Südtirol. Lebensmitteltechnologien.

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Südtirol.
—
Lebensmitteltechnologien.
—
Qualität und Innovation
Lebensmittelproduktion im
Bergland Südtirol
3
Landwirtschaft und
Primärproduktion
Die Standbeine der
Südtiroler Wirtschaft
5
Verarbeitung und Veredelung
Spezialisierte Technologien
und Know-how
18
Verbreitung und Vermarktung
Regionale Qualität,
internationaler Erfolg
28
Lebensmittelentwicklung
und -forschung
Hightech für Unternehmen
36
NOI Techpark
Lebensmitteltechnologien als
Forschungsschwerpunkt
40
Netzwerke & Partner
in Südtirol
Zuständige Institutionen
und Einrichtungen
41
Qualität und
Innovation
Alpenländisches Denken und m
­ edi­terrane
Lebensart: Südtirol i­st zwischen zwei Welten
­verortet. Wichtige Handelswege durchqueren das
Land, es ist eine Schnittstelle zwischen Märkten
und Kulturen. Es verbindet, ist Norden und Süden
zugleich. Die Nadelwälder des Pustertals im Osten
des Landes scheinen weit weg von den zypressen­
bewach­­ten Villen am südlich gelegenen K
­ alterer
See und sind doch weniger als eine Autostunde
entfernt.
Klimatisch vereint Südtirol die Kühle eines Berg­
landes mit vergleichsweise milden Temperaturen in
den Tälern, auf warme Sommer- und Herbsttage
folgen hier kühle Nächte. 300 Sonnentage und
über 2.000 Sonnenstunden zählt das Land. Mehr
als die Hälfte der Gesamtfläche Südtirols liegt
oberhalb von 1.500 Metern Meereshöhe, seine
vielen Bergwiesen, auf denen im Sommer die
Bauern­familien das Heu einbringen, haben eine
durchschnittliche Neigung von 30 Prozent.
1
Diese besonderen Voraussetzungen finden auch
Ausdruck in der heimischen Lebensmittelproduk­
tion. Milchwirtschaft, Obst­- und Weinbau sind die
Pfeiler der Südtiroler Landwirtschaft. Neben dem
Apfel als ertragreichstem Produkt wächst in Süd­
tirol eine Vielzahl an Obst- und Gemüsesorten, für
die das Land nach außen hin weniger bekannt ist:
etwa Birnen, Aprikosen, Beeren, Kartoffeln,
Spargel und Kastanien. Die Viehwirtschaft bringt
­wertvolle Erträge wie Milch, Käse, Butter, Sahne,
Quark oder hochwertiges Rindfleisch.
Die Anbauflächen sind über ganz Südtirol verteilt,
vom Tal bis hinauf in die Berge. Über der Wald­
grenze liegen die 1.500 Almwiesen, wo Kühe und
Schafe in den heißesten Monaten zur Sommerfri­
sche in der Höhe weilen, während die Bauern bei
der Heuernte anpacken, um ihr Vieh auch den
Winter über versorgen zu können. So, wie es auch
ihre Vorfahren vor zweihundert Jahren taten.
Schneebedeckte Berge und blühende Apfelwiesen liegen in Südtirol nah beieinander. Schluderns (1)
Qualität und Innovation 3
Traditionsbewusstsein heißt auch: Wert legen
auf Regionalität. Engagierte Südtiroler haben
bereits Jahre vor dem weltweiten Trend der
­Rückbesinnung auf das Regionale in ver­
schiedenen Projekten lokale Qualitätsprodukte
gefördert. Deshalb ist hier die Lebensmittel­
industrie – von der Produktion über die
Ver­arbeitung bis zur Vermarktung – vor allem
von funktionierenden regionalen Wirtschafts­
kreisläufen geprägt.
Aber auch die internationale Lebensmittel­industrie
blickt oft nach Südtirol, vor allem wegen des
­weltweit gefragten, innovativen Know-hows rund
um Apfel und Wein. Das überlieferte landwirt­
schaftliche Wissen des Landes wurde von findigen
Tüftlern perfektioniert und modernisiert.
Als natürliche Folge davon haben sich in der
Lebensmittelverarbeitung wichtige Betriebe
herausgebildet, die über die Grenzen hinaus für
ihre Qualität bekannt sind.
Landwirtschaft und ­Primärproduktion
Qualität zeichnet aus
Südtiroler sind Perfektionisten.
Ihre Lust an ständiger Ver­
besserung und die angeborene
Hartnäckigkeit spiegeln sich
im Qualitätszeichen Südtirol
wider – ein 2005 von der Europäischen Kommission genehmigtes Vorreiterprojekt für ganz
Europa. Die Produkte mit dem
Siegel stehen für kontrollierte
Qualität und handwerk­liche
Verarbeitung. Frischmilch wird
zu 100 Prozent unter dem
Qualitätssiegel produziert.
Südtiroler Speck und Äpfel sind
als „geschützte geografische
Angabe“ (g.g.A.) registriert, ein
von der EU verliehenes Güte­
siegel. Es erkennt regionale
Spezialitäten an, schützt gegen
Nachahmung sowie missbräuchliche Verwendung und
1
2
garantiert darüber hinaus
die Ursprünglichkeit und die
traditionsreiche Herstellung
des Produkts. Beim Wein kennt
Südtirol zwei kontrollierte
Ursprungsbezeichnungen:
DOC Kalterer See und DOC
Südtirol. Die Bezeichnung DOC
entspricht der „geschützten
Ursprungsbezeichnung“ (g. U.),
dem höchstmöglichen
­Qualitätssiegel der EU, und
zeichnet in Südtirol neben
dem Wein auch den Stilfser
Käse aus.
Mit 18.540 Hektar hat Südtirol das größte
zu­sammenhängende Obstanbaugebiet der EU.
Das sind etwa 2,5 Prozent der Gesamtfläche
des Landes oder, anschaulicher ausgedrückt,
25.000 Fußballfelder. Betrachtet man die Menge
und Qualität an landwirtschaftlichen Erzeugnissen,
die in Südtirol jährlich produziert werden, kann es
verwundern, dass heute nur rund sechs Prozent
der Südtiroler in der Landwirtschaft tätig sind,
während es 1951 noch 43 Prozent der Bevölkerung
waren. Doch obwohl jeder fünfte Hofbesitzer über
65 Jahre alt ist, treiben viele Jungbauern und
-bäuerinnen auch auf abgelegenen Bergbauern­
höfen eine Renaissance des Landwirtsberufs voran,
unterstützt von Organisationen wie der Südtiroler
Bauernjugend und getrieben von der Vision einer
modernen und technologieunterstützten, aber
Südtirols Gesamtfläche:
7.400 km² (= 740.000 ha)
rund 485.000 ha l andwirtschaftliche Gesamtfläche
(inkl. Waldflächen)
rund 241.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche
(rund 12 ha Fläche pro Betrieb)
20.212
landwirtschaftliche Betriebe
davon im Weinanbau im Apfelanbau viehhaltende Betriebe 4.779
7.275
9.970
Durchschnittliche Betriebsgröße in
Südtirol
12 ha
Italien
8 ha
Deutschland
Europa
14 ha
Quellen: ASTAT (Landwirtschaftszählung 2010), Südtiroler Bauernbund
Die Qualität des Südtiroler Markenspecks wird
von unabhängigen Kontrollorganen überwacht. (2)
Blick vom Burghügel von Schloss Tirol auf die Stadt Meran
und die umliegenden Obstwiesen. Dorf Tirol (1)
Qualität und Innovation 4
Landwirtschaft und Primärproduktion 5
58 ha
Daten und Fakten
Obstbauern: 7.600
davon Apfelbauern: 7.275
Durchschnittliche Betriebsgröße: 2,5 bis 3 ha
gleichzeitig traditionsbewussten und nachhaltigen
Landwirtschaft. Dies ist ein Grund dafür, dass die
bäuerlichen Betriebe auch heute fast zu 100 Pro­
zent in heimischer Hand sind und der Südtiroler
Bauernbund mehr als 21.000 Mitglieder zählt.
Apfelernte gesamt: ca. 1,1 Mio. t (99 % der gesamten Obsternte)
Nicht nur in der Landwirtschaft, auch in Handel,
Handwerk und Industrie sind die meisten
­Südtiroler Unternehmen als Familienbetriebe
entstanden und sind es bis heute geblieben. Die
wirtschaftliche Struktur des Landes ist durch eine
Vielzahl von Kleinbetrieben gekennzeichnet: knapp
95 Prozent der Unternehmen haben weniger als
10 Beschäftigte. Auch die landwirtschaftlichen
Betriebe sind sehr klein: Ein Bauer bewirtschaftet
durchschnittlich 10 Hektar Land; fast die Hälfte
aller Betriebe sind Kleinstbetriebe mit weniger
als fünf Hektar. Die kleine Betriebsgröße bedingt,
dass sich so gut wie alle Landwirte in Genossen­
schaften zusammenschließen. Das Genossen­
schaftswesen hat eine lange Tradition in Südtirol.
Nach italienischem Modell sind hier Betriebe in
den unterschiedlichsten Branchen genossenschaft­
lich organisiert: vom Sozialwesen bis hin zu
Banken und Dienstleistern. Allein Südtirols
Bauern sind in rund 100 verschiedenen Genossen­
schaften vereint, um bei der Ernte, der Ver­­
arbeitung und ­Vermarktung ihrer Produkte enger
und effizienter zusammenzuarbeiten.
3
Anteil Südtirols
an der Apfelernte Italiens
an der Apfelernte der gesamten EU
an der Bio-Apfelernte der gesamten EU
Landwirtschaft und Primärproduktion 6
10-12 %
40 %
Äpfel
Event
Nach der Ernte werden die Äpfel gewaschen und anschließend sortiert.
Obstgenossenschaft Egma, Kaltern (3)
50 %
Quellen: Südtiroler Apfelkonsortium, ASTAT
2
Innovative Hagelschutzsysteme schützen die Obstanlagen
auch vor Sonne und Wind. Terlan (2)
davon Tafelware: 85 %
Bio-Äpfel: 4 %
Industrieware: 11 %
Interpoma
Alle zwei Jahre ist Bozen Standort
der größten internationalen Fach­
messe für Anbau, Lagerung und
Vermarktung des Apfels: Die welt­
weit einzigartige Interpoma ist ein
Pflichttermin für Brancheninsider
und wird 2016 zum zehnten Mal
veranstaltet. Mit rund 360 Aus­
stellern aus 17 Nationen und
16.000 Besuchern aus über 60 Län­
dern ist die Messe das wichtigste
Forum zur Welt des Apfels.
Die Südtiroler und ihre Äpfel
verbindet eine innige Beziehung, der Apfelanbau hat hier
eine lange Tradition. Die Hälfte
aller italienischen Äpfel und ein
Zehntel der gesamten in der
EU produzierten Apfelmenge
wächst in Südtirol. Es ist also
wenig überraschend, dass der
Apfel das landwirtschaftliche
Gut Nummer eins in Südtirol
ist. Er hält mit über 99 Prozent
des gesamten Obstanbaus eine
Monopolstellung und wächst
von 200 bis über 1.000 Meter
Meereshöhe, von Salurn im
Etschtal bis nach Mals im
­Vinschgau, vom Hochplateau
Ritten bis nach Natz-Schabs im
Eisacktal. Eine Apfelsorte ist
ganz besonders mit Südtirol
verbunden: Der Golden
­Delicious wird mit Abstand
am meisten produziert, er stellt
mit über 400.000 Tonnen fast
40 Prozent der Gesamtproduktion. Auf ihn folgen die Sorten
Gala (140.000 t, 13 %) und Red
Delicious (100.000 t, 9 %).
