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01|ÜberdenAutor
FlorianFreistetter
FlorianFreistetterpromovierteamInstitutfürAstronomieder
UniversitätWienundhatdanachanderSternwartederUniversität
JenaunddemAstronomischenRechen-InstitutinHeidelbergals
Astronomgearbeitet.ZurZeitlebterinJena,bloggtüber
WissenschaftundschreibtmanchmalBücher.
http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/
02|Inhalt
01
02
ÜBERDENAUTOR
INHALT
03
FORSCHUNG
DieGeschwindigkeitdesSchalls
04
05
WEITERESTERNENGESCHICHTEN
01
DieAtmosphäredesPluto
02
Asteroseismologie
03
RelativistischeQuantenchemie
04
DieGezeiten
05
DieSupersymmetrie
06
DieKardaschow-Skala
07
BaryonischeakustischeOszillationen
08
Titan–derfaszinierendsteMonddesSonnensystems
IMPRESSUM
03|Forschung
DieGeschwindigkeit
desSchalls
VONFLORIANFREISTETTER
EswarlangeZeitnichtmöglich,exaktzumessen,mitwelcher
GeschwindigkeitsichGeräuschefortbewegen.DieProblemelagen
allerdingsandersalsbeimLicht.Dahatmanjaursprünglichnicht
einmalgewusst,obesüberhaupteineGeschwindigkeitgibt,dieman
messenkannoderobesnichtvielleichtdochunendlichschnellist.
DIEGESCHWINDIGKEITDESSCHALLS
E
rlangeZeitnichtmöglich,exaktzumessen,mitwelcher
GeschwindigkeitsichGeräuschefortbewegen.Die
ProblemelagenallerdingsandersalsbeimLicht.Dahat
manjaursprünglichnichteinmalgewusst,obesüberhaupt
eineGeschwindigkeitgibt,diemanmessenkannoderobesnicht
vielleichtdochunendlichschnellist.ErstdieMöglichkeit,die
AusbreitungdesLichtsüberlange,astronomischeDistanzenim
WeltallzuverfolgenundspäterausgeklügeltetechnischeApparate
habenesmöglichgemacht,dasenormeTempodesLichtszumessen.
DassderSchallnichtunendlichschnellseinkann,mussallendiesich
darüberernsthaftGedankengemachthaben,schonfrühklar
gewesensein.ImmerhinkannmanjabeimPhänomendesEchos
direkthören,dasseseinbisschendauertbisdaswiederholte
Geräuschankommt.AuchdieErzeugungvonGeräuschenzeigte,
dasshieretwasseinmusste,dassichmiteinerkonkreten
Geschwindigkeitausbreitet.WennmanzumBeispieldieSaiteeines
InstrumentsinSchwingungversetzt,isteinTonzuhören:Die
schwingendeSaitemussalsodieLuftzumSchwingenbringenund
dieseSchwingungenbrauchenZeit,umsichfortzubewegen.
Undgenaudalagdas
Problem:Zeit!Willmaneine
Geschwindigkeitmessen,
mussmannatürlichauch
Zeiträumesoexaktwie
möglichmessenkönnen.
Aberdashabendie
Menschenerstsehrspät
gelernt.LangeZeitwaren
Sonnenuhren
beziehungsweiseeinfachdie
Sonneselbstvöllig
ausreichendfürdenAlltag.
Weresgenauerwissen
wollte,konnte
Kirchturmuhrennutzen–
aberZeiträumeaufdie
Sekundegenauzu
IsaacNewtonmischtüberallmit!(Bild:
bestimmen,warnichtnötig
WellcomeTrust,CC-BY4.0)
undauchnichtmöglich.Erst
alsdieNaturwissenschaftim17.Jahrhunderternsthaftbetrieben
wurde,warauchderBedarfnachgenauerenUhrenvorhanden.
DieWissenschaftlerderdamaligenZeithabensichmitallerlei
Provisorienbeholfen.EsgabSand-oderWasseruhrenoderman
nutztedeneigenenPulsschlagalsTaktgeber.Im17.Jahrhundert
wurdendieerstenPendeluhrenkonstruiert,dieeinenFortschrittin
SachenGenauigkeitbrachte.Dererste,dereinenhalbwegs
brauchbarenWertfürdieSchallgeschwindigkeitbestimmte,hatteso
etwasabernichtzurVerfügung.AlsIsaacNewtonimJahr1686im
KolonnadengangdesTrinity-CollegevonCambridgestand,warsein
Versuchsaufbaurelativsimpel.ErstandaneinemEndedeslangen
GangsundklatschteindieHände.DerSchallmussteeineLängevon
64Meternzurücklegen,bevoreraufdieWandamanderenEnde
traf.DiedortreflektiertenSchallwellenhattendannnocheinmaldie
gleicheStreckevorsich,bisdasEchowiederbeiNewtonankam.Die
gesamteStreckevon128MeternkonnteNewtonleichtmessen.Er
musstejetzteigentlichnurnochbestimmen,wielangeesdauert,bis
ernachdemKlatschendasEchohörenkonnte.
HeutewäredaskeingroßesProblem.Manbrauchtnureinegute
StopuhroderambesteneinAufzeichnungsgerät–beidesfindetman
mittlerweileaufjedemSmartphone–undkanndenZeitraumund
damitauchdieGeschwindigkeitdesSchallsbestimmen.Newton
benutzteeinPendel.EinPendel,keinePendeluhr–aberdasreichtim
Prinzipauch.Eswardamalsschonbekannt,dassdie
SchwingungsdauereinesPendelsvonseinerLängeabhängt.Je
längerdasPendel,destolängerbrauchtes,umeinmalhinundher
zuschwingen.KenntmandieLängedesPendels,kannmandaraus
dieZeitberechnen,dieesfüreineSchwingungbraucht.ZurZeit
NewtonswardieseMethodegenaueralsdievorhandenenUhren–
aberauchkniffliginderAnwendung.
NewtonverändertedieLängedesPendelssolange,biseine
Schwingunggenausolangedauerte,wiedieRückkehrdesEchos.
DazuwarenvieleVersuchenotwendig,aberamEndekamerauf
eineLängevon3,5Zentimeter.SoeinPendelschwingtschnell;es
dauertwenigeralseinehalbeSekunde!AberwennNewtoneines
war,danngründlichundbeharrlichundsokonnteeramEndemit
dieserZeitmessungeineGeschwindigkeitdesSchallsvon298Metern
proSekundeberechnen.
DaswarschoneinziemlichguterWert.Vorallemwaresein
konkreterWert,dereinerkonkretenMessungundBerechnung
entstammte.AberNewtonlagtrotzdemeingutesStückdaneben.
EigentlichhätteereinenWertvonetwa343MeterproSekunde
messenmüssen.TrotzdemistseineMessungaußergewöhnlich.
NatürlichkamenauchfrüherschonLeuteaufdieIdee,ähnliche
Experimenteanzustellen.ManhatzumBeispielvonhohenTürmen
ausbeobachtet,wieGewehreoderKanoneninderFerneabgefeuert
wurdenunddann–meistensmitPendeln–gemessen,wielangeder
Schallbraucht.Aberabgesehendavon,dassNewtons
Versuchsaufbauwesentlichsorgfältigerwar,hatteernichteinfach
nurgemessen,sondernauchprobiertzuverstehenwasdapassiert.
InseinemmonumentalenundrevolutionärenWerkPrincipia
Mathematicaerklärteerjavielmehrals“nur”dieGravitationskraft
(obwohldasschonvölligausgereichthätte,umzuRechtsoberühmt
zuwerdenwieereswurde).NebenvielenanderenErkenntnissen
enthieltdasBuchaucheineFormel,mitderNewtondieAusbreitung
desSchallsinverschiedenenMedien–fest,flüssigodergasförmig–
berechnenkonnte.DieGeschwindigkeitentsprachderWurzelaus
demVerhältnisvonDruckzurDichtedesMediums,indemsichder
Schallbewegt.
Wiegesagt:EinebemerkenswerteArbeit.Aberauchnichtganz
richtig.NewtonhatteeinenFehlergemacht,derersteinwenigspäter
vomfranzösischenMathematikerPierreSimonedeLaplacekorrigiert
wurde.Newtonhatteübersehen,dassnichtnurderDruckunddie
Dichtebestimmen,wieschnellsichderSchallfortbewegt,sondern
auchdieTemperatureinesMediums.Darumwardervonihm
errechneteWertaucheinwenigzuklein.Laplacekorrigiertedie
FormelentsprechendunddieneueGleichungzurBerechnungder
SchallgeschwindigkeitheißtheutedeswegenauchNewton-Laplace-
Gleichung.
Undsiezeigt,warumdieSchallgeschwindigkeitsoeinewichtige
GrößeinderNaturwissenschaftist.DadieGeschwindigkeitvonder
Dichte,demDruckundderTemperaturabhängt(undgenau
genommenauchnochvoneinigenanderenParametern),kannman
auchalldieseWertedurcheineMessungderSchallgeschwindigkeit
bestimmen!UndgenaudasmachtdenSchallauchsowertvollfürdie
Astronomie–wennsichSchallwellenimheißenPlasmaderSterne
ausbreitenundwirihreGeschwindigkeitdankderAstroseismologie
bestimmenkönnen,könnenwirdammitauchalldieEigenschaften
desMaterialsimInnerenderSterneberechnen,diewirnichtdirekt
beobachtenkönnen,aberwissenwollenundmüssen,wennwirsie
verstehenwollen.
Vormehrals300JahrenhatIsaacNewtoninCambridgeindie
Händegeklatscht.Undheutekönnenwirhören,wieSterne
funktionieren!
04|WeitereSternengeschichten
DIEATMOSPHÄREDESPLUTO
P
isteinfaszinierenderHimmelskörper.Ok,eigentlichsind
alleHimmelskörperaufihreeigeneArtfaszinierend.Aber
Plutowarimmerirgendwieaußergewöhnlich.Alser1930
dasersteMalbeobachtetwurde,feiertemandie
EntdeckungeinesneuenPlaneten.Nachdemmandannaber
erkannte,dassessichnichtwirklichumeinenPlanetenhandelt,
sondernvielmehrumeinengroßenAsteroidenverlorPlutoimJahr
2006seinenStatusalsPlanetundwirdnunoffiziellals“Zwergplanet”
bezeichnet.SeineFaszinationhaterabernichtverloren.
EinGrunddafürwarsicherlichauchdieTatsache,dasswirsehrlange
sehrwenigüberPlutowussten.Währendinden1960erund1970er
JahrenschonalleanderenPlanetenvonRaumsondenbesucht
wordenwaren,gabesvonPlutonichtmehralsBilder,dieeinen
hellenLichtpunktzeigten.DiebestenTeleskopederErdeunddie
nochbesserenWeltraumteleskopeschafftenesnicht,mehralsnur
verschwommeneAufnahmendeskleinenHimmelskörperszuzeigen
aufdenenkeineStrukturenseinerOberflächezuerkennenwaren.
EshatbiszumJuli2015gedauert,bevorPlutoBesuchvoneiner
Raumsondebekommenhatundwirendlichmehrüberihnerfahren
haben.UnteranderemüberseineAtmosphäre.
BlauerHimmelüberderdunklenSeitedesPluto(Bild:NASA/JHUAPL/SwRI)
EineAtmosphärebeiPluto?Dasklingtirgendwieseltsam.Dennwenn
wirauchsehrvielsehrlangenichtgewussthabe:Eineswarschon
ziemlichbaldnachderEntdeckungdesPlutoklar.Der
Himmelskörperistvergleichsweiseklein.SeinDurchmesserbeträgt
nur2370Kilometer.DamitisterkleineralsdieachtPlanetendes
SonnensystemsundsogarkleineralsvieleMondedieserPlaneten.Er
istsogardeutlichkleineralsderMondderErde,deresaufeinen
Durchmesservon3476Kilometerbringt.
JekleinereinHimmelskörperist,destogeringeristdie
Gravitationskraftdieerausübenkannunddestounwahrscheinlicher
istesauch,dasserinderLageist,eineAtmosphärefestzuhalten.
UnddasistbeiPlutonatürlichauchderFall.Eswarniedamitzu
rechnen,dassmandorteineGashüllefindet,diederLufthülleder
Erdeähnlichist.Abermanhatschonziemlichfrühvermutet,dass
mandortzumindesteineganzdünneAtmosphäreentdeckenkönnte.
DennPlutobefindetsichfernderSonne,inderRegiondes
SonnensystemsinderwährendderEntstehungderPlanetenund
AsteroidensehrvielEisvorhandenwar.Undmit“Eis”sindallgemein
gefroreneGasegemeint,nichtnurdasWassereis,daswirhierauf
derErdemeistensmeinen,wennwirdiesesWortverwenden.Die
bisherdortentdecktenHimmelskörperbestehendeswegenalleauch
zueinemgroßenTeilausdiesemMaterial.Eshandeltsichum
ObjektemiteinemfelsigenKernüberdemeinedickeSchichtausEis
liegt.
AberselbstwennessoenormkaltistwieinderfernenEckedes
SonnensystemsindersichPlutobefindet,bleibtEisnichtimmerfest.
Esschmilztnatürlichnicht–abereskannsichimLaufederZeit
verflüchtigen.EinzelneMolekülelösensichimLaufederZeitausder
KristallstrukturundentkommeninFormvonGasindieUmgebung.
DiesenVorgangnenntmanSublimationundmankanndasauch
selbstausprobieren:ManmussEiswürfelnurlangegenugim
Tiefkühlfachlassenundsiewerdenirgendwanntrotzdergeringen
Temperaturenverschwundensein.
