Hintergrund - repOSitorium

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Thomas Manns Roman „Der Erwählte“.
Eine Untersuchung zum poetischen Stellenwert von Sprache, Zitat
und Wortbildung
Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie
im Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaft der
Universität Osnabrück
eingereicht von
Carsten Bronsema
Erstgutachter:
Prof. Dr. W. Günther Rohr
Zweitgutachter:
Prof. Dr. Rolf Thieroff
September 2005
Osnabrück, den 17. September 2005
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Phänomen
1.2 Aktueller Forschungsstand
1.3 Quellenlage
1.4 Begründung des Forschungsvorhabens
1.5 Methode
2. Die Mann’sche Gregorius-Rezeption
2.1 Der „Gregorius“ Hartmanns von Aue
2.2 Das „Genaumachen“ Thomas Manns: „Der Erwählte“
2.2.1 „Ein ganz schnurriges Einleitungskapitel“
2.2.2 Die Erzählinstanz Clemens der Ire
2.2.3 Stoffliche Neuorganisation
2.2.4 „Der Erwählte“ – eine „Sprachverhunzung“?
3. Biographische Kontexte
3.1 Thomas Manns Sprachprofil
3.2 (Sprachliche) Entstehungsgeschichte des „Erwählten“
4. Vorbereitung der Sprachanalyse
4.1 Stand der Quellenforschung
4.2 Quellenkritik
4.3 Lexikologisch-lexikographische Konzeption
4.3.1 Methodische Vorüberlegungen
4.3.2 Das Deutsche
4.3.3 Fremd- und Lehnwörter
4.3.4 Wortbildung
4.3.5 Eigennamen
4.4 Artikelaufbau
5. Stellenkommentar
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6. Auswertung:
Was ist das sprachliche Mittelalter Thomas Manns?
6.1 Sprach(stufen)zugehörigkeit
6.2 Grundprinzipien der Wort(neu)bildung
6.3 Eigennamen
6.4 Sprachliches Mittelalter? – Ein Definitionsversuch
7. Intention – Funktion – Wirkung
7.1 Intention
7.2 Funktion
7.3 Wirkung (auf den Leser)
7.3.1 Synonyme
7.3.2 Etymologische Brückenschläge
7.3.3 Stil
7.3.4 Dingreichtum
7.3.5 Orientierung an Sprachklischees
7.4 Fazit
8. „Doktor Faustus“ als „Vorspiel“
8.1 Sprachliche Archaisierung im „Doktor Faustus“
8.2 Zum poetischen Stellenwert des Zitats bei Thomas Mann
8.3 Fazit
9. Verzeichnis der Quellen, Literatur und Siglen
9.1 Quellen und Hilfsmittel Thomas Manns
9.2 Schriften Thomas Manns
9.3 Wörterbücher, Lexika und Nachschlagewerke
9.4 Forschungsliteratur
9.5 Sonstige Literatur
9.6 Siglenverzeichnis
10. Bildungsgang, Danksagung
186
186
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191
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251
1. Kapitel: Einleitung
1.1 Phänomen
Mit Thomas Manns Mittelalterroman „Der Erwählte“ liegt ein Werk vor, in dem ein Stück der
älteren deutschen Dichtung, der mittelhochdeutsche „Gregorius“ Hartmanns von Aue, in der
Gegenwartsliteratur eine schöpferische Weiterbildung erfahren hat. Dabei griff Thomas Mann
nicht nur stofflich in der Zeit zurück, sondern – und das war neu – auch sprachlich:
„Es war ein Fürst, nommé Grimald,
der Tannewetzel macht’ ihn kalt.
Der ließ zurück zween Kinder klar,
Ahî, war das ein Sünderpaar.“ 1
Der an sich neuhochdeutsch zu lesende und überwiegend in Prosa gehaltene Text ist mit einer
Vielzahl fremder Wörter, Sätze und Dialoge durchsetzt, die älteren und jüngeren europäischen
Sprach(ständ)en entnommen sind und sich dem Leser je nach Bildungsstand mehr oder
weniger vollständig, keinem jedoch in Gänze erschließen dürften. Damit ist die Sprache
neben der mittelalterlichen „Gregorius“-Legende der zweite tragende Pfeiler der
Mittelalterfiktion und nimmt neben dem rezipierten Stoff eine selbstständige Stellung ein.
„Was ich versuche, ist wirklich das reine Experiment, vages Mittelalter, sprachlich im
Internationalen schwebend, und ich weiß noch garnicht, ob ich’s zu Ende führe“ 2 , schrieb
Thomas Mann am 13. April 1948 an den Schweizer Germanisten Samuel Singer. Er hat es zu
Ende geführt und wirkte mit seinem „Erwählten“ geradezu polarisierend 3 : Was der eine
Kritiker als „Sprachverhunzung“ 4 empfinden mochte, war dem anderen „das süffigste, das
amüsanteste, kurz das schönste Kauderwelsch, das es je in der deutschen Literatur gegeben
hat“ 5 . Unabhängig vom Geschmack der Leser und Kritiker steht eines jedoch fest:
„Something absolutely new confronts us in the linguistic experimentation that sets
Gregorius apart from all the rest of Thomas Mann’s work and from all modern literary
experiments […].” 6
„Most readers […] will be puzzled, mystified, shocked, repelled, or entranced […] but
never bored by the highly spiced dish that the author serves.” 7
Die Fragen, die ich in meiner Arbeit an den Roman und seinen Autor herantrage, sind die
eines ebensolchen „puzzled reader“: „Was ist das sprachliche Mittelalter Thomas Manns?“,
„Wie ist es gemacht?“ und vor allem: „Wie funktioniert es?“. Es sind die Fragen nach den
sprachlichen Mitteln zur Erzeugung mittelalterlichen Ambientes, dessen Herkunft, Qualität
und Wirkung.
1
Mann, Thomas: Der Erwählte (=Gesammelte Werke in 13 Bänden, Bd. VII). Frankfurt a.M. 1990, S. 15. (im
Folgenden unter der Sigle ‚DE’)
2
Dichter über ihre Dichtungen, Bd. 14, Teilbde. I-III: Thomas Mann, hrsg. von Hans Wysling und Marianne
Fischer. München 1975-1981, III, S. 354. (im Folgenden unter der Sigle ‚DüD’)
3
DüD III, S. 396: „Selten wohl hat ein solcher Widerspruch geklafft zwischen den Reaktionen auf ein Buch.“
4
DüD III, S. 390.
5
Reich-Ranicki, Marcel: Über den Erwählten von Thomas Mann, in: Thomas-Mann-Jahrbuch 4 (1991), S. 99.
6
Weigand, Hermann J.: Thomas Mann’s Gregorius, in: Germanic Review 27 (1952), 1/2, S. 88.
7
Ebd., S. 13.
1
1.2 Aktueller Forschungsstand
Den ersten Arbeiten zur Sprache des „Erwählten“ von Jonas Lesser und Hermann Weigand,
die unmittelbar nach Herausgabe des Romans im Jahre 1952 erschienen, ist gemein, dass sie,
teils unter Hilfestellung des Dichters selbst, die Hauptquellen (ohne Einsicht der Originale,
ohne Kenntnis der genauen Ausgabe) nennen und, von diesen ausgehend, die Herkunft
zumindest der exzeptionellsten Sprachelemente des Romans belegen können.
Gertraude Wilhelm, die auf den Vorarbeiten aufbaut, geht hingegen vom Endprodukt des
Romantextes aus. In der Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes etwas willkürlich, löst
sie die ihr fremd erscheinenden Elemente aus dem Textganzen, erstellt eine (leider nicht
alphabetisch angelegte) Wortliste, in der sie „die Wörter nach ihrer sprachlich- und
literaturgeschichtlichen Herkunft“ 8 befragt. Eigennamen wie ältere neuhochdeutsche
Elemente bezieht sie nicht mit ein. Was ihrer Arbeit neben einer wissenschaftlich strengen
Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes fehlt, ist eine vorab definierte Nomenklatur der
Wortbildung und, wie ihren Vorgängern auch, die genaue Kenntnis der Quellen.
1961, im Erscheinungsjahr von Wilhelms Arbeit, wurde das Thomas-Mann-Archiv 9 in Zürich
eröffnet, das bis heute Forschern den schriftlichen Nachlass des Dichters zugänglich macht.
Die ausschließlich darauf aufbauende, 1963 erstmals erschienene Arbeit des damaligen
Archivdirektors Hans Wyslings 10 demonstriert exemplarisch am 3. Kapitel des Romans die
Quellenarbeit und Montagepraxis Thomas Manns unter Einbeziehung der bis heute
unveröffentlichten Notizen und Materialien aus dem Arbeitsfeld des „Erwählten“. Am Ende
seiner Arbeit steht eine Liste der Quellen, auf die Thomas Mann bei der sprachlichen
Umsetzung des Kapitels „Die Kinder“ zurückgegriffen hat. Alle nicht aus den schriftlichen
Quellen stammenden Elemente sowie der Bereich der Wortbildung und Eigennamen bleiben
auch bei Wysling unbehandelt.
Wortbildung 11 und Namengebung 12 bei Thomas Mann waren meist Gegenstand gesonderter
Darstellungen und Untersuchungen. Diese zeichnen sich in aller Regel durch eine
differenzierte Betrachtung ihres Untersuchungsgegenstandes bei gleichzeitiger Unkenntnis
8
Wilhelm, Gertraude: Sprachimitation in Thomas Manns „Der Erwählte“. München 1962, S. 13.
Im Folgenden unter der Sigle ‚TMA’ geführt.
