4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert Daniel

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4.3
Gemeindepolitik und politischer Alltag
im 20. Jahrhundert Daniel Weber
Münsingen hat sich seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nicht
nur gesellschaftlich und baulich verändert, sondern auch politisch und
institutionell weiterentwickelt. Aus einer schwach organisierten Dorfgemeinde, deren Politik weitgehend durch die dörfliche Oberschicht
bestimmt wurde, ist ein Gemeinwesen mit Parlament und einem zentralen Verwaltungsapparat entstanden, das bestrebt ist, seine Aufgaben
wirtschaftlich zu erfüllen.
Die Entstehung der Einwohnergemeinde Münsin-
nur noch neun statt 13 Mitglieder an, ausserdem
gen in ihrer heutigen Form geht zurück auf die
wurden das Kommissionswesen ausgebaut und
Neuorganisation des bernischen Gemeindewe-
die Anzahl der Gemeindebeamten und -ange-
sens von 1833. Damals legte der Grosse Rat mit ei-
stellten deutlich erhöht. Im Dienst der Gemein-
nem neuen Gemeindegesetz die politisch-admi-
de standen nun neben den Behördenmitgliedern
nistrative Organisation von Stadt und Landschaft
der Gemeindeschreiber, ein Armenkassier, ein
in ihren Grundzügen fest.1 Bis Ende des 19. Jahr- Verwalter des Armenguts und des Schulguts, ein
hunderts blieb die Struktur der Einwohnerge-
Gemeindekassier und Kassiere für die Wasserver-
meinde weitgehend unverändert, erst kurz nach
sorgung und das Elektrizitätswesen, ein Wohn-
der Jahrhundertwende war die Zeit reif für eine
sitzregisterführer, ein Gemeindeweibel sowie
Reform: Im März 1901 setzte die Gemeindever-
Inspektoren für Vieh, Fleischschau und Feuer-
sammlung auf Antrag des Gemeinderats eine Re-
stätten. Hinzu kamen ein Schulhausabwart, ein
visionskommission ein, der Gemeindepräsident
Leichenfuhrhalter, ein Weg- und ein Brunnen-
Bendicht Schüpbach, die Gemeinderäte Johann
meister sowie «der Lampenanzünder».3 Die wich-
Dubach und Friedrich Strahm sowie Buchdrucker
tigsten Gemeindebeamten wurden für zwei Jahre
Burkhard Fischer angehörten, und beauftragte
direkt von der Gemeindeversammlung gewählt.
sie mit der Ausarbeitung eines neuen Gemeinde-
Sie waren verpflichtet, ihre Wahl anzunehmen
reglements. Der Gemeinderat begründete seinen
und die entsprechende Funktion während min-
Antrag «durch die eingetretenen veränderten Be-
destens einer Amtsdauer auszuüben.
völkerungs- und Verkehrsverhältnisse» und «die
dadurch nothwendig gewordene Schaffung neuer Verwaltungskreise».2 Die Gemeindeversammlung folgte diesen Argumenten und beschloss am
14. August 1901 einstimmig ein neues «Organisations- und Verwaltungsreglement für die Einwohnergemeinde Münsingen».
Politik und Gemeindeorganisation
nach 1900
Dass das Gemeindereglement von 1901 offensichtlich nicht umstritten war, erstaunt angesichts
der Tatsache, dass es einige wesentliche Neuerungen brachte: Neu gehörten dem Gemeinderat
325
Abb. 1 Gemeindeschreiberei an der Bahnhofstrasse um 1920
(links): Der Gemeindeschreiber gehörte im frühen 20. Jahrhundert zu den wichtigsten Amtsträgern in der Gemeinde.
4 Herrschaft und Gemeinde
Abb. 2 Johann Dubach mit Familie vor seiner Tuchhandlung
an der Bernstrasse um 1910. Dubach kam 1894 nach
Münsingen und gehörte ab 1902 dem Gemeinderat an.
Später vertrat er die Bauern- und Bürgerpartei im
Grossrat und amtierte 1921–1926 als Gemeindepräsident.
Auch sein ältester Sohn Alfred (ganz rechts) war 1927–1933
Gemeinderat.
Die
Gemeindeversammlung
kam
Abb. 3 Baumeister Johann Thomi (vorne in der Mitte) in
einer Gruppe von jungen Männern, vermutlich um 1910.
or- Vorsitzender des Gemeinderats und führte die
dentlicherweise im Januar und im März zur Be-
Aufsicht über die gesamte Verwaltung. Aufgabe
ratung des Budgets und der Gemeinderechnun-
der Gemeinderatsmitglieder war es, «die Vertre-
gen und im Dezember zur Vornahme der Wahlen
tungen in den Kommissionen zu vollziehen (…)
zusammen. Als oberste Instanz der dörflichen
sowie bei Aufnahme vormundschaftlicher In-
Politik hatte sie auch über die Festsetzung der
ventare als Vertreter der Behörde wie als Schätzer
Steuern, die «Stiftung von Armen-, Kranken-
zu funktionieren». Weiter war der Gemeinderat
und Schulanstalten» und die Errichtung von
zuständig für die Ortspolizei, das Bau- und Stras-
besoldeten Stellen zu befinden, wobei sie auch
senwesen, die Schulen und die Armenfürsorge.
die Höhe der entsprechenden Löhne festsetz-
Er vertrat die Gemeinde gegen aussen und stand
te.4 Aus dem Besoldungsregulativ von 1921 geht
in regem Kontakt mit dem Regierungsstatthalter
hervor, dass der Gemeindeschreiber mit einem
und den kantonalen Stellen.7
jährlichen Einkommen von 7’000 Franken den
Auch nach der Jahrhundertwende wa-
höchsten Lohn bezog. Ein Sekundarlehrer erhielt
ren es vorwiegend Vertreter der dörflichen Ober-
zwischen 5’500 und 7’000 Franken, der Gemein-
schicht, die die wichtigsten Gemeindeämter be-
dewegmeister 2’500 Franken. Dem (nebenamtli-
setzten und den politischen Alltag in Münsingen
chen) Gemeindepräsidenten stand eine jährliche
prägten. Ein Blick auf die Wahlergebnisse zeigt,
Entschädigung von 200 Franken zu, die Mitglie-
dass Notare sowie Beamte, Landwirte und Ver-
der des Gemeinderats erhielten je 100 Franken.5
treter des dörflichen Gewerbes am häufigsten
Der Gemeindepräsident war von der Ge-
dem Gemeinderat angehörten. Baumeister Jo-
meindeversammlung jeweils für zwei Jahre, die
hann Thomi, der 1902 ein Baugeschäft an der Sä-
übrigen acht Mitglieder des Gemeinderats waren
gegasse eröffnet hatte und später eine Reihe von
für vier Jahre zu wählen. Der seit 1895 amtie-
Wohn- und Gewerbehäusern im Dorf errichtete,8
rende Gemeindepräsident Bendicht Schüpbach,
sass ebenso im Gemeinderat wie Holzbodenfabri-
Textilfabrikant und Gutsbesitzer, wurde im De-
kant Christian Batt oder Direktor Ulrich Brauchli
zember 1901 von der Gemeindeversammlung mit
von der kantonalen Irrenanstalt. Viele der poli-
grossem Mehr für eine weitere Amtsperiode be-
tischen Amtsträger waren gleichzeitig beteiligt
stätigt. Weiter wurden Notar und Grossrat Emil
am Aufschwung von Gewerbe und Industrie und
Haldimann, Arnold Grossglauser und der späte-
am Ausbau der Infrastrukturen, der die Gemein-
re Grossrat Johann Dubach in den Gemeinderat
de zwischen 1890 und 1920 prägte (→ Kap. 5.2, 5.4).
gewählt.6 Der Gemeindepräsident war zugleich
326
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
meinde unterstützt wurden oder keine Steuern
zu entrichten hatten. Nur wer «handlungs- und
ehrenfähig» war und sich finanziell an den Verwaltungskosten der Gemeinde beteiligte, war
an der Gemeindeversammlung stimmberechtigt
und konnte in eine Behörde oder ein Gemeindeamt gewählt werden. Personen, «welchen der
Besuch der Wirtschaften verboten» war oder die
Steuerschulden hatten, erfüllten diese Kriterien nicht und wurden explizit vom Stimmrecht
ausgeschlossen. Letztlich sollten nur diejenigen
Männer die politischen Geschicke des Dorfes und
Abb. 4 Hotel «Löwen» in Münsingen um 1900: Wirtshäuser
hatten im frühen 20. Jahrhundert eine wichtige Bedeutung
im politischen Alltag der Gemeinde. Sie waren Tagungsort
der Gemeindeversammlungen und wer das Wirtshaus nicht
besuchen durfte, war auch an der Gemeindeversammlung
nicht stimmberechtigt. Oft waren Wirte auch in der lokalen
Politik aktiv, so amtierte «Löwen»-Wirt Adolf Haldimann
1904–1911 als Gemeindepräsident.
der Gemeinde bestimmen, die in sozialer und
moralischer Hinsicht den Normen der bürgerlichen Ehrenfähigkeit entsprachen.11
Die auf kantonalem Gesetz beruhende Einschränkung des Gemeindestimmrechts
auf steuerpflichtige Personen musste jedoch
vom Regierungsrat 1915 aufgehoben werden, da
die Bestimmung «mit dem in Art. 4 der Bundesverfassung ausgesprochenen Grundsatz der
Im Dezember 1903 wurde «Löwen»-Wirt
Rechtsgleichheit im Widerspruch» stehe.12 Die
Adolf Haldimann als Nachfolger von Bendicht
Gemeinden wurden angewiesen, ihre Stimm-
Schüpbach zum Gemeindepräsidenten gewählt.
register entsprechend anzupassen. In Münsin-
Auf ihn folgte Druckereibesitzer Burkhard Fi-
gen blieben die Auswirkungen der Gesetzesän-
scher, der im Dezember 1911 in einer Kampfwahl
derung vergleichsweise gering: Die Anzahl der
gegen Arnold Grossglauser siegte und das Amt bis
Stimmberechtigten stieg zwar um 11.6 Prozent
1920 innehatte.9 Fischer hatte zuvor bereits wäh-
an, doch ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung
rend sechs Jahren dem Gemeinderat angehört
blieb weiterhin deutlich geringer als 20 Prozent.
und war insgesamt fast zwei Jahrzehnte in der
1920 wurden das Gemeindereglement revidiert
Gemeindepolitik aktiv. Allgemein ist eine hohe
und der Steuerzensus in Münsingen abgeschafft.
Kontinuität bei der Ausübung von politischen
Die relativ hohe Zunahme von rund 200 Stimm-
Ämtern festzustellen: Die überwiegende Zahl
berechtigten seit 1916 könnte ein Hinweis darauf
der Gemeinderatsmitglieder blieb während acht
sein, dass die Anpassung des Münsinger Stimm-
oder mehr Jahren im Amt. Nicht selten kam es
registers erst mit der Reglementsänderung von
auch vor, dass sie nach ihrem Rücktritt ein neues
1920 abgeschlossen wurde. Nach wie vor war aber
Amt übernahmen. 1911 beispielsweise wählte die
nur rund jeder fünfte Einwohner der Gemeinde
Gemeindeversammlung mit Adolf Haldimann,
im Besitz der vollen politischen Rechte (→ Abb. 5).13
Johann Dubach und Hans Lehmann gleich drei
abtretende Gemeinderäte als neue Mitglieder
25
der dreiköpfigen Geschäftsprüfungskommission
(GPK), die für die Prüfung des jährlichen Budgets
20
und sämtlicher Gemeinde- und Vormundschaftsrechnungen zuständig war.10
15
Dass die lokale Politik in Münsingen
auch im frühen 20. Jahrhundert von den besit-
10
zenden Familien bestimmt wurde, liegt in erster
5
Linie daran, dass die Möglichkeit zur politischen
Mitbestimmung an der Gemeindeversammlung
0
nach wie vor stark eingeschränkt war: Neben
1900
Frauen und Minderjährigen waren auch all jene
vom Stimmrecht ausgeschlossen, die von der Ge-
327
1920
1930
1941
1950
Abb. 5 Stimmberechtigung in Münsingen 1900–1950.
Der Anteil der Stimmberechtigten an der Gesamtbevölkerung war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
gering und überstieg erst 1941 die Marke von 20 Prozent.