Diese drei und acht weitere
Südtiroler Apfelsorten dürfen
seit 2005 das EU-Gemeinschaftszeichen „geschützte
­geographische Angabe“ (g.g.A.)
tragen, womit sie EU-weit als
regionale Spezialität anerkannt
sind.
Ernte und Lagerung
Im Frühjahr blühen in Südtirol
die Apfelbäume weiß und rosa;
ab Mitte August arbeiten die
Apfelbauern an der Ernte, die in
der Talsohle mit der Sorte
Gala beginnt und mit dem spät
Landwirtschaft und Primärproduktion 7
reifenden Pink Lady Anfang
November endet. Sobald die
von Hand erledigte oder maschinell unter­stützte Arbeit der
Bauern beendet ist, wandern
die geernteten Äpfel in Großkisten zum Vermarktungsbetrieb. Dort lagern sie in Kühl­
zellen, deren Luftzusammen­
setzung genau ge­regelt ist.
Kälte und ein stark verringerter
Sauer­stoffanteil versetzen den
Apfel in einen konservierenden
Ruhezustand. Mit dieser sogenannten CA-Lagerungstechnik
(Con­trolled Atmosphere) bleiben
Äpfel bis zu acht Monate lang
erntefrisch – eine Technologie,
die zeigt, dass Südtirol nicht
nur im Anbau und der Ernte der
Äpfel, sondern auch in den
Lagertechniken zu den Vorreitern zählt.
Obstgarten Südtirol
In weiten Teilen des Landes
prägt der Obstanbau das landschaftliche Bild: Neben Äpfeln
wachsen vor allem im Westen
saftige Birnen, die Jahresproduktion aller Sorten ergibt
zusammen rund 700 Tonnen.
Besonders beliebt ist die Pala­
birne, eine alte Sorte aus dem
Vinschgau.
Auf einer Fläche von 110 Hek­
tar bauen die Südtiroler Aprikosen an (die hier Marillen heißen), fast 70 Prozent davon
allein im Vinschgau – jenem Teil
Südtirols, der für diese Frucht
besonders bekannt ist. Wirtschaftlich nimmt die beliebte
„Vinschger Marille“ mit rund
370 Tonnen Jahresproduktion
zwar eine untergeordnete
Rolle ein. Aber sie stellt einen
guten Nebenerwerb für höher
gele­gene Misch- und Grün­land­betriebe dar und ist zu­
sammen mit dem weißen
Laaser Marmor die Protago­
nistin des seit 15 Jahren statt­
findenden Gas­tro­nomieund Kulturfestivals Marmor &
­Marillen in Laas.
Daten und Fakten
Der Vinschgau ist auch bekannt
für die Erdbeeren aus dem
Martelltal, die bis auf 1.800 Meter Meereshöhe gedeihen. In
dieser Höhe reifen die Beeren
sehr langsam und sind deshalb
nicht nur aromatischer, sondern
können auch später geerntet
und verkauft werden als in
anderen Anbaugebieten Europas – ein erheblicher Vorteil für
die Beerenzüchter. Insgesamt
wird Beerenobst in Südtirol
auf knapp 200 Hektar angebaut. Auf 130 davon wachsen
Erdbeeren, auf 45 Himbeeren
und auf dem Rest unter
­anderem schwarze und rote
Johannisbeeren.
5.043 Milchbauern, davon im Nebenerwerb: 70 %
68.700 Milchkühe
Durchschnittliche Anzahl Kühe pro Stall: 14
Durchschnittliche jährliche Milchmenge pro Betrieb: 73.500 kg
Jährliche Milchproduktion in Südtirol: 370.500 t
Jährliche Milchproduktion in Italien: ca. 10.700.000 t
Anteil der Südtiroler an der gesamtitalienischen Milchproduktion: 3,5 %
Milch
Südtirol ist die einzige Region
Europas, die flächendeckend
ihre Milch und Milchprodukte
als gentechnikfrei kennzeichnen
darf. Gemessen an der Wertschöpfung ist die Milch nach
den Äpfeln das zweitwichtigste
landwirtschaftliche Produkt
Südtirols. Rund 5.000 Milchbauern mit knapp 70.000 Kühen
­bilden das Rückgrat der Milchproduktion Südtirols. Die
­kleinen, bäuerlichen Familienbetriebe halten im Durchschnitt
nur 14 Milchkühe. Daneben
gibt es 24 Ziegenmilch­liefe­
ranten, die zuletzt gemeinsam
600 Tonnen im Jahr produzierten. Sie alle beliefern täglich
einen der neun Milch­höfe (verarbeitenden Molkereien) im
Land oder verkaufen ihre Milch
direkt ab Hof. Fast zwei Drittel
der Bauern betreiben die Milch­
wirtschaft nur als Neben­erwerb,
die Zahl der Milchbauern sinkt
Quelle: Sennereiverband Südtirol
ähnlich wie in Nachbarländern
auch in Süd­tirol stetig. Trotzdem bleibt die Milchproduktion
ein wichtiges Standbein der
heimischen Wirtschaft.
883 Mitarbeiter sind in den
Milchhöfen beschäftigt, die
einen Jahresgesamt­umsatz von
rund 445 Millionen Euro verzeichnen und den Sennereiverband Südtirol bilden, dessen
Haupttätigkeit die Qualitätskontrolle ist.
Der gesamte Produktionsprozess von der Fütterung der Kühe bis hin
zur Verarbeitung der Milch ist in Südtirol gentechnikfrei. (4)
4
Landwirtschaft und Primärproduktion 8
Landwirtschaft und Primärproduktion 9
Gut 70 % der Südtiroler Aprikosen wachsen im Vinschgau,
wo die echte „Vinschger Marille“ angebaut wird.
Die Palabirne, eine aromatische alte Birnensorte, ist im
westlichsten Vinschgau beheimatet.
Der weiße Spargel mit dem Qualitätssiegel „Margarete“
wächst rund um das Dorf Terlan im Etschtal.
Der Apfel wächst in fast allen Tälern mit Ausnahme der kühleren Teile
des Landes im Norden und Osten.
Im Unterland gedeiht der berühmteste Südtiroler „Weiße“, der
Gewürztraminer; im Eisacktal wächst fast ausschließlich Weißwein.
Die Umgebung von Bozen ist für ihre Rotweine bekannt; auch im
Unterland, Überetsch, Etschtal, bei Meran und im Vinschgau gedeihen
rote neben weißen Rebsorten.
Im Martelltal wachsen Erdbeeren bis auf 1.800 m Meereshöhe.
Landwirtschaft und Primärproduktion 10
Besonders im Pustertal und Vinschgau wird Getreide
angebaut, vor allem Roggen und Dinkel.
In ganz Südtirol gibt es knapp 50.000 Schafe und Lämmer.
Im kühlen Pustertal spielt der Anbau von Kartoffeln eine
besonders wichtige Rolle.
Über 130.000 Rinder gibt es in Südtirol, knapp 90.000 davon
sind Milchkühe. Viehzucht und Milchwirtschaft sind vor allem
für Bergbauern wichtige Einkommensquellen.
Landwirtschaft und Primärproduktion 11
Genauso kleinstrukturiert wie
im Obstbau und in der Viehwirtschaft arbeiten Südtirols
Weinbauern: Sie verarbeiten
ihre Trauben entweder selbst
oder liefern sie an eine der
50 lokalen Kellereien, die eine
Vielfalt an Weiß-, Rot- und
Schaumweinen produzieren.
Nach dem Leitmotiv „Gemeinsam stark“ sind die drei großen
Produzentenverbände im
Konsortium Südtirol Wein
zusammengeschlossen.
Italienweit einzigartig ist die
Sortenvielfalt in Südtirol. Rund
20 verschiedene Rebsorten
wachsen hier auf nur 5.300
Hektar, auch dank der unterschiedlichen Lagen: von sandund kalkhaltigen Böden im
Süden bis hin zu Porphyrböden
im Westen des Landes. Drei der
Sorten sind autochthon: der
weiße Gewürztraminer und die
roten Vernatsch und Lagrein.
5
Wein
Aufgrund der geringen Verfügbarkeit von Flächen entstanden in Südtirol kleine,
auf Qualität ausgerichtete Weingüter. Seeburghof, Brixen (5)
Südtirol ist nicht nur das älteste
Weinbaugebiet im deut­schen
Sprachraum – schon im Mittelalter sollen viele süddeutsche
Klöster Weingüter im südlichen
Teil Tirols unterhalten haben,
um ihren Durst nach Wein zu
stillen –, sondern es zählt auch
zu den renommiertesten Weinbauregionen in Italien, einem
Land, in dem es an gutem Wein
nicht mangelt.
Landwirtschaft und Primärproduktion 12
Die weißen Rebsorten nehmen
mehr als 55 Prozent der Weinbaufläche ein. Gewürztraminer,
Pinot Grigio, Weißburgunder
und Chardonnay führen die
Liste der beliebtesten Weiß­
weine an. Aber auch S­ auvignon,
Müller Thurgau, Sylvaner,
­Kerner, Riesling und Veltliner
werden in Südtirol erfolgreich
angebaut. Bei den Rotweinen
sind im Land seit weit über
hundert Jahren neben den
„Ur-Südtirolern“ Vernatsch und
Lagrein auch andere ­klassische
Rebsorten heimisch: Blau­
burgunder, Merlot, Cabernet
Sauvignon und Cabernet Franc.
Daten und Fakten
Weinbauern: 4.779
Anbaufläche: 5.300 ha
Anteil an der Weinernte Italiens: 0,75 %
Durchschnittliche Betriebsgröße und Produktion: ca. 1 ha, 1.750 hl
Weinernte gesamt: 329.570 hl
davon Wein mit kontrollierter
Ursprungsbezeichnung (DOC):
317.010 hl (96 %)
Tafelwein mit geografischer
Bezeichnung: 8.588 hl (3 %)
Tafelwein: 3.972 hl (1 %)
Rot- und Weißweinanteil der gesamten Weinproduktion:
Rotwein 43 %
Weißwein 57 %
Quellen: Konsortium Südtirol Wein, ASTAT
Helmuth Köcher
Gründer MeranO Winefestival
Beste Qualität
Die Südtiroler Weinbauern
haben es früh verstanden,
Qualität über Quantität zu
stellen. Statt auf große Anbauflächen für billigen Tafelwein zu
setzen, haben sie sich auf die
Besonderheiten des Landes
besonnen – etwa die unterschiedlichen Böden und die
geringe Verfügbarkeit von
Flächen – und haben kleine
Weingüter mit erlesenen Reben
geschaffen. Nicht nur die Weinliebhaber, auch die lokale Wirtschaft hat es ihnen gedankt,
von der Gastronomie bis zum
Tourismus.
Die Bemühungen um die Weinqualität haben bewirkt, dass
Südtirols Weine sich im In- und
Ausland immer besser verkaufen und regelmäßig ausgezeichnet werden. Die italienische
Weinbibel Vini d’Italia (Gambero
Rosso) hat etwa für 2015 mit
der höchsten Auszeichnung
„tre bicchieri“ ganze 28 Südtiroler Weine prämiert – die
meisten nach den Regionen
Piemont, Toskana und Venetien,
die zwei- bis dreimal so groß
wie Südtirol sind. Betrachtet
man die Rankings aller wichtigen italienischen Weinführer,
ist Südtirol im Verhältnis zur
Größe der Weinbaufläche – es
produziert nur 0,75 Prozent des
italienischen Weins – das am
häufigsten ausgezeichnete
Gebiet.