AuchPlutogehörtzudiesenEisweltenundwenndanunsovielEis
vorhandenist,dannsollteeinTeildavonauchsublimierenundeine
dünneundflüchtigeAtmosphärebilden.Schoninden1940erJahren
suchtederAstronomGerardKuiper–nachdemauchder
Asteroidengürtelbenanntist,indemsichPlutobefindet–nach
HinweiseaufeineAtmosphärebeiPluto.MitderdamaligenTechnik
hatteeraberkeineChanceundblieberfolglos.1976entdeckteman
beiBeobachtungen,dassaufPlutoMethaneisexistierenmussund
dieseArtvonEiswürdebeidendortherrschendenTemperaturen
aufjedenFallsublimieren.EineAtmosphäreausMethan–zumindest
einbisschen–solltedorteigentlichzufindensein.
Wirklichgefundenhatmanabertrotzdemnichts.Erstinden1980er
JahrenmachtemanFortschritte.DakamdasUniversumden
AstronomenzuHilfe.1985und1988fandensogenannte
Sternbedeckungenstatt.Dasbedeutet,dasPlutovonderErdeaus
gesehengenauvoreinemSternvorüberzieht.Beobachtetmandas
LichtdesSterns,wirdeskurzfristigschwächerbzw.verlischtwährend
PlutounsdenBlickverstellt.AusderDauerderVerdunkelungkann
mandannzumBeispieldenDurchmesserdesHimmelskörperssehr
gutbestimmen.Mankannaberauchnachsehen,obdasLicht
schlagartigverschwindetodernicht.
DennhatPlutokeineAtmosphäre,dannwürdedasLichtdesSterns
voneinemMomentaufdenanderenverschwinden.Existiertaber
eineHülleausGas,dannwirdeszuerstnureinwenigschwächer,
bevoresverschwindet.DennzuBeginnderBedeckungkanndas
LichtdesSternsnochdurchdieAtmosphäredesPlutozuuns
gelangenundwirddabeinurabgeschwächtabernichtvöllig
blockiert.ErstwennsichderHimmelskörperselbstvordenStern
schiebt,wirdesdunkel.UndwenndieBedeckungzuEndegeht,
passiertdasgleichenocheinmalinumgekehrterReihenfolge.
DieBedeckungender1980erJahrenzeigtengenaudiesesVerhalten.
PlutomussteeinedünneAtmosphärehabeaberüberderen
ZusammensetzungundandereParameterwusstemannochnichts.
Beobachtungeninden1990erJahrenzeigtendann,dassesauch
StickstoffeisaufPlutogebenmussunddamitnebenMethanauch
StickstoffinderAtmosphäre.ManfandauchHinweiseauf
gefrorenesKohlenmonoxid.ImneuenJahrtausendwarmandann
auchinderLage,dieTemperaturanderOberflächedesPluto
genauerzumessenalsbisherundfand,dassesdort-230Gradkalt
ist.Dasistziemlichkaltundsogarnocheinwenigkälteralserwartet.
DenGrunddafürvermutetemaninderSublimationvonStickstoffeis
–dabeiwirdEnergieverbraucht,diedenPlanetenzusätzlichkühlt.
AbdemJahr2000gabesauchvielmehrSternbedeckungenzu
beobachten,dasichPlutoaufseinerBahnindieGegenddes
Himmelsbewegthatte,indersichauchdieMilchstraßebefindet.
DortgibtesjedeMengeSterneunddievielenBedeckungen
erweitertendasWissenumdieAtmosphäredesPluto.
BevordieRaumsondeNewHorizonsimJuli2015denPlutoerreichte,
waralsoschoneinigesüberdieAtmosphärebekannt.Manwusste,
dassesdortStickstoff,MethanundKohlenmonoxidgebenmuss.
AbersehrvieleDetailswarensounbekanntwiederRestdes
Zwergplaneten.WiegroßistderAnteildereinzelnenGase?Wiedicht
istdieAtmosphäretatsächlichundwiegroßistderdurchschnittliche
Druck?WieweitreichtdieAtmosphäreüberdieOberflächehinauf?
WiestabilistdieAtmosphäre?
BesondersderletztePunktistinteressant.DennPlutobrauchtfast
248JahreumdieSonneeinmalzuumrunden.Dastuteraufeiner
Bahn,diestarkvoneinerKreisbahnabweicht.Wennersicham
sonnennächstenPunktseinerBahnbefindet,dannisterknapp30
MalweitervonihrentferntalsdieErde.AmsonnenfernstenPunkt
seinerBahnistdieEntfernungaber50Malgrößeralsdermittlere
AbstandzwischenErdeundSonne!DasisteingroßerUnterschied
undnatürlichwirktsichdasauchaufdieTemperaturaus.
BeiunsaufderErdehabendieunterschiedlichenTemperaturenin
SommerundWinternichtsmitdemAbstandzurSonnezutun.
TatsächlichistdieErdesogardannderSonneamnächsten,wennauf
derNordhalbkugelgeradeWinterherrscht.DieJahreszeitenwerden
durchdieNeigungderErdachseverursacht,diedafürsorgt,dasszu
verschiedenenZeitenimJahrdieIntensitätderaufdieErde
treffendenSonnenstrahlungunterschiedlichgroßistunddieSonne
unterschiedlichlangamHimmelzusehenist.
AuchPlutosAchseistgeneigtunddasnochdazusehrvielstärkerals
beiderErde.DieJahreszeitensindalsoalleinschondeswegenviel
extremer.AußerdemspieltbeiihmaberebenauchderAbstandzur
SonneeineRolle.Mangingalsodavonaus,dassesaufPlutoenorm
kaltwird,wennersichvonderSonneentfernt.Sokalt,dassdieGase
derAtmosphäreausfrieren,alsSchneeaufdieOberflächefallenund
dortbleiben,bisderHimmelskörpersichwiederaufwärmtwenner
derSonnenahekommt.
AberdieRealitätscheintvielkomplexerzusein.DasZusammenspiel
zwischenderNeigungderAchseunddemAbstandzurSonnesorgt
dafür,dassdieunterschiedlichenHemisphärensichunterschiedlich
aufheizenundGaseständighinundherströmen.DieBereiche,in
denenPolarnächtebzw.Polartageherrschen,wodieSonnealsonie
untergehtsinddortvielgrößeralsaufderErde.WennesaufPluto
alsoimWinterextrakaltist,kanndasGasquasiaufdiedauerhaft
vonderSonnebeleuchteteHemisphäreausweichenunddort
“überwintern”.DasMethaninderAtmosphäreerzeugteinen
TreibhauseffektweswegenesinderoberenAtmosphäre–alsoin
etwa20bis40KilometerHöhe–ungefähr50Gradwärmeristals
aufderOberfläche.UnddieAtmosphäreverändertsichzwarim
LaufeeinesPluto-Jahrs,bleibtaberimmerbestehen.
Alldasweißman,seitNewHorizonsdenZwergplanetenbesuchthat
–undnochvielmehr.DeratmosphärischeDruckaufderOberfläche
liegtbeietwaeinemPascal,istalso100.000Malgeringeralsaufder
Erde.StickstoffmachtihrenHauptbestandteilausundMethanund
KohlenmonoxidfindetmannuringeringenMengen.DieAtmosphäre
verschwindetauchständiginsAll–biszu500KilogrammStickstoff
proSekundeverliertderZwergplanet.AbersolangenochEisauf
Plutozufindenist,wirdimmerwiederneuesGasnachgeliefert.
NewHorizonshatenormvieleDatengesammeltundden
faszinierendenHimmelskörpernochfaszinierendergemacht.Allein
dieArtundWeisederMessungwarspektakulär.AnBordder
RaumsondebefandsicheinEmpfängerfürRadiosignale.Dieses
GeräthatentsprechendeSignalevonderErdeempfangenundzwar
genauindemMoment,alsNewHorizonssichhinterPlutobewegte.
DieSignalekonntenalsodurchdieAtmosphäredringenunddieArt
undWeisewiesieabgeschwächtwurdenließRückschlüsseaufderen
Zusammensetzungzu.Dasklingtsimpel,istesabernicht.Ganzund
garnicht!DieRaumsondeumkreistePlutonicht,sondernflogmitder
enormhohenGeschwindigkeitvon13,8km/sanihmvorbei.Esgab
alsonureinenMomentindemdieMessungmöglichwarundden
musstemangenauerwischen.Dazukommt:DieSignalevonderErde
brauchenaufgrunddergroßenEntfernung5Stunden,bissieamZiel
ankommen.Manmusstesiealsoschonlosschicken,alsdieSonde
nochweitvondemPunktentferntwar,andemsiedieRadiowellen
empfangensollte.
AberdasManöverhatgeklapptundauchdieanderenExperimente
anBordvonNewHorizonshabengenugDatengesammelt.Darum
wissenwirnunauch,dassderHimmelaufPlutoblauist!Wenn
StickstoffundMethanindenäußerenBereichenderPlutoAtmosphärevonderhochenergetischenUV-StrahlungderSonne
getroffenwerden,könnendieMoleküleauseinanderbrechenunddie
einzelnenAtomesichzuneuenStrukturenverbinden.Esentstehen
sogenannte“Tholine”,alsogroßeorganischeMolküle.Anihnenkann
dasLichtderSonnegestreutwerdenunddadasfürunterschiedliche
Farbenunterschiedlichstarkpassiert,bleibteherbläulichesLicht
übrig.ZusätzlichlagernsichandereGaseandenTholinenan,die
dannalseineArtSchneeaufdieOberflächefallen,wosiefürdie
typischerötlicheFärbungdesHimmelskörpersverantwortlichsind.
EinblauerHimmelübereinerLandschaftausrotemSchnee!Plutoist
wahrhaftigundweiterhineinerderfaszinierendstenHimmelskörper
inunseremSonnensystem!
ASTEROSEISMOLOGIE
I
rAstronomiehatmanesjavorallemmitLichtzutun.Fast
ausschließlichmitLicht.Andersgehtesjaauchkaum,dadie
Forschungsobjekteimmerenormweitwegsind.Manuntersucht
daherdieelektromagnetischeStrahlung,dieunsaufderErde
vonüberallherausdemUniversumerreicht.Lichtistdieabsolut
wichtigsteInformationsquellewennmanetwasüberdenKosmos
herausfindenwill.AberauchderSchallspielteinewichtigeRolle.
HörenkannmandasUniversumzwarnicht.DerluftleereRaum
zwischendenSternenundPlanetenmachteineAusbreitungvon
Schallunmöglich.TrotzdemisteinVerständnisdesSchallswichtig.
ZumBeispiel,wennmangenauwissenwill,wieeinSternfunktioniert.
DieDisziplin,diesichSternenundSchallwellenbeschäftigt,nennt
man“Asteroseismologie”undsieistunerläßlich,wennmanSterne
verstehenwill.
InsoeinemSternpassieren
jajedeMengeDinge.ImKern
fusionierenAtome
miteinanderunderzeugen
Energie,dienachaußen
dringt.DieMaterieausder
einSternbesteht,dasheiße
Gas,dasindiesemFall
“Plasma”genanntwird,weil
essoheißist,dassdie
AtomkerneihreElektronen
verlorenhaben,istständigin
Bewegung.Typischerweiseist
dieMaterieauchnicht
SchwingungsmodenineinemStern(Bild:
PublicDomain)
kompletthomogen.In
verschiedentiefenSchichten
istdieZusammensetzungunterschiedlichundesherrschen
unterschiedlicheDrückeundTemperaturen.Dieseunterschiedlichen
EigenschaftendesPlasmaswillmangerneverstehen,dennsie
bestimmen,wiesicheinSternimLaufeseinesLebensentwickelt.
Sehenkannmandasallesaberleidernicht.Wirkönnennurvon
außenaufdenSternblickenundnurseineäußereSchichtsehen.
AberderSchallkannunsdabeihelfen,trotzdemzuerfahren,was
dortvorsichgeht.KönntenwirunsimInnereneinesSterns
aufhalten,ohnedabeisofortzusterben,dannwürdewirfeststellen,
dassesdortextremlautist.DasheißePlasmaströmthinundher;
dasganzeInneredesSternsistständiginBewegungunderzeugt
dabeiSchallwellen,diesichimPlasmaausbreiten.
MitdennormalenGeräuschen,diewirvonderErdekennen,lässt
sichdasnatürlichnichtvergleichen.Nurwenneswirklichsehrsehr
lautist,könnenwirdenSchallauchspürenanstattihnnurzuhören.
Schallistjabeiunsimallgemeinennichtsanderes,alsbewegteLuft.
Undnormalerweisebewegtsiesichdabeisolangsam,dasswirdas
empfindlicheTrommelfellinunserenOhrenbrauchen,umdavon
überhauptetwaszumerken.NurwennesWIRKLICHlautist,bewegt
sichdieLuftsostark,dassdieGeräuscheauchandersspürbarsind.
WerschonmalbeieinemKonzertdirektvordengroßen
Lautsprecherngestandenistundgespürthat,wiedieBässeden
ganzenKörperzumVibrierenbringen,weißwiesichdasanfühlt…
ImInnereneinesSternsbringendieSchallwellendenSternselbst
zumSchwingen.DasPlasmavibriertundschwingtunddie
Schallwellenbreitensichaus.Wiegenausiedastun,hängtvonden
EigenschaftendesMaterialsab,durchdassiebewegen.Inder
letztenFolgederSternengeschichtenhabeichvonderMessungder
Lichtgeschwindigkeiterzählt.DasbreitetsichimVakuumimmer
gleichschnellaus,wirdvonMaterieaberabgebremst.BeimSchallist
esgenauso:SeineGeschwindigkeithängtvondemMediumab,in
demersichbewegt.
