Mythos einer Schlacht - Medienagentur Geschichte

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DEUTSCHE GESCHICHTE
Mythos einer Schlacht
Arminius’ Triumph, Varus’ Untergang: Wie der Sieg der
Germanen über die Römer vor 2000 Jahren die deutsche
Geschichte bestimmt hat – bis zum heutigen Tag
VON Tillmann
Bendikowski | 04. November 2008 - 13:21 Uhr
An diesen Tagen soll es fürchterlich geregnet haben. Angeblich. Vielleicht war das
aber auch nur eine wohlfeile Ausrede. Denn die brauchte das mächtige Rom nach der
Katastrophe im fernen Germanien, die wir heute als Varusschlacht bezeichnen: Eine
imposante Armee von drei Legionen mit über 15000 Kämpfern war in den letzten
Septembertagen des Jahres 9 nach Christus in einen Hinterhalt gelockt und in mehreren
zermürbenden Schlachten vernichtend geschlagen worden. Hinterlist und Verrat hätten die
tapferen römischen Legionäre das Leben gekostet, hieß es bald. Und dann noch der starke
Regen: Die völlig durchnässten Soldaten hätten weder Ausrüstung noch Waffen richtig
nutzen können, auf den aufgeweichten unbefestigten Wegen Germaniens den Halt unter
den Füßen verloren und seien so leichte Opfer der Germanen geworden.
Was damals wirklich geschah, darüber geben die antiken Quellen zwar nur spärlich
Auskunft. Zumindest aber das angeblich schlechte Wetter dürfte für den Untergang
der römischen Legionen nicht verantwortlich gewesen sein – ausschlaggebend war das
taktische Geschick des Gegners, der die geografischen Gegebenheiten Germaniens nutzte.
Entscheidender war ohnehin die Nachwirkung der Schlacht: Mit ihr betrat Hermann der
Cherusker (der eigentlich Arminius hieß) die Bühne der deutschen Geschichte – und sollte
sie bis heute nicht wieder verlassen. Aus dem Gefecht im Teutoburger Wald als Sieger
hervorgegangen, wurde Arminius später als »Retter Germaniens« und schließlich sogar als
»Befreier Deutschlands« gefeiert. Er avancierte seit Beginn der Neuzeit zu Everybody’s
Darling der deutschen Nationalgeschichte.
Jetzt rüstet sich Deutschland für die 2000-jährige Wiederkehr der Varusschlacht. Das
Jubiläum bietet eine gute Gelegenheit, diesen Helden als nationale Konstruktionsleistung
zu verstehen: Wann immer es um die Einheit und um die Freiheit ging, bemühten die
Deutschen ihren »Hermann«. Allerdings schufen sie einen historischen Scheinriesen: Je
weiter die historische Tat entfernt war, desto imposanter wurde der Held. Dass die antiken
Quellen wenig über den Cherusker hergeben, störte diesen Prozess der Verherrlichung
nicht. Es erleichterte ihn vielmehr.
Die Römer tappen in eine Falle, ohne Absicherung marschieren sie los
Der historische Arminius war zunächst einmal ein junger Mann aus gutem Haus, der
vermutlich im Jahr 16 vor Christus geboren wurde. Mit Talent und etwas Glück gelang ihm
eine beeindruckende militärische und politische Karriere innerhalb seines Stammes, der
Cherusker. Dieser war einer jener zahlreichen germanischen Stämme, die vor 2000 Jahren
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in Mitteleuropa siedelten. Sie bildeten entgegen weitverbreiteter Vorstellung allerdings
alles andere als ein »Germanien einig Vaterland«: Stammesinterne wie -übergreifende
Konflikte waren an der Tagesordnung. Politisch uneins waren sich die Stammesführer vor
allem bei der Frage, wie sie es mit den Römern halten sollten, die seit der Besetzung ganz
Galliens durch Julius Cäsar zwischen 58 und 51 vor Christus nun am Rhein standen und
ihre Herrschaft auch in dieser Region beanspruchten.
Arminius hatte sich entschieden: für die Römer. Ebenso wie sein Bruder besaß er das
römische Bürgerrecht, einige Biografen vermuten sogar einen längeren Aufenthalt
und entsprechende Ausbildung in Rom. Sicher ist hingegen, dass Arminius als Führer
einer militärischen Einheit die Legionen des Imperiums unterstützte. Die Cherusker
stellten ebenso wie andere Völker dem römischen Heer eigene Truppen, sogenannte
Auxiliareinheiten, zur Verfügung. Arminius befehligte eine solche Einheit, vermutlich war
er sogar selbst schon einmal mit den Legionen Roms in den Krieg gezogen.
