässt
sich auch am Umfang ihrer „Arisierung“ ablesen. Vgl. dazu ausführlich Bednařík: Arizace.
Ansonsten gehörten noch im Jahre 1937 ca. 45 % aller Kinos in der ehemaligen Tschechoslowakei dem Sokol. Ibid., S. 73f.
472
Siehe dazu Milotová, Jaroslava: Zur Geschichte der Verordnung Konstantin von Neuraths
über das jüdische Vermögen, in: Theresienstädter Studien und Dokumente 9 (2002), S. 75–115.
473
Vgl. zu den Überlegungen und dem Ergebnis der Arisierungen Bednařík: Pražská kina, S.
330–334. Zu den deutschen „Arisierern“ siehe Bednařík: Arizace, S. 79–95.
474
Das Kino „Praha“ sollte ursprünglich einem nicht näher genannten SS-Mann zu dessen
„Versorgung“ zugeschanzt werden; da sich die Übergabe jedoch zu lange hinauszögerte und
jener in der Zwischenzeit „anderweitig untergebracht“ worden war, wurde der Betrieb
schließlich, wie der Leiter des Filmreferats Glessgen Frank mitteilt, an den von der „Partei
befürworteten und vorgeschlagenen Pg. Ernst Tinschmann“ übergeben, „um uns jede Blamage
zu ersparen“. Glessgen an Frank, 29. März 1940. NA, ÚŘP-ST, 109-4/118, f. 39–40.
475
Zu diesem Kino in der Zwischenkriegszeit siehe Koeltzsch: Geteilte Kulturen, S. 298–300.
476
Gregory an Gies, 8. Januar 1940 (Unterstreichung im Original). NA, ÚŘP-ST, 109-2/105, f.
22.
471
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stimmt, da die „Deutschen Lichtspiele“ „für die deutsche Bevölkerung in keiner Form
ausreichen“477. Die tatsächliche Umsetzung dieses Vorhabens zog sich jedoch noch bis
zum Sommer 1943 hin. Per Verfügung des Reichsprotektors mit Wirksamkeit zum 4.
Juni 1943 wurde mit der Begründung, dass es in Prag bisher an einem „deutschen repräsentativen Filmtheater“ fehle, das Ufa-Theater „Viktoria“ schließlich „aus der Reihe der
Premieren-Theater herausgenommen und zum Uraufführungs-Theater erhoben“.478 Das
Kino solle fortan „ausschliesslich deutsche Filme vorführen, und zwar zum Unterschied
von den übrigen Filmtheatern in Prag ohne tschechische Untertitel“. Eine Zutrittsbeschränkung für die tschechische Bevölkerung solle es zwar nicht geben, es werde allerdings mit dem Ausbleiben eines Teils des Publikums gerechnet; zugleich könne das
tschechische Personal „mangels deutscher Kräfte vorläufig nicht abgelöst werden“. Die
Spieldauer der Filme sollte zunächst nur 1–2 Wochen betragen, bevor diese dann in
einem Prager Premierenkino mit tschechischen Untertitel weitergespielt würden. Hier
deutet sich – ähnlich wie im Falle der Theater – bereits an, was nur drei Wochen später
angemahnt wurde: So habe sich durch den Wegfall der tschechischen Untertitel bei zugleich mangelnder Propagierung dieses Filmtheaters unter der deutschen Bevölkerung
das Publikum so stark verringert, „dass eine Beibehaltung der Neuregelung ernstlich in
Frage gestellt“ sei.479
Insgesamt handelte es sich jedoch bei den Prager Kinos auch in den Jahren des
Protektorats um erfolgreiche und finanziell sehr einträgliche Kulturbetriebe.480 Wie Petr
Bednařík ermittelt hat, stieg die Besucherzahl in den Prager Kinos während der Protektoratszeit markant an: von knapp 19,3 Mio. 1940 auf 32,4 Mio 1944, wobei der Anteil
der in den Kinos gezeigten deutschen Filme auf 69 % im Jahre 1943 stieg (von 14 %
1938).481 Diese Zahlen weisen darauf hin, dass mindestens ein Teil der deutschen Filme
auch vom tschechischen Publikum konsumiert wurde. Einige der deutschen Propagan-
477
Vermerk vom 5. Januar 1942. NA, ÚŘP-ST, 109-4/1492, f. 23.
Siehe hierzu und zum Folgenden: Umgestaltung des Viktoria-Filmtheaters in Prag, Am Graben, 9. Juni 1943. NA, ÚŘP-ST, 109-4/1492, f. 18f. (Unterstreichungen im Original). Am 8.
Dezember 1943 um 11.30 Uhr hatte so etwa der sicher publikumswirksame „bergmännische
Kulturfilm“ „Unsere Bergknappen“ im Kino Viktoria Premiere. NA, NSM, 110-12/27, f. 34.
479
Der „Besuch des Viktoria-Kinos durch Deutsche, besonders auch zu den Nachmittagsvorstellungen,“ müsse daher „mit allen Mitteln gefördert“ werden. Vgl. Umgestaltung des ViktoriaFilmtheaters in Prag, Am Graben, 30. Juni 1943. NA, ÚŘP-ST, 109-4/1492, f. 17f.
480
Bednařík: Pražská kina, S. 342.
481
Ibid., S. 336.
478
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dafilme, wie etwa Veit Harlans Kassenschlager „Die goldene Stadt“482 oder Fritz Hipplers „Der ewige Jude“, wurden jedoch ausschließlich für ein deutsches Publikum, teils
gar nur für Mitglieder von NSDAP und Wehrmacht, aufgeführt.483
Neben diesen und anderen ständigen Einrichtungen versuchten die Besatzer über
verschiedene zeitbefristete Aktionen die Präsenz der deutschen Kultur in der tschechischen Stadt zu erhöhen. Dazu gehörten etwa der „Monat der deutschen Kultur“ im Mai
1940, die „Woche des deutschen Buches“ im Herbst desselben Jahres oder die Prager
Musikwochen Mitte Mai bis Mitte Juni 1942. Letztere wurden durch Reinhard Heydrich
persönlich eröffnet, der mit dieser Initiative die Prager deutschen Theater wiederzubeleben versuchte. Die Aktion erwies sich jedoch nicht zuletzt in Folge des Attentats Ende
Mai als Fehlschlag – mangelte es schon in den ersten Wochen an Publikum, so blieben
die Säle nach dem 27. Mai erst recht leer.484
In dem Bestreben, „die breiteren Schichten der Prager deutschen Bevölkerung
mit bester deutscher Kunst bekanntzumachen“, betätigte sich auch Primator-Stellvertreter Pfitzner aktiv auf dem Feld der Kulturpolitik.485 So veranstaltete das Kulturamt
Prag beispielsweise am 3. Mai 1941 einen deutschen „Dichterabend“, an dem die sudetendeutschen Literaten Wilhelm Pleyer, Karl Hans Strobl und Hans Watzlik aus ihren
Werken lasen.486 In die gleiche Richtung ging die Verleihung der Kulturpreise der Stadt
Prag, wo Pfitzner zunächst durchsetzte, dass vier der acht Preise an Deutsche zu gehen
hatten – trotz des offenkundigen, von tschechischer Seite zurecht kritisierten Dispropor-
482
Nach Mareš, Petr: „Die goldene Stadt“ von Veit Harlan. „Schlechtes Blut“, Deutsche und
Tschechen, in: Edelmayer/Grandner/Pešek/Rathkolb (Hrsg.): Über die österreichische Geschichte hinaus. Festschrift für Gernot Heiss zum 70. Geburtstag, Münster 2012, S. 179–190,
hier S. 179, besuchten insgesamt 31 Millionen Zuschauer (ohne Vorstellungen für Wehrmacht
und NSDAP) den Film. Siehe auch: Klimeš, Ivan: Veit Harlan: Zlaté město, in: Dějiny a
současnost 25/5 (2003), S. 21–23, und Demetz, Peter: Veit Harlans Die Goldene Stadt (1942).
Ein Kapitel deutscher Filmgeschichte, in: Stifter Jahrbuch N. F. 23 (2009), S. 95–108.
483
Bednařík: Pražská kina, S. 336 und 341.
484
Vgl. Ludvová: Až k hořkému konci, S. 587.
485
Vgl. Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Josef Pfitzner für die Zeit vom
1.4. bis 31.5.1941, 3. Juni 1941, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 107–120, hier Abs. 15, S. 113.
486
Siehe Pfitzner an Frank vom 30. April 1941, in: Míšková/Šustek: Josef Pfitzner I, Dok. 42, S.
457f. Hans Watzlik war zu diesem Zeitpunkt als Träger u. a. des tschechoslowakischen Staatspreises für deutsche Literatur von 1931 und des Joseph-Freiherr-von-Eichendorff-Preis von
1939 bereits hoch dekoriert. Zu ihm siehe Koschmal, Walter/Maidl, Václav: Hans Watzlik – ein
Nazidichter?, Wuppertal 2006; Maidl, Václav: Hans Watzlik – ein sudetendeutscher Schriftsteller, dem der Tschechoslowakische Staatspreis verliehen wurde, in: Stifter Jahrbuch. N. F. 10
(1996,) S. 80–90.
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zes.487 Schließlich einigte man sich auf je einen höher dotierten deutschen und tschechischen Preis; Ersterer wurde als Peter Parler-Preis erstmals im Juni 1943 verliehen, und
zwar an den bereits genannten sudetendeutschen Schriftsteller Karl Hans Strobl.488
Im Zusammenhang mit Pfitzners unablässlichen Bemühungen, Prag als
„Reichsstadt“ in ein Netz deutscher Städte einzuflechten, sind wiederum Veranstaltungen wie der Festabend im Deutschen Haus unter der Losung „Dresden grüßt Prag“ von
Ende April 1941 zu sehen, an dem „zehn erstklassige Dresdner Künstler“ für die
„künstlerische Höhe der Veranstaltung“ bürgten. Hier war das eigentliche Ziel, neben
der Präsentation (groß)deutscher Kultur, die Vertiefung der Beziehungen zwischen
Dresden und Prag.489
Abb. 9: Ehemaliger Myslbek-Pavillon am Graben (Na příkopě), Vorverkauf für die deutschen
Theater in Prag, Aufnahmedatum: 4. 10. 1943. Quelle: ČTK, F201008300105901
487
Siehe Pfitzner an Frank vom 29. April 1940, in: Míšková/Šustek: Josef Pfitzner I, Dok. 29, S.
371–373; Tätigkeitsbericht des Primator-Stellvertreters Prof. Dr. Josef Pfitzner für die Zeit vom
30.10. bis 5.12.1940, 3. Dezember 1940, in: Šustek: Josef Pfitzner II, S. 93–99, hier Abs. 10, S.
97.
488
Vgl. Brandes/Míšková: Vom Osteuropa-Lehrstuhl, S. 309 (dort irrtümlich Karl Heinz
Strobl).
489
Siehe Pfitzner an Frank vom 18. April 1941, in: Míšková/ Šustek: Pfitzner I, Dok. 41, S. 456.
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V.
Krieg in der Stadt: Das Ende des „deutschen Prags“
Prag blieb von Kriegshandlungen weitgehend verschont; die wichtigsten Ausnahmen
bildeten die Bombenangriffe vom 15. November 1944, 14. Februar und 25. März 1945
sowie der am 5. Mai 1945 losbrechende Prager Aufstand, in dessen Rahmen es zu heftigen Kämpfen kam, insbesondere aufgrund des brutalen Vorgehens der SS. Doch der
Krieg war natürlich bereits in den Jahren zuvor mehr oder weniger auch in der Moldaumetropole präsent, etwa durch kriegsbedingte Erscheinungen wie Rationierungen, Verdunkelungsmaßnahmen, Materialsammlungen, Arbeitsverpflichtungen etc. Diese Maßnahmen betrafen auch die deutsche Bevölkerung der Stadt, wenngleich nicht so sehr wie
– etwa im Fall der Lebensmittelrationierung – die tschechische oder gar die jüdische
Bevölkerung.