SowiedieErdbebenwellenimInnerenderErdeanden
verschiedenenGesteinsschichtenreflektiertwerdenundunsdamit
erlauben,mehrüberdeninnerenAufbauunseresPlanetenzu
erfahren,werdenauchdieSchallwellenineinemSternan
unterschiedlichenSchichtenreflektiertoderabgelenkt.Natürlich
mussmansicheinbisschenmehranstrengen,umdiese
SchwingungenzumessenalsinderGeophysik.AufderErdekönnen
wirjaentsprechendeMessinstrumenteeinfachüberallverteilen;bei
einemSternistdasnichtmöglich.
HierbleibtunsnurdasLicht–aberdasreicht!DennderSchallhat
AuswirkungenaufdasLichtdesSterns.DieSchwingungenfinden
nichtnurtiefimInnerendesSternsstatt,sondernreichenbisindie
äußerenSchichten.AlsobisindiePhotosphäre,ausderdie
Strahlungkommt,diewirschlußendlichbeobachtenkönnen.
SchallwellenunterschiedlicherFrequenzkönnenunterschiedlichtief
insInneredesSternseindringen.Jetiefersiegelangen,destomehr
DistanzlegensieunterderOberflächezurückunddestoseltern
kommensieandieOberfläche;werdensiedagegenschonin
geringererTiefereflektiert,gelangensieöfterzurückandie
OberflächewährendsiesichumdenSternherumbewegen.Alldas
führtzueinerÜberlagerungunterschiedlichsterSchwingungen.Teile
derOberflächedesSternsbewegensichnachaußenwährend
anderegleichzeitignachInnenschwingenundumgekehrt.Sowiedie
LuftineinemMusikinstrumentdurchdieFormdesTonkörpersauf
unterschiedlicheArtundWeisezumSchwingengebrachtwirdund
sichdurchdieÜberlagerungenundResonanzenverschiedenste
Obertöneausbilden,diejedemInstrumentseinencharakteristischen
Klanggeben,hängtauchdercharakteristische“Ton”einesSternsvon
seinerMasse,seinerZusammensetzung,seinemAlterundallden
anderenEigenschaftenab,diemankennenmöchte,umeinenStern
zuverstehen.
DieSchwingungenanderOberfläche
lassensichnichtdirektbeobachten,aber
dafürindirektmessen.Einerseitsdurch
diekleinenHelligkeitsveränderungen,die
vonihnenverursachtwerden.EinStern
derpulsiertwirddabeieinkleines
bisschenhellerbeziehungsweise
dunkler.UnddieHelligkeitsänderungen
sinddabeiwirklichminimal–ungefähr
Bild:Tosaka,CC-BY-SA3.0)
so,alswürdemanvonEuropaausein
HochhausinNewYorkbeobachten,bei
deminjedemFensterdasLichtbrennt
undeinesdavonkurzmiteinerJalousieverdunkeltwird.Aberdie
TeleskopederAstronomensindmittlerweilegenaugenugumsolche
SchwankungenimLichteinesSternsmessenzukönnen.Andererseits
kannmanauchdieTatsachenutzen,dassdieSchwingungjaeine
Bewegungist:WenneinSternschwingt,bewegtsicheinTeilseiner
Oberflächeaufunszuundeinandererentferntsichvonuns.Das
Licht,dasausgestrahltwird,wirddadurchbeeinflusst.DieLichtwellen
dieausdemTeilstammendersichaufunszubewegt,werdenein
weniggestaucht,dieandereneinweniggedehnt.Dasistder
Dopplereffekt,denmanjaauchvondenSirenenvorbeifahrender
Einsatzfahrzeugekennt.DiedurchdieSchwingungverursachte
periodischeVeränderungimSternenlichtlässtsichmessenund
ermöglichtsoebenfallsdieIdentifikationderunterschiedlichen
SchallwellenimInnereneinesSterns.
NatürlichbrauchteseinigesananalytischerArbeitumfestzustellen,
obÄnderungenimLichteinesSternsaufSchallewellen
zurückzuführensindoderaufanderePhänomenewiezumBeispiel
SternfleckeodervorbeiziehendePlaneten.Aberesistmachbarund
indenletztenJahrzehntenhatmangelernt,aufdieseArtundWeise
dasSternenlichtzuinterpretieren.DankderAsteroseismologie
könnenwirSchallsehenundhören,wasunsdieSternezusagen
haben!
RELATIVISTISCHEQUANTENCHEMIE
G
istgoldfarben.UndSilberistsilberfarben.Aberwarum
eigentlich?UndwiesohatGoldüberhauptsoeineganze
andereFarbealsdiemeistenanderenMetalle,diejaalle
ebenehermetallischgrauglänzenundnichtsoschön
gelb-rotwiedasGold?
Gold.Aberwarumsiehtessoaus,wieesaussieht?Bild:Publicdomain
DieFarbedesGoldesistesjaauch,dieesnebenseinerSeltenheit
undleichtenFormbarkeitfürunsMenschensowertvollmacht.Und
indieserFarbestecktjedeMengeWissenschaft.Umzuverstehen,
warumGoldgoldfarbenist,mussmannichtnurdie
Quantenmechanikbemühen,sondernauchdieRelativitätstheorie.
ZuerstmüssenwirunsinErinnerungrufen,wieeinAtomaufgebaut
ist.EsbestehtauseinemKernundeinerHülle.DerKernwiederum
bestehtausBausteinen,diemanProtonenundNeutronennennt.
Protonensindelektrischpositivgeladen;dieNeutronentragenkeine
elektrischeLadung.DieAnzahlderProtonenbestimmt,umwelches
chemischeElementessichhandelt.WasserstoffhateinProton.
Immer.WennessichumeineandereZahlvonProtonenhandelt,
dannisteskeinWasserstoff.SondernvielleichtHelium,dessenKern
zweiProtonenbeinhaltet.LithiumhatdreiProtonen.Undsoweiter.
BeiGoldatomenmussderKernganze79ProtonenimKern
enthalten.GoldistalsoeinziemlichschweresElement.
NebenProtonengibtesimKernaberauchauchdieNeutronen.Die
ZahlderNeutronenändertnichtsanderArtdesElementes.Egalwie
vieleNeutronenderKerneinesGoldatomeszumBeispielbeinhaltet:
EsbleibtimmerGold,solangenurdie79Protonenvorhandensind.
DieAnzahlderNeutronenbestimmtumwelchesIsotopessich
handelt.SowerdendieverschiedenenVariationeneineschemischen
Elementsgenannt.IstdasVerhältnisvonProtonenzuNeutronenin
einemAtomkernabernichtausgewogengenug,kannderAtomkern
instabilwerden.SolcheIsotopesinddannalsoradioaktivund
zerfallenfrüheroderspäter.Mankannalsonichtbeliebigviele
NeutronenineinenAtomkernpacken–irgendwannwirdmannur
nochinstabileIsotopebekommen.
Goldallerdingsiststabil.EsgibtzwarjedeMengekünstlich
herstellbareradioaktiveIsotopeaberinderNaturkommtnurdas
normale,stabileGoldvor,dasneben79Protonenauch118
Neutronenenthält.
SovielzumKern–abereinAtombrauchtaucheineHülle.Die
bestehtbeiGoldsowiebeijedemanderenElementauchaus
Elektronen,dieelektrischnegativgeladensind.UnddieElektronen
sindesauch,diefürdieFarbeverantwortlichsind.Wennein
LichtteilchenaufeinElektroninderHülleeinesAtomstrifft,dann
kanndiesesLichtteilchenvomElektronabsorbiertwerden.Dieser
Vorgangheißt“Anregung”unddasAtomhatdanachmehrEnergie
alsvorher.
DieseAnregungkannabernichteinfachirgendwieerfolgen.Hier
treffenwirnunaufdieQuantenmechanik.Derengrundlegende
Erkenntnisistesja,dassdieDingeinderNaturnichtkontinuierlich
ablaufen.EnergiekannbeispielsweisenurinFormvon“Quanten”
abgestrahltwerden.Anschaulichkannmandasmiteinem
Gartenschlauchvergleichen,ausdemdasWassernurinFormvon
Tropfenkommenkann.WenigerWasseralsineinemTropfen
enthaltenist,kannnichtabgegebenwerden.Genausokannein
Atomnichtvoneinembeliebigeninirgendeinenanderenbeliebigen
Zustandwechseln,sondernnurzwischenganzexaktdefinierten
Quantenzuständen.DaherstammtursprünglichauchderBegriff
“Quantensprung”:WenneinAtomvoneinemZustandineinen
anderenübergeht,dannhatsoQuantensprungstattgefunden.Ganz
imGegenteilzumallgemeinenSprachgebrauch,womit
“Quantensprung”irgendeinedramatischeundgroßeEntdeckung
bezeichnetwird,beschreibteinQuantensprungalsoeigentlichdie
kleinstmöglicheÄnderung,dieeinAtomerfahrenkann.
UndnochdazueineÄnderung,dienichtlangeanhält.Wennein
PhotonmitgenauderpassendenEnergieaufeinElektrontrifft,um
esvoneinemerlaubtenZustandineinenanderenzutransferieren,
dannbleibtdasimallgemeinennichtlangeso.Irgendwannwirddas
Elektronspontanwiederaufdenursprünglichen,niedrigeren
ZustandzurückfallenunddabeiwiedereinPhotonabstrahlen,
dessenEnergiegenauderEnergiedifferenzzwischendenbeiden
Zuständenentspricht.
WelchePhotonenvoneinemAtomabsorbiertwerdenkönnen,hängt
nunvonderspeziellenAnordnungab.ImNormalzustandhatjedes
AtominseinerHüllegenausovielenegativgeladeneElektronenwie
espositiveProtonenimKerngibt.DieElektronensindin
unterschiedlichenAbständenzumKernangeordnetdie
unterschiedlichenEnergiezuständenentsprechen.Dasistbeijedem
ElementverschiedenunddeswegenkannjedesElementauch
PhotonenmitunterschiedlichenEnergienabsorbieren.Licht
unterschiedlicherFarbeenthältunterschiedlichvielEnergieundGold
istbesondersgutdarin,blauesLichtzuabsorbieren–dasLicht,das
vondenAtomenreflektiertwird,enthältalsowenigblau.Und
erscheintunsdahergelb-rötlich.
AberwarumabsorbiertGoldblauesLichtundSilberoffensichtlich
nicht?HierkommtnundieRelativitätstheorieinsSpiel.ImJahr1905
hatAlbertEinsteinsichüberlegt,waspassiert,wennsichObjektefast
soschnellwiedasLichtselbstbewegen.Dabeistießeraufjede
MengeseltsameEffekte.Einerdavonistdersogenannte
“relativistischeMassenzuwachs”.JeschnellersicheinObjektbewegt,
destomehrMassescheinteszuhaben.Esisteinwenigschwierig
genauzuerklären,warumdassoist.Vorallemdeswegen,weil
EinsteinjamitseinerberühmtenFormelE=mc²gezeigthat,das
MasseundEnergiemehroderwenigerdasgleichesind.Jeschneller
sichnunetwasbewegt,destomehrEnergiestecktauchdarin–und
destounklarerwird,wasderBegriff“Masse”beischnellbewegten
Objekteneigentlichnochbedeutensoll.Darumsprechendie
Physikermeistensnurvonder“Ruhemasse”dieeinObjekthat,das
sichnichtbewegtundverwendenansonstendenBegriff“Impuls”,
wennesumbewegteMassenundEnergiegeht.Aberdaswürdejetzt
hierzuweitführenundumdieSacheeinigermassenanschaulichzu
halten,könnenwirunsvorstellen,dassdieMasseeinesObjektsum
sogrößerwird,jeschnelleressichbewegt.
DasgiltauchfürElektronen.IndenaltenRöhrenfernsehernwurden
beispielsweiseElektronenausgestrahlt,dievonhintenaufden
BildschirmtreffenunddortdasBilderzeugen.DamitdasBildscharf
ist,müssendieElektronenvonMagnetengenauaufdierichtige
Weiseab-undaufdierichtigenStellenamBildschirmgelenkt
werden.JestärkermaneinElektronablenkenwill,destostärkermuss
derMagnetsein.DieStärkederAblenkunghängtaberauchvonder
MassederElektronenab.Undwennmannichtberücksichtigt,dass
sichdieElektronenimFernsehapparatsoschnellbewegen,dassihre
Masserelativistischvergrößertwird,bekommtmankeinscharfes
Bild.
DieserEffektspieltnunauchbeiderFarbedesGoldeseinewichtige
Rolle.JemehrpositivgeladeneProtonenimKerneinesAtoms
vorhandensind,destostärkeristauchdessengesamteelektrische
LadungunddamitauchdessenelektrostatischeKraft,dieeraufdie
negativgeladenenElektronenausübt.Oderandersgesagt:Jemehr
ProtonenimKern,destoschnellerbewegensichdieElektronen.Und
jeschnellersiesichbewegen,destogrößeristihrerelativistische
Masse.JegrößeraberihreMasseist,destonäherrückensieanden
Kern.AuchhieristdieSachewiederschwierig,wennmansiesich
genauvorstellenwill.ElektronensindjakeinekleinenKugeln,dieum
denAtomkernkreisewiePlanetenumdieSonne,auchwennsieoft
immernochsodargestelltwerden.Genaugenommenkannmangar
nichtsagen,woeinElektrongenauist,sondernnurBereiche
angeben,woessichaufhaltenkönnteunddannmithilfeder
Quantenmechanikberechnen,wiegroßjeweilsdie
Wahrscheinlichkeitist,dassessichinbestimmtenRegionendieses
Bereichsaufhält.
