42 02057 Bedrohte Tierwelt: Hornissen Seite 1/4 VHS 42 02057 16 min Bedrohte Tierwelt Hornissen Selten wurde eine Tierart so gnadenlos verfolgt wie die Hornisse. Ursächlich dafür waren in erster Linie überholte Vorurteile und eine mangelhafte Kenntnis der Lebens- und Verhaltensweisen dieses staatenbildenden Großinsekts. Auch heute noch wird oftmals ein friedliches Zusammenleben mit einem Hornissenvolk im menschlichen Siedlungsbereich für unmöglich gehalten. Die Ausweitung der Bebauungsflächen und die gleichzeitige Entfernung alter Bäume, in denen die Hornissen Nisthöhlen finden, erhöhen den Vernichtungsdruck. Seit 1.1.1987 wurde die Hornisse als besonders geschützte Tierart in die BundesartenschutzVerordnung aufgenommen und genießt somit von gesetzlicher Seite „Bestandsgarantie“. Der Film dokumentiert den Jahreszyklus eines Hornissenstaates, zeigt Besonderheiten des Bauund Brutpflegeverhaltens und gibt Anleitungen für den Schutz dieser gefährdeten Tierart. Lernziele Lebens- und Verhaltensweisen der Hornisse kennen lernen; Gefahren für Menschen durch Hornissenstiche realistisch beurteilen können; ihre Bedeutung als Insektenjäger im Naturhaushalt einordnen können; biologisch und ökologische Zusammenhänge der Bedrohung verstehen und geeignete Schutzmaßnahmen ableiten können. Zum Inhalt Biologie Die Hornisse zählt innerhalb der arten- und formenreichen Ordnung der Hymenopteren oder Hautflügler zur Familie der sozialen Faltenwespen. Die beiden Hautflügelpaare der Tiere sind beim Fliegen durch eine Reihe von Häkchen zu einer Tragfläche verbunden. In Ruhestellung werden sie der Länge nach einmal gefaltet, was den deutschen Namen – Faltenwespen – erklärt. Kennzeichnend für die sozialen Faltenwespen ist außerdem der Bau ihrer typischen Papiernester, die artbedingt entweder aus morschem Holz oder aus verwitterten Holzfasern hergestellt werden. Die Technik der Papierherstellung beherrschten die sozialen Faltenwespen schon in der Kreidezeit. Das Alter eines in Utah (USA) gefundenen fossilen Wespennestes wird auf ca. 100 Millionen Jahre geschätzt. Die Hornisse ist mit ihren bis zu 35 mm langen Vollweibchen oder Königinnen die größte europäische Faltenwespe und gleichzeitig das größte staatenbildende Insekt Mitteleuropas. Hornissen ernähren ihre Brut vorwiegend mit tierischem Eiweiß und erbeuten hierzu große Mengen anderer Insekten. Mit ihren großen zangenförmigen Oberkiefern und ihrem Giftstachel sind sie für diese Aufgaben bestens ausgerüstet. Sie sind in der Lage, auch große und wehrhafte Arten, wie die mit ihnen verwandten kleineren Wespenarten und Heuschrecken, zu jagen und bilden so ein natürliches Regulativ im Artengefüge. Nicht zu Unrecht werden sie als „Adler“ unter den Insekten bezeichnet. Als Besonderheit gilt, dass Hornissen auch bei Nacht aktiv sind. Die fertig entwickelten Tiere ernähren sich im Gegensatz zu den Larven vorwiegend von Kohlenhydraten. Diese gewinnen sie durch die Aufnahme von zuckerhaltigen Baumsäfte, mit Vorliebe von Eiche, Esche und Birke. Daneben schätzen Hornissen auch süße Säfte von Fallobst, insbesondere den Saft süßer Birnensorten. © FWU Institut für Film und Bild 42 02057 Bedrohte Tierwelt: Hornissen Seite 2/4 Wie alle anderen einheimischen sozialen Faltenwespenarten bilden Hornissen einjährige Insektenstaaten. Eine im Herbst des Vorjahres geborene Jungkönigin begibt sich etwa ab Mitte Mai auf die Suche nach einer geeigneten Nisthöhle. Dort beginnt sie zunächst völlig alleine mit dem Bau einer kleinen Wabe und belegt deren sechseckige Einzelzellen mit je einem Ei. Den Baustoff für das Nest bildet morsches Holz, Bauwerkzeuge sind die kräftigen Mandibeln (Oberkiefer) der Hornisse. Etwa vier Wochen lang muss das Tier alle anfallenden Arbeiten, den Aufbau