LandLiebe auf der Pirsch

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Von wegen sanfte
Hasenpfote: Während
der ­Rammelzeit wird
unter den Männchen
geboxt. Da fliegen
schon mal die Fetzen –
und Fellbüschel.
LandLiebe auf der Pirsch
Ballett der
Feldhasen
Scheu sind sie, leben versteckt und am liebsten allein.
Doch wehe, ein Weibchen lockt! Dann streiten sich die
Männchen, und aus Angsthasen werden wilde Boxer.
Text Marcel Huwyler Fotos Manfred & Susanne Danegger
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S
Beim Boxen testet die
Häsin den Rammler
o friedliebend und scheu
Feldhasen sonst sind,
wenn Liebe und Triebe
ins Spiel kommen, ver­
teilen sie kräftige Hiebe –
dann gibts, um im Fachjargon
zu bleiben, zünftig eins hinter die
Löffel! Und zwar für Männchen
und Weibchen, Rammler wie Häsin.
Davon zeugen Fellbüschel auf
­Wiesen und Äckern, die nach dem
rabiat-amourösen Gezänke zurück­
bleiben. Jetzt, im Frühjahr, ist die
Zeit günstig, Feldhasen bei ihrem
Paarungsritual zu beobachten.
Die sonst eher nacht- und däm­
merungsaktiven Tiere veranstalten
ihre Hochzeit am heiterhellen Tag.
­Feldhasen mögen trockene, offene
Landschaften wie Ackerland oder
weite Wiesen und Felder, möglichst
mit Hecken durchsetzt. Hier rotten
sich die Einzelgänger zusammen
und veranstalten ihre brachialen
Balztänze. Pirschen wir uns also
vorsichtig heran.
­ ellfetzen, und selbst ­blutende
F
Verletzungen müssen die liebes­
tollen Hasenmänner ertragen.
Der Sieger dieser Rammler-Rangelei
hetzt nun also seiner Häsin hinter­
her. Bis zu siebzig Stundenkilometer
schaffen Feldhasen dank ihren
­langen kräftigen Hinterläufen. Und
vier Meter hohe Sprünge wurden
schon beobachtet. Plötzlich stoppt
das Weibchen, dreht sich um, richtet
sich drohend auf. Jetzt ist sie es, die
Schläge austeilt: Einem Trommel­
feuer gleich prasseln die Hiebe auf
den Kopf des Rammlers, und dieser
haut zurück. Mit dieser Prügelei
bringt sich die Häsin einerseits in
Paarungsstimmung, anderseits prüft
sie, wie stark ihr Partner ist. Nur
die kräftigsten kommen als Erzeuger
ihres Nachwuchses infrage. Dieser
Rammler hier scheint ihr genehm –
die Hasenhochzeit wird vollzogen.
Von Treue hält die Häsin allerdings
wenig. Innert kürzester Zeit paart
sie sich mit mehreren Rammlern;
die Jungen eines Wurfes können
darum verschiedene Väter haben.
Feldhase – Osterhase
Sein Paarungstrieb und die vielfache
Nachkommenschaft haben den
Feldhasen schon im Altertum zum
Symbol für Fruchtbarkeit gemacht.
Leute assen Hasen, wenn sie sich
viele Kinder wünschten. Papst
Zacharias verbot im Jahr 751 den
Hasenbraten, weil das Essen von
Hasenfleisch, so der Papst, Sitten
und Moral gefährde.
Und dann natürlich die Sache
mit dem Osterhasen: Ei und Hase
gelten seit je als Inbegriff für Potenz,
Leben, Neubeginn – für Frühling
also, die Zeit ums Osterfest.
Warum aber bringt der Osterhase
farbige Eier? Es gibt verschiedene
Erklärungen. Um Ostern herum
legt der Kiebitz seine gesprenkelten
Eier in eine Mulde am Erdboden.
Schläge Beim Rammeln
Und hopp und
weg. Droht
Gefahr, rennen
Hasen bis zu
­siebzig Stundenkilometer schnell.
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Da! Man muss schon genau
hin­sehen, die Tarnfarbe täuscht
­wirklich meisterhaft: Erdbraune
athletische Fellbündel jagen
über den Acker. Zwei Feldhasen
sinds, vorne eine Häsin – die
weisse Unterseite ihres puschligen
Schwänzchens, Blume genannt,
blitzt im Sonnenlicht auf –, sie
wird ­verfolgt von ihrem brünstigen
­Verehrer, dem Rammler. Wird
er seine Braut kriegen? Schliesslich
hat er sie sich schwer verdienen
müssen. Denn vor der Hatz aufs
Weibchen haben die Männchen
bereits untereinander gestritten,
wer der Stärkere, Potentere
ist, wer die empfängnis­bereite
Häsin bekommen soll. Auf ihren
Hinterläufen thronend, die Brust
in ­Imponiergehabe ­auf­gerichtet,
prügeln sie mit ihren krallen­
besetzten Vorderpfoten ­aufeinander
ein. Da wird geboxt, fliegen die
Krähenattacke! Da hilft nur noch ein (zick)zackiger Fluchtweg.
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Nur eines von zehn
­Jungtieren überlebt
Oder gibt es ihn doch?
Ich war zwölf, meine Schwester
fünf Jahre alt. Ich wusste alles,
sie glaubte alles. Ich war längst
Komplize meiner Eltern, wenn es
um Christkind, Sami­chlaus und
Osterhase ging; meine Schwester
dagegen hielt all die magischen
Wesen für real. Es war an einem
Ostermorgen, wir wohnten in einem
Haus auf dem Land, ich half meiner
kleinen Schwester beim Bau eines
Osternestes aus Grashalmen. Später
am Tag kontrollierten wir das Nest.