4 Herrschaft und Gemeinde
sicht» genommen werden.17 Wie diese Vorschrift
Die Einbindung von politischen
Minderheiten
konkret in die Praxis umzusetzen war, bestimmte das Wahlregulativ der Gemeinde von 1925. Es
Die Revision des Organisationsreglements von
sah vor, dass jeweils kurz vor den Urnenwahlen
1920 war eine Folge des neuen kantonalen Ge-
eine Gemeindeversammlung einzuberufen war,
meindegesetzes, das 1918 in Kraft getreten war.14
die für «die Zuteilung der Mandate an die poli-
Die Gemeindeversammlung genehmigte das Re-
tischen Parteien (…) und die Aufstellung eines
glement am 10. Mai 1920 ohne Gegenstimmen. Wahlvorschlages für die Urnenwahl» zuständig
Damit gehörte Münsingen zu den weniger als
war. Die Mandatsverteilung an der Wahlver-
20 Prozent der Gemeinden, die ihre Vorschriften
sammlung erfolgte dabei «so weit möglich nach
innerhalb der vorgeschriebenen Frist von drei
vorausgegangener Verständigung und entspre-
Jahren anpassten.15 Neben der Ausdehnung des
chendem Vorschlag der Parteien», wobei die
Stimmrechts brachte das Reglement zwei wei-
Parteien für jedes ihrer Mandate im Gemeinde-
tere wichtige Änderungen: Einerseits wurde das
rat und in den Kommissionen einen Zweiervor-
Initiativrecht auf lokaler Ebene eingeführt. Neu
schlag präsentieren mussten.18
konnte ein Zehntel der stimmberechtigten Be-
Als diese Regelung 1926 erstmals zur
völkerung den Behörden mit einer Initiative ein
Anwendung kam, sorgte sie gleich für reichlich
Geschäft unterbreiten. Bereits im Oktober 1920
Gesprächsstoff, denn für die Wahlversammlung
wurde die erste Initiative eingereicht, die von Ge-
stellten nicht nur die Bauern- und Bürgerpar-
meindepräsident Burkhard Fischer und 89 weite-
tei (BBP) 19, die Freisinnig-Demokratische Partei
ren Stimmberechtigten unterzeichnet war. Sie
(FDP) und die Sozialdemokratische Partei (SP)
verlangte, auf die geplante Erstellung eines Ge-
ihre Kandidaten auf. Zusätzlich beanspruchte
meindewohnhauses mit vier Wohnungen zu ver-
eine «Wählergruppe politisch unabhängiger Ge-
zichten und stattdessen eines mit nur zwei Woh-
meindebürger» in einer Eingabe zwei Sitze in
nungen zu errichten. Die Gemeindeversammlung
der fünfköpfigen GPK. «Wenn wir in Betracht
allerdings beschloss am 18. Dezember 1920, nicht
ziehen, dass wohl an die 50 Prozent der stimm-
darauf einzutreten.16
berechtigten Gemeindebürger keiner politischen
Andererseits sah das Reglement vor,
Partei angehören, so halten wir es für unser
dass die wichtigsten Gemeindebehörden und
Recht und unsere Pflicht, (…) zu den Wahlen
Beamten künftig an der Urne zu wählen waren.
Stellung zu nehmen», schrieben die Unabhängi-
Dies betraf den Gemeindepräsidenten und die
gen. Zur Gruppe der 24 Bürger, die die Eingabe
Gemeinderäte, daneben auch Gemeindeschrei-
unterzeichnet hatten, gehörte auch der damali-
ber, Gemeindekassier sowie die Mitglieder der
ge Gemeinderat Rudolf Reinhard. Die «politisch
Geschäftsprüfungs- und der Armenkommission.
Neutralen von Münsingen» vertraten einen ge-
Bei der Besetzung der Behörden musste «auf die
mässigten Kurs und stellten die etablierte Politik
Vertretung der Minderheiten angemessene Rück-
nicht grundsätzlich in Frage: «Wir haben uns bei
unseren Ansprüchen grösster Bescheidenheit beflissen in der Absicht, nicht als Kampftruppe aufzutreten, (…) wir wollen lediglich das Recht einer
grossen Zahl von Gemeindebürgern wahren.» 20
Die kantonale Gemeindedirektion erklärte auf Anfrage von Münsingen, dass der Anspruch der Unabhängigen nur dann legitim sei,
wenn er sich auf eine «grosse Anzahl Bürger»
stützen könne. Die Wählergruppe reichte daraufhin eine notariell beglaubigte Erklärung ein,
in der 280 Gemeindebürger mit ihrer Unterschrift
Abb. 6 Gemeindebürger
bei der Urnenwahl. Ab 1920
wurden die wichtigsten
lokalen Amtsträger und auch
die Lehrerinnen und
Lehrer an der Urne gewählt.
bezeugten, dass sie «mit dem Vorgehen der unabhängigen Gruppe einig gehen».21 Der Gemeinderat wollte den Stimmberechtigten für die beiden
umstrittenen Mandate in der GPK einen Dreiervorschlag mit je einem unabhängigen Kandida-
328
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
Abb. 7 Reise des Gemeinderats nach Faulensee, vermutlich 1929. In der Mitte mit Netz
Gemeindepräsident Ernst Fischer, ganz rechts sein Nachfolger Rudolf Zurflüh.
Links neben Zurflüh steht Emil Blatt, der die Unabhängigen im Gemeinderat vertrat.
ten unterbreiten. Die Wahlversammlung vom
schaffte der von der SP vorgeschlagene Schreiner
29. November 1926 aber entschied anders: Mit
Fritz Friedli zwar die Nomination, unterlag aber
204 Stimmen (von 257 anwesenden Stimmbe-
dem unabhängigen Hermann Stucki deutlich.
rechtigten) folgte sie dem Antrag, den politisch
Immerhin wurde der amtierende SP-Gemeinde-
Unabhängigen bei «der Mandatsverteilung die
rat Albert Fischer problemlos wiedergewählt.25
gleichen politischen Rechte einzuräumen wie
Die Unabhängigen beklagten sich an der Wahl-
den politischen Parteien» und beschloss, zwei
versammlung über die «unerfreulichen Wahl-
Kandidaten der unabhängigen Wählergruppe für
kämpfe» und forderten: «Es wäre im Interesse der
die bevorstehende Urnenwahl der GPK zu nomi-
Gemeinde besser, wenn in Zukunft endlich die
nieren.22 Dass dies dem Willen der Bevölkerung
Parteiinteressen und die Sitzansprüche bei Ge-
entsprach, zeigt das Wahlergebnis: Die beiden
meindewahlen ausgeschaltet würden.»26
Vertreter der Unabhängigen, der Fabrikant Ernst
Vorerst allerdings verschärften sich die
Batt und der Postangestellte Emil Blatt, wurden
politischen Gegensätze und erreichten in den
im ersten Wahlgang gewählt, letzterer gar mit
Kriegsjahren mit dem Auftreten der Jungbau-
dem besten Ergebnis aller Kandidaten.23
ernpartei einen Höhepunkt. Bei der Ersatzwahl
Auch die Vorschriften der Gemeinde wur-
für Gemeinderat Stucki im Dezember 1941 bean-
den entsprechend angepasst: Am 26. Oktober 1927
spruchte neben den Freisinnigen und den Sozial-
verabschiedete man ein revidiertes Gemeindere-
demokraten auch die «politische Arbeitsgemein-
glement, das dem Gemeinderat vorschrieb, die
schaft der Jungbauern» den frei werdenden Sitz.
Wahlnominationen jeweils «mit den in Betracht
Keiner der drei Kandidaten erreichte im ersten
fallenden Parteien oder Gruppen» abzusprechen.
Wahlgang das absolute Mehr und Fritz Solter-
Gleichzeitig wurde eine einheitliche Amtsdauer
mann von den Jungbauern schied mit den we-
von vier Jahren für alle Behörden eingeführt.24
nigsten Stimmen aus. Dagegen reichte die Jung-
Trotz der Neuregelung blieb der so genannte
bauernpartei Beschwerde ein. Aus ihrer Sicht
«Minderheitenschutz» umstritten: Insbesondere
rechtfertigte die Stimmenzahl von Soltermann
die Sozialdemokraten waren mit ihrer Einerver-
eine Vertretung im Gemeinderat, zumal ihr
tretung im Gemeinderat unzufrieden und for-
diese bereits zwei Jahre zuvor verwehrt worden
derten in den Wahlversammlungen mehrmals
war. Auch der Regierungsrat pflichtete dieser
ein zweites Mandat. Bei den Urnenwahlen 1933
Argumentation bei und hielt fest, dass «die 129
329
4 Herrschaft und Gemeinde
auf den Minderheitskandidaten gefallenen Stim-
Die Jungbauern sahen im Vorgehen der
men eine Verhältniszahl ergeben, die wesent-
SP bei den Wahlen auch den Versuch, der Initi-
lich höher liegt, als es (…) für die Zuerkennung
ative für die Proporzwahlen neuen Auftrieb zu
einer Vertretung nötig wäre».27 Der Wahlerfolg
geben. 1942 hatte eine Gruppe von 149 Stimmbe-
an der Urne blieb Beschwerdeführer und Partei-
rechtigten unter Führung der Sozialdemokrati-
präsident Daniel Schranz aber verwehrt: Bei der
schen Partei eine Initiative eingereicht, welche
Wiederholung der Wahl im Dezember 1942 trat er
die Einführung des Proporzwahlrechts für die
als Kandidat für den Gemeinderatssitz an, ver-
Gemeindebehörden forderte. Bereits 1920 war die
lor aber deutlich gegen Parteikollege Hermann
Möglichkeit geschaffen worden, die Verhältnis-
Sterchi.28
wahl für den Gemeinderat einzuführen. Aber als
Den heftigsten Wahlkampf trugen bäu-
der Arbeiterverein damals gefordert hatte, die
erliche Vertreter und die Arbeiterschaft bei den
«Vorschrift der proporzionalen Wahl der Gemein-
Wahlen 1945 aus, als neben Präsidium und Vize-
debehörden ins neue Gemeindereglement auf-
präsidium gleich drei weitere Gemeinderatssitze
zunehmen», hatte die Gemeindeversammlung
neu zu besetzen waren. Fritz Soltermann trat für
abgelehnt. Das knappe Resultat (137 gegen 108
die Jungbauern an, die Sozialdemokraten nomi-
Stimmen) zeigt allerdings, dass die Bevölkerung
nierten Fritz Roth und unterstützten zusätzlich
dem Anliegen schon damals Sympathie entge-
den Gewerkschaftsvertreter Paul Kobel, der gegen
genbrachte.31
Soltermann antrat. Die Jungbauern verurteilten
Dennoch hatte es die Proporzinitiative
dieses «Wahlmanöver der Sozialdemokraten. Es
schwer: Zunächst wurde das Begehren derart
handelt sich ganz offensichtlich um den verkapp-
schleppend behandelt, dass die Initianten den
ten Versuch, mit dem Deckmantel, es handle sich
bürgerlichen Parteien eine planmässige Behin-
um die Gewerkschaften, einen dritten Sitz im
derung der Arbeiten vorwarfen. Die Freisinnigen
Gemeinderat zu erringen». Stattdessen würdig-
dagegen hielten fest, dass die «Arbeit seitens
ten sie die «senkrechte Gesinnung» ihres Kandi-
unserer Partei stets mit regem Interesse verfolgt
daten und appellierten an die Gerechtigkeit und
worden sei und dass die freisinnigen Delegierten
die «demokratische Gesinnung» der Wähler. Die
an der Lösung dieser neuen Gemeindeaufgabe
Sozialdemokraten ihrerseits begründeten ihren
auch weiterhin in aller Sachlichkeit mitwirken»
Anspruch mit den grossen Leistungen der Arbei-
würden.32 Als die Initiative 1947 endlich der Ge-
terschaft in den Kriegsjahren, die massgeblich
meindeversammlung unterbreitet wurde, wie-
dafür verantwortlich waren, dass «richtig gehol-
sen die Stimmbürger die Vorlage vorerst zurück
fen wurde, ohne die Leute armengenössig zu ma-
und lehnten die Wahlrechtsreform schliesslich
chen».29 Schliesslich holte sich die SP den zweiten Sitz im Gemeinderat und auch Soltermann
zog für die Jungbauern in die Exekutive ein.30
Abb. 8 In den Kriegs- und Zwischenkriegsjahren wurde
heftig um die Gunst der Wähler geworben: Wahlwerbung
der Sozialdemokraten und der Jungbauern am Ofenhaus
beim Eingang ins Mühletal.