Sichtbar war der Krieg in der Stadt vor allem durch die große Anzahl vor Ort
stationierter unifomierter Truppen,490 deren Beschlagnahmung von Gebäuden491, rituelle
Zeremonien (vor allem der SS, siehe Abb. 10 u. 11) auf den zentralen Plätzen der Stadt
und gegen Kriegsende immer mehr auch durch die Einrichtung von Lazaretten und die
Unterbringung von Verletzten. Trotz der sich außerhalb wie innerhalb des Protektorats
zuspitzenden Situation gibt es jedoch genügend Anzeichen dafür, dass die Besatzungsbehörden und auch andere zentrale deutsche Institutionen bis zum Schluss, d. h. bis zum
Beginn des Prager Aufstands, ihren Betrieb weitgehend normal aufrechterhielten.492
490
Vgl. Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht.
So wurden etwa über 90 (von 170) Schulgebäude wurden für Kriegszwecke konfisziert: „Ze
škol udělali továrny, kasárny, vojenské lazarety, skladiště a jiné válečné podíky“. Jaroš, Václav:
Jak se Praha připravuje na nový školní rok, in: Věstník hl.m. Prahy, 28. 8. 1945, S. 213f., hier S.
213.
492
Etwa an der Universität, wo der Lehr- und Prüfungsbetrieb bis zum 5. Mai ungestört verlief.
Siehe auch Mišková: Die Deutsche (Karls-) Universität, S. 232–234.
491
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Abb. 10: Tag der SS auf dem Altstädter Ring in Prag anlässlich des Jahrestages der „Machtergreifung“, Aufnahmedatum: 30. 1. 1940. Quelle: ČTK, FO01281777
Abb. 11: Vereidigung des SS-Artillerie-Ausbildungs- und Ersatzregiments auf dem Altstädter
Ring, Aufnahmedatum: 29. 7. 1943. Quelle: ČTK, F200806200100401
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V. 1. Volkssturm
Ein Thema, das von der deutschen Forschung bisher offenbar vor allem aufgrund der
Quellenlage weitgehend ausgeklammert wurde, ist der Volkssturm.493 Auch in den
erwähnten städtgeschichtlichen Arbeiten etwa zu Hamburg oder Berlin spielt dieses
„letzte Aufgebot“, das mindestens 800.000 Männer umfasste und in dessen Rahmen
Zehntausende in den letzten Kriegswochen ums Leben kamen,494 keine Rolle.495 Das
gilt ebenso für die bisherigen Forschungen zum Protektorat.496
Dabei war dieses geistige Kind Martin Bormanns, das nicht von ungefähr organisatorisch-politisch der NSDAP und militärisch dem Befehlshaber des Ersatzheeres,
Reichsführer SS Heinrich Himmler, – und nicht etwa der Wehrmacht – unterstand, eine
493
Selbst in der umfassenden Reihe Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg finden wir
dazu nur eine kurze Passage in: Nolzen, Armin: Die NSDAP, Der Krieg und die deutsche Gesellschaft, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg 9/1, S. 99–193, hier das Unterkapitel „Heimatflak, Stellungsbau und ‚Volkssturm‘“, S. 176–187, zum Volkssturm vgl. S. 183ff.
An dieser Stelle sei daher für die deutsche Forschung auf zwei ältere Studien verwiesen:
Mammach, Klaus: Der Volkssturm. Das letzte Aufgebot 1944/45, Köln 1981; Seidler, Franz
W.: „Deutscher Volkssturm“. Das letzte Aufgebot 1944/45, München u. a. 1989. Auf breiter
Quellengrundlage vgl. zum Thema von der internationalen Forschung jedoch die Arbeit von
Yelton, David K.: Hitler’s Volkssturm. The Nazi Militia and the fall of Germany, 1944–1945,
Lawrence/Kan 2002, die mir leider nicht zur Verfügung stand, zu der jedoch zahlreiche Rezensionen erschienen sind. Viele Ergebnisse sind zudem offensichtlich vorweggenommen in: ders.:
„Ein Volk Steht Auf“: The German Volkssturm and Nazi Strategy, 1944–45, in: The Journal of
Military History 64/4 (2000), S. 1061–1083.
494
Vgl. Rieß, Volker: Volkssturm, in: EdNS, S. 788: „Häufig nur auf dem Papier gut organisiert, dazu schlecht ausgebildet, ausgerüstet und geführt, kam der V. insbesondere im Osten des
Reiches zum Kampfeinsatz. Er erlitt dabei hohe Verluste. Die genaue Opferzahl ist unbekannt;
von 175000 als vermißt geltenden V.-Angehörigen dürfte die Mehrzahl gefallen sein.“ Nolzen:
Die NSDAP, S. 187, nennt hingegen „nur“ 31.000 vermisste oder gefallene Volkssturmmänner,
wobei er sich auf Yelton: Hitler’s Volkssturm stützt. Letzterer geht von einem Einsatz von bis
zu 650.000 Volkssturmmännern im Osten und 150.000 im Westen aus – diese Zahlen dürften
sich jedoch nur auf das „Altreich“ beziehen. Vgl. Dülffer, Jost: Rezension zu: Yelton: Hitler’s
Volkssturm, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 62 (2003), S. 607–608, hier S. 607. Nolzen,
a.a.O., S. 185, wiederum spricht von der (zumindest potenziellen) Mobilisierung von „13,5 Millionen Männer[n] an der Heimatfront“, was die realen Zahlen allerdings weit übertreffen dürfte.
Vgl. auch Arden Buchholz’s Rezension zu Yeltons Buch in Central European History 38/1
(2005), S. 173 f., der von „nicht mehr als einer Million, sogar auf dem Papier“ spricht und die
Schätzungen des Autors hinsichtlich einer Sterblichkeitsrate von bis zu 75 % widergibt. Entweder lassen Yeltons Ergebnisse also reichlich Raum für Interpretation oder Armin Nolzen zitiert
das Buch nur pro forma.
495
Siehe aber die ältere Arbeit von Siebenborn, Kerstin: Der Volkssturm im Süden Hamburgs
1944/45, Hamburg 1988.
496
Brandes: Die Tschechen II, S. 17, geht irrtümlicherweise davon aus, dass es im Protektorat
keinen Volkssturm gegeben habe. Für den Volkssturm im Sudetengau, wo nach offiziellen Angaben rund 300.000 Personen erfasst wurden, vgl. die kurzen Passagen bei Zimmermann: Die
Sudetendeutschen, v. a. S. 360 (dort auch die Angabe), 368, 373.
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letzte vor allem ideologische Maßnahme zur Mobilisierung und Festigung der „Volksgemeinschaft“ im nationalsozialistischen Sinne.497 Im September 1944 konzipiert und
offiziell verkündet,498 sollten Volkssturmeinheiten die Wehrmacht bei der Verteidigung
der deutschen Städte und befestigten Zone unterstützen. Bei der Zusammensetzung
dieser Einheiten, in denen theoretisch alle gesunden Männer zwischen 16 und 60 dienen
sollten, war nach dem Willen Bormanns darauf zu achten, dass sie die soziale Zusammensetzung der „Volksgemeinschaft“ akkurat widerspiegelten; entscheidend sei der
Wohnort, nicht die gesellschaftliche Position oder die Mitgliedschaft in parteinahen
Verbänden,499 was in der Realität jedoch offenbar bisweilen schwer umsetzbar war.500
Eine wichtige propagandistische und motivatorische Rolle bei der Formierung dieser
„Notgemeinschaft“ spielten auch hier wieder öffentliche Massenveranstaltungen und
gruppendynamische Aktivitäten wie das kollektive Singen.501
497
Yelton: „Ein Volk“, S. 1075, definiert zwei Ziele, die Bormann verfolgt habe: „First, he
wanted to convince Germans oft he National socialist view oft he war, i. e., defeat meant not
just territorial losses or an end to Nazi rule, but the complete annihilation of the German people
and their culture. Secondly, he wanted every German man to recognize the benefits and power
inherent in the Volk community (Volksgemeinschaft) so that they would do their utmost to defeat the invaders and preserve this racial community.“
498
Vgl. dazu Yelton: „Ein Volk“, S. 1066 f.
499
„To complement the realization that it was the Volk community, not just the German
government or the Nazi party, which the Allies threatened to destroy, Bormann and his associates made every effort to ensure that all members of the Volkssturm understood, experienced,
and appreciated the benefits provided by this supposedly harmonious racial community as their
other main indoctrinational thrust. To achieve this, Bormann sought not only to rely on propaganda to explain the benefits of the Volk, but also to structure the Volkssturm so that each of its
units formed a microcosm of the larger Volksgemeinschaft. If Volkssturm units were to become,
as Bormann intended, these shining examples of the pure German Volk community’s positive
characteristics, each unit had to include all segments of the Volk, regardless of status, rank,
class, age, occupation, or party affiliation. Most basically this necessitated that the force be national, not regional, and that all civilian ethnic, as well as native, German males serve in the
Volkssturm unless they were obviously disabled. […] Even criminals who met racial criteria
and whom the authorities deemed sufficiently reformed could join as well. […] As in the Wehrmacht, men with two Jewish grandparents (Mischlinge 1. Klasse) could not serve, but those with
one Jewish grandparent (Mischlinge 2. Klasse) could, although not as leaders. […] To ensure
further that Volkssturm units accurately reflected the social somposition of the Volksgemeinschaft, Bormann required that every formation be organized based strictly upon its members’
place of residence, rather than their occupation, employer, membership in party affiliated organizations (such as the SA), or other criteria.“ Ibid., S. 1077 f.
500
Josef Pfitzner berichtet in seinem Tagebucheintrag vom 7. 12. 1944 , dass Minister Bertsch
darauf verwiesen habe, „dass in Berlin die, die sich in den Schlüsselstellungen des öffentlichen
Lebens befinden, in einer besonderen Kompagnie zusammengefasst seien […].“ Dies sei auch
im Protektorat begrüßenswert. Míšková/Šustek: Josef Pfitzner I, S. 215.
501
Yelton: „Ein Volk“, S. 1079.
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Symbolträchtig fand die kollektive Vereidigung des Volkssturms im Großdeutschen Reich daher am 9. bzw. 12. November 1944 statt.502 Hinsichtlich des Protektorats
hingegen wurde zu diesem Zeitpunkt noch darüber verhandelt, ob ein Volkssturm aufgestellt werden würde und falls ja, wem dieser dann untersteht – dem deutschen Staatsminister K. H. Frank oder den NSDAP-Gauleitern bzw. dem Gauleiter des Sudetengaus,
Konrad Henlein. Ähnlich wie in der obersten Führungsebene des NS-Staates wurde also
auch in Böhmen und Mähren der Volkssturm zu einem letzten Spielball machtpolitischer Interessen.503 Frank versuchte seinen Einfluss durch die verstärkte Aufstellung
bereits im April 1943 ins Leben gerufener,504 von der SA ausgebildeter so genannter
Alarmverbände, die in ihrer Anlage im Grunde bereits eine Art Volkssturm des Protektorats darstellten,505 der Entwicklung zuvorzukommen und seine Position zu stärken. Im
Oktober und November 1944 drängt er in verschiedenen Schreiben an Martin Bormann
auf eine Entscheidung zu seinen Gunsten:
„Zur Zeit bestehen im Protektorat zwei Schutzverbände – und zwar die sogenannten Alarmverbände, die in Aufbau und Aufgabenstellung der Stadt- und
Landwacht ähneln, und die sogenannten SS-Bereitschaften, die seit längerer Zeit
als Hilfsorgane der Sicherheitspolizei bei der militanten Bekämpfung von
Reichsfeinden eingesetzt werden und eine entsprechende Ausbildung erfahren
haben. Die Alarmverbände haben derzeit eine Stärke von rund 8.200 Mann, die
SS-Bereitschaften von rund 900 Mann. […]
502
Nolzen: Die NSDAP, S. 185.