10
Wysling, Hans: Die Technik der Montage. Zu Thomas Manns Erwähltem, in: Euphorion 57 (1963), S. 156199, der 1996 in einer Art Festschrift/Nachruf auf den kurz vor seinem 70. Geburtstag verstorbenen Forscher
abermals erschien. Ich habe meiner Arbeit die erweiterte und aktualisierte Fassung von 1967 zugrunde gelegt:
Wysling, Hans Thomas Manns Verhältnis zu den Quellen. Beobachtungen am Erwählten, in: Quellenkritische
Studien zum Werk Thomas Manns (=Thomas-Mann-Studien, Bd. 1). Bern/München 1967, S. 258-324.
11
Hilscher, Eberhard: Thomas Mann als Sprachkünstler, in: Neue Deutsche Literatur 3 (1955), 8, S. 56-71;
Kammradt, Friedrich: Thomas Mann als Sprachpfleger, in: Der Sprachpfleger (1956), 2, S. 3-5; Mater, Erich:
Zur Wortbildung und Wortbedeutung bei Thomas Mann, in: Georg Wenzel (Hrsg.):Vollendung und Grösse
Thomas Manns: Beiträge zu Werk und Persönlichkeit des Dichters. Halle 1962, S. 141-148; Weiss, Walter:
Thomas Manns Kunst der sprachlichen und thematischen Integration (=Beihefte zu Wirkendes Wort, Bd. 13).
Düsseldorf 1964; Wirtz, Erika: Stilprobleme bei Thomas Mann, in: Paul Böckmann (Hrsg.): Stil- und
Formprobleme in der Literatur. (=Vorträge des 7. Kongresses des FILLM). Heidelberg 1974, S. 430-433;
Hilscher, Eberhard: Thomas Mann. Leben und Werk. Berlin 1983; Frizen, Werner: Thomas Manns Sprache,
in: Helmut Koopmann (Hrsg.): Thomas-Mann-Handbuch (im Folgenden unter der Sigle ‚Handbuch’). Stuttgart
2001, S. 854-874; Choi, Kaung-Eun: Fremdwörter und Fremdsprachen bei Thomas Mann. Kiel 1993 (3 MicroFiches).
12
Weiss 1964; Link, Manfred: Namen im Werk Thomas Manns. Deutung, Bedeutung, Funktion (=Proceedings
of The Departure of Foreign Languages und Literatures, Collage of General Education Vol. 14, Nr.1). Tokyo
1966; Rümmele, Doris: Mikrokosmos im Wort. Zur Ästhetik der Namengebung bei Thomas Mann. Bamberg
1969; Tyroff, Siegmar: Namen bei Thomas Mann in den Erzählungen Buddenbrooks, Königliche Hoheit, Der
Zauberberg (=Europäische Hochschulschriften Reihe 1: Deutsche Literatur und Germanistik, Bd. 102). Frankfurt
a.M. 1975.
9
2
der dazugehörigen Quellenlage aus, was bis weit in die 60er Jahre als symptomatisch gelten
kann. 13 Meist Werk übergreifend angelegt, erfährt die Wortbildung respektive Namengebung
speziell im „Erwählten“, der in der Thomas-Mann-Forschung stets hinter „Faustussen“ und
„Zauberbergen“ zurückstand, nirgends eine erschöpfende Behandlung im Sinne einer
quellenkritischen Untersuchung.
Seit Aufnahme Thomas Manns in die an Einzelwerken orientierte Briefedition „Dichter über
ihre Dichtungen“ 14 und der Veröffentlichung seiner Tagebücher 15 – es galt eine 25jährige
Sperrfrist nach Todestag einzuhalten – kann die Quellenlage zum „Erwählten“ mit Beginn der
90er Jahre als annähernd vollständig betrachtet werden. Ruprecht Wimmer 16 nutzt in seinem
1991 erschienenen Aufsatz über die Funktion speziell der „altdeutschen“ Quellen im
Spätwerk Thomas Manns vornehmlich die Briefe, wohingegen Klaus Makoschey17 in seiner
1998 erschienenen Dissertation zwar auf die gesamte Bandbreite der Quellen zurückgreift,
diese allerdings ausschließlich für die bis dato ausstehende, rein stofflich orientierte
Interpretation des „Erwählten“ nutzt.
Eine vom Textganzen ausgehende, systematische Untersuchung der „mittelalterlichen“
Sprache in Thomas Manns „Erwähltem“, unter Einbeziehung aller Quellen und unter
Berücksichtigung der Eigennamen sowie des Wortbildungsprozesses, steht demnach noch
aus.
1.3 Quellenlage
Die Frage nach Herkunft und Qualität des sprachlichen Mittelalters im „Erwählten“ verweist
zum einen auf einen gewaltigen (Fremd-)Wortschatz des Dichters, der weitgehend aus seinem
Bildungsweg 18 heraus zu erklären ist. Daneben machte Thomas Mann in ungewöhnlichem
Umfang schriftliche Quellen (ca. 60 Monographien, Aufsätze etc.) für sich nutzbar, die sich
größtenteils heute noch in seiner Nachlassbibliothek befinden. Konnte ihm die gedruckte
Literatur nicht weiterhelfen, konsultierte er ihm bekannte Fachleute, im Falle des „Erwählten“
den Schweizer Germanisten Samuel Singer, der ihm speziell bei altfranzösischen und
mittelhochdeutschen Problemen sowie bei der archaischen Namengebung behilflich war.
Diese Korrespondenz umfasst ca. 20 Schreiben. Laut Wysling war zeitweise angedacht
gewesen, den Briefwechsel zwischen Samuel Singer und Thomas Mann „in einer der
folgenden Blätter der Thomas-Mann-Gesellschaft“ 19 zu veröffentlichen, was allerdings nie
geschehen ist. Im Anhang des Kapitels 4.2 findet sich eine tabellarische Rekonstruktion der
gesamten Korrespondenz, die zumindest eine Grundorientierung bieten kann.
Zwischen Auswahl eines Sprachelements (auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz oder
einer schriftlichen Quelle) und seiner Integration in den Romantext stand fakultativ die
wortbildnerische Initiative des Dichters. Die einzelnen Arbeitsschritte finden sich größtenteils
13
Koopmann, Helmut: Forschungsgeschichte, in: Handbuch, S. 951.
Über den „Erwählten“ spricht der Dichter in Bd. 14, III (1981).
15
Thomas Mann: Tagebücher, 10 Bde., hrsg. von Peter de Mendelssohn und Inge Jens. Frankfurt a.M. 19771995. Für die Entstehungszeit des „Erwählten“ siehe Bde. 1946-1948 (1989), 1949-1950 (1991), 1951-1953
(1993). (im Folgenden unter der Sigle ‚TB’)
16
Wimmer, Ruprecht: Die altdeutschen Quellen im Spätwerk Thomas Manns, in: Eckhard Heftrich/Helmut
Koopmann (Hrsg.): Thomas Mann und seine Quellen. Festschrift für Hans Wysling. Frankfurt a.M. 1991.
17
Makoschey, Klaus: Quellenkritische Untersuchungen zum Spätwerk Thomas Manns. „Joseph der Ernährer“,
„Das Gesetz“, „Der Erwählte“ (=Thomas-Mann-Studien, Bd. 17). Frankfurt a.M. 1997.
18
Gemeint sind gesteuerte und ungesteuerte Lernprozesse wie Schule, eigene Lektüre; Auslandsaufenthalte.
19
Wysling 1967, S. 342, Anm. 1.
14
3
in Thomas Manns Notizen 20 zum „Erwählten“ dokumentiert. Sie sind das Ergebnis eines
mehrwöchigen Aneignungsgeschäfts, eines zielorientierten Exzerpierens aus der Quellenliteratur. Dieser Realienbehälter war der Dreh- und Angelpunkt der Mann’schen Spracharbeit.
Er stand in der Funktion einer Gedächtnisstütze und muss insofern als Schlüssel zu dessen
Spracharbeit genutzt werden. Darüber hinaus stehen heute die Nachlassbibliothek Thomas
Manns, o.g. Materialsammlungen, Manuskripte und Briefe aus der Entstehungszeit des
„Erwählten“ zur Forschung frei. 21
1.4 Begründung des Forschungsvorhabens
Im Jahre 1964 noch war es für Karl Stackmann „kaum vorstellbar, daß es gelingen könnte, die
Herkunft eines einzelnen Wortes, mag es auch ein sehr auffälliges sein, präzise anzugeben.
Man müsste schon eine Arbeitsnotiz des Autors entdecken, die einen Hinweis enthielte, sonst
wäre kaum Aussicht auf Lösung des Problems.“ 22 Notizen und Materialien sind, wie oben
dargelegt, seit einiger Zeit komplett verfügbar, die „Lösung des Problems“ ist nun möglich.
Worin „das Problem“ im Einzelfall bestehen kann, zeigt sich im Vergleich zu den
Vorarbeiten, denen der Zugriff auf die gesamte Bandbreite der Quellen verwehrt war:
Richtig analysiert, aber von falschen Grundlagen ausgegangen ist Erich Mater, der in der
Form entherzt eine Analogiebildung zu neuhochdeutsch beherzt sieht 23 , was durch die
mittelhochdeutsche Form entherzet, gefunden in Wilhelm Hertz’ neuhochdeutscher
Versübertragung „Tristan und Isolde“ 24 , als widerlegt gelten darf. Ein Blick in Thomas
Manns Notizen 25 hätte Gertraude Wilhelm darüber aufklären können, dass sich Thomas Mann
keineswegs des mittelhochdeutschen Wortes ham mit der Bedeutung Haken 26 , sondern der
neuhochdeutschen Form Hamen bedient hat, die er in „Meyers kleinem Lexikon“ 27 fand und
der hiernach die Bedeutung ‚Netz’ zukommt. In einem im Thomas-Mann-Archiv befindlichen
Brief Samuel Singers vom 20. April 1948 hätte sie zudem lesen können: „altfranzösisch [...]
