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Wirtschaftsblatt Regional OÖ
Ausgabe
4/2015
Seite
4, 5
Kaum
zu glauben, dass
sich die Geschichte des
Gutshofes, den wir in
Hofkirchen ansteuern,
mehr als 600 Jahre zurückverfolgen lässt. Heute präsentiert sich
der Vierkanthof fachkundig restauriert und stilvoll herausgeputzt. Understatement ist angesagt. Dass sich hier mit Morgentau Biogemüse der landwirtschaftliche Betrieb des Biopioniers Christian Stadler befindet,
der sechs Millionen umsetzt
und 60 Leute beschäftigt, lässt
sich von außen nicht erahnen.
WirtschaftsBlatt:Wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit,dass ein Kunde, der im Supermarktzu Bioware
greift, bereits Gemüse von Morgentau gegessen hat?
Christian Stadler: Die Wahrscheinlichkeit ist in Tirol sehr
groß, denn wir sind beim Platzhirsch M-Preis seit 1994 vertreten.
Unsere größte Kundschaft ist
Spar, für die wir unser Biowurzelgemüse für "Natur pur" abpacken.
Morgentau scheint dort als Verpacker auf. Die Wahrscheinlichkeit ist also auch hier groß, denn
Biowurzelgemüse bei Spar ist,
österreichweit gesehen, zu 60 bis
70 Prozent von uns.
Aber die wenigsten Konsumenten
wissen davon...
Was die Endkunden angeht, ist
schon was dran. In Fachkreisen
sind wir sehr wohl als alte Hasen
bekannt. Wir haben uns durchgesetzt, weil wir über die Zeit gesehen die kontinuierlich bessere
Qualität und gleichzeitigdie Nase
bei der Produktentwicklung im
Bereich Biowurzelgemüse vorne
haben. In den letzten drei bis vier
Jahren sind einige seltene Arten
hinzugekommen. Das haben wir zu
zwei Dritteln angestoßen und es
findet einen sehr fruchtbaren Boden. Die Biopastinakehaben wir
aus der Vergessenheitgeholt, indem wir sie mit 18 verschiedenen
beigepacktenRezepten versehen.
Auf wie viel Hektar bauen Sie an?
Wir bewirtschaften 270 Hektar
in einem Umkreis von 20 Kilometern. 150 Hektar liegen südlich der
Donau, 120 Hektar nördlich davon.
Da wir eine ordentliche Fruchtfolge einhalten, sind aber immer nur
70 bis 80 Hektar davon mit Gemüse bebaut. Dazu kommen noch
weitere 100 bis 130 Hektar unserer
Vertragsbauern aus Ober- und
industrielle
hat keine Zukunft"
Christian Stadler. Oberösterreichs Biopionier über alte, vergessene Gemüsearten,
Wie schwierig war damals der
Startfür Sie?
Ich war 25 Jahre alt, als ich mit
Bio begann, und auch blauäugig.
Ich hatte die Unterstützung meiner Eltern, aber alles war nicht
immer eitel Wonne. Die Grünbewegung mit ihren Idealen und
Visionen und dem Einsatz für eine
ökologische Landwirtschaft trug
ich zu jeder Zeit mit. Ich zog nur
keine "Jesus-Patscherln" an und
mein Auto hatte trotzdem viel
Hubraum. Das war für mich kein
Widerspruch. Ich wollte es auf
meine Weise machen. Aber die
Öffnung in Richtung Handelsketten war damals in der Grünbewegung lange Zeit ein rotes Tuch.
Bio-Unternehmertum, die stärkere Positionierung seiner Marke Morgentau und
Heute geht der Trend zu Bio und
veganer Ernährung. Wie macht
sich das bei Ihnen umsatzmäßig
bemerkbar?
Wir sind in den letzten Jahren
im Durchschnitt immer um zehn
Prozent gewachsen. Im Vorjahr
erzielten wir einen Umsatz von
sechs Millionen . Die VeganbeSie haben sich vom Biobauern zum Sie beschäftigensich seit den 80er- wegung spielt die letzten fünf JahBio-Unternehmer gewandelt kein Jahren mit dem Biolandbau. Sind re insgesamt eine große Rolle im
Widerspruchzur eigentlichenBio- Sie quasi der Werner Lampert aus Wachstum des Gemüsemarktes.
philosophie, die auf Regionalität Oberösterreich"?
und kleine Strukturen setzt?
Werner Lampert und mich ver- Trotzdem stagniert die Zahl der
Überhaupt nicht. Wir sind als bindet eine spezielle Geschichte. Biobauern. Liegt es am Verdienst?