Vgl. Yelton: „Ein Volk“, S. 1082.
504
Erlass des Höheren SS- und Polizeiführers für Böhmen und Mähren vom 11. 4. 1943, BdO.
Ia 52 30 Nr. 155/43 (g), über die Erfassung und Heranziehung für die Alarmverbände (Stadt und
Land). Vgl. NA, NSM, 110-3-56, f. 154.
505
Vgl. die Frank’sche Wiedergabe seiner in Absprache mit der NSDAP-Parteiverbindungsstelle und der Obersten SA-Führung getroffenen Anordnung vom 10. 10. 1944 in einem geheimen Blitz-Fernschreiben an Martin Bormann vom 20. Oktober 1944: „1. An jedem 2. Sonntag
im Monat steht der Vormittag ausschliesslich für die Ausbildung der Alarmverbände zur Verfügung. […] 2. An dem Ausbildungsdienst haben alle waffenfähigen deutschen Männer vom 18.
bis 65. Lebensjahr teilzunehmen. […] 5. Zweck und Ziel der Ausbildung ist die volle Verwendungsbereitschaft der Führer, Unterführer und Männer für den Einsatz und die Bildung festgefügter Einheiten, deren Führer und Männer sich kennen. […] 6. Die SA übernimmt die
Ausbildung der Alarmverbände im Protektorat in allen Orten, in denen ihr hierfür geeignete
Führungskräfte zur Verfügung stehen. ausgenommen bleiben die SS-Bereitschaften, deren
Ausbildung weiterhin dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD bezw. den von ihm
beauftragten Stellen obliegt […] 9. Unentschuldigtes Fernbleiben vom Ausbildungsdienst ist
gemäss der ‚Vorläufigen Dienststrafordnung für Polizeitruppen vom 18.4.1940‘ zu bestrafen.
[…]“. NA, NSM, 110-3/56, f. 152–155, hier 153. Vgl. auch einen die Alarmverbände betreffenden Aktenvermerk OLR von Watters vom 5. Dezember 1944. Ibid., f. 43.
503
151
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Zur Zeit werden die Alarmverbände auf Grund meines Erlasses vom 10.10.
d. Js. auf der Grundlage der für den Volkssturm geltenden Bestimmungen wesentlich verstärkt und ihre Ausbildung intensiviert. Am 15.11.d.Js. wird die Aufstellung von 22 Bataillonen beendet sein. Alsdann wäre es ohne weiteres möglich, die eine und die andere Organisation unter der Sammelbezeichnung
„Volkssturm“ zu vereinigen. Ich würde aber Wert darauf legen, daß auch in diesem Fall die bestehenden Organisationen als solche erhalten bleiben und weiterhin den Aufgaben dienen, die im Protektorat vordringlich erscheinen.
Im Gegensatz zum übrigen Reichsgebiet steht hier die Überwachung und erforderlichenfalls Bekämpfung eines geschlossen siedelnden Fremdvolkes von
7,2 Millionen mit überwiegend reichsfeindlicher Einstellung im Vordergrund
des Reichsinteresses. Für absehbare Zeit ist damit zu rechnen, daß eine Gefährdung der Sicherheit der Länder Böhmen und Mähren weniger von aussen als von
dem inneren Feind droht […]. Da die Bekämpfung des inneren Feindes nur einheitlich von einer Stelle aus erfolgen kann, würde ich eine Aufteilung der
Schutzverbände bezw. des künftigen Volkssturmes nach Gauen der NSDAP
nicht für zweckentsprechend halten. Vom Standpunkt der inneren Sicherheit
kann eben das Protektorat nur als Einheit gesehen und behandelt werden.“506
In diesem Sinne, so Frank, sollten die Alarmverbände weiter ausgebaut werden. Zum
Zwecke der „politischen Aktivierung“ der eingezogenen Männer könne vonseiten der
Partei der ständige Vertreter des Leiters der Parteiverbindungsstelle, Walter, „als Stabsführer hinsichtlich derjenigen Aufgaben, die nicht dem Reichsführer-SS als Befehlshaber des Ersatzheeres übertragen sind“, zu ihm treten. Daneben würden dem beim
Reichsminister zu bildenden Stab außer einem für die militärische Organisation, Ausbildung, Bewaffnung uns Ausrüstung zuständigen SA-Führer auch noch einige Sachbearbeiter („bewährte Parteigenossen“) angehören.507
Sah es zunächst so aus, als würde Frank sich durchsetzen,508 so hieß es in der am
20. November 1944 eingegangenen fernschriftlichen Übermittlung der „Anordnung des
Reichsleiters über den Aufbau und die Führung des Deutschen Volkssturms im Protek506
Frank an Bormann vom 28. Oktober 1944. NA, NSM, 110-3/56, f. 135–137, hier 135f.
Ibid., f. 137.
508
Vgl. geheimes Fernschreiben des Chefs des SS-Hauptamtes Berger an Frank vom 5. 11.
1944: „Auf die Beschwerde der Partei-Kanzlei ueber die Aufstellung des Deutschen Volkssturms hat der RF-SS ueber das Verbleiben der Alarmeinheit im Protektorat Boehmen und
Maehren […] wie folgt verfuegt: 1. Die Aufstellung des Deutschen Volkssturms, in welchem
die Alarmeinheiten mit einzubauen sind, geschieht durch den Kreisleiter, aber so, dass die
Schlagkraft und sofortige Einsatzbereitschaft der Alarmeinheiten nicht gestoert wird. – 2. Fuehrungs- und einsatzmaessig unterstehen diese Volkssturm-Einheiten dem SS-Ogruf. u. Staatsminister […] Frank.“ Ibid., f. 128.
507
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torat Böhmen und Mähren“: „Im Einvernehmen mit dem Reichsführer-SS ordne ich an:
1.) Aufbau und Führung des deutschen Volkssturms im Protektorat Böhmen und Mähren erfolgt durch die zuständigen Gauleiter […].“509 Allerdings sollten die Alarmverbände und die SS-Bereitschaften so lange bestehen bleiben, bis in Übereinkunft zwischen dem Leiter der Parteiverbindungsstelle und dem Deutschen Staatsminister die
Aufgaben vom Volkssturm übernommen würden. Der Leiter der Parteiverbindungsstelle hatte ferner die Bewaffnung zu regeln sowie bei besonderen Ereignissen die Aufgaben des Stabsführers des Volkssturms im Raum des Protektorats zu übernehmen. Die
Einheiten des Protektorats-Volkssturms wiederum sollten „nur in diesem Raum eingesetzt“ werden.510
Damit unterstand, wie Primator-Stellvertreter Josef Pfitzner bemerkte, der größte
Teil des Protektorats, einschließlich Prags, in Hinsicht auf den Volkssturm dem Sudetengau.511 In Prag wurde die Aufnahme in den Volkssturm ab dem 30. November 1944
durchgeführt, der Enthusiasmus hielt sich in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung
allerdings zunächst in Grenzen, wie Pfitzner enttäuscht in seinem Tagebuch vermerkte:
„Der erste Tag, an dem die Aufnahme in den Volkssturm auch in Prag durchgeführt wurde! Ich liess es mir nicht nehmen, als erster in der für die Ortsgruppe
Altstadt im alten Rathause u. zw. im grossen Sitzungssaal aufgemachte Sammelstelle, heute Meldung zu vollziehen. Freilich hatten wir erwartet, dass sich ein
riesiger Andrang gleich in den ersten Stunden zeigen würde. Aber diese Erwartung traf nirgends im Prager Stadtgebiet zu. Ueberall ging die Aufnahme nur
tröpfelnd vor sich. So stellten sich in der Ortsgruppe Altstadt täglich durchschnittlich hundert ein. Es bleibt dabei: Das Deutschtum Prags ist durch seine
Zerstreuung im sonstigen Gebiete und gewiss auch durch seine sehr gemischte
Zusammensetzung aus Angehörigen aller deutschen Gaue noch innerlich zu wenig fest und kampfentschlossen geworden.“512
Schuld daran sei nicht zuletzt die rationale Atmosphäre in den Großstädten, die eine
„wahre Begeisterung“ verhindere. Dennoch gab sich Pfitzner zuversichtlich, dass „[sicherlich] die Zahl zustande kommen [wird], die dem männlichen Teil des Prager
509
Fernschreiben Bormann an Frank u.a. betreffend den Deutschen Volkssturm im Protektorat
Böhmen und Mähren vom 20. November 1944. NA, NSM, 110–3/56, f. 38.
510
Ibid.
511
Siehe die Tagebucheintragung von Josef Pfitzner am 30. 11. 1944, in: Míšková/Šustek: Josef
Pfitzner I, S. 211.
512
Tagebucheintragung von Josef Pfitzner am 30. 11. 1944, in: Míšková/Šustek: Josef Pfitzner
I, S. 211.
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Deutschtums entspricht“. Bis dahin würden die SA-Bereitschaften weiterbestehen, für
die allerdings nur schwerlich adäquate Unterkünfte aufzutreiben seien.513 Die Situation
verbesserte sich jedoch entgegen der Pfitzner’schen Erwartungen nicht unbedingt. Auch
am 7. Dezember vermerkt er noch kritisch:
„Im Uebrigen ist es so, dass sich beim Volkssturm wieder einzelne Stadtteile,
vor allem Prag XIX mit seiner gehobenen reichsdeutschen Bevölkerung, vor allem mit den Korps der gehobenen Reichsbeamten […] vor der Meldung stark
zurückgehalten haben. Sie waren nämlich der Meinung, dass diese Meldung nur
freiwillig sei.“514
Die Heterogenität der deutschen Bevölkerungsgruppe in Prag trat also auch bei der
Meldung zum Volkssturm zutage, wobei davon auszugehen ist, dass die von Pfitzner
kritisierten „gehobenen Reichsbeamten“ in der Regel sowieso dem zweiten Aufgebot
des Volkssturms zugeteilt wurden515 – dies galt etwa auch für die Professoren der Deutschen Universität.516
Zwei Monate nach der kollektiven Vereidigung im „Altreich“ kam es schließlich
am 7. Januar 1945 zu der feierlichen Vereidigung der deutschen Volkssturmmänner in
Prag (siehe Abb. 12–13). Im NSDAP-Kreis Prag stellten diese ca. 60 Kompanien;517
ingesamt sollte es sich somit um „die grösste Kundgebung des Prager Deutschtums“518
handeln. Die Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen hatten in Uniform anzutre-
513
Ibid.
Tagebucheintragung von Josef Pfitzner am 7. 12. 1944, in: Míšková/Šustek: Josef Pfitzner I,
S. 216.
515
Vgl. dazu: Rundschreiben Gies vom 12. Dezember 1944, Volkssturm – Zuteilung zum 2.
Aufgebot. NA, NSM, 110-3/57, f. 29–31. – Im Unterschied zu den Reichsbeamten gab es jedoch auch Personengruppen, die sich pflichtgemäß zum Volkssturm meldeten. So berichtete
etwa der Kreisbundesleiter Prag des Reichsbundes der Körperbehinderten (R.B.K.), Nickel, am
8. 12. 1944 dem Deutschen Staatsminister über die Meldung der Mitglieder seines Verbandes
zum Volkssturm, wobei jedoch weder deren Behinderung noch die Mitgliedschaft im Reichsbund vermerkt worden sei. Die Bitte, wenigstens diejenigen von der Volkssturmpflicht zu befreien, die dem R.B.K. mindestens ein Jahr angehörten und Ausmusterungsscheine der Wehrmacht besäßen, begründet er mit dem treffenden Hinweis: „Es würde in unserem hiesigen Raum
bestimmt keinen erhebenden wehrkräftigen Eindruck machen, wenn ein durch Spinale Kinderlähmung Beinbehinderter in den Reihen des Volkssturms mithinkt […].“ NA, NSM, 110-3/33,
f. 1.
516
Vgl. Mišková: Die Deutsche (Karls-) Universität, S. 222–225.
