4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert Daniel Weber Münsingen hat sich seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nicht nur gesellschaftlich und baulich verändert, sondern auch politisch und institutionell weiterentwickelt. Aus einer schwach organisierten Dorfgemeinde, deren Politik weitgehend durch die dörfliche Oberschicht bestimmt wurde, ist ein Gemeinwesen mit Parlament und einem zentralen Verwaltungsapparat entstanden, das bestrebt ist, seine Aufgaben wirtschaftlich zu erfüllen. Die Entstehung der Einwohnergemeinde Münsin- nur noch neun statt 13 Mitglieder an, ausserdem gen in ihrer heutigen Form geht zurück auf die wurden das Kommissionswesen ausgebaut und Neuorganisation des bernischen Gemeindewe- die Anzahl der Gemeindebeamten und -ange- sens von 1833. Damals legte der Grosse Rat mit ei- stellten deutlich erhöht. Im Dienst der Gemein- nem neuen Gemeindegesetz die politisch-admi- de standen nun neben den Behördenmitgliedern nistrative Organisation von Stadt und Landschaft der Gemeindeschreiber, ein Armenkassier, ein in ihren Grundzügen fest.1 Bis Ende des 19. Jahr- Verwalter des Armenguts und des Schulguts, ein hunderts blieb die Struktur der Einwohnerge- Gemeindekassier und Kassiere für die Wasserver- meinde weitgehend unverändert, erst kurz nach sorgung und das Elektrizitätswesen, ein Wohn- der Jahrhundertwende war die Zeit reif für eine sitzregisterführer, ein Gemeindeweibel sowie Reform: Im März 1901 setzte die Gemeindever- Inspektoren für Vieh, Fleischschau und Feuer- sammlung auf Antrag des Gemeinderats eine Re- stätten. Hinzu kamen ein Schulhausabwart, ein visionskommission ein, der Gemeindepräsident Leichenfuhrhalter, ein Weg- und ein Brunnen- Bendicht Schüpbach, die Gemeinderäte Johann meister sowie «der Lampenanzünder».3 Die wich- Dubach und Friedrich Strahm sowie Buchdrucker tigsten Gemeindebeamten wurden für zwei Jahre Burkhard Fischer angehörten, und beauftragte direkt von der Gemeindeversammlung gewählt. sie mit der Ausarbeitung eines neuen Gemeinde- Sie waren verpflichtet, ihre Wahl anzunehmen reglements. Der Gemeinderat begründete seinen und die entsprechende Funktion während min- Antrag «durch die eingetretenen veränderten Be- destens einer Amtsdauer auszuüben. völkerungs- und Verkehrsverhältnisse» und «die dadurch nothwendig gewordene Schaffung neuer Verwaltungskreise».2 Die Gemeindeversammlung folgte diesen Argumenten und beschloss am 14. August 1901 einstimmig ein neues «Organisations- und Verwaltungsreglement für die Einwohnergemeinde Münsingen». Politik und Gemeindeorganisation nach 1900 Dass das Gemeindereglement von 1901 offensichtlich nicht umstritten war, erstaunt angesichts der Tatsache, dass es einige wesentliche Neuerungen brachte: Neu gehörten dem Gemeinderat 325 Abb. 1 Gemeindeschreiberei an der Bahnhofstrasse um 1920 (links): Der Gemeindeschreiber gehörte im frühen 20. Jahrhundert zu den wichtigsten Amtsträgern in der Gemeinde. 4 Herrschaft und Gemeinde Abb. 2 Johann Dubach mit Familie vor seiner Tuchhandlung an der Bernstrasse um 1910. Dubach kam 1894 nach Münsingen und gehörte ab 1902 dem Gemeinderat an. Später vertrat er die Bauern- und Bürgerpartei im Grossrat und amtierte 1921–1926 als Gemeindepräsident. Auch sein ältester Sohn Alfred (ganz rechts) war 1927–1933 Gemeinderat. Die Gemeindeversammlung kam Abb. 3 Baumeister Johann Thomi (vorne in der Mitte) in einer Gruppe von jungen Männern, vermutlich um 1910. or- Vorsitzender des Gemeinderats und führte die dentlicherweise im Januar und im März zur Be- Aufsicht über die gesamte Verwaltung. Aufgabe ratung des Budgets und der Gemeinderechnun- der Gemeinderatsmitglieder war es, «die Vertre- gen und im Dezember zur Vornahme der Wahlen tungen in den Kommissionen zu vollziehen (…) zusammen. Als oberste Instanz der dörflichen sowie bei Aufnahme vormundschaftlicher In- Politik hatte sie auch über die Festsetzung der ventare als Vertreter der Behörde wie als Schätzer Steuern, die «Stiftung von Armen-, Kranken- zu funktionieren». Weiter war der Gemeinderat und Schulanstalten» und die Errichtung von zuständig für die Ortspolizei, das Bau- und Stras- besoldeten Stellen zu befinden, wobei sie auch senwesen, die Schulen und die Armenfürsorge. die Höhe der entsprechenden Löhne festsetz- Er vertrat die Gemeinde gegen aussen und stand te.4 Aus dem Besoldungsregulativ von 1921 geht in regem Kontakt mit dem Regierungsstatthalter hervor, dass der Gemeindeschreiber mit einem und den kantonalen Stellen.7 jährlichen Einkommen von 7’000 Franken den Auch nach der Jahrhundertwende wa- höchsten Lohn bezog. Ein Sekundarlehrer erhielt ren es vorwiegend Vertreter der dörflichen Ober- zwischen 5’500 und 7’000 Franken, der Gemein- schicht, die die wichtigsten Gemeindeämter be- dewegmeister 2’500 Franken. Dem (nebenamtli- setzten und den politischen Alltag in Münsingen chen) Gemeindepräsidenten stand eine jährliche prägten. Ein Blick auf die Wahlergebnisse zeigt, Entschädigung von 200 Franken zu, die Mitglie- dass Notare sowie Beamte, Landwirte und Ver- der des Gemeinderats erhielten je 100 Franken.5 treter des dörflichen Gewerbes am häufigsten Der Gemeindepräsident war von der Ge- dem Gemeinderat angehörten. Baumeister Jo- meindeversammlung jeweils für zwei Jahre, die hann Thomi, der 1902 ein Baugeschäft an der Sä- übrigen acht Mitglieder des Gemeinderats waren gegasse eröffnet hatte und später eine Reihe von für vier Jahre zu wählen. Der seit 1895 amtie- Wohn- und Gewerbehäusern im Dorf errichtete,8 rende Gemeindepräsident Bendicht Schüpbach, sass ebenso im Gemeinderat wie Holzbodenfabri- Textilfabrikant und Gutsbesitzer, wurde im De- kant Christian Batt oder Direktor Ulrich Brauchli zember 1901 von der Gemeindeversammlung mit von der kantonalen Irrenanstalt. Viele der poli- grossem Mehr für eine weitere Amtsperiode be- tischen Amtsträger waren gleichzeitig beteiligt stätigt. Weiter wurden Notar und Grossrat Emil am Aufschwung von Gewerbe und Industrie und Haldimann, Arnold Grossglauser und der späte- am Ausbau der Infrastrukturen, der die Gemein- re Grossrat Johann Dubach in den Gemeinderat de zwischen 1890 und 1920 prägte (→ Kap. 5.2, 5.4). gewählt.6 Der Gemeindepräsident war zugleich 326 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert meinde unterstützt wurden oder keine Steuern zu entrichten hatten. Nur wer «handlungs- und ehrenfähig» war und sich finanziell an den Verwaltungskosten der Gemeinde beteiligte, war an der Gemeindeversammlung stimmberechtigt und konnte in eine Behörde oder ein Gemeindeamt gewählt werden. Personen, «welchen der Besuch der Wirtschaften verboten» war oder die Steuerschulden hatten, erfüllten diese Kriterien nicht und wurden explizit vom Stimmrecht ausgeschlossen. Letztlich sollten nur diejenigen Männer die politischen Geschicke des Dorfes und Abb. 4 Hotel «Löwen» in Münsingen um 1900: Wirtshäuser hatten im frühen 20. Jahrhundert eine wichtige Bedeutung im politischen Alltag der Gemeinde. Sie waren Tagungsort der Gemeindeversammlungen und wer das Wirtshaus nicht besuchen durfte, war auch an der Gemeindeversammlung nicht stimmberechtigt. Oft waren Wirte auch in der lokalen Politik aktiv, so amtierte «Löwen»-Wirt Adolf Haldimann 1904–1911 als Gemeindepräsident. der Gemeinde bestimmen, die in sozialer und moralischer Hinsicht den Normen der bürgerlichen Ehrenfähigkeit entsprachen.11 Die auf kantonalem Gesetz beruhende Einschränkung des Gemeindestimmrechts auf steuerpflichtige Personen musste jedoch vom Regierungsrat 1915 aufgehoben werden, da die Bestimmung «mit dem in Art. 4 der Bundesverfassung ausgesprochenen Grundsatz der Im Dezember 1903 wurde «Löwen»-Wirt Rechtsgleichheit im Widerspruch» stehe.12 Die Adolf Haldimann als Nachfolger von Bendicht Gemeinden wurden angewiesen, ihre Stimm- Schüpbach zum Gemeindepräsidenten gewählt. register entsprechend anzupassen. In Münsin- Auf ihn folgte Druckereibesitzer Burkhard Fi- gen blieben die Auswirkungen der Gesetzesän- scher, der im Dezember 1911 in einer Kampfwahl derung vergleichsweise gering: Die Anzahl der gegen Arnold Grossglauser siegte und das Amt bis Stimmberechtigten stieg zwar um 11.6 Prozent 1920 innehatte.9 Fischer hatte zuvor bereits wäh- an, doch ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung rend sechs Jahren dem Gemeinderat angehört blieb weiterhin deutlich geringer als 20 Prozent. und war insgesamt fast zwei Jahrzehnte in der 1920 wurden das Gemeindereglement revidiert Gemeindepolitik aktiv. Allgemein ist eine hohe und der Steuerzensus in Münsingen abgeschafft. Kontinuität bei der Ausübung von politischen Die relativ hohe Zunahme von rund 200 Stimm- Ämtern festzustellen: Die überwiegende Zahl berechtigten seit 1916 könnte ein Hinweis darauf der Gemeinderatsmitglieder blieb während acht sein, dass die Anpassung des Münsinger Stimm- oder mehr Jahren im Amt. Nicht selten kam es registers erst mit der Reglementsänderung von auch vor, dass sie nach ihrem Rücktritt ein neues 1920 abgeschlossen wurde. Nach wie vor war aber Amt übernahmen. 1911 beispielsweise wählte die nur rund jeder fünfte Einwohner der Gemeinde Gemeindeversammlung mit Adolf Haldimann, im Besitz der vollen politischen Rechte (→ Abb. 5).13 Johann Dubach und Hans Lehmann gleich drei abtretende Gemeinderäte als neue Mitglieder 25 der dreiköpfigen Geschäftsprüfungskommission (GPK), die für die Prüfung des jährlichen Budgets 20 und sämtlicher Gemeinde- und Vormundschaftsrechnungen zuständig war.10 15 Dass die lokale Politik in Münsingen auch im frühen 20. Jahrhundert von den besit- 10 zenden Familien bestimmt wurde, liegt in erster 5 Linie daran, dass die Möglichkeit zur politischen Mitbestimmung an der Gemeindeversammlung 0 nach wie vor stark eingeschränkt war: Neben 1900 Frauen und Minderjährigen waren auch all jene vom Stimmrecht ausgeschlossen, die von der Ge- 327 1920 1930 1941 1950 Abb. 5 Stimmberechtigung in Münsingen 1900–1950. Der Anteil der Stimmberechtigten an der Gesamtbevölkerung war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gering und überstieg erst 1941 die Marke von 20 Prozent. 