Das Schlüsselerlebnis hatte er 1987. Helmuth Köcher
urlaubte in Bordeaux und entdeckte seine Begeisterung
für den Saft der Reben. Zu Hause in Südtirol organisierte er mit Freunden erste Verkostungen internationaler Weine. 1992 wurde daraus ein kleines Festival,
das erste dieser Art. „Unsere Kriterien waren klar
qualitätsorientiert“, erzählt Helmuth Köcher mehr
als 20 Jahre später. Die Philosophie verfolgt das
MeranO Winefestival bis heute – nur sind die Dimen­
sionen bedeutend größer. Über das Jahr testen zehn
Verkostungs­kommissionen 5.000 internationale
Weine. 1.200 Weine von Produzenten aus 14 Ländern
werden schließlich im November im Meraner Kurhaus
6.500 Besuchern und 300 Journalisten präsentiert.
330 Weine ­kommen aus Italien, 10 Prozent davon aus
Südtirol. Das MeranO Winefestival ist ein Forum für
Meinungsaustausch unter Konsumenten und Produzenten. Und Meran dadurch der internationalen
Weinwelt mehr als nur ein Begriff.
Landwirtschaft und Primärproduktion 13
den jahrhundertealten Kreislauf
vom Korn zum Brot in Südtirol
wiederherzustellen. Ziel ist es,
den Getreidebau als Nebenerwerb attraktiv zu machen und
unterschiedliche Getreidesorten auszuprobieren. Angebaut
wird auf 80 Hektar, vor allem im
Vinschgau und Pustertal.
6
Auf Südtirols Äckern
wird geackert
Was dem Süden und Westen
Südtirols die Äpfel, sind dem
Osten die Kartoffeln: Im kargeren, kühlen Pustertal wächst
wenig Obst und kein Wein.
Dafür werden hier seit jeher die
„Puschtra Erdäpfel“ – eine
unverzichtbare Zutat vieler
traditioneller Gerichte der
Südtiroler Küche – angebaut.
Neben Kartoffeln (380 ha Anbaufläche, ca. 14.000 t jährliche
Erntemenge) sind Blumenkohl
(80 ha, 2.600 t) und rote Rüben
(30 ha, 1.650 t) die Haupt­
kulturen des Ackerbaus. Daneben gedeihen auf Südtirols
Äckern auch andere Gemüsesorten wie Radicchio, Salat und
Weißkohl. Vor allem im Vinschgau und im Pustertal ist der
Anbau dieser Sorten für viele
Bauern ein sinnvoller Neben­
erwerb, 400 von ihnen produzieren ihr Gemüse unter dem
Südtiroler Qualitätszeichen.
Ein bedeutender Anteil der
Ackerfläche ist mit 265 Hektar
außerdem dem Anbau von
Getreide gewidmet (Erntemenge knapp 1.000 t), darunter vor
allem Roggen und Dinkel. Historisch gesehen war der Getreideanbau in Südtirol lange ein
zentraler Wirtschaftszweig, der
Obervinschgau im Westen des
Landes fungierte als „Kornkammer Tirols“, bis der Obstanbau
intensiviert wurde. Das steigende Bewusstsein der Konsumenten für natürliche Lebensmittel,
ökologische Anbauweisen und
regionale Projekte ließ die
Getreidenachfrage im letzten
Jahrzehnt wieder steigen.
Rund um das Dorf Terlan zwischen Bozen und Meran wächst
in den sandigen Böden des
Etschtals ein für die Südtiroler
Gastronomie besonders wertvolles Nischenprodukt: der
Spargel. Der „echte“ Südtiroler
Spargel ist der weiße Spargel,
der unter dem Qualitätssiegel
„Margarete“ vertrieben wird.
Insgesamt 15 Terlaner Spargelbauern bauen ihn auf etwa 10
Hektar Fläche an und verwenden dabei ausgeklügelte Methoden wie ständige Temperatur­
überwachung, Sonnenschutz
und ein „Spargeltaxi“, das den
gestochenen Spargel zur Vorwäsche und Schockkühlung in
die Kellerei Terlan bringt.
Rund 30 Südtiroler Bäcker – ein
Drittel der Gesamtzahl – bieten
in ihrem Sortiment mindestens
eine Brotsorte an, die aus
­einheimischem Getreide her­
gestellt wird. Mehr Regionalität
im Brot hat das Projekt „Regiokorn“ gefördert: Getreidebauern, Mühlen und Bäckereibetriebe arbeiten zusammen, um
Honig
Wiederentdeckte Nutzpflanze
Etwa 3.000 Imker und über
36.000 Bienenvölker gibt es in
Südtirol. Die meisten betreiben
die Bienenzucht als Hobby, aber
150 dieser Hersteller – und ihre
etwa 6.000 Bienenvölker – produzieren und verkaufen jährlich
90.000 Kilogramm naturbelassenen Honig unter dem Südtiroler Qualitätssiegel, vom
hellen Mischblüten- bis zum
dunklen Waldhonig. Der rührige
Imkerbund des Landes hat
sogar eine Imkerschule ins
Leben gerufen, um den Nachwuchs zu sichern.
Eine Gruppe von jungen Süd­
tirolern widmet sich seit einigen Jahren im Pustertal und
­Vinschgau dem Anbau und der
Verarbeitung von Hanf. Dafür
wurde das Unternehmen
­Eco-Passion gegründet. Sein
Ziel ist es, kleine Wirtschaftskreisläufe zu schaffen, die sich
langfristig halten. Hanf ist eine
der ältesten Nutzpflanzen und
ein äußerst resistenter Rohstoff,
der Böden „reinigen“ kann und
in Südtirol sehr gut gedeiht.
Er kann den Grundnahrungs­
bedarf abdecken und zu
Hanföl, -mehl und -milch ver­
arbeitet werden.
Rund 30 Südtiroler Bäcker stellen
Brot aus einheimischem Getreide her.
Bäckerei Plazotta, Eppan (6)
Ein Imker holt die Waben aus dem
­Bienenstock. Kaltern (7)
Hühner müssen unter anderem
uneingeschränkten Auslauf ins
Freie haben, damit ihre Eier das
Qualitätszeichen Südtirol erhalten. (8)
8
Eier
Fleisch
Viele Südtiroler Konsumenten
beziehen Eier direkt ab Hof,
aber auch im herkömmlichen
Handel achtet man auf
­Qualität: 10 Millionen Eier
pro Jahr werden mit dem Qualitätszeichen Südtirol ausgezeichnet. Die teilnehmenden
Eierproduzenten müssen strenge Auflagen erfüllen, um dem
Qualitätsstandard zu entsprechen: Die Hühner müssen
uneingeschränkten Auslauf ins
Freie und einen gut gepflegten
Sandplatz haben, Futtermittel
müssen frei von Hormonen und
Antibiotika sowie gentechnisch
nicht verändert sein. Um Frische zu garantieren, müssen die
Eier innerhalb von sechs Tagen
ab dem Legedatum sortiert,
gekennzeichnet, verpackt und
ausgeliefert werden. Jedes Ei
wird dabei mit einem Code
versehen, der es dem Konsumenten ermöglicht, seine Herkunft zu überprüfen.
Vor allem Feinschmeckern sind
die Südtiroler Rinder bekannt,
die seit 2012 unter dem Siegel
Qualität Südtirol vermarktet
werden: 215 klein strukturierte
und vor allem in höheren, für
den Obst- und Weinbau nicht
geeigneten Lagen angesiedelte
Landwirtschaftsbetriebe in ganz
Südtirol züchten derzeit jährlich
je zwei Rinder.
Insgesamt gibt es rund 8.000
rinderhaltende Betriebe und
139.000 Rinder in Südtirol.
Delikatessen in kleiner Produktion wie die sogenannten Laugenrinder aus dem Ultental und
dem Gebiet Deutschnonsberg
sind noch ein Nischenprodukt.
7
Landwirtschaft und Primärproduktion 14
Landwirtschaft und Primärproduktion 15
In Villnöß, einem Seitental des
Eisacktals, züchten einige Bauern heute wieder das „Villnösser
Brillenschaf“, die älteste Schafrasse Südtirols. Der kuriose
Name lässt sich auf die dunklen
Augenringe der Tiere zurückführen. In den 1930er-Jahren
fiel die Rasse beinahe nationalsozialistischen Vereinheitlichungsbestrebungen zum
Opfer, aber einige beharr­liche
Züchter sicherten das Überleben des Brillenschafes. Heute
gibt es etwa 2.400 dieser Tiere
und jedes Jahr etwa 2.500 neugeborene Lämmer. Das beliebte
Schaf- und Lammfleisch wird an
Restaurant­betriebe verkauft
oder zu S­ chinken und Salami
ver­arbeitet und zusammen mit
der Wolle unter der Marke
„furchetta“ vertrieben.
Biologisch
Rund 260 Betriebe in
­Südtirol wirtschaften öko­
logisch. An erster Stelle
stehen die Obst- und
Gemüse­bauern:
49 Betriebe bauen ihre
Erzeugnisse biologisch an.
Insgesamt beträgt die
ökologisch genutzte Fläche
knapp 6.000 Hektar.
Kulturart
Beerenobstbau
9
Kräuter
Exoten
In Südtirol wurden schon immer
Pflanzen für den häuslichen
Gebrauch gesammelt. Das
Kräuterwissen zu Heilzwecken
und zur kulinarischen Verwendung wird noch immer von
Generation zu Generation
weitergetragen. Vor etwa 30
Jahren begann der professionelle Kräuteranbau. Zitronen- und
Goldmelisse, Kümmel, Salbei,
Ringelblume, Pfefferminze und
Basilikum sowie Gewürze wie
Thymian und Dill wachsen in
einer Höhenlage von mindestens 500 Metern über dem
Meeresspiegel fernab von
Ballungsgebieten und Verkehrsadern. 40 Hersteller gibt es
inzwischen; zehn davon, darunter Bergila aus Pfalzen oder das
Kräuterschlössl aus Goldrain,
produzieren Kräuter und Gewürze mit Qualitätszeichen und
verkaufen sie einzeln, als Tee
oder verarbeitet als Tinkturen,
Öle und Salben.
Auch exotische Früchte gedeihen im ungewöhnlichen Klima
Südtirols. Auf dem Schornhof
nahe Neumarkt wächst auf
1.000 Höhenmetern und einer
Fläche von rund vier Hektar die
aus China stammende Goji­
beere, der beinahe wundersame
Verjüngungs- und Heilkräfte
nachgesagt werden. Die Frucht,
die in Südtirol anders als in
ihrem Herkunftsland pestizidfrei gedeiht, wird roh und
­getrocknet verkauft oder zu
Säften, Marmeladen und Tees
verarbeitet. Unter dem Markennamen „südtirolgoji“ haben die
Betreiber des Schornhofs aus
dem Nichts einen neuen ­lokalen
Wirtschaftskreislauf geschaffen,
davon ökologisch
bewirtschaftet
197 ha
10,0 %
Kernobstbau
18.326 ha
7,5 %
Steinobstbau
165 ha
6,6 %
Ackerland/Kräuterbau
4.168 ha
5,2 %
Weinbau
5.380 ha
5,0 %
der ihre Kunden unabhängig
von Importen aus China macht
und Transportwege stark
verringert.
Events
Biolife
Biolife wurde 2004 in Bozen als
erste italienische Fachmesse für
zertifizierte Bioprodukte ins Leben
gerufen. Von einer Informationsver­
anstaltung über den Bio-Anbau in
Südtirol entwickelte sich die Messe
zu einem Schaufenster für Produ­
zenten aus dem In- und
Ausland. Getragen wird sie von
Bio-Branchenverbänden und einer
aktiven Netzwerkarbeit.
