Farben zum Pflücken

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Farben zum
Pflücken
Den Färberpflanzen und den Werken der Künstlerin Kathrin Gerold-Spring ist in Winter thur eine
Ausstellung gewidmet. Ein Genuss für kulturell
und natur wissenschaf tlich Interessier te.
FOTO: DANIEL SCHAFFNER
von Alexandra Suter
D
FOTOS: ADRIANO BIONDO
Kathrin GeroldSpring beim Sammeln von Pf lanzen
und Herstellen ihrer Farben
as Resultat hängt an den Wänden: Ein Bild, grosse Flächen
mit leuchtendem Gelb, darin
helle Tupfen. Ein anderes aus
zarten Grüntönen, dunkle und helle
Farbfelder nebeneinander.
Am Anfang war nicht die Farbtube aus
dem Malerbedarfsgeschäft, sondern
blühendes Johanniskraut in der Zeit
der Sommersonnenwende. Das grüne
Bild dagegen nahm seinen Anfang an
einem Waldrand, wo sich Brennnesseln ausgebreitet haben.
Bei beiden, Johanniskraut und Brennnesseln, handelt es sich um so genannte Färberpflanzen. Das historische Lexikon der Schweiz meint dazu:
«Viele kultivierte und wild wachsende
Pflanzen enthalten zum Färben geeignete Farbstoffe, die häufig sogar doppelt oder mehrfach genutzt werden
konnten, wie zum Beispiel die Wildfrüchte Heidelbeere, Holunder und
weitere Beerenarten, welche getrocknet in den Handel gelangten. Waid,
Krapp und Wau lieferten die drei
Hauptfarben Blau, Rot und Gelb». Solche Pflanzen wurden früher zum Färben verwendet, bis sie vor fast 200 Jahren erstmals von synthetischen Farben
abgelöst wurden, die leichter in grossen Mengen herstellbar sind und als
länger haltbar gelten. Allerdings stellen sich viele Leute unter Pflanzenfarben etwas Falsches vor. Es geht nicht
einfach um Früchte und Blätter, die
zwischen den Händen zerrieben und
mit etwas Flüssigkeit zu einer Farbpaste verstrichen werden. Das Prozedere
ist weitaus komplizierter.
Die Künstlerin im Labor
Die Farbgewinnung geschieht in chemischen Umwandlungsprozessen, die
einer entsprechenden Laboreinrichtung bedarf. In der Ausstellung «Von
der Pflanze – zur Farbe – zum Bild» des
botanischen Gartens St. Gallen, die bis
im Oktober in Winterthur gezeigt
wird, werden die Vorgänge – vom Sammelgut bis zum fertigen Bild – anschaulich gezeigt.
Ausgestellt sind auch die Pflanzenfarbenbilder der Basler Künstlerin Kathrin Gerold-Spring, welche ihre Farben selbst herstellt. Schautafeln
zeigen, wie die Künstlerin-Forscherin
in ihrer zum Labor-Atelier umfunktionierten Waschküche die Farbextrakte
aus den getrockneten Pflanzenteilen
gewinnt. Dafür gibt es mehrere Methoden. Für zarte Blüten eignet sich besonders der Kaltauszug. Die Pflanzenteile werden ins kalte Wasser gelegt,
bis sich die Farbextrakte lösen.
Nach dem Filtern werden die Extrakte
mit Soda oder Pottasche und Alaun
(ein Metallsalz zum Beizen) versetzt.
Dabei bildet sich ein Mineral, das die
Farbstoffe bindet. Menge und Art der
beigefügten Metallsalze bestimmen
den Farbton mit. Das erklärt unter an-
SPRECHSTUNDE
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Klatschmohn
Weissdorn
Esche
Färber wau (Reseda)
derem, weshalb bei jeder ausgestellten
Pflanze in den Schaukästen eine ganze
Palette von Farbtönen liegt. Jene der
Esche beispielsweise reicht von hellem
Gelb bis Grün. Auch können die Farben von unterschiedlichen Pflanzenteilen stammen. Der Klatschmohn ist
dafür ein schönes Beispiel: Seine Blüten liefern Blau und Violett, seine
Staubfäden Grün.