4 Herrschaft und Gemeinde sicht» genommen werden.17 Wie diese Vorschrift Die Einbindung von politischen Minderheiten konkret in die Praxis umzusetzen war, bestimmte das Wahlregulativ der Gemeinde von 1925. Es Die Revision des Organisationsreglements von sah vor, dass jeweils kurz vor den Urnenwahlen 1920 war eine Folge des neuen kantonalen Ge- eine Gemeindeversammlung einzuberufen war, meindegesetzes, das 1918 in Kraft getreten war.14 die für «die Zuteilung der Mandate an die poli- Die Gemeindeversammlung genehmigte das Re- tischen Parteien (…) und die Aufstellung eines glement am 10. Mai 1920 ohne Gegenstimmen. Wahlvorschlages für die Urnenwahl» zuständig Damit gehörte Münsingen zu den weniger als war. Die Mandatsverteilung an der Wahlver- 20 Prozent der Gemeinden, die ihre Vorschriften sammlung erfolgte dabei «so weit möglich nach innerhalb der vorgeschriebenen Frist von drei vorausgegangener Verständigung und entspre- Jahren anpassten.15 Neben der Ausdehnung des chendem Vorschlag der Parteien», wobei die Stimmrechts brachte das Reglement zwei wei- Parteien für jedes ihrer Mandate im Gemeinde- tere wichtige Änderungen: Einerseits wurde das rat und in den Kommissionen einen Zweiervor- Initiativrecht auf lokaler Ebene eingeführt. Neu schlag präsentieren mussten.18 konnte ein Zehntel der stimmberechtigten Be- Als diese Regelung 1926 erstmals zur völkerung den Behörden mit einer Initiative ein Anwendung kam, sorgte sie gleich für reichlich Geschäft unterbreiten. Bereits im Oktober 1920 Gesprächsstoff, denn für die Wahlversammlung wurde die erste Initiative eingereicht, die von Ge- stellten nicht nur die Bauern- und Bürgerpar- meindepräsident Burkhard Fischer und 89 weite- tei (BBP) 19, die Freisinnig-Demokratische Partei ren Stimmberechtigten unterzeichnet war. Sie (FDP) und die Sozialdemokratische Partei (SP) verlangte, auf die geplante Erstellung eines Ge- ihre Kandidaten auf. Zusätzlich beanspruchte meindewohnhauses mit vier Wohnungen zu ver- eine «Wählergruppe politisch unabhängiger Ge- zichten und stattdessen eines mit nur zwei Woh- meindebürger» in einer Eingabe zwei Sitze in nungen zu errichten. Die Gemeindeversammlung der fünfköpfigen GPK. «Wenn wir in Betracht allerdings beschloss am 18. Dezember 1920, nicht ziehen, dass wohl an die 50 Prozent der stimm- darauf einzutreten.16 berechtigten Gemeindebürger keiner politischen Andererseits sah das Reglement vor, Partei angehören, so halten wir es für unser dass die wichtigsten Gemeindebehörden und Recht und unsere Pflicht, (…) zu den Wahlen Beamten künftig an der Urne zu wählen waren. Stellung zu nehmen», schrieben die Unabhängi- Dies betraf den Gemeindepräsidenten und die gen. Zur Gruppe der 24 Bürger, die die Eingabe Gemeinderäte, daneben auch Gemeindeschrei- unterzeichnet hatten, gehörte auch der damali- ber, Gemeindekassier sowie die Mitglieder der ge Gemeinderat Rudolf Reinhard. Die «politisch Geschäftsprüfungs- und der Armenkommission. Neutralen von Münsingen» vertraten einen ge- Bei der Besetzung der Behörden musste «auf die mässigten Kurs und stellten die etablierte Politik Vertretung der Minderheiten angemessene Rück- nicht grundsätzlich in Frage: «Wir haben uns bei unseren Ansprüchen grösster Bescheidenheit beflissen in der Absicht, nicht als Kampftruppe aufzutreten, (…) wir wollen lediglich das Recht einer grossen Zahl von Gemeindebürgern wahren.» 20 Die kantonale Gemeindedirektion erklärte auf Anfrage von Münsingen, dass der Anspruch der Unabhängigen nur dann legitim sei, wenn er sich auf eine «grosse Anzahl Bürger» stützen könne. Die Wählergruppe reichte daraufhin eine notariell beglaubigte Erklärung ein, in der 280 Gemeindebürger mit ihrer Unterschrift Abb. 6 Gemeindebürger bei der Urnenwahl. Ab 1920 wurden die wichtigsten lokalen Amtsträger und auch die Lehrerinnen und Lehrer an der Urne gewählt. bezeugten, dass sie «mit dem Vorgehen der unabhängigen Gruppe einig gehen».21 Der Gemeinderat wollte den Stimmberechtigten für die beiden umstrittenen Mandate in der GPK einen Dreiervorschlag mit je einem unabhängigen Kandida- 328 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert Abb. 7 Reise des Gemeinderats nach Faulensee, vermutlich 1929. In der Mitte mit Netz Gemeindepräsident Ernst Fischer, ganz rechts sein Nachfolger Rudolf Zurflüh. Links neben Zurflüh steht Emil Blatt, der die Unabhängigen im Gemeinderat vertrat. ten unterbreiten. Die Wahlversammlung vom schaffte der von der SP vorgeschlagene Schreiner 29. November 1926 aber entschied anders: Mit Fritz Friedli zwar die Nomination, unterlag aber 204 Stimmen (von 257 anwesenden Stimmbe- dem unabhängigen Hermann Stucki deutlich. rechtigten) folgte sie dem Antrag, den politisch Immerhin wurde der amtierende SP-Gemeinde- Unabhängigen bei «der Mandatsverteilung die rat Albert Fischer problemlos wiedergewählt.25 gleichen politischen Rechte einzuräumen wie Die Unabhängigen beklagten sich an der Wahl- den politischen Parteien» und beschloss, zwei versammlung über die «unerfreulichen Wahl- Kandidaten der unabhängigen Wählergruppe für kämpfe» und forderten: «Es wäre im Interesse der die bevorstehende Urnenwahl der GPK zu nomi- Gemeinde besser, wenn in Zukunft endlich die nieren.22 Dass dies dem Willen der Bevölkerung Parteiinteressen und die Sitzansprüche bei Ge- entsprach, zeigt das Wahlergebnis: Die beiden meindewahlen ausgeschaltet würden.»26 Vertreter der Unabhängigen, der Fabrikant Ernst Vorerst allerdings verschärften sich die Batt und der Postangestellte Emil Blatt, wurden politischen Gegensätze und erreichten in den im ersten Wahlgang gewählt, letzterer gar mit Kriegsjahren mit dem Auftreten der Jungbau- dem besten Ergebnis aller Kandidaten.23 ernpartei einen Höhepunkt. Bei der Ersatzwahl Auch die Vorschriften der Gemeinde wur- für Gemeinderat Stucki im Dezember 1941 bean- den entsprechend angepasst: Am 26. Oktober 1927 spruchte neben den Freisinnigen und den Sozial- verabschiedete man ein revidiertes Gemeindere- demokraten auch die «politische Arbeitsgemein- glement, das dem Gemeinderat vorschrieb, die schaft der Jungbauern» den frei werdenden Sitz. Wahlnominationen jeweils «mit den in Betracht Keiner der drei Kandidaten erreichte im ersten fallenden Parteien oder Gruppen» abzusprechen. Wahlgang das absolute Mehr und Fritz Solter- Gleichzeitig wurde eine einheitliche Amtsdauer mann von den Jungbauern schied mit den we- von vier Jahren für alle Behörden eingeführt.24 nigsten Stimmen aus. Dagegen reichte die Jung- Trotz der Neuregelung blieb der so genannte bauernpartei Beschwerde ein. Aus ihrer Sicht «Minderheitenschutz» umstritten: Insbesondere rechtfertigte die Stimmenzahl von Soltermann die Sozialdemokraten waren mit ihrer Einerver- eine Vertretung im Gemeinderat, zumal ihr tretung im Gemeinderat unzufrieden und for- diese bereits zwei Jahre zuvor verwehrt worden derten in den Wahlversammlungen mehrmals war. Auch der Regierungsrat pflichtete dieser ein zweites Mandat. Bei den Urnenwahlen 1933 Argumentation bei und hielt fest, dass «die 129 329 4 Herrschaft und Gemeinde auf den Minderheitskandidaten gefallenen Stim- Die Jungbauern sahen im Vorgehen der men eine Verhältniszahl ergeben, die wesent- SP bei den Wahlen auch den Versuch, der Initi- lich höher liegt, als es (…) für die Zuerkennung ative für die Proporzwahlen neuen Auftrieb zu einer Vertretung nötig wäre».27 Der Wahlerfolg geben. 1942 hatte eine Gruppe von 149 Stimmbe- an der Urne blieb Beschwerdeführer und Partei- rechtigten unter Führung der Sozialdemokrati- präsident Daniel Schranz aber verwehrt: Bei der schen Partei eine Initiative eingereicht, welche Wiederholung der Wahl im Dezember 1942 trat er die Einführung des Proporzwahlrechts für die als Kandidat für den Gemeinderatssitz an, ver- Gemeindebehörden forderte. Bereits 1920 war die lor aber deutlich gegen Parteikollege Hermann Möglichkeit geschaffen worden, die Verhältnis- Sterchi.28 wahl für den Gemeinderat einzuführen. Aber als Den heftigsten Wahlkampf trugen bäu- der Arbeiterverein damals gefordert hatte, die erliche Vertreter und die Arbeiterschaft bei den «Vorschrift der proporzionalen Wahl der Gemein- Wahlen 1945 aus, als neben Präsidium und Vize- debehörden ins neue Gemeindereglement auf- präsidium gleich drei weitere Gemeinderatssitze zunehmen», hatte die Gemeindeversammlung neu zu besetzen waren. Fritz Soltermann trat für abgelehnt. Das knappe Resultat (137 gegen 108 die Jungbauern an, die Sozialdemokraten nomi- Stimmen) zeigt allerdings, dass die Bevölkerung nierten Fritz Roth und unterstützten zusätzlich dem Anliegen schon damals Sympathie entge- den Gewerkschaftsvertreter Paul Kobel, der gegen genbrachte.31 Soltermann antrat. Die Jungbauern verurteilten Dennoch hatte es die Proporzinitiative dieses «Wahlmanöver der Sozialdemokraten. Es schwer: Zunächst wurde das Begehren derart handelt sich ganz offensichtlich um den verkapp- schleppend behandelt, dass die Initianten den ten Versuch, mit dem Deckmantel, es handle sich bürgerlichen Parteien eine planmässige Behin- um die Gewerkschaften, einen dritten Sitz im derung der Arbeiten vorwarfen. Die Freisinnigen Gemeinderat zu erringen». Stattdessen würdig- dagegen hielten fest, dass die «Arbeit seitens ten sie die «senkrechte Gesinnung» ihres Kandi- unserer Partei stets mit regem Interesse verfolgt daten und appellierten an die Gerechtigkeit und worden sei und dass die freisinnigen Delegierten die «demokratische Gesinnung» der Wähler. Die an der Lösung dieser neuen Gemeindeaufgabe Sozialdemokraten ihrerseits begründeten ihren auch weiterhin in aller Sachlichkeit mitwirken» Anspruch mit den grossen Leistungen der Arbei- würden.32 Als die Initiative 1947 endlich der Ge- terschaft in den Kriegsjahren, die massgeblich meindeversammlung unterbreitet wurde, wie- dafür verantwortlich waren, dass «richtig gehol- sen die Stimmbürger die Vorlage vorerst zurück fen wurde, ohne die Leute armengenössig zu ma- und lehnten die Wahlrechtsreform schliesslich chen».29 Schliesslich holte sich die SP den zweiten Sitz im Gemeinderat und auch Soltermann zog für die Jungbauern in die Exekutive ein.30 Abb. 8 In den Kriegs- und Zwischenkriegsjahren wurde heftig um die Gunst der Wähler geworben: Wahlwerbung der Sozialdemokraten und der Jungbauern am Ofenhaus beim Eingang ins Mühletal. 