517
Vgl. die Vorlage des Generalreferenten für den überörtlichen Luftschutz für Frank vom 23.
Januar 1945. NA, NSM, 110-3/57, f. 21.
518
Vgl. „Grundsätzliches zur Vereidigung des Volkssturms am 7. Januar 45“. NA, NSM, 1103/33, f. 7.
514
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ten,519 die anderen in „zweckentsprechender Zivilkleidung“, alle jedoch mit Feldmütze
und der Armbinde des Deutschen Volkssturms am linken Oberarm. Letztere konnten
einen Tag vor der Vereidigung in der Befehlsstelle der Obersten SA-Führung in der
Beethovenstr. 29 (Prag II) abgeholt werden.520 Über diese Massenveranstaltung, an der
Staatsminister Frank zumindest offiziell aus dienstlichen Gründen nicht teilnehmen
konnte,521 gibt wiederum Josef Pfitzner beredtes Zeugnis ab:522
„Endlich wurde auch auf Prager Boden der Volkssturm vereidigt, nachdem
bereits vor Weihnachten längere Vorbereitungen, Erfassungsappelle, Ausbildungsdienste usw. gelaufen waren. Die Zurüstung zur Vereidigung auf dem Altstädter Ring war würdig, ja in manchem grossartig zu nennen. Anders als bei
früheren Veranstaltungen auf dem Altstädter Ring war diesmal das Hoheitszeichen zwischen die grossen Pfeiler des Rathausbalkons angebracht, sodass das
Ganze den Eindruck eines Allerheiligsten oder eines grossen Tabernakels macht.
Der Platz wurde indessen beherrscht durch die Fülle der Fahnen, die an allen
Häusern wehten und zu den Fenstern hinaushingen. Damit ergab sich ein einmaliges, farbensattes Bild an diesem geradezu kalten Wintermorgen, an dem die
Männer bereits für ½7 Uhr befohlen waren, obwohl die Vereidigung erst um ½9
Uhr begann. Sie wurde nur wegen der möglichen Luftgefahr so früh angesetzt,
sodass die Feier eigentlich bei einem schlafenden Prag vor sich ging.
Die Strassen wirkten daher wie leergekehrt. Auch deutsche Bevölkerung hatte sich als Zuschauer kaum in einer grösseren Zahl eingefunden, obwohl 8.900
Mann auf dem Altstädter Ring aufmarschiert waren. Darunter befanden sich
auch rund 2.000 aus dem äusseren Prager Kreisgebiet. Die Kreiskommission und
der Kreisstaab [sic] bildeten – gewiss bis zum Missvergnügen der anderen – eine
Sondergruppe. Die Vereidigung führte Henlein in seiner Eigenschaft als Gauleiter durch. […] Frank hat es offenbar unter diesen Umständen vorgezogen, nicht
zu erscheinen, um die Frage nicht erst auftauchen zu lassen, wer der Ranghöhere
ist. Henlein sprach kurz aber markig und das wesentliche der Sache bezeichnend, obwohl ich nach wie vor wünschen möchte, dass auf Prager Boden auch
etwas bedeutendes gesagt werden möchte. […]
519
Vgl. Die Vereidigung des Volkssturms, in: Der neue Tag vom 6. Januar 1945, S. 3.
Vgl. „Befehl für die Vereidigung am 7.1.1945 in Prag“ vom 4. 1. 1945. NA, NSM, 110-3/33,
f. 8.
521
Vgl. Schreiben Frank an NSDAP-Kreisleiter Oberbereichsleiter Adam vom 3. Januar 1945.
NA, NSM, 110-3/33, f. 9.
522
Vgl. auch den vergleichsweise prosaischen Bericht unter dem Titel „Eine Phalanx der Kraft
und Treue. Die Vereidigung des Deutschen Volkssturms in Prag“, in: Der neue Tag vom 8.
Januar 1945, S. 1.
520
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Allmählich drohten uns die Füsse einzufrieren, obwohl die gesamte Handlung nur ½ Stunde Zeit in Anspruch nahm. Dann formierte sich unter Vorantritt
des von Waffen-SS ‚Feldherrnhalle‘ […] hergestellten inneren Bataillons das
Ganze zum Vorbeimarsch auf den Graben. Wir begrüssten es, dass dabei ein etwas grösserer Umweg eingeschlagen wurde, weil dadurch endlich wieder Wärme in die Glieder kam. Sogleich konnte jeder verspüren, was es heisst, endlich
wieder einmal im gleichen Schritt der Kolonnen zu marschieren. Es wächst die
Kraft zusehends, die man selbst nicht kennt. Gerade darin wird die gewaltige
Bedeutung des Volkssturms liegen: Dass von ruhenden Kräften in den deutschen
Menschen […] eine Verteidigungsform gebracht wird.
Die wenigen Čechen, die sich auf den Strassen befanden, schauten nur von
der Seite diesem Schauspiel, d. h. dieser Bekundung deutscher Kraft auf Prager
Boden, zu. Soviel deutsche Männer waren nur selten im geschlossenen Zug versammelt. Vor allem: Alle deutschen Männer Prags waren wohl noch nie in dieser Zahl und in dieser Form zu einer Einheit aufgerufen und zusammengeschlossen. Insofern gelobt dieser Tag doch einen Markstein auch in der Geschichte des
Deutschtums der Stadt.
Der Weg führte durch die Nürnberger Strasse entlang des Ufers und durch
die Berliner Strasse zurück. Beim Pulverturm wurde Halt gemacht, damit sich
die rund 40 Bataillone entsprechend formieren. Inzwischen hatte sich auf dem
Graben doch eine grössere Zahl Deutscher eingefunden. Unter klingendem Spiel
vollzog sich nunmehr der Vorbeimarsch dieser Tausenden, die alle, sofern sie
nicht eine andere Uniform trugen, eine Feldmütze und die Armbinde des Volkssturms trugen, sonst aber in allermöglichen Art von Bekleidung, aber ohne die
leider noch fehlenden Waffen aufmarschierten. Sofern diese Tausenden richtig
eingesetzt werden, muss Leib und Leben der Deutschen gerettet werden, auch
wenn einmal, was Gott verhüte, der Geist des Aufstands und der Unruhe sich in
dieser Stadt einnisten sollte.“523
Damit benannte Pfitzner auch die spezifische Stoßrichtung des Volkssturms im Protektorat, der insbesondere den inneren Feind in Schach halten sollte. Mit der Ausbildung524
523
Tagebucheintragung von Josef Pfitzner am 7. 1. 1945, in: Míšková/Šustek: Josef Pfitzner I,
S. 223–225. Von den zu diesem Zeitpunkt schon fast absurd anmutenden parallelen Realitäten
auch innerhalb der deutschen Gemeinde zeugt die abschließende Bemerkung Pfitzners: „Nachher traf sich noch die Kreiskommission und der Kreisstab: Ministerialrat Bertsch, Ministerialrat
Gross, Krisen, Präsident Adolf, May, Kreisleiter u. a. im Deutschen Haus zu einem Glas Cognac und einem Stück dänischen Aals, der auf die Zeit der Kälte trefflich mundete.“ Ibid., S. 225.
524
Vgl. Míšková/Šustek: Josef Pfitzner I, S. 246f.; Doerfel: Die „Deutsche Heimschule Prag“,
S. 307, berichtet z. B. von heftiger Konkurrenz um den Schießübungsplatz in Motol: „Když při
jednom cvičení jeden oddíl volkssturmu […] přes několikerévýzvy nevysklidil včas prostor, dal
Müller ‚vztekle pokyn k palbě. (…) Po prvních výstřelech zalehli všichni tito většinou postarší
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und vor allem der Ausstattung des Volkssturms scheint es allerdings wie überall im Reichsgebiet trotz Spendenaufrufen an die Bevölkerung525 auch im Protektorat erhebliche
Probleme gegeben zu haben, zumal auch die zahlreichen Flüchtlinge versorgt werden
mussten.526 Die Gelegenheit zum Einsatz sollte sich jedoch bald ergeben: im Prager
Mai-Aufstand.527 Schon zuvor war der Volkssturm allerdings in Alarmbereitschaft, wie
die Einberufungen zum „aktiven Volkssturmdienst“ von Anfang Mai bezeugen.528
pánové do úkrytu (…).‘“ Vgl. auch das Schreiben von Pücklers an den Kommandeur der SSPz.Gren.Schule Trabant vom 21. März 1945 bezüglich der Ausbildung des Volkssturms. NA,
NSM, 110-3/55, f. 8.
525
Vgl. ‚Volksopfer‘ für Wehrmacht und Volkssturm, in: Der neue Tag vom 6. Januar 1945, S.
3; Volkssturm und Volksopfer, in: ibid., 7. Januar 1945, S. 1. In Prag wurden insgesamt 13
Sammelstellen eingerichtet, siehe: ibid., S. 4.
526
Vgl. etwa die fernmündliche Meldung aus dem Deutschen Staatsministerium an das SSHauptamt vom 27. 1. 1945, dass die dem Volkssturm versprochenen 15.000 Schnürschuhe wegen Eigenbedarfs im Sudetengau nicht abgegeben werden können, sowie die auf Nachfrage vom
29. 1. am 2. 2. erfolgte Meldung, dass „der verbliebene Rest für Flüchtlinge verwandt wurde
und somit die Menge aufgebraucht ist“. NA, NSM, 110-3/58, f. 1 u. 1a.
527
Vgl. Kokoška: Prag im Mai 1945, S. 177 u. ders.: Praha v květnu 1945, S. 255. Siehe auch
den Bericht über das Schicksal des Musikwissenschaftlers Gustav Becking von der Deutschen
Karls-Universität, der offenbar im Mai 1945 noch im Volkssturm kämpfte. Fuchs, Torsten: Gustav W. Becking (1894–1945) Musikwissenschaftler. Im Spannungsfeld zwischen traditioneller
Geisteswissenschaft und nationaler Ideengeschichte, in: Glettler/Míšková (Hrsg.): Prager Professoren, S. 221–236, hier S. 233f.
528
Vgl. Schreiben des Ministerialregistrators Borthes (Abt. I) an Staatsminister Frank vom 3.
Mai 1945, um ihn über seinen Einberufungsbefehl in Kenntnis zu setzen. NA, ÚŘP, k. 553, Abt
I 1944–1945, unfoliert. Siehe ferner Schreiben des Kurators der Deutschen wissenschaftlichen
Hochschulen Ehrlicher vom 3. Mai 1945 in der Sache der Einberufung des Professors der DTH
Reinhard Schmidt zum aktiven Volkssturmdienst am 4. 5. 1945. AHMP, Fonds NSDAP Praha,
ohne Paginierung.
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Abb. 12: Vereidigung des Prager Volkssturms auf dem Altstädter Ring, Aufnahmedatum:
7. 1. 1945. Quelle: ČTK, FO02086584
Abb. 13: Vereidigung des Prager Volkssturms auf dem Altstädter Ring, Aufnahmedatum:
7. 1. 1945. Quelle: ČTK, F201009270104001
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V. 2. Kriegsende: Flucht, Internierung, Zwangsaussiedlung
Die Situation in der Stadt war in den Monaten vor dem Aufstand zwar trotz der zunehmenden Befürchtungen der Besatzungsmacht vor Unruhen, vor allem angesichts des
Slowakischen Nationalaufstands seit dem Herbst 1944, des Falls von Brno und kleinerer
Erhebungen in der ost- und mittelböhmischen Provinz, von relativer Ruhe gekennzeichnet. Dennoch gab es erste deutliche Auflösungserscheinungen der „deutschen Ordnung“. Nicht nur die Desertionen bei Wehrmacht und Waffen-SS mehrten sich,529 sondern auch die Flüchtlingsströme: So musste das Protektorat im Frühjahr 1945 nach einem früheren Evakuierungsstopp 300.000 deutsche Flüchtlinge aufnehmen.530 Prag war
bisher in den meisten Fällen nur „Durchlaufstation“ gewesen,531 nun aber mussten viele
dieser Menschen mangels geeigneter Evakuationsrouten in Notunterkünften in der Stadt
und dem Umland untergebracht werden.532 Gleichzeitig verließen die ersten deutschen
Zivilisten – vor allem Reichsdeutsche533 – spätestens seit März die Stadt, seit dem
8. April mit offizieller Genehmigung des Staatsministers.
Die am 10. April 1945 beschlossene Erklärung Prags zur Festungsstadt konnte
aufgrund der sich zuspitzenden Lage nicht mehr umgesetzt werden,534 vielmehr wurde
Prag am 3. Mai zur Lazarettstadt erklärt.535 Nach Augenzeugenberichten war die An-
529
Vgl. Kokoška: Prag im Mai, S. 139f.