Das Bild, das sich die Römer von ihren germanischen Gefolgsleuten (aber auch von ihren
germanischen Feinden) machten, war maßgeblich von Julius Cäsar geprägt, der diese
Stämme in seinem Gallischen Krieg ausführlich beschrieben hatte. Diese Darstellung
war auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Fremdbezeichnung »Germanen«
ihren Siegeszug antrat. Denn als solche bezeichneten sich die Chauken oder Friesen, die
Semnonen, Cherusker oder Markomannen selbst keineswegs. Sie bildeten auch nicht jene
kulturelle und ethnische Einheit, die damit suggeriert wurde.
Für das römische Imperium waren und blieben die germanischen Stämme trotz vereinzelter
Kooperation in erster Linie ein Sicherheitsproblem für Gallien. Diese Provinz wollten
sie vor den »Barbaren« schützen, denn nichts anderes waren ihnen diese Germanen.
Alles, was aus römischer Sicht zu einem halbwegs zivilisierten Leben gehörte, war
nicht vorhanden. Es gab keine urbane Lebensweise, keine Schriftkultur und auch keine
kultivierte Landwirtschaft, die so wunderbare Dinge wie Wein oder Oliven hervorbringen
konnte (dass die Germanen sehr wohl Pflanzenbau betrieben, fiel dabei nicht ins Gewicht).
Ein furchtbares Land! Der Geschichtsschreiber Tacitus notierte, Germanien mache »mit
seinen Wäldern einen schaurigen, mit seinen Sümpfen einen widerwärtigen Eindruck«.
Ohne Frage: Germanien ähnelte nicht einer ordentlich erschlossenen römischen Provinz.
Aber ein undurchdringlicher Urwald aus Wäldern und Sümpfen war es nun auch wieder
nicht. Es gab durchaus ein dichtes Netz dörflicher Siedlungen, durchzogen von Wegen. Für
die germanischen Stämme war diese Infrastruktur absolut ausreichend. Das Problem der
Römer war es, dass die Wege Germaniens einfach nicht dafür gemacht waren, um darauf
mit Tausenden von Legionären zügig von einem Ort zum anderen zu marschieren.
Aber diese Feldzüge wurden aus der Sicht Roms immer häufiger nötig, besonders seit
im Jahr 1 nach Christus ein großflächiger Aufstand germanischer Stämme gegen den
römischen Herrschaftsanspruch im Gebiet des heutigen Norddeutschlands ausbrach.
Tiberius, dem römischen Oberbefehlshaber am Rhein, gelang es mit gewaltigen Feldzügen,
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die Stämme zwischen Rhein, Ems und Lippe zu unterwerfen. 6 nach Christus schien Rom
die germanischen Stämme weitgehend wieder unter Kontrolle zu haben. Doch noch im
selben Jahr musste Tiberius mit seinen Legionen zum Stamm der Pannonier südlich der
Donau aufbrechen, der sich gegen die römische Herrschaft erhoben hatte. Was Tiberius
nicht ahnte: Diese Aufgabe sollte drei Jahre in Anspruch nehmen und den Militärapparat
der Römer aufs Äußerste herausfordern.
Kaiser Augustus musste einen Nachfolger für den abwesenden Tiberius bestimmen
und besann sich in diesem Moment auf einen alten Kämpen: Quinctilius Varus. Mit 55
Jahren war er schon ein reiferer Mann, den seine Karriere unter anderem als Statthalter
nach Syrien verschlagen hatte. In dieser unruhigen Provinz hatte er gleichermaßen
diplomatisches Geschick wie militärische Rücksichtslosigkeit unter Beweis gestellt.
Dass dieser Varus bis heute einen eher zweifelhaften Ruf genießt, ist vor allem das
Ergebnis einer gezielten Diffamierungskampagne: Erst einige Jahre nach der Varusschlacht
(und seinem Tod) wurde ihm angesichts aktueller innenpolitischer Streitigkeiten in Rom
nachträglich persönliches Versagen vorgeworfen, das zu der Katastrophe im Jahr 9 nach
Christus geführt habe. Die zu diesem Zeitpunkt entstandene Vorstellung von Varus als
einem überforderten und eigentlich ungeeigneten Oberbefehlshaber ging in die römische
Geschichtsschreibung ein und fand noch in der Neuzeit Anhänger. Der große Althistoriker
Theodor Mommsen nannte ihn »von trägem Körper und stumpfem Geist und ohne jede
militärische Begabung und Erfahrung«. Mit Verlaub: Niemand kann annehmen, dass
Kaiser Augustus die Sicherung der so wichtigen Rheingrenze ausgerechnet einem solchen
politischen und militärischen Leichtgewicht anvertraut hätte.
