Nikotin – der wichtigste Inhaltsstoff des Tabaks Nikotin Nikotin in der Tabakpflanze Strukturformel von Nikotin Reines Nikotin ist eine farblose, stark hygroskopische, sirupartige Flüssigkeit, die ähnlich wie Tabak riecht und an der Luft braun wird. 1828 wurde Nikotin von den deutschen Chemikern Karl Ludwig Reimann (1804-1872) und Christian Wilhelm Posselt (1806 – 1877) aus Tabak isoliert und seine Wirkung an Tieren erprobt. Nikotin ist ein Alkaloid. Alkaloide sind (meist) basisch reagierende, heterocyclische, stickstoffhaltige Naturstoffe. Nikotin gehört bei den Alkaloiden in die Gruppe der Pyridine, die sich von der Asparaginsäure ableiten. Nikotin wird in der Pflanze aus der Nikotinsäure und L-Ornithin synthetisiert. Nikotinsäure kommt häufig in Pflanzen als Baustein für NAD bzw. NADP vor. Sie ist die Ausgangsform für Pyridin-Alkaloide wie z.B. Ricinin im Rizinus, Areca-Alkaloide in der Betelpalme und Nikotin im Tabak. Diverse Pflanzen synthetisieren Nikotin, wenige aber können es speichern, wie die Nicotiana- und Duboisia-Arten, beides Gattungen aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae). Spuren von Nikotin kommen auch im Schachtelhalm (Equisetum arvense) vor. Syntheseweg des Nikotins Nikotin als Ausgangsstoff für Vitamine Nikotin, das aus dem Bauerntabak (Nicotiana rustica) gewonnen wird, bildet die Grundlage zur Herstellung von Nikotinsäure oder Nikotinamid. Beide Stoffe gehören zum Vitamin B-Komplex und sind in geringer Dosis lebenswichtig. Der menschliche Organismus kann in geringen Mengen Nicotinsäure aus der essentiellen Aminosäure Tryptophan herstellen. Oft reicht sie jedoch nicht aus und muß zusätzlich zugeführt werden. Enthalten ist Tryptophan in Fleischprodukten (Leber), in Getreide (nicht im Mais) und in Gemüse. Mangelerscheinungen treten auf bei einseitiger Maisernährung und Alkoholismus. In der Therapie wird das synthetisch oder halbsynthetisch aus Nikotin gewonnene Nikotinamid bei Dermatosen und Darmentzündungen angewendet. Nikotinsäure wird in hohen Dosen bei Durchblutungsstörungen der Haut eingesetzt. Abbildungen verändert nach: Teuscher, 1989 und Bickel-Sandkötter, 2001 Tryptophan Syntheseweg von Tryptophan zur Nikotinsäure und deren Derivate Bauerntabak Grundsätzlich enthalten alle Tabakarten das Alkaloid Nikotin. Der Gehalt bei Wild- und Kulturarten ist jedoch unterschiedlich, ebenso bei den zahlreichen Sorten des Echten Tabak (Nicotiana tabacum). Den höchsten Nikotingehalt hat der Bauerntabak (N. rustica). Auch innerhalb der Pflanze ist der Nikotingehalt unterschiedlich gestaffelt. Nikotin wird in den wachsenden Wurzelspitzen synthetisiert. Die Wurzelspitzen weisen deshalb immer einen hohen Gehalt auf. Das Wasserleitsystem transportiert das Nikotin in die Blätter, wo es eingelagert wird. Den niedrigsten Gehalt haben die untersten Blätter, die obersten und jüngsten den höchsten. Der Nikotingehalt ist nicht nur von der Sorte abhängig, sondern auch ganz wesentlich von • der Stickstoffversorgung der Pflanzen – Stickstoff ist ein wesentlicher Bestandteil des Nikotins, • dem Pflanzabstand – die synthetisierenden Wurzeln wachsen besser ohne Konkurrenz, • der Wuchsgeschwindigkeit – bei gutem Wachstum wird mehr Nikotin synthetisiert, • dem Ausgeizen – durch das Entspitzen der Pflanze werden keine Blüten gebildet und das Nikotin in die Blätter geleitet, gleichzeitig die Synthese in den Wurzeln angeregt, • dem Wetter – kaltes oder zu trockenes Wetter während der Hauptwachstumsphase hemmt das Wachstum und damit die Synthese von Nikotin, • der Jahreszeit – die Nikotinanreicherung ist am Ende der Vegetationsperiode stärker als am Anfang. Bauerntabak Tabaksamen Nikotin ist in der ganzen Pflanze verteilt. Lange Zeit wurden die Samen des Tabaks für nikotinfrei gehalten. Dank verfeinerter Meßmethoden konnte in den Samen des Bauerntabaks (N. rustica) ein geringer Gehalt nachgewiesen werden. Der hohe Nikotingehalt des Bauerntabaks wird zur Herstellung von Reinnikotin genutzt, welches man in der Insektenbekämpfung, als Medizin und als Rohstoff zur Nikotinsäuregewinnung einsetzt. Fotos: Manfred Wiechmann; Abbildung des Tabaksamens: Goodspeed, 1954 Nikotin – ein tödliches