Vgl. KR-Blitz-FS Gies an Frank vom 26. März 1945. NA, NSM, 110-3/72, f. 3f. Bis zum
März wurde die Verpflichtung bis auf 25.000 erfüllt.
531
Vgl. Tagebucheintrag von Josef Pfitzner vom 4. 2. 1945, in: Míšková/Šustek: Josef Pfitzner
I, S. 239. Zu diesem Zeitpunkt bezeichnet Pfitzner das Flüchtlingsproblem in Prag als „in der
Hauptsache gelöst“.
532
Vgl. Hübner, Ursula: Meine Vertreibung aus Prag. Erinnerungen an den Prager Aufstand und
seine Folgen, München 1991, S. 20: „In der Stadt wimmelte es von Soldaten in Uniform und in
den Lazaretten lagen Tausende von Verwundeten. Flüchtlingsströme aus dem Osten blieben in
und um Prag stecken, und die Flüchtlinge mußten, wenngleich sich die Bevölkerung dagegen
wehrte, doch letztlich aufgenommen werden, weil man zu dieser Zeit ja schon nicht mehr
wußte, in welche Richtung man die Trecks leiten sollte.“
533
So vermerkt Josef Pfitzner in seinem Tagebucheintrag vom 5. 4. 1945 verbittert: „Deswegen
haben auch die Prager Deutschen, als jetzt soeben die Möglichkeit zum freiwilligen Abwandern
auf breiter Front gegeben worden ist, davon sofort Gebrauch gemacht, freilich leider zuerst die,
die einst als Altreichsdeutsche ins Land kamen, sich hier in die räumigen Villen setzten und sich
hier mit Judenmöbeln ausstatteten. So erscheint ihnen als Erstes das Hasenpanier und geben
damit zu spüren, dass sie im Grunde mit diesem Raum nichts zu tun haben.“ Ibid., S. 254. siehe
auch Hübler: Meine Vertreibung, S. 22ff.
534
Vgl. Ledvinka: Hlavní město protektorátu, S. 623.
535
Kokoška: Prag im Mai, S. 112.
530
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spannung in der Stadt zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich spürbar,536 und die Stimmung innerhalb der tschechischen Bevölkerung war zu diesem Zeitpunkt bereits nicht
zuletzt durch die in Prag eintreffenden Evakuierungstransporte aus den Konzentrationslagern zusätzlich aufgeheizt.537 Die ersten Anzeichen für eine Eskalation der Situation
gab es schon am nächsten Tag, an dem von der Bevölkerung massenhaft die deutschen
Aufschriften und Schilder entfernt und stattdessen die tschechoslowakische Trikolore
gehisst wurde. Der am folgenden Tag (einem Samstag) durch die versuchte Absetzung
der Besatzungsbehörden eingeläutete Aufstand wurde jedoch von den deutschen Wehrmachts- und vor allem SS-Einheiten am 6. und 7. Mai durch einen brutalen Gegenangriff zurückgeschlagen, woraufhin es zu heftigen Barrikadenkämpfen kam.538 Nicht
wenige deutsche Augenzeugen machen gerade das Vorgehen der SS verantwortlich für
die nun zum Teil eskalierende Brutalität auf beiden Seiten.539 Während die Wehrmacht
schließlich zum Abzug nach Westen bereit war, kämpften die SS-Einheiten erbittert bis
zum Morgen des 9. Mai weiter. Insgesamt bezahlten den Aufstand wohl über 3.000
Menschen mit dem Leben, unter ihnen geschätzt 1.000 Deutsche (Soldaten und Zivilisten).540
536
Hübler: Meine Vertreibung, S. 23ff.; Erlebnisbericht Mai–Juli 1945 (Niederschrift Juli
1954), DTA, Sign. 1701.
537
Siehe Kokoška: Prag im Mai, S. 142f.
538
Siehe zum Aufstand ausführlich Kokoška: Prag im Mai, S. 153ff. Für eine Übersicht der im
Verteidigungsbereich Prag im April stationierten deutschen Einheiten siehe Kokoška: Praha
v květnu, S. 254, für die aus der Umgebung zur Niederschlagung des Aufstandes einberufenen
Einheiten ibid., S. 256. Nach Angaben des OKW Führungsstabs A betrug die Gesamtstärke der
im Verteidigungsbereich Prag befindlichen Verbände des Ersatzheeres, der Luftwaffe und sonstiger Heeresdienststellen zum 17.4.1945 12.400 Mann (davon 9.085 bewaffnet). Siehe OKW
Führungsstab A, Stärken und Bewaffnung der im Wehrkreis Böhmen und Mähren befindlichen
Verbände des Ersatzheeres, der Luftwaffe und Marine, Stand: 17. Apr. 1945. Bundesarchiv
Militärarchiv Freiburg, OKW Führungsstab A, RW 44/I/58. Die in der Stadt stationierten ca.
8.000 Wehrmachtssoldaten und ca. 4.000 SS-Angehörige wurden zu Beginn des Aufstands
zunächst „nur“ von Eliteeinheiten der Luftwaffe, vom V. Bataillon der SA-Standarte „Feldherrenhalle“, Einheiten der Organisation Todt, einem Bataillon des Volkssturms und Einheiten des
Reichsarbeitsidenstes unterstützt. Siehe Kokoška: Prag im Mai, S. 176.
539
Vgl. die Augenzeugenberichte in der sog. Ost-Dokumentation des Bundesarchivs-Lastenausgleichsarchivs (BALAG), Ost-Dok 2/312–314. Exemplarisch: Ost-Dok. 2/312, 347–357,
hier 347.
540
Kokoška: Praha v květnu, S. 258. Die Opferzahlen sind nicht eindeutig und variieren zum
Teil stark. Vgl. dazu Arburg, Adrian von/Staněk, Tomáš: Na přelomu: první poválečné měsíce,
Kapitel „Východiska a hlavní aktéři“, in: dies. (Hrsg.): Vysídlení Němců II.1, S. 21–76, hier S.
28; Staněk: Verfolgung 1945, S. 92. Nach Staněk, ibid., S. 96f. bzw. ders.: Poválečné „excesy“,
S. 197, sprechen verschiedene Quellen von entweder insgesamt 935 oder auch „nur“ 600 bzw.
380 Deutschen, die dem Aufstand zum Opfer gefallen seien, andere hingegen sprächen von
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Die Beendigung des Aufstandes und der Einzug der Roten Armee am 9. Mai
bedeutet zugleich den Anfang vom Ende der Deutschen in der Stadt. Insgesamt hielten
sich zu diesem Zeitpunkt nach Schätzungen noch mindestens 100.000 Deutsche, vor
allem Soldaten und Angehörige der bewaffneten Verbände (zwischen 20.000 und 40–
50.000 von ihnen in den 18 Haupt- und mehreren kleineren Lazaretten der Stadt), Alteingesessene, Flüchtlinge und Evakuierte, in und um Prag auf.541 Vermutete 15.000 bis
20.000 Deutsche hatten Prag in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai bereits verlassen,
weitere mindestens 25.000 Personen wurden in den folgenden ca. zwei Wochen interniert542 – wobei diese Zahlen äußerst ungesichert sind.543
Obwohl es an vielen Orten außerdem zu spontanen tschechischen Vergeltungsaktionen kam,544 sind nicht alle deutschen Opfer dieser Kriegsendwirren darauf zurückzuführen. Wie Staněk schreibt, waren in den ersten Tagen und Wochen nach Kriegsende Selbstmorde eine „Massenbegleiterscheinung“545. Diejenigen Deutschen, die nicht
rechtzeitig aus der Stadt geflohen bzw. abgezogen waren, wurden in den nächsten Wochen und Monaten in Prager (z. T. provisorischen) Gefängnissen und Lagern interniert
bzw. in Lager außerhalb Prags verbracht, teilweise wurden parallel dazu Deutsche aus
anderen Orten des Landes wiederum in die Prager Lager transportiert.546
Viele deutsche Zeitzeugenerinnerungen und -berichte betonen die Brutalität und
den Schrecken der dem Aufstand folgenden Ereignisse sowie der Zustände in den La-
alleine 855 gefallenen deutschen Soldaten in Groß-Prag. Vielfach seien auch der Zeitpunkt und
Umstände des Todes unklar.
541
Vgl. Staněk: Verfolgung 1945, S. 89f., der auch ein Fernschreiben des Befehlshabers der
Waffen-SS im Protektorat von Pückler zitiert, in dem dieser am 5. Mai 1945 der Heeresgruppe
Mitte meldet, dass sich im Gebiet um Prag „an die 100.000 Deutsche ‚ohne ausreichenden
Schutz‘“ befänden.
542
Unter diesen waren jedoch auch der Kollboration beschuldigte Tschechen. Vgl. Staněk: Poválečné „excesy“, S. 197. Lukas: Odsun německého obyvatelstva, S. 97, hingegen geht in seiner
Studie davon aus, dass es sich bei diesen 25.000 Menschen um die letzten noch in der Stadt verbliebenen deutschen Zivilisten handelt.
543
Vgl. Staněk: Verfolgung 1945, S. 94.
544
Vgl. dazu Staněk: Poválečné „excesy“, S. 199f.; Staněk: Verfolgung 1945, S. 92, 95; Arburg/
Staněk: Vysídlení II.1, Dok. 196, hier S. 507.
545
Vgl. Staněk: Verfolgung 1945, S. 69.
546
Vgl. exemplarisch den Erlebnisbericht des Dr.-Ing. Kurt Schmidt aus Brünn, der mit seiner
Familie schon am 13. Mai von Přibram in mehreren Tagesmärschen nach Prag (Lager Strahov)
verlegt wurde, wo die Familie bis zu ihrer weiteren Verlegung am 3. Juni blieb, bevor sie im
April 1946 wieder nach Prag (zunächst Hagibor, dann Modřany) verschickt und im Mai desselben Jahres schließlich ausgesiedelt wurde. In: Schieder et al. (Bearb.): Dokumentation IV.2,
Dok. Nr. 29, S. 157–168.
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gern, wobei diese Schockerfahrung sicherlich zu einer sehr subjektiven Betrachtungsweise geführt hat. Dennoch werden viele Berichte, etwa über massenhafte Vergewaltigungen von weiblichen Internierten durch Rotarmisten, von tschechischen Quellen
weitgehend bestätigt.547
Die zentralen bzw. umfangreichsten Internierungsstellen in Prag stellten die
Gefängnisse des Kreisgerichts in Pankrác und des Bezirksgerichts auf dem Karlsplatz
dar sowie vor allem die Lager Strahov,548 Hagibor549 und Hloubětín und das Kriegsgefangenenlager in Motol.550 Die Umstände in diesen zum Teil überfüllten Lagern waren
in der Regel nicht besonders gut, was eine hohe Sterblichkeitsrate zur Folge hatte.551
Darüber hinaus kam es zu Schnellverfahren, in deren Rahmen Inhaftierte, zumeist Angehörige der SS und anderer NS-Verbände, aber auch Wehrmachtssoldaten und vermeintliche Kollaborateure, hingerichtet wurden.552 Die Gesamtzahl der in diesem Rahmen verstorbenen bzw. getöteten Personen, ebenso wie die diesbezüglichen Umstände
sind weiterhin unklar.553 Die Deutsch-Tschechische Historikerkommission geht in ihrer
offiziellen Stellungnahme von 1996 für die gesamten böhmischen Länder von mindestens 15.–16.000 und maximal 30.000 Todesopfern (ohne Selbstmorde) in Lagern, beim
Arbeitseinsatz oder im Zusammenhang mit Vertreibung und Zwangsaussiedlung in den
547
Siehe z. B. zu den Vorfällen im Sammellager in der Husova 1: von Arburg/Staněk: Vysídlení
II.1, Dok. 79 vom 24.5.1945, zu den Umständen im Lager Strahov: ibid., Dok. 314D vom
19.7.1945.