Und da sass – ehrlich, ich schwörs!
– ein Feldhase. Im Grasnest meiner
Schwester. Natürlich flüchtete er
sofort. Meine Schwester strahlte,
sie hatte ihn gesehen, mich aber
plagten fortan Riesenzweifel:
Ob es ihn am Ende etwa doch gab?
so leben Die häschen
Drei- bis viermal im Jahr bringt
eine Häsin, nach einer Tragzeit von
42 Tagen, zwei bis fünf Junge zur
Welt: 100 Gramm leichte Fellbäusch­
chen, voll entwickelt und sehend.
Das Aussergewöhnliche dabei:
Eine Häsin kann erneut trächtig
werden, auch wenn die Baby-Hasen
noch gar nicht geboren sind. Dank
dieser Sonderleistung, Superfötation
genannt, bringt eine Häsin mehr
Junge zur Welt. Was auch nötig ist:
Denn nur eines von zehn Jungtieren
wird das nächste Jahr erleben. Die
hohe Sterblichkeit hat unter anderem
mit dem Nest der Feldhasen zu tun:
Dieses liegt ungeschützt im offenen
Feld oder auf Ackerland. Ein kalter
Ein ganz seltenes Bild: Die Häsin zeigt sich sonst nie mit ihren Jungen.
Das wäre zu gefährlich! Denn ihre zahlreichen Feinde lauern überall.
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Nur vier Wochen
nach der Geburt
sind die Häschen
selbstständig.
Frühling oder ein nasser Sommer,
dazu Viren und Epidemien setzen
den Jungtieren arg zu. Auch Greif­
vögel und Raubwild – der Fuchs ist
der grösste Hasenjäger – dezimieren
den Junghasenbestand. Die grösste
Gefahr geht aber vom Menschen
aus, Strassenverkehr und intensive
landwirtschaftliche Nutzung sind
am Tod vieler Tiere schuld.
Wie ängstlich ist er nun wirklich?
Der Feldhase ein Hasenfuss? Hat
das Weibchen Junge geboren, ist
es tatsächlich übervorsichtig und
ängstigt sich um seinen Wurf. Mit
gutem Grund: Grösse und Geruch
der Mutter locken Feinde an. Um
ihre Kleinen zu schützen, «mimt»
die Mama darum die Rabenmutter
und verlässt die Jungschar. Tagsüber
höckeln die Jungtiere, getrennt und
getarnt, im Gras. Nur abends, in
der Dämmerung, huscht die Mutter
von Häschen zu Häschen und säugt
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sie mit ihrer Milch, die viermal mehr
Fett als Kuhmilch enthält und enorm
nahrhaft ist. Nach nur 33 Tagen
sind die Jungen selbstständig – und
die Häsin lässt sie ziehen.
Feldhasen in der Schweiz
In der Schweiz haben die Feldhasen­
bestände stark abgenommen. Doch
noch gibt es sie … Wer die Tiere
beobachten will, versucht es am
besten in den Gebieten Wau­wiler
Ebene (LU), im Klettgau (SH)
sowie im Kanton Genf und im
Raum rund um den Bieler- und den
Neuen­burger­see. Die Chancen
stehen derzeit gut. Denn Frühlings­
zeit ist Rammelzeit! Und mit etwas
Glück, guter ­Tarnung und viel
Geduld wird man ihnen zuschauen
können, wie sie boxen, streiten,
zanken, hoppeln, rasen, Haken
schlagen – und einander beibringen,
wie hier der Hase läuft. C
Für Landliebe auf der Lauer
Er ist einer der besten Wild- ­faszinieren ihn Feldhasen und
tier- und Naturfotografen
Rehe. Seine Bilder von rammelnim deutschen Sprachraum
den, boxenden Feldhasen schoss
Der 74-jährige Manfred Danegger,
wohnhaft im deutschen Billafingen
(Baden-Württemberg), schiesst seit
über fünfzig Jahren die spek­ta­ku­lärs­
ten und intimsten Fotos von Tieren
in freier Wildbahn. Am meisten
Susanne und Manfred Danegger:
Tochter und Vater auf Fotopirsch.
Danegger mit dem Tele­objektiv
aus seinem Auto heraus. «Als
Fussgänger verrate ich mich zu
schnell, und die Hasen flüchten. In
meinem Wagen aber bin ich ­prima
getarnt, und die Tiere trauen sich
näher heran.» Auch seine 43-jährige
Tochter Susanne Danegger ist
­mittlerweile der Tierfotografie
­verfallen. Schon als Kind begleitete
sie ihren Vater auf der Fotopirsch.
Die gelernte Tierarzthelferin leitete
mehrere Jahre ein Tierheim, heute
lebt sie auf einem Bauernhof am
Bodensee. Ihre Tier­fotos, sagt sie,
entstehen alle spielerisch: «Nichts
muss, aber alles kann.»
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Foto Reto Hügin
Da der Feldhase sich tagsüber
ebenfalls in einer Ackerfurche,
Sasse genannt, aufhält, glaubte man,
er lege diese Eier. Die plausibelste
Erklärung ist aber wohl päda­
gogischer Natur, gemischt mit dem
Jö-Effekt: Die Eltern schenken
ihren Kindern farbige Ostereier
und zelebrieren ein Geheimnis à la
Christkind. Und weil der Feldhase
niedlich, flauschig und darum
kindertauglich ist, zudem flink und
scheu (darum erwischt man ihn
beim Eierbringen ja nie), wurde
ihm die Rolle des Eierschenkers
angedichtet. Natürlich existiert der
Osterhase nicht. Wobei … Also die
Geschichte muss ich Ihnen erzählen.
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