Telefon: (089) 53 06-412 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86 57 Münchner Merkur Nr. 81 | Freitag, 9. April 2010 Leben UNSERE HOBBYKÖCHE ...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... Wo Äpfel Prozente bekommen Freitags schauen wir im Wechsel Wirten und Hobbyköchen über die Schulter. Heute sind wir zu Gast bei Familie Schauer in Schnegg. Hier entsteht seit Jahren Hochprozentiges. VON SIMONE SINGER In der Luft hängt das fruchtige Aroma von vergorenem Obst. In einer Ecke des gefliesten Raums ragt ein kupferner Kessel bis zur Decke. Silberrohre umwinden ihn, außen sitzen Räder und Schrauben. „Das ist das Herzstück“, sagt Brigitte Schauer. In dem Kessel verwandeln sich Birnen, Schlehen oder Zwetschgen in Feuerwasser – und das schon seit 36 Jahren. Auf dem Bauernhof in Schnegg (Kreis Bad TölzWolfratshausen) ist das Brennen schon seit Generationen Frauensache. Das Wissen wird vererbt, von der Schwiegermutter an die Schwiegertochter. Brigitte Schauer lernte das heute seltene Handwerk von ihrer Schwiegermutter Annemarie. Die heute 63-Jährige ging vor 30 Jahren ebenfalls bei der Mutter ihres Mannes in die Lehre. Brigitte Schauer kümmert sich um die „Feinarbeiten“, wie sie sagt. Dazu gehört die Herstellung der Geiste: Sie hält eine silberne Schüssel in den Händen. Der braune Brei darin waren einmal Schlehen. Heute sind Äpfel dran. Sie sind ungespritzt und kommen aus der Region – wie alle Früchte, die sich in dem Brennofen auf dem Bauernhof in Hochprozentiges verwandeln. Sie stammen von Streuobstwiesen und werden handverlesen. Schon eine kleine Delle genügt – und der Apfel wird aussortiert. Dafür ist Josef Schauer, der Vater der Familie, zuständig. Nicht jeder darf Schnaps brennen. Dazu muss einem das Brennrecht verliehen werden. Es besteht auf dem Hof der Schauers schon seit Generationen. „Grundsätzlich darf jeder, der Streuobstwiesen besitzt, Schnaps brennen“, erklärt Schauer – vorausgesetzt, man meldet sich beim Zollamt an. Die Behörde entscheidet dann, wann und wie viel Schnaps im Jahr gebrannt werden darf. Bevor aus dem Obst Feuerwasser entsteht, muss es zuerst gewaschen, zerkleinert und gepresst werden. Wichtig bei allen Steinfrüchten wie Aprikosen und Zwetschgen: Die Kerne müssen ganz bleiben. Denn sie können giftige Stoffe enthalten. Zum Fruchtmus gibt Brigitte Schauer Hefe. Sie wandelt Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um. Dazu muss die Maische luft- Auf das gelungene Werk stoßen alle an, auch Familienvater Josef Schauer. Schnapsbrennen ist hingegen Frauensache, darum kümmern sich Mutter Anneliese und Schwiegertochter Brigitte. Sie zaubern auch leckere Desserts aus Hochprozentigem – wie diese Schlehenlikör-Torte. FOTOS (7): OLIVER BODMER Die ungespritzten Äpfel stammen von Streuobstwiesen aus der Region. dicht verschlossen werden. Zur Lagerung kommt sie in Edelstahlfässer. „Dort kann das Ganze gären“, sagt Brigitte Schauer. Nach drei bis vier Wochen bei 18 Grad hat sich der gesamte Zucker in Alkohol umgewandelt. Dann wird es feurig: Brigitte Schauer füllt die vergorenen Früchte in einen Kupferkessel, die sogenannte Brennblase. In den Ofen darunter schichtet sie Scheite. Die Maische wird traditionell „über Holz“ erhitzt. Viele Stunden muss Brigitte Schauer immer wieder Holz nachlegen. Denn die Temperatur muss möglichst konstant bleiben. Langsam verdampfen Aromen und Alkohol und steigen in den zylinderförmigen Geisthelm und von dort in das Geistrohr. Kühlrohre mit kaltem Wasser lassen den Dampf kondensieren – es bilden sich Tröpfchen, die schließlich in einen Eimer fließen. Wenn der erste Brennvorgang, der Rohbrand, fertig ist, geht’s ans Probieren. „Jetzt flattern die Geiste herum“, sagt Brigitte Schauer und lacht. Ein fester Strahl spritzt aus dem Tank in eine Kanne. Beim Kosten benetzt die