Gott zum Gruß heisst: Deu vus sal; Gott will es nicht: Deus ne volt; Laß das Gottes Sache
sein würde ich wiedergeben mit Que Deus (oder Dieus)! dispose! [...] ,Die Hoffnung der
Frauen’ [...] würde ich mit l’espoirs des dames übersetzen.“ 28 In Ermangelung dieser
Information („altfranzösisch“) ordnet Wilhelm diese vier Fremdwortkomplexe allesamt dem
Neufranzösischen zu. 29 Die genaue Kenntnis der Quelle und somit der Urform des einzelnen
Elements zeigt sich oftmals als unerlässlich für die sichere Bestimmung der linguistischen
Qualität und der kontextuellen Bedeutung.
20
Mann, Thomas: Notizen zum „Erwählten“, unveröffentlicht. (TMA, Mp. XI 9a, im Folgenden unter der
Sigle ‚Not. DE’).
21
Alle genannten Materialien werden im Kapitel 4.2 einer quellenkritischen Bestandsaufnahme unterzogen.
22
Stackmann, Karl: Ein seltenes Wort im „Erwählten“ von Thomas Mann, in: Richard Drögereit (Hrsg.):
Erlebtes, Erzähltes, Erforschtes. Festgabe für Hans Wohltmann. Stade 1964, S. 176.
23
Mater, S. 144.
24
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Neu bearbeitet und nach dem altfranz. Tristanfragmenten des
Trouvere Thomas ergänzt von Wilhelm Hertz. Stuttgart: Kröner 1877 (TMA TM 2871), S. 294. Zur
Quellenkritik vgl. Kap. 4.2.
25
Not DE, Bl. -/6.
26
Wilhelm, S. 73.
27
Meyers kleines Lexikon. Achte gänzlich neu bearbeitete Auflage in drei Bänden. Leipzig: Bibliographisches
Institut 1931-1932, Bd. 1, Sp. 812. Zur Quellenkritik vgl. Kap. 4.2.
28
Mann, Thomas: Materialien zum „Erwählten“, unveröffentlicht. (TMA, Mat. 7, im Folgenden unter der Sigle
‚Mat.’). Zitierter Brief trägt die Signatur Mat. 7,4.
29
Wilhelm, S. 89.
4
Derartige Ungenauigkeiten entspringen einerseits einer Unkenntnis der vollständigen
Quellenlage, andererseits einer der Linguistik abgeneigten Überzeugung, das „Feilschen um
Nachahmung oder Originalität ergäbe hier eine falsche Fragestellung“, da es schließlich auf
die literarische Wirkung der Wörter ankomme, nicht auf ihre linguistische Qualität. 30 Auch
Weigand steht auf dem Standpunkt, „the philologist” sei „certainly the least qualified to judge
the effect of the linguistic experiments“ 31 . Dem entgegnet Thomas Mann verwundert: „Der
Arzt ist disqualifiziert als Leser des »Zauberbergs« und der Aegyptologe als Leser des
Joseph? Warum nicht [?] Meine besten Leser habe ich unter den Medizinern und Musikern
gehabt, und ich weiß mehr als einen Orientalisten, der vom Joseph ganz fachlich entzückt
war. Beim »Erwählten« habe ich [...] den amüsablen Philologen dabei freundlichst im Sinne
gehabt. [...] Der Reiz Ihrer Kritik besteht ja gerade darin, daß Sie Interesse erwecken, indem
Sie demaskieren. Es ist eine Art von Aufklärung, die nicht ernüchtert“, weil sie „Kunst und
Künstlertum auf dem Strich hat“ 32 , d.h. bewahrt.
Die Aufforderung Thomas Manns zu „demaskieren“, „Aufklärung“ über sein Sprachschaffen
zu betreiben und diese „Einladung [...] an Jüngere empfehlend weiter[zu]geben“ 33 , lässt
unschwer erahnen, dass die sprachliche Oberfläche des „Erwählten“ aus einer Tiefe entsteht,
die System und Funktion haben muss und ohne die eine ganzheitliche Interpretation des
Romans als ein „Sprach-Experiment“ 34 nicht möglich ist. „Das Zitat bei Thomas Mann
erschöpft sich keineswegs in einem […] alexandrinischen Spiel“, so Kristiansen. „Die
Entschlüsselung der Zitate liefert erst die Voraussetzung für das Erfassen ihrer eigentlichen
erzählerischen Funktion.“ 35 So reicht es beispielsweise nicht aus, festzustellen, dass Thomas
Mann zur geistig-geistlichen Einfärbung der Faust-Sphäre die Sprache seiner Figuren Kumpf
und Schleppfuß mit frühneuhochdeutschen Elementen durchsetzt. Erst die Erkenntnis, dass
sich Luther-Parodie Kumpf vornehmlich der Sprache aus Luthers Briefen, sein akademischer
Gegenspieler Schleppfuß indes sich überwiegend der Sprache des „Hexenhammers“ bedient,
lässt die Intention dieser charakterisierenden Spracharbeit erkennen. 36
Als empirische Arbeitsgrundlage dient hierbei eine zu erstellende Wortliste, die zugleich den
Forderungen der Thomas-Mann-Forschung nach „Erstellung eines katalogartigen Nachweises
der Quellenverarbeitung [...] als Hilfsmittel für die Interpretation“37 oder nach einem
„Sonderwörterbuch für die Alterssprache Manns“ 38 entgegen kommen will, und versteht sich
darüber hinaus als Vorarbeit zur Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe, deren
Konzeption zu jedem Werk einen Stellenkommentar mit Sachinformationen,
Worterklärungen, Übersetzungen, Quellennachweisen und Lesebemerkungen Thomas Manns
vorsieht. 39
30
Ebd., S. 124.
Weigand, S. 89; Kuhn, Hugo: Der gute Sünder – Der Erwählte?, in: Hartmann von Aue: Gregorius.
Mittelhochdeutsch – Neuhochdeutsch. Ditzingen: Reclam 1998, S. 237, hat keine „Lust, seiner Umgestaltung
nachzurechnen bis in die Zufälle der Zettelkästen“; Frizen, S. 870: „Der Philologe muss sich aber fragen, ob er
durch Rekonstruktion nicht das zerstört, was ...“.
32
DüD III, S. 419f.
33
DüD III, S. 419.
34
DüD III, S. 410.
35
Kristiansen, Børge: Das Problem des Realismus bei Thomas Mann. Leitmotiv – Zitat – Mythische Wiederholungsstruktur, in: Handbuch, S. 832.
36
Vgl. weiter Kap. 8.1.
37
Makoschey, S. 126.
38
Kammradt, S. 5; Kuhn, S. 237: Das „Feuerwerk [...] von Kompositionsspielen“ zu hinterfragen: „ist auch
schon mehrfach, wenngleich nicht zur Gänze geschehen“.
39
Detering, Heinrich: „Die Welt ist meine Vorstellung“. Einführung in die Große kommentierte Frankfurter
Ausgabe der Werke von Thomas Mann. Frankfurt a.M. 2001, S. 14.
31
5
1.5 Methode
Die Annäherung an das oben beschriebene Sprachphänomen von Seiten des 260seitigen
Textganzen verlangt im Vorfeld nach einer Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes, die
– ebenso wie die anschließend vorzunehmende Sprachanalyse der „linguistic
experimentation“ als einer Literatursprache – unweigerlich am Grundproblem der
sprach/literaturwissenschaftlichen „Vernunftehe“ 40 rührt: Die brisante Frage lautet, ob es
methodisch legitim sei, die Sprache eines literarischen Kunstwerks lediglich als besondere
Varietät von Sprache allgemein zu sehen und (demnach mit Hilfe linguistischer Termini) zu
beschreiben, oder ob diese als unantastbarer Teil eines künstlerisch autonomen Organismus
zu sehen sei. Schon allein die temporäre Ausdehnung dieser Diskussion, die namentlich mit
Roman Jakobson 41 Ende der 1920er Jahre begann und bis heute nie ganz verstummte, lässt
erahnen, dass es keine end- oder allgemeingültige Antwort geben kann. Während die
Vertreter der so genannten ‚Linguistischen Poetik’ unter Berufung auf Jakobson noch in den
1970er Jahren eine regelrechte „linguistische Reformulierung der Literaturwissenschaft“42
forderten (während die literaturwissenschaftlichen Vertreter bemüht waren, ihre Disziplin
gegen Eingriffe von außen zu verteidigen), kann heute von einem transdisziplinären Modell 43
der Formulierung relevanter Fragen und Aufgaben gesprochen werden.
So empfiehlt Walter Weiss, nachdem er die „konkurrierenden Ansätze“ 44 am „Propheten“
Thomas Manns durchexerziert hat, „von Fall zu Fall, je nach Situation, Gegenstand und
Fragestellung zu wählen und zu kombinieren“ 45 . Der ertragreichste Ansatz sei im konkreten
Fall aber der der linguistischen Poetik gewesen, „da die Sprache Thomas Manns nicht einfach
als ein selbsttätig aus sich und in sich rotierendes System zu fassen“46 sei. Reinhard Baumgart
kann ergänzen, dass auch Thomas Mann selbst „Sprache nie an sich, als poetisch gesetzte,
selbstgenügsame Realität, sondern immer nur in ihrem Bezug zur Wirklichkeit“ 47 , sprich als
Abweichung zur Normalsprache verstand, wie verschiedene Äußerungen 48 aus seiner Feder
belegen. Die Entscheidung, diesen Ansatz der vorzunehmenden Untersuchung zugrunde zu
legen, fällt aber letztlich aufgrund der Beschaffenheit des „Gegenstandes“ (Weiss), denn wie
anders könnte die Untersuchung einer „lingusitic experimentation“ erfolgen, als unter
Rückgriff auf linguistische Termini? Aber auch unter der kommunikationstheoretischen
Prämisse, dass die Verfremdung der Sprache mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Funktion
einer Befremdung des so genannten „Durchschnittslesers“ 49 steht, empfiehlt es sich, die
40
Haß, Ulrike/König, Christoph: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Literaturwissenschaft und Linguistik von 1960
bis heute. (=Marbacher Wissenschaftsgeschichte, Bd. 4). Göttingen 2003, S. 9.