Organisation gewachsen und pro- Ich habe große Achtung vor seiDie Biobauern in der Getreide-,
fessioneller geworden. Heute ha- ner Leistung. Wir sind beide bio- Gemüse- und Fleischbranche dürben wir eine Größe, die in keinem logische Urgesteine, haben aber fen nicht jammern, jene in der
Widerspruch zum Gesamtbio- immer in zwei verschiedenen Biomilchwirtschaft schon. Milchmarkt und der Idee steht. Wir sind Welten gelebt. 1993/94 stellte bauern tun sich schwer, gerechte
den Anforderungen des Handels Morgentau das erste Biogemüse Preise am Markt zu erhalten. Die
gewachsen. Dass die Biobranche in die Regale von Merkur und Fa- Gruppe, die in der Biosache mit
an sich klein, fein und regional ist, milia. Merkur lief sehr gut, was zu Idealismus und Überzeugung
stimmt. Und das ist gut so. Denn Billa-Chef Karl Wlaschek drang, dabei ist, ist bereits Biobauer. Ich
es gibt nicht nur Handelsketten.
der das ausbauen wollte. 1994 sehe die derzeitige Stagnation
wurde mit Lampert die Bio-Marke nicht schlimm. Wir wissen heute
Würden Sie auch gerne Diskonter "Ja! Natürlich" aus der Taufe ge- noch nicht, welches negative Erbeliefern?
hoben, und damit endete unsere eignis wie damals etwa RinderWir klammern niemanden aus. Zusammenarbeit mit dem Billa- wahn einen nächsten großen
Wir müssen uns anstrengen, die Konzern. Ich wollte weiter unsere Wachstumsschub verursachen
Anforderungenunserer derzeiti- Marke Morgentau forcieren, also wird. Der Trend zu Bio und mehr
gen Kunden Spar, M-Preis, Uni- bin ich schon in gewisser Weise Nachfrage wird bei den Bauern
markt, Edeka und C+C Pfeiffer zu das Pendant von Lampert in Ober- landen. Es wird weitergehen.
erfüllen. Mit wiederentdeckten, österreich.
traditionellen Gemüsesorten
Gibt es Preisdruck auf Biogemüse?
schaffen wir auch Nachfrage.
Wir spüren es, wenn wir in SaiWenn wir Pastinaken, Chioggiasonen witterungsbedingt besonRüben und Herbstrüben anbieten,
ders gute Ernteerträge haben, so
im nächsten Jahr kommt die Biowie im Vorjahr. Da setzen wir auch
süßkartoffel hinzu, dann generiedas Kilo Biokartoffeln um 30 Proren wir damit in diesen Bereichen
zent billiger ab, bei Gemüse sind
Umsatzzuwächse von bis zu 50
es um 20 Prozent weniger. Wir
Prozent. Wenn wir diesen Weg
leben in einer Branche, in der wir
weitergehen wollen, kann ich das
nur einmal pro Jahr ernten und ein
nicht für alle machen. So gesehen
Saisonpreisgefüge haben. Über
fühlen wir uns sehr wohl bei unseeinen Zeitraum von fünf Jahren
rer derzeitigen Kundschaft.
muss dieses Gefüge passen.
-
warum er als Anhänger der Grünbewegung trotzdem Autos mit viel Hubraum fuhr.
VON SUSANNA SAILER
-
"
Niederösterreich, die uns
Wurzelgemüsebeliefern.
Sind Sie damit der größte Biogemüselieferant in Oberösterreich?
Auf jeden Fall. Auch in Österreich gibt es keinen Biobetrieb,
der in dieser Größenordnung produziert, einlagert,wäscht und verpackt. Wir vertreiben im Jahr
4000 Tonnen Gemüse.
Wieso haben Sie sich auf Wurzel-
gemüse spezialisiert?
Das passt vom Boden her gut
zu unserem Standort. Wir hätten
es uns nicht zugetraut, bei dem
dynamischen Wachstum, das der
Biomarkt hinter sich hat, auch
noch Hoch- und Feingemüse anzubieten. Für die nächsten Jahre
sehe ich das anders. Es ist einiges
gedanklich in Vorbereitung, aber
mit regionalem Schwerpunkt.
-
-
WirtschaftsBlatt-Oberösterreich-Korrespondentin SusannaSailer im Gespräch mit Morgentau-Chef Christian Stadler.
Sind Sie wie Lampert der An- dem wir Umsatz verloren haben. haben hier einige Kulturen, bei Wird der Handel das zulassen?
sicht, dass Bio weltweitdie Ernäh- Die Sanktionen haben viel im Be- denen wir in der Versuchsphase Ich glaube nicht, dass der Konrung der Zukunft sein kann, oder reich Obst ausgelöst und so wur- sind. Die Verwendung in der Kü- sument in zehn Jahren ein doppelt
bleibt es weiterhineine Option für den Regalplätze im Handel anders che können wir bei Herbstrüben so großes Biogemüsesortiment im
jene, die es sich leisten können?