Als Varus sein Amt antrat, herrschte in Germanien eine trügerische Ruhe. Eine lückenlose
Unterwerfung der Stämme gab es nicht, dauerhafte juristische Abhängigkeiten von Rom
in einem heutigen Sinne waren nicht zustande gekommen. Ob Germanien zu diesem
Zeitpunkt eine regelrechte römische Provinz war, ist umstritten. Sicher ist hingegen, dass
es östlich des Rheins eine römische Herrschaft gegeben hat. Und um den Anspruch auf
diese Herrschaft zu demonstrieren, musste auch der neue Statthalter Varus Präsenz im
Landesinneren zeigen: Dort sprach er (römisches) Recht, trieb die auferlegten Abgaben ein
und griff vermittelnd in Stammeskonflikte ein. All das machte Rom und Varus allerdings
nicht eben beliebt: Weder waren die Prinzipien des römischen Rechts den meisten
Germanen einsichtig, noch hatten sie ihre Freude an den Steuern für Rom.
Bei Arminius, jenem jungen ehrgeizigen Cherusker aus einer der führenden Familien
seines Stammes, der bislang mit den Römern kooperierte, kamen als Motiv für den
Aufstand und die Schlacht im Jahr 9 nach Christus »innenpolitische« Gründe hinzu:
Eine von ihm erfolgreich angeführte Rebellion konnte ihm angesichts der permanenten
Rivalität mit anderen germanischen Adligen einen Vorteil verschaffen. Die Ursache für die
Varusschlacht war damit wohl eine Mischung aus prinzipieller Ablehnung der römischen
Herrschaft und innercheruskischem Herrschaftskampf.
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Arminius gelang es in den Sommermonaten 9 nach Christus, unterschiedliche germanische
Stämme auf ein gemeinsames und zeitgleiches Vorgehen gegen die Römer einzuschwören,
was ein hohes Maß an Kommunikation und Koordination voraussetzte. Diese Leistung
des knapp 25-Jährigen ist umso höher einzuschätzen, als er zu diesem Zeitpunkt gar nicht
an der Spitze seines Stammes gestanden haben dürfte. Aber auch wenn Arminius andere
Stämme für sein Vorhaben gewann: Von einem »Volksaufstand« aller germanischen
Stämme – wie es die deutsche Nachwelt später so gerne sah – kann nicht die Rede sein.
Die Römer tappten vermutlich in eine geschickt gestellte Falle: Als sie sich im September
noch im Gebiet der Weser befanden und sich auf den Weg zu ihrem Winterquartier an
den Rhein machen wollten, ereilte sie die Nachricht von einem germanischen Aufstand.
Wir wissen nicht, was die Germanen Varus damals für eine Geschichte auftischten. Aber
sicher ist, dass der Statthalter daraufhin von seiner ursprünglichen Route abwich, womit ein
wichtiger Punkt des germanischen Plans bereits aufging. Denn den Aufstand gab es nicht –
die Römer sollten lediglich in einen Hinterhalt gelockt werden.
Angeblich wurde Varus gewarnt. Das behauptete jedenfalls später Segestes, der
Schwiegervater von Arminius. Er selbst habe dem römischen Oberbefehlshaber von
dem Plan erzählt, aber Varus habe seine Warnung einfach nicht ernst genommen. Diese
Geschichte kann man glauben, muss man aber nicht: Dass es sich so abgespielt habe,
wissen die römischen Geschichtsschreiber nämlich nur von Segestes selbst. Und der rückte
mit diesem wichtigen Detail erst Jahre nach der Schlacht heraus, als alle anderen Zeugen
längst tot waren und er sich mit dieser »Warnung« als getreuer Vasall bei den Römern
einschmeicheln konnte.
Was tatsächlich in den Tagen vor der Schlacht geschah, lässt sich nur ungefähr
rekonstruieren. Viele Historiker haben sich der Vorstellung angeschlossen, dass der
Aufstand im Kern so etwas wie eine Militärrevolte war: Arminius habe Varus – der ihm
nach wie vor vertraute – nicht nur in die gewünschte Richtung gelockt, sondern sich dann
im rechten Moment mit seiner germanischen Auxiliareinheit vom Zug der Legionen
abgesetzt. In der näheren Umgebung habe er seine Mannen dann mit den dort wartenden
Kriegern vereint und den Angriff auf die Legionen gewagt.
Die Römer setzten sich zumindest ohne besondere Absicherung gegen einen Angriff
in Bewegung: schwerfällig wegen des mitgeführten Trosses, in einer Marschordnung,
die nicht auf die Sorge vor einem baldigen Waffengang schließen ließ. Es war ein
beeindruckender Zug. Hier marschierten rund 15000 römische Legionäre gemeinsam mit
zahlreichen nichtrömischen Hilfstruppen, private Sklaven zogen ebenso mit wie Frauen und
Kinder. Über 20000 Menschen dürften unterwegs gewesen sein – samt Ochsenkarren und
Pferdewagen für die schweren Lasten.