330 Proporzwahlrecht Bei einer Wahl nach Proporzverfahren (Verhältniswahl) wird die Besetzung der Sitze und Ämter verhältnismässig zur Parteienstärke vorgenommen. Die Mandate im Gemeinderat werden entsprechend den Stimmenanteilen auf die kandidierenden Parteien verteilt, während bei der Majorzwahl (Mehrheitswahl) jeder Sitz einzeln vergeben und von demjenigen Kandidaten gewonnen wird, der das absolute Mehr der Stimmen erreicht. Das Proporzwahlrecht gibt den kleineren Gruppen eine bessere Chance auf eine Vertretung. Auf nationaler und kantonaler Ebene war die Einführung des Proporzes heftig umstritten. Erst nach mehreren Anläufen und hitzigen Debatten wurde das Proporzverfahren im Herbst 1918 für die Nationalratswahlen und 1921 auch für die Wahl des Grossen Rats in Bern eingeführt. Auch die Gemeinden waren gemäss Gemeindegesetz zur Einführung des neuen Wahlrechts berechtigt, und so beschloss beispielsweise die Nachbargemeinde Worb bereits 1920, die Gemeinderatswahl im Proporzverfahren durchzuführen.33 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert Lösung und Beibehaltung des Majorzes möglich sein.» 34 Schliesslich einigte man sich darauf, dass den Parteien BBP, FDP und SP und den Unabhängigen künftig je eine Zweiervertretung im Gemeinderat zustehen sollte und verabschiedete am 15. Oktober 1951 ein neues Gemeindereglement, in dem das Mehrheitswahlrecht bestätigt wurde.35 Die Konkordanzdemokratie der Nachkriegszeit Mit ihrer Verständigung auf einen freiwilligen Proporz im Gemeinderat liessen die Parteien die heftigen politischen Auseinandersetzungen hinter sich. Die Konflikte hatten letztlich dazu geführt, dass die wichtigsten politischen Kräfte in die Lokalpolitik integriert worden waren und ihre Interessen angemessen vertreten konnten. Eine Abb. 9 Ein Mann des (bäuerlichen) Volkes. Landwirt Fritz Zaugg vertrat die Bauern- und Bürgerpartei 1946–1952 im Gemeinderat. vergleichbare Entwicklung hatte auf nationaler im April 1948 nach einer lebhaften Diskussion Partei 1935 zur Unterstützung der bewaffneten ab. 177 der insgesamt 274 stimmberechtigten Landesverteidigung bekannt hatte, beruhigten Ebene bereits in der Zwischenkriegszeit stattgefunden: Nachdem sich die Sozialdemokratische Männer sprachen sich für die Beibehaltung des sich die innenpolitischen Konflikte zwischen geltenden Majorzsystems aus und folgten damit Arbeiterschaft und bürgerlichen Parteien. Ein dem Gemeinderat. Dieser lehnte das Proporzver- Ausdruck davon war das so genannte «Friedens- fahren ab, da er eine «Trennung der Bürger» und abkommen» in der Metallindustrie, das 1937 ge- eine Verschärfung der politischen Gegensätze troffen wurde und die Gewerkschaften erstmals befürchtete. Auch bürgerliche Vertreter wie der als gleichberechtigte Verhandlungspartner aner- spätere Gemeinderat Hans Brechbühl warnten kannte. Kulturell bildete das Konzept der «geis- davor, dass der Proporz «sicher zu vermehrtem tigen Landesverteidigung» die Klammer, welche Klassenkampf führen» werde. Dies müsse ver- die unterschiedlichen politischen Kräfte zusam- hindert werden, denn «Demokratie lebt weiter, menhielt und besonders in den Kriegsjahren wenn der Klassenkampf bekämpft und vermie- 1939–1945 die Vorstellung einer «nationalen Volks- den wird». gemeinschaft» prägte, die sich gegen die feindli- Dem widersprachen die Vertreter der SP. chen Mächte zu behaupten wusste.36 Sie waren der Ansicht, dass der Proporz für po- Dieses schweizerische Selbstverständnis litische Gleichberechtigung sorge. «Gemeinden war auch die Grundlage, auf der sich in den Nach- in der Grösse der unsrigen besitzen schon lange kriegsjahren die so genannte Konkordanzdemo- den Proporz. Der Proporz bedeutet Verhältnis- kratie parallel zum wirtschaftlichen Wachstum wahl. Jede Partei erhält das, was ihr zusteht.» und zum zunehmenden Wohlstand breiter Bevöl- Auch andere Redner stimmten zu, dass hin- kerungsschichten entwickelte. Ihren Höhepunkt sichtlich des Minderheitenschutzes «gesündigt» fand die politische Konkordanz in der «Zauber- und «namentlich die Sozialdemokratische Partei formel» von 1959, die den drei stärksten Parteien zurückgebunden worden» sei. Die Lösung des CVP (Christlichdemokratische Volkspartei), FDP Problems liege aber nicht in der Einführung des und SP je zwei Vertreter und der BGB einen Sitz Proporzes, sondern in einer festen Zuteilung der im Bundesrat garantierte.37 Auch in Münsin- Sitze: «Minimum 2 Vertreter sollten jeder Partei gen entwickelte sich in der Nachkriegszeit eine zugesichert werden. (…) Mit der Garantierung einvernehmliche der Vertretung im Gemeinderat sollte eine gute über Parteigrenzen hinweg und entsprechend 331 politische Zusammenarbeit 4 Herrschaft und Gemeinde unspektakulär verliefen die Gemeinderatswah- sein öffentliches Amt nicht mehr ausüben.38 Der len in den Jahrzehnten der Hochkonjunktur. prominenteste Vertreter der SP war Walkermeis- Nachdem die Sozialdemokraten 1946 ein zweites ter Fritz Roth, der 1946 den zweiten Gemeinde- Mandat im Gemeinderat hatten erringen kön- ratssitz holte und während insgesamt 16 Jahren nen, besetzten sie wie die Unabhängigen, die (1946–1953, 1958–1965) im Gemeinderat sass.39 BBP (später unter der Bezeichnung BGB) und die Zusätzlich vertrat er die SP im Grossen Rat. FDP zwei Sitze im Gemeinderat. Diese parteipo- Auffallend ist, dass in den Reihen der So- litische Zusammensetzung blieb bis 1968 unver- zialdemokraten der Berufsstand der Pfleger weit überdurchschnittlich vertreten war. Die lang- ändert. In der Regel wurden die Mitglieder des jährigen Gemeinderatsmitglieder Walter Gerber Gemeinderats bei den Urnenwahlen im Amt (1948–1951), Ernst Steffen (1952–1961) und Her- bestätigt, und die Mehrzahl vollendete zwei mann Bürki (1962–1967) sowie eine Vielzahl wei- vierjährige Amtsperioden. Von den Unabhän- terer Amtsträger waren als Pfleger in der Psychi- gigen sassen Metzgermeister Fritz Feldmann atrischen Klinik tätig. Hinzu kamen vorwiegend (1952–1959) und Lehrer Hansrudolf Lüthi (1960– Fabrikarbeiter und Handwerker.40 Die politische 1967) je acht Jahre im Gemeinderat, der spätere Heimat von Fabrikanten, Gewerbetreibenden Gemeindepräsident Rudolf Maurer gar elf Jahre und Angestellten dagegen lag tendenziell bei der (1955–1965). Maurers Nachfolger Herbert Fischer, FDP, diejenige der Landwirte und bäuerlichen Chefredaktor der «Tages-Nachrichten» und Sohn Vertreter bei der BGB. Für letztere sassen Tier- des früheren Gemeindepräsidenten, war einer arzt Dr. Adolf Leu, Landwirtschaftslehrer Willy der wenigen Gemeinderäte, die vorzeitig zurück- Hess und von 1954–1961 auch der Direktor der traten. Als Begründung führte er die berufliche landwirtschaftlichen Schule Schwand, Georg Belastung an: Da der Wettbewerb im Zeitungs- Glaser, im Gemeinderat. Die beiden bürgerlichen Parteien gaben gewerbe «zu einem erbarmungslosen Existenzkampf» geworden sei, müsse er sich auf seine zwar in den Nachkriegsjahren ihre Mehrheit im berufliche Tätigkeit konzentrieren und könne Rat ab, blieben aber eine bestimmende Kraft in Abb. 10 Gemeinderat Fritz Feldmann um 1950. Abb. 11 Alte Metzgerei Feldmann an der Tägertschistrasse, vermutlich um 1915, als Vater Fritz Feldmann (2. von links) in den Gemeinderat gewählt wurde. Auch Sohn Fritz (im Fenster) sass 1952–1959 im Gemeinderat. 332 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert Abb. 12 Schreinerei Wyttenbach, vermutlich um 1920, dahinter die Bäckerei Zurflüh. Bäckermeister Rudolf Zurflüh politisierte für die FDP und war von 1934 bis 1941 Gemeindepräsident. der Gemeindepolitik und besetzten weiterhin der unabhängigen Wählergruppe, die damit erst- wichtige lokale Ämter. So befand sich das Ge- mals den Gemeindepräsidenten stellen konnte. meindepräsidium in Münsingen traditionell Marti trat allerdings bereits nach drei Jahren aus in bürgerlicher Hand. 1921 wurde der damalige gesundheitlichen Gründen zurück, worauf Paul Grossrat Hans Dubach von der BBP als Gemein- Schärer doch noch zum Zug kam und der Gemein- depräsident gewählt. Anschliessend übernah- de ab 1949 während neun Jahren vorstand. In sei- men die Freisinnigen zunächst mit Buchdrucker nem Dankesschreiben nach der Wahl im Dezember Ernst Fischer (1927–1933) und dann mit Rudolf 1948 stellte er fest: «Die mir namens der künftigen Zurflüh (1934–1941) das höchste Amt. Zurflüh Ratskollegen gemachte Zusicherung (…) einer ge- führte eine Bäckerei im Dorf und hatte bereits deihlichen Zusammenarbeit erfüllt mich mit Ge- als Gemeindekassier dem Gemeinderat angehört. nugtuung. Ich danke dafür und werde zum Wohle Bei den Wahlen 1945 nominierten die Freisinni- der Gemeinde stets mein Bestes geben.»42 gen Kaufmann Paul Schärer für das Gemeinde- Bei den Neuwahlen 1957 machte die Bau- präsidium. Als Inhaber der späteren USM blickte ern- und Bürgerpartei ihren Anspruch auf das Prä- Schärer nicht nur auf eine erfolgreiche Tätigkeit sidium geltend und stellte mit Notar Robert Wyler als Geschäftsmann, sondern auch auf eine lange (1958–1961) und Georg Glaser (1962–1966) die nächs- politische Karriere als Kommissionsmitglied und ten beiden Gemeindepräsidenten.43 Glasers Amts- Gemeinderat zurück. zeit war geprägt vom grossen Siedlungswachstum, In ihrem offiziellen Wahlvorschlag hob das Münsingen damals aufgrund der anhaltenden die FDP die Leistungen ihres Kandidaten für das Hochkonjunktur erlebte: In seine Amtszeit fielen lokale Gewerbe hervor und zeigte sich überzeugt, die Verabschiedung der ersten Orts- und Zonen- dass er das Amt «ohne Rücksicht auf Sonderin- planung 1962 sowie der Überbauungspläne Löwen- teressen und ohne Schonung der Beliebtheit der matte und Sägegasse (→ Kap. 1.4). Der ehemalige Di- eigenen Person zum Wohle der ganzen Gemein- rektor der Landwirtschaftsschule Schwand war bei de verwalten» werde.41 Trotzdem unterlag Schä- der Wahl bereits 65-jährig und trat kurz nach Be- rer bei der Wahl dem Garagisten Ernst Marti von ginn der zweiten Amtsperiode aus Altersgründen 333 4 Herrschaft und Gemeinde zurück. Für die Neuwahl im Dezember 1966 Münsinger Bevölkerung und die politischen Par- nominierten die Parteien gemeinsam Postver- teien