330
Proporzwahlrecht
Bei einer Wahl nach Proporzverfahren (Verhältniswahl) wird die Besetzung der Sitze und Ämter verhältnismässig zur Parteienstärke vorgenommen. Die
Mandate im Gemeinderat werden entsprechend den
Stimmenanteilen auf die kandidierenden Parteien
verteilt, während bei der Majorzwahl (Mehrheitswahl) jeder Sitz einzeln vergeben und von demjenigen
Kandidaten gewonnen wird, der das absolute Mehr
der Stimmen erreicht. Das Proporzwahlrecht gibt den
kleineren Gruppen eine bessere Chance auf eine Vertretung. Auf nationaler und kantonaler Ebene war die
Einführung des Proporzes heftig umstritten. Erst nach
mehreren Anläufen und hitzigen Debatten wurde das
Proporzverfahren im Herbst 1918 für die Nationalratswahlen und 1921 auch für die Wahl des Grossen Rats in
Bern eingeführt. Auch die Gemeinden waren gemäss
Gemeindegesetz zur Einführung des neuen Wahlrechts berechtigt, und so beschloss beispielsweise die
Nachbargemeinde Worb bereits 1920, die Gemeinderatswahl im Proporzverfahren durchzuführen.33
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
Lösung und Beibehaltung des Majorzes möglich
sein.» 34 Schliesslich einigte man sich darauf,
dass den Parteien BBP, FDP und SP und den Unabhängigen künftig je eine Zweiervertretung im
Gemeinderat zustehen sollte und verabschiedete
am 15. Oktober 1951 ein neues Gemeindereglement, in dem das Mehrheitswahlrecht bestätigt
wurde.35
Die Konkordanzdemokratie
der Nachkriegszeit
Mit ihrer Verständigung auf einen freiwilligen
Proporz im Gemeinderat liessen die Parteien die
heftigen politischen Auseinandersetzungen hinter sich. Die Konflikte hatten letztlich dazu geführt, dass die wichtigsten politischen Kräfte in
die Lokalpolitik integriert worden waren und ihre
Interessen angemessen vertreten konnten. Eine
Abb. 9 Ein Mann des (bäuerlichen) Volkes. Landwirt Fritz
Zaugg vertrat die Bauern- und Bürgerpartei 1946–1952
im Gemeinderat.
vergleichbare Entwicklung hatte auf nationaler
im April 1948 nach einer lebhaften Diskussion
Partei 1935 zur Unterstützung der bewaffneten
ab. 177 der insgesamt 274 stimmberechtigten
Landesverteidigung bekannt hatte, beruhigten
Ebene bereits in der Zwischenkriegszeit stattgefunden: Nachdem sich die Sozialdemokratische
Männer sprachen sich für die Beibehaltung des
sich die innenpolitischen Konflikte zwischen
geltenden Majorzsystems aus und folgten damit
Arbeiterschaft und bürgerlichen Parteien. Ein
dem Gemeinderat. Dieser lehnte das Proporzver-
Ausdruck davon war das so genannte «Friedens-
fahren ab, da er eine «Trennung der Bürger» und
abkommen» in der Metallindustrie, das 1937 ge-
eine Verschärfung der politischen Gegensätze
troffen wurde und die Gewerkschaften erstmals
befürchtete. Auch bürgerliche Vertreter wie der
als gleichberechtigte Verhandlungspartner aner-
spätere Gemeinderat Hans Brechbühl warnten
kannte. Kulturell bildete das Konzept der «geis-
davor, dass der Proporz «sicher zu vermehrtem
tigen Landesverteidigung» die Klammer, welche
Klassenkampf führen» werde. Dies müsse ver-
die unterschiedlichen politischen Kräfte zusam-
hindert werden, denn «Demokratie lebt weiter,
menhielt und besonders in den Kriegsjahren
wenn der Klassenkampf bekämpft und vermie-
1939–1945 die Vorstellung einer «nationalen Volks-
den wird».
gemeinschaft» prägte, die sich gegen die feindli-
Dem widersprachen die Vertreter der SP.
chen Mächte zu behaupten wusste.36
Sie waren der Ansicht, dass der Proporz für po-
Dieses schweizerische Selbstverständnis
litische Gleichberechtigung sorge. «Gemeinden
war auch die Grundlage, auf der sich in den Nach-
in der Grösse der unsrigen besitzen schon lange
kriegsjahren die so genannte Konkordanzdemo-
den Proporz. Der Proporz bedeutet Verhältnis-
kratie parallel zum wirtschaftlichen Wachstum
wahl. Jede Partei erhält das, was ihr zusteht.»
und zum zunehmenden Wohlstand breiter Bevöl-
Auch andere Redner stimmten zu, dass hin-
kerungsschichten entwickelte. Ihren Höhepunkt
sichtlich des Minderheitenschutzes «gesündigt»
fand die politische Konkordanz in der «Zauber-
und «namentlich die Sozialdemokratische Partei
formel» von 1959, die den drei stärksten Parteien
zurückgebunden worden» sei. Die Lösung des
CVP (Christlichdemokratische Volkspartei), FDP
Problems liege aber nicht in der Einführung des
und SP je zwei Vertreter und der BGB einen Sitz
Proporzes, sondern in einer festen Zuteilung der
im Bundesrat garantierte.37 Auch in Münsin-
Sitze: «Minimum 2 Vertreter sollten jeder Partei
gen entwickelte sich in der Nachkriegszeit eine
zugesichert werden. (…) Mit der Garantierung
einvernehmliche
der Vertretung im Gemeinderat sollte eine gute
über Parteigrenzen hinweg und entsprechend
331
politische
Zusammenarbeit
4 Herrschaft und Gemeinde
unspektakulär verliefen die Gemeinderatswah-
sein öffentliches Amt nicht mehr ausüben.38 Der
len in den Jahrzehnten der Hochkonjunktur.
prominenteste Vertreter der SP war Walkermeis-
Nachdem die Sozialdemokraten 1946 ein zweites
ter Fritz Roth, der 1946 den zweiten Gemeinde-
Mandat im Gemeinderat hatten erringen kön-
ratssitz holte und während insgesamt 16 Jahren
nen, besetzten sie wie die Unabhängigen, die
(1946–1953, 1958–1965) im Gemeinderat sass.39
BBP (später unter der Bezeichnung BGB) und die
Zusätzlich vertrat er die SP im Grossen Rat.
FDP zwei Sitze im Gemeinderat. Diese parteipo-
Auffallend ist, dass in den Reihen der So-
litische Zusammensetzung blieb bis 1968 unver-
zialdemokraten der Berufsstand der Pfleger weit
überdurchschnittlich vertreten war. Die lang-
ändert.
In der Regel wurden die Mitglieder des
jährigen Gemeinderatsmitglieder Walter Gerber
Gemeinderats bei den Urnenwahlen im Amt
(1948–1951), Ernst Steffen (1952–1961) und Her-
bestätigt, und die Mehrzahl vollendete zwei
mann Bürki (1962–1967) sowie eine Vielzahl wei-
vierjährige Amtsperioden. Von den Unabhän-
terer Amtsträger waren als Pfleger in der Psychi-
gigen sassen Metzgermeister Fritz Feldmann
atrischen Klinik tätig. Hinzu kamen vorwiegend
(1952–1959) und Lehrer Hansrudolf Lüthi (1960–
Fabrikarbeiter und Handwerker.40 Die politische
1967) je acht Jahre im Gemeinderat, der spätere
Heimat von Fabrikanten, Gewerbetreibenden
Gemeindepräsident Rudolf Maurer gar elf Jahre
und Angestellten dagegen lag tendenziell bei der
(1955–1965). Maurers Nachfolger Herbert Fischer,
FDP, diejenige der Landwirte und bäuerlichen
Chefredaktor der «Tages-Nachrichten» und Sohn
Vertreter bei der BGB. Für letztere sassen Tier-
des früheren Gemeindepräsidenten, war einer
arzt Dr. Adolf Leu, Landwirtschaftslehrer Willy
der wenigen Gemeinderäte, die vorzeitig zurück-
Hess und von 1954–1961 auch der Direktor der
traten. Als Begründung führte er die berufliche
landwirtschaftlichen Schule Schwand, Georg
Belastung an: Da der Wettbewerb im Zeitungs-
Glaser, im Gemeinderat.
Die beiden bürgerlichen Parteien gaben
gewerbe «zu einem erbarmungslosen Existenzkampf» geworden sei, müsse er sich auf seine
zwar in den Nachkriegsjahren ihre Mehrheit im
berufliche Tätigkeit konzentrieren und könne
Rat ab, blieben aber eine bestimmende Kraft in
Abb. 10 Gemeinderat Fritz
Feldmann um 1950.
Abb. 11 Alte Metzgerei
Feldmann an der Tägertschistrasse, vermutlich um
1915, als Vater Fritz Feldmann (2. von links) in den
Gemeinderat gewählt
wurde. Auch Sohn Fritz
(im Fenster) sass
1952–1959 im Gemeinderat.
332
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
Abb. 12 Schreinerei Wyttenbach, vermutlich um 1920, dahinter die Bäckerei Zurflüh.
Bäckermeister Rudolf Zurflüh politisierte für die FDP und war von 1934 bis 1941 Gemeindepräsident.
der Gemeindepolitik und besetzten weiterhin
der unabhängigen Wählergruppe, die damit erst-
wichtige lokale Ämter. So befand sich das Ge-
mals den Gemeindepräsidenten stellen konnte.
meindepräsidium in Münsingen traditionell
Marti trat allerdings bereits nach drei Jahren aus
in bürgerlicher Hand. 1921 wurde der damalige
gesundheitlichen Gründen zurück, worauf Paul
Grossrat Hans Dubach von der BBP als Gemein-
Schärer doch noch zum Zug kam und der Gemein-
depräsident gewählt. Anschliessend übernah-
de ab 1949 während neun Jahren vorstand. In sei-
men die Freisinnigen zunächst mit Buchdrucker
nem Dankesschreiben nach der Wahl im Dezember
Ernst Fischer (1927–1933) und dann mit Rudolf
1948 stellte er fest: «Die mir namens der künftigen
Zurflüh (1934–1941) das höchste Amt. Zurflüh
Ratskollegen gemachte Zusicherung (…) einer ge-
führte eine Bäckerei im Dorf und hatte bereits
deihlichen Zusammenarbeit erfüllt mich mit Ge-
als Gemeindekassier dem Gemeinderat angehört.
nugtuung. Ich danke dafür und werde zum Wohle
Bei den Wahlen 1945 nominierten die Freisinni-
der Gemeinde stets mein Bestes geben.»42
gen Kaufmann Paul Schärer für das Gemeinde-
Bei den Neuwahlen 1957 machte die Bau-
präsidium. Als Inhaber der späteren USM blickte
ern- und Bürgerpartei ihren Anspruch auf das Prä-
Schärer nicht nur auf eine erfolgreiche Tätigkeit
sidium geltend und stellte mit Notar Robert Wyler
als Geschäftsmann, sondern auch auf eine lange
(1958–1961) und Georg Glaser (1962–1966) die nächs-
politische Karriere als Kommissionsmitglied und
ten beiden Gemeindepräsidenten.43 Glasers Amts-
Gemeinderat zurück.
zeit war geprägt vom grossen Siedlungswachstum,
In ihrem offiziellen Wahlvorschlag hob
das Münsingen damals aufgrund der anhaltenden
die FDP die Leistungen ihres Kandidaten für das
Hochkonjunktur erlebte: In seine Amtszeit fielen
lokale Gewerbe hervor und zeigte sich überzeugt,
die Verabschiedung der ersten Orts- und Zonen-
dass er das Amt «ohne Rücksicht auf Sonderin-
planung 1962 sowie der Überbauungspläne Löwen-
teressen und ohne Schonung der Beliebtheit der
matte und Sägegasse (→ Kap. 1.4). Der ehemalige Di-
eigenen Person zum Wohle der ganzen Gemein-
rektor der Landwirtschaftsschule Schwand war bei
de verwalten» werde.41 Trotzdem unterlag Schä-
der Wahl bereits 65-jährig und trat kurz nach Be-
rer bei der Wahl dem Garagisten Ernst Marti von
ginn der zweiten Amtsperiode aus Altersgründen
333
4 Herrschaft und Gemeinde
zurück. Für die Neuwahl im Dezember 1966
Münsinger Bevölkerung und die politischen Par-
nominierten die Parteien gemeinsam Postver-
teien waren offenbar zufrieden mit ihrem neuen
walter Hans Dürr, der seit 1960 für die FDP im
Präsidenten: Bei den Wahlen 1967 wurde Maurer
Gemeinderat sass und für das Bildungs- und
in stiller Wahl bestätigt; anschliessend stand er
Vormundschaftswesen zuständig war. Auch die
bis Ende 1977 an der Spitze der Gemeinde und er-
Sozialdemokraten machten ihren Anspruch auf
hielt nach seinem Rücktritt zusammen mit dem
das Präsidium geltend, konnten jedoch keinen
langjährigen Gemeindeschreiber Daniel Hügli
Kandidaten präsentieren.44
das Ehrenbürgerrecht. Auch nach seinem Rück-
Die unabhängige Wählergruppe hatte
tritt blieb Maurer politisch aktiv und gehörte von
offiziell auf eine eigene Kandidatur verzichtet;
1980 bis 1986 der Fraktion der Schweizerischen
dennoch schlug eine Gruppe von sechs Bürgern
Volkspartei (vormals BGB) im Grossen Rat an.46
den Gärtnermeister und früheren Gemeinderat
Rudolf Maurer zur Wahl vor. Er wurde als einziger Kandidat gegen Hans Dürr nominiert und
Neue Parteien und neue Mehrheiten
konnte die Wahl schliesslich überraschend deutlich für sich entscheiden. Trotz der besonderen
In seinem kleinen «Münsinger Brevier» von 1966
Umstände war die Wahl Maurers den «Tages-
stellte Redaktor Ulrich Joss nicht ohne Stolz fest,
Nachrichten» nur eine Randnotiz wert.45 Die
dass im Gemeinderat «alle Parteien und Gruppen im Verhältnis ihrer Stärke» vertreten seien
und «auf Minderheiten angemessen Rücksicht
Abb. 13 Familie Glaser kurz
(freiwilliger Proporz) genommen wird».47 Mit
nach der Jahrhundertwende.