DieseBereichenenntman“Orbitale”undwenneinElektrondurch
dieAbsorptionderEnergieeinesPhotonsvoneinemZustandin
einenanderenwechselt,dannwechseltmangenaugenommen
zwischenzweisolcherOrbitalehinundher.BeimGoldspieltin
unseremFallderWechselzwischendemsogenannten5d-und6sOrbitaleinewichtigeRolle.Wasdasgenauist,isthiernichtrelevant–
sowerdenebendieentsprechendenEnergiezuständebezeichnet,
derenDifferenzgenauderWellenlängevonblauemLichtentspricht.
IgnoriertmandieRelativitätstheorie,dannwärensichdiese5d-und
6s-OrbitalebeiSilberundGoldsehrähnlichunddamitauchdieArt
undWeise,wiesieblauesbzw.anderesLichtabsorbieren.DaGold
abernunschwereristalsSilberunddieElektronendorteinehöhere
GeschwindigkeitundeinehöhererelativistischeMassehaben,rücken
die6s-ZuständenäherandenKern.Sieliegenalsonäheram
AtomkernalsbeimSilberundweilsienäherliegen,könnendie
negativgeladenenElektronennundiepositiveelektrischeLadung
derProtonenbesserabschirmen.Dieweiteraußenliegenden5dZuständespürenalsojetztwenigerelektrostatischeKraftund
entfernensichvomKern.DurchdierelativistischenEffekteliegendie
6s-OrbitaledesGoldesnäheramKernalsdiedesSilbersunddie5dOrbitalesindweiterentferntalsbeimSilber.DamitElektronenvon
einemZustandindenanderenwechselnkönnenistbeiGoldalso
nuneineandereEnergiemengenotwendigalsbeiSilberweswegen
dasGoldmehrblauesLichtabsorbiertalsesdasSilbermacht.
Unddeswegengoldfarbenistundnichtsilberfarben!Die
relativistischenEffektespielenallerdingsnichtnurbeiGoldeine
Rolle.AuchvieleanderechemischeElementeverhaltensichnichtso,
wiemaneserwartenwürde,wennmansiereinklassischbetrachtet
ohnedieEffektederRelativitätstheoriezuberücksichtigen.AberGold
undSilberspielenebeninunsererKultureinegroßeRolleundder
Unterschiedisthierwirklichdeutlichsichtbarundwirmachenuns
darübermehrGedankenalszumBeispielüberdieFrage,warum
QuecksilberauchbeitiefenTemperaturennochflüssigist–wassich
ebenfallsnurmitderRelativitätstheorieerklärenlässt.
BeiderFragenachderFarbedesGoldestreffenAlltag,Kunst,Kultur
undWissenschaftaufhöchstinteressanteWeisezusammen.Genau
sowiediebeidengroßenTheoriendermodernenPhysik,die
QuantenmechanikunddieRelativitätstheorie.Beidesindnötig,wenn
manwirklichverstehenwill,wiedieAtomefunktionieren.Undeswird
nocheinlangerWegsein,bevorsiewirklichvereintsindundman
damitalleserklärenkannundnichtnurdieFarbedesGoldes.
DIEGEZEITEN
D
ezeitensindhinterhältig!Nichtnur,wennmanvonihnen
irgendwoimWattenmeerüberraschtwirdundkeinen
trockenWegmehrzurückansLandfindet.Siesindauch
hinterhältig,wennmansieverstehenwill.Beikaum
einemphysikalischenPhänomenexistierensovielefalsche
BeschreibungenwiedenGezeiten.DabeisinddieGrundlagenfürihr
Verständnisschonmehrals300Jahrealt.
ZuerstistvielWasserimHafenvonHusum…unddannganzwenig.Worandaswohlliegt?
DassdieGezeitenirgendwasmitdemMondzutunhabenmüssen,
wusstemanaberschonfrüher.DieGelehrtendesMittelaltersfanden
ZusammenhängezwischendemAufundAbdesMeeresundden
PhasendesMondes.Undvermutlichwusstenauchschondiefrühen
SeefahrvölkerdarüberBescheid.DasseswenigeArbeitder
griechischenGelehrtenderAntikezudiesemThemagibt,liegt
vermutlichauchdaran,dassdieGezeitenimMittelmeernurextrem
schwachausgeprägtsind.
DieersteumfassendeErklärungderGezeitenmussteaberwarten,
bisIsaacNewtonimJahr1687seinmonumentalesWerk
PhilosophiaeNaturalisPrincipiaMathematicaveröffentlichteunddie
erstemathematischeFormulierungderGravitationvorstellte.
Nunwusstemannichtnur,dassjederHimmelskörperaufjeden
anderenHimmelskörpereineGravitationskraftausübt,sondern
konntesieauchnochberechnen.Wasunszurerstendervielen
falschenErklärungenderGezeitenbringt.Oftkannmanirgendwo
lesenoderhören,dassdieFlutdeswegenentsteht,weilderMond
mitseinerGravitationskraftdasWasserderMeereanziehtundzu
einemFlutbergauftürmt.UnterdemdrehtdieErdesichdann
aufgrundihrertäglichenRotationhinwegunddarumgibtesanden
KüstenmalmehrundmalwenigerWasser.
DieseErklärungistnichtvölligfalsch.Abersieistauchkomplett
unvollständig.Jeder,derschonmaleinigeZeitaneinerKüste
verbrachthatweiß,dassdieFlutnichtnureinmalamTagkommt,
sondernzweimal.DieFlutwiederholtsichalle12Stunden,wasnicht
derFallwäre,wennesnureinenFlutberggäbe,unterdemsichdie
Erdealle24Stundenhindurchdreht.Esbleibenaberauchnochviele
weiterePunkteunklar:WenndieGezeitendurchdieAnziehungskraft
desMondesverursachtwerden,warumziehtderMonddann
anscheinendnurdasWasserindengroßenMeerenan,abernichtin
denSeen,derBadewanneoderdemBierglas?Wiesoschwapptdas
Wassernichtineinergroßen,täglichenWelleeinmalumdieErde
herumsondernbleibtimmerindenOzeanbecken?Wiesowirdnur
dasWasserangezogenundwiesowerdennichtauchandereDinge
vomMondnachobengehoben?Undsoweiter–esistschnellzu
sehen,dassdieseErklärungnichtfunktionierenkann.
DiezweiteErklärungderGezeitendiemanoftzuhörenbekommtist
einwenigkomplizierter.Manmusssichzuersteinmalklarmachen,
dassdieGravitationskraftvomAbstandabhängt.Stellenwirunsdie
ErdeunddenMondvor.DanngibtesaufderErdoberflächeeinen
Punkt,dergenauunterdemMondliegtundderdemnachauchvon
allenPunktenderErdoberflächedemMondamnächstenist.Genau
sogibtesaufdergegenüberliegendenSeitederErdeeinenPunkt,
dervonallenPunktenvomMondamweitestenentferntist.
DazwischenliegtdergesamteDurchmesserderErde:fast13.000
Kilometer.
DieseDistanzsorgtdafür,dassdieGravitationskraftdesMondesauf
denihmnahegelegenenPunktstärkerwirktalsaufdenentfernten
Punkt.UnddieGezeitenkraftentstehtgenauausdiesem
Unterschied!BetrachtenwirnundieSachevomMittelpunktderErde
aus.DerwirdebenfallsinRichtungdesMondesangezogenundzwar
miteinerKraft,dieschwächeristalsdieamdemMondnahegelegen
PunktaberstärkeralsammondfernenPunkt.DermondahePunkt
bewegtsichalsovomMittelpunktfort.DerMittelpunktbewegtsich
aberauchvommondfernenPunktfort!AusSichtdesMittelpunkts
entfernensichalsoBEIDEPUNKTEinentgegengesetzeRichtungen.
Oderandersgesagt:DerUnterschiedinderStärkeder
GravitationskrafterzeugteineGezeitenkraft,dieaufderdemMond
zugewandtenSeiteinRichtungMondwirkt,aufderdemMond
abgewandtenSeiteabergenauindieandereRichtung.Anschaulich
kannmansichdassovorstellen,alswürdedasWasseraufderdem
MondzugewandtenSeitevonderErdeweggezogen.Aufderdem
MondabgewandtenSeitewirddagegendieErdevomWasser
weggezogen;derOzeanhängthiergewissermasseneinwenig
hinterher.SoentstehenzweiFlutbergeaufgegenüberliegenden
SeitenderErdeunterdenensichdieErdehinwegdrehtundesgibt
alle12StundeneineFlut.
ManfindetdieseErklärunginLehrbüchern,in
populärwissenschaftlichenArbeitenundauchFachleutebenutzensie
regelmäßig.SogarichhabefrüherdieGezeitenaufdieseArtund
Weiseerklärtundesistgarnichtsoeinfachzusehen,warumsie
ebenfallsnichtwirklichfunktioniert.
Auchhiersollteeigentlichallesgleichstarkangezogenwerden,nicht
nurdasWasser.WennmansichgeradegenauunterdemMond
befindet,solltemanalsodiegleicheGezeitenkraftspürenwiedie
Meere.AberwirbeobachtenEbbeundFlutebennurindengroßen
Gewässernundspürenselbstwederetwasdavonnochbemerken
wirdieGezeiteninderBadewanneoderimBaggersee.Eskannalso
nichtdieKraftderGravitationsein,diedasWasserhebt–odervon
derErdewegzieht,wieichesobenbeschriebenhabe.Mankann
auchberechnen,wiestarkdieBeschleunigungist,dievonder
GravitationskraftdesMondesaufObjekteausgeübtwerden,diesich
genauunterihmaufderErdoberflächebefinden.Undwennmandas
macht,stelltmanfest,dassieenormwinzigist;knapp10Millionen
malgeringeralsdieSchwerkraftderErde.Definitivzuwenig,um
irgendwaszuheben…
DasbringtunsjetztzurdrittenErklärungderGezeiten.Unddieist–
hoffentlich!BeidenGezeitenistdas,wiegesagt,hinterhältig–richtig.
DazumussmansichnichtdiePunkteaufderErdeansehen,diedem
Mondamnächstenoderamfernstensind.Sonderndie,diesichim
rechtenWinkelzurVerbindungsliniezwischenErdmittelpunktund
Mondbefinden.Wennwirunsvorstellen,dassderMondexaktüber
demÄquatorderErdesteht,wärendasbeispielsweisederNord-und
derSüdpol.Nunwirdes–ohneentsprechendeAbbildungen–ein
wenigschwersichvorzustellen,wiehierdieKräftewirken.Abersoo
schweristesauchnicht.BleibenwirbeidemtypischenBildderErde,
aufdemderNordpol“oben”ist.Erwirddannnatürlichebenfallsin
RichtungMondbeschleunigtunddieKraftistdannnichtnurin
RichtungdesMondesgerichtet,sondernaucheinwenignach“unten”
alsonachSüdenzumÄquator.BeimSüdpolistesgenauumgekehrt,
derwirdaucheinwenigRichtungNordenbeschleunigt.Nurbeim
ErdmittelpunktistGezeitenkraftgenaugeradeausinRichtungdes
Mondesorientiert.
MandarfdieKräfteabernichtisoliertbetrachten.Sowievorhinbei
derzweitenfalschenErklärungmüssenwirunsdieSituationvom
Erdmittelpunktausansehen.Oder,mathematischformuliert,wir
müssendieStärkeunddieRichtungderimErdmittelpunktwirkenden
KraftvonderStärkeundRichtungderamNordpolwirkendenKraft
abziehenundnachsehen,welcheStärkeundRichtungdieKrafthat,
dieübrigbleibt.Tutmandas,dannsiehtman,dassdieresultierende
Kraftmehroderwenigerziemlichgenaunachunten,inRichtungdes
Erdmittelpunkteszeigt.BeimSüdpolgiltdasgleiche.Andiesen
beidenPunktensorgtdieGezeitenkraftdesMondesalsodafür,dass
manquasieinkleinwenigfesteraufdieErdoberflächegedrücktwird,
alsesohneMondderFallwäre.DieErdoberflächehatabernoch
mehrPunktealsnurdenNord-unddenSüdpol.Bestimmtmanfür
jedenPunktdieRichtungundStärkederKraft,dannzeigtsichein
interessantesBild.
JeweitermanvomNord-oderSüdpolinRichtungÄquatorgeht,
destostärkeristdieresultierendeGezeitenkraftvomBodenwegund
inRichtungMondgerichtet.Dort,genauammondnächstenPunktgilt
danndas,wasschoninderzweitenErklärunggegoltenhatunddie
KraftistdirektaufdenMondselbstgerichtet.NURDORTsorgtder
Monddafür,dassirgendwaszuihmhingezogenwird(bzw.vonihm
weg,wennwirdenmondfernstenPunktbetrachten).Anallen
anderenPunktenderErde“hebt”derMondnichts,sonderndie
Gezeitenkraftsorgtdafür,dassdieDingeeinkleinwenigzurSeite
geschobenwerden.