waren offenbar zufrieden mit ihrem neuen walter Hans Dürr, der seit 1960 für die FDP im Präsidenten: Bei den Wahlen 1967 wurde Maurer Gemeinderat sass und für das Bildungs- und in stiller Wahl bestätigt; anschliessend stand er Vormundschaftswesen zuständig war. Auch die bis Ende 1977 an der Spitze der Gemeinde und er- Sozialdemokraten machten ihren Anspruch auf hielt nach seinem Rücktritt zusammen mit dem das Präsidium geltend, konnten jedoch keinen langjährigen Gemeindeschreiber Daniel Hügli Kandidaten präsentieren.44 das Ehrenbürgerrecht. Auch nach seinem Rück- Die unabhängige Wählergruppe hatte tritt blieb Maurer politisch aktiv und gehörte von offiziell auf eine eigene Kandidatur verzichtet; 1980 bis 1986 der Fraktion der Schweizerischen dennoch schlug eine Gruppe von sechs Bürgern Volkspartei (vormals BGB) im Grossen Rat an.46 den Gärtnermeister und früheren Gemeinderat Rudolf Maurer zur Wahl vor. Er wurde als einziger Kandidat gegen Hans Dürr nominiert und Neue Parteien und neue Mehrheiten konnte die Wahl schliesslich überraschend deutlich für sich entscheiden. Trotz der besonderen In seinem kleinen «Münsinger Brevier» von 1966 Umstände war die Wahl Maurers den «Tages- stellte Redaktor Ulrich Joss nicht ohne Stolz fest, Nachrichten» nur eine Randnotiz wert.45 Die dass im Gemeinderat «alle Parteien und Gruppen im Verhältnis ihrer Stärke» vertreten seien und «auf Minderheiten angemessen Rücksicht Abb. 13 Familie Glaser kurz (freiwilliger Proporz) genommen wird».47 Mit nach der Jahrhundertwende. Vorne links Georg Glaser sen., der erste Direktor der damaligen Irrenanstalt, neben ihm der jüngste Sohn Georg, langjähriger Direktor der Landwirtschaftsschule Schwand und 1962–1966 Gemeindepräsident. der Wahl von Gemeindepräsident Maurer hatte die langjährige politische Konkordanz jedoch erste Risse bekommen, und schliesslich wurde sie bei den Gemeindewahlen 1967 gesprengt: An der Wahlversammlung beanspruchte die Sozialdemokratische Partei mit dem Sitz des parteilosen Hansrudolf Lüthi ein drittes Mandat im Gemeinderat und begründete dies damit, dass sie noch nie den Gemeindepräsidenten hatte stellen können und ihr als stärkster Partei auch einmal eine Dreiervertretung zustehe. Es gehe «bei der Beanspruchung eines dritten Sitzes nicht gegen die Wahlgruppe der politisch unabhängigen Gemeindebürger, sondern einzig darum, dass diese Wahlgruppe auch den Gemeindepräsidenten stelle».48 Gleichzeitig trat erstmals auch die «Gruppe Junger Münsinger» in Erscheinung und stellte einen eigenen Gemeinderatskandidaten auf. Die Wahlen vom Dezember 1967 brachten der SP eine doppelte Niederlage: Bei der Ersatzwahl für Hermann Bürki unterlag ihr offizieller Kandidat gegen Max Batt vom Jungen Münsingen, und auch die erstmals als Freie Wähler (FW) angetretene unabhängige Wählergruppe konnte ihre beiden Mandate halten. Damit verblieb für die Sozialdemokraten statt der angestrebten drei lediglich ein Sitz im Gemeinderat.49 Bereits vor der Niederlage hatte sich die Partei kritisch ge- Abb. 14 Feuerwehrumzug 1985. Ganz links auf der alten Feuerwehr- spritze sitzend: Rudolf Maurer (Grossrat, früherer Gemeindepräsident). Neben ihm die ehemaligen Gemeinderäte Hans Rudolf Lüthi (1960–1967) und Karl Burkhalter (1950–1955). genüber den neuen politischen Gruppen geäussert: «Mit dem Auftreten des jungen Münsingen haben wir nun 6 Parteien und Wahlgruppen. (…) 334 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert 30 Die Möglichkeit, dass sich noch andere Gruppen von Wählern, z. B. Gewerkschaften, beteiligten 25 könnten, ist absolut offen. Wir stehen also vor 20 einer Zersplitterung der Kräfte, die kaum zum Wohl der Gemeinde anzusehen ist.» 50 15 Als Lösung brachten die Sozialdemo10 kraten die Einführung des Proporzwahlrechts wieder in die politische Diskussion und regten 5 eine entsprechende Revision des Gemeindereglements an. Auch auf bürgerlicher Seite fand 0 JM das Anliegen nun Unterstützung, da man hoffte, damit die Bildung weiterer politischer Gruppen SP Stimmenanteil verhindern zu können.51 Der Gemeinderat nahm BGB FDP FW Mandate GR Abb. 15 Ergebnisse der Gemeinderatswahl vom Dezember 1969. Bei den ersten Proporzwahlen für den Gemeinderat von Münsingen holten sich die vier wählerstärksten Parteien je zwei Mandate. Die Gruppe Junges Münsingen (JM) blieb ohne Sitzgewinn. den Vorschlag umgehend auf und legte die Frage im Mai 1969 den Stimmberechtigten zum Entscheid vor, die sich knapp mit 51.3 Prozent für die Einführung des Proporzwahlverfahrens für den Gemeinderat und die fünfköpfige GPK aussprachen. Nach diesem Grundsatzentscheid ge- sondern auch schmerzliche Entscheide gebracht» nehmigte auch die Gemeindeversammlung das habe. Einige der abgewählten Gemeinderäte sei- revidierte Reglement ohne Diskussion und mit en «unverdienterweise das Opfer unbegreiflicher grossem Mehr.52 Emotionen abrechnungsfreudiger Wähler (und Opfer auch des Proporzes)» geworden.55 Am 7. Dezember 1969 fanden in Münsin- Die zweite Sitzverschiebung betraf die gen die ersten Proporzwahlen statt. Die Freien Wähler konnten mit einem Anteil von 28.8 Pro- SVP, die bei den Wahlen 1985 einen Sitz an die zent deutlich die meisten Stimmen auf sich ver- Freien Wähler verlor. Die Freien Wähler erreich- einigen. Die SP holte sich auf Kosten der Jungen ten 33 Prozent der Stimmen und gewannen da- Münsinger den verlorenen Sitz im Gemeinderat mit ein drittes Mandat im Gemeinderat. Neben zurück, womit die Mandate wieder gleichmässig Hans Walther und Werner Schäfer kam neu Peter auf die vier grössten politischen Kräfte verteilt Mägert hinzu. Die Freien Wähler waren seit 1969 waren.53 die klar stärkste politische Partei in Münsingen Auch nach der Einführung der Proporz- und erzielten insbesondere zwischen 1985 und wahl blieben die Mehrheitsverhältnisse im Ge- 1993 ausgezeichnete Wahlergebnisse. Die Anteile meinderat ausserordentlich stabil. In den acht der übrigen Parteien blieben relativ stabil, einzig Wahlgängen bis zur Organisationsreform von die SVP verlor im Zeitraum von 1969 bis 1997 rund 2001 ergaben sich nur zwei Sitzverschiebun- neun Prozent, während die SP dank der Verei- gen. Die erste erfolgte 1973, als die neu gegrün- nigung mit dem Landesring der Unabhängigen dete Evangelische Volkspartei (EVP) erstmals zu den Gemeindewahlen antrat und mit Reinhard Burkhalter gleich einen Sitz auf Kosten der FDP gewann. Seither hat sich die EVP als fünfte parteipolitische Kraft in der Gemeinde etabliert und ist bis heute mit einem Sitz im Gemeinderat vertreten. Sonst gab es bei den Wahlen 1973 keine weiteren Sitzverschiebungen, aber eine Reihe von neuen Köpfen: Fünf der neun Mitglieder waren neu, zwei weitere erst seit einem Jahr im Amt, darunter mit Alice Joss-Caprez die erste Gemeinderätin von Münsingen.54 Ein neu gewählter SVP-Vertreter kritisierte das Proporzsystem und beklagte, dass die Wahl trotz des «fair geführten Wahlkampfes nicht nur gefreute, 335 Abb. 16 Wahlwerbung der Freien Wähler aus dem Jahr 1981. 4 Herrschaft und Gemeinde Junges Münsingen und Don Quichotte: Herausforderungen der etablierten Politik Daniel Weber Auffallend oft traten in Münsingen im 20. Jahrhundert parteipolitisch unabhängige Gruppen als Akteure der lokalen Politik auf. Bereits 1926 hatte eine unabhängige Wählergruppe das Recht erkämpft, eigene Kandidaten für die Gemeindewahlen zu nominieren, und sich in der Folge als «Freie Wähler Münsingen» zu einer dominierenden Kraft in der politischen Landschaft Münsingens entwickelt.56 Während sich bei den Freien Wählern insbesondere Gewerbetreibende engagierten, setzte sich die in den späten 1960er-Jahren entstandene «Gruppe Junger Münsinger» (GJM) vorwiegend aus jungen Erwachsenen zusammen, die sich aktiv an der Lokalpolitik beteiligen wollten. Die Gruppe nominierte bei den Gemeinderatswahlen 1967 mit dem 28-jährigen Offsetdrucker Max Batt einen eigenen Kandidaten für die Nachfolge des abtretenden SP-Gemeinderats Hermann Bürki und sprengte damit den freiwilligen Proporz der etablierten Parteien. An der Wahlversammlung stellte der Vertreter der GJM fest, dass die Gruppe «von keiner anderen politischen Partei» beeinflusst sei und «konstruktiv mitwirken» wolle. Die Vertreter der etablierten Parteien begrüssten es zwar übereinstimmend, dass die jungen Gemeindebürger aktiv an der Politik teilnehmen wollten. Grossrat Fritz Roth als Vertreter der Sozialdemokraten hielt aber gleichzeitig fest, dass das Vorgehen «wirklich etwas unglücklich» sei, da die jungen Bürger ja auch die Möglichkeit hätten, «in den politischen Parteien und Gruppierungen mitzuarbeiten».57 Doch entsprach eine Vertretung der jungen Generation im Gemeinderat offensichtlich dem Willen der Bevölkerung: Bei der Wahl am 3. Dezember 1967 erreichte Max Batt bereits im ersten Wahlgang das absolute Mehr und zog für die GJM in den Gemeinderat ein.58 Kurz nach dem überraschenden Wahlsieg wandte sich die Gruppe Junges Münsingen mit einer offiziellen Mitteilung an die Öffentlichkeit und die übrigen Parteien, in der sie folgende Zielsetzung bekannt gab: «Den Jungen die Möglichkeit bieten und sie dazu anspornen, sich aktiv am öffentlichen Leben zu beteiligen, ohne sich ideell binden zu müssen.» Gleichzeitig kündigte die Gruppe an, dass sie auch in Zukunft «grundsätzlich bereit und in der Lage» sei, «bei freiwerdenden Kommissionssitzen Kandidaten zu stellen».59 Dazu kam es allerdings nicht mehr: Bei den Wahlen im November 1969 erreichte die GJM zwar einen Stimmenanteil von 8.5 Prozent, was aber nicht ausreichte, um den Sitz im Gemeinderat zu verteidigen, und so war das Gastspiel der jungen Münsinger in der Exekutive bereits nach zwei Jahren beendet. Dem politischen Engagement der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Münsingen tat die Wahlniederlage jedoch auf lange Sicht keinen Abbruch. Im Gegenteil: Zwischen 1974 und 1976 formierten sich mehrere Jugendgruppen, die mit eigenen Publikationen und Aktivitäten an die Öffentlichkeit traten. Ihr Engagement orientierte sich allerdings nicht mehr an der traditionellen lokalen Interessenpolitik, sondern war gesellschaftspolitisch geprägt und auf die konkrete Lebenswelt der Menschen ausgerichtet. Die 1974 gegründete Gruppe «Don Quichotte» griff in ihrer Gesellschaftskritik Postulate der Studentenbewegung von 1968 auf und stellte fest: «Es mag wahr sein: wir sind frei von staatlichem Druck, frei von der Angst willkürlicher Verhaftung. Uns, die wir doch frei sein könnten, zwingt die Angst vor wirtschaftlicher Stagnation oder die Angst, gesellschaftlich zu versagen. Uns zwingt das Tempo, die Hetze und die Uniformität einer hoch zivilisierten Gesellschaft. Kurz: Wohlstand knechtet.» 