14 PORTRÄT 3/2012 Salix alba campos-Serie Malerische Erscheinung Gehölzporträt Was an einer Weide jedes Jahr auf’s Neue fasziniert, sind ihre Blütenkätzchen, mit denen sie den unaufhaltsamen Frühling ankündigt. 1 2 3 Herkunft & Name: Die Weide ist in Europa, Nordafrika bis Zentralasien (bis 1 600 Höhenmeter) beheimatet. Der Name Weide leitet sich aus dem indogermanischen Sprachgebrauch ab. Dort bedeutet er so viel wie beweglich, biegsam oder drehbar. Der englische Begriff willow hat dieselbe Wurzel wie der Begriff Hexe (witch oder wicca). Die lateinische Interpretation von salire (springen/tanzen) könnte wiederum auf die Beweglichkeit und Biegsamkeit der Triebe hinweisen. Die Silber- oder Weißweide Salix alba gehört, wie die Pappel, zur Familie der Weidengewächse Salicaceae. Dieser gehören vier Gattungen mit etwa 350 Arten an. Von ihnen sind circa 30 heimisch. Salix alba kommt von allen Weidenarten am häufigsten vor. Zwei schöne Sorten sind: Trauerweide – Salix alba ‘Tristis’ – malerischer, überhängender Baum für Einzelstellung, Uferpartien Dotterweide – Salix alba ‘Vitellina’ – auffallend dottergelbe Triebe, herrliches Flechtmaterial. Da sich Weiden untereinander gerne kreuzen, gibt es jede Menge Unterarten und Varietäten. Selbst Fachleuten fällt die genaue Bestimmung mitunter schwer. Merkmale: Die Silberweide ist eine der stattlichsten Baumvertreter ihrer Art. Die meisten Weiden wachsen nur als Strauch. Sie schafft Höhen von bis zu 30 m. Dabei beginnen die Äste recht tief am Hauptstamm und bilden eine breite kegelförmige Krone. Sie erreicht auch ein stattliches Alter von nahezu 200 Jahren! Die Rinde junger Zweige ist weiß1 und 4: Weiden haben ein erstaunliches Regenerationsvermögen. 2: Aus den Blüten entwickeln sich Kapselfrüchte, aus denen mit Flughaaren behaftete Samen freiwerden. 3: Salix alba ‘Tristis‘, die Trauer weide, ist eine imposante Erscheinung. Bilder: Lugert 4 lich-grau gefärbt, ältere Borke zeigt sich tief längsrissig und von dunkelgrauer Färbung. Die Knospen sind seidig-behaart und sitzen angedrückt am Zweig. Die Blüten („Weidenkätzchen“) erscheinen etwa im März. Die 4 bis 6 cm großen Kätzchenblüten werden eifrig von den aus dem Winterschlaf erwachten Insekten bestäubt. Die Blüten sind auf weibliche und männliche Bäume aufgeteilt, was man Zweihäusigkeit nennt. Nach der Bestäubung entwickeln sich aus dem Fruchtknoten der weiblichen Blüten Kapselfrüchte. Wenn diese reif sind, springen sie auf und geben die mit Flughaaren versehenen „wolligen“ Samenstände frei. Diese sind so leicht, dass sie bis zu 40 km weit vom Wind getragen werden können. Die bis 10 cm langen grünen Blätter sind schmal lanzettlich und sitzen wechselständig an langen rutenförmigen olivbraunen Zweigen. Der Rand der Blätter ist fein gezähnt. Die oberseits leichte, unterseits stärkere silberne Behaarung ein natürlicher Sonnenschutz. Verwendung: Die Silberweide ist ein echter Pionier und Vertreter der Weichholzzone. Das heißt, dass sie keinerlei Probleme mit nassen Füßen hat. Besonders gern siedelt sie in grundwassernahen Auwäldern, Gebirgstälern oder auf durch Überflutung entstandenen Flächen. Lichter Schatten wird gerade noch ertragen. Nährstoffreiche, feuchte und alkalische Böden werden bevorzugt. Nach dem Schnitt erweist sie sich als extrem ausschlagskräftig. Durch ihr dichtes und flaches Wurzelwerk wird sie für ingenieurbiologische Maßnahmen wie im Ufer- oder Böschungsbereich verwendet. Ihr Holz ist sehr weich und biegsam, weshalb Weidenruten für die Korbmacherei, als Flechtwerk in Fachwerkhäusern verwendet werden. Für die Tierwelt haben Weiden als eine der ersten Blühpflanzen im Jahr einen hohen ökologischen Stellenwert. Die wunderbare Verfärbung der Zweige bei der Dotterweide als auch die mächtige Krone einer Trauerweide sprechen für eine Verwendung in Park und Landschaft. Besonderheiten Salix alba ist 1999 zum Baum des Jahres gekürt geworden. Aus einem einfachen Grund: Durch Uferbegradigung, künstliche Verrohrung von Bächen und Flüssen, Beseitigung oder Trockenlegung von Auwäldern durch den Menschen werden ihre natürlichen Lebensbedingungen erheblich dezimiert. Dass man mit Weide kreativ bauen kann, hat zum Beispiel Marcel Kalberer bewiesen. In Auerstedt im Weimarer Land steht die „Groß-Mutter“ aller lebendigen Weidenbauprojekte von ihm und seinem Team. Das ist echt sehenswert unter www.auerworld.de! Zu guter Letzt: Wenn Ihnen mal richtig der Schädel brummt: Greifen Sie nicht gleich zur Tablette. Probieren Sie es mit dem Kauen der Rinde. Sie enthält das längst künstlich hergestellte Salicin, das verwandt ist mit dem Schmerzmittel Acetylsalicylsäure und die gleiche Wirkung hat. Danach legen Sie sich auf ein mit der Samenwolle gefülltes Kissen – wie früher. Die Autorin Iris Lugert ist Obstgärtnerin und GaLaBauTechnikerin. Sie bildete sich weiter zur Kulturlandschaftsführerin und war zuletzt als Fachberaterin für NaturErlebnisRäume des Naturgarten e. V. tätig. Sie lebt mit ihrem Sohn in Thüringen.