Auf einer ordentlichen Römerstraße wäre diese Menschenmenge zügig vorangekommen;
gut trainierte Legionäre legten zwischen 20 und 25 Kilometer am Tag zurück. Auf den
»Wegen« Germaniens war das Marschieren ungleich mühseliger. Der Untergrund war
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über weite Strecken unbefestigt, zuweilen voller Hindernisse – aber vor allem in der
Breite begrenzt: Selbst die größeren Verbindungswege ließen es vermutlich nicht zu, dass
mehr als vier Legionäre nebeneinander marschieren konnten. Der Zug der Römer zog
sich deshalb gewaltig in die Länge: Über mindestens 15 Kilometer erstreckte sich die
Kolonne der Marschierenden. Wie ein riesiger Lindwurm wanden sich die drei Legionen
durch Germanien. Ein Zuschauer am Wegesrand hätte fast einen ganzen Tag lang die
Vorbeimarschierenden bewundern können.
Doch die Germanen schauten dem Zug keineswegs einfach staunend zu. Sie hatten vor
allem Augen für dessen militärische Verwundbarkeit. Die römischen Legionen entfalteten
ihre gefürchtete Wirkung vor allem aufgrund ihrer geordneten Kampfformation. Von
einer solchen war dieser Zug durch Germanien allerdings weit entfernt: Er war langsam,
unterbrochen von Wagen und an den Flanken wohl unzureichend geschützt – das perfekte
Ziel für einen überraschenden Angriff.
»Zuerst schossen sie nur aus der Ferne«, berichtete später der Geschichtsschreiber Cassius
Dio, »dann aber, als niemand sich wehrte und viele verwundet wurden, rückten sie näher
an den Gegner heran.« Es waren wohl regelrechte Guerillaattacken: Germanische Krieger
griffen aus dem Hinterhalt an, oft im Schutz des dichten Waldes – und zogen sich rasch
wieder zurück, um die Legionäre an anderer Stelle erneut zu attackieren.
Waffen, Münzen, Ausrüstung – die Germanen fleddern die Leichen
Verheerend waren die Angriffe für die Marschformation: Der Zug der Legionäre riss auf.
Wenn einige von ihnen stehen blieben, um sich zu verteidigen, verloren sie rasch den
Anschluss an die Vorderleute. Nachfolgende wiederum gerieten ins Stocken, Wagen und
Menschen blockierten immer wieder den Weg. Zu selten dürfte es den Römern gelungen
sein, sich zu einer geordneten Verteidigungsgruppe aufzustellen. Stattdessen wurden sie oft
in Nahkämpfe verwickelt und erlitten dabei empfindliche Verluste.
Nach einem Tag vieler Angriffe gelang es den drei Legionen gleichwohl, sich wieder
zu vereinen. Die vielgerühmte Disziplin der römischen Armee funktionierte noch – ihre
Soldaten hoben ein ordnungsgemäßes Lager aus, geschützt durch Graben, Wall und
Schanzpfähle. Für die Nacht hatten die Legionäre ihre Ruhe – ein Angriff auf ein so
geschütztes Lager würden die Germanen nicht unternehmen. Selbst wer als Legionär
bei den Attacken des Tages Schaden genommen hatte, konnte in diesen Abendstunden
mit Hilfe rechnen: Das römische Lazarettwesen war für die damalige Zeit vorbildlich,
und die römische Armee kannte bereits Sanitäter, die eine Erstversorgung Verwundeter
übernahmen.
Wer allerdings in einer Kampfpause nicht versorgt oder in Sicherheit gebracht werden
konnte, wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Feind niedergemacht. Mitleid mit dem
Gegner – und hier taten sich Römer und »Barbaren« nichts – war eher die Ausnahme
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als die Regel. Archäologische Funde zeigen, dass auch mehr oder weniger Wehrlose bei
antiken Schlachten gezielt erschlagen wurden.
Wenn die Legionen unter den Angriffen der Germanen weiterzogen, ließen sie also im
Wesentlichen Tote zurück. Sie ehrenvoll beizusetzen, fehlte den Römern die Zeit – und die
Gegner machten sich diese Mühe nicht. Sie waren zudem vollauf damit beschäftigt, alles
Brauchbare zu plündern: Waffen, Münzen, Ausrüstungsgegenstände – sogar die Kleidung
der Legionäre war begehrt, weshalb die toten Römer bis auf die Haut ausgezogen wurden.
Die Schlachtstätten waren nach dem Geschehen regelrecht »aufgeräumt« – was übrigens
die heutige Suche der Archäologen zusätzlich erschwert.
Nach den Geschehnissen des ersten Tages konnte Quinctilius Varus nicht mehr zurück:
Er entschied, am nächsten Morgen ohne Richtungsänderung weiterzuziehen. Der Weg
zurück durch das eben erst unter Verlusten passierte schwierige Gelände erschien ihm als
schlechteste Option – vielleicht aber war dies der schwerwiegendste Fehler des Feldherrn,
der nicht ahnen konnte, was noch vor ihm lag.