60 Gleichzeitig kritisierte die Gruppe «Umweltverschmutzung, zunehmende Verarmung der Entwicklungsländer (…) und atomare Aufrüstung» und nahm damit Argumente der neu entstehenden sozialen Bewegungen auf, die sich ab 1975 in grünen und alternativen Parteien zu organisieren 336 begannen und später landesweit in kommunale und kantonale Parlamente einzogen.61 In einer Rückschau mit dem Titel «Begegnung im Gespräch und Handeln» stellte die Gruppe das Gemeinschaftserlebnis von jungen und gleich gesinnten Menschen ins Zentrum, hielt aber auch fest: «Am Anfang unserer Gruppe stand nicht das Ziel, eine Gemeinschaft zu bilden, um eine Gemeinschaft zu sein und zu pflegen; vielmehr fanden sich die ersten Don Quichottes zusammen, um etwas zu tun. Und diese Grundhaltung, dass es darum geht, nicht stumm und willenlos in dieser Welt dazustehen, sondern zusammen zu antworten und zu ringen um die Realisierung unserer Ideale (…), ist uns auch heute noch eine der wichtigsten Antriebsfedern bei allen Aktivitäten.»62 Die gleichen Ziele verfolgte auch der Jugendclub Aynil,63 der im April 1974 gegründet wurde. Zweck des Vereins war es, die Münsinger Jugend zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung zu motivieren. Deshalb organisierte man eine Waldsäuberungsaktion mit Schülern, errichtete einen neuen Waldpfad im Schwandwald und veranstaltete kulturelle Anlässe. Mit der Jungen Kirche Münsingen (ebenfalls 1974 neu gegründet) und dem Xerxes-Club stiessen zwei weitere Jugendgruppen dazu. Im Frühling 1976 verbanden sich die vier Gruppen zum Verein Pro Jugendhaus (VPJ) Münsingen mit dem Ziel, «in Münsingen einen Jugendtreffpunkt zu schaffen und bei dessen Gestaltung aktiv mitzuwirken». Der Verein formulierte in zwölf Punkten seine Vorstellungen eines künftigen Jugendhauses und postulierte eine offene Gestaltung des Treffpunkts mit einer möglichst grossen Selbstbestimmung der Jugendlichen. Gleichzeitig müsse der Jugendtreffpunkt in die Erwachsenenwelt integriert und deshalb unbedingt im zukünftigen Dorfzentrum im Münsinger Schlossgut angesiedelt werden. Dadurch werde die «Identifikation mit dem Dorf» gefördert und «schon rein äusserlich verhindert, dass die Jun- 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert gen an den Rand der Gesellschaft und der Verantwortung gedrängt werden». Als Grundlage diente dem VPJ eine von der Gruppe Don Quichotte erarbeitete Materialsammlung zum Thema Jugend, die zeigte, dass fast 70 Prozent der Jugendlichen in Münsingen in einem Verein oder einer Jugendgruppe aktiv mitwirkten. Schliesslich nahm die Politik die Forderung der Jugend nach einem eigenen Treffpunkt auf und beauftragte im Sommer 1978 die Freizeitkommission, die Mitwirkung der öffentlichen Hand bei Aufbau und Betrieb eines Jugendhauses abzuklären. Die Kommission initiierte die Gründung einer Gruppe für Jugendfreizeitgestaltung, die ab Frühling 1979 unter den Namen «Clou» ein kulturelles Freizeitprogramm für Jugendliche in Münsingen organisierte und die Grundlagen für die künftige Jugendpolitik der Gemeinde erarbeitete. Unterstützung erhielt sie von der SP, die in einer Eingabe an den Gemeinderat im November 1980 die Schaffung eines Jugendtreffpunkts im Spycher vorschlug. Erstes Resultat der Arbeiten war die Eröffnung des Jugendcafés «Gade» im Februar 1982, das von Jugendlichen betrieben und als Veranstaltungsort genutzt wurde.64 Die Realisierung des Jugendtreffpunkts dagegen kam vorerst nicht voran. Erst die Einsetzung einer Spezialkommission für Jugendaktivitäten unter dem Vorsitz von SP-Gemeinderat Michael Eggler, früheres Mitglied von Don Quichotte und im November 1981 mit 27 Jahren gewählt,65 verlieh dem Projekt neuen Schwung. Die Kommission legte im Mai 1983 einen Jugendbericht vor, der erneut die Schaffung eines offenen Jugendtreffpunkts im Spycher im Schlossgut mit integrierter Jugendarbeit forderte und ein Konzept für die Trägerschaft und die Finanzierung enthielt.66 Der Gemeinderat lehnte dies nach wie vor ab, schuf aber eine Jugendarbeiterstelle und stellte die Jugendarbeit mit der Gründung des Vereins für Jugendarbeit Münsingen (VJM) auf eine Abb. 17 Jugendhaus Spycher 2010. Abb. 18 Titelblatt der Zeitschrift «Don Quichotte» Nr. 6 vom August 1976. neue organisatorische Grundlage. 1989 war es dann endlich soweit: Nachdem die Gemeindeversammlung das Projekt fast einstimmig bewilligt hatte, öffnete der Jugendtreffpunkt im Spycher seine Türen. Rückblickend stellte der damalige VJM-Präsident Peter Saladin fest: «Was ich aus dieser Zeit mitnehme ist die Überzeugung, dass es sich lohnt, mit Mut und Zuversicht neu auftretende Herausforderungen in einem Gemeinwesen konstruktiv und mit den Beteiligten anzugehen.»67 337 4 Herrschaft und Gemeinde 35 Hansruedi Bigler amtierte bis 1985, anschliessend folgte Lehrer Werner Lüthi, der das 30 Amt von 1986 bis 1993 innehatte. In seinen «Ge- FW BGB 25 (ab 1973 SP danken des Gemeindepräsidenten» zu Beginn SVP seiner Amtszeit stellte Lüthi den Gemeinschafts- ) gedanken ins Zentrum: «Niemand sollte damit 20 rechnen, in politischen Gremien persönliche Er- FDP folge zu feiern. Demokratische Freiheit kann nur 15 gedeihen, wenn alle vermehrt aus freien Stücken etwas von ihrem eigenen Ich aufgeben und der EVP 10 Gemeinschaft, im gegebenen Fall der Gemeinde Münsingen, opfern.»70 Die Wahl von Lüthis 5 Nachfolger im November 1993 erfolgte erstmals seit 16 Jahren nicht durch eine stille Wahl, son- 0 1969 1973 1977 1981 1985 1989 1993 dern an der Urne und erbrachte das knappst mög- 1997 liche Ergebnis: Gemeinderat Daniel Weissmüller Abb. 19 Übersicht über die Ergebnisse der Gemeinderats- (SVP) siegte mit lediglich einer Stimme Vor- wahlen 1969–1997. Die Freien Wähler etablierten sich in Münsingen als stärkste politische Gruppierung. Bei den Wahlen 1993 erreichte sie mit 34.6 Prozent der Stimmen ihr bestes Resultat. sprung gegen seinen Widersacher Alfred Schranz (EVP) und übernahm für acht Jahre das Gemeindepräsidium.71 Als langjähriger Gemeinderat (1978–1985) (LdU) und der Freien Liste auf der Rot-Grün- und Gemeindepräsident zählte Werner Lüthi zu Mitte-Liste 1993 einen Zugewinn verbuchen den prägenden Figuren nicht nur in der Münsin- konnte. Die Münsinger Ortsgruppe des LdU war ger Lokalpolitik. 1998 wurde er mit einem Glanz- im August 1979 gegründet worden und hatte sich resultat in den Grossen Rat gewählt, den er im 1981 und 1989 mit eigenen Kandidaten an den Jahr 2006 präsidierte.72 Lüthi setzte damit die Wahlen beteiligt, ohne jedoch gegen die etablier- Reihe von Politikern aus Münsingen fort, die auf ten Parteien ein Mandat erringen zu können.68 kantonaler und nationaler Ebene in Erscheinung Die SVP konnte ihren Sitzverlust im Ge- traten. Einer von ihnen war Heinrich Schnyder, meinderat immerhin dadurch kompensieren, langjähriger Direktor der Landwirtschaftsschu- dass sie nach 1978 wieder das Amt des Gemein- le Schwand und von 1971 bis 1987 Nationalrat für depräsidenten besetzen konnte, der nach wie vor im Majorzverfahren bestimmt wurde. Bei der Wahl 1977 ging Hansruedi Bigler, Leiter des Gutsbetriebs der Landwirtschaftsschule Schwand, als Sieger aus einem Dreikampf in zwei Wahlgängen gegen Willy Wyss (SP) und den früheren Gemein- 1895–1903 Bendicht Schüpbach, Tuchfabrikant 1904–1911 Adolf Haldimann, «Löwen»-Wirt 1912–1920 Burkhard Fischer, Buchdrucker 1921–1926 Hans Dubach (BGB), Tuchhändler und Landwirt derat und Parteikollegen Anton Dubach hervor. 1927–1933 Ernst Fischer (FDP), Buchdrucker Dubach wurde von einer «Überparteilichen Ak- 1934–1941 Rudolf Zurflüh (FDP), Bäckermeister tion Münsingen» portiert, die auf Initiative ein- 1942–1945 Emil Zürcher (BGB), Werkführer Schwand zelner Bürger aus verschiedenen Parteien und 1946–1948 Ernst Marti (Unabhängige WG), Garagist Wählergruppen entstanden war. Er präsentierte 1949–1957 Paul Schärer (FDP), Kaufmann sich als «Mann der Mitte» und erreichte überra- 1958–1961 Robert Wyler (BGB), Notar schend den zweiten Wahlgang, hatte dann aber 1962–1966 Georg Glaser (BGB), ehemaliger Direktor Schwand gegen den auch von den Freien Wählern unterstützten Bigler keine Chance. Vor der Stichwahl 1967–1977 Rudolf Maurer (FW), Gärtnermeister hatte eine weitere «Aktion unabhängiger Bürger» 1978–1985 Hansruedi Bigler (SVP), Leiter Gutsbetrieb Schwand sidentenamt mit «den kostspieligen Mitteln ei- 1986–1993 Werner Lüthi (SVP), Lehrer ner professionellen Propaganda» gewinnen zu 1994–2001 Daniel Weissmüller (SVP), Adjunkt wollen, womit seine ungewöhnlich breite und Seit 2002 Erich Feller (FW), vollamtlicher Gemeindepräsident Dubach in einem Flugblatt vorgeworfen, das Prä- aggressive Wahlwerbung kritisiert wurde.69 Tab. 1 338 Liste der Gemeindepräsidenten 1903–2008. 