548
Zu den Umständen im Lager Strahov siehe etwa den Bericht von Přemysl Pitter vom September 1945, abgedruckt in: von Arburg/Staněk: Vysídlení II.1, Dok. 400.
549
Zu dem Lager in Hagibor siehe ausführlich: Dejmková: Hagibor.
550
Eine ausführliche Auflistung sowohl aller Internierungsstellen in Prag in der unmittelbaren
Nachkriegszeit als auch jener Sammelstellen außerhalb der Stadt, in die Deutsche aus Prag
transportiert wurden, findet sich bei: Staněk: Internierung und Zwangsarbeit, S. 45–47. Viele
Internierte durchliefen mehrere Lager bzw. provisorische Gefängnisse. Siehe exemplarisch
Bericht der Irma Frank, geb. Philipp,vom 8.10.1946. BALAG, Ost-Dok 2/312, Nr. 201.
551
Vgl. Staněk: Internierung und Zwangsarbeit, S. 125f.; ders.: Poválečné „excesy“, S. 198:
„Úmrtnost ve věznicích a táborech byla v letních měsících 1945 hlavně v důsledku vyčerpání,
nedostatečného zásobování a nemocí včetně infekčních epidemií dosti vysoká.“
552
Vgl. Staněk: Internierung und Zwangsarbeit, S. 134f. ders.: Poválečné „excesy“, S. 198:
„Větší počet německých zajatců i civilistů byl také popraven. Úředními prameny je mj. doloženo postřílení 41 osob na příkaz důstojníka v uniformě RA v Praze XIX u biografu Bořislavka
nebo násilné usmrcení zajištěných osob na policejním ředitelství v Bartolomějské ulici.“
553
Zu der Schwierigkeit, die Gesamtverluste an Menschenleben im Kontext der Inhaftierung
und Vertreibung in den Wochen und Monaten nach Kriegsende zu beziffern und darüber hinaus
die Todesursache zu bestimmen, siehe Staněk: Verfolgung 1945, S. 206–210.
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Jahren 1945 und 1946 aus.554 Wie Philipp Ther anmerkt, ohne die in diesem Rahmen
begangenen Verbrechen relativieren zu wollen, bedeutete dies in Bezug auf die Gesamtgröße der betroffenen Bevölkerungsgruppe eine Todesrate von einem Prozent –
und damit „weit weniger als in anderen Fällen ethnischer Säuberungen“.555
554
Stellungnahme der Gemeinsamen deutsch-tschechischen Historikerkommission zu den Vertreibungsverlusten / Stanovisko Společné česko-německé komise historiků k odsunovým ztrátám, in: Soudobé dějiny 3/4 (1996), S. 600–603.
555
Ther, Philipp: Die dunkle Seite der Nationalstaaten. „Ethnische Säuberungen“ im modernen
Europa, Göttingen 2011, S. 184.
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VI. Fazit
Ziel der Arbeit war eine erste Kartographierung des „deutschen Prags“, um damit einen
Beitrag zu dessen Einordnung in die Forschung zu den besetzten Hauptstädten Europas
zu leisten. Wie die Analyse des größeren Forschungskontextes unseres Themas zeigte,
stehen sowohl das Protektorat und Prag als auch die Städte allgemein bisher eher am
Rande der Aufmerksamkeit der internationalen Forschergemeinde. Ein weiteres Desiderat stellt die Analyse der jeweiligen Besatzergesellschaft vor Ort dar, für die bisher nur
einige wenige Studien etwa zu Warschau oder Paris vorliegen. Die vorliegende Studie
hatte es sich daher zum Ziel gesetzt, sowohl die Prager Besatzergesellschaft etwas
genauer zu analysieren als auch deren Maßnahmen, bzw. jene der Besatzungsbehörden,
zur Beherrschung und Umgestaltung der Stadt anhand ausgewählter Beispiele zu
skizzieren, wobei eine wichtige propagandistische Rolle die Besetzung des „öffentlichen Raums“ spielte.
Für eine Einordnung dieser Maßnahmen wie auch der Schwerpunkte der Besatzungs- bzw. „Germanisierungspolitik“ in der Moldaumetropole wurden zunächst auf
Basis der Literatur die historischen Wurzeln und die Ausgangslage des Prager Deutschtums in den Jahrzehnten vor der Besatzung nachgezeichnet. Dieses war zwar bereits in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eindeutig nur eine Minderheit in der Stadt, genoss jedoch bis zum Zerfall der Habsburgermonarchie eine privilegierte Stellung. Einen
wesentlichen Teil des Prager Deutschtums machten die deutschen Juden aus, die sich
allerdings unter dem Eindruck der veränderten Machtverhältnisse und des immer virulenter werdenden Antisemitismus vor allem in Teilen der Prager deutschen Bevölkerung
nach 1918 verstärkt in die tschechische Mehrheitsgesellschaft assimilierten. Schon in
der Zwischenkriegszeit veränderte sich daher die Struktur des Prager Deutschtums deutlich, wenngleich die Deutschen im neuen Staat weiterhin eine nicht unwichtige Rolle in
verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie etwa der Hochschulen, der Presse und Kultur, oder auch z. B. im Finanzsektor spielten. Ermöglicht wurde dies nicht
zuletzt durch die auch finanzielle Unterstützung zentraler Einrichtungen durch den
tschechoslowakischen Staat.
Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ von 1933 sowie vor allem die sog.
„Sudetenkrise“ und schließlich die erzwungene Abtretung jener Grenzgebiete an das
Deutsche Reich im Zuge des Münchner Abkommens vom Herbst 1938 hatte auch kon164
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krete Folgen für die Prager deutsche Gesellschaft, die bisher allerdings nur unzureichend erforscht sind. Zum einen wurde Prag zur „Drehscheibe“ für deutsche Flüchtlinge
aller Art, zum anderen führte die Entwicklung im Nachbarland zu einer weiteren Radikalisierung bestimmter, keineswegs unbedeutender Kreise innerhalb der Prager deutschen Gesellschaft.
Die nationalsozialistische Besetzung der Tschechoslowakei und seiner Hauptstadt wurde daher von den Deutschen in der Stadt mehrheitlich begrüßt. Die Okkupation
hatte eine radikale Veränderung der Prager deutschen Gesellschaft zur Folge. Wie auf
Basis der ausgewerteten Bestände des „Deutschen Standesbeamten Prag“ gezeigt werden konnte (eine ursprünglich geplante Volkszählung wurde letztlich nicht durchgeführt), wuchs die zunächst vor allem durch die nationalsozialistische Rassenpolitik stark
dezimierte deutsche Minderheit im Laufe der Besatzungsjahre wiederum dynamisch an,
was insbesondere auf den gewünschten und geförderten Zuzug aus verschiedenen Regionen des „Altreichs“ zurückzuführen ist.
Dieser zum Teil gelenkte Zuzug, der die Zahl der deutschen Zivilisten, d. h. ohne die vielen in der Stadt stationierten bewaffneten Verbände, von zunächst 23.000 auf
je nach Angabe 45.000 bis 80.000 ansteigen ließ, bestärkte zwar die Schwerpunkte der
bereits in der Zwischenkriegszeit teilweise verlagerten deutschen Siedlungsstruktur an
das linke Moldauufer, bei gleichzeitiger Etablierung neuer Zentren insbesondere infolge
der „Arisierung“ von Wohnungen; anders als etwa in Warschau wurde jedoch zunächst
auf die Schaffung eines geschlossenen „deutschen Wohnviertels“ verzichtet.
Die aus der Untersuchung gewonnen Daten deuten ferner eindeutig auf die
Präsenz mindestens zweier strukturell unterschiedlicher deutscher Bevölkerungsgruppen hin, was nicht zuletzt aus der deutlichen Veränderung der konfessionellen Zusammensetzung dieser Gruppe hervorgeht: Während das „alte“ deutsche Prag allmählich
ausstarb, etablierten sich in der Stadt Immigranten vor allem aus dem „Altreich“, die
wenig bis keine historische Verbindung zu diesem Raum hatten, Prag vielmehr als alte
und neue „Reichsstadt“ betrachteten, die ihnen neue Karrieremöglichkeiten eröffnete.
Eine dritte, in dieser Arbeit nicht näher behandelte Gruppe, stellen die genannten bewaffneten Verbände, insbesondere der SS, dar, die in der Stadt äußerst präsent waren
und schon durch ihre weitgehende Unterbringung in Kasernen bzw. bestimmten, durch
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das Militär geprägten Vierteln (etwa Dejvice) einen ganz eigenen Mikrokosmos bildeten.
Durch eine Reihe von Maßnahmen bemühten sich die Okkupanten um demonstrative deutsche Präsenz in der tschechischen Stadt bzw. um die symbolische wie reale
Besetzung des öffentlichen Raums. Zudem wurde gleich nach Beginn der Besatzung im
Sinne einer langfristigen Beherrschung und Umgestaltung der Stadt die deutsche Infrastruktur gefestigt und ausgebaut, wie anhand ausgewählter Beispiele (Wohnungssektor, Schul- und Hochschulwesen, Kultur) gezeigt wurde. Als das größte Problem erwies
sich dabei neben dem kriegsbedingten Investitions- und Baustopp vor allem die zu geringe Vertretung der Deutschen in der Stadt, die durch verschiedene Anwerbemaßnahmen behoben werden sollte. Diese führten wiederum zu einer Verschärfung der Probleme vor allem auf dem Wohnungsmarkt, hatte die Stadt doch bereits vor der Okkupation
mit einer erheblichen Wohnraumknappheit zu kämpfen. Die vermeintliche „Volksgemeinschaft“ von einheimischen und zugezogenen Deutschen wurde in diesem Rahmen
immer wieder Belastungsproben ausgesetzt.
Die relative Ruhe in der Stadt und ihre weitgehende Verschonung vor Kriegshandlungen sorgte dafür, dass fast bis zum Schluss eine angesichts der Ereignisse in
anderen Teilen Europas und des „Altreichs“ fast absurd wirkende (Besatzungs-) Normalität den Alltag bestimmte. Erst gegen Ende des Jahres 1944 und dann schließlich in den
ersten Monaten des Jahres 1945 erreichte der Krieg, der für die Deutschen in Prag
bisher vor allem in der Rationierung der Verbrauchsgüter spürbar war, auch die deutsche Zivilbevölkerung der Stadt: durch die Aufstellung des deutschen Volkssturms,
vereinzelte Bombenangriffe, die Verlegung von Verwundeten (Lazaretten) und Flüchtlingen nach Prag und schließlich durch den Prager Aufstand und die anschließende
Flucht, Internierung oder Zwangsaussiedlung. Zu diesem Zeitpunkt war das ursprüngliche, vielfältige und in vielerlei Hinsicht einmalige „deutsche Prag“ allerdings schon
längst untergegangen.