Für den Weitermarsch trennten sich die Römer von Ballast, um so schneller und
ungehinderter voranzukommen. Es sollte ihnen nicht viel helfen: Wieder griffen die
Germanen in kleineren Gruppen an, nutzten stets die Geländeverhältnisse aus – und fügten
den Legionen in der Summe große Verluste zu. Am Ende des zweiten Tages war erkennbar,
dass die r??mischen Einheiten entscheidend geschwächt waren: In dieser Nacht reichte es
nur noch für ein überstürzt angelegtes Lager.
Anderthalb Jahrtausende gerät die Varusschlacht in Vergessenheit
Am dritten Tag der Schlacht liefen die Legionäre in ihr endgültiges Verderben. Vermutlich
wie in einem Defilee zogen sie an den Germanen vorbei, die bereits auf sie warteten und
nun auch eigens angelegte Wälle für ihre Angriffe nutzten. Die Reste der Legionen wurden
schließlich – vermutlich im Verlauf des vierten Schlachttages – eingekesselt und vernichtet.
Diesen letzten Akt der Varusschlacht können wir uns gar nicht schrecklich genug
ausmalen. Tote und Verwundete bedeckten förmlich das Gelände, die Kämpfe Mann gegen
Mann wurden auf engstem Raum ausgetragen. Der römische Oberbefehlshaber stürzte sich
schließlich angesichts der ausweglosen Lage ins Schwert. Sein Haupt ließ der siegreiche
Arminius abtrennen und dem Führer eines anderen Germanenstammes schicken – als
makabren Wink, sein bisheriges Zögern aufzugeben und sich dem Kampf gegen Rom
anzuschließen.
Rom hatte eine Schlacht verloren. Augustus schickte erneut den erfahrenen Tiberius
an den Rhein, der ebenso wie einige Zeit später sein Nachfolger Germanicus massive
Feldzüge gegen die Germanen führte. Doch auch für Rom waren dies verlustreiche
Kämpfe – und vor allem deshalb entschied schließlich Tiberius (inzwischen Nachfolger
von Kaiser Augustus) im Jahr 16 nach Christus, sich auf das eigentliche Motiv der
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römischen Germanienpolitik zu konzentrieren: die Sicherung des Rheins zum Schutz
Galliens. Dass sich die Römer jetzt an den Rhein zurückzogen und Germanien fortan
weitgehend außerhalb des römischen Herrschaftsgebietes lag, hatte zwar auch mit den
Erfahrungen der Varusschlacht zu tun – der ausschlaggebende Grund dafür waren sie nicht.
Auch eine Einheit der unter Arminius siegreichen Stämme entwickelte sich nicht: Der
Cherusker wurde zwischen 19 und 21 nach Christus bei stammesinternen Streitigkeiten von
Verwandten ermordet.
Rom hatte verständlicherweise wenig Interesse daran, der Varusschlacht einen besonderen
Rang im Gedächtnis des Imperiums einzuräumen – und auf germanischer Seite fehlte es
an einer Schriftkultur, mittels deren die Geschichte vom Sieg hätte konserviert werden
können. So ging die Erinnerung an das Ereignis bei den beteiligten Völkern fast verloren.
Poetischer ausgedrückt: Das Wissen um die Schlacht verfiel in eine Art Dornröschenschlaf.
Nach fast anderthalb Jahrtausenden war es dann allerdings kein schöner Prinz, der gezielt
eine Schönheit aus dem Schlaf küsste, sondern ein gestrenger Gelehrter, der bei seiner
harten Arbeit mehr oder weniger zufällig über die Schlummernde stolperte: Ulrich von
Hutten stieß 1515 bei einem Studienaufenthalt in Rom auch auf die ersten Bücher der
Annalen von Tacitus, die erst einige Jahre zuvor wiederentdeckt worden waren. Darin war
von einem heldenhaften Arminius die Rede, der einst das Römische Reich in der Blüte
seiner Macht besiegt habe; »unstreitig war er der Befreier Germaniens«, behauptete dieser
Tacitus.
Dem Humanisten war ein Schatz in die Hände gefallen: Die positive Schilderung
von Arminius aus römischer Sicht war ein gutes Argument gegen die demonstrative
Geringschätzung der »Deutschen«. Italienische Humanisten und römische Kurie übten
sich ja genüsslich in der Vorstellung, nördlich der Alpen lebten noch immer hauptsächlich
Barbaren. Da wollten Ulrich von Hutten und andere mit einer eigenen ruhmreichen
Geschichte kontern – und so modellierte Hutten den ersten deutschen Helden: In
seinem 1529 posthum veröffentlichten Dialog Arminius präsentierte er einen edlen
Freiheitskämpfer, der stets nur daran dachte, wie er »dem Vaterland bei sich bietender
Gelegenheit helfen könnte«.
Mehr als 200 Schauspiele und Opern entstehen um den Helden Arminius
Das war der Auftakt zu einer Erfolgsgeschichte: Als Befreier Germaniens (die
unhistorische Gleichsetzung von Germanen und Deutschen setzte sich rasch durch)
erschien Arminius nun als nationale Lichtgestalt gegen jedwede äußere Bedrohung.