Auch einige Gemüsesorten
gedeihen in Südtirol in unerwarteten Höhen: In den Höhenlagen des Eisacktals wächst die
Südtiroler Bergartischocke, ein
Nischenprodukt, das im Gegensatz zu seinen Artgenossen
im Sommer geerntet werden
kann – also zu einem Zeitpunkt,
wenn im Handel wenige Artischocken verfügbar sind. Das
macht sie nicht nur bei Gastronomie und Endverbrauchern
begehrt, sondern für die Bauern
finanziell interessant.
Agrialp
Alle zwei Jahre ist die alpenländi­
sche Landwirtschaftsschau Agrialp
Bozen ein wichtiger Treffpunkt für
alle, die im Landwirtschaftssektor
beschäftigt sind. Zahlreiche Aus­
steller präsentieren ihre neuesten
Produkte und Dienstleistungen für
die Branche.
10
Bio-Kräuteranbau auf 530 m Meereshöhe
auf dem Gachhof. Meran (9)
Gewächshaus im Land- und forstwirtschaftlichen
Versuchszentrum Laimburg. Auer (10)
Landwirtschaft und Primärproduktion 16
Gesamtfläche
in Südtirol
Landwirtschaft und Primärproduktion 17
Verarbeitung und Veredelung
Die Vielfalt des Südtiroler Lebensmittelsektors
spiegelt sich im Nebeneinander von Weltmarkt­
führern und kleinstrukturierten Unternehmen
wider, von international tätigen Industrie- und
kleinen bäuerlichen Betrieben, die höchste Qualität
erzeugen und teilweise nach biologischen Grund­
sätzen wirtschaften. Manche arbeiten für den End­
verbraucher, andere sind wichtige Zulieferer in der
lokalen und internationalen Lebensmittelindustrie.
Die „Kleinen“ sind eindeutig in der Überzahl:
Von 416 Südtiroler Betrieben, die im Sektor
­Nahrungs- und Genussmittel tätig sind, beschäf­
tigen nur 27 mehr als 50 Mitarbeiter. Dafür stehen
die „Großen“ der internationalen Branche in
nichts nach: Die 40 größten Betriebe des Süd­
tiroler Lebensmittelsektors arbeiten vorwiegend in
der Fruchtverarbeitung, der Fleisch- und
Getränke­industrie sowie mit Mehlprodukten;
gemeinsam setzen sie etwa 1,5 Milliarden Euro um
und beschäftigen 2.500 Mitarbeiter.
Diese Vielfalt des Lebensmittelsektors lässt in
Südtirol ein wirtschaftliches Panorama entstehen,
in dem eine kleine Hofkäserei oder ein junges
Start-up, das Drinks auf Apfelbasis herstellt,
neben dem weltweit bekanntesten Waffelprodu­
zenten und dem Weltmarktführer für glutenfreie
Produkte besteht.
1
Lebensmittelverarbeitende Betriebe in Südtirol
mehr als 50 Mitarbeiter
weniger als 50 Mitarbeiter
Quelle: Handelskammer Bozen
Nach der Ernte wandern die Äpfel in Großkisten zum Vermarktungsbetrieb,
wo sie in Kühlzellen gelagert werden. Obstgenossenschaft Egma, Kaltern (1)
Verarbeitung und Veredelung 18
Fruchtverarbeitung
Wie in der Landwirtschaft spielt
das Obst in Südtirol auch in der
lebensmittelverarbeitenden
Branche eine zentrale Rolle. Der
Verarbeitungsbetrieb VOG
Products, einer der größten
Obstverarbeiter Europas, ist
Eigentum von 20 Genossenschaften und 4 Erzeugerorganisationen aus Südtirol und der
Provinz Trient, gehört also
gemeinschaftlich über 15.000
Obstbauern. Die hergestellten
Produkte wie Saft, Konzentrat,
Aromen, geschnittene, gekochte, pasteurisierte oder tiefgefrorene Äpfel werden an die Lebensmittelindustrie geliefert.
Unter dem Siegel Qualität
Südtirol bietet der Betrieb auch
eigene Produkte an, etwa verzehrfertige Apfelstücke im
Frischebeutel.
Verarbeitung und Veredelung 19
Daneben arbeiten in Südtirol
weitere Unternehmen mit
europaweiter Relevanz. Sie
beziehen Früchte auch aus dem
Ausland und verarbeiten sie
hier zu Halbwaren für die europäische Fruchtsaft-, Baby­
nahrungs- und Lebensmittel­
indu­strie. Die Hans Zipperle AG
verarbeitet als branchen­
führendes Unternehmen rund
160.000 Tonnen Frucht pro
Jahr. Dazu kommen rund fünf
Millionen mit Fruchtsäften
abgefüllte Mehrwegglas­
flaschen für den heimischen
Markt.
Europas führendes Unter­
nehmen in der Produktion von
Dunstäpfeln, Dunstbirnen und
Tiefkühlobst kommt mit Fructus
Meran ebenfalls aus Südtirol,
während das Unternehmen
Iprona aus Lana Zwischenprodukte wie Fruchtkonzentrate,
Pürees, Pulpkonzentrate und
natürliche Farbstoffe herstellt.
Südtiroler Speck
Das Verhältnis der Südtiroler
zu ihrem Speck kann bisweilen
religionsähnliche Züge annehmen. Die Farbe, die Konsistenz,
das Verhältnis von „weiß“ und
„rot“, der Geruch, die Gewürze,
der Salzgehalt, die Reifezeit
von fünf oder doch sechs Wochen – es sind viele Faktoren,
die einen wirklich guten Speck
ausmachen. Viele Südtiroler
beziehen ihre Hammen, also
Speckkeulen, direkt vom Bauernhof und hüten das Geheimnis um den Produzenten ihres
Vertrauens wie ihren Augapfel.
Besonders beliebt ist in Südtirol
der Apfelsaft – viele Bauern
stellen eigenen Saft her und
verkaufen ihn ab Hof. Jährlich
produzieren acht Hersteller in
Südtirol gemeinsam etwa
580.000 Liter naturtrüben
Apfelsaft mit Qualitätszeichen,
in jedem Liter stecken 1,4 Kilo
Äpfel.
3
2
Auch in der Verarbeitung von
Apfelsaft lässt sich Innovation
betreiben. Die Firma Kohl
vom Troidnerhof am Ritten
orientiert sich für ihre Bergapfelsäfte an der Philosophie des
Wein­anbaus: Thomas Kohl stellt
reinsortige Säfte her, mischt für
die Produktlinie „Gourmet +
Säfte“ aber auch Bergapfelsaft
mit Birnen oder Marillen.
Das Pustertaler Unternehmen
Alpe Pragas, das der Jungbauer
Stefan Gruber gründete, als
er noch nicht einmal volljährig
war, verarbeitet Früchte zu
Fruchtaufstrichen, Smoothies
und Chutneys, unter anderem
die in ­Süd­tirol wachsende
­Gojibeere. Trockenfrüchte aus
biologischem ­Anbau bekommt
man beim Kandlwaalhof in Laas
im Vinschgau, eine Besonderheit im Sortiment des Bauern
Karl Luggin ist aber der Senf:
Diesen veredelt er mit der
Vinschger Marille oder der
Palabirne, Kräutern, Apfelwein
und -essig. Luggin ist auch der
einzige Hersteller von Bioessig
in Südtirol.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass es auch für den Südtiroler Speck ein Gütesiegel mit
streng überwachten Qualitätskriterien gibt. Rund 40 Prozent
der gesamten Südtiroler Speckproduktion, mehr als 2,3 Millionen Hammen, werden unter
dem Qualitätssiegel g. g. A.
hergestellt. Zu den 30 Südtiroler Speckproduzenten mit
Qualitätszeichen zählen acht
industrielle Hersteller und 22
kleine Metzgerbetriebe, die für
den lokalen Markt produzieren.
„Südtiroler Bauernspeck“ –
eine besondere Variante des
Produkts, die in ausgewählten
Feinkostläden vertrieben wird –
wird von fünf Betrieben her­
gestellt. Dafür mästen rund
4
30 Bauern im Jahr knapp
600 Schweine. Die Speck­her­
stellung erfolgt streng nach
traditionellen Methoden. Aufgrund der Fütterung und des
unterschiedlichen Alters der
Tiere unterscheiden sich die
Speckteile in Größe und Fett­
anteil, je nach Gewicht und
Dicke der Teilstücke kann die
Reifezeit der Schlegel sogar bei
8 Monaten liegen.
Alpe Pragas verarbeitet Früchte zu Aufstrichen, Smoothies und Chutneys. Prags (2)
Die Produktionshalle von Alpe Pragas. Prags (3)
Verkauf von Südtiroler Speck im Genussmarkt Pur Südtirol. Bozen (4)
Verarbeitung und Veredelung 20
Verarbeitung und Veredelung 21
Das „weiße Gold“:
Joghurt und Mozzarella
Die Milchverarbeitung wird in
Südtirol – wenn die Bauern ­
ihre Milch nicht in eigenen
Hofkäsereien selbst verwerten – hauptsächlich von den
neun Südtiroler Milchhöfen
abgewickelt. Nach dem Prinzip
der Arbeitsteilung ist jeder
Milchhof auf bestimmte
­Produkte spezi­alisiert.
Maximilian Alber, Stefan Zingerle,
Philipp Zingerle
Start-up-Unternehmer, Hoila Cider
Wie kann es sein, dass Südtirol keinen Apfelwein
produziert, wo doch in Südtirol die besten Äpfel
wachsen? Diese Frage stellten sich 2010 die Brüder
Philipp und Stefan Zingerle und ihr Freund Maximilian
Alber. Die Antwort: Südtirols erster Apfelcider namens
„Hoila“ – so wie der freundliche Gruß im Südtiroler
Dialekt. Seit Mai 2014 ist ihr Produkt auf dem Markt,
ein Mix aus Südtiroler Apfelsorten (drei Äpfel sind in
einer Flasche enthalten) mit einem natürlichen Alkoholgehalt von 5,5 Prozent, frei von Aroma- und Farbstoffen. Die Rezeptur entwickelten Experten am
Forschungsinstitut der schottischen Heriot-Watt
University. Produziert wird in einer Südtiroler Kellerei,
jährlich will Hoila Cider 200.000 bis 300.000 Flaschen
abfüllen. Der Kernmarkt ist Südtirol – und „Hoila“ ein
Statement: „Wir sind stolz auf Südtirol“, sagt Philipp
Zingerle. „Zwei von uns dreien sind Heimkehrer, der
andere hat Heimweh.“
hinter dem Marktführer. 80 Prozent der Produktion kommt
unter der Eigenmarke in Italiens
Supermärkte, die restlichen
20 Prozent werden im Auftrag
von Han­dels­marken produziert.
Im Milchhof Brixen fallen
85 Prozent der Gesamtpro­
duktion auf den Mozzarella­
käse – damit belegt er Platz
vier der größten italienischen
Mozzarella­hersteller.
