Verschränkung - Institut für Theoretische Physik

Werbung
Verschränkung
von Kay-Sebastian Nikolaus,
Seminar Quantenmechanik am 24. Oktober 2014 bei Prof. Dr. Wolschin
Inhaltsverzeichnis
1 Definition und Allgemeines
2
2 Historische Hintergründe, Probleme
2.1 Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Erklärung, Bell’sche Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . .
2.3 Informationsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
4
6
3 Verschränkte Systeme
3.1 Erzeugung . . . . . .
3.2 Qubit . . . . . . . .
3.3 No-Cloning-Theorem
3.4 Anwendungen . . . .
7
7
7
7
8
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
4 Quellen
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
10
1
1
Definition und Allgemeines
Verschränkte Zustände sind nicht separabel, d.h. nicht in einzelne Wellenfunktionen |φi , |χi zerlegbar. Daher gilt für einen verschränkten Zustand
|Ψi:
|Ψi =
6 |φi |χi.
Etwas allgemeiner:
|Ψi =
P
cij |ii |ji.
i,j
Hierbei bezeichnet cij ein Matrixelement und |ii bzw. |ji Vektoren eines
Hilbertraumes.
Lässt sich nun cij nicht in ai bj zerlegen, so handelt es sich um einen verschränkten Zustand, also
cij |ii |ji =
6 ai bj |ii |ji.
Ein einfaches Beispiel für einen verschränkten Zustand wäre folgendes:
|Ψi =
√1 (|0i |0i
2
+ |1i |1i).
Man sieht leicht: Wäre |Ψi = |φi |χi, so ließe sich |φi schreiben als
|φi = a |0i + b |1i, ebenso |χi = c |0i + d |1i mit komplexen Zahlen a, b, c, d.
Multipliziert man nun die beiden Gleichungen miteinander, so ergibt sich
|Ψi = ac |0i |0i + bc |1i |0i + ad |0i |1i + bd |1i |1i
Durch Koeffizientenvergleich erhält man die Bedingungen
ac = √12 , bc = 0, ad = 0 und bd = √12
Aufgrund der Nullteilerfreiheit komplexer Zahlen stellt dies einen Widerspruch dar, folglich lässt sich |Ψi nicht wie gewünscht aufteilen.
Bei verschränkten Teilchen sind die Messungen bestimmter Observablen
korreliert, d.h. misst man bei Teilchen 1 einen bestimmten Wert, so hat
dies direkte Auswirkungen auf Teilchen 2, welches sofort ebenfalls einen bestimmten Wert annimmt. Diese Verbindung ist dabei nichtlokal, die beiden
Teilchen können beliebig weit voneinander entfernt sein, sodass sie nach der
klassischen Physik in keinem kausalen Kontakt miteinander stehen. Dies
führte zu einigen interessanten Einsichten, aber auch heftigen Diskussionen.
2
2
2.1
Historische Hintergründe, Probleme
Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon
Schwabl: Quantenmechanik
Abbildung 1: EPR-Versuch
Hierbei handelt es sich um ein sehr berühmt gewordenen Gedankenexperiment. Man betrachte eine Quelle, welche zwei verschränkte Teilchen produziert, beispielsweise Photonen mit verschränkter Polarisation (siehe Abbildung 1) und der gemeinsamen Funktion |Ψi = √12 (|0i |0i+|1i |1i), wobei z.B.
|0i = 0◦ und |1i = 90◦ . Diese Eigenschaft kann nun mit Hilfe der Polarisatoren bestimmt werden. Misst man nun für Photon 1 eine Polarisationsrichtung
von 0◦ , so ist Photon 2 um 90◦ polarisiert und umgekehrt. Projektiert man
also einen Messzustand h0| auf die Wellenfunktion |Ψi = √12 (|0i |0i+|1i |1i),
so ergibt sich:
h0|Ψi = √12 h0| (|0i |0i + |1i |1i)
=
=
=
√1 (h0|0i |0i
2
√1 h0|0i |0i
2
√1 |0i.