Bei Hutten war es der antirömische Impuls: Die »Befreiungstat« des Cheruskers war
Vorbild für die Befreiung vom römischen Papst (das erklärt, warum Arminius bis ins 20.
Jahrhundert hinein in erster Linie ein protestantischer Held blieb). Und auch Martin Luther
hatte den Cherusker »von hertzen lib« – aus dem reformatorischen Milieu stammte zugleich
der neue, unhistorische Name für den Helden: Hermann.
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Die Germanenbegeisterung im 18. Jahrhundert griff die Idealisierung von Arminius auf
und brachte den nationalen Helden auch auf die Bühne: Mehr als 200 Schauspiele und
Opern entstanden zwischen 1750 und 1850, in denen es vor allem um Hermann, aber
beispielsweise auch um seine getreue Gemahlin Thusnelda ging (die einst schimpflich
verraten und den Römern als Geisel ausgeliefert worden war). Im Vordergrund stand vor
allem die Rehabilitierung der Germanen – sie sollten nicht länger als rückständig oder gar
barbarisch erscheinen. Tatsächlich hätten sie sehr wohl Sinn für Theater oder Baukunst
besessen, erklärte beispielsweise Justus Möser. Mehr noch: Bei der Kleidung, so behauptete
der Osnabrücker Gelehrte, hätten sie sogar einen besseren Geschmack als die so viel
gelobten Römer bewiesen.
Auch andere beteiligten sich an den Lobeshymnen auf »Hermann den Befreier«. Friedrich
Gottlieb Klopstock oder – mit der größten Wirkung – Heinrich von Kleist. Als Dramatiker
der Befreiungskriege stellte er den historischen Arminius mitten hinein in den aktuellen
Kampf gegen Napoleon. Die Beteiligten seines Dramas waren leicht zu entschlüsseln:
Gegen die Römer (die Franzosen) erhoben sich die Cherusker (Preußen) gemeinsam mit
den Sueben (Österreichern), während die uneinigen Germanenfürsten früherer Zeiten von
den Rheinbundstaaten der Gegenwart gegeben wurden.
Bei der um sich greifenden Begeisterung für »Hermann den Cherusker« und die Lust an
nationalen Denkmälern im 19. Jahrhundert war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann
dem »Befreier« ein eigenes Monument gesetzt würde. Es entstand bekanntlich bei Detmold
auf den Höhen des Teutoburger Waldes. Der Koloss – vom Sandsteinsockel bis zur Spitze
des in den lippischen Himmel ragenden Bronzeschwertes über 50 Meter hoch – wurde 1875
eingeweiht, fast noch rechtzeitig zum Sieges- und Einheitstaumel des neuen Kaiserreichs.
»Hermann« war jetzt ein willkommenes Symbol für den Sieg über den verhassten Erbfeind.
Dabei hatten sich die Freunde des Hermannsdenkmals mit dem Bau schwergetan – Karl
Marx spottete schon: »Das Zeug wird ebenso langsam fertig wie Deutschland.« Bereits
1838 war mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen worden, vorangetrieben von dem
fränkischen Baumeister Ernst von Bandel. Der Eigenbrötler, seit jungen Jahren besessen
von dieser Idee, musste Jahrzehnte für »sein« Hermannsdenkmal kämpfen. Streitereien mit
örtlichen Honoratioren und der allgegenwärtige Geldmangel ließen die Arbeiten immer
wieder stocken.
Der Arminius-Mythos fungierte nach außen zunächst einmal als Drohgebärde – nach
innen war er ein probates Mittel zur Ausgrenzung innenpolitischer Gegner. Das galt
etwa für die Katholiken: Die Enthüllung des Hermannsdenkmals fiel mitten in die Zeit
des Kulturkampfs zwischen Staat und katholischer Kirche – und Arminius feierte als
historischer Kämpfer gegen Rom protestantische Urständ. »Gott sei es geklagt«, rief der
lippische Generalsuperintendent bei der Einweihung entrüstet aus, »dass es noch Deutsche
gibt, denen die Herrlichkeit des Deutschen Reiches ein Dorn im Auge ist.«
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Wo und wann immer fortan ein selbst definierter Feind der deutschen Sache auftauchte –
und für die notorisch unsichere Nation war die Welt ja voller neidischer Feinde –, sah man
in ihm einen neuen Varus. Diese »Varusse« konnten Franzosen sein, Juden, Katholiken
oder Sozialisten – das Zeug zum »Varus« hatte jeder, der nicht in den Mainstream der Zeit
passte.