Der Schwerpunkt des Milchhofs
Sterzing liegt etwa auf der
Joghurtproduktion. Das Sterzinger Joghurt gilt als besonders
cremig, weil ihm viel Wasser
entzogen wird. Mit einem
Jahres­umsatz von knapp
77 Millionen Euro rangiert der
Milchhof am Joghurtmarkt
italienweit an dritter Stelle,
beim Voll- und Magermilch­
joghurt liegt er sogar nur knapp
Insgesamt wurden in Südtirol
zuletzt rund 120.000 Tonnen
Joghurt produziert, 3.000 davon
in Bio-Qualität. Käsesorten
wie Weich-, Schnitt-, Hartkäse
und Mozzarella sind mit einer
Jahresproduktion von rund
20.000 Tonnen (Bio: knapp
200 t) das zweithäufigste ver­
arbeitete Produkt, gefolgt von
Frischkäsesorten wie Ricotta
und Mascarpone (rund 7.500 t),
Sahne (2.200 t) und Butter
(knapp 3.000 t).
Hopfen und Malz
Schon Kaiserin Sissi soll bei
einem Besuch in Meran den
Aufenthalt im Garten der Brauerei Forst und das dort ausgeschenkte Bier genossen haben.
Heute hat die Spezialbrauerei
Forst mit einer Jahresproduktion von 700.000 Hektolitern
und 420 Beschäftigten italienweite Bedeutung: Sie hält 85
Prozent der Marktanteile in
Südtirol und fünf Prozent in
Italien. Als Geschäftsführerin
hält Margherita Fuchs von
Mannstein das Zepter in der
Hand, Präsidentin des Unternehmens ist ihre Mutter Margarethe. Das Gerstenmalz für
ihr Bier bezieht die Brauerei
6
Forst aus Deutschland, den
Maisgritz aus Italien, Hopfen
aus den Anbaugebieten Hallertau (DE) und Saaz (CZ). Die
Hefe für die Bierproduktion
stammt aus der eigenen Reinzucht, das Wasser aus den
Bergquellen der Umgebung.
Mehrere kleine Wirtshausbrauereien produzieren Spezialbiere
unter dem Qualitätssiegel, das
die Güte der Bräuerzeugnisse
streng kontrolliert. Als einzige
Brauerei Südtirols stellt das AH
Bräu in Franzensfeste sein Bier
ausschließlich aus biologischen
Rohstoffen her. Im „Kranewittenbier“ der Bozner Wirtshausbrauerei Batzen Bräu sind Südtiroler Zutaten wie Wacholderbeeren, Gerstenmalz, Dinkel,
Steinsalz und Pfeffer enthalten.
Im „Keschtnbier“ des Wirtshauses Gassl Bräu in Klausen wird
ein Teil des Gerstenmalzes
durch Kastanienmehl ersetzt.
Produktion von Naturjoghurt in
einem der neun Südtiroler Milchhöfe.
Sterzing (5)
Mehrere kleine Wirtshausbrauereien
produzieren in Südtirol Spezialbiere.
Im Bild: Braukessel des Batzen Bräu.
Bozen (6)
5
Verarbeitung und Veredelung 22
Verarbeitung und Veredelung 23
Vom Getreide zum Brot
Hochprozentig
Neben Wein und Bier wird in
Südtirol auch Hochprozentiges
produziert und regelmäßig mit
Auszeichnungen prämiert. Der
Hersteller von Edelbränden und
Obstlikören Pircher destilliert
in Lana über 25.000 Tonnen
Obst jährlich. Das Unternehmen Roner aus Tramin verwendet acht Kilo Birnen für eine
Flasche seines „Williams Reserv“, der vom Internationalen
Spirituosen Wettbewerb zum
Obstdestillat des Jahres 2014
gekürt wurde. Die Idee der
Birne in der Flasche hatte
­Ludwig Psenner, Gründer der
gleichnamigen Brennerei, die
ihren Sitz ebenfalls in Tramin
hat. Auch kleine Privatbrennereien stellen edle Brände her,
etwa der Plonhof in Tramin.
Etwas weiter nördlich, in
­Frangart bei Bozen, produziert
die Brennerei Walcher, in
­neunter Generation geführt,
Schnäpse, Bio-Destillate und
Edelspirituosen, darunter
­Südtiroler Spezialitäten wie
Latschenkiefer- und Zirbel­
kieferschnaps oder den sogenannten Spargeler.
Von Klassikern wie Obstbränden und -likören wagen sich die
Südtiroler Brenner langsam
auch in neues Terrain vor. In
Glurns im Vinschgau arbeitet
die einzige Whisky-Brennerei
Italiens: Puni hat Anfang 2012
mit der Destillation des ersten
italienischen Whiskys begonnen
und verwendet dafür einheimisches Getreide. Bei der Hofbrennerei Zu Plun aus Seis am
Schlern erhält man hingegen
den ersten Rum und Gin aus
den Dolomiten.
Aufgrund seiner langen Tradition des Getreideanbaus ist
Südtirol auch heute ein wichtiger Standort der Mehlproduktion und Getreideverarbeitung.
Die Rieper AG in Vintl produziert (neben Futtermitteln)
hochwertiges Mehl aus Weizen,
Roggen, Mais, Gerste, Hafer,
Dinkel und Buchweizen, das
nicht nur den lokalen Markt
abdeckt. Die Rohstoffe stammen aus Getreideländern wie
Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und den USA.
Der zweite größere Mehlhersteller, die Meraner Mühle, ist
auf den Biobereich sowie besondere Getreidearten
spezialisiert.
Alexander Agethle
Agronom und Biobauer der Hofkäserei Englhorn
Herstellung von traditionellem Südtiroler Schüttelbrot, einem
Fladenbrot aus Roggenmehl,Wasser, Hefe und verschiedenen Gewürzen,
in der Bäckerei Plazotta. Eppan (7)
Seit 2003 produziert der Agronom und Biobauer
Alexander Agethle auf seinem Heimathof, dem Englhof
bei Mals im Obervinschgau, in der hofeigenen Käserei
drei Sorten: einen Weich-, einen Schnitt- und einen
Hartkäse. Dafür hat er viele Preise eingeheimst, 2014
wurde das Produkt aus der Rohmilch seiner zwölf Kühe
der Braunvieh-Rasse zum besten Käse Südtirols
gewählt. Agethle weitet derzeit seine Produktion aus
und lässt die alte Dorfsennerei renovieren. Dafür hat
er ein innovatives Finanzierungsmodell gefunden:
Das Geld, das seine Kunden heute für das Projekt
bereitstellen, zahlt er zehn Jahre lang in Form von Käse
zurück. Der Verkauf von Lebensmitteln über Gutscheine ist sogar gesetzlich geregelt, das italienische
Gesetz bezeichnet ihn als „Verkauf künftiger Sachen“.
Und der Käsepreis bleibt für Gutscheinkunden zehn
Jahre lang gleich: 22,70 Euro das Kilo.
Verarbeitung und Veredelung 24
7
Für den Betrieb Fuchs aus
Kastelbell im Vischgau, der
täglich Getreide und Samen
mit der hauseigenen Mühle
mahlt, sind Frühstücks­cerealien
die wichtigste Produktsparte:
Fuchs ist derzeit der größte
Müslihersteller Italiens, führend
im Gastro­nomie- und Bio­
bereich; das Unternehmen
exportiert seine Ware in über
30 Länder von Australien bis
Island.
Vollwert­nudeln und Grissini
aus alten Getreidesorten wie
Emmer und Einkorn. Und Klaus
Lantschner vom Eggerhof in
Aldein hat mit seinen besonderen Nudelkreationen – von
Rotwein-Tagliatelle über Brennessel-Fusilli bis hin zu BlutFettuccine – erfolgreich eine
Nische besetzt.
Beliebte Waffeln
Einen neuen Weg schlug
­Alexander Gross ein, der lange
in industriellen Betrieben
­arbeitete. Nun produziert der
Bäckermeister, Lebensmitteltechniker und Ernährungs­
berater in Lana unter dem
Markennamen „Pastalpina“
Das im Ausland vielleicht bekannteste Markenprodukt
Südtirols ist eine Waffel: Der
Kekshersteller Loacker setzt auf
naturbelassene Rohstoffe,
Haselnüsse aus Italien, echte
Bourbon-Vanilleschoten und
reine Schokolade. Loacker ist
mit 700 Mitarbeitern, knapp
23.000 Tonnen verkaufter
Ware, 669 Millionen produzierten Stück und einem Jahres­
umsatz von rund 283 Millionen
Euro eines der bedeutendsten
Lebensmittelunternehmen der
Region. Der Marktanteil in
Italien beträgt 60 Prozent, das
Unternehmen ist aber vor allem
über die Grenzen hinaus aktiv.
Loacker-Kekse gibt es in über
100 Ländern auf fünf Kontinenten, 68 Prozent der Produktion
werden exportiert, vor allem in
den Nahen Osten und nach
Zentralasien. Die Top-3-Exportländer sind Saudi-Arabien,
Israel und Libyen.
Verarbeitung und Veredelung 25
Tiefkühlprodukte
Hausgemachte Kaffeekultur
Kaffee wird in Südtirol so
­konsumiert wie in Italien: als
schneller, heißer Espresso an
der Bar oder zum ausgiebigen
Cappuccino-Frühstück. Aber
8
auch was die Kaffeekultur an­
belangt, ist Südtirol für Über­
raschungen gut. Im Dorf Altrei
wächst auf 1.200 Metern
Meeres­höhe eine besondere
lokale Spezialität: der Altreier
Kaffee. Es handelt sich um die
blaue Bitterlupine, eine lokale
Lupinen­art, die schon im 19.
Jahr­hundert als günstiger
Kaffee­ersatz diente. Die Samen
werden getrocknet, geröstet,
gemahlen und mit einer Mischung aus Weizen-, Gerstenoder Feigenkaffee gebraut.
Auch wenn man die Verarbeitung von „echtem“ Bohnen­
kaffee mit Südtirol nicht in
Verbindung bringen würde, gibt
es doch Kaffeeröstereien im
Land. Die familiengeführte
Rösterei Schreyögg in Rabland
bei Meran verbreitete schon im
vorigen Jahrhundert Kaffee­
geruch in der Meraner Altstadt,
während der junge Betrieb
Caroma von Valentin Hofer aus
Völs am Schlern seine Bohnen
aus ­kontrollierter, nachhaltiger
Landwirtschaft bezieht und
schonend verarbeitet. 2013
eröffnete die Kaffeemanufaktur
Kuntrawant im Vinschgau, die
dreimal wöchentlich in kleinen
Mengen röstet.
Weil Südtiroler Lebensmittel
nicht nur für den sofortigen
Verzehr produziert werden,
sondern für den internationalen
Vertrieb oft lange Transport­
wege vor sich haben, gibt es
einige größere Südtiroler
­Unternehmen, die in der Tiefkühlbranche tätig sind.
Der Tiefkühlkosthersteller Koch
aus Bozen produzierte anfangs
nur Südtiroler Spezialitäten wie
Knödel oder Schlutzkrapfen,
spinatgefüllte Teigtaschen.
Heute ist die Firma Marktführer
für Tiefkühlware wie Kartoffelnocken, Blätter- und Lasagneteig und liefert in zwölf Länder.
Zum Beispiel das Unternehmen
Pan. 1967 hatte Georg Pan die
Idee, mehr aus dem Apfel zu
machen: Er entwickelte den
ersten tiefgekühlten Apfelstrudel in Europa. Heute verlassen
täglich 35 Kilometer Strudel das
Werk in Leifers bei Bozen.
Zusätzlich hat das Unter­
nehmen tiefgekühlte Spezialitäten und Backwaren im Angebot
und neben dem Mutterhaus
auch Sitze in der Schweiz und
den USA. Stefan Pan, Präsident
des Südtiroler Unternehmerverbandes, steht heute an der
Spitze des Unternehmens.