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert die Berner SVP.73 Als Bildungs- und Agrarpoli- Der lange Weg zum Gemeindeparlament tiker sass er in zahlreichen Parteigremien und landwirtschaftlichen Verbänden und engagierte Bei Amtsantritt von Gemeindepräsident Weiss- sich in unzähligen parlamentarischen Kommis- müller am 1. Januar 1994 hatte die Bevölkerungs- sionen des Nationalrats. In Münsingen stand für zahl von Münsingen zwar die Marke von 10’000 Schnyder die berufliche Tätigkeit an der land- Personen längst überschritten und die Stimmbe- wirtschaftlichen Schule im Zentrum, daneben rechtigten konnten über zahlreiche Vorlagen an war er kurzzeitig als Mitglied und Präsident der der Urne entscheiden. Zentrale Institution im Sekundarschulkommission aktiv. Sonst habe politischen Alltag der Gemeinde war aber wei- er sich «mit der Dorfpolitik wenig befasst» und terhin die jährlich drei- bis viermal einberufene erst nach der Wahl von Hansruedi Bigler zum Ge- Gemeindeversammlung, wenn auch die Teilneh- meindepräsidenten «gelegentlich Probleme der merzahlen oft nur gering ausfielen. Nach wie vor Gemeinde» diskutiert. herrschte in Münsingen die Meinung vor, die ein Von 2001 bis 2007 war Münsingen mit Redaktor der «Emmentaler Nachrichten» bereits Ständerat Hans Lauri (SVP) in der Bundesver- 1958 formuliert hatte: «Die Gemeindeversamm- sammlung vertreten. Der ehemalige Direktor der lung, als unmittelbare Fortsetzung der altschwei- eidgenössischen Zollverwaltung zog im Früh- zerischen Landsgemeinde die Urform der Demo- ling 2001 als Nachfolger von Samuel Schmid in kratie, bietet dem Stimmbürger die Möglichkeit die kleine Kammer des Bundesparlaments ein. zur aktiven Mitwirkung in den Angelegenhei- Zuvor stand er während sieben Jahren im Ber- ten der Öffentlichkeit (…). Wo es in Anbetracht ner Regierungsrat (1994–2001) der kantonalen der Grösse einer Gemeinde verantwortet werden Finanzdirektion vor. In der Kantonsregierung kann, soll deshalb die Gemeindeversammlung, ersetzte Lauri Peter Siegenthaler, einen anderen deren Lebensfähigkeit über jeden Zweifel erhaben Münsinger SVP-Vertreter, der seit 1986 als Regie- ist, erhalten bleiben.»75 rungsrat amtierte hatte. Siegenthaler war als Erstmals war die Einführung eines Ge- Präsident der SVP Münsingen auch in der lokalen meindeparlaments im Rahmen der Vernehm- Politik aktiv gewesen und wurde als Regierungs- lassung zum neuen Organisationsreglement von vertreter hoch geschätzt. Das offizielle Gemein- 1969 diskutiert worden. Damals bezeichneten die deblatt schrieb anlässlich seiner Wiederwahl Parteien die Einführung eines Grossen Gemein- 1990: «Während wir von Regierungsrat Peter Sie- derats aber einhellig als verfrüht.76 Kaum zwei genthaler vor vier Jahren gute Arbeit erwarteten Jahre später reichte die FDP jedoch eine Initiative und erhofften, dürfen wir heute sicher sein, dass ein, die den Gemeinderat mit der Schaffung ei- er unser Vertrauen verdient. Er ist ein Politiker, nes Parlaments auf den 1. Januar 1973 beauftragte. der die anstehenden Probleme mit einem Blick Das Begehren wurde im April 1972 einer ausseror- für grosse, zukunfts- und menschenorientierte dentlichen Gemeindeversammlung unterbreitet, Zusammenhänge angeht und sich nicht durch die beschloss, die Frist zur Umsetzung der Neuor- die Parteibrille die Sicht einengen lässt.»74 ganisation wegen der parallel laufenden Revision des kantonalen Gemeindegesetzes bis 1975 zu verlängern. Obwohl sich sämtliche Behörden für die Reform aussprachen, machte die lange Reihe von kritischen Voten an der Versammlung klar, dass der Plan zur Abschaffung der Gemeindeversammlung auf breiten Widerstand in der Bevölkerung stiess.77 Am 23. September 1974 legte der Gemein- Abb. 20 Flugblatt von Hansruedi Bigler, Gemeinderatskandidat der SVP. Er gewann die Wahl 1977 und stand der Gemeinde Münsingen bis 1985 vor. derat der Gemeindeversammlung schliesslich ein überarbeitetes Gemeindereglement vor, das die Einführung eines Parlaments mit 40 Mitgliedern vorsah. Bereits im Vorfeld der Versammlung entAbb. 21 Flugblatt von Anton Dubach, der im Dezember 1977 für das Amt des Gemeindepräsidenten kandidierte. wickelte sich eine emotionale öffentliche Diskussion. Die Befürworter beklagten die schwache Beteiligung an den Gemeindeversammlungen 339 4 Herrschaft und Gemeinde und stellten fest, dass sie «heute über den Weg diese Einrichtung nicht mehr zeitgemäss genug; der Gemeindeversammlung keinen wesentlichen aber Tatsache ist, dass sie funktioniert».79 An der Einfluss auf die wichtigen Geschäfte der Gemein- Gemeindeversammlung wurde dieses Vorgehen de nehmen» könnten, da ihnen «die Kenntnisse scharf verurteilt: «Es passt nicht recht zur Demo- für eine kritische und fundierte Diskussion» fehl- kratie, wenn die Stimmberechtigten zwei Tage ten. Die Gegner dagegen argumentierten, dass vor der Gemeindeversammlung von den Gegnern die Repräsentation der Bevölkerung durch die der Vorlage mit einem Flugblatt bedient wer- Gemeindeversammlung trotz der durchschnitt- den, welches nicht mehr beantwortet werden lichen Teilnehmerzahl von rund 200 Personen konnte.» Die Flugblätter seien «zum Teil dema- immer noch wesentlich höher sei als bei einem gogisch» und enthielten «in Bezug auf die Mehr- Parlament mit 40 Mitgliedern und die Kosten kosten grobe Unwahrheiten».80 für den notwendigen Ausbau der Verwaltung Die hitzige Diskussion wurde wohl auch nur über eine Steuererhöhung finanziert werden durch die besonderen Umstände begünstigt, in könnten. Ein Grosser Gemeinderat sei deshalb denen die Versammlung stattfand: Aufgrund «lediglich ein sehr teures Spielzeug für die an der der Rekordzahl von 761 Teilnehmenden musste Gemeindepolitik interessierten Kreise». Von den politischen 78 die Versammlung nämlich zeitgleich im Sing- Gruppierungen saal der Sekundarschule und in der Turnhalle lehnten nur die Freien Wähler das Parlament am Mittelweg durchgeführt werden, wobei die ab. Kurz vor der Versammlung veröffentlichten Lokale über eine Gegensprechanlage verbunden sie ein Flugblatt, in dem auf polemische Art die waren. Mehrmals musste Gemeindepräsident Beibehaltung der Gemeindeversammlung gefor- Maurer als Versammlungsleiter die Votanten er- dert wurde: «Wenn Sie sich in Zukunft von der mahnen, sich kurz zu fassen. Schliesslich lehn- Verantwortung für Gemeindeangelegenheiten ten mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten dispensieren wollen, dann stimmen Sie dem die Einführung eines Parlaments ab, obwohl Grossen Gemeinderat zu! Eine politische Mitar- sich der Gemeinderat, sämtliche politischen beit in der Gemeinde ist nach Einführung des Parteien und eine deutliche Mehrheit der Red- Grossen Gemeinderates nur noch über die Partei- nerinnen und Redner für die Reform eingesetzt en möglich. Wer sich keiner Partei anschliesst, hatten. Ausschlaggebend war dabei weniger die hat nichts zu melden.» Die direkte Demokratie Kostenfrage als vielmehr das Bedürfnis der an- in Form der Gemeindeversammlung dagegen wesenden Stimmberechtigten, weiterhin aktiv sei «die älteste und reinste Form der Regierung an der Gemeindepolitik teilhaben zu können. durch das Volk. (…) Einigen Progressiven ist Eine Mehrheit wertete die Abschaffung der Gemeindeversammlung als «Eingriff in die direkte Demokratie» und lehnte es ab, künftig die politische Mitwirkung an Parlamentsvertreter zu delegieren. Nach dem klaren Verdikt war die Frage eines Gemeindeparlaments vorerst vom Tisch. Als aber 1984 die nächste Revision des Gemeindereglements anstand, war es die SP, die eine neue Initiative lancierte. Ihr Begehren zur Schaffung eines Grossen Gemeinderats wurde am 18. März 1985 in der Gemeindeversammlung beraten, und vieles erinnerte an die Situation elf Jahre zuvor: Erneut war die Versammlung mit 756 Stimmberechtigten ausserordentlich gut besucht, und die Argumente von Befürwortern und Gegnern entsprachen denjenigen in früheren Debatten. Nur vereinzelt gab es Stimmen, die eine Kompromisslösung anstrebten und Verständnis zeigten Abb. 22 Flugblatt der Freien Wähler zur Gemeindeversammlung vom 23. September 1974. für beide Positionen, so meinte ein Leserbriefschreiber im «AareTal»: «Als Konservativer, der 340 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert nicht Machtstrukturen, sondern geistige Werte und Ideen wahren will, fällt es schwer, von der Idee der Gemeindeversammlung abzurücken (…). Als Progressiver, auf Veränderung bedacht, erhofft man sich von einer Systemveränderung politische Vorteile und zollt unserer kleinstädtischen Realität mit komplizierter werdenden Problemen und der Flucht des Einzelbürgers in die Anonymität den Tribut, indem man ein Gemeindeparlament erneut als organisatorische Verbesserung vorschlägt.»81 Ganz anders als 1974 präsentierten sich jedoch die politischen Vorzeichen. Alle grossen politischen Parteien und der Gemeinderat lehnten die SP-Initiative deutlich ab.82 Der Gemein- Abb. 23 Schreibmaschine von Gemeindeschreiber Daniel Hügli. Er protokollierte damit während Jahren die Verhandlungen direkt an der Gemeindeversammlung. derat begründete seine Ablehnung damit, dass mit der Abschaffung der Gemeindeversammlung «eines der elementarsten Freiheitsrechte und damit die direkteste und urtümlichste Demokratie überhaupt verloren» gehe. An der Gemeindever- Initiative war insofern erstaunlich, als die For- sammlung könnten Meinungen unabhängig derung nach einem vollamtlichen Gemeindeprä- von Parteigruppierungen vertreten werden, ein sidenten in der Bevölkerung und bei sämtlichen Gemeindeparlament dagegen schränke die «freie Parteien grosse Sympathien genoss. Meinungsbildung» ein und repräsentiere die Be- Die Verknüpfung beider Anliegen war es völkerung wesentlich schlechter als die Teilneh- wohl auch, die der Schaffung eines Parlaments menden einer Gemeindeversammlung. Dieser in Münsingen schliesslich im vierten Anlauf Ansicht pflichtete auch der frühere Gemeinde- zum Durchbruch verhalf. Im Rahmen der To- präsident und damalige Grossrat Rudolf Maurer talrevision des Gemeindereglements unterbrei- bei, der feststellte, dass «in Parlamenten oft an tete der Gemeinderat den Stimmberechtigten der Meinung des Souveräns vorbeipolitisiert» am 4. März 2001 zwei Varianten der künftigen werde und «der Pfahl der Gemeindeversamm- politischen Organisation: Das erste Modell sah lung» in Münsingen stark verankert «und für die die Einführung eines Parlaments mit einem Stimmung in Münsingen massgeschneidert» sei. hauptamtlichen Gemeindepräsidium, die zwei- Am Ende lehnten die Anwesenden die Initiative te Variante die Beibehaltung des Status quo mit mit 497 zu 187 Stimmen deutlich ab. 83 Gemeindeversammlung und nebenamtlichem An dieser Haltung änderte sich auch im Präsidenten vor. Der Gemeinderat bevorzugte Juni 1991 nichts, als die Münsingerinnen und die erste Variante: Trotz geschätzten Mehrkosten Münsinger eine weitere Initiative der SP für ein von jährlich 300’000 Franken folgte ihm diesmal Gemeindeparlament deutlich ablehnten. Dies- das Stimmvolk und beschloss bei einer Stimmbe- mal hatten die Initianten ihre Forderung nach teiligung von gegen 