Dass dieser nationale Streiter auch im Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik
seine Rolle spielte, kann da nicht überraschen. »Noch nie ward Deutschland überwunden,
wenn es einig war«, rief Wilhelm II. 1914 dem in Wirklichkeit gar nicht so begeisterten
deutschen Volk zu – und bemühte ebenjenen Mythos von der Einheit, der auch
den Arminius-Kult groß gemacht hat. Hermann und mit ihm Heinrich von Kleists
Hermannsschlacht erfuhren neue Beliebtheit: Nach einer Aufführung in Berlin wurden
im Herbst 1914 von der Bühne herab Siegesmeldungen von der Front verlesen – das
Schlachtfeld der Varusschlacht ging eine eigentümliche Symbiose mit den Schlachtfeldern
des Ersten Weltkriegs ein.
Mit der Kriegsniederlage war die Zeit des Arminius-Mythos keineswegs vorbei: In der
vergifteten Atmosphäre nach 1918 stand Hermann getreulich im Lager der Republikfeinde.
Problemlos assistierte er etwa bei der Verbreitung der Dolchstoßlegende. Für viele Rechte
wusste schließlich niemand besser als der Cherusker, was es heißt, im Felde unbesiegt
zu sein, aber daheim unter dem Dolche der »Meuchelmörder« zu sterben. Und dass am
Hermannsdenkmal gegen das »Diktat von Versailles« gewettert und mit einer neuen
Varusschlacht gedroht wurde, versteht sich da von selbst. »Die Aufgabe, die sich Armin
stellte«, behauptete dort etwa der Vorsitzende des Deutschen Sängerbundes 1924, »ist
heute auch die unsrige.«
Angesichts solcher Äußerungen war es für die Nationalsozialisten nicht schwer,
»Hermann« in ihre Reihen aufzunehmen. NS-Ideologe Alfred Rosenberg erweiterte
den Arminius-Mythos um rassistisches Denken und zählte alte wie neue »Feinde«
der Deutschen auf, die sich »in den Leib Germaniens eingefilzt« hätten. Und in den
Geschichtsbüchern lasen die Schüler nach 1933, dass Arminius dereinst »die Reinheit des
deutschen Blutes« gerettet habe.
Der Wunsch vor allem lokaler Streiter rund um das Detmolder Hermannsdenkmal,
Arminius zum zentralen Heroen der neuen nationalsozialistischen Zeit zu erheben, ging
indes nicht in Erfüllung. Für zentrale NS-Kundgebungen war die Waldlichtung um das
Denkmal zu klein (und vermutlich viel zu abgelegen), und nicht zuletzt seit Bestehen
der Achse Rom–Berlin musste man außenpolitisch auch auf Benito Mussolini Rücksicht
nehmen: Als dieser 1936 zu einem Staatsbesuch anreiste, kam aus der Reichskanzlei die
Anweisung, das Hermannsdenkmal aus dem offiziellen Besuchsprogramm auszusparen.
Nach 1945 schien Arminius als deutscher Geschichtsmythos nachhaltig beschädigt zu sein,
sinnbildlich dafür stand das von Alliierten beschossene und beschädigte Hermannsdenkmal.
Doch der nationale Held erfuhr eine überraschend schnelle Wiedergeburt: »Auferstanden
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aus Ruinen« hieß es für ihn nämlich in der jungen DDR. Arminius passte hervorragend
zum realsozialistischen Blick in die Geschichte und ihre Gesetze. Vor allem, wenn
es für die offizielle DDR-Geschichtsschreibung um »die Rolle der germanischen
Stammesverbände bei der revolutionären Überwindung der Sklavenhaltergesellschaft«
ging.
Unterstützung fand man bei den sozialistischen Klassikern. Für Friedrich Engels war
Arminius »ein großer Staatsmann und bedeutender Feldherr« gewesen, während sich um
den Statthalter Varus ein »Schwarm von Sachwaltern und Ferkelstechern« versammelt
hätte, »reine Gurgelschneider«, die nur die »Aussaugung des Landes« im Sinn gehabt
hätten. Und das alte Germanien erschien in seiner ökonomischen Verfassung geradezu
vorbildlich: Grund und Boden seien vor allem Gemeineigentum gewesen, und jeder
Germane hätte in seiner Freiheit nur dort seine Grenzen gefunden, wo er auf einen
gleichberechtigten Partner getroffen sei – es existierte nach Engels eben »ein freies Ding,
wo Genossen den Genossen richten«.
Wenn also die Germanen, so gesehen, »Genossen« waren und sich über
»urkommunistische Eigentumsverhältnisse« freuen durften, war Arminius zwangsläufig der
rechte politische Kämpfer für Ost-Berlin. Als 1957 Kleists Hermannsschlacht im Rahmen
der Deutschen Festspiele des Harzer Bergtheaters auf die Bühne kam, gab das Begleitheft
den Besuchern die politisch korrekte Erklärung. »Rom: das ist uns Amerika«, hieß es
da, und die von Rom aufgestachelten und verfeindeten Stämme Germaniens seien »die
deutschen Arbeiter in West und Ost«.