des Anfangsnestes und die Versorgung der heranwachsenden Brut, alleine leisten. Danach schlüpfen die ersten Arbeiterinnen aus ihren Wabenzellen. Das sind kleinere Weibchen mit verkümmerten Geschlechtsorganen, die nicht begattet werden können. Einzelne Arbeiterinnen können zwar auch Eier ablegen, doch entwickeln sich aus diesen unbefruchteten Eiern immer nur Männchen. Die Arbeiterinnen übernehmen bald alle Arbeiten inner- und außerhalb des Nestes, während sich die Königin ihrer Hauptaufgabe, der Produktion von Nachkommen durch das Ablegen von Eiern, widmet. Der Hornissenbau wird rasch größer und erreicht mit ca. 500 Bewohnern im August/September seinen Entwicklungshöhepunkt. Etwa ab Anfang August werden bereits große Wabenzellen für die Larven der Geschlechtstiere, der Jungköniginnen und Männchen, angelegt. Ab September schlüpfen diese aus ihren Wabenzellen. Die Jungköniginnen legen sich durch reichliche Nahrungsaufnahme ein Fettdepot zu, das die Energiereserve für die Überwinterung bildet. Schließlich fliegen die Jungköniginnen vom Nest ab und verpaaren sich mit den Männchen. Danach suchen sie sich zur Überwinterung frostgeschützte Verstecke. Sie alleine bilden die Genreserve, während alle anderen Nestinsassen, Arbeiterinnen, Männchen und die alte Königin nach und nach absterben. Etwa Anfang November ist der Hornissenbau ausgestorben und wird auch niemals wieder belegt. Aus starken Hornissenvölkern können durchaus einige hundert Jungköniginnen hervorgehen. Zur Erhaltung der Art ist diese Überproduktion erforderlich, da sehr viele Jungköniginnen in der Winterstarre Insektenjägern zum Opfer fallen. Ungünstige Witterungsverhältnisse im Frühling und Kämpfe um günstige Nistplätze unter den Königinnen fordern ebenfalls ihren Tribut. Problemfeld Siedlungsbereich Hornissen sind als Höhlennister auf Hohlräume angewiesen, in denen sie ihre Nester bauen können. Da ihr klassischer Neststandort, alte hohle Bäume, in unserer Landschaft selten geworden sind, suchen sie verstärkt nach Nistmöglichkeiten im menschlichen Siedlungsbereich. Dort sind allerlei Hohlräume reichlich vorhanden. So werden Dachböden, Rolladenkästen, Terrassenmöbel und viele andere Hohlräume von den Hornissen gerne besiedelt. Konflikte mit dem „Nachbar Mensch“ sind damit vorprogrammiert. Unkenntnis und überholte Vorurteile führen dabei oftmals zu fast panischen Reaktionen. Hornissen sind unbestritten wehrhafte Insekten, die schmerzhaft stechen können. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, bilden Hornissenstiche für einen gesunden Menschen jedoch keine besondere Gefahr. Stiche von Hornissen sind nach allgemein gültigen Erkenntnissen nicht gefährlicher als Bienen- oder Wespenstiche. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen diese Tatsache eindeutig. Die nach Stichen im Bereich der Einstichstelle auftretenden Schmerzen und lokalen Schwellungen sind zwar sehr unangenehm, aber von vorübergehender Natur. Nur für solche Menschen, die auf das Hornissengift allergisch regieren, besteht ein ernsthaftes Risiko. Hinweise auf allergische Reaktionen sind ungewöhnlich starke Schwellungen, Hautreaktionen fernab der Einstichstelle, sowie Atem- oder Kreislaufbeschwerden. Bei ruhigem, umsichtigem Verhalten sind Hornissen erstaunlich friedfertige Nachbarn mit einem hohen Beobachtungswert. Hornissennester an besonders © FWU Institut für Film und Bild 42 02057 Bedrohte Tierwelt: Hornissen Seite 3/4 ungünstigen Standorten können von Spezialisten umgesiedelt- oder abgesichert werden. Da Hornissen besonders geschützte Tiere sind, müssen derartige Eingriffe durch die zuständigen Naturschutzbehörden genehmigt werden. Die früher vielfach praktizierten Vernichtungsaktionen sind nicht mehr legal und müssen daher der