Es ist die Zukunftfür hoch entwickelteStaaten. Wir entscheiden
nicht nur, ob wir zu Biologischem
oder Konventionellemgreifen,
sondern auch, wie hoch verarbeitet oder fertig das Produktist, das
wir kaufen. Bei Gemüse stimmt es
nicht, dass Bio teuer ist. Um drei
kann man eine Mahlzeit für
zwei Leute kochen. Die meisten
Biokonsumenten findet man übrigens unter Studenten. Die verfügen auch seltenüber viel Budget.
Derzeit laufen die Verhandlungen
der EU mit den USA über das FreihandelsabkommenTTIP. Wie bewerten Sie das als Biolandwirt?
Ich sehe darin eine Gefahr für
den zu Recht vertrauensseligen
Konsumenten, der sich auf Herkunft und Qualität verlassenwill,
ohne besondere Recherchen anzustellen. Und ich sehe die großen
Vorteile für die große Industrie.
Zu der zähle ich unseren Betrieb
nicht. IndustrielleLandwirtschaft
werdenwir nie sein, die hat keine
Zukunft. Ich brauche TTIP nicht.
Sind die Russland-Sanktionendirekt oder indirekt Thema?
Indirekt waren wir davonbetroffen, wenn auch nicht messbar, in-
vergeben. Auch wir haben einen
Exportanteil von 15 bis 20 Prozent,
doch unser Abnehmerist hauptsächlich Edeka in Deutschland.
mit beigepackten Rezepten noch
ordentlich anschieben. Wir streben hier ein 50-prozentiges Um-
Supermarkt sehen will und überall steht die Biomarke des Handels drauf. Mit Morgentau wollen
satzwachstum an. Heuer haben wir ein Zusatzprofil geben. Ziel
wir erstmals die Süßkartoffel im ist, Neuheiten und Spezialitäten,
Die EU-Kommission hat die ge- großen Stil angebaut. Wir planen, die es von uns weiter geben wird,
plante Saatgutverordnung ge- an die 30 Tonnen davon zu ernten. unter Morgentau zu positioniestoppt. Froh darüber?
Bei den Pastinaken liefern wir ren. Ich halte es nicht für ausgeJa. Ich wünsche mir eine Welt, bereits 200 Tonnen im Jahr. Die schlossen, dass auch eine Herstelin der Saatgut allgemeines gesell- Umsätze mit Pastinakenstiegen lermarke hinzugenommen wird.
schaftlichesEigentum ist und vie- binnen drei Jahren um 50 Prozent
le talentierte Züchter schmack- im ersten, um 30 Prozent im zwei- Sind Sie Vegetarier?
hafte und gute Pflanzen weiter- ten und im Vorjahr um 15 Prozent.
Nein, das bin ich nicht.
entwickeln. Jedes rechtliche Die Liebhaber sind also gefunden.
"Die Autorin des Artikels erreichen Sie
Konstrukt, um das zu ermöglichen, ist begrüßenswert. Diese Sie planen in Linz ein Urban-Far- unter susanna.sailertgwirtschaftsblatt.at
Verordnung war es nicht. Wir ming-Projekt mit 500 Parzellen
pflegen eine lose Kooperation mit was erwarten Sie sich davon?
dem Verein Arche Noah für KulWir werden heuer Morgentau- ZUR PERSON
turpflanzenvielfalt.Dieser Grup- Gärten in fünf StadtteilenrealisieChristian Stadler Geschäftsfühpe von ambitioniertenMenschen ren, indem wir Grund pachten.
gelingen Züchtungen, denen man Dort können Mieter auf Parzellen render Gesellschafter der MorgenRespekt zollen muss. Es braucht ihr eigenes Biogemüse ernten. tau Biogemüse GmbH, Hofkirchen.
nicht für jede Züchtung viele Mit- Wir nehmen ihnen viel ab und gearbeiter samt Labor mit Gen- ben ihnen eine 60- bis 70-prozen- Der 47-jährige Biolandwirt und
Schere, einem Verfahren, das in tige Wahrscheinlichkeit eines Unternehmerhat sich auf Biowurdie Erbsubstanz eingreift. Hätte schönen Ernteertrages. 500 Par- zelgemüse spezialisiert, 4000 Tonder Schöpfer das gewollt, hätte er zellen wollen wir in drei Jahren nen produziert er davon jährlich.
uns von Beginn die Gen-Scherein schaffen. 110 Mieter haben wir Hauptabnehmer sind die Handelsdie Hand gegeben.
schon. Wir wollen das Gärtnern ketten Spar, M-Preis, Unimarkt,
wieder in die Stadt bringen und C+C Pfeiffer und Edeka, für die er
Welche Ideen haben Sie, um am unserem Namen Morgentau zu- Gemüse einlagert, wäscht, sortiert
Biomarkt Nischen zu besetzen?
sätzliche Kompetenz geben. Da- und verpackt. Im Vorjahr setzten
Das Wachküssenvon Artenrari- mit soll die Marke Morgentau in 60 Mitarbeiter rund sechs Millionen um.
täten hat noch viel Potenzial.Wir den Vordergrund rücken.
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