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VII. Resumé
Cílem práce bylo prvé mapování „německé Prahy“, provedené s cílem přispět k jejímu
začlenění do kontextů výzkumu nacisty okupovaných hlavních měst Evropy. Průzkum
rozsáhlé literatury tématu ukázal, že Praha a stejně tak celý Protektorát Čechy a Morava
dosud stojí spíše na okraji pozornosti mezinárodní badatelské obce. Další desideratum
obecně představují chybějící rozbory té které místní okupační společnosti. K tomuto
tématu je k disposici pouze několik deskriptivních nebo velmi specifických studií např.
k Varšavě a Paříži. Předkládaná studie si proto zvolila za cíl blíže analyzovat jak okupantskou společnost v Praze a věnovat na několika vybraných příkladech bližší pozornost i jejím opatřením, resp. krokům okupačních úřadů, směřujícím k ovládnutí a přetvoření města. Významná, propagandisticky důležitá úloha při tom připadla ovládnutí
„veřejného prostoru“.
S ohledem na nutnost začlenění těchto opatření a vytipování těžišť okupační a
„germanizační“ politiky v metropoli na Vltavě, bylo v této práci potřeba nejprve načrtnout na bázi literatury historické kořeny a výchozí situaci pražských Němců
v desetiletích, předcházejících okupaci. Pražští Němci sice v pražském obyvatelstvu
představovali již v druhé polovině 19. století jednoznačně menšinu, až do rozpadu
habsburské monarchie však požívali privilegovaného postavení. Podstatnou část pražské
německé populace představovali německy hovořící židé. Ti se ovšem pod dojmem
změny mocenských poměrů po roce 1918 a v obavách ze stále virulentnějšího antisemitismu, bujícího zejména v části pražského německého obyvatelstva, stále častěji asimilovali do české většinové společnosti. Struktura pražské německé společnosti se tak
podstatně proměnila již v meziválečné době, a to přesto, že si Němci v Praze podrželi
nikoliv nevýznamnou roli: Zejména tak tomu bylo v v řadě oblastí veřejného života,
jako např. na vysokých školách, v tisku a kultuře nebo ve finančním sektoru. Uchování
institucionálních struktur německé komunity bylo mj. umožněno finanční podporou
řady institucí ze strany československého státu.
Nacistické „uchopení moci“ roku 1933 a v dalším kroku tzv. sudetská krize, na
níž v důsledku Mnichovské dohody navázalo nucené odstoupení pohraničí státu ve prospěch Německé říše na podzim 1938, mělo pro pražskou německou společnost konkrétní, dodnes však v plném rozsahu neprozkoumané důsledky. Především se Praha stala
křižovatkou cest německých uprchlíků všeho druhu. Za druhé pak vedl vývoj v sousední
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zemi k další radikalizaci jistých, v žádném případě nevýznamných kruhů uvnitř pražské
německé společnosti.
Nacistická okupace Československa a jeho hlavního města byla proto pražskými
Němci většinou přivítána. Okupace měla za následek radikální proměnu pražské německé společnosti. Vzhledem k tomu, že původně plánované sčítání lidu v Protektorátu
nebylo nakonec provedeno, bylo třeba pro výzkum stavu a proměn německé společnosti
válečných let sáhnout k náhradním pramenům: Na základě rozboru vybraných fondů
„Německého matričního úřadu Praha“ tak bylo možno ukázat, že německá menšina,
která byla zpočátku silně decimována nacistickou rasovou politikou, počala po eliminaci židů v průběhu okupačních let dynamicky růst. Základem růstu tu byla především
cílená nacistická imigrační politika, přivádějící do Prahy nové obyvatele z různých částí
„staré říše“.
Toto, z nemalé části státně řízené přistěhovalectví německých civilistů, tj. bez
započtení početných, v Praze umístěných vojenských jednotek, vedlo k tomu, že pražská německá populace vzrostla z původních 23.000 na (údaje pramenů se místy dramaticky liší) 45.000 až 80.000 osob. Tento populační vzestup sice posílil ohniska německého pražského osídlení, která se již v meziválečné době posunula zejména na levý břeh
Vltavy, ale v důsledku masivní „arizace“ bytového fondu vedl k decentralizaci přistěhovalců po celém velkoměstě. Na rozdíl např. od Varšavy tak v Praze po dobu války
nedošlo k vytvoření uzavřených „německých čtvrtí“.
Data, získaná vytěžením sériových pramenů dále jednoznačně ukazují, že
v Praze paralelně existovaly v podstatě dvě strukturálně rozdílné skupiny německého
obyvatelstva. Vyplývá to již z rozdílného konfesijního složení obou skupin: Zatímco
„stará“ německá Praha postupně vymírala, etablovali se ve městě imigranti z Říše, kteří
dosud neměli žádný kontakt s pražským prostředím. Prahu pokládali spíše za staronové
„říšské město“, kde se jim otevírala nová kariérní perspektiva. Třetí německou skupinu,
jíž se však tato práce blíže nevěnuje, představovali v Praze příslušníci ozbrojených sil.
Šlo především o členy SS, kteří byli v městě přítomni velmi okázale a kteří (podobně
jako armádní vojáci) již s ohledem na jejich ubytování po velkých skupinách v tradičních i nově zřízených kasárnách přetvářeli některé městské čtvrti (např. Dejvice)
v prostředí specifických mikrokosmů.
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Prostřednictvím řady opatření okupanti demonstrativně usilovali o zvýraznění své presence ve městě. Šlo jim o reální i symbolické obsazení veřejného prostoru. Zároveň
přijali od počátku řadu opatření, jimiž chtěli posílit a rozvinout německou infrastrukturu
města ve smyslu dlouhodobého ovládnutí a přetvoření Prahy. Práce se to snaží názorně
ukázat na základě vybraných příkladů (obytný sektor, školy, vysoké školy, kultura).
Jako největší problém se přitom ukázal vedle válkou způsobeného zmrazení a zastavení
stavební a plánovací činnosti především příliš nízký podíl Němců ve městě. To mělo být
řešeno prostřednictvím různých náborových akcí. Ty ale opět vedly k zostření problémů především s bytovou kapacitou – tedy se sociální okolností, se kterou se město těžce
potýkalo již před okupací. Údajná „jednota lidu“ (Volksgemeinschaft), tedy domácích a
přistěhovalých Němců tak byla vystavována tvrdým zatěžkávacím zkouškám.
Relativní klid města, dlouho ušetřeného válečných operací, byl základem toho,
že v Praze takřka do konce války panovala – ve srovnání s jinými částmi Evropy a „staré říše“ až absurdně působící – normalita okupační každodennosti. Teprve koncem roku
1944 a poté v prvých měsících roku 1945 s konečnou platnosti dolehla na Prahu válka.
Tu pražští němečtí civilisté dosud pociťovali vlastně jen ve formě přídělů spotřebního
zboží. Nyní se museli vyrovnat s vytvořením Volkssturmu, s občasným bombardováním, se zřízením řady lazaretů pro raněné z fronty i s přílivem uprchlíků. Závěr války
jim přinesl pražské povstání a návazně útěk, internování nebo nucené vysídlení. Tou
dobou však ona původní, mnohostranná a v řadě ohledů jedinečná „německá Praha“ již
dávno patřila minulosti.
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VIII. Summary
The PhD thesis Das „deutsche Prag“ 1939–1945. Ein Beitrag zur Erforschung der besetzten Hauptstädte Europas dealt with the German occupation of the Bohemian capital
city before and during World War II. Its goal was to map the „German Prague“ and thus
establishing it within the broader research context of German occupied capital cities
during World War II. The so-called Protectorate of Bohemia and Moravia has been
somewhat on the sidelines of current trends in international historiography as has the
history of Prague during this particular period and, generally, the Twentieh century as a
whole. Therefore, after sketching out the broader research context the roots for German
occupation policy in the former Czechoslovak capital city are presented on the basis of
available expert literature, referring to the once prominent position of the German minority in Prague and its position in the era of the First Czechoslovak Republic after 1918.
One main focus of the thesis is the analysis of the (changing) structure and the
population movement of the Germans in Prague during the years of occupation. Since
the planned census was never carried out, we have to rely on the combination of a number of secondary sources to gather information regarding the German population
structure and movement. The analysis of these documents stored in the City Archives of
Prague shows just how much the population pattern changed between the years 1939
and 1944, which was mainly due to a very dynamic immigration from different parts of
the Reich. Thus, we could establish that during these years we are dealing with two societies: the „old“, indigenous German Prague, or, rather, its „Aryan“ part, and a „new“
German Prague, consisting mainly of outsiders.
In a next step, examples are given on how the German occupation regime tried
to consolidate and expand the Germans’ position in the city, establishing a German infrastructure and aiming for an eventual re-modeling of the urban structure in terms of a
‚Germanization‘ of the Bohemian capital. In this, the demonstration of German presence in the city was paramount, recognising the importance of dominating public space.
Having been spared the terrors of war for the best part of the occupation, the final months eventually confronted (not only) the German population of the city with the
consequences of ‚total war‘ and destruction. A chapter on the final mobilisation and the
eventual collapse and dissolution of the (new) „German Prague“ concludes the study.
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IX. Verzeichnisse
IX. 1. Abkürzungsverzeichnis
AHMP
Archiv hlavního města Prahy
BA
Bundesarchiv
BDM
Bund Deutscher Mädel
BeNeLux
Belgien, Niederlande, Luxemburg
DTH
Deutsche Technische Hochschule Prag
DU
Deutsche Universität Prag (ab 1939: Deutsche Karls-Universität)
Gestapo
Geheime Staatspolizei
HJ
Hitlerjugend
NA
Národní Archiv v Praze
NPEA
Nationalpolitische Erziehungsanstalt
NS
Nationalsozialismus
NSDAP
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
NSDStB
Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund
NSV
Nationalsozialistische Volkswohlfahrt
OLR
Oberlandrat
SA
Sturmabteilung
SD
Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS
SS
Schutzstaffel
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IX. 2. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Deutsche Siedlungsgebiete in Prag 1930. Quelle: Winkler: Prags Bevölkerung,
S. 14.
Abb. 2: Feierlichkeit anlässlich des Geburtstages Adolf Hitlers – Parade auf dem Moldauufer (Vltavské nábřeží) in Prag, Aufnahmedatum: 19.4.1940. Quelle: ČTK,
FO02081098
Abb. 3: Feier zum 52. Geburtstag Adolf Hitlers – Vereidigung der SS-Rekruten auf dem
Altstädter Ring in Prag, Aufnahmedatum: 19. 4. 1941. Quelle: ČTK,
F201007200221301.
Abb. 4: Jindřišska ulice, Beflaggung aus Anlass des 3. Jahrestages der Errichtung des
Protektorats, Aufnahmedatum: März 1942. Quelle: ČTK, F201008130186901
Abb. 5: Organisierte Massenmanifestation von ca. 200.000 Menschen auf dem Wenzelsplatz nach dem Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor SSObergruppenführer Reinhard Heydrich, Aufnahmedatum: 3. 7. 1942. Quelle: ČTK,
F201008030160901.
Abb. 6: Inszenierte Eintracht auf dem zentralen Platz der Stadt: Eintopftag des
Winterhilfswerks auf dem Altstädter Ring, Aufnahmedatum: 4. 4. 1943. Quelle:
ČTK, F201309300871801.
Abb. 7: Staatssekretär K. H. Frank und Primator-Stellvertreter J. Pfitzner bei der feierlichen Umbenennung der Pelléova třída in Prag-Dejvice in General-Roettig-Straße, Aufnahmedatum: 4.4.1940. Quelle: ČTK, FO01280868.
Abb. 8: Marsch deutscher Studenten zur Prager Burg am Jahrestag der Protektoratsgründung. Aufnahme von der Straße Am Graben (Na příkopě), links das Café Lloyd, im
Hintergrund der Palast U Hybernů. Aufnahmedatum: 15. 3. 1940, Quelle: ČTK
FO01281783.