2
+ h0|1i |1i)
Diese Erkenntnis führte zu heftigen Debatten in der Physik. Einstein bezeichnete den Effekt als “spukhafte Fernwirkung“ und lehnte vieles der
Quantentheorie ab, da die Verschränkung direkt aus ihr folgt. Er befürchtete unter anderem Widersprüche zur Relativitätstheorie, da es scheinbar eine
überlichtschnelle Informationsübertragung zwischen verschränkten Teilchen
gibt. Seiner Ansicht nach, war die Quantentheorie unvollständig, er vermutete die Existenz versteckter Parameter, welche die Eigenschaften wie Polarisation bereits vor der Messung festsetzen und durch den Experimentator
nicht messbar sind.
Mittlerweile ist es möglich gewesen, dieses Gedankenexperiment auch praktisch durchzuführen, teils in einer etwas abgewandelten Form, folglich gibt
es tatsächlich experimentelle Bestätigungen.
Auf theoretischer Seite machten sich einige Physiker ans Werk das Rätsel
um die versteckten Parameter und die Korrektheit der Quantentheorie zu
lösen, einer von ihnen war John Steward Bell.
3
2.2
Erklärung, Bell’sche Ungleichungen
Im Folgenden soll eine einfache Form der Bell’schen Ungleichung (1964, “On
the EPR paradox“, Physics 1 (3) 195-200) vorgestellt werden (siehe Schwabl,
Quantenmechanik, Springer Verlag, Seite 400ff). Dabei gehe man von zwei
verschränkten Teilchen T1 und T2 aus, welche sich eine Funktion
|Ψi =
√1 (|0i |1i
2
+ |1i |0i).
teilen. Weiterhin sei
N (α, β) = 41 (1 − n̂α · n̂β )
die relative Zahl der Versuchsausgänge, bei denen T1 bei α und T2 bei β
positiv gemessen wird.
Durch die koplanaren Polarisatoren lässt sich dieser Ausdruck vereinfachen
zu:
N (α, β) =
1
2
· sin2 ( β−α
2 ).
Diese Formel ergibt sich aus einer quantenmechanischer Betrachtung.
Nun gehe man davon aus, dass versteckte Parameter existieren. Somit gelte
nun weiterhin
N (α, β) = N (αγ, β) + N (α, βγ).
N (αγ, β) bezeichne die relative Zahl der Teilchenpaare, mit einer positiven Messung von T1 bei α und γ sowie einer negativen bei β. Existieren
versteckte Parameter, so existieren auch diese Informationen. Weiterhin gilt:
N (αγ, β) ≤ N (γ, β),
denn N (γ, β) = N (αγ, β) + N (γ, βα), alle Summanden sich nicht-negativ,
N (α, γβ) ≤ N (α, γ) analog.
Daraus folgt:
N (α, β) ≤ N (α, γ) + N (γ, β).
Diese Ungleichung wird von der Quantenmechanik verletzt, was widerlegt,
dass versteckte Parameter vorhanden sind. Die Quantenmechanik ist bereits
vollständig beschrieben, sie ist weder “real“ noch “klassisch“. Eine Messung
misst nicht bereits vorhandene Werte, sondern legt die Werte überhaupt erst
4
Fest. Vor der Messung waren diese nicht existent.
Man betrachte folgendes Beispiel:
α = 0◦ , β = 90◦ , γ = 45◦
Aus der Quantenmechanischer Theorie folgt:
N (α, β) = 12 · sin2 (45◦ ), N (α, γ) = 12 · sin2 (22, 5◦ ), N (γ, β) = 21 · sin2 (22, 5◦ ).
Eingesetzt in die Bell’sche Ungleichung ergibt sich:
sin2 (45◦ ) ≤ 2 · sin2 (22, 5◦ )
⇔ 0, 5 ≤ 0, 29.
Man erhält offensichtlich einen Widerspruch, die Ungleichung wird folglich
verletzt, die Annahme versteckter Parameter ist falsch.
Schwabl: Quantenmechanik
Abbildung 2: Vergleich Ungleichung und QM
Auf der linken Seite von Abbildung 2 ist ein Vergleich zwischen der Korrelation aus der Bell’schen Ungleichung und der Quantentheorie zu sehen. Rechts
experimentelle Ergebnisse von Lamehi-Rachti und Mittig im Verlgeich mit
der Quantentheorie und der Bell’schen Ungleichung. Für den Versuch wurden Protonen verwendet.
