Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2010 27. April 2010; S. 1 Innsbrucker Straße 31 Zusammengestellt von Pfarrer i.R. Klaus Reich (Freundeskreis Synagoge Heilbronn e.V.) Im Haus Staufenbergstraße 31 – seit April 1938 Innsbrucker Straße – lebten die jüdischen Familien Stein und Henle. Frida Stein, geborene Wollenberger (geb. 11. November 1869), Hausfrau, war mit Maier Stein verheiratet. Stein war Chorleiter in der Synagoge. Der Sohn Ludwig war am 6. April 1918 im Ersten Weltkrieg gefallen; sein Name wurde von den Nazis im Ehrenmal im Hafenmarktturm entfernt und nach 1945 wieder eingefügt. HIER WOHNTE MORITZ HENLE JG. 1885 DEPORTIERT 1941 RIGA ERMORDET 26.3.1942 HIER WOHNTE JULIUS HENLE JG. 1886 DEPORTIERT 1941 ERMORDET IN RIGA HIER WOHNTE SOFIE FLORA HENLE GEB. STEIN JG. 1891 DEPORTIERT 1941 ERMORDET 26.3.1942 RIGA HIER WOHNTE FRIDA STEIN GEB. WOLLENBERGER JG. 1869 DEPORTIERT 1942 ERMORDET IN MALY TROSTINEC Maier Stein starb am 13. September 1941; ihm blieb das Schicksal seiner Frau erspart, die am 23. März 1942 nach Haigerloch und von dort aus am 22. August 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Die Festung Theresienstadt war im 19. Jahrhundert nördlich von Prag erbaut worden; dort lebten damals 7000 Menschen. 1942 waren es zeitweise mehr als 87.000, von denen Zehntausende weiter nach Osten deportiert und dort ermordet wurden. Frida Stein wurde nach neueren Erkenntnissen in Treblinka ermordet - nicht in Maly Trostinec, wie es auf dem Stein heißt. Das genaue Todesdatum ist nicht bekannt. Ihre Tochter Sofie Flora (geb. 6. Februar 1891) war Hausfrau und mit Moritz Henle verheiratet. Zuletzt war sie wie viele andere Juden auch zur Zwangsarbeit verpflichtet. Sie wurde am 26. November 1941 „nach dem Osten“ deportiert und am 26. März 1942 bei Riga ermordet. Ihr Mann Moritz Henle (geb. 2. Januar 1885 in Lehrensteinsfeld) betrieb zusammen mit seinem Bruder Julius (geb. 27. Januar 1886 in Lehrensteinsfeld) eine Herrenmaßschneiderei in der Klarastraße 6. Julius Henle wurde schon 1933 im sogenannten „braunen Haus“, der Nazizentrale am Fleiner Tor (Wilhelmstraße 1) von uniformierten Parteimitgliedern mit Stahlruten so sehr verprügelt, dass er danach über vier Wochen im Krankenhaus lag. Am Tag nach der Pogromnacht am 9./10. November 1938 wurde die Schneiderei der Brüder Henle verwüstet und die Stoffballen unbrauchbar gemacht. Die Brüder Julius und Moritz Henle sowie dessen Frau Flora wurden am 26. November 1942 „nach dem Osten“ deportiert. Moritz Henle wurde wie seine Frau am 26. März 1942 bei Riga ermordet, Julius Henle fand ebenso dort den Tod. Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2010 27. April 2010; S. 2 Schillerstraße 48 Zusammengestellt von Schülern der Dammrealschule HIER WOHNTE BERTHOLD HEILBRONNER JG. 1872 DEPORTIERT 1942 THERESIENSTADT ERMORDET 28.9.1942 HIER WOHNTE FRANZISKA HEILBRONNER GEB. ROSENSTEIN JG.1882 DEPORTIERT 1942 ERMORDET 16.5.1944 AUSCHWITZ HIER WOHNTE FRIEDERIKE HEILBRONNER GEB. ELSASS JG. 1873 DEPORTIERT 1942 THERESIENSTADT ERMORDET 10.9.1942 Das Haus Schillerstraße 48 war das Wohnhaus der Familie von Berthold und Franziska Heilbronner. Berthold Heilbronner war der mittlere Sohn von Emanuel und Louise Heilbronner und wurde am 17. Oktober 1872 in Laupheim geboren. Sein älterer Bruder Sigmund starb eines natürlichen Todes 1939, sein jüngerer Bruder Karl 1940 an einem Herzleiden, das durch die Auswanderung nach Amerika verschlimmert worden war. Er hat die Strapazen der Flucht aus Hitlerdeutschland mit dem Leben bezahlt. Dabei wirkte die Familiengeschichte noch zu Beginn der 1930er Jahre so viel versprechend. Berthold wurde zu diesem Zeitpunkt „Pfarrer“ genannt, weil er immer dunkle Anzüge trug und ein ernstes Gesicht machte. Er hatte blaue Augen und sein Lieblingssprichwort war „Nicht reden sondern tun.