Gegen so viel lustvolle politische Inanspruchnahme hatte Westdeutschland kaum etwas zu
bieten. Abgesehen von nationaltümelnden Feiern der FDP am Hermannsdenkmal, zu denen
seit 1954 im Gedenken an den 17. Juni 1953 zu kernigen Sprüchen vom Vorsitzenden
Thomas Dehler und lodernden Fackeln im Schatten des Teutoburger Waldes Zehntausende
den Weg zu Hermann fanden (und die Rückgabe der Ostgebiete forderten), blieb es um
den Helden früherer Tage still. Auch Claus Peymanns aufsehenerregende Inszenierung von
Kleists Hermannsschlacht am Bochumer Schauspielhaus 1982 änderte daran wenig.
Als die Mauer fiel, trafen west- und ostdeutsche Arminius-Traditionen aufeinander,
doch erwuchs daraus keine Neuinterpretation des alten Mythos. Vielmehr vollzog sich in
geschichtspolitischer Perspektive so etwas wie ein Anschluss: Die Ostdeutschen legten
den ideologischen Ballast weitgehend ab, der in der DDR über Jahrzehnte mit Arminius
und seiner Freiheitstat gegen den fremden Bedrücker aufgebaut worden war. Und das
Hermannsdenkmal blieb, was es schon in der alten Bundesrepublik gewesen war: eine
Touristenattraktion.
Nach wie vor tobt der Streit um den wahren Ort der Schlacht
Die Geschichte um den Arminius-Mythos hätte damit beendet sein können, wäre es nicht
einem Offizier der britischen Armee im Osnabrücker Land 1987 gelungen, Relikte einer
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römisch-germanischen Schlacht aus dem torfigen Boden zu ziehen. Als Archäologen
weitere Überreste fanden, sah sich die Öffentlichkeit zu Beginn der 1990er Jahre mit einer
längst vergessenen Frage konfrontiert: Wo fand die Varusschlacht wirklich statt?
Seit Jahrhunderten hatte diese Suche seltsame Blüten getrieben; Wissenschaftler und
Provinzforscher stritten sich um die Wette, Dorflehrer fanden immer wieder Beweise für
den wahren Ort des Geschehens, und Dichter trieben längst ihren wohlfeilen Spott mit den
Suchenden. Theodor Mommsen stöhnte über die »deutschen Localforscher«, die nichts
anderes zu tun hätten, als »mit den beliebten patriotisch-topographischen Zänkereien die
kleinen und großen Klatschblätter zu füllen«.
Doch es war Theodor Mommsen selbst, der in der erneut ausbrechenden Debatte als
Zeuge aufgerufen wurde. Schließlich hatte er aufgrund zahlreicher Münzfunde bereits
1885 das Fleckchen Kalkriese nördlich von Osnabrück zum wahrscheinlichsten Ort der
Varusschlacht erklärt. Und dort fand man nun mehr und mehr Indizien für einen gewaltigen
Waffengang. Seither haben – wie zu seligen Mommsen-Zeiten – die »patriotischtopographischen Zänkereien« wieder Konjunktur.
Dass Kalkriese derzeit bei der Debatte um die Örtlichkeit die Nase vorn hat, ist dabei
eigentlich nur die zweitwichtigste Erkenntnis. Die wichtigste ist: Dort entstand ein
Forschungsstandort, der die Erschließung eines antiken Schlachtfeldes und die Vermittlung
dieses Wissens ermöglicht. Das zählt. Wenn trotzdem die Zänkereien weitergehen, hat
das auch etwas Gutes: Solange alte und neue Anhänger von Arminius ihre Energie mit
ihren Gefechten um den richtigen Ort vergeuden, bleibt uns zumindest erspart, dass sie
»Hermann den Befreier« wieder für aktuelle politische Fragen reanimieren.
2009 feiert Deutschland gleich mehrere nationale Jubiläen: die Varusschlacht, die
Gründung der Bundesrepublik (und der DDR) sowie den Fall der Mauer. Einigkeit und
Recht und Freiheit werden die alles beherrschenden Themen sein. Da bietet sich die Figur
des Arminius-Hermann als geschichtspolitische Spaßbremse an: Die mit ihm transportierte
Forderung nach deutscher Freiheit war immer auch eine aggressive Geste gegen äußere
Feinde. Und der mit ihm verknüpfte Appell an die Einigkeit oft eine unerbittliche
Kampfansage an »Abweichler«. Wer Arminius heute wieder hochleben lässt, sollte dies
bedenken. Der Held, der so vielen Herren diente, hat keine saubere Weste.
Der Autor ist Historiker und lebt in Hamburg. Mehr zum Thema in seinem Buch Der Tag,
an dem Deutschland entstand, das in der nächsten Woche im C. Bertelsmann Verlag
erscheint (272 S., 19,95 €)
COPYRIGHT: DIE
ZEIT, 30.10.2008 Nr. 45
ADRESSE: http://www.zeit.de/2008/45/DOS-varus-schlacht
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