5
Alain Aspect: From Einstein’s questions to Quantum bits: a new quantum era?
Abbildung 3: Experiment von Grangier und Roger
Abbildung 3 zeigt die Ergebnisse eines Versuchs von Grangier und Roger mit
Photonen aus dem Jahr 1982. Man kann deutlich erkennen, die die Quantenmechanischen Resultate die Bell’schen Ungleichung verletzen.
2.3
Informationsübertragung
Es stellt sich nun die Frage, ob über die Verschränkung zweier Teilchen Informationen mit Überlichtgeschwindigkeit übertragen werden können. Wenn
auch verständlich, ist die Vermutung falsch, es können keine Informationen
übertragen werden. Man erfährt nur etwas über das Teilchen, das man vor
Ort gemessen hat. Um zu wissen, was mit dem anderen geschehen ist, muss
man dies über eine klassische Leitung in Erfahrung bringen. Es gibt entsprechend keinen Widerspruch zu Einsteins Relativitätstheorie.
6
3
Verschränkte Systeme
3.1
Erzeugung
Hier werden kurz drei Beispiele zur Erzeugung verschränkter Teilchen vorgestellt.
1. Nichtlinear optische Kristalle:
Ein Photon hoher Energie erzeugt im Kristall zwei verschränkte
Photonen halber Energie.
2. Anregung bestimmter Atome mit einem Laser:
Es werden zwei Photonen bei der Rückkehr in den Grundzustand
emittiert.
Beide Verfahren haben die Gemeinsamkeit, dass Photonen erzeugt werden,
die bezüglich ihrer Polarisation verschränkt sind.
3. Hochangeregtes zweiatomiges Molekül mit Gesamtspin Null:
Zerfall in zwei Atome mit entgegengesetztem Spin.
3.2
Qubit
Hierbei handelt es sich um einen Vektor in einem zweidimensionalen Hilbertraum mit den Basisvektoren |0i und |1i. Ein Qubit lässt sich allgemein
schreiben als
|ψi = α |0i + β |1i.
Ein Qubit ist also kein reiner Zustand “0“ oder “1“ wie man ihn von klassischen Bits kennt, sondern eine Linearkombination zweier Zustände.
3.3
No-Cloning-Theorem
Das No-Cloning-Theorem besagt, dass es unmöglich ist, einen Qubit perfekt
auf einen anderen zu kopieren. Es treten dabei Fehler auf und der originale
Qubit wird verändert.
Instruktiv ist hierbei folgende Betrachtung:
|φo1 i |φc0 i → |φo1 i |φo1 i
N
N
|φo2 i |φc0 i → |φo2 i |φo2 i
N
N
|φo3 i |φc0 i → |φo3 i |φo3 i
N
N
Dabei ist |φoi i das zu kopierende Original und |φc0 i eine “Blankofunktion“ in
einem anderen Hilbertraum, auf die das Original kopiert (projektiert) werden soll.
Definiert man nun |φo3 i also folgende Linearkombination der ersten beiden
Zustände,
7
|φo3 i :=
√1 (c1 |φo i
1
2
+ c2 |φo2 i),
so folgt aus der Linearität
|φo3 i
N
|φc0 i →
N o
√1 (c1 |φo i
|φ1 i
1
2
+ c2 |φo2 i
N
|φo2 i).
Dies ist offensichtlich nicht die exakte Kopie von |φo3 i, zu erwarten wäre:
N c
√1 (|c1 φo i + c2 |φo i)
|φ0 i
1
2
2
→
N 1
√1 (c1 |φo i + c2 |φo i)
√ (c1 |φo i + |c2 φo i).
1
2
1
2
2
2
Der erzeugte Widerspruch beweist das Theorem.
3.4
Anwendungen
Hier werden drei mögliche Anwendungen der Quantenverschränkung vorgestellt
1. Quantenteleportation:
Auch wenn es zunächst anders klingen mag, ist hier eine klassische Leitung
notwendig. Man betrachte einen Sender (Alice) und einen Empfänger (Bob),
welche über eine gemeinsame Funktion miteinander verschränkt sind (siehe Abbildung 4). Alice besitzt einen Qubit, welchen sie Bob schicken will.