Undjetztkannmanauchverstehen,warumEbbeundFlutnurin
großenGewässernentstehen.Beziehungsweisesichtbarsind,denn
entstehentunsietatsächlichüberall.Aberebenüberallnurmitder
vorhinerwähntenenormgeringenStärke.DieOzeaneabersind
groß.JederkleineTropfenWasserwirdvondenGezeitenkräftenein
kleinweniganderErdoberflächeentlanggeschoben.Unddrückt
dabeiaufalldieTropfen,dieinseinerUmgebungsind.IstdieMenge
anWassergroßgenug,dannsummiertsichdasirgendwann,sodass
amEndedasganzeWasserdesOzeanssostarkschiebt,dassessich
ammondnächstenbzw.mondfernstenPunktzueinemFlutberg
auftürmt.InkleinerenGewässernreichtdieMengenichtaus,um
eineausreichendeKraftzuentwickelnunddortsehenwirkeine
merkbarenGezeiten.
DieOzeanewerdendurchdenMondalsonichtangehobenwiein
dererstenErklärungundauchnichtauseinandergezerrtwieinder
zweitenErklärung.DasWasserwirdstattdessenvonüberallherin
Richtungdesmondnächstenbzw.mondfernstenPunktesgedrückt,
bissichdorteinFlutberggebildethat.
DieRealitätistnatürlichnochvielkomplizierter.DawärezumBeispiel
dieSonne,diezwarvielweiterwegistalsderMondaberauchviel
schwerer.SieübtebenfallseineGezeitenkraftaus,diebiszu46
ProzentderGezeitenkraftdesMondesausmacht.Jenachdemwie
SonneundMondimVerhältniszurErdestehenundjenachdemwie
sichdanndiewirkendenKräftegegenseitigverstärkenoder
abschwächen,könnenEbbeundFlutstärkeroderschwächerals
normalausfallen.Dassnenntmandann“Springflut”oder“Nippflut”.
UnddieErdeistjaauchnichtkomplettvonWasserbedeckt.Die
OzeanesindvondenKüstenlinienbegrenztundjenachdemwiedie
verlaufenkönnensiesichdemFlussderGezeitenentgegenstellen,
sieabschwächenoderdasWasserdurchEngstellenzwingenund
damitvielhöhereFlutenerzeugenalsnormalzuerwartenwären.
Wiegesagt:DieGezeitensindhinterhältig.Manmusssicheinwenig
anstrengen,wennmanwirklichverstehenwill,wiesiefunktionieren.
AberamEndeläuftallesnuraufdiegutealteGravitationvonIsaac
Newtonhinaus.
DIESUPERSYMMETRIE
S
trienspieleninderPhysikeinewichtigeRolle.Siebildenein
GrundprinzipfürdasVerständnisdesUniversumsunddie
SuchenachneuenNaturgesetzen.EssolltezumBeispiel
keineRollespielen,obmaneinExperimentheute,gestern
odermorgendurchführt.DieNaturgesetzesolltenimmergleich
funktionieren.GenausosollteesfürdenAblaufderNaturgesetze
egalsein,auswelcherRichtungmanaufeinphysikalischesSystem
blickt.OderobmanesinHamburg,Wienoderinder
Andromedagalaxiedurchführt.1918hatdieMathematikerinEmmy
Noetherbewiesen,dassausjederdiesersogenanntenInvarianzen
eineErhaltungsgrößefolgenmuss.AusderTatsache,dassesegalist,
zuwelchemZeitpunktmaneinExperimentdurchführt,folgt
beispielsweise,dasdieEnergieimmererhaltenbleibenmuss.Ausder
UnabhängigkeitderNaturgesetzevomBlickwinkelfolgtdie
DrehimpulserhaltungundausderInvarianzgegenüberdemOrtdie
Impulserhaltung.
SolcheSymmetrienmachendiePhysikeinfacherunddasUniversum
verständlicher.Undeigentlichdachteman,manhätteschonalle
relevantenSymmetrieninderNaturentdecktundentsprechend
berücksichtigt.Aberinden1970erJahrenfandmandanndochnoch
eineSymmetrie,diemanübersehenhatte.Seitdemarbeitendie
Wissenschaftleraneinerneuen,nochumfassenderenTheorieder
Teilchenphysik,dieheuteeineenormwichtigeRollebeiderSuche
nachneuenNaturgesetzenspielt:DieSupersymmetrie.
DiebisherbekanntenTeilchenimStandardmodellderTeilchenphysik(Bild:DuncanHull,CC-BY2.0)
DieTeilchenphysikwarindenletztenJahrzehntenenormerfolgreich.
DassogenannteStandardmodellderTeilchenphysik,überdasich
schoninFolge46derSternengeschichtengesprochenhabe,
beschreibtdieWeltderAtomeundElementarteilchenäußerst
erfolgreichundseinenletztengroßenTriumphfeiertedieseTheorie
mitdererfolgreichenVorhersageunddemNachweisdesHiggsTeilchensimJahr2012.ImStandardmodellkannmanzwei
grundsätzlichunterschiedlicheTeilchenunterscheiden.Dasindzuerst
einmalalldiePartikel,ausdenendieMaterieaufgebautist.Also
Quarks,ausdenendieKernederAtomebestehen;Elektronen,die
dieHüllenderAtomebildenundNeutrinos,diebeiatomaren
Reaktionenentstehen.Dasistabernochnichtalles;dennzwischen
denMaterieteilchenwirkenauchKräfte,dieimStandardmodell
ebenfallsdurchTeilchenbeschriebenwerden.Obwohl:Wennmanes
ganzgenaunimmt,wirdindermodernenQuantenmechanikalles
durchFelderbeschrieben,diemiteinanderinWechselwirkungstehen
undTeilchensindnurdas,wasentstehtwennmanausreichend
EnergieinsoeinFeldsteckt.Aberdaswürdejetztzuweitführenund
wirbleibenvorerstbeimBildderTeilchen.DieQuarksinden
AtomkernenhaltenzumBeispieldeswegenzusammen,weilzwischen
ihnenständigsogenannten“Gluonen”ausgetauschtwerden.Man
kannsichdaswieeinenBallvorstellen,dennsichdieQuarksständig
zu-undwiederzurückwerfenundsoaneinandergebundenbleiben.
DieelektromagnetischeKraft,diezumBeispielzwischenden
elektrischgeladenenElektronenwirkt,wirdvonLichtteilchen,den
Photonenvermittelt.UnddanngibtesnochdieKraftdiedafürsorgt,
dassAtomkernemitNeutrinoswechselwirken,dievonden
sogenanntenW-undZ-Bosonenübertragenwird.
WirhabenimStandardmodellalsoKraftteilchenundMaterieteilchen.
Oder“Bosonen”und“Fermionen”,wieesinderPhysikheißt.Diese
beidenArtenvonTeilchenbeschreibennichtnursehr
unterschiedlicheDinge,sindhabenauchunterschiedliche
Eigenschaften.Das,worinsiesichunterscheiden,istderSpin:Eine
derhinterhältigstenGrößeninderTeilchenphysik.Esist–selbstfür
dieQuantenmechanik–erstaunlichschwersichvorzustellen,wasdas
seinsoll.“Spin”heißtjaerstmalnursovielwie“Drehung”.Und
meistensbeschreibtmandenSpinderElementarteilchenanschaulich
auchso,alswürdesichdairgendwasdrehen.Sicheinkleines
Elementarteilchenvorzustellen,dassichumseineAchsedreht,ist
nichtschwer.Aberesistauchfalsch,denndieTeilchensindkeine
kleineKugelnundsiedrehensichauchnicht.Fürden
quantenmechanischenSpingibteskeineEntsprechunginder
normalenWelt.DieseGrößeisttatsächlichnurreinmathematisch
verständlich.
Wirbleibenabertrotzdemerstmalbeider–falschen–Vorstellung
vonsichdrehendenkleinenKugeln.DerSpinwürdedannangeben,
inwelcheRichtungdieRotationsachsezeigenkann.Wieinder
QuantenmechaniküblichkanndasnichteinfachirgendeineRichtung
sein.DieWertesindgequantelt,d.h.siekönnennurganzbestimmte
Größenhabenundnurdie;Wertedazwischensindnichtmöglich.
ElektronenoderQuarkskönnenzweiverschiedeneRichtungenfür
ihrenSpinhaben;beianderenTeilchenkönneneswenigeroder
auchmehrsein.
KlassifiziertmandieTeilchenanhanddermöglichenWertefürden
Spin,erhältmanzweiverschiedeneGruppen.AlleMaterieteilchen
habeninderSprachederQuantenmechanikeinenhalbzahligen
Spin,d.h.ihrSpinlässtsichalseinhalbzahligesVielfachesdes
PlanckschenWirkungsquantumsbeschreiben,einerder
FundamentalkonstanteninderPhysik.DieKraftteilchenundauch
dasHiggs-TeilchenhabeneinenganzzahligenSpin.DerUnterschied
zwischenKraftundMaterie;zwischenFermionenundBosonenliegt
alsoindenWerten,diederSpinannehmenkann.
UndjetztsindwirauchbeidergroßenSymmetrieangekommen.Die
Supersymmetrieschlägtvor,dassFermionenundBosonengarnicht
sodeutlichvoneinandergetrenntsindwiewirdaswahrnehmen.
JedesFermionsollteeinPartnerteilchenhaben,dassinallen
Eigenschaftenidentischist–bisaufdenSpin.Gleichesgiltfürdie
Bosonen.EsisteinbisschensowiebeiMaterieundAntimaterie:Ein
ElektronundseinAntiteilchen,dasPositronsindauchkomplett
identischundunterscheidensichnurinderentgegengesetzen
elektrischenLadung.GenausosollteesfürjedesFermionein
identischesTeilchengeben,daseinfachnureinenanderenSpinhat.
Oderandersgesagt:JedesFermionmusseinpassendesBosonals
supersymmetrischenPartnerhabenundjedesBosonein
entsprechendesFermion.Odernocheinmalandersgesagt:Fürjedes
MaterieteilchengibteseinzugehörigesKraftteilchenundumgekehrt.
DieSupersymmetriehebtalsodenUnterschiedzwischenKraftund
Materieaufunderlaubteinevielallgemeinereundumfassendere
BeschreibungderTeilchenwelt.DieseeinfachereBeschreibung
erkauftmansichaberdurcheinedeutlicheVergrößerungdes
Inventars,dasdurchdieSupersymmetriemiteinemSchlag
verdoppeltwird.SiesagtjedeMengeneueTeilchenundKräfte
vorher.Vondenenwirbishernochabsolutnichtsbeobachtethaben.
WärendiesupersymmetrischenTeilchenwirklichbisaufdenSpin
exakteKopienihrernormalenPartner,dannmüsstenwirsieschon
längstentdeckthaben.InTeilchenbeschleunigernkönnenwir
TeilchenallerArtproduzieren.Eshängtnurdavonab,wieviel
EnergiebeidenKollisionendortfreigesetztwird.WenndieEnergie
größeralsdiezugehörigeMasseeinesTeilchensist,dannkannesbei
denKollisionenentstehen.UndEnergiendieausreichenumQuarks,
ElektronenundalldieanderenTeilchendesStandardmodellszu
erzeugen,könnenwirschonlängstproduzieren.Wirsehenaber
trotzdemimmernurdiebekannteWelt,niehatsichetwasvonder
Supersymmetriegezeigt.
Dasbedeutet,dassdieSupersymmetriefalschist.Oderaber,dass
dieSupersymmetriegebrochenwurde.GebrocheneSymmetriensind
inderPhysikebenfallsnichtunbekannt.EinschönesBeispielist
immerderÜbergangvonWasserzuEis:ImflüssigenWasserkönnen
sichTeilcheninalleRichtungenbewegenundhabenjedeMenge
Freiheit.SinktdieTemperatur,dannfriertdasWasserunddie
BewegungwirdradikalaufdieKristallstrukturdesEises
eingeschränkt.DieursprünglicheSymmetriederfreienBewegung
existiertnichtmehr.Genauso–nureinwenigkomplizierter–kann
mansichauchdieWeltderTeilchenundKräftevorstellen.Früher,als
esimUniversumkurznachdemUrknallnochenormheißwar,waren
dieSymmetriennochexaktvorhanden(IchhabeinFolge70beider
BeschreibungdesHiggs-FeldesundderkosmischenInflationein
wenigmehrdazugesagt).AberalsderKosmosdannabkühlte,brach
dieSymmetrieunddieunterschiedlichenTeilchenundKräftediewir
heutesehen,kristallisiertenquasiheraus.
Manvermutetderzeitalso,dassdiesupersymmetrischenTeilchen
allesamtschwerersindalsdienormalenTeilchenunddeswegenbis
jetztnochnichtentdecktwordensind.Undhofft,dasssieinnaher
ZukunftindenverbessertenTeilchenbeschleunigernnachgewiesen
werdenkönnen.
AberwarumbrauchtmandieSupersymmetrieeigentlich?Nurweil
siesoschönsymmetrischist?DasisteinerderGründe,deninder
Wissenschaftistmanimmerdaraufaus,möglichsteinfacheund
umfassendeErklärungenzufinden.AberdieSupersymmetriewürde,
wennsieexistiert,aucheinigesehrwichtigeProblemelösen.Dawäre
zumBeispieldieFragenachderdunklenMaterie.Wirwissenja,dass
dasStandardmodellderTeilchenphysiknochunvollständigsein
muss.Dennwirwissen,dassesnebendernormalenMaterieauch
nocheineandereFormvonMateriegibt,derenAuswirkungenwir
zwarbeobachtenkönnenüberderenNaturwirabernochnichts
wissen.DiesedunkleMaterie,überdieichinFolge25der
Sternengeschichtengesprochenhabe,könnteaus
supersymmetrischenTeilchenbestehen.Dennwennesdie
Supersymmetriegibt,dannsinddiemeistendieserTeilchenzwar
instabil,existierenalsonurfürkurzeZeitbevorsiesichinandere
Teilchenumwandeln.Esmussabereinsogenanntes“leichtestes
supersymmetrischesTeilchen”geben,dasnichtweiterzerfallenkann
–unddashättegenaudieEigenschaften,dieTeilchenderdunklen
Materiehabenmüssten.