Vergangenheit angehören. Bedrohung und Schutzmaßnahmen Mit der Aufnahme der Hornisse in die Bundesartenschutz-Verordnung als besonders geschützte Art, mit Wirkung vom 1.1.1987, wurden die rechtlichen Voraussetzungen für eine „Bestandsgarantie“ geschaffen. Verstöße gegen diese Rechtsvorschriften können mit Bußgeldern bis 100.000,- DM belegt werden. Das Überleben der Art ist damit alleine aber längst noch nicht gesichert. Die ständige Ausweitung der Siedlungsflächen, verbunden mit der Vernichtung von ökologisch sehr wertvolle Obstbaumwiesen, verkleinert die ursprünglichen Lebensräume der Hornissen immer mehr. Hinzu kommt der Einsatz chemischer Biozide in der Land- und Forstwirtschaft. Da die Hornissen auch nachts aktiv sind, leiden sie unter dem immer stärkeren „Lichtsmog“, der künstlichen Ausleuchtung der Siedlungs- und Verkehrsflächen. Genauso wie Nachtfalter können sie sich nicht mehr aus dem „Bann“ von Lichtquellen lösen und verbrennen massenhaft an starken Strahlern. Der effektivste Artenschutz kann daher nur der konsequente Schutz der Lebensräume sein. Dieser beinhaltet neben dem Schutz verbliebener Naturräume den Aufbau artenreicher Mischwälder mit Altholzbeständen. Sehr wichtig ist auch der Erhalt und die Neupflanzung hochstämmiger Obstbäume. Sie bieten den Hornissen natürliche Nistplätze in Astlöchern und hohlen Stämmen. Daneben ist der Schutz von Hochstaudenfluren an Waldsäumen, Lichtungen und Wegrändern anzustreben. Mit ihren reichen Insektenvorkommen bieten diese Pflanzengesellschaften dem „Adler“ unter den Insekten hervorragende Lebensgrundlagen. Diese Maßnahmen kommen neben den Hornissen auch zahlreichen anderen Tier- und Pflanzenarten zugute. Die Nistplatznot der Hornissen kann durch die Anbringung von Nistkästen in geeigneten Lebensräumen vermindert werden. Durch die Förderung der Tiere an ausgesuchten Plätzen werden Probleme bereits im Vorfeld ausgeschaltet. Hornissenvölker in Nistkästen bieten dem Naturfreund außerdem besonders gute Beobachtungsmöglichkeiten. Eine der Grundvoraussetzunge für einen wirkungsvollen Schutz der Hornissen ist jedoch eine sachgerechte und emotionslose Aufklärung über diese Tierart. Nur dadurch sind übertriebene Ängste und Vorurteile abzubauen, wird die Möglichkeit eines „friedlichen Nebeneinander“ von Menschen und Hornissen realisierbar. Zur Verwendung In Klasse 6 bzw. 7 werden der Bau und die Lebensweise von Insekten besprochen. Neben der Honigbiene ist auch die Hornisse ein staatenbildendes Insekt – im Gegensatz zur Honigbiene lebt sie jedoch räuberisch, und ihr Staat ist völlig anders organisiert. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Insektenarten können mit Hilfe des vorliegenden Filmes sowie des Filmes 42 02375 „Die Honigbiene“ erarbeitet werden. Die ökologische Bedeutung der Hornissen als Vertilger zahlreicher Forstschädlinge und Insekten (z.B. Wespen) könnte ein weiterer Unterrichtsschwerpunkt sein. © FWU Institut für Film und Bild Seite 4/4 42 02057 Bedrohte Tierwelt: Hornissen Bearbeitete Fassung und Herausgabe FWU Institut für Film und Bild, 1996 Bearbeitung Cornelie Berner Produktion Südwestfunk Baden-Baden Buch und Redaktion Jürgen Bundy Regie, Kamera, Schnitt Otto Hahn Ton Irmgard Hahn Begleitkarte Robert Ripberger Fachberatung Robert Ripberger Redaktion Cornelie Berner Verleih durch Landes-, Kreis- und Stadtbildstellen/Medienzentren Verkauf durch FWU Institut für Film und Bild, Grünwald Nur Bildstellen/Medienzentren: öV zulässig © 1996 FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht gemeinnützige GmbH Geiselgasteig Bavariafilmplatz 3 D-82031 Grünwald Telefon (089) 6497-1 Telefax (089) 6497-300 E-Mail [email protected] [email protected] Internet http://www.fwu.de © FWU Institut für Film und Bild