41
Geisenhanslüke, Achim: Einführung in die Literaturtheorie. Von der Hermeneutik zur Medienwissenschaft.
Darmstadt 2003, S. 73ff.
42
Geisenhanslüke, Achim/Müller, Oliver: Linguistik als Gegendiskurs? Die Siegener Zeitschrift für
Literaturwissenschaft und Linguistik, in: Haß, Ulrike/König, Christoph [Hrsg.]: Literaturwissenschaft und
Linguistik von 1960 bis heute. (=Marbacher Wissenschaftsgeschichte, Bd. 4). Göttingen 2003, S. 94.
43
Mittelstraß, Jürgen: Stichwort Interdisziplinarität, mit einem anschliessenden Werkstattgespräch (=Basler
Schriften zur europäischen Integration, Bd. 22). Basel 1996.
44
Weiss, Walter: Konkurrierende Ansätze sprachlicher Beschreibung und Deutung. Angewendet auf die
Erzählung »Beim Propheten« von Thomas Mann, in: Beatrix Bludau (Hrsg. u.a.): Thomas Mann 1875-1975.
Vorträge in München, Zürich, Lübeck. Frankfurt a.M. 1977, S. 484-499.
45
Ebd., S. 497.
46
Ebd., S. 496.
47
Baumgart, Reinhard: Das Ironische und die Ironie in den Werken Thomas Manns. München 1974, S. 20.
48
DüD III, S. 392: „die Sprengung der Sprachgrenze [ist] eigentlich nicht legitim“, „die Sprachpossen sind wohl
ein bißchen arg“; DüD III, S. 423: „mein Hang zu Sprachscherzen [schlägt] unerlaubte Purzelbäume“.
49
DüD III, S. 404.
6
Sprache des „Erwählten“ vom Standpunkt der Normalsprache aus zu beschreiben. Dabei ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass der sprachlich befremdende Effekt bei jedem Leser
unterschiedlich stark ausfällt, da die Grenze zwischen dem sprachlich Bekannten und dem
sprachlich Unbekannten verständlicherweise von subjektiven Faktoren, nämlich der (alt-)
sprachlichen Vorbildung eines jeden Lesers abhängt. Was der eine Leser geneigt ist, im
Wörterbuch nachzuschlagen, ist dem anderen schon längst bekannt und umgekehrt.
Die Trennung erfolgt durch einen Standardwortschatz, den Duden 50 , dem von allen
Wörterbüchern als erstem der Status eines „Volkswörterbuches“ 51 zugestanden werden kann.
Alles was außerhalb dieses lexikographischen Kreises liegt, darf als so ungebräuchlich und
damit befremdend genug gelten, um bei der sprachlichen Parodie eines fiktiven Mittelalters
dienlich zu sein. Den Dudenwortschatz als eine Art Vorfilter zu benutzen, ist zugleich die
einzig legitime 52 Möglichkeit, das subjektive Fremdwortempfinden des Verfassers
weitgehend auszuschließen – ein Mangel, dessen Beseitigung mit Blick auf die Vorarbeiten
dringend geboten scheint. Alles Alte, Fremde, Dialektale, Fachsprachliche wird auf diesem
Wege aus dem Gesamttext des Romans gelöst und alphabetisch katalogisiert, um danach Wort
für Wort und unter Rückgriff auf einschlägige Wörterbücher einer systematischen Analyse
unterzogen zu werden.
Diese Analyse fragt sowohl nach der Sprach(-stand)zugehörigkeit als auch den
morphosyntaktischen Aspekten (Wortart, Kasus etc.). Bei dieser überaus konkreten weil
systematischen lexikographischen Verortung des fremden Elements bleiben letztlich solche
zurück, die in keinem Wortschatz der Welt eine Entsprechung finden. Besonders in den
hybriden Neubildungen (smoothlich, Kiddens, Gentlevolk) manifestiert sich die wortbildende
Gestaltungskraft des Künstlers, die in Bezug auf den „Erwählten“ in der Forschung bisher
weitgehend unbeachtet geblieben ist. Wort für Wort wird geklärt werden müssen, ob es sich
um die Übernahme eines in einer Quelle bereits existierenden Elements handelt, oder ob
zwischen Auswahl und Integration in den Text eine produktive Weiterbildung durch den
Dichter stattgefunden hat, deren weitere Analyse in enger Anlehnung an die
Wortbildungslehre vorgenommen wird. Die Entwicklung des einzelnen Elements kann
optimalerweise über einen Dreischritt ‚Quelle – Notizen – Romantext’ nachvollzogen werden:
Schimpfturneie, S. 136: Auswahl des mhd. Wortkomplexes turnei ze schimpfe,
Quelle: Dieffenbacher, S. 131 (markiert); partielle Anpassung an die nhd.
Orthografie (Gs.); Übernahme in die Notizen, Bl. -/15; Neubildung durch
Komposition der beiden Simplizia bei Integration in den Romantext; Bedeutung:
„Turnei ze schimpfe, Kurzweil, stumpfe Waffen“ 53 im Gegensatz zum echten
Kampf. 54
50
Duden. Rechtschreibung, mit Berücksichtigung der häufigsten Fremdwörter. Leipzig 1951. (im Folgenden
unter der Sigle ‚Duden’)
51
Sauer, Wolfgang Werner: Der Duden. Geschichte und Aktualität eines Volkswörterbuches. Stuttgart 1988,
S. 1, bezeichnet den Duden als das „populärste deutsche Wörterbuch“.
52
Harras, Gisela: Wörterbücher als Hilfsmittel der linguistischen Forschung, in: Franz Josef Hausmann (Hrsg.
u.a.): Wörterbücher: Ein internationales Handbuch zur Lexikographie (=Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 5). Berlin/New York 1989, S. 161, spricht für die Benutzung „einsprachiger
Wörterbücher als Informanten für Daten des Grundwortschatzes einer Sprache“.
53
Not. DE, Bl. -/15.
54
Dieffenbacher, Julius: Deutsches Leben im 12. und 13. Jahrhundert, Bd. 2: Privatleben (=Sammlung
Göschen, Bd. 328), Leipzig: Göschen 1907 (TMA TM 2803), S. 131. Zur Quellenkritik vgl. Kap. 4.2.
7
Fehlt der Quellennachweis und womöglich ebenfalls ein Vermerk in den Notizen, so wird
sich der Dichter aus seinem umfangreichen Eigenwortschatz 55 bedient, vielleicht sogar eine
Neuschöpfung vorgenommen haben.
Die Analyse des einzelnen Elements führt zwangsläufig dazu, ebenso nach der Beschaffenheit
des Ganzen zu fragen: Wie mittelalterlich56 ist also das mittelalterliche Ambiente wirklich?
Es ist die Frage nach Quantität, Qualität und Authentizität des von Thomas Mann als
mittelalterlich bezeichneten Textes. Da nun gesamtsprachliche Authentizität – soviel liegt auf
der Hand – definitiv auszuschließen 57 ist, muss nach der Verteilung der fremden Elemente auf
den gesamten Romantext gefragt werden, und der damit verbundenen Funktion und
intendierten Wirkung der Einsprengsel. Die unveröffentlichten Notizen zum „Erwählten“,
weit mehr noch die in jüngerer Zeit erschienenen Selbstkommentare und Tagebuchaufzeichnungen enthalten eine Vielzahl bislang weitgehend unbeachteter erzähltheoretischer
Reflexionen Thomas Manns, die die Möglichkeit aufzeigen, die Sprache des Romans auch
von anderer Seite gänzlich neu zu bewerten. Die auf Grundlage der Wortliste gewonnenen
repräsentativen Muster Mann’scher Spracharbeit auf der einen, die erzählreflexiven
Äußerungen der Selbstzeugnisse auf der anderen Seite bilden die Voraussetzung einer
interpretatorischen Synthese, die den poetischen Stellenwert der Sprache des „Erwählten“
ergründen und sie aus ihrem bisherigen Blackbox-Dasein herausführen kann.
Der sich hier abzeichnende Mechanismus von Zitat und Montage zum Zwecke sprachlicher
Archaisierung 58 ist kein Novum des „Erwählten“, sondern charakterisiert, beinahe
programmatisch, das Spätwerk Thomas Manns:
Angefangen bei „Lotte in Weimar“, worin der Dichter den Sprachduktus der Goethezeit
parodiert, über den lutherdeutschen „Doktor Faustus“ 59 , von dem es heißt, die
„Auseinandersetzung mit dem Archaischen und Altdeutschen im Faustus hatte zum Ableger
des Erwählten geführt“ 60 , steht der Mittelalterroman am Ende eines parodistischen
Dreischritts zurück in die Sprachgeschichte. „Der Erwählte“ stellt werkchronologisch,
sprachhistorisch und in der Intensität sprachlicher Parodie lediglich den Gipfel, oder besser:
die Spitze eines Eisberges dar, dessen restliche Dreiviertel in einem längeren Exkurs über
Zitat und Wortbildung zum Zwecke sprachlicher Archaisierung im Kontext des
Gesamtwerkes an die Oberfläche gebracht werden müssen. Auch die Tatsache, dass Zitat und
Montage schon vor Fertigstellung des „Erwählten“ zum integralen Bestandteil der
Mann’schen Arbeit geworden war, über den es den Dichter schließlich in der Nachschrift
„Die Entstehung des Doktor Faustus“ (1949) „kommentierend Rede zu stehen verlangt[e]“ 61 ,
spricht eindeutig gegen eine autonome Betrachtung des Sprachprodukts „Der Erwählte“. So
55
Die Vorstellung eines geschlossenen personalen Eigenwortschatzes ist wissenschaftlich kaum haltbar. Im
Folgenden wird daher von der ‚Sprachkompetenz’ des Dichters die Rede sein.