DieSupersymmetriewürdeauchdasProblemder
Kopplungskonstantenlösen.MiteinerKopplungskonstante
beschreibtman,vereinfachtgesagt,wiestarkeineKraftwirkt.Und
dieKräftediewirkennen,sindalleunterschiedlichstark.Die
Gravitationbeispielsweiseistenormschwach,wasmanjaauchdaran
erkennt,dasseinsimplerKühlschrankmagnetinderLageist,der
Gravitationentgegenzuwirken,dievondergesamtenErdeausgeübt
wird!AuchdieanderenKräftedieindenAtomenwirkenunddievon
GluonenundW-bzw.Z-Bosonenübertragenwerden,haben
unterschiedlicheStärken.Auchhiergehtmanwiederdavonaus,dass
diesgebrochenenSymmetrienzuverdankenist.Ursprünglichsollten
alleKräftegleichstarkgewesenseinoderandersgesagt:AlleKräfte
solltennurEINEKRAFTgewesensein,erstalsdasUniversum
abkühltehabensichdieeinzelnenheutebeobachtbarenKräfte
herauskristallisiert.
WennmanaberimStandardmodellderTeilchenphysikberechnet,
beiwelcherTemperaturdieKopplungskonstantenderKräfteden
gleichenWerterreichen,kriegtmaneinProblem.Dastunsienämlich
nie!VerwendetmandagegendassupersymmetrischeModell,dann
treffensiesichtatsächlichineinemeinzigenPunktund
vereinheitlichensichzueinereinzigenKraft.
EsgäbenochweiterProbleme,beidenendieSupersymmetrieweiter
helfenkönnte.Aberdamitdasauchklappt,müsstemanjetztwirklich
balddieerstenneuenTeilchenentdecken.Wirhabenschoneinen
großenBereichmöglicherTeilchenmassenabgesuchtundnichts
gefunden.Dasheißtnicht,dassessienichtgebenkann.Aberwenn
sienochschwerersind,dannsindsieirgendwannsoschwer,dasssie
alldieProbleme,fürderenLösungmandieSupersymmetrie
entwickelthat,garnichtmehrlösenkönnen…
DieSupersymmetrieisteinesehreleganteundvielversprechende
Hypothese.Obsieaberauchrealistodernicht,musssicherst
herausstellen.Aberauchwennsiefalschseinsollte:Irgendeineneue
TheoriedieüberdasStandardmodellderTeilchenphysikhinausgeht,
istaufjedenFallnötig.DenndieoffenenFragenbleibenbestehen.
DIEKARDASCHOW-SKALA
E
ieistwichtig.EnergiegibtunsdieMöglichkeit,Dingezutun.
GanzfrüherwardasnurdieEnergie,diewirdurchunsere
NahrungaufgenommenhabenunddanninFormvon
reinerMuskelkraftinArbeitumgesetzthaben.Heute
nutzenwirdieEnergie,dieunsSonne,Wasser,Wind,fossile
BrennstoffeundAtomkraftzurVerfügungstellenundwandelnsiein
elektrischenStromum.DieserStromtreibtunsereZivilisationanund
wirkönneneigentlichnichtgenugEnergiehaben.
UnddieseEnergieisteigentlichauchausreichendvorhanden.Wir
habenunszwardummerweisevoreinigerZeitdaraufbeschränkt,
fossileBrennstoffewieKohleundErdölzunutzenunddiese
Ressourcensindmittlerweilewirklichbaldaufgebraucht.Daswäre
abereigentlichkeinProblem.KohleundÖlsindjanichtsanderesals
gespeicherteSonnenenergie.Undvondergibtesmehralsgenug
auch“frisch”direktvonunseremStern.Wirmüsstennurdamit
anfangen,sieauchwirklichzunutzen.
ZujedemSci-Fi-UnsinngibtshaufenweiseguteBildermitfreierLizenz.NurbeiDyson-Sphärennicht
(BibiSaintPol,gemeinfrei)
EswäreaufjedenFallvielmehrEnergieda,alswirderzeitnutzen.
SollteesirgendwoandersimUniversumandereintelligente
Lebewesengeben,sinddievielleichtschonweiterundhabenes
geschafft,übermehrEnergiezuverfügen.WiemanZivilisationen
anhandihresEnergieverbrauchsklassifizierenkann,hatsichinden
1960erJahrenderrussischeAstrophysikerNikolaiSemjonowitsch
Kardaschowüberlegt.KardaschowwareinerderPioniereinder
SowjetunionbeidenProgrammenzurSuchenachaußerirdischen
Intelligenzen.InderwestlichenWeltstartetemanzurgleichenZeit
ProjektediesichzudenmodernenSETI-Programmenentwickelten.
ImOstenwarmannichtganzsointensivbeiderSache,Kardaschows
Überlegungenhabenaberbisheuteüberdauertundwerdenimmer
nochverwendet.
KardaschowlegtedamalsdreigrundlegendeKategorienfest.Eine
ZivilisationvomTypIsollteinderLagesein,diegesamteEnergiezu
nutzen,dieaufeinemPlanetenzurVerfügungsteht.Dassindbeider
Erdeungefähr100Petawatt;eine1gefolgtvon17Nullen.Dasist
schondeutlichmehr,alswirMenscheninderLagesindzunutzen.
AufKardaschowsSkaladerZivilisationenschaffenwiralsonichtmal
dieersteStufe!Manschätzt,dasswir2012weltweitcirca553
Exajoulebzw,154Terawattstundenverbrauchthaben.Damitlanden
wiraufderKardaschow-SkalebeieinemZwischenwertvonetwa
0,72.Dasistnichtwenig,aberwirsindnochweitdavonentfernt,alle
Energiezunutzen,dieunsdieErdezurVerfügungstellt.Mitder
aktuellenTechnikkriegenwirdasauchnichthin.Würdenwir
tatsächlichdiegesamteaufdieErdefallendeSonnenergiemit
derzeitigenMethodennutzenwollen,müsstenwirauchdiegesamte
ErdoberflächemitSonnenkollektorenzupflastern.Daswärenichtnur
sehraufwendigsondernauchunpraktischfürunsMenschen,denn
wirmüsstendannirgendwounterirdischwohnen.Wirkönntendie
entsprechendeEnergieaberandersgewinnen.ZumBeispieldurch
denBaugroßerSolarkraftwerkeimWeltall.Oderdurchdie
EntwicklungvonFusionskraftwerken,diewirdanningroßem
Maßstabeinsetzenmüssen.UmalsTyp-I-Zivilisationdurchzugehen,
müsstenwirproSekundeungefähr280KilogrammWasserstoffin
HeliumumwandelnunddiedabeifreiwerdendeEnergiesammeln.
Daswärenknapp9MilliardenKilogrammWasserstoffproJahr.Klingt
viel,istaber100hundertMalwenigeralsmanineinem
KubikkilometerMeerwasserfindenkann.UnddadieOzeaneder
Erdesehr,sehrvieleKubikkilometerWasserenthaltenkönntenwirso
auchsehr,sehrlangeEnergieimRahmeneinerTyp-I-Zivilisation
produzieren;mindestenseineMilliardeJahrelang.
Undselbstwennwirdasirgendwannmalhinkriegensollte:Eswäre
nochdeutlichLuftnachoben!DieSonnestrahltihreEnergieinALLE
Richtungenab.WiraufderErdenutzenabernurdaskleinebisschen,
dassinunsereRichtunggelangtundaufunserenPlanetenfällt.Die
gesamteLeistungderSonnebeträgtetwa10hoch26Watt–also
eineMilliardemalmehralsdas,waswirhieraufderErdemitkriegen.
WärenwirinderLage,dieGESAMTEEnergiederSonnezunutzen,
dannwärenwirlautKardaschoweineZivilisationvomTypII.Die
bekanntesteMethodedaszuerreichenistdiesogenannteDysonSphäre.DasKonzeptdazustammtvomAstronomFreemanDyson
undwurdeebenfallsschoninden1960erJahrenentwickelt.Ganz
vereinfachtgesagtschlugDysonvor,eineHülleumeinenSternzu
bauen.DiewürdedanndessengesamteEnergieauffangenund
bereitstellen.WürdemaneineKugelschaleumdieSonnebauen,
derenDurchmesserdemDurchmesserderErdumlaufbahn
entspricht,dannwürdemanaufderenInnenseiteüberalldiegleiche
Energieabbekommen,diewirjetztauchaufderErdekriegen.
Insgesamtkönntenwiraberdieganzen10hoch26Wattnutzen.Wir
hättenaufderInnenseitedieserDyson-Sphäreauchwesentlichmehr
PlatzzurVerfügung:IhreOberflächebeträgtdas550Millionenfache
derErdoberfläche!
Klingtgut,aberesgibteinpaarProbleme.AufderInnenseiteder
KugelschalewürdenwirkeineGravitationskraftspüren.Manmüsste
diegigantischeKugelschaleirgendwieinRotationversetzen,umeine
künstlicheSchwerkraftzuerzeugen.Wirmüsstenaußerdeminder
Lagesein,diePositionderSchaleimVergleichzurSonnezu
verändernundkorrigierenumzuverhindern,dasssieimLaufeder
ZeitzurSeitedriftet.Unddasistbeiweitemnochnichtalles:Das
MaterialausdemsoeineSphärebestehtmüssteunvorstellbarstark
sein,umdiewirkendenKräfteauszuhalten.Unddannistvermutlich
nichtmalgenugMaterialvorhanden!Manschätzt,dassungefähr10
hoch26KilogrammanbrauchbarenBaumaterialimSonnensystem
vorhandensind.Dasentsprichtder17fachenMassederErde.Wir
müsstenalldasüberallimSonnensystemeinzusammeln;dabei
ganzePlanetenwieMars,MerkuroderVenusauseinandernehmen
unddiemassivenKerneausdemInnerenderGasplanetenholen.
Selbstwennwirdasschaffenwürden,würdenwirdamitgerademal
eineKugelhüllevoncirca15ZentimeterDickebauenkönnen.Sie
wäreeinleichtesZielfürKollisionenmitKometenundAsteroiden
undanderemKram,dasvonaußenaufdieSphäretrifft.
AbernatürlichgäbeesAlternativen.StatteinerDyson-Sphärekönnte
maneinenDyson-Schwarmbauen.AlsovielekleineStrukturen,die
umdieSonnekreisenunddabeimöglichstvielvondessenEnergie
einsammeln.Mankönntedannentwedergleichdirektdortwohnen
oderdieEnergieirgendwiezurErdetransportieren.Mankönnte
auchanstatteinerkomplettenSchalenureinenRingbauen.
OderabermansuchtsichandereMethoden,umaufdiefüreine
Typ-IInötigeEnergiemengezukommen.DieMethodenvonStufeI
könntemanaufverschiedenenPlanetenanwendenundsodie
Ausbeuteerhöhen.Vielleichtkannmansichaucheinfachein
bisschenWasserstoffdirektvomSternklauenunddamitdie
Fusionskraftwerkeantreiben.WerschondieStufeIerreichthat,weiß
vielleichtauchschonwiemanAntimaterieingroßenMengen
produziertundkanndamitEnergieerzeugen.
AberselbstwennmansichdiegesamteEnergieeinesSternsnutzbar
gemachthat,kannesnochweitergehen.DennderHimmelistjavoll
mitSternen–warumalsodieseganzeEnergieungenutztlassen!
KardaschowhatdeswegenauchnocheinedritteKlassegeschaffen.
EineZivilisationvomTyp-IIIwäreinderLage,dieEnergieALLER
Sternezunutzen,diesichinihrerGalaxiebefinden.Inunserer
MilchstraßegibteseinpaarhundertMilliardenSterneunddamit
aucheinpaarhundertMilliardenmalmehrEnergiezusammeln.
Dazukönntemannatürlich“einfach”alleSternemitentsprechenden
Dyson-Strukturenumgeben.Aberwerweiß,wassolchen
Zivilisationennochalleseinfällt.Vielleichtkriegensieesirgendwie
hin,dieEnergieanzuzapfendieinderNähedessupermassereichen
schwarzenLochsimZentrumunsererMilchstraßefreigesetztwird?
OdersiekönnendieEnergienutzen,diebeiSupernova-Explosionen
entsteht?Mankannhierwirklichnurmehrspekulieren.
TheoretischbestündeauchdieMöglichkeit,nachsolchen
Superzivilisationenzusuchen.EinStern,dersichhintereinerDysonSphäreverstecktistzwarnichtmehrsichtbar.AberdieSphäreselbst
heiztsichaufundgibtdieWärmewiederinsAllab.Manwürdedann
anstatteinesSternseineschwachimWärme-alsoInfrarotlicht
leuchtendeKugelsehenderenStrahlungsichdeutlichvonder
natürlichenInfrarotstrahlungunterscheidetdiemanvonSternen
oderPlanetenmessenkann.EsgabsogarschonVersuche,solche
SignatureninBeobachtungsdatenzuentdecken,aberdieblieben
erfolglos.MitdergleichenMethodekönntemanaufdieSuchenach
Typ-III-ZivilisationenbeianderenGalaxiengehen.Wennjederder
oderzumindesteinGroßteilallerSterneeinerGalaxieentsprechend
modifiziertwurde,dannwürdemandasamLichtbemerken,dasuns
vondieserGalaxieerreicht.Auchdanachhatmaninden
katalogisiertenDatenschongesuchtundbliebebenfallserfolglos.