60 Prozent die Einführung einem Grossen Gemeinderat mit der Einführung eines Parlaments mit 30 Mitgliedern auf den eines hauptamtlichen Gemeindepräsidiums ver- 1. Januar 2002. Zudem wurde der Gemeinderat bunden und argumentiert, dass die «komplexen auf sieben Mitglieder mit einem hauptamtlichen und sehr vielfältigen Aufgaben» der Gemeinde Gemeindepräsidenten an der Spitze reduziert.85 ein Hauptamt erforderlich machten. Gleichzei- Die ersten Parlamentswahlen am 11. No- tig müsse aber das «Gleichgewicht zwischen den vember 2001 bestätigten die bestehenden politi- demokratischen Kräften» gewahrt werden: «Ein schen Kräfteverhältnisse in der Gemeinde. Die Präsidium im Hauptamt mit einer entsprechen- Freien Wähler konnten einen deutlichen Wahl- den Aufwertung der Exekutive ist deshalb nur erfolg feiern und erreichten mit neun Mandaten angebracht, wenn gleichzeitig auch die Legisla- fast einen Drittel der Sitze. In die übrigen 21 Sitze tive gestärkt wird, also das Gemeindeparlament teilten sich sieben weitere Parteien: Neben den eingeführt wird.»84 Die klare Ablehnung der etablierten SP, FDP, SVP und EVP zogen auch die 341 4 Herrschaft und Gemeinde Frauen in der Gemeindepolitik Daniel Weber Abb. 24 FDP-Gemeinderatskandidatin Silvia Dällenbach im Wahlprospekt von 1981. Sie wurde im Dezember 1989 erstmals in den Gemeinderat gewählt, dem sie bis Ende 1997 angehörte. Das wohl denkwürdigste Wahlergebnis in der jüngeren politischen Geschichte verzeichnete Münsingen im Dezember 1993, als mit Silvia Dällenbach (FDP), Hanni Jordi (EVP), Vroni Mast (FW), Silvia Zurflüh (FW) und Madeleine Ruchti (SP) gleich fünf Frauen in den Gemeinderat gewählt wurden. Damit stellten sie während den folgenden vier Jahren die Mehrheit in der Regierung.86 Während Ruchti und Mast neu gewählt wurden, waren die übrigen drei Gemeinderätinnen bereits seit 1990 im Amt und hatten dafür gesorgt, dass in der Legislatur 1990–1993 erstmals ein Drittel der Mandate von Frauen besetzt wurde. Mit Silvia Dällenbach und Hanni Jordi konnten zwei von ihnen auf eine mehr als zehnjährige politische Tätigkeit zurückblicken: Beide hatten bereits bei den Wahlen 1981 zu den Kandidatinnen gehört und sich öffentlich für einen verstärkten Einbezug der Frauen bei der politischen Gestaltung der Gemeinde stark gemacht.87 Bekanntlich haben Schweizer Bürgerinnen noch bis 1971 kein volles aktives und passives Stimmrecht besessen. Die Ursache dafür sieht der Historiker Mario König auch darin, dass die Gemeinden als Wiege der Demokratie zu- gleich der «Ort hart verteidigter Männerprivilegien» gewesen seien. «Die Männer sind erst dann bereit, den Frauen politische Mitwirkung in den Gemeinden und Kantonen einzuräumen, als sie auch willens sind, auf der nationalen Ebene die politische Partizipation zuzugestehen.»88 Dieser Befund trifft auf den Kanton Bern insofern nicht zu, als die Einführung des Frauenstimmrechts bereits 1968 und zunächst auf kommunaler Ebene erfolgte. Im Februar 1968 wurde eine Änderung des Gemeindegesetzes verabschiedet, das den Gemeinden die Gewährung des Stimmrechts für Frauen in eigener Kompetenz ermöglichte. Damit hatte innert knapp zehn Jahren ein grundsätzlicher Sinneswandel stattgefunden, denn noch im Februar 1959 gehörte Bern bei der Volksabstimmung über die Einführung des Frauenstimmrechts in eidgenössischen Angelegenheiten zu den Kantonen, die das Anliegen deutlich verwarfen.89 Auch in Münsingen war das Frauenstimmrecht 1959 abgelehnt worden, lediglich 37 Prozent der stimmberechtigten Gemeindebürger hatten sich für die volle politische Gleichberechtigung ausgesprochen. Damit beschränkten sich die politischen Rechte der Münsingerinnen weiterhin auf die Wählbarkeit in Gemeindebehörden wie Schul- und Fürsorgekommissionen, wie sie be- reits durch das Gemeindegesetz von 1917 grundsätzlich ermöglicht worden war. In Münsingen arbeiteten Frauen seit der Zwischenkriegszeit aktiv in den Gemeindekommissionen mit. Aus einer kantonalen Erhebung, die der Kanton 1966 im Hinblick auf die Änderung des Gemeindegesetzes durchführte, geht hervor, dass in acht verschiedenen Kommissionen insgesamt 25 weibliche Mitglieder tätig waren.90 Ausserdem engagierten sie sich im Gemeinnützigen Frauenverein (seit 1918) und anderen gemeinnützigen Institutionen. Nach dem positiven Volksentscheid vom Februar 1968 legte der Gemeinderat die Frage des Frauenstimmrechts umgehend den Stimmberechtigten zum Entscheid vor. Daraufhin kam es in Münsingen am 29.September 1968 zur allerersten Urnenabstimmung über eine Sachvorlage. Sie brachte ein eindeutiges Ergebnis: Rund 63 Prozent sprachen sich bei einer erstaunlich niedrigen Beteiligung von 34.9 Prozent für die politische Gleichberechtigung und eine entsprechende Änderung des Gemeindereglements aus.91 Schon bei der kantonalen Abstimmung hatte Münsingen im Gegensatz zum Amtsbezirk Konolfingen dem Frauenstimmrecht zugestimmt, wobei das Resultat wesentlich knapper ausgefallen war.92 80 Abb. 25 Stimmberechtigung in Münsingen seit 1950. Der Anteil der Stimmberechtigten an der Gesamtbevölkerung erreichte 1970 nach der Einführung des Frauenstimmrechts erstmals knapp 50 Prozent. Seither hat sich der Anteil kontinuierlich erhöht, was unter anderem auf die Einführung von Stimmrechtsalter 18 im Jahr 1989 zurückzuführen ist. 70 60 50 40 30 20 10 0 1950 1960 1970 342 1980 1990 2000 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert Abb. 26 Links auf dem Bild Alice Joss- Caprez, die erste Gemeinderätin von Münsingen, mit ihrem Ehemann Ulrich und Greti Fischer, Mutter der späteren Gemeinderätin Silvia Dällenbach. Noch deutlicher fiel die Zustimmung der Münsinger Männer zur Einführung des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene aus: Bei der Abstimmung vom 7. Februar 1971 votierten mehr als zwei Drittel für die Vorlage.93 Kurz darauf zog mit Alice Joss auch bereits die erste Frau in den Gemeinderat von Münsingen ein. Joss war bei den Urnenwahlen 1969 als erste Ersatzkandidatin auf der Liste der FDP gewählt worden, und als Franz Bieri Ende 1972 aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten musste, rückte sie nach und übernahm am 1. Januar 1973 das Fürsorgeressort. Die damals 50-jährige Alice Joss war in Baden aufgewachsen und 1949 mit ihrem Ehemann Ulrich nach Münsingen gezogen. Grund für den Zuzug war die Arbeit ihres Mannes, der bis zu seinem Unfalltod im Januar 1968 als Redaktor der «Emmentaler Nachrichten» tätig war. Durch seine journalistische Tätigkeit kam Alice Joss auch mit der Frage der politischen Gleichberechtigung in Berührung, und nachdem die Gemeinde Münsingen 1968 dem Frau- enstimmrecht zugestimmt hatte, trat sie auf Anfrage der Partei in die FDP ein. «Es hiess, wir Frauen sollten uns zusammenschliessen. Deshalb bildeten wir eine Frauengruppe», erinnerte sich Alice Joss in einem Gespräch 2005. «Ich wurde Präsidentin der FDP-Frauengruppe. Wir organisierten Anlässe, engagierten Redner. (…) Auf die Wahlen 1969 hiess es, wenn wir schon das Frauenstimmrecht auf Gemeindeebene hätten, müssten auch Frauen kandidieren. Viele Frauen wehrten ab. Ich fand, Frauen müssten kandidieren und liess mich aufstellen.»94 Die Zusammenarbeit mit den männlichen Kollegen im Gemeinderat funktionierte gut. «Im Gemeinderat wurde ich gut aufgenommen. Wir hatten ein gutes Verhältnis», stellte Alice Joss rückblickend fest. Auch ihre Arbeit als Gemeinderätin wurde offenbar von der Bevölkerung und den Parteien geschätzt, 1973 und 1977 wurde sie zweimal klar und als einzige Vertreterin der FDP wieder gewählt.95 343 4 Herrschaft und Gemeinde an die freisinnige Kristiina Peter, womit die FDP nach vier Jahren Absenz wieder in die Exekutive einzog. Die drei Mitglieder Josefa Barmettler (SP), Antonio Bauen (GFL) und Hans Rothen (SVP) wurden für eine zweite Amtsperiode gewählt, Alfred Steiner (EVP) übernahm den Sitz von Parteikollege Kurt Möri.97 Diese Sitzverteilung wurde bei den Wahlen 2009 bestätigt: Die sechs wählerstärksten Parteien besetzen weiterhin je einen der nebenamtlichen Gemeinderatssitze.98 Den hauptamtlichen Gemeindepräsi- denten stellen seit der Organisationsreform 2001 Abb. 27 Das Münsinger Gemeindeparlament im Jahr 2004. Das Gremium trifft sich jährlich rund sechsmal und beschliesst über Budget und Rechnung der Gemeinde, erlässt kommunale Reglemente und genehmigt einmalige Kredite von mehr als 200’000 Franken. die Freien Wähler in der Person von Erich Feller, der seit 1985 als Finanzverwalter der Gemeinde tätig gewesen war und die Wahl im November 2001 gegen Ulrich Dubs gewann. Als Ziele seiner Tätigkeit nannte Feller nach der Wahl ein gemässigtes Wachstum der Gemeinde, die mög- seit 1994 bestehende Grüne Freie Liste (GFL) mit lichst wirtschaftliche Führung der Verwaltung vier Sitzen, die Eidgenössisch-Demokratische und die Schaffung von «Offenheit und Transpa- Union (EDU) und das Easy Bündnis (EB) mit je renz».99 Seither wurde er zweimal in stiller Wahl einem Sitz in die neue Legislative ein. 30 96 Bei den bestätigt, letztmals im November 2009. Bei den Wahlen 2005 allerdings mussten die Freien Wäh- gleichzeitigen Parlamentswahlen mussten die ler einen herben Verlust einstecken und verloren Freien Wähler dagegen eine Niederlage hinneh- gleich drei Mandate. Sie wurden allesamt von der men, sie verloren fast fünf Prozent Stimmen- FDP gewonnen, die neu ebenfalls sechs Sitze be- anteil. Ihren Platz als wählerstärkste Partei im setzte. Parlament übernahmen die Grünen, die fünf Bei der Zusammensetzung des Gemein- Parlamentsmitglieder stellen. Neu vertreten ist derats zeigte sich das gleiche Bild: 2001 gewannen die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP), die die Freien Wähler als einzige Partei zwei Manda- sich von der SVP abspaltete und auf Anhieb zwei te, 2005 aber verlor Senta Scheidegger ihren Sitz Mandate gewann. EDU (1) FW BDP (2) 25 EVP (3) 20 SVP (4) FD P Grüne (5) FDP (5) Grüne SP 15 SP (5) SVP 10 EVP 5 EDU Abb. 29 Sitzverteilung im Parlament nach den Wahlen 2009: Die vier stärksten Parteien Grüne, FDP, SP und FW besetzen je fünf Sitze. 