Neophytenbekämpfung ist auch Sache der Gemeinden

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UMWELT
Neophytenbekämpfung ist
auch Sache der Gemeinden
Nicht zuletzt der Klimawandel begünstigt die Einwanderung und Verbreitung neuer Pflanzenarten,
welche die einheimische Flora verdrängen. Immer mehr Gemeinden sagen deshalb diesen
unerwünschten Neophyten den Kampf an. Neben der korrekten Kartierung braucht es kräftige
Arbeiter, die der Konkurrenz zur heimischen Flora den Garaus machen.
Wie ein grasgrüner Teppich liegt er da
und breitet sich am Glattufer bei Flawil
aus, der Japanknöterich. Normalerweise wird die Pflanze bis zu drei Meter
hoch. Doch der Bestand hier reicht erst
bis zu den Knien. Denn letztmals vor ein
paar Wochen hatte sich eine Bekämpfungsgruppe gegen Neophyten den Bewuchs vorgenommen. Allerdings genügte die kurze Zeit, um die hartnäckige
Pflanze wieder ausschlagen und ins
Kraut spriessen zu lassen, was zeigt, wie
aggressiv sich der Japanknöterich verbreitet. «Zwei bis drei Durchgänge pro
Sommer braucht es, um gegen solchen
Bewuchs etwas bewirken zu können»,
erklärt Werner Blättler, Geschäftsführer
der Zyklus Gartenbau in Gähwil.
Koordiniert
gegen Neophyten
Die Firma Zyklus Gartenbau organisiert
seit drei Jahren Einsätze, um die invasiven Pflanzen loszuwerden. Dazu taten
sich 2010 im Kanton St. Gallen neun Gemeinden an Thur und Glatt zusammen
und bekämpfen nun gemeinsam Riesenbärenklau, Japanknöterich, Goldrute und Drüsiges Springkraut. Koordiniert wird die Kampagne von Planium,
einem Büro für Umwelt- und Landschaftsplanung in Wil. Jeweils von Mai
bis August sind Gartenbauer, Zivildienstleistende, Arbeitslose und Asyl-
In vielen St. Galler Gemeinden werden für die Neophytenbekämfpung unter Anleitung von
Fachleuten Zivildienstleistende, Arbeitslose und Asylsuchende eingesetzt.
Bild: Sofia Iberg
bewerber unterwegs und mähen,
schneiden und entwurzeln die hartnäckigen Unkräuter. Das Projekt wurde als
vierjähriges Pilotprojekt konzipiert. Anschliessend soll die Neophytenbekämpfung an die kommunalen Werkhöfe im
Rahmen der jährlichen Unterhaltsarbeit
übergeben werden. Inzwischen haben
Systematisches Vorgehen lohnt sich
Wächst an einer Böschung leuchtend gelb eine Are Goldruten, motiviert das, dagegen vorzugehen. Doch Fachleute raten eher dazu, die invasive Besiedelung
vom Rand her zu bekämpfen und den besonders belasteten Flächen erst am
Schluss den Garaus zu machen. Botanisch und ökologisch wertvolle Flächen wie
Magerwiesen haben ebenfalls Priorität für eine Säuberung. Idealerweise wird
vorgängig ein Inventar der unerwünschten Flora erstellt, sei es durch die Gemeinde selbst oder durch ein Beratungsbüro. Vom Effort ausgenommen ist Privatgrund – hier lohne es sich, mit Informationen die Bevölkerung zu motivieren,
betont Claudia Vogt von sanu: «Die Gemeinde kann etwa in Flyern oder Newslettern dazu auffordern, keine invasiven Neophyten wie Sommerflieder oder Goldrute neu anzupflanzen.» Günstig für eine solche Informationsoffensive ist etwa
ein Stand am Blumen- oder Wochenmarkt. Schliesslich haben einzelne Gemeinden im Baureglemente die Bestimmung aufgenommen, dass bei der Umgebungsgestaltung von Neubauten nur einheimische Pflanzen erlaubt sind.
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sich weitere Gemeinden aus der angrenzenden Region bei der Neophytenbekämpfung angeschlossen. «Beim
Drüsigen Springkraut, Riesenbärenklau
und Goldrute können wir schöne Erfolge vorweisen», bilanziert Blättler.
Verbrennen und
nicht kompostieren
Im Kanton St. Gallen werden die Gemeinden im Kampf gegen die Neophyten finanziell unterstützt. Bis zu 25 Franken pro Arbeitsstunde können die Gemeinden dem Kanton in Rechnung stellen, den Rest müssen sie selber tragen.
Alfred Brülisauer, Leiter der Abteilung
Natur und Landschaft im kantonalen
Amt für Natur, Jagd und Fischerei, zieht
eine verhalten positive Bilanz der letzten drei Jahre: «Der Einsatz hat sich vor
allem beim Springkraut gelohnt. Allerdings ist dieses Projekt nur sinnvoll,
wenn es über längere Zeit konsequent
umgesetzt wird.» Immerhin sei der
Aufwand zurückgegangen: 2010 betrugen die Kosten für den Kanton noch
Schweizer Gemeinde 9/12
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450 000 Franken, 2011 waren es rund
230 000 Franken. Im Zentrum stehen
dabei neun Monitoringflächen. Hier
prüfen die Projektleiter die Entwicklung
der Neophyten vor und nach der Bekämpfung. Jährlich rund 100 Tonnen
Pflanzen werden im Kanton St. Gallen
entfernt und korrekt entsorgt. Wegen
der Ausbreitungsgefahr werden die
Pflanzenteile nicht kompostiert, sondern nach Möglichkeit verbrannt; dieses
Verfahren gilt insbesondere für die Blüten des Springkrauts, um eine Versamung zu unterbinden.