Vorne links Georg Glaser
sen., der erste Direktor der
damaligen Irrenanstalt,
neben ihm der jüngste Sohn
Georg, langjähriger Direktor
der Landwirtschaftsschule
Schwand und 1962–1966
Gemeindepräsident.
der Wahl von Gemeindepräsident Maurer hatte die langjährige politische Konkordanz jedoch
erste Risse bekommen, und schliesslich wurde
sie bei den Gemeindewahlen 1967 gesprengt: An
der Wahlversammlung beanspruchte die Sozialdemokratische Partei mit dem Sitz des parteilosen Hansrudolf Lüthi ein drittes Mandat im Gemeinderat und begründete dies damit, dass sie
noch nie den Gemeindepräsidenten hatte stellen
können und ihr als stärkster Partei auch einmal
eine Dreiervertretung zustehe. Es gehe «bei der
Beanspruchung eines dritten Sitzes nicht gegen
die Wahlgruppe der politisch unabhängigen Gemeindebürger, sondern einzig darum, dass diese
Wahlgruppe auch den Gemeindepräsidenten stelle».48 Gleichzeitig trat erstmals auch die «Gruppe
Junger Münsinger» in Erscheinung und stellte einen eigenen Gemeinderatskandidaten auf.
Die Wahlen vom Dezember 1967 brachten
der SP eine doppelte Niederlage: Bei der Ersatzwahl für Hermann Bürki unterlag ihr offizieller
Kandidat gegen Max Batt vom Jungen Münsingen, und auch die erstmals als Freie Wähler (FW)
angetretene unabhängige Wählergruppe konnte
ihre beiden Mandate halten. Damit verblieb für
die Sozialdemokraten statt der angestrebten drei
lediglich ein Sitz im Gemeinderat.49 Bereits vor
der Niederlage hatte sich die Partei kritisch ge-
Abb. 14 Feuerwehrumzug 1985. Ganz links auf der alten Feuerwehr-
spritze sitzend: Rudolf Maurer (Grossrat, früherer Gemeindepräsident).
Neben ihm die ehemaligen Gemeinderäte Hans Rudolf Lüthi
(1960–1967) und Karl Burkhalter (1950–1955).
genüber den neuen politischen Gruppen geäussert: «Mit dem Auftreten des jungen Münsingen
haben wir nun 6 Parteien und Wahlgruppen. (…)
334
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
30
Die Möglichkeit, dass sich noch andere Gruppen
von Wählern, z. B. Gewerkschaften, beteiligten
25
könnten, ist absolut offen. Wir stehen also vor
20
einer Zersplitterung der Kräfte, die kaum zum
Wohl der Gemeinde anzusehen ist.»
50
15
Als Lösung brachten die Sozialdemo10
kraten die Einführung des Proporzwahlrechts
wieder in die politische Diskussion und regten
5
eine entsprechende Revision des Gemeindereglements an. Auch auf bürgerlicher Seite fand
0
JM
das Anliegen nun Unterstützung, da man hoffte,
damit die Bildung weiterer politischer Gruppen
SP
Stimmenanteil
verhindern zu können.51 Der Gemeinderat nahm
BGB
FDP
FW
Mandate GR
Abb. 15 Ergebnisse der Gemeinderatswahl vom Dezember
1969. Bei den ersten Proporzwahlen für den Gemeinderat
von Münsingen holten sich die vier wählerstärksten
Parteien je zwei Mandate. Die Gruppe Junges Münsingen
(JM) blieb ohne Sitzgewinn.
den Vorschlag umgehend auf und legte die Frage
im Mai 1969 den Stimmberechtigten zum Entscheid vor, die sich knapp mit 51.3 Prozent für
die Einführung des Proporzwahlverfahrens für
den Gemeinderat und die fünfköpfige GPK aussprachen. Nach diesem Grundsatzentscheid ge-
sondern auch schmerzliche Entscheide gebracht»
nehmigte auch die Gemeindeversammlung das
habe. Einige der abgewählten Gemeinderäte sei-
revidierte Reglement ohne Diskussion und mit
en «unverdienterweise das Opfer unbegreiflicher
grossem Mehr.52
Emotionen abrechnungsfreudiger Wähler (und
Opfer auch des Proporzes)» geworden.55
Am 7. Dezember 1969 fanden in Münsin-
Die zweite Sitzverschiebung betraf die
gen die ersten Proporzwahlen statt. Die Freien
Wähler konnten mit einem Anteil von 28.8 Pro-
SVP, die bei den Wahlen 1985 einen Sitz an die
zent deutlich die meisten Stimmen auf sich ver-
Freien Wähler verlor. Die Freien Wähler erreich-
einigen. Die SP holte sich auf Kosten der Jungen
ten 33 Prozent der Stimmen und gewannen da-
Münsinger den verlorenen Sitz im Gemeinderat
mit ein drittes Mandat im Gemeinderat. Neben
zurück, womit die Mandate wieder gleichmässig
Hans Walther und Werner Schäfer kam neu Peter
auf die vier grössten politischen Kräfte verteilt
Mägert hinzu. Die Freien Wähler waren seit 1969
waren.53
die klar stärkste politische Partei in Münsingen
Auch nach der Einführung der Proporz-
und erzielten insbesondere zwischen 1985 und
wahl blieben die Mehrheitsverhältnisse im Ge-
1993 ausgezeichnete Wahlergebnisse. Die Anteile
meinderat ausserordentlich stabil. In den acht
der übrigen Parteien blieben relativ stabil, einzig
Wahlgängen bis zur Organisationsreform von
die SVP verlor im Zeitraum von 1969 bis 1997 rund
2001 ergaben sich nur zwei Sitzverschiebun-
neun Prozent, während die SP dank der Verei-
gen. Die erste erfolgte 1973, als die neu gegrün-
nigung mit dem Landesring der Unabhängigen
dete Evangelische Volkspartei (EVP) erstmals zu
den Gemeindewahlen antrat und mit Reinhard
Burkhalter gleich einen Sitz auf Kosten der FDP
gewann. Seither hat sich die EVP als fünfte parteipolitische Kraft in der Gemeinde etabliert
und ist bis heute mit einem Sitz im Gemeinderat vertreten. Sonst gab es bei den Wahlen 1973
keine weiteren Sitzverschiebungen, aber eine
Reihe von neuen Köpfen: Fünf der neun Mitglieder waren neu, zwei weitere erst seit einem
Jahr im Amt, darunter mit Alice Joss-Caprez die
erste Gemeinderätin von Münsingen.54 Ein neu
gewählter SVP-Vertreter kritisierte das Proporzsystem und beklagte, dass die Wahl trotz des
«fair geführten Wahlkampfes nicht nur gefreute,
335
Abb. 16 Wahlwerbung
der Freien Wähler aus
dem Jahr 1981.
4 Herrschaft und Gemeinde
Junges Münsingen und Don Quichotte:
Herausforderungen der etablierten Politik
Daniel Weber
Auffallend oft traten in Münsingen im
20. Jahrhundert parteipolitisch unabhängige Gruppen als Akteure der lokalen Politik auf. Bereits 1926 hatte eine
unabhängige Wählergruppe das Recht
erkämpft, eigene Kandidaten für die Gemeindewahlen zu nominieren, und sich
in der Folge als «Freie Wähler Münsingen» zu einer dominierenden Kraft in
der politischen Landschaft Münsingens
entwickelt.56 Während sich bei den
Freien Wählern insbesondere Gewerbetreibende engagierten, setzte sich die
in den späten 1960er-Jahren entstandene «Gruppe Junger Münsinger» (GJM)
vorwiegend aus jungen Erwachsenen
zusammen, die sich aktiv an der Lokalpolitik beteiligen wollten. Die Gruppe
nominierte bei den Gemeinderatswahlen 1967 mit dem 28-jährigen Offsetdrucker Max Batt einen eigenen Kandidaten für die Nachfolge des abtretenden
SP-Gemeinderats Hermann Bürki und
sprengte damit den freiwilligen Proporz
der etablierten Parteien.
An der Wahlversammlung stellte der Vertreter der GJM fest, dass die
Gruppe «von keiner anderen politischen Partei» beeinflusst sei und «konstruktiv mitwirken» wolle. Die Vertreter
der etablierten Parteien begrüssten
es zwar übereinstimmend, dass die
jungen Gemeindebürger aktiv an der
Politik teilnehmen wollten. Grossrat
Fritz Roth als Vertreter der Sozialdemokraten hielt aber gleichzeitig fest,
dass das Vorgehen «wirklich etwas
unglücklich» sei, da die jungen Bürger
ja auch die Möglichkeit hätten, «in den
politischen Parteien und Gruppierungen mitzuarbeiten».57 Doch entsprach
eine Vertretung der jungen Generation
im Gemeinderat offensichtlich dem
Willen der Bevölkerung: Bei der Wahl
am 3. Dezember 1967 erreichte Max
Batt bereits im ersten Wahlgang das
absolute Mehr und zog für die GJM in
den Gemeinderat ein.58
Kurz nach dem überraschenden
Wahlsieg wandte sich die Gruppe Junges Münsingen mit einer offiziellen
Mitteilung an die Öffentlichkeit und
die übrigen Parteien, in der sie folgende
Zielsetzung bekannt gab: «Den Jungen
die Möglichkeit bieten und sie dazu
anspornen, sich aktiv am öffentlichen
Leben zu beteiligen, ohne sich ideell binden zu müssen.» Gleichzeitig kündigte
die Gruppe an, dass sie auch in Zukunft
«grundsätzlich bereit und in der Lage»
sei, «bei freiwerdenden Kommissionssitzen Kandidaten zu stellen».59 Dazu
kam es allerdings nicht mehr: Bei den
Wahlen im November 1969 erreichte
die GJM zwar einen Stimmenanteil von
8.5 Prozent, was aber nicht ausreichte,
um den Sitz im Gemeinderat zu verteidigen, und so war das Gastspiel der jungen Münsinger in der Exekutive bereits
nach zwei Jahren beendet.
Dem politischen Engagement der
Jugendlichen und jungen Erwachsenen
in Münsingen tat die Wahlniederlage
jedoch auf lange Sicht keinen Abbruch.
Im Gegenteil: Zwischen 1974 und 1976
formierten sich mehrere Jugendgruppen, die mit eigenen Publikationen und
Aktivitäten an die Öffentlichkeit traten.
Ihr Engagement orientierte sich allerdings nicht mehr an der traditionellen
lokalen Interessenpolitik, sondern war
gesellschaftspolitisch geprägt und
auf die konkrete Lebenswelt der Menschen ausgerichtet. Die 1974 gegründete Gruppe «Don Quichotte» griff in
ihrer Gesellschaftskritik Postulate der
Studentenbewegung von 1968 auf und
stellte fest: «Es mag wahr sein: wir sind
frei von staatlichem Druck, frei von der
Angst willkürlicher Verhaftung. Uns, die
wir doch frei sein könnten, zwingt die
Angst vor wirtschaftlicher Stagnation
oder die Angst, gesellschaftlich zu versagen. Uns zwingt das Tempo, die Hetze und die Uniformität einer hoch zivilisierten Gesellschaft. Kurz: Wohlstand
knechtet.» 60 Gleichzeitig kritisierte
die Gruppe «Umweltverschmutzung,
zunehmende Verarmung der Entwicklungsländer (…) und atomare Aufrüstung» und nahm damit Argumente der
neu entstehenden sozialen Bewegungen auf, die sich ab 1975 in grünen und
alternativen Parteien zu organisieren
336
begannen und später landesweit in
kommunale und kantonale Parlamente einzogen.61
In einer Rückschau mit dem Titel
«Begegnung im Gespräch und Handeln»
stellte die Gruppe das Gemeinschaftserlebnis von jungen und gleich gesinnten
Menschen ins Zentrum, hielt aber auch
fest: «Am Anfang unserer Gruppe stand
nicht das Ziel, eine Gemeinschaft zu
bilden, um eine Gemeinschaft zu sein
und zu pflegen; vielmehr fanden sich
die ersten Don Quichottes zusammen,
um etwas zu tun. Und diese Grundhaltung, dass es darum geht, nicht stumm
und willenlos in dieser Welt dazustehen,
sondern zusammen zu antworten und
zu ringen um die Realisierung unserer Ideale (…), ist uns auch heute noch
eine der wichtigsten Antriebsfedern
bei allen Aktivitäten.»62 Die gleichen
Ziele verfolgte auch der Jugendclub
Aynil,63 der im April 1974 gegründet
wurde. Zweck des Vereins war es, die
Münsinger Jugend zu einer sinnvollen
Freizeitgestaltung zu motivieren. Deshalb organisierte man eine Waldsäuberungsaktion mit Schülern, errichtete einen neuen Waldpfad im Schwandwald
und veranstaltete kulturelle Anlässe.