Gift Nikotin ist eine stark giftige Substanz, die schon in sehr geringen Mengen schnell und tödlich wirkt. In den Blättern der Nicotiana-Arten sind die Nikotiana-Alkaloide (Nikotin, Anabasin, Nornikotin) zwischen 1-8% enthalten. Eine Zigarette enthält ungefähr 15mg Nikotin, von denen 1,5-3mg inhaliert Synthese von Nikotin Synthese von Anabasin Nornikotin aus der aus der Nikotinsäure werden. Bei einem Erwachsenen sind bei oraler und Nikotinsäure Einnahme bereits 40-100mg Nikotin tödlich, ein Kleinkind kann nach dem Verzehr einer Zigarette sterben. In kleinen Dosen wirkt Nikotin zunächst anregend. Im zentralen Nervensystem setzt Nikotin Transmitter frei, die blutdrucksteigernd und darmanregend wirken. Große Dosen blockieren Nervenganglien, was zu Krämpfen und Atemlähmung führt. Nikotin wirkt gefäßverengend. Chronischer Gebrauch führt deshalb vor allen Dingen zu Durchblutungsstörungen besonders an Füßen und Beinen (Raucherbeine) und ebenso zu einem erhöhten Arterioskleroserisiko. Bei Frauen wirkt sich die Gefäßverengung in der Schwangerschaft besonders verhängnisvoll auf die Durchblutung der Plazenta aus. Außerdem wird Nikotin über die Plazenta auf das Kind übertragen, was häufiger zu Frühgeburten, Fehlgeburten und untergewichtigen Kindern führt. Durch die gefäßverengende Wirkung wird der Blutdruck erhöht, was zu Kreislaufkrankheiten führen kann. Weiterhin treten Störungen des Leberstoffwechsels und der innersekretorischen Drüsen auf. Für die Erhöhung des Lungenkrebsrisikos ist jedoch nicht das Nikotin verantwortlich, sondern kanzerogene Kohlenwasserstoffe und Nitrosamine des Tabakrauches. Nikotin ist besonders gefährlich wenn es direkt in die Blutbahn gerät. Rauchen bei offenen Wunden im Mund kann deshalb tödlich sein. Ebenso gefährlich ist die Aufnahme von Nikotin über die Haut. Leidvolle Erfahrungen machten Tabakschmuggler aus früheren Zeiten. Auf die nackte Haut um den Leib gebundene Tabakblätter führten zu tödlichen Vergiftungen. Aus Nikotinaufnahme über die Haut resultiert auch die „Green-tobaccosickness“. Dies ist eine Krankheit, die bei Arbeitern in Tabakfeldern auftritt. Sie wird als chronische Vergiftung durch Nikotinaufnahme über die Haut angesehen. Abbildungen verändert nach: Teuscher, 1989 und Bickel-Sandkötter, 2001 Nikotin als Arznei Sehr viele Pflanzen, die bei unsachgemäßer Verwendung tödlich giftig sind, bringen in der Medizin bei sachgerechter Anwendung Heilung. Bei den Indianern Amerikas wurde Tabak zu rituellen und zu Heilzwecken geraucht, gekaut, geschnupft oder rectal mit Klistier verabreicht. Sie verwendeten den „real tobacco“, also den Bauerntabak (Nicotiana rustica), mit bis zu 8% Nikotingehalt. Jean Nicot de Villemain, der den Bauerntabak als Heilpflanze nach Frankreich einführte und anpries, erzielte beachtliche Heilerfolge mit der Anwendung von Tabak. Besonders wirksam erwies er sich geschnupft bei Kopfschmerz und als Breiumschlag bei Krätze. Bei dem Wirkstoff Nikotin tritt jedoch Gewöhnung ein, so daß bei ständigem Gebrauch die Dosierung gesteigert werden muß und zuletzt eine positive Wirkung nicht mehr erzielt wird. Nikotinpflaster In der Homöopathie findet der Wirkstoff Nikotin dagegen wieder Anwendung. Nach der homöopathischen Lehre wirken die Stoffe in der entsprechenden Verdünnung genau gegen die Ursache, deren Symptome sie bei hohen Gaben hervorrufen. Eine Nikotinvergiftung geht einher mit starker Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüchen, Benommenheit, Schwindel und Herzklopfen. Genau gegen diese Beschwerden kann Nikotin in entsprechender homöopathischer Verdünnung eingesetzt werden. In einem solchen Fall benutzt man „Tabakum C6“. Es werden 5 Tropfen oder 5 Globuli alle 10 Minuten, bis zu 10mal am Tag, eingenommen. Eine weitere Verwendung von Nikotin sind Nikotin-Pflaster. Zur Unterstützung beim Abgewöhnen des Rauchens werden Nikotinsüchtige mit Nikotingaben über die Haut behandelt. Früher wurden auch frische Tabakblätter als Arznei verwendet, der Preßsaft bei Verstopfung, Kolik und Würmern. Auch bei Insektenstichen und als schmerzstillendes Mittel soll frischer Tabak geholfen haben. Abbildungen: Apothekenprospekt Anwendung des Nikotinpflasters