56
Der Begriff ‚mittelalterlich’ sei hier im sprachhistorischen Sinne (as., ahd., afrz., mhd., lat.) verwandt.
57
Koopmann, Helmut: Der Erwählte, in: Handbuch, S. 512: „Auch der stupideste Leser merkt, daß Plattdeutsch
und Englisch, Mittelhochdeutsch und Altfranzösisch sich in dieser sonderbaren Mischung realiter wohl nie [und
nirgends] präsentiert haben.“
58
Kuhn, S. 243, spricht von einer „Montage der Sprachenmischung“; Soetemann, C.: Thomas Mann und die
deutsche Sprache, in: Linguistische Probleme der Textanalyse (=Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache
1973). Düsseldorf 1975, S. 206: „Der Erwählte ist also ein archaischer Roman“.
59
Mann, Thomas: Doktor Faustus (=Gesammelte Werke in 13 Bänden, Bd. VI). Frankfurt a.M. 1990. (im
Folgenden unter der Sigle ‚DrF’)
60
Wimmer 1991, S. 295.
61
Mann, Thomas: Die Entstehung des Doktor Faustus. Roman eines Romans. (=Gesammelte Werke in 13
Bänden, Bd. XI) Frankfurt a.M. 1990, S. 79. (im Folgenden unter der Sigle ‚Entst.’)
8
wird in dieser Arbeit ein weiter Bogen gespannt werden müssen, der am Beispiel des
Mittelalter-„Romänchens“ 62 die Extreme der Zitat- und Wortbildungspraxis isoliert, in der
„Entstehung des Doktor Faustus“ den dazugehörigen theoretischen Hintergrund sucht und
jenen einbettet in die allgemeine Roman- und Kunsttheorie Thomas Manns. Diese ist schon
zu „Buddenbrooks“-Zeiten bestimmt von der Frage nach dem eigentlich kreativen Moment
innerhalb des künstlerischen Schaffensprozesses – eine Frage, die der Dichter nicht nur in
Selbstzeugnissen und Essays, sondern auch in der Konzeption seiner Werke zu beantworten
sucht. In Harry Levins „critical introduction“ zu James Joyce findet Thomas Mann schließlich
einen Satz, der ihn „sonderbar tief berührt“ und ihn der Beantwortung seiner Frage näher
bringt:
„The best writing of our contemporaries is not an act of creation, but an act of
evocation, peculiarly saturated with reminiscenses“ 63 .
62
63
DüD III, S. 362.
Entst., S. 205.
9
2. Kapitel: Die Mann’sche „Gregorius“-Rezeption
Hartmanns von Aue „Gregorius“ und Thomas Manns Roman „Der Erwählte“ stehen am Ende
einer langen Traditionsreihe der christlichen Legende vom guten Sünder, die auch schon auf
Koptisch, Latein, Altenglisch und Altfranzösisch erzählt worden ist. 64 Hartmanns
„Gregorius“ ist auf das Ende des 12. Jahrhunderts zu datieren, Thomas Manns
Mittelalterroman „Der Erwählte“ erschien im Jahre 1951. Diese Erzählung gründet sich, wie
im Nachwort der Buchausgabe vermerkt ist, „in ihren Hauptzügen auf das mittelalterliche
Versepos des Hartmanns von Aue“ 65 , trägt aber darüber hinaus unverkennbare Züge weiterer
mittelalterlicher Werke wie der „Gesta Romanorum“, alter Marienlieder, des
„Nibelungenliedes“ und schließlich von Wolframs „Parzival“, wie Thomas Mann freimütig
eingestand. 66 Der Dichter ließ also kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges die alte Legende
vom guten Sünder in neuem literarischen Gewand und in noch nie da gewesenem
Kulissenzauber, pittoresker Kostümpracht und Requisitenfülle wieder aufleben, was – „man
ist [...] halt »umstritten«“ 67 – ein geteiltes Echo hervorrief.
Nachfolgend wird es darum gehen, die wichtigsten Neuerungen, die Thomas Mann am
mittelhochdeutschen „Gerippe der Legendenfabel“ 68 vorgenommmen hat, herauszuarbeiten,
um einen Kontext des „Amplifizierens, Realisierens und Genaumachens“ 69 aufzubauen, in
dem auch die Sprache des Romans gesehen werden muss. Entsprechend der Chronologie sei
zunächst Hartmanns „Gregorius“ vorgestellt.
2.1 Der „Gregorius“ Hartmanns von Aue
Hartmanns literarische Aktivitäten sind, trotz aller Datierungsprobleme, den letzten beiden
Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts zuzuordnen. Nach, vor oder zwischen seinen Werken
„Erec“, „Der arme Heinrich“ und „Iwein“ hat der vermutlich der unfreien Ministerialität der
Grafen zu Hohenberg Zugehörige sein Versepos im alemannisch-oberdeutschen Sprachraum
geschaffen. Hartmann diente seinerzeit die altfranzösische Fassung des christlichen Mythos
„La vie du pape St. Grégoire“ als literarische Vorlage für sein Werk, das der Nachwelt in
sechs Handschriften und fünf Fragmenten (13. bis 16. Jahrhundert) überliefert ist. 70
Dem Prolog einer epischen Dichtung fällt, genau wie dem ersten Kapitel eines Romans, eine
ganz besondere Funktion zu. Er ist Exposition und Ouvertüre und nimmt, ganz in der
rhetorischen Schultradition prologus ante rem stehend, in der Eingangspartie des Werkes
„einen unübersehbar vorausweisenden, antizipierenden und damit letztendlich deutenden
Charakter“ 71 an, so Jochen Vogt. Daher soll, bevor nun die eigentliche Handlung in den
64
DüD III, S. 356.
DE, (Nachwort).
66
Mann, Thomas: Bemerkungen zu dem Roman ›Der Erwählte‹, in: Ders.: Altes und Neues. Kleine Prosa aus
fünf Jahrzehnten (=Gesammelte Werke in 13 Bänden, Bd. XI). Frankfurt a.M. 1990, S. 246. (im Folgenden unter
der Sigle ‚AN’)
67
DüD III, S. 396.
68
Boesch, Bruno: Die mittelalterliche Welt und Thomas Manns Roman „Der Erwählte“, in: Wirkendes Wort
(1951/52), 2, S. 341.
69
AN, S. 689.
70
Cormeau, Christoph/Störmer, Wilhelm: Hartmann von Aue: Epoche – Werk – Wirkung, München 1993, S.
20-32.
71
Vogt, Jochen: Thomas Mann: Buddenbrooks. München 1983, S. 13.
65
10
Fokus der Betrachtung rückt, der Prolog des Hartmann’schen Werks einer genaueren Analyse
unterzogen werden:
Hartmann beginnt mit einer Confessio aus der Ich-Perspektive (V. 1-5). Er verwirft sein
früheres literarisches Schaffen, ohne auch nur eines seiner Werke konkret zu nennen. Dies
ziele einzig auf der werlde lône (V. 4), d.h. nach gesellschaftlicher Anerkennung, und er tut
sie schließlich in seiner Revocatio als Früchte seiner tumben jâr (V. 5) ab. Hartmann gibt sich
geläutert, bezeichnet sein früheres Wirken als Sünde (V. 38), der er nun die wârheit (V. 36)
entgegensetzen will. Dies impliziert einen festen Leserstamm um Hartmann, da er die
Leserkenntnis seiner früheren Werke vorauszusetzen scheint.
Direkte Informationen zum Publikum gibt der Text nicht, jedoch lassen sich ex silentio einige
gezielte Spekulationen anstellen: Zunächst ist festzustellen, dass eine Widmung an einen
Fürsten oder Abt gänzlich fehlt. Weder Lokalität noch Quantität oder gar Identität der Leser
dieser vermeintlichen Auftragsarbeit können näher bestimmt werden. Die historischliterarische Situation spricht jedoch für folgende drei Rezipientenkreise: Klostergemeinschaft,
Bischofshof und Adelskreis. 72 In einer der drei Gruppen, vielleicht in einer Schnittmenge, ist
ein kleiner, fester Leserstamm zu vermuten, denn „nur in einer bestimmten aktuellen Situation
von Autor und Publikum hat diese Reaktion des Verfassers einen Sinn: er muss vorher
mehrere weltliche Werke abgefasst haben, das Publikum muss sie kennen und Entsprechendes
von ihm erwarten“ 73 .