Mit der Jungen Kirche Münsingen
(ebenfalls 1974 neu gegründet) und
dem Xerxes-Club stiessen zwei weitere
Jugendgruppen dazu. Im Frühling 1976
verbanden sich die vier Gruppen zum
Verein Pro Jugendhaus (VPJ) Münsingen mit dem Ziel, «in Münsingen einen
Jugendtreffpunkt zu schaffen und bei
dessen Gestaltung aktiv mitzuwirken».
Der Verein formulierte in zwölf Punkten
seine Vorstellungen eines künftigen Jugendhauses und postulierte eine offene Gestaltung des Treffpunkts mit einer
möglichst grossen Selbstbestimmung
der Jugendlichen. Gleichzeitig müsse
der Jugendtreffpunkt in die Erwachsenenwelt integriert und deshalb unbedingt im zukünftigen Dorfzentrum im
Münsinger Schlossgut angesiedelt werden. Dadurch werde die «Identifikation
mit dem Dorf» gefördert und «schon
rein äusserlich verhindert, dass die Jun-
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
gen an den Rand der Gesellschaft und
der Verantwortung gedrängt werden».
Als Grundlage diente dem VPJ eine von
der Gruppe Don Quichotte erarbeitete
Materialsammlung zum Thema Jugend,
die zeigte, dass fast 70 Prozent der Jugendlichen in Münsingen in einem
Verein oder einer Jugendgruppe aktiv
mitwirkten.
Schliesslich nahm die Politik die
Forderung der Jugend nach einem eigenen Treffpunkt auf und beauftragte im
Sommer 1978 die Freizeitkommission,
die Mitwirkung der öffentlichen Hand
bei Aufbau und Betrieb eines Jugendhauses abzuklären. Die Kommission
initiierte die Gründung einer Gruppe
für Jugendfreizeitgestaltung, die ab
Frühling 1979 unter den Namen «Clou»
ein kulturelles Freizeitprogramm für
Jugendliche in Münsingen organisierte
und die Grundlagen für die künftige Jugendpolitik der Gemeinde erarbeitete.
Unterstützung erhielt sie von der SP, die
in einer Eingabe an den Gemeinderat im
November 1980 die Schaffung eines Jugendtreffpunkts im Spycher vorschlug.
Erstes Resultat der Arbeiten war die Eröffnung des Jugendcafés «Gade» im Februar 1982, das von Jugendlichen betrieben und als Veranstaltungsort genutzt
wurde.64
Die Realisierung des Jugendtreffpunkts dagegen kam vorerst nicht
voran. Erst die Einsetzung einer Spezialkommission für Jugendaktivitäten
unter dem Vorsitz von SP-Gemeinderat
Michael Eggler, früheres Mitglied von
Don Quichotte und im November 1981
mit 27 Jahren gewählt,65 verlieh dem
Projekt neuen Schwung. Die Kommission legte im Mai 1983 einen Jugendbericht vor, der erneut die Schaffung eines
offenen Jugendtreffpunkts im Spycher
im Schlossgut mit integrierter Jugendarbeit forderte und ein Konzept für
die Trägerschaft und die Finanzierung
enthielt.66 Der Gemeinderat lehnte dies
nach wie vor ab, schuf aber eine Jugendarbeiterstelle und stellte die Jugendarbeit mit der Gründung des Vereins für
Jugendarbeit Münsingen (VJM) auf eine
Abb. 17 Jugendhaus Spycher 2010.
Abb. 18 Titelblatt der Zeitschrift
«Don Quichotte» Nr. 6 vom August
1976.
neue organisatorische Grundlage. 1989
war es dann endlich soweit: Nachdem
die Gemeindeversammlung das Projekt
fast einstimmig bewilligt hatte, öffnete der Jugendtreffpunkt im Spycher
seine Türen. Rückblickend stellte der
damalige VJM-Präsident Peter Saladin
fest: «Was ich aus dieser Zeit mitnehme ist die Überzeugung, dass es sich
lohnt, mit Mut und Zuversicht neu auftretende Herausforderungen in einem
Gemeinwesen konstruktiv und mit den
Beteiligten anzugehen.»67
337
4 Herrschaft und Gemeinde
35
Hansruedi Bigler amtierte bis 1985, anschliessend folgte Lehrer Werner Lüthi, der das
30
Amt von 1986 bis 1993 innehatte. In seinen «Ge-
FW
BGB
25
(ab
1973
SP
danken des Gemeindepräsidenten» zu Beginn
SVP
seiner Amtszeit stellte Lüthi den Gemeinschafts-
)
gedanken ins Zentrum: «Niemand sollte damit
20
rechnen, in politischen Gremien persönliche Er-
FDP
folge zu feiern. Demokratische Freiheit kann nur
15
gedeihen, wenn alle vermehrt aus freien Stücken
etwas von ihrem eigenen Ich aufgeben und der
EVP
10
Gemeinschaft, im gegebenen Fall der Gemeinde Münsingen, opfern.»70 Die Wahl von Lüthis
5
Nachfolger im November 1993 erfolgte erstmals
seit 16 Jahren nicht durch eine stille Wahl, son-
0
1969
1973
1977
1981
1985
1989
1993
dern an der Urne und erbrachte das knappst mög-
1997
liche Ergebnis: Gemeinderat Daniel Weissmüller
Abb. 19 Übersicht über die Ergebnisse der Gemeinderats-
(SVP) siegte mit lediglich einer Stimme Vor-
wahlen 1969–1997. Die Freien Wähler etablierten sich
in Münsingen als stärkste politische Gruppierung. Bei den
Wahlen 1993 erreichte sie mit 34.6 Prozent der Stimmen
ihr bestes Resultat.
sprung gegen seinen Widersacher Alfred Schranz
(EVP) und übernahm für acht Jahre das Gemeindepräsidium.71
Als langjähriger Gemeinderat (1978–1985)
(LdU) und der Freien Liste auf der Rot-Grün-
und Gemeindepräsident zählte Werner Lüthi zu
Mitte-Liste 1993 einen Zugewinn verbuchen
den prägenden Figuren nicht nur in der Münsin-
konnte. Die Münsinger Ortsgruppe des LdU war
ger Lokalpolitik. 1998 wurde er mit einem Glanz-
im August 1979 gegründet worden und hatte sich
resultat in den Grossen Rat gewählt, den er im
1981 und 1989 mit eigenen Kandidaten an den
Jahr 2006 präsidierte.72 Lüthi setzte damit die
Wahlen beteiligt, ohne jedoch gegen die etablier-
Reihe von Politikern aus Münsingen fort, die auf
ten Parteien ein Mandat erringen zu können.68
kantonaler und nationaler Ebene in Erscheinung
Die SVP konnte ihren Sitzverlust im Ge-
traten. Einer von ihnen war Heinrich Schnyder,
meinderat immerhin dadurch kompensieren,
langjähriger Direktor der Landwirtschaftsschu-
dass sie nach 1978 wieder das Amt des Gemein-
le Schwand und von 1971 bis 1987 Nationalrat für
depräsidenten besetzen konnte, der nach wie
vor im Majorzverfahren bestimmt wurde. Bei der
Wahl 1977 ging Hansruedi Bigler, Leiter des Gutsbetriebs der Landwirtschaftsschule Schwand, als
Sieger aus einem Dreikampf in zwei Wahlgängen
gegen Willy Wyss (SP) und den früheren Gemein-
1895–1903
Bendicht Schüpbach, Tuchfabrikant
1904–1911
Adolf Haldimann, «Löwen»-Wirt
1912–1920
Burkhard Fischer, Buchdrucker
1921–1926
Hans Dubach (BGB), Tuchhändler
und Landwirt
derat und Parteikollegen Anton Dubach hervor.
1927–1933
Ernst Fischer (FDP), Buchdrucker
Dubach wurde von einer «Überparteilichen Ak-
1934–1941
Rudolf Zurflüh (FDP), Bäckermeister
tion Münsingen» portiert, die auf Initiative ein-
1942–1945
Emil Zürcher (BGB), Werkführer Schwand
zelner Bürger aus verschiedenen Parteien und
1946–1948
Ernst Marti (Unabhängige WG), Garagist
Wählergruppen entstanden war. Er präsentierte
1949–1957
Paul Schärer (FDP), Kaufmann
sich als «Mann der Mitte» und erreichte überra-
1958–1961
Robert Wyler (BGB), Notar
schend den zweiten Wahlgang, hatte dann aber
1962–1966
Georg Glaser (BGB),
ehemaliger Direktor Schwand
gegen den auch von den Freien Wählern unterstützten Bigler keine Chance. Vor der Stichwahl
1967–1977
Rudolf Maurer (FW), Gärtnermeister
hatte eine weitere «Aktion unabhängiger Bürger»
1978–1985
Hansruedi Bigler (SVP),
Leiter Gutsbetrieb Schwand
sidentenamt mit «den kostspieligen Mitteln ei-
1986–1993
Werner Lüthi (SVP), Lehrer
ner professionellen Propaganda» gewinnen zu
1994–2001
Daniel Weissmüller (SVP), Adjunkt
wollen, womit seine ungewöhnlich breite und
Seit 2002
Erich Feller (FW),
vollamtlicher Gemeindepräsident
Dubach in einem Flugblatt vorgeworfen, das Prä-
aggressive Wahlwerbung kritisiert wurde.69
Tab. 1
338
Liste der Gemeindepräsidenten 1903–2008.
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
die Berner SVP.73 Als Bildungs- und Agrarpoli-
Der lange Weg zum Gemeindeparlament
tiker sass er in zahlreichen Parteigremien und
landwirtschaftlichen Verbänden und engagierte
Bei Amtsantritt von Gemeindepräsident Weiss-
sich in unzähligen parlamentarischen Kommis-
müller am 1. Januar 1994 hatte die Bevölkerungs-
sionen des Nationalrats. In Münsingen stand für
zahl von Münsingen zwar die Marke von 10’000
Schnyder die berufliche Tätigkeit an der land-
Personen längst überschritten und die Stimmbe-
wirtschaftlichen Schule im Zentrum, daneben
rechtigten konnten über zahlreiche Vorlagen an
war er kurzzeitig als Mitglied und Präsident der
der Urne entscheiden. Zentrale Institution im
Sekundarschulkommission aktiv. Sonst habe
politischen Alltag der Gemeinde war aber wei-
er sich «mit der Dorfpolitik wenig befasst» und
terhin die jährlich drei- bis viermal einberufene
erst nach der Wahl von Hansruedi Bigler zum Ge-
Gemeindeversammlung, wenn auch die Teilneh-
meindepräsidenten «gelegentlich Probleme der
merzahlen oft nur gering ausfielen. Nach wie vor
Gemeinde» diskutiert.
herrschte in Münsingen die Meinung vor, die ein
Von 2001 bis 2007 war Münsingen mit
Redaktor der «Emmentaler Nachrichten» bereits
Ständerat Hans Lauri (SVP) in der Bundesver-
1958 formuliert hatte: «Die Gemeindeversamm-
sammlung vertreten. Der ehemalige Direktor der
lung, als unmittelbare Fortsetzung der altschwei-
eidgenössischen Zollverwaltung zog im Früh-
zerischen Landsgemeinde die Urform der Demo-
ling 2001 als Nachfolger von Samuel Schmid in
kratie, bietet dem Stimmbürger die Möglichkeit
die kleine Kammer des Bundesparlaments ein.