Jedoch sind sie nur über eine klassische Leitung miteinander verbunden,
einen Quantenzustand kann sie folglich nicht verschicken. Eine Messung des
Qubits würde dazu führen, dass er auf einen bestimmten Zustand projektiert wird und somit Informationen verloren gehen. Nun ist Alice jedoch
mit Bob verschränkt. Sie misst ihren Teil des Qubits, während Bob folglich
durch die Verschränkung einen anderen Teil erhält. Durch Austausch über
eine klassische Leitung können sie nun gemeinsam den Qubit rekonstruieren
und dabei die Koeffizienten α und β bestimmen.
Abbildung 4: Quantenteleportation
8
2. Quantenkryptographie:
Dies ist eine ähnliche Situation wie zuvor. Nur möchte Alice diesmal ihren
Qubit (Nachricht M) nicht über öffentlich senden, sodass ihn jeder abfangen
kann (siehe Abbildung 5). Dazu verwendet sie einen Schlüssel K, welchen
auch Bob kennt. Dabei wird der Schlüssel mit Hilfe der Verschränkung von
Alice und Bob erzeugt. Sie versendet also die Nachricht M’=M+K, sodass
Bob die Nachricht M=M’-K entschlüsseln kann. Versucht nun ein Abhörer
)(Eve) dazwischenzuschalten, verursacht dies Fehler bei der Übertragung.
Die Nachricht kann aufgrund des No-Cloning-Theorems nicht exakt kopiert
werden und die Bell’schen Ungleichungen werden verletzt. Alice und Bob
können diese Fehler detektieren, sie befinden sich in einem maximal verschränkten Zustand, Eve kann nicht ebenfalls korreliert sein.
Abbildung 5: Quantenkryptographie
3. Quantencomputer:
Anstelle klassischer Bits verwendet ein Quantencomputer ein Ensemble an
verschränkten Qubits. Dazu benötigt er neuartige Algorithmen, die auf der
Quantenmechanik basieren. Diese neuen Computer hätten theoretisch eine
enorme Rechenleistung, so hätte ein Hilbertraum N verschränkter Qubits
die Dimension 2N , die Leistung wächst also exponentiell und eine Parallelisierung vieler Prozesse wäre möglich. Dadurch würden beispielsweise diverse
Kryptographieverfahren unnütz, da ihre Verschlüsselung unter anderem darauf beruht, dass der Aufwand für das Knacken des Schlüssels exponentiell
anwächst. Allerdings ist die Realisierbarkeit von Quantencomputer heutzutage noch sehr problematisch, so ist die Erhöhung der Anzahl verschränkter
Qubits noch sehr schwer. Tatsächlich hat die Forschung auf diesem Gebiet
in den letzten Jahren sehr große Fortschritte gemacht. So ist es bereits im
Labor möglich gewesen unter bestimmten Bedingungen einen kleinen Quantencomputer zu betreiben. Von einer Marktreife ist dies jedoch noch weit
entfernt.
9
4
Quellen
Eleni Diamanti: Quantum entanglement: a unique resource for communication and computation tasks (ICNFP, Kolymbari, Crete, Greece August 28
− September 5, 2013)
Alain Aspect: From Einstein’s questions to Quantum bits: a new quantum
era? (ASIAA/CCMS/IAMS/LeCosPA/NTUPhysics Joint Colloquium, Taipei, September 16 2014)
Franz Schwabl: Quantenmechanik, 7. Auflage, Springer Verlag
Florian Scheck: Quantum Physics, Springer Verlag
http://de.wikipedia.org/wiki/Quantenverschränkung (abgerufen am 18. Oktober 2014)
http://de.wikipedia.org/wiki/Quantenteleportation (abgerufen am 19. Oktober 2014)
http://de.wikipedia.org/wiki/No-Cloning-Theorem (abgerufen am 19. Oktober 2014)
http://de.wikipedia.org/wiki/Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon (abgerufen am 18. Oktober 2014)
10
Herunterladen