Das Unternehmen Minus aus
Bozen, ebenfalls Spezialist für
Gefrorenes, hat Gemüse, Pilze,
Früchte, Säfte, Kartoffeln und
Teigwaren im Angebot und ist
Zulieferer für führende Hersteller von Tiefkühlkost.
Ulrich Ladurner
Präsident der Unternehmensgruppe Dr. Schär
Event
Frische Lupinensamen in der Schote.
Altrei (8)
Der Altreier Kaffee besteht nicht aus
Kaffeebohnen, sondern aus den Samen
der blauen Bitterlupine. Altrei (9)
Nutrisan
Ziel der Fachmesse für Lebensmittelunverträglichkeiten und ausgewogene
Ernährung in Bozen ist es, Know-how zu vermitteln und Ernährungs­
kompetenz als Lebenskompetenz zu positionieren. An drei Messetagen
registrierte Nutrisan gemeinsam mit der Messe Biolife, einer Messe für
Bioprodukte, zuletzt 36.600 Besucher bei einem Angebot von 270
Ausstellern.
In Burgstall bei Meran sitzt der Weltmarktführer für
glutenfreie Produkte: Dr. Schär. Das Unternehmen
produziert für Zöliakiebetroffene verträgliches Brot,
Nudeln, Mehl- und Backmischungen, Snacks, Frühstückscerealien sowie Tiefkühlprodukte. Als der
gelernte Drogist Ulrich Ladurner 1980 in den kleinen
Betrieb einstieg, waren glutenfreie Produkte ein
Segment unter mehreren. Ahnend, dass der Markt
wachsen würde, richtete Ladurner wenig später die
Gesamtproduktion auf glutenfreie Produkte aus: In
Zusammenarbeit mit Ärzten und Zöliakievereinigungen entstand erstmals eine vollständige glutenfreie
Produktlinie unter dem Markennamen „Schär“. Heute
beschäftigt Dr. Schär 710 Mitarbeiter in 12 Nieder­
lassungen und erzielte zuletzt 230 Millionen Euro
Umsatz. Die Hauptmärkte sind Italien, Großbritannien,
Deutschland, Frankreich, Spanien und die USA. In
Italien bedient die Unternehmensgruppe 45 Prozent
des Gesamtmarktes für glutenfreie Produkte, in
Deutschland etwa 72 Prozent.
9
Verarbeitung und Veredelung 26
Verarbeitung und Veredelung 27
Verbreitung und V
­ ermarktung
Besonders offensichtlich zeigt sich das Talent der
Südtiroler für das geschickte Schaffen von regio­
nalen Kreisläufen und innovativen Konzepten in
den Vermarktungsstrategien, die sie für ihre
­Produkte entwickeln. So wie bei Produktion und
Verarbeitung spielt auch hier der Zusammenhalt
eine große Rolle: Landwirtschaftliche Erzeuger
sind in Genossenschaften organisiert, um Ver­
arbeitungsprozesse zu optimieren und um
gemeinsam Strategien für Marketing und Vertrieb
aufzustellen. Schließlich sind die Agrarprodukte
das wichtigste Standbein des Südtiroler Außen­
handels: Nahrungsmittel standen im Jahr 2013
mit fast 700 Millionen Euro an erster Stelle –
das sind 18 Prozent des gesamten Exports des
Landes – und Erzeugnisse aus der Landwirtschaft
mit 615 Millionen Euro und 16 Prozent Anteil am
Außenhandel auf Platz drei.
Im Bereich der Vermarktung gibt es neben den
gemeinschaftlichen Bemühungen einzelne Visio­
näre, die aus ihrem Familienbetrieb, dem Brot­
beruf oder aus einer guten Idee eine Marke
geschaffen haben. Im Vordergrund stehen dabei
1
immer dieselben Merkmale: hohe Qualität, regio­
nale Herkunft der Rohstoffe nach dem „Null
Kilometer“-Gedanken (aus dem italienischen
„chilometro zero“), traditionelle Verarbeitung und
moderne Produktsprache.
Für diese Merkmale sind zum einen die End­
verbraucher in Südtirol sehr zugänglich: Hier spielt
der Verkauf ab Hof, also die Direktvermarktung
durch Bauern, noch eine wichtige Rolle – nicht
nur in den ländlichen Gegenden, sondern auch in
den Städten Bozen, Brixen, Meran, Bruneck und
­Leifers, wo Erzeuger wöchentlich auf Bauern­
märkten ihre Produkte aus Wiesen, Äckern und
Ställen verkaufen. Zum anderen tragen Qualität,
Regionalität und Produktsprache auch zum
­positiven Image und zum wirtschaftlichen Erfolg
von Südtiroler Lebensmitteln im Ausland bei.
Hohes Qualitätsbewusstsein und Wertschätzung
für lokale und frische Lebens­mittel spiegeln
sich auch in der Gastronomie wider. Nirgendwo
sonst gibt es auf so kleinem Raum so viele
traditionelle Gasthäuser, Buschenschänke und
Sternerestaurants – und so wenige Filialen von
Fast-Food-Ketten.
Der Genussmarkt Pur Südtirol gibt lokalen Qualitätsprodukten
eine gemeinsame Bühne und hat mittlerweile drei Filialen. Bozen (1)
Verbreitung und V
­ ermarktung 28
Verbreitung und V
­ ermarktung 29
Südtirol dramaturgisch
inszeniert
und Bozen. Für die ungewöhn­
liche Inneneinrichtung der
Läden kombinierte der Meraner
Designer Harry Thaler lokale
Materialien wie Apfel- und
Kastanienholz mit einem geradlinigen, sehr modernen Stil.
Lange fehlte ein Ort, um
Qualitäts­produkten aus ­Südtirol
eine gemeinsame Bühne zu
geben. Bis Günther Hölzl und
Ulrich Wallnöfer 2010 den
ersten Genussmarkt Pur
­Südtirol eröffneten. Das
­Konzept ist das eines neu interpretierten Bauernmarkts, der an
drei Standorten und online
lokale Spezialitäten, saisonales
Gemüse vom Bauernhof, Wein
und Handwerk verkauft. Rund
170 Bauern und 60 Handwerker
wie Metzger oder Bäcker
liefern ihre Produkte an eine
der Filialen in Meran, Bruneck
3
Marketing ab Hof
Ulrich Wallnöfer
Gründer Pur Südtirol
Die Stärken der Südtiroler Lebensmittelindustrie liegen
für Ulrich Wallnöfer in der Vielfalt. Nischenproduzenten bestehen neben industriellen Lebensmittelunternehmen. Neben der apfel- und milchintensiven Landwirtschaft gebe es ein riesiges Potenzial an Produkten
vom Gemüse bis zu alternativen Anbauweisen wie der
Permakultur: „Die Kreativität unserer Bauern belebt
auch unsere Welt“, sagt der Betriebswirt, der 2009
nach Jahren im Ausland zu seinen Wurzeln zurückgekehrt ist. Eine hohe Dichte an Charakterköpfen trage in
Südtirol dazu bei, dass ständig neue Dinge entstehen:
„Wenn sich diese Charakterköpfe noch mehr öffnen,
wird sich unser Land ständig weiterentwickeln.“
Unbegrenztes Wachstum sollte aber nicht das Ziel sein,
unterstreicht Wallnöfer.
2
Der Bergbauernhof Lüch da Pcëi hat sich dem nachhaltigen Wirtschaften
verschrieben und darauf seine Marke aufgebaut. Gadertal (2)
Bio-Produkte werden nicht nur in Geschäften, sondern auch auf
Märkten vertrieben. Bauernmarkt am Waltherplatz, Bozen (3)
Verbreitung und V
­ ermarktung 30
Auf einem Bergbauernhof in
St. Kassian im Gadertal produziert man seit 2002 Käse und
Joghurts, die zusammen mit
anderen Produkten wie Konfi­
türen und Honig unter dem
Hofnamen „Lüch da Pcëi“
­vermarktet werden. Den Hof
führt das Ehepaar Crazzolara:
Marina ist für Kundenbetreuung
und Vermarktung verantwortlich, während sich ihr Mann
Luca um den landwirtschaft­
lichen Betrieb, die Biogas- und
Foto­voltaik­anlage sowie rund
60 ­Kühe kümmert. Sie verwenden für Joghurt und Käse ausschließlich hofeigene Milch, die
durch eine spezielle Fütterung
der Kühe einen erhöhten
­Omega-3-Fettsäurengehalt
aufweist. Die Crazzolaras setzen
auf grüne Energie, artgerechte
Tierhaltung sowie nachhaltige
Herstellungsverfahren und
haben auf dieser Philosophie
aufbauend ein geschicktes
Marketingkonzept entwickelt.
Dieses umfasst das Packaging
der Produkte genauso wie die
Sensibilisierung für nachhaltiges Wirtschaften oder CharityAktionen rund um ihre Käse­
produkte. So haben es die
Betreiber von Lüch da Pcëi
verstanden, aus ihrem Hof eine
Marke zu machen.
Innovativer Bauernladen
Bio frei Haus
Seit 2005 hat der Vinschger
Bauernladen in Naturns Erzeugnisse von Bauernhöfen und
landwirtschaftlichen Genossenschaften des Tales im Sortiment. Bei der Gründung war
der Südtiroler Bergsteiger
Reinhold Messner behilflich,
der während der Sommermonate auf Schloss Juval in der Nähe
des Ladens wohnt und selbst
autark lebt, also alle seine
Lebensmittel selbst produziert.
Der Genossenschaft des Vinschger Bauernladens gehören
90 Betriebe an, 12 davon sind
bio-zertifiziert. Das Ziel ist es,
hochwertige Produkte von
ausgesuchten Produzenten
ohne langen Zwischenhandel
direkt an den Endkunden zu
bringen. Das Sortiment umfasst
800 verschiedene Produkte von
frischem Obst und Gemüse der
Saison, Speck, Käse und Brot bis
hin zu Marmeladen, Honig,
Säften, Sirup, Kräutern und
Kosmetik.
Wer nicht zum Einkaufen
kommt, kann sich Bio-Obst und
-Gemüse auch liefern lassen.
Die Genossenschaft Biokistl aus
Algund wurde 1999 mit dem
Gedanken gegründet, frische
Produkte der Saison an Südtirols Haushalte zu liefern. Vom
kleinen Obsttaschl bis zum
größeren Kistl bietet sie knapp
1.000 Bio-Lebensmittel und
Zusatzprodukte, die auch besondere Bedürfnisse bedienen:
Für Mütter mit Kleinkindern
gibt es ein spezielles Sortiment;
sofort verzehrbares Obst,
Gemüse und Fingerfood wird
direkt ins Büro geliefert.
Verbreitung und V
­ ermarktung 31
Spitzengastronomie und
Bauernküche
Die Liebe der Südtiroler zu
hochwertigen Lebensmitteln
hat auf kleinem Raum 20 Spitzenrestaurants mit insgesamt
23 begehrten Michelin-Sternen
entstehen lassen, die ihren
Erfolg nicht nur der Fantasie
ihrer so gut wie immer einheimischen Küchenchefs verdanken, sondern auch den lokalen
Produkten, auf die diese
zurückgreifen.
Das Prädikat „Südtiroler Gasthaus“ tragen 32 Südtiroler
Betriebe. Die Marke bürgt für
eine gepflegte Südtiroler
­ asthauskultur. Eine unabhänG
gige Jury prüft die Gastbetriebe
regelmäßig nach strengen
Qualitätskontrollen. In diesen
Gasthäusern stehen Südtiroler
Weine im Rampenlicht, Protagonisten auf den Tellern sind
hochwertige und saisonale
einheimische Produkte.
neue Wein verkostet und zu
Selbstgemachtem und Kastanien gereicht wird. 41 Buschenschänke sind mit dem Qualitätssiegel Roter Hahn ausgezeichnet, was bedeutet, dass
der Großteil der Rohprodukte
für die Speisen aus der eigenen
Landwirtschaft stammt.