Hobby-Brennerin nur leicht ihre Zunge. „Das meiste funktioniert sowieso übers Riechen“, erklärt sie. Doch eine gute Nase allein reicht nicht. Um ihren Geschmackssinn zu verfeinern, hat die gelernte Bankkauffrau Brenn- und Sensorikkurse an der Technischen Universität Der klare Schnaps schmeckt fruchtig. Weihenstephan besucht. Dann muss Brigitte Schauer den Ofen zum zweiten Mal schüren: Denn nach dem Rohbrand kommt der Feinbrand. Zunächst verdampfen die Methanole aus der Maische. Hier gilt: Bloß nicht trinken! Denn dieser „Vorlauf“ mit etwa 80 Prozent Alkohol ist giftig. „Der riecht stechend wie Nagellackentferner“, sagt Schauer. Es dauert, bis aromatisches Feuerwasser den Kessel verlässt. Der Mittellauf, „das Herzstück der Destillation“, duftet fruchttypisch. Aus ihm wird einmal herrlich aromatischer Obstler. Den giftigen Vorlauf vom Mittellauf zu unterscheiden, ist dabei gar nicht so einfach. Wenn sich Brigitte Schauer Brigitte Schauer bereitet Schlehenlikör-Torte, Topfennudeln und Nusslikör-Eis zu Schlehenlikörtorte Zutaten für den Biskuitteig: 4 Eier, 120 Gramm Zucker, 150 Gramm Mehl, 1 Messerspitze Backpulver. Tortencreme: 100 Gramm Zucker, 1 Becher Sahne, 1 Becher Joghurt, 150 Milliliter Schlehenlikör, 4 Blatt Gelatine. Zubereitung: Eiweiß abtrennen und steif schlagen. Eigelb mit Zucker schaumig rühren, Mehl mit Backpulver mischen und unter Rühren in die Eigelbmasse sieben. Ei- weiß vorsichtig unterheben. Den Teig in eine am Boden eingefettete Springform geben. Bei 180 Grad ca. 30 Minuten backen. Abkühlen lassen. Für die Creme zunächst Sahne steif schlagen. Zucker, Joghurt und Likör unterrühren. Die Gelatine einweichen und vorsichtig in einem Topf erwärmen, bis sie flüssig ist. Nun langsam in die Masse aus Zucker, Sahne, Joghurt und Likör einrühren. Die Creme auf den Biskuitboden verteilen und im Kühlschrank fest werden lassen. Verzierung: Die Torte mit Sahnetuffs, Schokoblättchen und Likörtropfen verzieren. Topfennudeln Zutaten für den Teig: 1 Kilogramm Mehl, 500 Gramm Quark, 1 1/2 Päckchen Trockenhefe, eine kleine Handvoll Salz, 3 Eier, etwa 1/4 Liter Milch. Zubereitung: Alle Zutaten bei Zimmertemperatur verarbeiten. Aus Mehl, Quark, Hefe, Salz, Eiern und Milch einen weichen Hefeteig herstellen, etwa 30 Minuten ruhen lassen. Nudeln daraus formen und nochmal ca. 30 Minuten ruhen lassen. Dann in heißem Fett schwimmend goldbraun backen. Brigitte Schauer empfiehlt dazu einen Apfelbrand – als „Verdauungsschnapserl“. Vanilleeis mit Nusslikör Zutaten: Zwei Kugeln Vanilleeis, Sahne, Raspelschokolade und Walnusslikör Zubereitung: Eis auf einem Teller anrichten, mit Sahne und Schokoraspeln garnieren und Walnuss-Likör übergießen. Die vergorene Maische wird in dem Brennkessel über Holzfeuer schonend erhitzt. nicht sicher ist, verdünnt sie den Vorlauf mit Wasser und probiert – bis der stechende Geschmack verflogen ist. Dann schmeckt sie nur noch das Fruchtaroma. Am Ende des Brennvorgangs wird die Flüssigkeit wieder ungenießbar: Während des Nachlaufs hat der Brand einen dumpfen Kesselgeschmack. Noch aber kann man den Schnaps nicht trinken. „Das Herzstück“ muss noch reifen – und lagert dafür mehrere Monate in Edelstahlfässern. Danach wird es mit aufbereitetem Wasser vermischt, bis es Trinkstärke (zwischen 38 und 45 Prozent) hat. Der Schnaps wird gefiltert und in Flaschen gefüllt. „Ein guter Schnaps muss mild sein“, sagt Brigitte Schauer. Zum Genießen sollte er Zimmertemperatur haben. Dann entfalten sich die Aromen am besten, von Quitten, Vogelbeeren oder Kräutern. Die 35-Jährige hat vor neun Jahren mit dem Schnapsbrennen angefangen – mit Hollerlikör. Heute entstehen in Schnegg auch Nuss-, Lebkuchen- und seit neuestem Bierlikör – alles ohne Zucker und Zusatzstoffe. Ihre Kunden schätzen das. „Sie wollen heute was Ausgefallenes, und nicht nur irgendein