zur aktiven Mitwirkung in den Angelegenhei-
Zuvor stand er während sieben Jahren im Ber-
ten der Öffentlichkeit (…). Wo es in Anbetracht
ner Regierungsrat (1994–2001) der kantonalen
der Grösse einer Gemeinde verantwortet werden
Finanzdirektion vor. In der Kantonsregierung
kann, soll deshalb die Gemeindeversammlung,
ersetzte Lauri Peter Siegenthaler, einen anderen
deren Lebensfähigkeit über jeden Zweifel erhaben
Münsinger SVP-Vertreter, der seit 1986 als Regie-
ist, erhalten bleiben.»75
rungsrat amtierte hatte. Siegenthaler war als
Erstmals war die Einführung eines Ge-
Präsident der SVP Münsingen auch in der lokalen
meindeparlaments im Rahmen der Vernehm-
Politik aktiv gewesen und wurde als Regierungs-
lassung zum neuen Organisationsreglement von
vertreter hoch geschätzt. Das offizielle Gemein-
1969 diskutiert worden. Damals bezeichneten die
deblatt schrieb anlässlich seiner Wiederwahl
Parteien die Einführung eines Grossen Gemein-
1990: «Während wir von Regierungsrat Peter Sie-
derats aber einhellig als verfrüht.76 Kaum zwei
genthaler vor vier Jahren gute Arbeit erwarteten
Jahre später reichte die FDP jedoch eine Initiative
und erhofften, dürfen wir heute sicher sein, dass
ein, die den Gemeinderat mit der Schaffung ei-
er unser Vertrauen verdient. Er ist ein Politiker,
nes Parlaments auf den 1. Januar 1973 beauftragte.
der die anstehenden Probleme mit einem Blick
Das Begehren wurde im April 1972 einer ausseror-
für grosse, zukunfts- und menschenorientierte
dentlichen Gemeindeversammlung unterbreitet,
Zusammenhänge angeht und sich nicht durch
die beschloss, die Frist zur Umsetzung der Neuor-
die Parteibrille die Sicht einengen lässt.»74
ganisation wegen der parallel laufenden Revision des kantonalen Gemeindegesetzes bis 1975 zu
verlängern. Obwohl sich sämtliche Behörden für
die Reform aussprachen, machte die lange Reihe
von kritischen Voten an der Versammlung klar,
dass der Plan zur Abschaffung der Gemeindeversammlung auf breiten Widerstand in der Bevölkerung stiess.77
Am 23. September 1974 legte der Gemein-
Abb. 20 Flugblatt von
Hansruedi Bigler, Gemeinderatskandidat der SVP.
Er gewann die Wahl 1977
und stand der Gemeinde
Münsingen bis 1985 vor.
derat der Gemeindeversammlung schliesslich ein
überarbeitetes Gemeindereglement vor, das die
Einführung eines Parlaments mit 40 Mitgliedern
vorsah. Bereits im Vorfeld der Versammlung entAbb. 21 Flugblatt von
Anton Dubach, der
im Dezember 1977 für das
Amt des Gemeindepräsidenten kandidierte.
wickelte sich eine emotionale öffentliche Diskussion. Die Befürworter beklagten die schwache
Beteiligung an den Gemeindeversammlungen
339
4 Herrschaft und Gemeinde
und stellten fest, dass sie «heute über den Weg
diese Einrichtung nicht mehr zeitgemäss genug;
der Gemeindeversammlung keinen wesentlichen
aber Tatsache ist, dass sie funktioniert».79 An der
Einfluss auf die wichtigen Geschäfte der Gemein-
Gemeindeversammlung wurde dieses Vorgehen
de nehmen» könnten, da ihnen «die Kenntnisse
scharf verurteilt: «Es passt nicht recht zur Demo-
für eine kritische und fundierte Diskussion» fehl-
kratie, wenn die Stimmberechtigten zwei Tage
ten. Die Gegner dagegen argumentierten, dass
vor der Gemeindeversammlung von den Gegnern
die Repräsentation der Bevölkerung durch die
der Vorlage mit einem Flugblatt bedient wer-
Gemeindeversammlung trotz der durchschnitt-
den, welches nicht mehr beantwortet werden
lichen Teilnehmerzahl von rund 200 Personen
konnte.» Die Flugblätter seien «zum Teil dema-
immer noch wesentlich höher sei als bei einem
gogisch» und enthielten «in Bezug auf die Mehr-
Parlament mit 40 Mitgliedern und die Kosten
kosten grobe Unwahrheiten».80
für den notwendigen Ausbau der Verwaltung
Die hitzige Diskussion wurde wohl auch
nur über eine Steuererhöhung finanziert werden
durch die besonderen Umstände begünstigt, in
könnten. Ein Grosser Gemeinderat sei deshalb
denen die Versammlung stattfand: Aufgrund
«lediglich ein sehr teures Spielzeug für die an der
der Rekordzahl von 761 Teilnehmenden musste
Gemeindepolitik interessierten Kreise».
Von
den
politischen
78
die Versammlung nämlich zeitgleich im Sing-
Gruppierungen
saal der Sekundarschule und in der Turnhalle
lehnten nur die Freien Wähler das Parlament
am Mittelweg durchgeführt werden, wobei die
ab. Kurz vor der Versammlung veröffentlichten
Lokale über eine Gegensprechanlage verbunden
sie ein Flugblatt, in dem auf polemische Art die
waren. Mehrmals musste Gemeindepräsident
Beibehaltung der Gemeindeversammlung gefor-
Maurer als Versammlungsleiter die Votanten er-
dert wurde: «Wenn Sie sich in Zukunft von der
mahnen, sich kurz zu fassen. Schliesslich lehn-
Verantwortung für Gemeindeangelegenheiten
ten mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigten
dispensieren wollen, dann stimmen Sie dem
die Einführung eines Parlaments ab, obwohl
Grossen Gemeinderat zu! Eine politische Mitar-
sich der Gemeinderat, sämtliche politischen
beit in der Gemeinde ist nach Einführung des
Parteien und eine deutliche Mehrheit der Red-
Grossen Gemeinderates nur noch über die Partei-
nerinnen und Redner für die Reform eingesetzt
en möglich. Wer sich keiner Partei anschliesst,
hatten. Ausschlaggebend war dabei weniger die
hat nichts zu melden.» Die direkte Demokratie
Kostenfrage als vielmehr das Bedürfnis der an-
in Form der Gemeindeversammlung dagegen
wesenden Stimmberechtigten, weiterhin aktiv
sei «die älteste und reinste Form der Regierung
an der Gemeindepolitik teilhaben zu können.
durch das Volk. (…) Einigen Progressiven ist
Eine Mehrheit wertete die Abschaffung der Gemeindeversammlung als «Eingriff in die direkte
Demokratie» und lehnte es ab, künftig die politische Mitwirkung an Parlamentsvertreter zu delegieren.
Nach dem klaren Verdikt war die Frage
eines Gemeindeparlaments vorerst vom Tisch.
Als aber 1984 die nächste Revision des Gemeindereglements anstand, war es die SP, die eine neue
Initiative lancierte. Ihr Begehren zur Schaffung
eines Grossen Gemeinderats wurde am 18. März
1985 in der Gemeindeversammlung beraten, und
vieles erinnerte an die Situation elf Jahre zuvor:
Erneut war die Versammlung mit 756 Stimmberechtigten ausserordentlich gut besucht, und
die Argumente von Befürwortern und Gegnern
entsprachen denjenigen in früheren Debatten.
Nur vereinzelt gab es Stimmen, die eine Kompromisslösung anstrebten und Verständnis zeigten
Abb. 22 Flugblatt der Freien Wähler zur
Gemeindeversammlung vom 23. September 1974.
für beide Positionen, so meinte ein Leserbriefschreiber im «AareTal»: «Als Konservativer, der
340
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
nicht Machtstrukturen, sondern geistige Werte
und Ideen wahren will, fällt es schwer, von der
Idee der Gemeindeversammlung abzurücken
(…). Als Progressiver, auf Veränderung bedacht,
erhofft man sich von einer Systemveränderung
politische Vorteile und zollt unserer kleinstädtischen Realität mit komplizierter werdenden Problemen und der Flucht des Einzelbürgers in die
Anonymität den Tribut, indem man ein Gemeindeparlament erneut als organisatorische Verbesserung vorschlägt.»81
Ganz anders als 1974 präsentierten sich
jedoch die politischen Vorzeichen. Alle grossen
politischen Parteien und der Gemeinderat lehnten die SP-Initiative deutlich ab.82 Der Gemein-
Abb. 23 Schreibmaschine von Gemeindeschreiber
Daniel Hügli. Er protokollierte damit während Jahren die
Verhandlungen direkt an der Gemeindeversammlung.
derat begründete seine Ablehnung damit, dass
mit der Abschaffung der Gemeindeversammlung
«eines der elementarsten Freiheitsrechte und damit die direkteste und urtümlichste Demokratie
überhaupt verloren» gehe. An der Gemeindever-
Initiative war insofern erstaunlich, als die For-
sammlung könnten Meinungen unabhängig
derung nach einem vollamtlichen Gemeindeprä-
von Parteigruppierungen vertreten werden, ein
sidenten in der Bevölkerung und bei sämtlichen
Gemeindeparlament dagegen schränke die «freie
Parteien grosse Sympathien genoss.
Meinungsbildung» ein und repräsentiere die Be-
Die Verknüpfung beider Anliegen war es
völkerung wesentlich schlechter als die Teilneh-
wohl auch, die der Schaffung eines Parlaments
menden einer Gemeindeversammlung. Dieser
in Münsingen schliesslich im vierten Anlauf
Ansicht pflichtete auch der frühere Gemeinde-
zum Durchbruch verhalf. Im Rahmen der To-
präsident und damalige Grossrat Rudolf Maurer
talrevision des Gemeindereglements unterbrei-
bei, der feststellte, dass «in Parlamenten oft an
tete der Gemeinderat den Stimmberechtigten
der Meinung des Souveräns vorbeipolitisiert»
am 4. März 2001 zwei Varianten der künftigen
werde und «der Pfahl der Gemeindeversamm-
politischen Organisation: Das erste Modell sah
lung» in Münsingen stark verankert «und für die
die Einführung eines Parlaments mit einem
Stimmung in Münsingen massgeschneidert» sei.
hauptamtlichen Gemeindepräsidium, die zwei-
Am Ende lehnten die Anwesenden die Initiative
te Variante die Beibehaltung des Status quo mit
mit 497 zu 187 Stimmen deutlich ab.
83
Gemeindeversammlung und nebenamtlichem
An dieser Haltung änderte sich auch im
Präsidenten vor. Der Gemeinderat bevorzugte
Juni 1991 nichts, als die Münsingerinnen und
die erste Variante: Trotz geschätzten Mehrkosten
Münsinger eine weitere Initiative der SP für ein
von jährlich 300’000 Franken folgte ihm diesmal
Gemeindeparlament deutlich ablehnten. Dies-
das Stimmvolk und beschloss bei einer Stimmbe-
mal hatten die Initianten ihre Forderung nach
teiligung von gegen 60 Prozent die Einführung
einem Grossen Gemeinderat mit der Einführung
eines Parlaments mit 30 Mitgliedern auf den
eines hauptamtlichen Gemeindepräsidiums ver-
1. Januar 2002. Zudem wurde der Gemeinderat
bunden und argumentiert, dass die «komplexen
auf sieben Mitglieder mit einem hauptamtlichen
und sehr vielfältigen Aufgaben» der Gemeinde
Gemeindepräsidenten an der Spitze reduziert.85
ein Hauptamt erforderlich machten. Gleichzei-
Die ersten Parlamentswahlen am 11. No-
tig müsse aber das «Gleichgewicht zwischen den
vember 2001 bestätigten die bestehenden politi-
demokratischen Kräften» gewahrt werden: «Ein
schen Kräfteverhältnisse in der Gemeinde. Die
Präsidium im Hauptamt mit einer entsprechen-
Freien Wähler konnten einen deutlichen Wahl-
den Aufwertung der Exekutive ist deshalb nur
erfolg feiern und erreichten mit neun Mandaten
angebracht, wenn gleichzeitig auch die Legisla-
fast einen Drittel der Sitze. In die übrigen 21 Sitze
tive gestärkt wird, also das Gemeindeparlament
teilten sich sieben weitere Parteien: Neben den
eingeführt wird.»84 Die klare Ablehnung der
etablierten SP, FDP, SVP und EVP zogen auch die
341
4 Herrschaft und Gemeinde
Frauen in der Gemeindepolitik
Daniel Weber
Abb. 24 FDP-Gemeinderatskandidatin
Silvia Dällenbach im Wahlprospekt
von 1981. Sie wurde im Dezember 1989
erstmals in den Gemeinderat gewählt,
dem sie bis Ende 1997 angehörte.
Das wohl denkwürdigste Wahlergebnis
in der jüngeren politischen Geschichte
verzeichnete Münsingen im Dezember
1993, als mit Silvia Dällenbach (FDP),
Hanni Jordi (EVP), Vroni Mast (FW), Silvia Zurflüh (FW) und Madeleine Ruchti
(SP) gleich fünf Frauen in den Gemeinderat gewählt wurden. Damit stellten
sie während den folgenden vier Jahren
die Mehrheit in der Regierung.86 Während Ruchti und Mast neu gewählt wurden, waren die übrigen drei Gemeinderätinnen bereits seit 1990 im Amt und
hatten dafür gesorgt, dass in der Legislatur 1990–1993 erstmals ein Drittel
der Mandate von Frauen besetzt wurde.