0 2001 FW (5) 2005 2009 Abb. 28 Ergebnisse der Parlamentswahlen 2001–2009. Die Wahlergebnisse der Freien Wähler zeigen einen deutlichen Abwärtstrend, während die übrigen Parteien ihren Wähleranteil halten oder leicht erhöhen konnten. 344 4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert 1 Gesetz über die Organisation und die Geschäftsführung der Gemeindebehörden vom 20. Dezember 1833, S. 264–283. Siehe dazu auch: [Strahm 1971], S. 128. [Arn 1992], S. 35–36. 2 AEGM VP: Protokoll GV vom 25.3.1901, S. 205. 3 Siehe dazu: AEGM 15/1: [OVR] vom 14.8.1901, Art. 83–97. 4 Siehe dazu: [OVR] 1901, Art. 12 und 16. 5 AEGM 15/1: Besoldungsregulativ der Einwohnergemeinde Münsingen vom 19.12.1921. 6 AEGM VP: Protokoll GV vom 2.12.1901, S. 332. Gemeindepräsident Bendicht Schüpbach erhielt 81 von 84 gültigen Stimmen. 7 [OVR] 1901, Art. 50 und 85. Die umfangreiche Korrespondenz des Gemeinderats vermittelt einen Eindruck seines breiten Tätigkeitsfelds, siehe dazu: HAM 2, Korr. GR 1912–1937. 8 Siehe dazu: [Hug 2004], S. 23. 9 Zu den Wahlergebnissen siehe: AEGM VP: Protokolle GV vom 7.12.1903, S. 42 und vom 18.12.1911, S. 405. Burkhard Fischer gewann die Wahl mit 119 zu 59 Stimmen. 10 AEGM VP: Protokoll GV vom 18.12.1911, S. 408. 11 Siehe dazu: [Tanner 1998], S. 71–72. [Weber 2005], S. 296. Die Voraussetzungen für die Stimmberechtigung in der Gemeinde Münsingen ergaben sich aus Art. 3 des [OVR] 1901. 12 BAK B 21: Kreisschreiben des Regierungsrats vom 11.5.1915 betreffend Gemeindestimmrecht. 13 Die Zahl der Stimmberechtigten ist (nicht lückenlos) in den Protokollen der Gemeindeversammlungen verzeichnet. In der Gemeinde Worb stieg die Anzahl der Stimmberechtigten 1915 um mehr als 400 Personen und der Anteil an der Gemeindebevölkerung auf rund 25 Prozent, siehe dazu: [Weber 2005], S. 296. 14 Gesetz über das Gemeindewesen vom 9. Dezember 1917, siehe dazu: [Arn 1992], S. 37–38. 15 HAM 2, Korr. GR 1920, Nr. 228: Kreisschreiben vom 15.7.1920. 16 AEGM VP: Protokoll GV vom 18.12.1920, S. 16–17. 17 Siehe dazu: [OVR] vom 10.5.1920, Art. 7, 17–18 sowie 32–38. Die Formulierung betreffend Minderheitenschutz wurde vom Gemeindegesetz zwingend vorgeschrieben. 18 AEGM 15/1: Regulativ betreffend die Urnenwahlen in der Einwohnergemeinde Münsingen vom 9.11.1925, Art. 8–10. Die Genehmigung erfolgte mit 59 zu 14 Stimmen. Parallel dazu wurde ein überarbeitetes Gemeindereglement verabschiedet. Siehe dazu: AEGM VP: Protokoll GV vom 9.11.1925, S. 97. 19 Die Bauern- und Bürgerpartei Münsingen (BBP) gehörte zur kantonalen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), die sich 1918 von der FDP abgespaltet hatte. 1971 wurde die BGB in Schweizerische Volkspartei SVP umbenannt. In Münsingen trat die Partei bis Ende der 1950er-Jahre als BBP, dann kurzzeitig als BGB und ab 1971 als SVP auf. 20 HAM 2, Korr. GR 1926, Nr. 314: Eingabe vom 10.11.1926. 21 AEGM VP: Protokoll GV vom 29.11.1926, S. 117. 22 AEGM VP: Protokoll GV vom 29.11.1926, S. 118–119. Die 257 Anwesenden entsprachen 35.1 Prozent der Stimmberechtigten. 23 385 der insgesamt 468 Wähler stimmten für Blatt (= 82.3 Prozent). Siehe zu den Wahlresultaten: HAM 2, Korr. GR 1926, Nr. 353: Abstimmungsprotokoll vom 4./5.12.1926. 24 AEGM VP: Protokolle GV vom 5.9.1927 und vom 26.10.1927, S. 136–141. 25 HAM 2, Korr. GR 1933, Nr. 552: Wahlprotokoll vom 9.12.1933. Stucki war erst an der Wahlversammlung vom 27.11.1933 vorgeschlagen worden. 26 AEGM VP: Protokoll der Wahlversammlung vom 27.11.1933, S. 982. 27 HAM 2, Korr. GR 1941, Nr. 689: Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrats vom 2.10.1942 und Nr. 765: Schreiben der pol. Arbeitsgemeinschaft der Jungbauern vom 13.12.1941. 28 HAM 2, Korr. GR 1942, Nr. 758: Wahlprotokoll vom 13.12.1942. 29 HAM 2, Korr. GR 1945, Nr. 1837–1841: Flugblätter der Jungbauern und der SP zu den Gemeindewahlen vom 8./9.12.1945. 30 HAM 2, Korr. GR 1945: Wahlprotokoll vom 8./9.12.1945. Bei den Grossratswahlen 1946 erreichten die Jungbauern 9.7 Prozent der Stimmen und ein Mandat, siehe dazu: [Waber 1999], S. 93. 31 AEGM VP: Protokoll GV vom 8.9.1919, S. 432. 32 HAM 2, Korr. GR 1943, Nr. 1398: Schreiben der FDP vom 6.12.1943. 33 [Weber 2005], S. 298. Zur Einführung des Proporzwahlrechts auf kantonaler Ebene siehe: [Junker 1996], S. 183–187. 34 AEGM VP: Protokoll GV vom 5.4.1948, S. 6–11. 35 AEGM VP: Protokoll GV vom 15.10.1951, S. 126. 36 Siehe zur politischen Entwicklung in der Schweiz ab 1935: [König 1998a], S. 52–60. 37 [König 1998a], S. 76. 38 AEGM 15/3: Rücktrittsschreiben Herbert Fischer vom 1.9.1969. 39 AEGM 15/3: Beamtenkontrolle Nr. 4. 40 Siehe dazu die Nominationen der SP für die Urnenwahlen vom Dezember 1959, in: AEGM 15/3: Schreiben der SP vom 7.11.1959. 41 HAM 2, Korr. GR 1945, Nr. 1839: Wahlvorschlag der FDP. 42 AEGM 15/3: Schreiben Paul Schärer vom 22.12.1948. Schärer wurde mit 300 von 448 gültigen Stimmen gewählt. Siehe dazu: AEGM 1/3/2: Wahlprotokoll vom 18./19.12.1948. 43 AEGM 15/3: Wahlen und Demissionen GR 1947–1982. 44 AEGM 15/3: Protokoll der Besprechung mit Parteien und Wahlgruppen vom 26.10.1966. 45 [TN] vom 12.12.1966, S. 7. Maurer gewann die Wahl mit 499 gegen 369 Stimmen (=57.5%), siehe dazu: AEGM 1/3/2: Wahlprotokoll vom 11.12.1966. 46 SMM Inv.Nr. 20074: Gemeindewahlen. SMM Inv.Nr. 21986.15: [Gemeindeblatt], Nr. 15, Juni 1986, S. 2. 47 [Joss 1966], S. 12. 48 AEGM VP: Protokoll Wahlversammlung vom 20.11.1967, S. 134. 345 4 Herrschaft und Gemeinde 49 AEGM 15/3: Wahlprotokoll vom 3.12.1967, S. 1. 50 AEGM 15/3: Schreiben der SP an den GR vom 14.11.1967. 51 AEGM VP: Protokoll der Wahlversammlung vom 20.11.1967, S. 136. 52 AEGM VP: Protokoll GV vom 13.10.1969, S. 37. AEGM 1/3/2: Abstimmungsprotokoll vom 4.5.1969. 53 AEGM 1/3/2: Wahlergebnisse vom 7.12.1969. 54 AEGM 1/3/2: Wahlergebnisse vom 3.12.1973. Siehe auch: [TN], 23.11.1973, S. 13. 55 AEGM 15/3: Schreiben Ernst Eggimann vom 8.12.1973. 56 Die Bezeichnung «Freie Wähler» wurde bei den Wahlen 1967 erstmals offiziell verwendet. Als Gründungsjahr bezeichnen die FW aber das Jahr 1926: [Pro Info 2008], S. 83. 57 AEGM VP: Protokoll Wahlversammlung vom 20.11.1967, S. 134–135. 58 Batt gewann die Wahl gegen den offiziellen SP-Kandidaten Werner Zysset mit 536 zu 301 Stimmen, siehe dazu: AEGM 15/3: Wahlprotokoll vom 3.12.1967. [TN] vom 4.12.1967, S. 4. 59 AEGM 15/3: Schreiben der GJM vom 22.1.1968. 60 SMM Inv.Nr. 27049.01: Don Quichotte Nr. 1 vom 1.8.1974, S. 4. Zur Studentenbewegung in Bern siehe: [Schär 2008]. 61 Einen Überblick über die «neuen sozialen Bewegungen» in der Schweiz gibt: [König 1998b]. 62 SMM Inv.Nr. 27049.06: Don Quichotte Nr. 6 vom August 1976, S. 35. Für die folgenden Abschnitte siehe: S. 32–39. 63 Der Name AYNIL ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben des Songs «All you need is love» von den Beatles aus dem Jahr 1967. 64 Siehe dazu: SMM Inv.Nr. 27050.01: Jugendbericht vom Mai 1983, S. 1–4. 65 AEGM 15/3: Wahlergebnis vom 29.11.1981. 66 SMM Inv.Nr. 27050.01: Jugendbericht vom Mai 1983, S. 38–57. 67 SMM Inv.Nr. 27050.04: [VJA 2004], S. 10. In der Broschüre findet sich eine Reihe von Interviews mit früheren Aktivisten, siehe dazu S. 9–18. 68 Siehe dazu und zu den Wahlen 1977–1993: SMM Inv.Nr. 20074: Gemeindewahlen. Übersicht über die Ergebnisse 1973–1993, in: SMM Inv.Nr. 21993.42: [Gemeindeblatt], Nr. 42, Dezember 1993, S. 10. 69 SMM Inv.Nr. 20074: BN vom 16.12.1977, S. 15. Siehe auch: SMM Inv.Nr. 24016: Gespräch mit Anton Dubach vom 19.5.2005. 70 SMM Inv.Nr. 21986.14: [Gemeindeblatt], Nr. 14, März 1986, S. 1. 71 SMM Inv.Nr. 21993.42: [Gemeindeblatt], Nr. 42, Dezember 1993, S. 4. 72 [Waber 1999], S. 95. Mit 5398 Stimmen erzielte Lüthi das mit Abstand beste Resultat der 11 Grossrätinnen und Grossräte aus dem Amt Konolfingen. 73 Siehe für das Folgende: SMM Inv.Nr. 24025: Gespräch mit Heinrich Schnyder vom 11.10.2005. Seine parlamentarische Tätigkeit ist zusammengefasst in: SchwandMitteilungen. Sonderausgabe vom Januar 1993, S. 13–14. 74 [Gemeindeblatt], Nr. 29, Juni 1990, S. 1–2. Eine Liste sämtlicher Regierungsräte seit 1846 findet sich in: Staatskalender des Kantons Bern 2008/09, S. 33–37, abrufbar unter www.be.ch. 75 [EN 1958], S. 5. 76 SMM Inv.Nr. 20076: Botschaft GR an die Stimmberechtigten vom 24.4.1972, S. 4. Der Besuch der Gemeindeversammlungen lag bei durchschnittlich 5–7 Prozent. 77 AEGM VP: Protokoll GV vom 24.4.1972, S. 168–170. 78 [Aaretal], Nr. 29, August 1974, S. 1–3. 79 SMM Inv.Nr. 20076: Flugblatt der FW vom September 1974. 80 Siehe dazu und zum folgenden Abschnitt: AEGM VP: Protokoll GV vom 23.9.1974, S. 72–89. 81 Leserbrief, in: [Aaretal], Nr. 148, Februar 1985, S. 3. 82 Siehe dazu BZ vom 12.3. und vom 16.3.1985. 83 AEGM VP: Protokoll GV vom 18.3.1985, S. 90–107. 84 AEGM (Prä): Botschaft des GR vom 2.6.1991, S. 7. AEGM 1/3/2: Abstimmungsergebnis vom 2.6.1991. 85 AEGM (Prä): Abstimmungsergebnis vom 4.3.2001. Die Variante mit Parlament wurde mit 2’148 Ja gegen 1’492 Nein (=59.0 Prozent) angenommen. 86 SMM Inv.Nr. 21993.42: [Gemeindeblatt], Nr. 42, Dezember 1993, S. 5–9. Da 1997 nur Madeleine Ruchti nochmals antrat, währte die Frauenmehrheit allerdings nur eine Amtsdauer. 87 Siehe dazu: [Aaretal], Nr. 108, Dezember 1981, S. 3–4. 88 [König 1998a], S. 84. 89 Zur Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler Ebene siehe: [Junker 1996], S. 207–210. Zum Abstimmungsresultat vom 1.2.1959 im Kanton Bern und in Münsingen siehe: Liste der Abstimmungsresultate 1945–2008, Abst.Nr. 191. 90 AEGM 1/3/2: Erhebung der Direktion des Gemeindewesens des Kantons Bern vom 4.3.1966. 91 AEGM 1/3/2: Abstimmungsprotokoll vom 29.9.1968. 92 [TN] vom 19.2.1968, S. 5. Die Vorlage erreichte 52.3 % Ja-Stimmen. 93 Siehe zum Resultat der Volksabstimmung vom 7.2.1971: Liste der Abstimmungsresultate 1945–2008, Abst.Nr. 224. 94 SMM Inv.Nr. 24019: Gespräch mit Alice Joss-Caprez vom 3.8.2005, S. 3. 95 AEGM 1/3/2: Wahlergebnisse vom 2.12.1973 und vom 4.12.1977. 96 Zu den Wahlergebnissen siehe: BZ vom 12.11.2001, S. 22. Zur Geschichte der GFL und der EDU: [Pro Info 2008], S. 81–83. 97 Wahlergebnisse 2005 in: SMM Inv.Nr. 22005.04: [Münsinger Info], Nr. 4/2005, S. 8–18. 98 Zu den Ergebnissen der Gemeindewahlen vom 1.11.2009 siehe: Der Bund vom 2.11.2009, S. 25. 99 Interview mit Erich Feller, in: BZ vom 13.11.2001, S. 29. 346