Schnapserl“, sagt Schwiegermutter Annemarie. Weitere Infos Die edlen Brände sind ab Hof erhältlich. Adresse: Schnegg 108, 83646 Oberfischbach. Infos unter Tel. 0 80 41/38 01. Geist, Brand oder Likör Schnaps ist nicht gleich Schnaps. Man unterscheidet Geiste, Brände und Liköre. „Ein Geist wird aus Früchten hergestellt, die zwar sehr viele Bitterstoffe, aber zu wenig Zucker enthalten“, erklärt Brigitte Schauer. Ein Beispiel ist Vogelbeergeist. Zunächst gibt man zu den zerkleinerten Früchten neutral schmeckenden Alkohol. Er hat etwa 96 Prozent. Diese Mischung wird ein Mal gebrannt. Brände oder Wässer stellt man aus Maische her, einem Gemisch aus Früchten und Hefe. Bei der Gärung entsteht Alkohol. „Das Fruchtmus wird bei uns dann zwei Mal gebrannt“, sagt Schauer. Brände entstehen aus Früchten, die viel Zucker enthalten wie Birnen oder Kirschen. Bei Likören setzt die 35-Jährige Früchte mit Neu- Bunte Vielfalt: Das Schnapsregal von Familie Schauer. tralalkohol an. Meist verwendet sie dafür aber auch bereits gebrannte Geiste, wie zum Beispiel den Schlehengeist. Er wird zu den zerkleinerten Früchten gegeben. Die angesetzte Masse kommt anschließend aber nicht mehr in den Brennkessel. „Sie muss nur ein paar Wochen ruhen“, erklärt Brigitte Schauer. sms 19 DIE TÄGLICHE MEDIZIN Heute: Vorsicht beim Bärlauch-Sammeln! In lichten Wäldern und Parks steigt dem Spaziergänger jetzt wieder ein aromatischer Duft in die Nase. Wie eine grüne Matte breitet sich der Bärlauch unter den Bäumen aus. Sein Knoblauch-Aroma gewinnt immer mehr Liebhaber. Denn die Blätter verfeinern nicht nur Suppen und Salate. Mit ihnen lassen sich auch einfallsreiche Gerichte zaubern wie Bärlauch-Quiche oder Bärlauch-Knödel. Zudem ist Bärlauch gesund. So soll das Zwiebelgewächs Harn treiben und Entzündungen lindern. Da die Pflanze hierzulande in vielen Gegenden wild wächst, sammeln immer mehr Hobby-Köche die Blätter selbst. Doch sollte man sich dazu gut auskennen. Denn der Bärlauch hat tödliche Zwillinge. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu schweren Vergiftungen. Die Betroffenen hatten die Blätter mit denen der Herbstzeitlose oder des Maiglöckchens verwechselt. Beide Pflanzen sind giftig und wachsen oft in der Nähe von Bärlauch. Jedes Blatt prüfen Beim Pflücken sollte man daher jedes Blatt einzeln prüfen. Die Maiglöckchenblätter wachsen etwas später als die des Bärlauchs. Doch Ende April können sie mitten in einem Bärlauchfeld stehen. Auch die Blätter der Herbstzeitlose wachsen zur gleichen Zeit. Sie enthalten das Gift Colchicin. Schon 50 Gramm der Blätter können tödlich sein. Bei einer geringen Dosis kommt es zu Übelkeit, Herzrhythmusstörungen und Kreislaufproblemen. Auch Erbrechen und Durchfall können auftreten. Zu ähnlichen Symptomen führt auch der Verzehr von Maiglöckchenblättern. Seine Glykoside wirken ähnlich wie das Gift des Roten Fingerhuts. Giftig: Maiglöckchen (li.) und Herbstzeitlose. FKN Genau hinsehen Wer Bärlauch sammelt, muss also genau hinsehen: Die Bärlauchblätter riechen nicht nur aromatisch nach Knoblauch. Sie sind auch weicher und dünner als die des Maiglöckchens. Zudem ist ihre Oberfläche matt. Die Blätter des Maiglöckchens sind dagegen fester und glänzend. Zudem wachsen mehrere aus einem Stiel, während jedes Bärlauchblatt an einem eigenen Stiel aus der Erde kommt. Auch mehrere Blätter der Herbstzeitlose, deren violette Blüten man erst im Herbst sieht, wachsen um einen Stiel herum. Angst haben viele Menschen außerdem davor, dass sich Eier des Fuchsbandwurms auf den Blättern befinden könnten. Dieser Parasit kann sich in der menschlichen Leber festsetzen und sie im Laufe der Jahre zerstören. Wenn man den Bärlauch aber gut wäscht, ist das Risiko äußerst gering. Wer sichergehen will, sollte die Blätter kochen. Ab 60 Grad werden die Eier zerstört. SONJA GIBIS