Die Perspektive wechselnd lässt Hartmann der Revocatio eine Belehrung über die
Notwendigkeit rechtzeitiger Buße folgen (V. 6-34). An die Allgemeinheit gerichtet stellt er
klar, dass, wer auch immer das Vollbringen gottgefälliger Taten, sprich die Bemühung um das
Heil, vor sich herschiebe, sich selbst also aufs Alter vertröste, der halte das Heil
irrtümlicherweise für permanent verfügbar. Schließlich könne einem ein snelles ende (V. 23)
jederzeit den Plan verwirken. Dieser Belehrung über den fürgedanc, die Vermessenheit in
Rechnung auf die Hilfe Gottes in Gestalt des Aufschubs, ergänzt er um ein Exempel der
Sündenlosigkeit aus dem Alten Testament: Wer wie Abel zeit seines Lebens ohne Sünde
bleibe bis zum jüngsten Tag, der habe sich das ewige Leben nicht zu teuer erkauft (V. 27-34).
Aus der Ich-Perspektive spricht der Autor abermals dicke sîne zungen (V. 2) an, seine nach
weltlichen Ehren strebenden Werke, die er im Nachhinein als süntliche bürde (V. 39)
empfinde und nun zu tilgen gedenkt. Er bietet dem Leser, der Welt und vor allem Gott sein
Werk, das er als religiöse Dichtung verstanden haben will, als Bußleistung für frühere
literarische Fehltritte an (V. 40-42).
An dieser Stelle schlägt Hartmann erstmals den Weg in Richtung der eigentlichen Erzählung
ein, doch mit dem vorläufigen Ziel, seinen Grundgedanken am Exempel des zwîfels zu
verdeutlichen (V. 51-78). Er warnt vor der Sünde des Zweifelns an der Gnade Gottes, belehrt
über den zwîvel als geistige Haltung und rückt die Frucht der Reue in den Fokus der
Betrachtung. Der Autor bedient sich mit der Symbolik des weges der helle (V. 59) und der
saelden strâze (V. 63) eines alten christlichen Orientierungsmusters – ein Bild, das er im
Folgenden in aller Deutlichkeit ausmalt: Er beschreibt zunächst den bequemen gemächlîchern
wec (V. 81-86), die via communis, und auf der anderen Seite den Weg der saelden strâze, die
eng und mühevoll ist und durch unwegsame Landschaft führt (V. 87-96). Das Zwei-WegeGleichnis gehörte im 12. Jahrhundert durchaus zum geistigen Allgemeingut. Hartmann
schließt ein zweites Gleichnis an (V. 97-143), um durch dessen Beispielcharakter die
72
Mertens, Volker: Gregorius Eremita. Eine Lebensform des Adels bei Hartmann von Aue in ihrer Problematik
und ihrer Wandlung in der Rezeption (=Münchener Texte und Untersuchungen, Bd. 76), München 1978, S. 17.
73
Ebd., S. 76.
11
Unendlichkeit der Gnade Gottes hervorzuheben: Gott als barmherziger Samariter (Lk. 10, 30).
Hinter dieser Symbolik verbirgt sich ein durch seine Sünden zu Fall Gekommener, der von
Gott das Kleid der vorhte daz er ersturbe (V. 117) und das Kleid der gedinge daz er niht
verdurbe (V. 118) übereignet erhält, um zunächst den Lebenswillen nicht zu verlieren. Zu
seiner Stärkung bedenkt ihn Gott mit geistlicher triuwe und riuwe (V. 125, 126), die ihm eine
Salbe, das Öl der Gnade und den Wein des Gesetzes in die Wunden gießen. Schließlich hebt
ihn Gottes Gnade auf ihre Schulter, trägt ihn heim und pflegt ihn gesund. Der ehemalige
Sünder gesundet ohne eine Narbe zurückzubehalten und wird darauf ein herausragender
Kämpfer für das Gute vor aller Christenheit. Hartmann gibt hiermit einen weiteren,
wenngleich verhüllten Fingerzeig auf die folgende Erzählung.
In seiner zweiten Hinleitung zur eigentlichen Erzählung (V. 144-170) greift der Autor
abermals den zwîvel auf, sagt explizit, daz man durch deheine missetât (V. 160) jemals an
Gott zweifeln dürfe. Allein der zwîvel stehe zwischen dem Sünder und Gott, nicht etwa die
bercswaeren schulden. Es folgt die Selbstnennung Hartmanns von Aue als Vermittler und
Übersetzer (V. 171-176) und der Prolog schließt mit der finalen Hinleitung zur Erzählung
vom guten Sünder.
Die Herrscherin eines romanischen Landes namens Aquitanien gebiert ihrem Gemahl
Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen, von außergewöhnlicher Schönheit. Sie stirbt noch
im Kindbett und auch ihren Mann ereilt der Tod, als die Kinder das Alter von zehn Jahren
erreicht haben. Die beiden Kinder leben fortan in geschwisterlicher Eintracht und Liebe bis
der Teufel das Feuer der fleischlichen Lust zwischen ihnen entfacht. Eine zeitlang geben sie
sich insgeheim der gemeinsamen Sünde hin, bis die Schwangerschaft der Fürstentochter das
sündige Glück zerbricht.
Nachdem sie einen Sohn geboren hat, wird die Frucht der Sünde in die Hände Gottes
gegeben. Der Kleine wird in einem Fässchen, versehen mit einer beträchtlichen Geldsumme
und einem Täfelchen, auf dem seine Herkunft geschrieben steht, auf dem Meer ausgesetzt, auf
dass ihn ein barmherziger Finder christlich aufziehe, bilde und das kleine Vermögen mehre.
Kurz darauf wird die Mutter von der schrecklichen Nachricht ereilt, dass ihr Bruder auf seiner
Bußfahrt ins Heilige Land gestorben sei. Fortan lebt sie, jeder Ehe entsagend und nur dem
Herrgott verschrieben, ein Leben in täglicher Buße und Reue. So weist sie auch den Antrag
eines benachbarten Herrschers zurück, der schließlich nach langer, vergeblicher Werbung um
ihre Hand das Land mit Krieg überzieht.
Gottes Wille lässt das Kind an eine Insel treiben, Fischer finden es und übergeben es dem Abt
des kleinen Inselklosters. Der Gottesmann nimmt sich des Kindes an, er sorgt für
Familienanschluss bei den Fischern, mehrt dem Kind das Geld und tauft es auf seinen eigenen
Namen: Gregorius. Nach sechs Jahren holt er den kleinen Gregorius zu sich ins Kloster und
lässt ihm Bildung angedeihen, wie es auf der Tafel geschrieben steht. Durch einen Zufall
erfährt der Klosterschüler eines Tages von seiner ungewissen Abkunft, stellt den Abt zur
Rede und unterbreitet diesem schlussendlich, dass er sein Glück in der Fremde suchen wolle.
Sein Ziel sei die Ritterschaft.
Er legt sein Schicksal in Gottes Hände, lässt sich treiben und gelangt nach wenigen Tagen in
den Hafen einer großen Stadt. Bald erfährt er, dass sich die Stadt in einem Minnekrieg
befinde, da ihre Herrin zuvor ihren fürstlichen Verehrer wieder und wieder abgewiesen habe.
Dem feindlichen Herzog beliebe es, in regelmäßigen Abständen die Ritter der belagerten
Stadt vor den Toren zum Zweikampf herauszufordern. Gregorius beschließt, diese
Gelegenheit zu nutzen, um durch die Befreiung der Stadt zu ritterlichen Ehren zu kommen.
12
Nachdem der Jüngling den Zweikampf wider Erwarten für sich entscheiden und das Land
vom Minnekrieg befreien konnte, raten die Hohen des Landes ihrer Herrin, sich aus Gründen
der Sicherheit, aber auch um die Erbfolge sicherzustellen, einen Mann zu nehmen. Die
Herrscherin stimmt zu und lässt ihre Wahl auf Gregorius fallen, und so werden Mutter und
Sohn unwissentlich zu Frau und Mann.
Gregorius ist ein guter Herrscher und führt eine glückliche Ehe bis zu dem Tag, da sie die
Sünde entdecken. Willens, jede Mühsal, jede Pein, sei sie auch noch so groß, zu ertragen,
macht sich der edle Büßer auf den Weg. Nach drei Tagen des Wanderns, Fastens und Betens
kommt er an eine kleine Fischerhütte. Der Fischer jedoch erkennt in ihm einen reichen Mann
im Bettlergewand, schimpft ihn einen Taugenichts und jagt ihn davon. Des Fischers Frau
jedoch hat Mitleid mit dem armen Wandersmann. Sie weiß ihren Mann zu besänftigen und
bittet, den Fremden zurückrufen zu dürfen. Kurz darauf sitzt Gregorius am Tisch und lässt
sich abermals vom Fischer verhöhnen. Er gerät aber im Gegensatz zu seinem Gegenüber nicht
in Rage, sondern nimmt die Schimpf- und Schmähworte seines Gastgebers bereitwillig als
Teil seiner Buße an. Lediglich nach einem trostlosen Plätzchen zum Büßen in Einsamkeit
erkundigt sich Gregorius, woraufhin ihn der misstrauische Fischer am nächsten Morgen auf
eine kleine einsame Felseninsel bringt und hämisch grinsend dort ankettet. Den
dazugehörigen Schlüssel übergibt er schadenfroh den Wellen. Siebzehn lange Jahre verbringt
Gregorius dort, sich ausschließlich an dem Wasser labend, das aus dem Felsen tropft.
Es kommt die Zeit, da es gilt, einen neuen Papst zu wählen. Kaum ist der alte aus dem Leben
gegangen, da erhebt sich unter den Bürgern Roms ein Streit um das hohe Amt. Schließlich
kommt man überein, Gott die Wahl zu überlassen, wer den Heiligen Stuhl bekleiden solle.