“ Dieser Leitspruch begleitete ihn bei all seinen Handlungen. Berthold Heilbronner war religiös und zeigte sich als sozial verantwortlicher Mensch. Er war Mitglied der DDP (Deutsche Demokratische Partei) und sprach sich ausdrücklich gegen Standesdenken aus. Diese Haltung, dass alle Menschen gleich seien, zeichnete ihn auch als fairen Arbeitgeber aus. In der Familie kümmerte er sich um die Witwen und Waisen. So kam es, dass Friederike nach dem Tod ihres Mannes Sigmund Heilbronner (Bertholds Bruder) von ihm aufgenommen wurde und bis zu ihrer Deportation bei Franziska und Berthold lebte. Schon Bertholds Vater Emanuel Heilbronner hatte 1858 begonnen, im eigenen Haus im jüdischen Viertel von Laupheim Seife und Kerzen herzustellen. Später vergrößerte er seine Seifenherstellung in Heilbronn; der Betrieb wurde von seinen Söhnen Sigmund und Berthold weitergeführt, bis Sigmund 1939 starb. Berthold kümmerte sich ab dann bis zur „Arisierung“ der Fabrik alleine um den Familienbetrieb, der unter dem Namen Madaform in der Salzstraße 60 angesiedelt war. Berthold und Franziska Heilbronner hatten vier Kinder, von denen die jüngste, Gertrud, bereits nach 9 Monaten verstarb. Sie wurde auf dem jüdischen Friedhof in Heilbronn beigesetzt. Der Sohn Emil (1908–1997) emigrierte 1928 in die USA; er legte in den 1930er Jahren das „Heil“ in seinem Nachnamen ab und nannte sich seither Emil Bronner. 1948 gründete er in USA die heute noch existierende Firma Dr. Bronner Magic Soap. Seine Schwester Luise (1912-1999) emigrierte 1938; sie studierte in den USA zunächst Chemie und später Germanistik. Ab 1968 hatte sie einen Lehrstuhl für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Massachusetts in Boston inne. Nach ihrem Tod hinterließ sie ein beträchtliches Vermögen, das in Form einer Stiftung einen Schüleraustausch zwischen Heilbronn und Baltimore ermöglicht. Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2010 27. April 2010; S. 3 Lotte Heilbronner wollte als jüngste der Geschwister zunächst Floristin werden, aber ihr Vater bestand darauf, dass sie der Tradition der Familie treu bliebe und im Büro des Betriebes arbeite. 1936 wanderte sie nach Palästina aus; zusammen mit ihrer Schwester Luise versuchte sie noch 1938 bei einem Urlaub in der Schweiz, die Eltern davon zu überzeugen, Nazideutschland zu verlassen, aber Berthold und Franziska fühlten sich dem nicht gewachsen. Lotte verstarb 2009 und hinterließ eine große Familie mit vielen Enkeln, Urenkeln und Ururenkeln. Das Zurückbleiben in Deutschland wurde Berthold und Franziska Heilbronner zum Verhängnis. Am 31. März 1942 wurden die beiden gemeinsam mit ihrer Schwägerin Friederike nach Haigerloch zur Sammelstelle für die Deportationen Richtung Osten transportiert. Friederike und ihr Schwager Berthold kamen in das Lager Theresienstadt, wo sie beide kurz nach ihrer Ankunft verstarben. Franziska Heilbronner wurde von Haigerloch aus nach Auschwitz deportiert, wo sie am 16. Mai 1944 ermordet wurde. Allee 9 Zusammengestellt von Peter Wanner (Stadtarchiv Heilbronn) Im Haus Allee 9 führte Klara Holwein, geborene Wanner (geb. 29. Juli 1889 in Steinbach / Wernau) zusammen mit ihrem Mann Karl Holwein ein Reformhaus. Sie hatten 1924 geheiratet; 1928 wurde ihre Tochter Christa geboren. Das Reformhaus an der Allee florierte zunächst; Klara Holwein gab auch Kurse für das Kochen nach den Grundsätzen der Reformbewegung. HIER WOHNTE KLARA HOLWEIN GEB. WANNER JG. 1889 AUS ANSTALT WEINSBERG 1940 NACH GRAFENECK ERMORDET 8.5.1940 Schon in den 1920er Jahren gab es jedoch erste Anzeichen einer psychischen Störung, die 1930 dazu führte, dass Klara Holwein in die Anstalt Kennenburg eingewiesen wurde. Nach mehreren Entlassungen und Wiedereinweisungen lebte sie schließlich dauerhaft in der Heilanstalt Weinsberg. Ihre Tochter Christa wuchs bei Verwandten auf. Die bei Klara Holwein diagnostizierte Schizophrenie wurde als unheilbar angesehen – eine Diagnose, die einem Todesurteil gleichkam, als im Jahr 1940 in der sogenannten Aktion T 4 etwa 10.000 psychisch erkrankte Menschen in die Anstalt Grafeneck deportiert und dort meist noch am Ankunftstag ermordet wurden. Klara Holwein wurde am 8. Mai 1940 mit anderen Kranken von Weinsberg nach Grafeneck gebracht und getötet. Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2010 27. April 2010; S. 4 Waldweg am Schießstand im Köpfertal Zusammengestellt von Schülern der Johann-Jakob-Widmann-Schule In den Jahren des Zweiten Weltkriegs, als die deutsche Wehrmacht Frankreich besetzte, wurde es für eine Gruppe Franzosen zur Pflicht, sich der Besatzungsmacht entgegenzustellen. Georges Loustaunau-Lacau gründete 1940 ein Netzwerk, das den Besatzern Widerstand leisten sollte. Nicht mit der Waffe in der Hand wurde gekämpft, sondern mittels Informationsbeschaffung für den britischen Geheimdienst half die „Reseau Alliance“ – das Netzwerk Allianz – Einsätze gegen die Wehrmacht vorzubereiten. Die Mitglieder kamen aus allen Gesellschaftsschichten. Vom Gemüsehändler bis zum Student war alles vertreten. Als Tarnnamen wurden Tiernamen benutzt, weswegen die deutsche Abwehr die Bezeichnung „Arche Noah“ für diese Gruppe verwendete. 3000 Mitglieder zählte die Allianz im Jahr 1943. In der sogenannten „Nacht-und -Nebel-Aktion“ im Frühjahr 1944 wurden zahlreiche Widerständler in Frankreich aufgespürt und verhaftet. 439 der Rebellen mussten ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen. Am 16. Juni 1944 wurde das Todesurteil für 24 Mitglieder der Reseau Alliance gefällt. Diese 24 Widerstandskämpfer wurden am 21. August 1944 im damaligen Schießstand im Köpfertal durch Gewehrsalven von 80 Soldaten der Wehrmacht hingerichtet. Durch die Verlegung dieser Stolpersteine wird dieser besonders mutigen Menschen gedacht. Sie sollen für die Entschlossenheit stehen, seine Pflicht zu erfüllen, wenn Unrecht geschieht. Immer wieder erfahren wir, wie wichtig es noch heute ist, dass Menschen sich Unaufrichtigkeit, Täuschungen und Gewalt entgegenstellen. Bis zu ihrem Tod blieben die 24 Widerstandkämpfer ihrem Gewissen treu. Ihr Andenken soll weiterleben: Marc Louis Jules Bernard, geboren am 27. Juni 1921 in Albertville (Savoyen) Jacques Bonnetain, geboren am 9. März 1921 in Paris Jean Philippe Bouyat, geboren am 28. Juli 1917 in Bordeaux Jean-Marie Caprais, geboren am 21. Juni 1922 in Chateauroux Pierre Dallas, geboren am 7. Juli 1916 in Auch (Dep. Gers) Yves de Fougerolles, geboren am 6. Juli 1913 in La-Trinité-sur-Mer (Dep. Morbihan) Pierre Deliry, geboren am 3. Juli 1894 in Tournus (Dep. Saone) Ferdinand Dellagnelo, geboren am 27. Dezember 1913 in Straßburg Raymond Hermer, geboren am 29. Dezember 1903 in Rennes (Dep. Ille) Alfred Jassaud, geboren am 30. Januar 1920 in Marseille Alain LeBastard de Villeneuve, geboren am 8. Juni 1922 in Pau Yves LeBastard de Villeneuve, geboren am 1. August 1920 in Arsague (Dep. Landes) René Lebre, geboren am 26. September 1921 in Aix en Provence Philippe Paul Louis Lefebvre, geboren am 15. April 1917 in Paris Pierre Lemaitre, geboren am 2. Februar 1911 in Chatillon en Vendelais Joël Maurice Lemoigne, geboren am 8. Juli 1912 in Brest Jean Portenart, geboren am 2. August 1918 in Montceau-les-Mines (Dep. Sâone-et-Loire) Lucien Poulard, geboren am 2. Dezember 1917 in Paris André Jean Riss, geboren am 21. Januar 1922 in Lyon Gabriel Rivière, geboren am 30. November 1901 in Marseille Gabriel Romon, geboren am 18. Juni 1905 in Boulogne-sur-mer Ernest Lucien Siegrist, geboren am 4. Dezember 1905 in Concorès (Dep. Lot) Jean-Philippe Sneyers, geboren am 27. September 1921 in Neuilly-sur-Seine Marcel Trumel, geboren am 5. März 1923 in Silly-le-Long (Dep. Oise)