Aberspekulierenkannmannatürlichweiterhin!Manhatdie
ursprünglichedreistufigeKlassifikationvonKardaschowsogar
erweitert.EineZivilisationvomTypIVwäredemnachinderLage,die
imgesamtenUniversumverfügbareEnergiezunutzen.Und–
vorausgesetztesgibtmehralsnureinUniversum–könntemansich
sogarnocheineTyp-V-Zivilisationdenken,dieesgeschaffthatsich
dieEnergiediesesMultiversumsnutzbarzumachen.Wiemansich
dasoderdieWesendiesoetwasgeschaffthabenaberkonkret
vorstellensoll,weißniemand.DasistnunwirklichderStoffder
Science-FictionundnichtmehrderWissenschaft.
BARYONISCHEAKUSTISCHEOSZILLATIONEN
U
Universumistgroß.Sehrgroß.Derbeobachtbare
KosmoserstrecktsichüberjedeVorstellungskraft
hinaus.Esistschwervorstellbar,dassdieHimmelskörper
indiesemriesigenUniversumauchübergroße
DistanzenmiteinanderinVerbindungstehenbeziehungsweise
StrukturenundPhänomeneexistieren,diedenganzenKosmos
beeinflussthaben.AberdasistderFallunddiebaryonisch
akustischenOszillationensindeinwunderbaresBeispieldafür.
Umzuverstehen,worumessichdabeihandelt,müssenwirganz
zurückzumAnfanggehen.Fastganzzurückzumindest,indieZeit
kurznachdemUrknallundderEntstehungdesUniversumsvor13,8
MilliardenJahren.DamalswardasUniversumnochganzandersals
essichunsheutepräsentiert.Eswarenormheiß,dieMateriewar
enormdichtundesgabvorallemkeinestrukturierten
Himmelskörper.EsgabkeineSterne,PlanetenoderGalaxien.Esgab
nochnichteinmalvernünftigeAtome!
Dafürwaresvielzuheiß.EinnormalesAtombestehtauseinem
Kern,derausNeutronenundProtonenzusammengesetztistund
einerHülle,dieausElektronenbesteht.DiehohenTemperaturenim
frühenUniversumsorgtenaberdafür,dasssichdieTeilchenvielzu
schnellbewegten,umzueinanderzufinden.DieElektronenkonnten
sichnichtandieAtomkernebindenundallessaustefreiundwild
durcheinander.NebendenTeilchenwarderKosmosauchnochmit
Lichterfüllt;esgabalsoauchjedeMengeLichtteilchen,diePhotonen.
Aberauchdiekonntennirgendwohin.DafürwardasUniversum
nochzukleinunddieMateriezudichtaneinandergedrängt.Die
PhotonenstießenständigmitdenElektronenzusammenund
konntensichnichtausbreiten.DasUniversumwarquasi
undurchsichtig.
Eswarabernichtüberallvölliggleich.AuchimfrühenUniversumgab
esRegionenindenensicheinbisschenmehrMaterieangesammelt
hattealsanderswo.DerGrunddafürwarendieVorgänge
unmittelbarbeimbzw.direktnachdemUrknall.AlsdasUniversum
nochsowinzigwieeinElementarteilchenwar,sorgten
Quanteneffektedafür,dassesnieruhigbliebsondernallesständig
fluktuierte.DannfolgtediePhasederkosmischenInflationenbeider
sichderKosmosschlagartigwährendeinerunvorstellbarkurzenZeit
unvorstellbarstarkausdehnte.Wiedasgenauabgelaufenist,habe
ichindenFolgen69und70derSternengeschichtenerzählt.Aber
auchjedenFallwurdendiewinzigenQuantenfluktuationendes
geradegeborenenUniversumsdurchdieInflationaufkosmologische
AusmaßevergrößertundesgabnunebenRegionenindenensich
einbisschenmehrMateriebefandundRegionen,indenenman
wenigerMateriefindenkonntealsanderswo.
DiekosmischeHintergrundstrahlungzeigt,wiedieMaterieimfrühenUniversumverteiltwarBild:
ESAandthePlanckCollaboration)
DieseUnterschiedeinderDichtesindderAusgangspunktfürdie
EntstehungderbaryonischakustischenOszillationen.Stellenwiruns
einGebietvor,indemdieMaterieeinkleinwenigdichteraneinander
gedrängtistalsanderswo.DieseRegionübtaufihreUmgebungauch
eineetwashöheregravitativeAnziehungskraftausundMaterie
strömtvonaußeninsiehinein.GleichzeitigherrschtindiesemLichtTeilchen-GemischaberauchnachaußengerichteterDruckdervon
denvielenPhotonenstammt,diedortmitdenElektronen
wechselwirken.DieGravitationskraftdrücktalsoquasinachinnen;
dieKraftderStrahlungdrücktnachaußen.Undzwarumsostärker,
jemehrMateriesichdortansammeltundjegrößerdadurchdie
Temperaturwird.
DiesesWechselspielzwischendenbeidenKräftenerzeugt
Oszillationen.DerDrucktreibtdieMaterie,dievonderGravitation
nachinnengezogenwurdenunwiedernachaußen.Allerdingsnur
diesogenannte“baryonische”Materie.Sobezeichnetmandiefüruns
normaleMaterie,alsoallesdas,waskeinedunkleMaterieist.Die
wird,wieichinFolge25derSternengeschichtenerzählthabe,janur
durchGravitationbeeinflusst,abernichtvomStrahlungsdruckdes
Lichts.DiedunkleMaterieverbleibtalsoindenZentrenderRegionen
höhererDichte,dienormalebaryonischeMateriewirddagegen
durchdenDrucknachaußengetrieben.DieWellen,diesichhier
ausbreiten,sindimWesentlichenSchallwellen.DasleereVakuummit
demwirdasUniversumheuteimmerinVerbindungbringengabes
damalsnochnicht;dieMateriewarnochüberallunddie
Dichtewellendiesichdarinausgebreitethabenverhieltensichsowie
SchallwelleninderLuft,diejaauchnichtsanderessind,als
Dichtewellen,diedieLuftaufbestimmteArtundWeisekomprimieren
bzw.zumSchwingenbringen.
WeilessichalsoumSchallwellenhandelt,diediebaryonische
MateriebetreffenhatdiesesPhänomendenNamen“Baryonische
akustischeOszillationen”bekommen.Dahinterstecktabernochviel
mehralseinbisschenBewegunginderMateriedesfrühen
Universums!DiebaryonischakustischenOszillationensindeinenorm
wichtigesInstrumentfürdieErforschungderVorgängeinder
FrühzeitdesKosmos.
StellenwirunssoeineDichtewellevor,diesichimUniversum
ausbreitet.EineVerdichtunginderMateriebreitetsichkugelförmig
vomZentrumderursprünglichenRegionhöhererDichteaus.Das
kanndieseDichtewelleabernichtbeliebiglangemachen.Denn
knapp380.000JahrenachdemUrknallfanddiesogenannte
“Rekombination”statt.VonAnfanganhatsichdasUniversum
ausgedehntundjegrößereswurde,destokühlerwurdeesauch.
Nach380.000Jahrenwaressokühl,dassdieElektronenunddie
Atomkernelangsamgenugwaren,umsichendlichaneinanderzu
binden.DieerstenechtenAtomekonntenentstehenunddie
ElektronenwarennunnichtmehrandauernddemLichtimWeg.
Erstjetztkonnteessichfreiundungehindertausbreiten;das
Universumwurdedurchsichtig!Diedamalsüberallfreiwerdende
Strahlungkönnenwirteilweiseauchheutenochbeobachten;es
handeltsichdabeiumdie“kosmischeHintergrundstrahlung”über
dieichinFolge66derSternengeschichtenmehrerzählthabe.Vor
allemaberwurdedurchdieExpansiondesKosmosauchdieMaterie
immerwenigerdicht;dieSchallgeschwindigkeitwurdeimmer
geringerundzumZeitpunktderRekombinationfielsiefastganzauf
Nullzurück.DieDichtewellebliebnunalsostehen,diekugelförmige
SchalehöhererDichtebreitetesichnichtmehraussondernblieb
dort,wosiezudiesemZeitpunktangekommenwar.
AusdenkosmologischenModellenmitdenenwirdieEntwicklungdes
UniversumsnachdemUrknallbeschreibenkannmanauch
ausrechnen,wieweitdieDichtewelleindenknapp380.000Jahren
gekommenist:Ungefähr500MillionenLichtjahreweit!
AusderursprünglichenRegionhöhererDichtewurdenunalsoeine
KugelschalemiteinemRadiusvon500MillionenLichtjahreinderdie
MaterieetwasdichteristalsanderswoundinderenZentrumdie
übriggebliebenedunkleMaterieebenfallseineRegionerhöhter
Dichteformt.
DasistnatürlichnichtnureineinzigesMalpassiert,sondernviele
MaleüberalldortwoimjungenUniversumGegendenmiteiner
höherenDichtevorhandenwaren.Das,wasdurchdiebaryonisch
akustischenOszillationenentstandenist,kannmanambestenmit
vielenSteinenvergleichen,diemanineinenSeewirft.JederStein
erzeugtWellendiesichausbreitenundaufdieWellentreffen,die
vondenanderenSteinenproduziertwerden.
NurdasesimUniversumkeineWasserwellenwaren,sondern
VerdichtungeninderMaterie.Verdichtungen,diedasGrundgerüst
gebildethaben,umdasherumsichderganzeKosmosgebildethat
sowiewirihnheutebeobachten.DieBereiche,indenensichdie
Materieverdichtethatte,habenaucheinenhöhereAnziehungskraft
aufdierestlicheMaterieausgeübt.Dortströmtealsoimmermehr
Materialhin;dortbildetensichdieerstenSterneunddieersten
Galaxien.
Wenndasalleswirklichsoabgelaufenist,müsstemanalsosehen
können,dassdieGalaxiennichteinfachirgendwieimUniversum
verteiltsind,sonderneineArtMusterbilden,dasausdenvielenvon
denbaryonischakustischenOszillationenerzeugtenundsich
überlagertenDichtewellenentstandenist.MiteinemsimplenBlick
zumHimmelkannmandasnatürlichnichtüberprüfen.Aberman
kannPositionenundEntfernungenvonsehrvielenGalaxienmessen
unddannausdiesenDatendiesogenannte“Korrelationsfunktion”
berechnen.
DazubestimmtmanalleAbständezwischenallenGalaxienundsieht
nach,obdieseWertezufälligverteiltsindodernicht.Wenndie
GalaxienohneirgendeinebesondereStrukturimUniversum
positioniertsind,dannsolltemanallemöglichenAbständefinden.
Manchesindnahbeieinander;mancheweiterwegvoneinander.
WennaberdiebaryonischakustischenOszillationentatsächlicheine
ArtWellenmusterinderGalaxienverteilungverursachthabensollte,
müsstenbestimmteAbständezwischenGalaxienhäufigerauftreten
alsandere.WenndieGalaxiensichalleaufKugelschalenmiteinem
Radiusvon500MillionenLichtjahrengebildethaben,musssichdas
beiderVerteilungderAbständebemerkbarmachen.
Undgenaudashatmanauchbemerkt,alsmanimJahr2005fast
eineMillionGalaxienentsprechendanalysierte.Diebaryonisch
akustischenOszillationenhabenstattgefundenunddie
grundlegendeStrukturunseresUniversumsgeprägt.Unsistdadurch
einstandardisiertesLinealindieHandgegeben,mitdemsichnicht
nurAbständeaufkosmischenGrößenskalenmessensondernauch
PhänomenewiedunkleEnergieunddunkleMateriebesser
verstehenlassen.
TITAN–DERFASZINIERENDSTEMONDDESSONNENSYSTEMS
T
istdergrößteMonddesPlanetenSaturn.Eristeinerder
faszinierendstenHimmelskörperimganzenSonnensystem.
Undvielleichtsogareiner,aufdemLebenexistiert…
SeinDurchmesserbeträgt5150Kilometerunderistdamit
deutlichgrößeralsderzweitgrößteMondRhea,deresnurauf1529
Kilometerbringt.Titanistsoenormgroßundschwer,dasser95
ProzentderGesamtmassealler62bekanntenSaturnmonde
ausmacht.
GrößenvergleichvonErde,MondundTitan(Bild:NASA,publicdomain)
TrotzdergroßenEntfernung–eristimmerhin10Malweitervonder
SonneentferntalsdieErde–wurdeTitanschonrechtfrühentdeckt.
Am25.März1655beobachtetederniederländischeAstronom
ChristianHuygensdenSaturnundentdecktedabeieinenbisher
unbekanntenHimmelskörper,dersichimVerlaufmehrererTageum
denSaturnherumzubewegenschien.HeuteistdieEntdeckung
einesSaturnmondeskeinegroßeSensationmehr.Damalsaberwar
eserst45Jahreher,seitGalileoGalileimitdemvomihmgebauten
TeleskopüberhauptdasersteMalHimmelkörperentdeckthatte,die
einenanderenPlanetenumkreisen.DievierJupitermondedieer
damalsfandunddieheutedie“GalileischenMonde”genannt
werden,warenzurZeitvonHuygensBeobachtungnebendemMond
derErdedieeinzigenbekanntenMondedesganzenSonnensystems.