Daraufhin gibt Gott zwei altangesehenen Römern dasselbe nächtliche Gesicht: Im Lande
Aquitanien sitze ein Mann seit nunmehr siebzehn Jahren verlassen auf einer Felsinsel. Dieser
Mann solle den Felsen gegen den Stuhl des Heiligen Petrus tauschen. Sein Name sei
Gregorius. Die beiden Alten verkünden die Botschaft Gottes und machen sich als Gesandte
Roms auf den Weg, den Betreffenden zu suchen. Nach langem Reisen und Suchen gelangen
die beiden Edelmänner zur Hütte des Fischers und kehren bei ihm ein. Als abendliches Mahl
soll die Fischerfrau ein stattliches Exemplar eines Fisches servieren, den ihr Mann am Tage
gefangen hat. Beim Ausnehmen aber findet der Mann im Magen des Tieres den Schlüssel,
den er vor siebzehn Jahren vom Felsen aus ins Wasser geschleudert hat. Einer der Römer
bemerkt den Schrecken des alten Fischers, der ihm auf die Frage nach dem Grund die ganze
Geschichte erzählt. Am Tage darauf lassen sie sich von dem Unglücklichen per Boot zur Insel
bringen, wo sie den Büßer finden. Er ist entsetzlich entstellt und gepeinigt durch die
Strapazen der Jahre.
Sein bevorstehender Einzug in die ewige Stadt wird schon drei Tage vor Ankunft durch ein
Gnadenzeichen Gottes angekündigt: Die Glocken aller Kirchen Roms läuten unaufhörlich und
ohne menschliches Zutun. Wie zuvor ein guter weltlicher Herrscher, so ist Gregorius ein
ebenso großer, guter und gerechter Papst. Seine Mutter, Vaterschwester und Frau hört bald
von der Weisheit, Milde und Güte des neuen Papstes und beschließt, ihm in ihrer sündlichen
Not zu beichten. Tatsächlich empfängt er die alte Frau aus Aquitanien, die er zunächst nicht
als seine leibliche Mutter erkennt, wie auch sie nicht ihren Sohn in ihm wahrnimmt. Erst ihre
Beichte, in der er einen Großteil seiner eigenen Lebensgeschichte wieder findet, öffnet ihm
die Augen und er gibt sich als ihr Sohngemahl zu erkennen. Gregorius behält seine
Muttergemahlin bei sich in Rom, leistet ihr geistlichen Beistand und sie werden beide
auserwählte Kinder Gottes.
13
Hartmann lässt es sich nicht nehmen, dieser guoten, sprich lehrreichen Geschichte vom guten
Sünder Gregorius noch einige Worte in eigener Sache anzuschließen. Er spannt eine Ellipse
vom Antizipierenden des Prologes zum resümierenden Epilog, wodurch die Erzählung zum
Herzstück des Werks wird, eingebettet in des Autors eigene Gedanken. Diesen eigenen
Gedanken, geschrieben in der Ich-Perspektive und an die Allgemeinheit gerichtet, lässt sich
die Intention 74 des Autors entnehmen:
Zunächst sei die didaktische Intention Hartmanns angesprochen, die bereits im Prolog
manifest wird: Die höfischen Romane, seine eigenen mit eingeschlossen, seien eitel und
diesseitsfixiert und so tadelt er nicht nur sich selbst, sondern auch indirekt sein Publikum, das
seinen früheren Werken Beifall gezollt hat. Er gibt sich bekehrt, stellt sich für das geistliche
Thema als besonders geeigneten Bearbeiter vor und verleiht auf diesem Wege seinem Werk
einen besonders hohen Wahrheitsanspruch, an dem er sein Publikum teilhaben lassen möchte:
Jeder sündige Mensch soll wissen, so Hartmann, dass er trotz aller Sünden dennoch gerettet
werden kann (V. 3982). Sich an den einzelnen Leser wendend konstatiert der Autor: Wenn
nach so großer Freveltat selbst Gregorius und seine Mutter gerettet wurden, so wird auch dir
(dem Leser) geholfen werden (V. 3969).
Die zweite Intention ist – wie im Prolog bereits angesprochen – die eines Büßers. Er bittet all
jene, die dieses Werk lesen sollten, bei Gott für sein Seelenheil einzutreten (V. 3994), um so
ein wenig von besagtem süntlichen berc, der auf ihm lastet, etwas abzutragen. Dieses
Bekenntnis sündhafter, weltlicher Dichtung und der Wendung an die Rezipienten ist
alleiniges geistiges Eigentum Hartmanns, der mit der Schöpfung dieses Jugendsünde-Topos
in der deutschen Dichtung vorbildhaft gewirkt hat.
2.2 Das „Genaumachen“ Thomas Manns: „Der Erwählte“
2.2.1 „Ein ganz schnurriges Einleitungskapitel“ 75
„Glockenschall, Glockenschall supra urbem ...“ – Thomas Mann beginnt seinen Roman mit
dem Ende der zu erzählenden Legende, mit der Ankündigung des neuen Papstes, mit dem
Wunder und Gnadenbeweis Gottes beim Einzug des endlich Erlösten in die ewige Stadt. In
den ersten beiden Abschnitten widmet sich der Dichter ausgiebig der Beschreibung dieses
Wunders, welches etwas weniger ausführlich auch bei Hartmann zu finden ist (V. 3753). Dem
schließt Thomas Mann die Frage nach dem Urheber dieses Wunders an. Einem
mittelalterlichen Leser hätte es fern gelegen, eine solche Frage zu stellen, also an Gottes
Wundertätigkeit zu zweifeln, doch Thomas Mann stellt sie: „Wer läutet die Glocken?“ Die
Antwort lautet: „Der Geist der Erzählung!“76 Hartmanns Stimme spricht namenlos, Thomas
Mann jedoch führt den Mönch Clemens als fleischgewordenen Geist der Erzählung ein, der
fortan als Mittelsmann und „epischer Statthalter“ 77 zwischen dem Autor und seiner Erzählung
fungiert. 78
74
Mertens, S. 179, fragt nach dem „Anlaß zum Werk“.
DüD III, S. 351.
76
DE, S. 10.
77
Reich-Ranicki, S. 101.
78
Stackmann, Karl: „Der Erwählte“. Thomas Manns Mittelalter-Parodie, in: Euphorion 53 (1959), S. 66.
75
14
„Gott ist Geist“ 79 heißt es bei Thomas Mann, was den Umkehrschluss zuließe, dass Geist
gleich Gott ist. „Die göttliche Instanz, die in Hartmanns Legendenroman Erwählung und
Wunder bewirkte, wird hier säkularisiert: sie wird Erzählinstanz. Der göttliche Geist wird
substituiert durch den Geist der Erzählung.“ 80 Dieser stellt sich im Verlauf des ersten Kapitels
immer weiter vor. Er sei „luftig, körperlos, allgegenwärtig, nicht unterworfen dem
Unterschiede zwischen hier und dort“ 81 . Zum einen sind es Qualitäten des christlichen Gottes,
die er sich hier selbst zuschreibt und die ihn ermächtigen, Wunder, wie zum Beispiel das
Glockenwunder, zu bewirken. Andererseits sind es Eigenschaften eines auktorialen bzw.
allwissenden 82 Erzählers, die es ihm ermöglichen, das Ende der Erzählung, das
Glockenwunder, vorwegzunehmen und zudem dessen Urheber zu sein.
Über ein Spiel mit den ersten drei Personalpronomina singularis zieht sich der noch abstrakte
Geist der Erzählung zu „seiner mönchischen Person, genannt Clemens der Ire“ 83 zusammen.
An dieser Stelle gibt sich der Erzähler Clemens als jemand zu erkennen, der erstens keine
außertextliche Identität hat, der also nur Produkt eines grammatischen Spieles ist, und
zweitens auch noch darum weiß. „Der Roman also erzählt sein Erzähltwerden mit“ 84 , so
Benedikt Jeßling. „Ich bin Clemens der Ire, ordinis divi Benedikti“85 schließt das Erzähler-Ich
sein grammatisches Spiel ab und gibt ausführliche Auskunft über seine Person: Herkunft,
Ausbildung, Orden und Stand werden angesprochen, selbst der Ort, an dem er sich „derzeit“
aufhält, nämlich in der Bibliothek des Klosters Sankt Gallen. Die Konstituierung der ErzählInstanz ist hiermit abgeschlossen.
Der Mönch gibt zwar Auskunft darüber, wo er sich befindet, nämlich am Pulte Notkers des
Stammlers im Kloster Sankt Gallen, jedoch nicht wann. Weder der Akt des Erzählens noch
die Erzählung selbst werden in einen zeitlich konkreten Kontext gebettet. Das Zeitliche rückt
für den Leser ins Vage und Ungenaue. Damit schafft der moderne Dichter Mitte des 20.
Jahrhunderts ein romanhaft-ritterliches Mittelalter, völlig frei schwebend in der Zeit (insofern
etwa vergleichbar mit Hermann Hesses Roman „Narziß und Goldmund“). „In diesem
Verzicht auf eine zeitliche Fixierung des Berichteten, in seiner heimlichen Umwertung zu
einem abstrakten Zeichen für Vergangenheit, verrät sich eine unverhüllte Gleichgültigkeit des
Erzählers gegen das Historische in seiner bloßen Historizität“ 86 , so Stackmann.
Nicht nur zeitlich ungebunden sollte Thomas Manns Mittelalter-Rezeption sein, auch das
Sprachliche sollte sich nicht an nationalen Grenzen stoßen. Im „Sprachcocktail“ des Autors
kann der Leser „alle Sprachen des europäischen Mittelalters verzeichnen, dazu Schattierungen
einer norddeutsch gefärbten Umgangssprache und das Hütten-Messingsch der bretonischen
Fischer“ 87 . Hinzu gesellen sich Ausdrücke der modernen niederdeutschen, englischen und
sogar der amerikanischen Umgangssprache. 88
Im letzten Abschnitt des einleitenden ersten Kapitels lässt sich Thomas Mann zu einer
Symbiose von Ironie und Form hinreißen. Er persifliert, sich hinter der Maske des Mönches
79
DE, S. 14.