Schädlich für Flora,
Infrastruktur und Gesundheit
Der Grund, warum Kanadische Goldrute, Drüsiges Springkraut, Japanknöterich und Sommerflieder unerwünscht
sind, liegt in ihrem Ausbreitungsverhalten. Nicht alle Neophyten sind problematisch: Nur jede Zehnte gilt als invasiv. Diese haben sich in der Natur etabliert, breiten sich besser aus als einheimische Pflanzen und verdrängen diese.
So können sie grosse ökologische
Schäden verursachen oder Infrastrukturen in Mitleidenschaft ziehen. Der Japanknöterich beispielsweise destabilisiert Uferböschungen und Gebäude,
denn er verdrängt alle anderen Pflanzen. Im Winter sterben jedoch seine
oberirdischen Pflanzenteile ab, zurück
bleibt nackter Boden, der besonders an
Bachufern weggeschwemmt werden
kann. Andere Neophyten sind auch für
die menschliche Gesundheit eine Gefahr:
Der Saft des Riesenbärenklaus führt bei
Berührung und gleichzeitiger Sonneneinstrahlung zu Hautentzündungen mit
starker Blasenbildung. Und die Pollen
des Beifussblättrigen Traubenkrauts
(Ambrosia) können Allergien auslösen.
Klimawärwärmung
fördert Neophyten
Besonders unbeliebte invasive Neophyten sind das Ambrosia und der Riesenbärenklau, aber auch die nordamerikanische Goldrute, das Drüsige Springkraut und der Sommerflieder, die allesamt rasant verwildern: Die Goldrute
produziert bis zu 20 000 Samen pro Blütenstand, der Sommerflieder bis zu drei
Millionen pro Pflanze. Neophyten wachsen vor allem in warmen Gebieten und
in der Nähe von Siedlungsräumen.
Denn die meisten von ihnen gelangten
als exotische Zierpflanze in die Schweiz
und brachen dann aus den Gärten aus,
wobei Strassen- und Bahnböschungen
besonders beliebte Habitate sind. Der
Klimawandel hilft den Neophyten zusätzlich, vermutet der Infodienst Biodiversität Schweiz in seiner SommerausSchweizer Gemeinde 9/12
Neophyten müssen sachgerecht entsorgt werden – das Material wird meist verbrannt statt
kompostiert.
Bild: zvg
Erfassung im kantonalen Geoportal
Wo wachsen welche Neophyten, und welche wurden schon bekämpft? Einen guten Überblick bietet die Erfassung der Neophyten in einem kantonalen Geoportal. Dieses Webportal enthält die geografischen Daten des Kantons, also Verkehr
und Raumplanung, aber auch geografische Daten zu Bildung, Kultur und Umwelt. Seit 2006 ist dies im Kanton Zürich und seit 2009 in den Kantonen St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden möglich. Im Portal erfassen der
Kanton, die Gemeinden und interessierte Privatpersonen die Standorte der
Neophyten. Damit kann der aktuelle Stand der Ausbreitung kontrolliert werden.
Für jeden Standort werden die wichtigsten Daten wie Art, Zahl, Dichte und Datum angegeben und ob der Neophyt bekämpft wurde oder nicht. Gab es eine
Kampagne gegen Neophyten, wird deren Vorkommen im Geoportal jedoch nicht
gelöscht. Vielmehr bleibt der Standort im System, um eine Nachkontrolle zu ermöglichen. Die Daten dienen der Übersicht, Planung und Kontrolle und können
exportiert werden.
Der Vollzugang ist passwortgeschützt. Ein Einblick ermöglicht folgender Zugang:
www.geoportal.ch (Start > Darstellen > Land- und Forstwirtschaft > Neophyten).
gabe: So habe die Zahl der beobachteten Neophytenarten pro Messfläche im
Vergleich zum Ausgangszustand 2001
stärker zugenommen als die Zahl der
einheimischen Arten. Neben der Klimaveränderung könne eine veränderte
Landnutzung und die atmosphärische
Schadstoffeintrag zum Boom der Neophyten beitragen, so die Experten.
«Bevölkerung regelmässig
sensibilisieren»
Der Umgang mit invasiven Neophyten
wird vom Bund in der seit 2008 gültigen
Freisetzungsverordnung geregelt. Sie
verbietet mit der sogenannten schwarzen Liste das bewusste Ausbringen von
schädlichen Neophyten wie Riesenbärenklau, Springkraut und asiatischem Staudenknöterich. Bei weniger
schädlichen Pflanzen, die auf der
grauen Liste aufgeführt sind, gilt die
Sorgfaltspflicht, Selbstkontrolle und Informationspflicht.
Bund und Kantone geben bei der Bekämpfung der Neophyten den Rahmen
vor, doch viele Kantone delegieren die
Aufgabe an die Gemeinden. «Während
einige Gemeinden sehr aktiv sind, fehlen anderen das Know-how oder die finanziellen Mittel für die Neophytenbekämpfung», so Claudia Vogt, Projektleiterin bei sanu future learning ag. Das
Bildungsinstitut in Biel organisiert unter
anderem regelmässig Weiterbildung
zur Neophytenbekämpfung und Biodiversitätsförderung in der Gemeinde
und sammelt Erfahrungen aus Gemeinden (siehe Kasten). Vogt: «Die wichtigste Erkenntnis ist, dass eine einmalige Bekämpfungsaktion nichts bringt.
Am meisten Erfolg haben jene Gemeinden, die mehrmals jährlich gegen die invasiven Pflanzen vorgehen und gleichzeitig die Bevölkerung intensiv zum
Thema sensibilisieren.»
Sofia Iberg
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