Mit Silvia Dällenbach und Hanni Jordi
konnten zwei von ihnen auf eine mehr
als zehnjährige politische Tätigkeit zurückblicken: Beide hatten bereits bei
den Wahlen 1981 zu den Kandidatinnen
gehört und sich öffentlich für einen verstärkten Einbezug der Frauen bei der
politischen Gestaltung der Gemeinde
stark gemacht.87
Bekanntlich haben Schweizer Bürgerinnen noch bis 1971 kein volles aktives und passives Stimmrecht besessen.
Die Ursache dafür sieht der Historiker
Mario König auch darin, dass die Gemeinden als Wiege der Demokratie zu-
gleich der «Ort hart verteidigter Männerprivilegien» gewesen seien. «Die
Männer sind erst dann bereit, den Frauen politische Mitwirkung in den Gemeinden und Kantonen einzuräumen,
als sie auch willens sind, auf der nationalen Ebene die politische Partizipation
zuzugestehen.»88 Dieser Befund trifft
auf den Kanton Bern insofern nicht zu,
als die Einführung des Frauenstimmrechts bereits 1968 und zunächst auf
kommunaler Ebene erfolgte. Im Februar 1968 wurde eine Änderung des Gemeindegesetzes verabschiedet, das den
Gemeinden die Gewährung des Stimmrechts für Frauen in eigener Kompetenz
ermöglichte. Damit hatte innert knapp
zehn Jahren ein grundsätzlicher Sinneswandel stattgefunden, denn noch im
Februar 1959 gehörte Bern bei der Volksabstimmung über die Einführung des
Frauenstimmrechts in eidgenössischen
Angelegenheiten zu den Kantonen, die
das Anliegen deutlich verwarfen.89
Auch in Münsingen war das Frauenstimmrecht 1959 abgelehnt worden,
lediglich 37 Prozent der stimmberechtigten Gemeindebürger hatten sich für
die volle politische Gleichberechtigung
ausgesprochen. Damit beschränkten
sich die politischen Rechte der Münsingerinnen weiterhin auf die Wählbarkeit
in Gemeindebehörden wie Schul- und
Fürsorgekommissionen, wie sie be-
reits durch das Gemeindegesetz von
1917 grundsätzlich ermöglicht worden
war. In Münsingen arbeiteten Frauen
seit der Zwischenkriegszeit aktiv in den
Gemeindekommissionen mit. Aus einer
kantonalen Erhebung, die der Kanton
1966 im Hinblick auf die Änderung des
Gemeindegesetzes durchführte, geht
hervor, dass in acht verschiedenen
Kommissionen insgesamt 25 weibliche
Mitglieder tätig waren.90 Ausserdem
engagierten sie sich im Gemeinnützigen Frauenverein (seit 1918) und anderen gemeinnützigen Institutionen.
Nach dem positiven Volksentscheid vom Februar 1968 legte der
Gemeinderat die Frage des Frauenstimmrechts umgehend den Stimmberechtigten zum Entscheid vor. Daraufhin kam es in Münsingen am
29.September 1968 zur allerersten Urnenabstimmung über eine Sachvorlage. Sie brachte ein eindeutiges Ergebnis:
Rund 63 Prozent sprachen sich bei einer
erstaunlich niedrigen Beteiligung von
34.9 Prozent für die politische Gleichberechtigung und eine entsprechende Änderung des Gemeindereglements aus.91
Schon bei der kantonalen Abstimmung
hatte Münsingen im Gegensatz zum
Amtsbezirk Konolfingen dem Frauenstimmrecht zugestimmt, wobei das
Resultat wesentlich knapper ausgefallen war.92
80
Abb. 25 Stimmberechtigung in
Münsingen seit 1950. Der Anteil der
Stimmberechtigten an der
Gesamtbevölkerung erreichte 1970
nach der Einführung des Frauenstimmrechts erstmals knapp
50 Prozent. Seither hat sich der Anteil
kontinuierlich erhöht, was unter
anderem auf die Einführung von Stimmrechtsalter 18 im Jahr 1989 zurückzuführen ist.
70
60
50
40
30
20
10
0
1950 1960
1970
342
1980 1990 2000
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
Abb. 26 Links auf dem Bild Alice Joss-
Caprez, die erste Gemeinderätin
von Münsingen, mit ihrem Ehemann
Ulrich und Greti Fischer, Mutter
der späteren Gemeinderätin Silvia
Dällenbach.
Noch deutlicher fiel die Zustimmung der Münsinger Männer zur Einführung des Frauenstimmrechts auf
eidgenössischer Ebene aus: Bei der Abstimmung vom 7. Februar 1971 votierten
mehr als zwei Drittel für die Vorlage.93
Kurz darauf zog mit Alice Joss auch bereits die erste Frau in den Gemeinderat
von Münsingen ein. Joss war bei den
Urnenwahlen 1969 als erste Ersatzkandidatin auf der Liste der FDP gewählt
worden, und als Franz Bieri Ende 1972
aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten musste, rückte sie nach und
übernahm am 1. Januar 1973 das Fürsorgeressort.
Die damals 50-jährige Alice Joss
war in Baden aufgewachsen und
1949 mit ihrem Ehemann Ulrich nach
Münsingen gezogen. Grund für den Zuzug war die Arbeit ihres Mannes, der bis
zu seinem Unfalltod im Januar 1968 als
Redaktor der «Emmentaler Nachrichten» tätig war. Durch seine journalistische Tätigkeit kam Alice Joss auch mit
der Frage der politischen Gleichberechtigung in Berührung, und nachdem die
Gemeinde Münsingen 1968 dem Frau-
enstimmrecht zugestimmt hatte, trat
sie auf Anfrage der Partei in die FDP
ein. «Es hiess, wir Frauen sollten uns
zusammenschliessen. Deshalb bildeten wir eine Frauengruppe», erinnerte
sich Alice Joss in einem Gespräch 2005.
«Ich wurde Präsidentin der FDP-Frauengruppe. Wir organisierten Anlässe,
engagierten Redner. (…) Auf die Wahlen 1969 hiess es, wenn wir schon das
Frauenstimmrecht auf Gemeindeebene
hätten, müssten auch Frauen kandidieren. Viele Frauen wehrten ab. Ich fand,
Frauen müssten kandidieren und liess
mich aufstellen.»94
Die Zusammenarbeit mit den
männlichen Kollegen im Gemeinderat
funktionierte gut. «Im Gemeinderat
wurde ich gut aufgenommen. Wir hatten ein gutes Verhältnis», stellte Alice
Joss rückblickend fest. Auch ihre Arbeit
als Gemeinderätin wurde offenbar von
der Bevölkerung und den Parteien geschätzt, 1973 und 1977 wurde sie zweimal klar und als einzige Vertreterin der
FDP wieder gewählt.95
343
4 Herrschaft und Gemeinde
an die freisinnige Kristiina Peter, womit die FDP
nach vier Jahren Absenz wieder in die Exekutive
einzog. Die drei Mitglieder Josefa Barmettler (SP),
Antonio Bauen (GFL) und Hans Rothen (SVP) wurden für eine zweite Amtsperiode gewählt, Alfred
Steiner (EVP) übernahm den Sitz von Parteikollege Kurt Möri.97 Diese Sitzverteilung wurde bei
den Wahlen 2009 bestätigt: Die sechs wählerstärksten Parteien besetzen weiterhin je einen
der nebenamtlichen Gemeinderatssitze.98
Den
hauptamtlichen
Gemeindepräsi-
denten stellen seit der Organisationsreform 2001
Abb. 27 Das Münsinger Gemeindeparlament im Jahr 2004.
Das Gremium trifft sich jährlich rund sechsmal und
beschliesst über Budget und Rechnung der Gemeinde,
erlässt kommunale Reglemente und genehmigt
einmalige Kredite von mehr als 200’000 Franken.
die Freien Wähler in der Person von Erich Feller,
der seit 1985 als Finanzverwalter der Gemeinde
tätig gewesen war und die Wahl im November
2001 gegen Ulrich Dubs gewann. Als Ziele seiner Tätigkeit nannte Feller nach der Wahl ein
gemässigtes Wachstum der Gemeinde, die mög-
seit 1994 bestehende Grüne Freie Liste (GFL) mit
lichst wirtschaftliche Führung der Verwaltung
vier Sitzen, die Eidgenössisch-Demokratische
und die Schaffung von «Offenheit und Transpa-
Union (EDU) und das Easy Bündnis (EB) mit je
renz».99 Seither wurde er zweimal in stiller Wahl
einem Sitz in die neue Legislative ein.
30
96
Bei den
bestätigt, letztmals im November 2009. Bei den
Wahlen 2005 allerdings mussten die Freien Wäh-
gleichzeitigen Parlamentswahlen mussten die
ler einen herben Verlust einstecken und verloren
Freien Wähler dagegen eine Niederlage hinneh-
gleich drei Mandate. Sie wurden allesamt von der
men, sie verloren fast fünf Prozent Stimmen-
FDP gewonnen, die neu ebenfalls sechs Sitze be-
anteil. Ihren Platz als wählerstärkste Partei im
setzte.
Parlament übernahmen die Grünen, die fünf
Bei der Zusammensetzung des Gemein-
Parlamentsmitglieder stellen. Neu vertreten ist
derats zeigte sich das gleiche Bild: 2001 gewannen
die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP), die
die Freien Wähler als einzige Partei zwei Manda-
sich von der SVP abspaltete und auf Anhieb zwei
te, 2005 aber verlor Senta Scheidegger ihren Sitz
Mandate gewann.
EDU (1)
FW
BDP (2)
25
EVP (3)
20
SVP (4)
FD
P
Grüne (5)
FDP (5)
Grüne
SP
15
SP (5)
SVP
10
EVP
5
EDU
Abb. 29 Sitzverteilung im Parlament nach den Wahlen
2009: Die vier stärksten Parteien Grüne, FDP, SP und FW
besetzen je fünf Sitze.
0
2001
FW (5)
2005
2009
Abb. 28 Ergebnisse der Parlamentswahlen 2001–2009.
Die Wahlergebnisse der Freien Wähler zeigen einen
deutlichen Abwärtstrend, während die übrigen Parteien
ihren Wähleranteil halten oder leicht erhöhen konnten.
344
4.3 Gemeindepolitik und politischer Alltag im 20. Jahrhundert
1 Gesetz über die Organisation und die Geschäftsführung der Gemeindebehörden vom
20. Dezember 1833, S. 264–283. Siehe dazu
auch: [Strahm 1971], S. 128. [Arn 1992], S. 35–36.
2 AEGM VP: Protokoll GV vom 25.3.1901, S. 205.
3 Siehe dazu: AEGM 15/1: [OVR] vom 14.8.1901,
Art. 83–97.
4 Siehe dazu: [OVR] 1901, Art. 12 und 16.
5 AEGM 15/1: Besoldungsregulativ der Einwohnergemeinde Münsingen vom 19.12.1921.
6 AEGM VP: Protokoll GV vom 2.12.1901, S. 332.
Gemeindepräsident Bendicht Schüpbach
erhielt 81 von 84 gültigen Stimmen.
7 [OVR] 1901, Art. 50 und 85. Die umfangreiche
Korrespondenz des Gemeinderats vermittelt
einen Eindruck seines breiten Tätigkeitsfelds,
siehe dazu: HAM 2, Korr. GR 1912–1937.
8 Siehe dazu: [Hug 2004], S. 23.
9 Zu den Wahlergebnissen siehe: AEGM VP:
Protokolle GV vom 7.12.1903, S. 42 und vom
18.12.1911, S. 405. Burkhard Fischer gewann
die Wahl mit 119 zu 59 Stimmen.
10 AEGM VP: Protokoll GV vom 18.12.1911, S. 408.
11 Siehe dazu: [Tanner 1998], S. 71–72.
[Weber 2005], S. 296. Die Voraussetzungen für
die Stimmberechtigung in der Gemeinde
Münsingen ergaben sich aus Art. 3 des [OVR]
1901.
12 BAK B 21: Kreisschreiben des Regierungsrats
vom 11.5.1915 betreffend Gemeindestimmrecht.
13 Die Zahl der Stimmberechtigten ist (nicht
lückenlos) in den Protokollen der Gemeindeversammlungen verzeichnet. In der Gemeinde
Worb stieg die Anzahl der Stimmberechtigten
1915 um mehr als 400 Personen und der Anteil
an der Gemeindebevölkerung auf rund 25
Prozent, siehe dazu: [Weber 2005], S. 296.