HuygenswolltedaherauchersteinmalinRuheDatensammeln,
bevorermitseinemFundandieÖffentlichkeitging.Damitihmbei
derEntdeckungaberniemandzuvorkommenkonnte,hatteereinen
damalsüblichenTrickverwendet:ErhatdiewichtigstenFaktenseiner
BeobachtungineinemAnagrammverschlüsseltunddiesesöffentlich
gemacht.Sowarzwarklar,DASSeretwasentdeckthatte,aber
niemandwusste,waseswar.DennderSatzAdmovereoculis
distantiasideranostrisvvvvvvvcccrrhnbqxwarnurdann
verständlich,wennmanweiß,worumesgeht.DerersteTeilder
BotschaftwareineInschrift,dieamRandderLinsevonHuygens
selbstgebautenTeleskopstandundbedeutetsovielwie“Siebrachten
diefernenSternenäheranunsereAugen”.DerBuchstabensalatam
SchlusswareneinfachdierestlichenZeichendienochnötigwaren,
damitdiesenVerszumSatz“Saturnolunasuacircunduciturdiebus
sexdecimhorisquatuor”umformenkann;also:“EinMondbewegt
sichalle16Tageund4StundenumdenSaturn”.
DamitkamHuygensdenechtenDatenziemlichnahe.Wirwissen
heute,dassderTitanfüreinenUmlaufumseinenPlaneten15Tage
und22Stundenbraucht.DerAbstandistrelativgroßundbeträgt
knapp1,2MillionenKilometer.DamitbewegtsichTitanaußerhalb
derSaturnringe.SowiebeiderErdeistauchdieRotationsachsedes
TitanausderSenkrechtengeneigtundsowiebeiderErdeentstehen
dadurchauchaufdemTitanJahreszeiten.Diedauernallerdings
etwaslänger,daderferneSaturnundmitihmTitanganze30
ErdenjahrefüreineRundeumdieSonnebraucht.EineJahreszeit
dauertalsoetwa7,5Jahre.UndweilTitanderSonnesofernist,istes
inJEDERdieserJahreszeitenkalt!
DieDurchschnittstemperaturanderOberflächebeträgt-180Grad
Celsiusundmankönntemeinen,dasaufsoeinemdurchgefrorenen
Himmelskörperkaumetwaslosseinkann.Aberdamitliegtmanvöllig
falsch!TitanhatzumBeispieleinesehrdichteAtmosphäre!Das
machtihneinzigartigunterdenMondenimSonnensystem,dieinder
HinsichteherunseremeigenenMondgleichenundkeineGashülle
besitzen.
Titanaberschonundwasfüreine!DassdaeineAtmosphäresein
könnte,hatderspanischeAstronomJosepComasiSolàschon1908
vermutet,weildieFarbedesimTeleskopsichtbarenTitannichtganz
gleichmäßigwar.NachgewiesenwurdeihreExistenzabererstimJahr
1944vomamerikanischenAstronomGerardKuiper.Inden
folgendenJahrzehntensindeinigeRaumsondenamSaturnvorbei
geflogenundhabendieSachegenaueruntersucht.Aufder
OberflächedesMondesbeträgtderDruck1,5bar–eristalso50
ProzenthöheralsderatmosphärischeDruckaufderErde!Über
jedemQuadratmeterdesTitansbefindetsichzehnmalsovielGasals
aufderErdeunddieDichtediesesGasesistfünfmalhöher.Unddie
gesamteMassederTitanatmosphäreistgrößeralsdieMasseder
Erdatmosphäreunddas,obwohlunserPlaneteinenmehrals
doppeltsogroßenDurchmesserhat!
UndindieserdichtenAtmosphäredesTitanpassiertsoeiniges!Im
GegensatzzurErdatmosphäre,indernebenStickstoffaucheine
relevanteMengeanSauerstoffexistiert,bestehtsiefastkomplettaus
Stickstoff.SieentstehtausAmmoniak,dasausdemInnerendes
Mondesausgast.WenndannUV-StrahlungderSonneaufdas
Ammoniaktrifft,kannsiedasMolekülinseineBestandteile
aufspalten:WasserstoffundStickstoff.Stickstoffistschwerundsinkt
nachunten;WasserstoffistleichtundentweichtindenWeltraum,da
ervonTitanmitseinerAnziehungskraftnichtgehaltenwerdenkann.
InderAtmosphärefindensichaberauchnochjedeMengeandere
organischeMoleküle,hauptsächlichKohlenstoffverbindungenwie
EthanoderPropan.Esbildensichausdenverschiedenenvom
SonnenlichtaufgespaltetenBruchstückenauchpolyzyklische
aromatischeKohlenwasserstoffe,dieaufderErdeinErdöloder
Kohlezufindensind.AufdemTitansinkensiezuBodenundbilden
dortdenfürdenMondtypischenorangefarbenenNebel.
Undwirwissensogar,wiees
indiesemNebelund
darunteraussieht!DennTitan
istnebenderVenus,dem
MondderErdeunddem
Marsdereinzigegroße
Himmelskörper,aufdemeine
Raumsondegelandetist.Am
25.Dezember2004setzte
dieSondeCassinidie
LandeeinheitHuygensab,die
am14.Januar2005die
OberflächedesMondes
erreichte.Siedurchquertedie
DichteAtmosphäre,machte
dieerstenBilderder
OberflächedesPlanetenund
konntenachdemAufsetzen
noch70MinutenlangBilder
zurErdeschicken,bevordie
niedrigenTemperaturenzu
einemAusfallführten.
Huygenshattedieam
weitestenvonderErde
enfernteLandunginder
GeschichtederMenschheit
geschafftundunsBilder
HuygensLandeplatzaufdemTitan(Bild:
ESA/NASA/JPL/UniversityofArizona)
einersehrseltsamenundfaszinierendenWeltgezeigt.Undsiehat
unssogarTönegeschickt:WährenddesFlugsdurchdieAtmosphäre
liefenMikrophonemitdieeinenEindruckdavongeben,wieessich
füreinenMenschenangehörthätte,wennermitHuygensaufdem
Titangelandetwäre:
Nämlichso.
VielbeeindruckenderwarenaberdieBilderderOberflächeselbst.
DerTitangehörtzurKlassedereisigenHimmelskörper.Übereinem
KernausGesteinliegteinedickeSchichtausEisundMethan.Die
Oberflächeistkomplettgefroren,aberdarunterkönnteeseinen
OzeanausflüssigemWassergeben.ManhataufjedenFall
Kryovulkanismusbeobachtet,alsoVulkane,diekeingeschmolzenes
GesteinandieOberflächebringensowieaufderErde,sondern
geschmolzenesEis,alsoWasser.AufderOberflächeistessokalt,
dasssichdasEiswieGesteinverhält.Abertrotzdemgibtesdort
FlüsseundSeen!IndenenbefindetsichaberkeinWasser,sondern
Methan!
UnterdenBedingungendieaufderErdeherrschen,istMethanein
Gas.AufdemTitanisteskaltgenug,dasesflüssigwerdenkann.So
wiebeiunseinWasserkreislaufexistiert,mitWolkenausdenen
WasserinFormvonRegenaufdieErdefälltunddortdieFlüsseund
Ozeanefüllt,kannesaufdemTitanMethanregnen.Dersichdort
ebenfallsinFlüssenundMeerensammelt.EinFluss,derdort
beobachtetwurde,siehtausdemAllgenausoauswieeinFlussauf
derErde,mitWindungen,Nebenflüssenundallemdrumunddran.
DieMeereaufdemTitanwerdennatürlichnichtsogroßwiebeiuns;
derMondistjaauchkleiner.Aberdiegrößtenvonihnenhaben
immerhinFlächenvonmehrals100.000Quadratkilometernundsind
damitgrößeralsbeispielsweisediegroßennordamerikanischen
Seen.
EswärevermutlicheinsehrbemerkenswerterAnblick,wennmanam
UfersoeinesSeesstehenkönnte.KrakenMareistmit400.000
QuadratkilometerndiegrößteAnsammlungvonFlüssigkeitaufdem
TitanundgrößeralsdasKaspischeMeeraufderErde.Dasflüssige
Methanunddieanderenflüssigen
KohlenwasserstoffediemanimKraken
Marefindetsindebensodurchsichtigwie
dasWasseraufderErde;mankönnte
alsoweithinabindieTiefeblicken.
VieleWissenschaftlersindderMeinung,
dasderTitaneinidealerOrtist,umdie
EntstehungdesLebenszuuntersuchen.
SeineAtmosphäreähneltder
Küstenlandschaftaufdem
AtmosphärediedieErdekurznachihrer
Titan,aufgenommenwährend
HuygensLandungausetwa8
Entstehunghatte.Damalsgabesbeiuns
KilometerHöhe(Bild:
jaauchkeinenSauerstoff;derentstand
NASA/JPL/ESA/Universityof
Arizona)
erstdurchdasLebenselbst.Erstalsdie
erstenLebewesenSauerstoffalsAbfallproduktihresStoffwechsels
produzierten,konntesichdiesesGasbeiunsanreichern.Früheraber
mussesaufderErdeeinwenigsoausgesehenhabenwieaufdem
TitanundauchdiekomplexenorganischenMoleküle,dieals
GrundbausteinedesLebensgeltenfindetmandort.
AbervielleichtbietetderTitannichtnurdieMöglichkeit,die
EntstehungdesLebensaufderErdezustudieren.Vielleichthatsich
dortselbstauchLebenentwickelt!DiesesLebenmusssichvondem
aufderErdeunterscheiden,dasjaaufflüssigesWasserangewiesen
ist.EsbestehtaberdieMöglichkeit,dassdieflüssigen
KohlenwasserstoffedortdieRollespielen,diedasWasserbeiuns
spielt.Wirwissenzwarnicht,obsoeinaufMethanbasierendes
Lebenexistierenkann,aberwennesexistiert,dannistderTitanein
guterOrtumdanachzusuchen.Undvielleichthatmansogarschon
Spurendavongefunden.DieRaumsondeCassinihatimJahr2010
festgestellt,dassWasserstoffinderNähederOberflächedesTitans
verschwindet.Dassollteeigentlichnichtpassieren,aberoffensichtlich
findendortchemischeReaktionenstatt,beidenenWasserstoff
verbrauchtwird.AußerdemhatmandortzwarjedeMenge
KohlenwasserstoffegefundenaberkeinAcetylen.Diesesspezielle
Molekülsollteeigentlichvorhandensein.AcetylenisteineVerbindung
ausWasserstoffundKohlenstoffundesgibtastrobiologische
HypothesenlautdenenesalsEnergielieferantfürMethanbasiertes
LebeninFragekommt.LebewesenaufdemTitankönntenalso
Wasserstoffverbrauchen,sowiewiraufderErdedenSauerstoffund
dieAbwesenheitdesAcetylenkönnteeinHinweisaufdessenExistenz
sein.
Könnte.Eskönntenatürlichauchganzanderssein.Wirwissennoch
vielzuwenigüberalldiefaszinierendenchemischen,
meteorologischenundgeologischenVorgängeaufdemTitan.Wir
müsstenihndringendintensivererforschen.DieLandungvon
HuygenswardieersteundbisjetzteinzigeMissionzudiesemMond.
CassinibefindetsichzwarimmernochimSaturnsystem,istaber
nichtspeziellzurErforschungdesTitangedacht.Undbissicheine
neueMissionaufdenWegmacht,wirdesleidernocheinwenig
dauern.EinigeMissionen,diezumBeispieleineLandungineinem
dergroßenMeerevorgesehenhatten,wurdenlängstwieder
gestrichen.AberzumindestdasTandEM-Projektdereuropäischen
RaumfahragenturESAistnochaktiv.DabeisolleineLandeeinheitauf
demTitanabgesetztwerdenundgleichzeitigeineweitereEinheitan
einemBallonfliegenddieAtmosphäreuntersuchen.Leiderist
TandEMnochnichtübereineunverbindlichePlanunghinaus
entwickelt.DieESAhatnochkeinekonkreteFinanzierung
zugesichert.Wennesirgendwanndochnochumgesetztwird,dann
aufjedenFallerstnach2020;bisdahinsinddieGelderschon
verplant.UndselbstdanndauertderFlugzumSaturnnochweitere9
Jahre…
VielleichtwecktderTitanauchnurdeswegensowenigInteresse,weil
erdenSaturnumkreistund“nur”einMondist.Dabeiistergrößer
alsderPlanetMerkurundwärederTitanalleinimAllunterwegs,
würdenwirihnohneZweifelalseigenständigenPlaneten
klassifizieren.Vielleichthätteerdanninderöffentlichen
WahrnehmungeinenähnlichenStatuswiederMars,aufdensichdie
AmbitionenderRaumfahragenturenjaderzeitkonzentrieren.Dabei
wärederTitanvielleichtsogareinvielbesseresZielfüreine
zukünftigeKolonisierung.DiedichteAtmosphärewürdeunsvorder
gefährlichenkosmischenStrahlungschützen,wasamMars–derso
gutwiekeineAtmosphärehat–nichtderFallist.Wirhättenjede
MengeEisundKohlenwasserstoffezurVerfügungunddamitjede
MengeRohstoffezurAufrechterhaltungvonHabitatenund
ähnlichem.AberdaswirdwohlnochlangenurScience-Fiction
bleiben.
UndderTitanweiterhinmysteriös.Früheroderspäterwerdenwir
dieseneinmaligenHimmelskörperabernocheinmalausderNähe
untersuchenmüssen!DienächsteMissionzumgrößtenMonddes
Saturnswirdirgendwannstattfinden.DerTitanisteinzigartig.Das,
waswirdorterforschenkönnten,gibtesnirgendwosonstim
Sonnensystem!
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