Zur Aufbewahrung werden die Farbpigmente getrocknet und fein zerrieben. Damit jedoch kann noch kein
Malpinsel etwas anfangen. Zur Malfarbe werden die Farbpigmente erst,
wenn ein Bindemittel dazu kommt.
Für Temperafarben verwendet die
Künstlerin Leinöl, Terpentin und
Kirschgummi, den sie ebenfalls selbst
sammelt. Gewinnt sie die Farbpigmente durch Destillieren, fügt sie am
Schluss das anfänglich destillierte
Wasser dazu, das die Duftstoffe der
Pflanze enthält – was Malen auch für
die Nase zum Erlebnis macht.
Färberpflanzen als Heilmittel
Einige Jahre sind vergangen, seit Kathrin Gerold-Spring damit begonnen
hat, Färberpflanzen zu suchen, Farben
selbst herzustellen und damit zu malen. Anfänglich erhielt sie Anregungen
von einem Naturarzt, in dessen Heilmittellabor sie chemisch-pharmazeutische Prozesse kennen lernte. Diese
entwickelte sie für die Farbgewinnung
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SPRECHSTUNDE
in ihrem eigenen Labor weiter. «Bis die
Resultate brauchbar waren, habe ich
viel experimentiert. Inzwischen kann
ich das Ergebnis besser steuern und
abschätzen», erzählt die Künstlerin.
Inzwischen hat sie auch ein Auge für
die verschiedenen Pflanzen entwickelt.
Sie erinnert sich beispielsweise, wie sie
zum ersten Mal blühende Reseda entdeckte. Reseda wurde bereits im Mittelalter zum Färben verwendet, ihre Blüten liefern ein leuchtendes Gelb, und
sie ist auch unter dem Namen «Färberwau» bekannt. «Häufig werde ich auf
Brachen fündig, wo Pflanzen wachsen,
die als Unkraut gelten, wie beispielsweise Brennnesseln oder Mädesüss»,
erzählt sie.
Unter diesen Pflanzen befinden sich
auch zahlreiche Arten, die sich auch
als Heilpflanzen einen Namen gemacht haben. Zum Beispiel der Weissdorn, ein Strauch, aus dessen Blüten
gelbe und orange Farbtöne gewonnen
werden können, und der auch in der
Phytotherapie verwendet wird, um
Herzbeschwerden zu behandeln. Frauenmantel, Efeu und Birke sind weitere
Pflanzen, die sowohl der Heilkunde
dienen als auch Farbpigmente liefern
können.
Die Wirkung hängt an der Wand
Die Bilder in der Winterthurer Ausstellung demonstrieren, was aus den
Pflanzenfarben werden kann. «Die Far-
ben wirken auf der Leinwand anders
als synthetische Farben. Auch spielt es
eine grosse Rolle, dass ich die Farben
nicht mehr fixfertig kaufe, sondern
Schritt für Schritt selbst herstelle», erzählt Kathrin Gerold-Spring. Seit sie
sich mit Pflanzenfarben befasse, sei
ihre Malerei ruhiger geworden, sie
müsse sich mehr darauf einlassen als
bei synthetischen Farben, die schriller
sind und schneller auf der Leinwand
landen.
Die Besucherinnen und Besucher der
Ausstellung können sich selbst ein
Bild machen. Und beim nächsten Spaziergang fällt vielleicht plötzlich die
eine oder andere Färberpflanze auf.
Pflanzen, die an dieser Stelle schon seit
langem wachsen, bisher jedoch meistens links liegen gelassen worden
waren.
Die Ausstellung «Von der Pflanze –
zur Farbe – zum Bild» dauert bis zum
23. Oktober 2005.
Naturwissenschaftliche Sammlungen
Winterthur
Museumstrasse 52, 8400 Winterthur,
Tel. 052-267 51 66
E-Mail: [email protected]
Öffnungszeiten: täglich 10–17 Uhr,
ausser Montag
AUSSTELLUNG
Färberkrapp
FOTOS: BOTANISCHER GARTEN ST. GALLEN
Johanniskraut
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