14 Gesetz über das Gemeindewesen vom
9. Dezember 1917, siehe dazu: [Arn 1992],
S. 37–38.
15 HAM 2, Korr. GR 1920, Nr. 228: Kreisschreiben
vom 15.7.1920.
16 AEGM VP: Protokoll GV vom 18.12.1920, S. 16–17.
17 Siehe dazu: [OVR] vom 10.5.1920, Art. 7, 17–18
sowie 32–38. Die Formulierung betreffend
Minderheitenschutz wurde vom Gemeindegesetz zwingend vorgeschrieben.
18 AEGM 15/1: Regulativ betreffend die Urnenwahlen in der Einwohnergemeinde Münsingen vom 9.11.1925, Art. 8–10. Die Genehmigung erfolgte mit 59 zu 14 Stimmen. Parallel
dazu wurde ein überarbeitetes Gemeindereglement verabschiedet. Siehe dazu:
AEGM VP: Protokoll GV vom 9.11.1925, S. 97.
19 Die Bauern- und Bürgerpartei Münsingen
(BBP) gehörte zur kantonalen Bauern-,
Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), die sich 1918
von der FDP abgespaltet hatte. 1971 wurde die
BGB in Schweizerische Volkspartei SVP
umbenannt. In Münsingen trat die Partei bis
Ende der 1950er-Jahre als BBP, dann
kurzzeitig als BGB und ab 1971 als SVP auf.
20 HAM 2, Korr. GR 1926, Nr. 314: Eingabe vom 10.11.1926.
21 AEGM VP: Protokoll GV vom 29.11.1926, S. 117.
22 AEGM VP: Protokoll GV vom 29.11.1926, S. 118–119.
Die 257 Anwesenden entsprachen 35.1 Prozent der
Stimmberechtigten.
23 385 der insgesamt 468 Wähler stimmten für Blatt
(= 82.3 Prozent). Siehe zu den Wahlresultaten: HAM 2,
Korr. GR 1926, Nr. 353: Abstimmungsprotokoll vom
4./5.12.1926.
24 AEGM VP: Protokolle GV vom 5.9.1927 und vom
26.10.1927, S. 136–141.
25 HAM 2, Korr. GR 1933, Nr. 552: Wahlprotokoll vom
9.12.1933. Stucki war erst an der Wahlversammlung
vom 27.11.1933 vorgeschlagen worden.
26 AEGM VP: Protokoll der Wahlversammlung vom
27.11.1933, S. 982.
27 HAM 2, Korr. GR 1941, Nr. 689: Auszug aus dem Protokoll
des Regierungsrats vom 2.10.1942 und Nr. 765:
Schreiben der pol. Arbeitsgemeinschaft der Jungbauern
vom 13.12.1941.
28 HAM 2, Korr. GR 1942, Nr. 758: Wahlprotokoll vom
13.12.1942.
29 HAM 2, Korr. GR 1945, Nr. 1837–1841: Flugblätter der
Jungbauern und der SP zu den Gemeindewahlen vom
8./9.12.1945.
30 HAM 2, Korr. GR 1945: Wahlprotokoll vom 8./9.12.1945.
Bei den Grossratswahlen 1946 erreichten die Jungbauern
9.7 Prozent der Stimmen und ein Mandat, siehe dazu:
[Waber 1999], S. 93.
31 AEGM VP: Protokoll GV vom 8.9.1919, S. 432.
32 HAM 2, Korr. GR 1943, Nr. 1398: Schreiben der FDP
vom 6.12.1943.
33 [Weber 2005], S. 298. Zur Einführung des Proporzwahlrechts auf kantonaler Ebene siehe: [Junker 1996],
S. 183–187.
34 AEGM VP: Protokoll GV vom 5.4.1948, S. 6–11.
35 AEGM VP: Protokoll GV vom 15.10.1951, S. 126.
36 Siehe zur politischen Entwicklung in der Schweiz
ab 1935: [König 1998a], S. 52–60.
37 [König 1998a], S. 76.
38 AEGM 15/3: Rücktrittsschreiben Herbert Fischer vom
1.9.1969.
39 AEGM 15/3: Beamtenkontrolle Nr. 4.
40 Siehe dazu die Nominationen der SP für die Urnenwahlen vom Dezember 1959, in: AEGM 15/3: Schreiben
der SP vom 7.11.1959.
41 HAM 2, Korr. GR 1945, Nr. 1839: Wahlvorschlag der FDP.
42 AEGM 15/3: Schreiben Paul Schärer vom 22.12.1948.
Schärer wurde mit 300 von 448 gültigen Stimmen
gewählt. Siehe dazu: AEGM 1/3/2: Wahlprotokoll vom
18./19.12.1948.
43 AEGM 15/3: Wahlen und Demissionen GR 1947–1982.
44 AEGM 15/3: Protokoll der Besprechung mit Parteien und
Wahlgruppen vom 26.10.1966.
45 [TN] vom 12.12.1966, S. 7. Maurer gewann die Wahl mit
499 gegen 369 Stimmen (=57.5%), siehe dazu:
AEGM 1/3/2: Wahlprotokoll vom 11.12.1966.
46 SMM Inv.Nr. 20074: Gemeindewahlen. SMM Inv.Nr.
21986.15: [Gemeindeblatt], Nr. 15, Juni 1986, S. 2.
47 [Joss 1966], S. 12.
48 AEGM VP: Protokoll Wahlversammlung vom 20.11.1967,
S. 134.
345
4 Herrschaft und Gemeinde
49 AEGM 15/3: Wahlprotokoll vom 3.12.1967, S. 1.
50 AEGM 15/3: Schreiben der SP an den GR vom 14.11.1967.
51 AEGM VP: Protokoll der Wahlversammlung vom
20.11.1967, S. 136.
52 AEGM VP: Protokoll GV vom 13.10.1969, S. 37. AEGM 1/3/2:
Abstimmungsprotokoll vom 4.5.1969.
53 AEGM 1/3/2: Wahlergebnisse vom 7.12.1969.
54 AEGM 1/3/2: Wahlergebnisse vom 3.12.1973. Siehe auch:
[TN], 23.11.1973, S. 13.
55 AEGM 15/3: Schreiben Ernst Eggimann vom 8.12.1973.
56 Die Bezeichnung «Freie Wähler» wurde bei den Wahlen
1967 erstmals offiziell verwendet. Als Gründungsjahr bezeichnen die FW aber das Jahr 1926: [Pro Info 2008], S. 83.
57 AEGM VP: Protokoll Wahlversammlung vom 20.11.1967,
S. 134–135.
58 Batt gewann die Wahl gegen den offiziellen SP-Kandidaten Werner Zysset mit 536 zu 301 Stimmen, siehe
dazu: AEGM 15/3: Wahlprotokoll vom 3.12.1967. [TN]
vom 4.12.1967, S. 4.
59 AEGM 15/3: Schreiben der GJM vom 22.1.1968.
60 SMM Inv.Nr. 27049.01: Don Quichotte Nr. 1 vom 1.8.1974,
S. 4. Zur Studentenbewegung in Bern siehe: [Schär 2008].
61 Einen Überblick über die «neuen sozialen Bewegungen»
in der Schweiz gibt: [König 1998b].
62 SMM Inv.Nr. 27049.06: Don Quichotte Nr. 6 vom August
1976, S. 35. Für die folgenden Abschnitte siehe: S. 32–39.
63 Der Name AYNIL ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben
des Songs «All you need is love» von den Beatles aus dem
Jahr 1967.
64 Siehe dazu: SMM Inv.Nr. 27050.01: Jugendbericht vom
Mai 1983, S. 1–4.
65 AEGM 15/3: Wahlergebnis vom 29.11.1981.
66 SMM Inv.Nr. 27050.01: Jugendbericht vom Mai 1983,
S. 38–57.
67 SMM Inv.Nr. 27050.04: [VJA 2004], S. 10. In der Broschüre
findet sich eine Reihe von Interviews mit früheren
Aktivisten, siehe dazu S. 9–18.
68 Siehe dazu und zu den Wahlen 1977–1993: SMM Inv.Nr.
20074: Gemeindewahlen. Übersicht über die Ergebnisse
1973–1993, in: SMM Inv.Nr. 21993.42: [Gemeindeblatt],
Nr. 42, Dezember 1993, S. 10.
69 SMM Inv.Nr. 20074: BN vom 16.12.1977, S. 15. Siehe auch:
SMM Inv.Nr. 24016: Gespräch mit Anton Dubach vom
19.5.2005.
70 SMM Inv.Nr. 21986.14: [Gemeindeblatt], Nr. 14, März
1986, S. 1.
71 SMM Inv.Nr. 21993.42: [Gemeindeblatt], Nr. 42,
Dezember 1993, S. 4.
72 [Waber 1999], S. 95. Mit 5398 Stimmen erzielte Lüthi das
mit Abstand beste Resultat der 11 Grossrätinnen und
Grossräte aus dem Amt Konolfingen.
73 Siehe für das Folgende: SMM Inv.Nr. 24025: Gespräch
mit Heinrich Schnyder vom 11.10.2005. Seine parlamentarische Tätigkeit ist zusammengefasst in: SchwandMitteilungen. Sonderausgabe vom Januar 1993, S. 13–14.
74 [Gemeindeblatt], Nr. 29, Juni 1990, S. 1–2. Eine Liste
sämtlicher Regierungsräte seit 1846 findet sich in:
Staatskalender des Kantons Bern 2008/09, S. 33–37,
abrufbar unter www.be.ch.
75 [EN 1958], S. 5.
76 SMM Inv.Nr. 20076: Botschaft GR an die
Stimmberechtigten vom 24.4.1972, S. 4.
Der Besuch der Gemeindeversammlungen
lag bei durchschnittlich 5–7 Prozent.
77 AEGM VP: Protokoll GV vom 24.4.1972,
S. 168–170.
78 [Aaretal], Nr. 29, August 1974, S. 1–3.
79 SMM Inv.Nr. 20076: Flugblatt der FW vom
September 1974.
80 Siehe dazu und zum folgenden Abschnitt:
AEGM VP: Protokoll GV vom 23.9.1974,
S. 72–89.
81 Leserbrief, in: [Aaretal], Nr. 148, Februar 1985,
S. 3.
82 Siehe dazu BZ vom 12.3. und vom 16.3.1985.
83 AEGM VP: Protokoll GV vom 18.3.1985,
S. 90–107.
84 AEGM (Prä): Botschaft des GR vom 2.6.1991,
S. 7. AEGM 1/3/2: Abstimmungsergebnis vom
2.6.1991.
85 AEGM (Prä): Abstimmungsergebnis vom
4.3.2001. Die Variante mit Parlament wurde
mit 2’148 Ja gegen 1’492 Nein (=59.0 Prozent)
angenommen.
86 SMM Inv.Nr. 21993.42: [Gemeindeblatt],
Nr. 42, Dezember 1993, S. 5–9. Da 1997 nur
Madeleine Ruchti nochmals antrat,
währte die Frauenmehrheit allerdings nur
eine Amtsdauer.
87 Siehe dazu: [Aaretal], Nr. 108, Dezember 1981,
S. 3–4.
88 [König 1998a], S. 84.
89 Zur Einführung des Frauenstimmrechts auf
kantonaler Ebene siehe: [Junker 1996],
S. 207–210. Zum Abstimmungsresultat vom
1.2.1959 im Kanton Bern und in Münsingen
siehe: Liste der Abstimmungsresultate
1945–2008, Abst.Nr. 191.
90 AEGM 1/3/2: Erhebung der Direktion des Gemeindewesens des Kantons Bern vom 4.3.1966.
91 AEGM 1/3/2: Abstimmungsprotokoll vom
29.9.1968.
92 [TN] vom 19.2.1968, S. 5. Die Vorlage erreichte
52.3 % Ja-Stimmen.
93 Siehe zum Resultat der Volksabstimmung
vom 7.2.1971: Liste der Abstimmungsresultate
1945–2008, Abst.Nr. 224.
94 SMM Inv.Nr. 24019: Gespräch mit Alice
Joss-Caprez vom 3.8.2005, S. 3.
95 AEGM 1/3/2: Wahlergebnisse vom 2.12.1973
und vom 4.12.1977.
96 Zu den Wahlergebnissen siehe: BZ vom
12.11.2001, S. 22. Zur Geschichte der GFL und
der EDU: [Pro Info 2008], S. 81–83.
97 Wahlergebnisse 2005 in: SMM Inv.Nr.
22005.04: [Münsinger Info], Nr. 4/2005,
S. 8–18.
98 Zu den Ergebnissen der Gemeindewahlen vom
1.11.2009 siehe: Der Bund vom 2.11.2009, S. 25.
99 Interview mit Erich Feller, in: BZ vom 13.11.2001,
S. 29.
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