In den vielen bäuerlichen
Schankbetrieben Südtirols,
Buschenschänke genannt,
servieren Bauern in ihren Kellern und Stuben Hausmannskost; etwa im Herbst während
der „Törggele“-Zeit, wenn der
5
Anna Matscher
Gastronomie in den Bergen
Aus dem opulenten Angebot
der Südtiroler Natur schöpft der
Sternekoch und Buchautor
Norbert Niederkofler schon seit
Jahren, die Produkte für seine
Küche bezieht er fast ausschließlich von Bauern und
Sammlern aus der unmittel­
baren Umgebung. Er ist für
seine Experimentierfreude
mit „heimischen Exoten“ wie
Birken­rinde oder wilden Preiselbeeren bekannt. Um eine zeitgemäße, naturorientierte Küche
voranzutreiben, hat er das
4
Die Selfmade-Sterneköchin
Projekt „Cook the Mountain“
ins Leben gerufen, eine Art
Forschungswerkstatt zum
Thema Gastronomie in den
Bergen. Dem Sternekoch
schwebt ein Netzwerk vor, das
Küchenchefs, Landwirte, Züchter, Alpinisten, Naturalisten,
Soziologen und Unternehmer
aller Bergregionen der Welt
vereint.
Zubereitung der traditionellen Schlutzkrapfen am Baumannhof, einem
der vielen bäuerlichen Schankbetriebe Südtirols. Signat (4)
In der Spitzengastronomie sind hochwertige regionale Lebensmittel gefragt.
Im Bild: Saibling mit Gemüse und Kräutern. Restaurant Zum Löwen, Tisens (5)
Verbreitung und V
­ ermarktung 32
Als Quereinsteigerin in der männlich dominierten
Szene der Spitzenköche Fuß zu fassen ist kein leichtes
Unterfangen. Aber Anna Matscher ist eine resolute
Frau. Sie brachte sich selbst das Kochen auf gehobenem Niveau bei. Die harte Arbeit wurde belohnt: Nach
zehn Jahren erhielt sie als bisher einzige Südtirolerin
einen Michelin-Stern. Zwischenzeitlich wurde er ihr
aberkannt, aber seit 2005 ist neben vielen anderen
renommierten Restaurantführern auch der Michelin
wieder mit dem „Zum Löwen“ in Tisens zufrieden. Vor
einigen Jahren wurde das Restaurant in den alten
Innenhof zwischen Gasthof und Stall verlegt und in ein
geräumiges Restaurant umgebaut. Anna Matschers
Küche ist wie die Südtiroler Lebensmittelwelt ein Mix
aus alpinen Traditionen und mediterraner Kreativität,
verfeinert mit Kräutern aus dem selbst angelegten
Garten. Wo das Angebot es erlaubt, verwendet sie
Südtiroler Produkte, und ihr hart erarbeitetes Wissen
gibt sie in Kochkursen weiter.
Verbreitung und V
­ ermarktung 33
Hinaus in die Welt
Die Bedeutung der Lebensmittelbranche für die Südtiroler Wirtschaft wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass neun
Unternehmen aus dem Sektor in den Top 20 der umsatzstärksten
Unternehmen Südtirols vertreten sind.
Dasselbe gilt für den Außenhandel. Neun der 25 wichtigsten
Exportprodukte Südtirols hängen direkt oder indirekt mit dem
Lebensmittelsektor zusammen. Hier die Platzierungen:
Frische Äpfel und Birnen
Bestandteile und Zubehör für Traktoren
und Transportfahrzeuge
Brot und Gebäck
Weine
Fruchtsäfte, inkl. Traubenmost
Hebe-, Verlade- oder Umschlags­maschinen
und -vorrichtungen
Früchte, Nüsse und andere pflanzliche
Nahrungsmittel
Fleisch
Milchprodukte und Käse
Gemeinsam machen diese Produkt­kategorien
36,6 Prozent des gesamten Südtiroler ­Außenhandels aus.
Quelle: ASTAT
Verbreitung und V
­ ermarktung 34
Verbreitung und V
­ ermarktung 35
Lebensmittelentwicklung
und -forschung
Nicht nur Nahrungsmittel, die mit langer
Tradition angebaut und verarbeitet werden,
sondern auch viele Innovationen und neue
Konzepte für die Produktion, Lagerung
oder Verarbeitung von Lebensmitteln kommen
aus Südtirol.
Verschiedene Forschungseinrichtungen und
universitäre Institute mit heimischem und inter­
nationalem Personal forschen im Bereich der
Lebensmittel, entwickeln neue Produkte, bieten
Beratung und Dienstleistungen für Unter­
nehmen aus dem In- und Ausland und gehen
Kooperationen mit italienischen und österreichi­
schen Universitäten und Forschungsinstituten
ein. Ihr Ziel ist es vor allem, den Know-howTransfer zwischen Forschung und Lebensmittel­
wirtschaft zu verstärken.
Sowohl Südtiroler Unternehmen als auch die
öffentliche Verwaltung sind stark daran interes­
siert, die Forschung im Lebensmittelsektor
voranzutreiben. Südtirol soll in den nächsten
Jahren noch mehr zu einem Kompetenz- und
Exzellenzzentrum für Lebensmittelforschung
und Agrartechnologien werden. Die inhaltlichen
und territorialen Voraussetzungen dafür
sind bereits vorhanden; die nötige Infrastruktur
soll mit dem neuen Technologiepark in BozenSüd folgen, wo Forscher und Unternehmer
gemein­sam an den Entwicklungen der Zukunft
arbeiten werden – auch im Lebens­mittelbereich.
Analysen in einem Labor des Land- und forstwirtschaftlichen Versuchszentrums
­Laimburg. Auer (1)
Agrartechnologie und landwirtschaftliche Maschinen aus Südtirol sind weltweit gefragt.
Im Bild: Maschinentest im Versuchszentrum Laimburg. Auer (2)
2
Maschinen und Agrartechnologie
Im einstigen armen Bauernland
Südtirol hat landwirtschaft­
liches Know-how eine lange
Tradition; die Erfahrung und der
Erfindergeist der Landwirte
haben bewirkt, dass Agrartechnologie made in Südtirol heute
weltweit gefragt ist.
Einige Südtiroler Unternehmen
sind Experten für ObstbauTechnologien: Während Bermartec aus Lana seit 1996 unter
dem Markennamen „Knecht“
umweltschonende Hebebühnen
und Erntemaschinen entwickelt,
setzt der Drei-Mann-Betrieb
Silver Bull auf innovative Erntesysteme mit ansprechendem
Design. International bekannt
ist auch die Firma Geier, die
anpassbare Raupenfahrzeuge
für extreme Hang- und Steillagen herstellt, sowie das 1939
Versuchszentrum Laimburg
gegründete Unternehmen
Seppi M. aus Kaltern, das als
Pionier in der Mulchtechnik
bekannt ist: Rund 75 Prozent
seiner in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzten Mulchgeräte, Fräsen und Steinbrecher
werden ins Ausland exportiert.
Die junge Firma Frutop mit Sitz
in Terlan hat sich erfolgreich
dem Kampf gegen Witterungsschäden in der Landwirtschaft
verschrieben: nicht nur mit
innovativen Hagelschutzsystemen, sondern auch mit Sonnenund Windschutz sowie Beratungsangeboten für Landwirte.
Das Land- und forstwirtschaft­
liche Versuchszentrum Laimburg ist Südtirols führendes
Institut für Forschung im Bereich der Landwirtschaft und
hat sich in den rund 40 Jahren
seines Bestehens zum inter­
national anerkannten Referenzzentrum entwickelt.
Arbeitsfelder des Instituts sind
alle Bereiche der Landwirtschaft: der Obst- und Weinbau,
die Kellerwirtschaft, der Anbau
von Beeren- und Steinobst,
Gemüse und Kräutern sowie die
Berglandwirtschaft. Die Forschung beschäftigt sich nicht
nur mit dem Anbau selbst,
sondern auch mit der Nach­
erntetechnologie: Das Versuchszentrum Laimburg nimmt
insbesondere im Bereich der
Obstlagerung eine weltweit
führende Rolle ein; Experten
forschen dort etwa zu Temperaturkontrolle, Lagerdauer und
-atmosphäre.
1
Lebensmittelentwicklung und -forschung 36
Lebensmittelentwicklung und -forschung 37
Mit modernsten chemischen
Analysemethoden und durch
sensorische Analyse prüfen die
Forscher der Laimburg die
Qualität und die Inhaltsstoffe
von Lebensmitteln. Diese Forschungsarbeit ist eine wichtige
Grundlage dafür, die Qualität
der Südtiroler Lebensmittelproduktion aufrechtzuerhalten und
weiter zu steigern – aber auch,
um innovative Produkte zu
entwickeln.
Mit dem Bereich Lebensmittelwissenschaften des neuen
Südtiroler Technologieparks will
das Versuchszentrum Laimburg
seine Fachkompetenz ausbauen
und die Produktinnovation der
Lebensmittelhersteller begleiten. Forschungsschwerpunkte
sind Lebensmittelqualität und
-sicherheit, Lebensmittelprozesstechnik und die Authentifizierung der Herkunft typischer
Südtiroler Lebensmittel.
Michael Oberhuber
Direktor des Land- und forstwirtschaftlichen
Versuchszentrums Laimburg
„Die Forschung und Entwicklung befindet sich in
Südtirol im Anfangsstadium, nicht nur in der Lebensmitteltechnologie“, sagt Michael Oberhuber, seit 2009
Direktor der Laimburg. Das liege auch daran, dass viele
Forschungsinstitutionen hierzulande noch jung seien.
Was mit der Laimburg für den Bereich der landwirtschaftlichen Primärproduktion gelungen sei, bräuchte
es laut Oberhuber für den gesamten Lebensmittelsektor: „Die Glaubwürdigkeit der Südtiroler Produkte
sollte einen wissenschaftlichen Hintergrund bekommen.“ In Südtirol bestehe zudem die Chance, die
Lebensmittelproduktion eng mit Territorium und
Tourismus zu verknüpfen, sagt Oberhuber. Der Laimburg-Direktor hat an der Universität Innsbruck Chemie
studiert und ein Forschungsdoktorat in organischer
Chemie nachgelegt, bevor er zweieinhalb Jahre lang
am größten privaten Forschungsinstitut Scripps in
Kalifornien im Bereich Biomedizin forschte und
anschließend in Österreich in der Biotechnologie und
Pharmaindustrie tätig war.
Qualifizierte Ausbildung
Um Rat gefragt
Einen besonderen Stellenwert
hat in Südtirol die landwirtschaftlich ausgerichtete Schulbildung. Sie wird in mehreren
Fachschulen für Obst-, Weinund Gartenbau, Land- und
Forstwirtschaft, Land- und
Hauswirtschaft, sowie in der
landwirtschaftlichen Oberschule in Auer angeboten, die die
Schüler nach fünf Jahren mit
dem Abitur abschließen.