Abb. 9: Ehemaliger Myslbek-Pavillon am Graben (Na příkopě), Vorverkauf für die
deutschen Theater in Prag, Aufnahmedatum: 4. 10. 1943. Quelle: ČTK,
F201008300105901
Abb. 10: Tag der SS auf dem Altstädter Ring in Prag anlässlich des Jahrestages der
„Machtergreifung“, Aufnahmedatum: 30. 1. 1940. Quelle: ČTK, FO01281777
Abb. 11: Vereidigung des SS-Artillerie-Ausbildungs- und Ersatzregiments auf dem Altstädter Ring, Aufnahmedatum: 29. 7. 1943. Quelle: ČTK, F200806200100401
Abb. 12: Vereidigung des Prager Volkssturms auf dem Altstädter Ring, Aufnahmedatum: 7. 1. 1945. Quelle: ČTK, FO02086584
Abb. 13: Vereidigung des Prager Volkssturms auf dem Altstädter Ring, Aufnahmedatum: 7. 1. 1945. Quelle: ČTK, F201009270104001
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IX. 3. Grafiken und Tabellen
Grafik 1: Deutsches Standesamt, Geburtenbelege 1940, 1942 und 1944
Grafik 2: Deutsches Standesamt, Gesamteinträge Sterbebücher 1939–1944
Tab. 1: Die Siedlungsgebiete der Prager deutschen Bevölkerung auf Basis der Ergebnisse der Volkszählung von 1930
Tab. 2: Wohnort der Eltern in den Geburtenbelegen des Deutschen Standesamtes Prag
der Monate April und Oktober 1940 und 1944
Tab. 3: Wohnorte der Verstorbenen nach den Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944
Tab. 4: Geburtsorte nach den Geburts- und Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes
Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Tab. 5: Geburtsorte der Verstorbenen nach den Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Tab. 6: Geburtsorte der Eltern nach den Geburtenbelegen des Deutschen Standesamtes
Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Tab. 7: Altersgliederung auf Grund der Kartei der bei der „Reichshilfe“ erfassten Deutschen, Stand Januar 1942
Tab. 8: Konfessionelle Zugehörigkeit nach den Geburten- und Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Tab. 9: Konfessionelle Zugehörigkeit der Verstorbenen nach den Sterbebelegen des
Deutschen Standesamtes Prag der Monate April u. Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Tab. 10: Konfessionelle Zugehörigkeit der Eltern nach den Geburtenbelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944 (in Prozent)
Tab. 11: Gottgläubige nach Geburtsorten (nach den Geburten- und Sterbebelegen des
Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944, in Prozent)
Tab. 12: Die von den Deutschen 1940 und 1944 bevorzugten Stadtteile (nach den Geburten- und Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944, Angaben in Prozent)
Tab. 13: Wohnorte der Deutschen nach dem Bericht des OLR Watter vom Januar 1942
(umgerechnet in Prozent; Toponyme gemäß Quelle)
Tab. 14: Bevorzugte Stadtteile nach den Sterbebelegen des Deutschen Standesamtes
Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944, Angaben in Prozent)
Tab. 15: Bevorzugte Stadtteile nach den Geburtenbelegen des Deutschen Standesamtes
Prag der Monate April und Oktober 1940 und 1944, Angaben in Prozent)
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X.
Quellen- und Literaturverzeichnis
X. 1. Quellen
X. 1.1. Archivbestände
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Magistrát hl. m. Prahy I., hlavní spisovna magistrátu hl. m. Prahy, Referát IV. popisní,
Německý matriční úřad (Standesamt) Praha 1939–1945
-
Geburtenbelege (1939–1944)
Sterbebelege (1939–1944)
Kirchenaustrittserklärungen (1940, 1942–1944)
Eheschließungsagenda (1939–1942)
Magistrát hl. m. Prahy I., hlavní spisovna magistrátu hl. m. Prahy, Referát IV. popisní,
Agenda státní příslušnosti (Abt. Staatsangehörigkeit).
Magistrát hl. m. Prahy I., Protokoly sborů městskě správy
Magistrát hl. m. Prahy I., Prezidium rady a magistrátu, osobní odd., kartotéka německých zaměstnanců
NSDAP Praha
Bundesarchiv Militärarchiv Freiburg
OKW Führungsstab A, RW 44/I/58
Česká tisková kancelář (ČTK)
Fotobanka
Deutsches Tagebucharchiv e. V. Emmendingen
Sign. 1701
Národní Archiv v Praze (NA)
Hitlerova mládež (Hitlerjugend, HJ)
National-sozialistische Volkswohlfahrt Prag (NSV)
Německé státní ministerstvo pro Čechy a Moravu, Praha (NSM)
Státní tajemník u říšského protektora v Čechách a na Moravě, Praha (ÚŘP-ST)
Státní úřad statistický (SÚS)
Úřad říšského protektora v Čechách a na Moravě, Praha (ÚŘP)
Úřad říšského protektora (AMV 114)
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Kárný, Miroslav/Milotová, Jaroslava (Hrsg.): Anatomie okupační politiky hitlerovského
Německa v „Protektorátu Čechy a Morava“. Dokumenty z období říšského protektora Konstantina von Neuratha, Praha 1987 (Sborník k problematice dějin imperialismu 21).
Kárný, Miroslav/Milotová, Jaroslava/Kárná, Margita (Hrsg.): Deutsche Politik im „Protektorat Böhmen und Mähren“ unter Reinhard Heydrich 1941–1942. Eine Dokumentation, Berlin 1997(Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939–
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Schieder, Theodor et al. (Bearb.): Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus
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Sčítání lidu v Republice Československé ze dne 1. prosince 1930. Díl I. Růst, koncentrace a hustota obyvatelstva, pohlaví, věkové rozvrstvení, rodinný stav, státní příslušnost, národnost, náboženské vyznání, hrsg. v. Státní úřad statistický, Praha 1934.
Sčítání lidu v Republice Československé ze dne 1. prosince 1930. Díl II. Povolání
obyvatelstva, Část 3. povolání a sociální rovrstení obyvatelstva podle národnosti (také cizinců) a podle náboženského vyznáni, hrsg. v. Státní úřad statistický, Praha
1935.
Semotanová, Eva (Red.): Historický atlas měst České republiky. Bd. 19. PrahaKrálovské Vinohrady, Praha 2010.
Šiška, Josef (Red.): Statistická zpráva hlavního města Prahy za léta 1930–1933. Hrsg. v.
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Šustek, Vojtěch: Atentát na Reinharda Heydricha a druhé stanné právo na území tzv.
protektorátu Čechy a Morava: edice historických dokumentů. Bd. 1, Praha 2012.
Šustek, Vojtěch (Hrsg.): Josef Pfitzner a protektorátní Praha v letech 1939–1945. Bd. II:
Měsíční situační zprávy Josefa Pfitznera, Praha 2001.
Terezínská pamětní kniha. Židovské oběti nacistických deportací z Čech a Moravy
1941–1945. Díl druhý, Praha 1995.
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Zprávy Státního úřadu statistického. Řada A, číslo 1, XXVI/8 (1945).
X. 1.3. Gedruckte Zeitzeugenberichte und Erinnerungsliteratur
Frohberg, Günter: Erinnerungen eines Prager Heimschülers der ehemaligen Klasse 42A
der Fürstenschule St. Afra in Meißen, in: Sapere aude. Bote von St. Afra. Augustiner
Blätter 43 (1996), S. 815–819, <verein-der-altafraner.de/Download-document/53Heft-43-1996.html> (letzter Zugriff: 1. 10. 2013).
Hübler, Ursula: Meine Vertreibung aus Prag. Erinnerungen an den Prager Aufstand und
seine Folgen, München 1991.
Kennan, George: Report Oct. 1940, „A Year and a Half of the Protectorate of Bohemia
and Moravia“, in: ders.: From Prague after Munich, Princeton 1968.
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X. 2. Literaturverzeichnis
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Boháč, Antonín: Hlavní město Praha. Studie o obyvatelstvu, Praha 1923.
Buben, Václav (Hrsg.): Šest let okupace Prahy, Praha 1946.
Die Vereidigung des Volkssturms, in: Der neue Tag vom 6. Januar 1945, S. 3.
Eine Phalanx der Kraft und Treue. Die Vereidigung des Deutschen Volkssturms in
Prag, in: Der neue Tag vom 8. Januar 1945, S. 1.
Jaroš, Václav: Jak se Praha připravuje na nový školní rok, in: Věstník hl.m. Prahy,
28. 8. 1945, S. 213f.
Lehovec, Otto: Prag. Eine Stadtgeographie und Heimatkunde, Prag 1944.
Máša, Ludvík: Německé obecné a hlavní školy v Praze v době okupace, in: Buben
(Hrsg.): Šest let okupace Prahy, S. 57–61.
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obnoveném státě československém, Praha 1936.
Spina, Franz: Die Erlernung des Tschechischen in unseren deutschen Lehranstalten, in:
Deutsche Arbeit 5 (1906/6), S. 438–442.
Vojtíšek, Václav: Karlová universita za německé okupace, in: Buben (Hrsg.): Šest let
okupace Prahy, S. 31–38.
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3.
Volkssturm und Volksopfer, in: Der neue Tag vom 7. Januar 1945, S. 1.
Voskovec, Jiří: Exotická Praha, Přerod 1926, neu abgedruckt in: Voskovec, Jiří/Werich,
Jan: Faustovy skleněné hodiny 1922–1929. I, Praha 1997, S. 207–210.
Winkler, Erwin: Prags Bevölkerung in der Statistik, Prag 1938 (Deutsche Gesellschaft
für Familienkunde und Eugenik für die Tschechoslowakische Republik. Kleine
Schriftenreihe, Heft 2).
Wirth, Zdeněk: Kulturní ztráty Prahy 1939–1945, in: Pražský kalendář 1946. Kulturní
ztráty Prahy 1939–1945. Fotografoval Josef Sudek. Úvod a text Zdeněk Wirth,
Praha [1945].
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X. 2.2. Darstellungen
Aalders, Gerald: Roof – De ontvreemding van joods bezit tijdens de Tweede Wereldoorlog, Den Haag 1999 (deutsch: Geraubt! Die Enteignung jüdischen Besitzes im
Zweiten Weltkrieg, Köln 2000).
Adam, Alfons: „Gediegene Veranstaltungen auf den Gebieten der Musik, der bildenden
Kunst, der Literatur und der Wissenschaft“. Das Prager Volksbildungshaus Urania
in der Ersten Republik, in: Becher, Peter/Knechtel, Anna (Hrsg.): Praha – Prag
1900–1945: Literaturstadt zweier Sprachen, Passau 2010, S. 107–124.
Adam, Alfons: Unsichtbare Mauern. Die Deutschen in der Prager Gesellschaft zwischen
Abkapselung und Interaktion (1918–1938/39), Essen 2013 (Veröffentlichungen zur
Kultur und Geschichte im östlichen Europa 41).
Alary, Eric/Vergez-Chaignon, Bénédicte/Gauvin, Gilles: Les Français au quotidien.
1939–1949, Paris 2006.
Alexander, Manfred (Hrsg.): Deutsche Gesandtschaftsberichte aus Prag, Teil III: Von
der Regierung unter Švehla bis zum Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland 1926–1932. Berichte des Gesandten Dr. Walter Koch,
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Aly, Götz: „Endlösung“. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden,
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Aly, Götz: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt/M. 2005.
Aly, Götz/Heim, Susanne: Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen
Pläne für eine neue europäische Ordnung, Hamburg 1990.
Aly, Götz: Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass,
Frankfurt/M. 2011.
Arburg, Adrian von/Staněk, Tomáš: Na přelomu: první poválečné měsíce, Kapitel „Východiska a hlavní aktéři“, in: dies. (Hrsg.): Vysídlení Němců a proměny českého
pohraničí 1945–1951. Dokumenty z českých archivů. Bd. II.1. Duben–srpen/září
1945: „Divoký odsun“ a počátky osídlování, Středokluky 2011, S. 21–76.
Arlt, Peter: Samuel Steinherz (1857–1942) Historiker. Ein Rektor zwischen den Fronten, in: Glettler/Míšková (Hrsg.): Prager Professoren, S. 71–101.
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Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: ders.: Kultur und
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Flüchtlinge aus NS-Deutschland und Österreich 1933–1938, Wien 2012.
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