Neben den Lehrenden im Bereich Lebensmitteltechnologie
an der Universität Bozen können Unternehmen und Forschungsinstitutionen auch auf
das Wissen heimischer Lebensmitteltechnologen zurück­
greifen. Diese Experten helfen
bei der Entwicklung einer Idee
bis zum fertigen Produkt. Der
Diplom-Braumeister und Getränketechnologe Hanspeter
Alber von Tsuum-Services –
das Unternehmen ist im ­
TIS innovation park in Bozen
angesiedelt – arbeitet hauptsächlich für den deutschen
Markt, ist auf die Verarbeitung
von Obst und Gemüse spezialisiert und besonders in der
Getränkeherstellung gefragt.
Die Beratungsfirma Zuegg
Consulting aus Lana steht mit
25-jähriger Erfahrung Unternehmen bei der Produktentwicklung, der Bestimmung von
Haltbarkeitsdaten und der
Umsetzung von Hygienericht­
linien bei. Schwerpunkt ist die
Milch-, Frucht- und Gemüse­
verarbeitung. Und Otto Unterholzner von der Firma Food
Industry Consulting aus Meran
berät seine Kunden in den
Bereichen Lebensmittelrecht,
Produktentwicklung, Hygiene
und Qualitätsmanagement.
Am Institut für Naturwissenschaft und Technik der drei­
sprachigen Freien Universität
Bozen können Studierende
einen Bachelor in Agrarwissenschaften und Umweltmanagement, einen Master in Inter­
nationalen Garten- und Obstbauwissenschaften, einen
Master in Umweltmanagement
in Bergregionen sowie einen
PhD in Mountain Environment
and Agriculture absolvieren.
Geforscht wird zum Beispiel
im Bereich Innovation für
Landmaschinen.
Lebensmittelentwicklung und -forschung 38
3
Gut gekühlt ist halb gewonnen
Die Idee, Südtiroler Traditionsgerichte auf den Markt zu
bringen, die schnell zubereitet
werden können, ansprechend
verpackt und schmackhaft sind,
kam von der Geschäftsführung
der Firma Alpeker GmbH. Das
Unternehmen mit Sitz in Lana
wollte traditionelle Gerichte,
von Vorspeisen über Hauptspeisen mit Beilagen bis hin zu
Desserts, als Tiefkühlprodukte
anbieten. Das Alpeker-Team
TIS innovation park
begab sich auf die Suche nach
Produktionspartnern und fand
mithilfe des Cluster Alimentaris
im TIS das Unternehmen Gustoalpin aus Sexten, das Knödel
und gefüllte Teigwaren herstellt, und die Bäckerei Eisenstecken aus Kaltern. Heute
ist die Marke „Alpeker“ in den
italienischen Supermarktketten
Carrefour, Sma und Conad
vertreten.
Produktion von Tiefkühlstrudel im Unternehmen Pan,
Herstellung von Knödeln und Spätzle bei der Firma Koch. Bozen (3)
Lebensmittelentwicklung und -forschung 39
Um Südtiroler Unternehmen
den Weg zur Innovation zu
erleichtern, wurde 2007 im
TIS innovation park das Netzwerk Cluster Alimentaris gegründet. Die Einrichtung berät
Unternehmen, vermittelt Kontakte zu möglichen Partnerunternehmen und Experten, begleitet Produktentwicklungen
und Unternehmensnetzwerke,
organisiert Workshops zu
Markttrends sowie Fachexkur­
sionen. Schwerpunkte sind
unter anderem die Themen
Verpackung, Sensorik, regionale
Wertschöpfungskreisläufe und
Kooperationen.
Mit dem Cluster Alimentaris
wird das TIS im Forschungsbereich Lebensmitteltechnologien
des zukünftigen Technologieparks in Bozen vertreten sein
und auch dort Unternehmen
aus der Branche vernetzen und
in Innovationsprozessen
begleiten.
NOI Techpark
Da es sich bei den Südtiroler
Lebensmittelbetrieben zu 94
Prozent um Kleinbetriebe mit
weniger als 50 Beschäftigten
handelt, sind ihre Möglichkeiten zur Forschung und Lebensmittelentwicklung begrenzt.
Um die Innovation im Lebensmittelsektor, aber auch in
­anderen Südtiroler Exzellenz­
bereichen zu fördern, wird im
­Gewerbegebiet Bozen Süd das
Innovationszentrum NOI
­Techpark Südtirol/Alto Adige
entstehen. Die geplanten
­Forschungsschwerpunkte sind
Alpine Technologien, Erneuerbare Energie und Energie­
effizienz, Lebensmittel­techno­
logien und die Automation
als Querschnittsdisziplin.
Im Technologiepark werden
die verschiedenen Forschungsund Innovationseinrichtungen
Südtirols auch räumlich zu­
sammen­kommen und ihre
Kom­petenzen bündeln. Sie
kooperieren nicht nur unter­
einander, sondern auch mit
innovativen Südtiroler Unternehmen. So kann der Techno­
logiepark, einem Thinktank
gleich, entscheidend zur wissen­
schaftlichen und techno­lo­gi­
schen Innovation und zum
Wissenstransfer im Land
beitragen.
Im Forschungsbereich Lebensmitteltechnologie des Technologieparks werden vor allem das
Land- und forstwirtschaftliche
Versuchszentrum Laimburg,
die Freie Universität Bozen
und das Labor Eco-Research
zusammenarbeiten. Dabei
soll es hauptsächlich um die
Verarbeitung und die Zertifi­
zierung von Lebens­mitteln
gehen: Die Verbesserung von
Rezepturen, neuartige Lebensmittelzutaten und Herkunftsnachweise für typische Südtiroler Lebensmittel sind mögliche Forschungsfelder.
Netzwerke & Partner
in Südtirol
1
Die gewonnenen Erkenntnisse
sollen im Technologiepark an
Mikro-Pilotanlagen in der Praxis
erprobt werden. Daneben wird
der Forschungsbereich Lebensmittel auch verschiedene
Dienstleistungen für Unter­
nehmen aus der Branche bieten.
Die drei Kernbereiche des
Bereichs Lebensmittel im
­Technologiepark sind:
1Lebensmittelqualität und
Lebensmittelsicherheit
2Lebensmittelprozess­technik,
zum Beispiel Pilot­anlagen
für Fleisch­verarbeitung,
Wurst- und Speckproduktion
3Authentifizierung der Herkunft typischer ­Südtiroler
Lebensmittel
Um diese ehrgeizigen Ziele zu
erreichen, soll die Forschungskapazität im Bereich der
Lebens­mittelwissenschaften
erhöht werden – etwa durch
Investitionen in die Infrastruktur, durch die Aufnahme von
wissenschaftlichem Personal
und die Ausbildung von
Nachwuchsforschern.
Der Bereich Lebensmitteltechnologie befindet sich zurzeit in
einer dreijährigen Aufbauphase.
Bis zu deren Ende sollen alle
Labors ihren Forschungsbetrieb
aufnehmen, erste Nachwuchswissenschaftler ausgebildet
sein und die Zusammenarbeit
mit Unternehmen und der
Technologietransfer forciert
werden.
Transformatorenhaus des früheren Alumix-Werkes in
­Bozen, auf dessen Gelände der neue Technologiepark
entsteht. (1)
• Land- und forstwirtschaftliches
Versuchszentrum Laimburg:
Die international vernetzte
Forschungsinstitution
­verfolgt das Ziel, die Wett­
bewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Südtiroler
Landwirtschaft zu steigern.
Schwerpunktbereiche ihrer
Tätigkeit sind Pflanzengesundheit und -qualität, Sorten- und Agrobiodiversität
sowie Höhenlage Berg.
p www.laimburg.it
• TIS innovation park: Der TIS
innovation park versteht sich
als Zentrum und Impulsgeber
für Innovation, Kooperation
und Technologietransfer. Im
Bereich Lebensmittel & Gesundheit hat sich dort der
Cluster Alimentaris gebildet,
der 2015 das Südtiroler Informationsportal für die Lebensmittelbranche www.food.bz.it
ins Leben gerufen hat.
p www.tis.bz.it
• Freie Universität Bozen: Die
dreisprachige Universität ist
ein wichtiger Pool für quali­
fiziertes Personal. Insbeson­
dere an der Fakultät für
Natur­wissenschaften und
Technik wird in den Bereichen
­Landwirtschaft und Lebensmitteltechnologie geforscht.
Die weiteren Fakultäten:
­Wirtschaftswissenschaften,
Informatik, Bildungswissenschaften, Design und Künste.
p www.unibz.it
Business Location Südtirol –
Alto Adige (BLS)
• Messe Bozen: Dank ihrer Lage
am Schnittpunkt zwischen
dem deutschsprachigen
Raum und Italien positioniert
sich die Messe Bozen als
bedeutender Kontaktpunkt
für Unternehmen aus dem
gesamten Alpenraum. Inhaltlich konzentrieren sich die
­Messen und Kongresse
hauptsächlich auf alpenländische Wirtschaftsthemen.
p www.messebozen.it
• Handelskammer Bozen:
Die autonome Körperschaft
öffentlichen Rechts vertritt
die Interessen der Wirtschaft,
betreibt Wirtschaftsforschung
und erbringt Förderleistungen
und Dienstleistungen für
Unternehmen vor Ort. Dazu
zählen Bereiche wie Weiterbildung, Unternehmens­
gründung und -nachfolge, die
Absatzförderung, der Innovationsservice und das Schiedsgericht. Darüber hinaus hat
die Handelskammer Bozen
behördliche Kompetenzen
wie die Führung des Handelsregisters, die Registrierung
von Patenten und Marken
oder die Ausstellung von
Außenhandelsdokumenten.
p www.handelskammer.bz.it
• Export Organisation Südtirol
(EOS): Die EOS unterstützt
die Südtiroler Wirtschaft,
indem sie den Export fördert.
Aufgaben dieses privatwirtschaftlichen Sonderbetriebs
der Handelskammer Bozen
sind die Verkaufsförderung
von Produkten Südtiroler
Unternehmen sowie das
­Marketing im Zusammenhang mit dem Südtiroler
Qualitätszeichen.
p www.eos-export.org
• Europäische Akademie
(EURAC): Am 1992 gegrün­
deten Forschungs- und
Weiter­bildungszentrum
arbeiten Forscher aus der
ganzen Welt in den Bereichen
Autonomien, Berg, Gesundheit und Technologien.
p www.eurac.edu
Im NOI Techpark Südtirol / Alto Adige treffen
­Forschungseinrichtungen und innovative Südtiroler
Unternehmen aufeinander. (2)
2
NOI Techpark 40
Netzwerke & Partner in Südtirol 41
Südtirols Standort­agentur berät
Unternehmen aus dem In- und
Ausland in allen Standortfragen,
sucht für sie nach geeigneten
Gewerbe­flächen und Immo­
bilien und vernetzt sie mit Organisationen, Service­strukturen
und Wirtschafts­verbänden.
p www.bls.info
Impressum
© Business Location
Südtirol · Alto Adige
Bozen 2015
Idee:
Business Location
Südtirol · Alto Adige
Basis-Layout:
Studio Lupo & Burtscher,
CH Studio
Fotos:
Gregor Khuen Belasi
p www.gregor-khuen-belasi.com
Pan Tiefkühlprodukte GmbH,
Koch OHG (39)
Illustrationen (10-11, 34-35):
Philipp Putzer
p www.farbfabrik.it
Titelbild:
Weinberg mit Trockenmauern
bei Brixen
Fotograf: Gregor Khuen Belasi
Koordination, Übersetzungen,
Lektorat, Korrektur:
Ex Libris Genossenschaft
p www.exlibris.bz.it
Recherche und Redaktion:
Barbara Bachmann /
Ex Libris Genossenschaft
Druck:
Longo, Print and Communication
Printed in Italy
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Südtirol · Alto Adige
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F +39 0471 062 852
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