Jeßling, Benedikt: Der Erzählte. Roman eines Romans. Zu Thomas Manns „Der Erwählte“, in: Zeitschrift für
deutsche Philologie 108 (1991), S. 577.
81
DE, S. 10.
82
DE, S. 116: „ ... der die Geschichte bis zu ihrem wundersamen Ausgange kennt“; S. 137: „ ... da ich doch als
Erzähler alles vorhersehe und weiß [...] in meiner unzukömmlichen Allwissenheit“.
83
DE, S. 13.
84
Jeßling, S. 595.
85
DE, S. 10.
86
Stackmann 1959, S. 65.
87
Boesch, S. 341.
88
Stackmann 1959, S. 69.
80
15
Clemens verbergend, den Bänkelsängerton der Mittelalterüberträger des 19. Jahrhunderts, die
„dem Vers und dem Rhythmus zuliebe [...] eine Anzahl von Verschiebungen und
Simplizitäten in Kauf“ 89 nehmen mussten, und zeigt sich gleichzeitig nicht gewillt, „das
Gehüpf auf drei, vier jambischen Füßen“ 90 als sprachliche Form seiner (Nach-)Erzählung in
Betracht zu ziehen. Stattdessen spricht er sich für eine „wohlgefügte Prosa“ 91 aus.
„Merkwürdig aber“, so Stackmann weiter, „daß eben diese der Lächerlichkeit preisgegebenen
Rimelein an gewissen Stellen das Leitbild einer das alte Metrum kaum verschleiernden
Reimprosa abgeben.“ 92 In der Tat finden sich in Thomas Manns „Gregorius“-Version einige
Passagen, die eher einem Autor des zwölften als einem des 20. Jahrhunderts zuzuordnen sind.
Vornehmlich innerhalb der Dialoge 93 ist die Mann’sche Prosa durchsetzt von „allerlei
daktylischem und anapästischem Gestolper“ 94 . Warum nur? Aus demselben Grund, aus dem
sich der Autor allerlei altertümlich anmutender Sprachfetzen und Ausdrücke bedient: Thomas
Mann möchte zwischen einem fiktiven Statthalter und offen bekannter Ahistorizität das für
ihn spezifisch Mittelalterliche in den Vordergrund rücken, quasi sein „eigenes“ Mittelalter
erschaffen.
Es wäre müßig, darüber hinaus in diesem ersten Kapitel jede Differenz zwischen dem
Hartmann’schen und Mann’schen Werk resümierend zu wiederholen, da, wie gezeigt, die
gemeinsame Basis für einen solchen Vergleich fehlt. Das erste Kapitel Thomas Manns
unterscheidet sich in Form und Inhalt nahezu völlig vom Prolog seiner Quelle! Als wichtigste
Übereinstimmung sei das Verwenden von Bibelstellen 95 , als hervorstechendste Neuerungen
Thomas Manns der Wechsel vom Versmaß zur Prosa und die Einführung einer zweiten
fiktiven Ebene genannt. 96
2.2.2 Die Erzählinstanz Clemens der Ire
„Die wichtigste intertextuelle Relation, das wichtigste Zitat des Erwählten, betrifft das
vermeintliche Subjekt des Textes: den Geist der Erzählung.“ 97 Diesem Gedanken folgend
scheint es durchaus gerechtfertigt, sich abermals „Bruder Clemens“ 98 zu widmen. Clemens
wurde bereits als epischer Statthalter und als Substitut des göttlichen Geistes vorgestellt, der
sich und seine Instanz autoreflexiv miterzählt. Doch scheint der Geist der Erzählung noch
weitaus mehr zu sein. Er ist, um den Gedanken des vorangegangenen Zitats wieder
aufzunehmen, das Subjekt des „Erwählten“. „Objekt, doch nicht weniger Held als jener, ist
die Erzählung von Gregorius, die allerdings ganz und gar vom Geiste der Erzählung abhängt
und geschaffen wird.“ 99 Der auktoriale Erzähler wird im „Erwählten“ gebrochen, bleibt
demnach nicht nur Mittelsmann, sondern geht weit über seine Rolle als Vermittler zwischen
erzählter Welt und Autor/Leser hinaus. Er ist nicht nur allwissend, allgegenwärtig, sondern
89
Wilhelm, S. 8.
DE, S. 15.
91
DE, S. 14.
92
Stackmann 1959, S. 67.
93
DE, S. 67, 110, 123, 124, 156, 234, 236.
94
DE, S. 15.
95
Was Hartmann sein Zwei-Wege-Gleichnis, ist Thomas Mann der Epheserbrief (DE, S. 13).
96
Zur Analyse des ersten Mann’schen Kapitels vgl. weiter Berendes, Jochen: Wer läutet? Eine Analyse des
Anfangs von Thomas Manns Roman „Der Erwählte“, in: Recherches germaniques 24 (1994), S. 93-108.
97
Jeßling, S. 592.
98
DüD III, S. 391.
99
Jeßling S. 595.
90
16
auch allmächtig und allerschaffend, also gottgleich. Im Sprengen und Überbieten eben dieser
Erzählinstanz liegt ihre ironische Brechung.
Es lassen sich noch weitere Indizien dafür finden, dass Clemens neben dem Geist auch das
Subjekt und der Held der Mann’schen Erzählung ist. Nach seiner Selbst-Inthronisierung als
allwissender Erzähler im ersten Kapitel bleibt Clemens dem Leser zunächst dadurch präsent,
dass er ihn durch kurze Ich-Aussagen auf unterschiedlichste Weise in den Erzählprozess mit
einbezieht. Durch Floskeln wie „ich weiß“ 100 , „ich gestehe“ 101 oder direkte Anrede des
Rezipienten 102 wie „gebt acht“ 103 oder „seht“ 104 soll in Anlehnung an eine alte narrative
Tradition der Eindruck eines unmittelbaren Erzählvorgangs suggeriert werden. 105 Dies fällt
durchaus in den „Zuständigkeitsbereich“ eines allwissenden Erzählers und ist so oder ähnlich
auch bei Hartmann zu finden (V. 644, 714, 722 etc.). Clemens wie Hartmann gehen über die
imaginäre Kommunikation mit ihren Rezipienten, über die bloßen Ich-Aussagen und LeserAnreden, hinaus, indem sie zusätzlich auf mögliche Gedanken und Einwände ihrer
Leserschaft eingehen 106 , auch werten sie 107 oder setzen sich und ihre eigene Persönlichkeit in
unterschiedlichster Weise in Beziehung zu dem, was sie erzählen. 108 In seinen Notizen zum
„Erwählten“ skizziert Thomas Mann:
„Erzähler [...] nimmt persönl. Anteil, zeigt sich begeistert für seinen Helden, sucht
ihn zu entschuldigen, dankt denen, die ihm Gutes tun.“ 109
Genau diese geistige Physiognomie – die Einmengung der eigenen Meinung, die
Zwischenrede, die Kommentare zum erzählten Geschehen, wie sie bei Hartmann wie bei
Clemens (Mann) zu finden sind – ist wohl das wichtigste Charakteristikum des auktorialen
Erzählers. 110 Es ist nicht die bloße Existenz solcher kommentierenden Eingriffe in beiden
Werken, sondern deren Quantität 111 und Qualität, die Clemens im Vergleich zu Hartmann den
Rahmen seiner Erzählinstanz sprengen und ihn noch vor Gregorius zum Protagonisten der
Mann’schen Erzählung werden lassen.
2.2.3 Stoffliche Neuorganisation
Neben dem formalen Wechsel von mittelhochdeutscher Epik zu neuhochdeutscher Prosa und
der Einführung einer ironisch überhöhten Erzählinstanz namens Clemens machte sich Thomas
Mann ebenso Gedanken über eine inhaltliche Neuorganisation des Stoffes. Diese
Überlegungen bezogen sich sowohl auf die Handlung als auch – und hier standen ihm Tür
und Tor offen – auf die Namengebung:
100
DE, S. 23.
DE, S. 148.
102
Die ausgeprägteste Variante findet sich DE, S. 189: „Kristlicher Leser, höre und glaube mir! Großes und
Eigentümliches habe ich dir zu berichten“.
103
DE, S. 23.
104
DE, S. 137.
105
Jeßling, S. 582.
106
DE, S. 17, 26 ; vgl. Gregorius, V. 3231.
107
DE, S. 36, 38, 134, 161; vgl. Gregorius, V. 2621f.
108
DE, S. 24, 30, 37; vgl. Gregorius, V. 788f.
109
Not. DE, Bl. 28/61.
110
Jeßling, S. 583.
111
DE, S. 10-15, 47, 58-62, 66, 94, 116, 143, 146, 159 etc.
101
17
Bei Hartmann trägt lediglich Gregorius, geboren in Aquitanien, als einzige Gestalt einen
Namen. Alle anderen Figuren verbleiben namenlos hinter einem Schleier heilsgeschichtlicher
Austauschbarkeit, was übrigens mit der Gepflogenheit mittelalterlicher Maler korrespondiert,
das Gesicht selbst als erstarrte Maske darzustellen. Die Kunst dieser Zeit muss im Kontext
des religiösen Zeitalters verstanden werden, wobei der stete Blick auf die Jenseitigkeit keinen
Raum ließ für diesseitige Individualität.112 Und damit musste bei der Umsetzung des
Hartmann’schen „Gregorius“ in „wohlgefügte Prosa“ 113 die Namengebung nicht nur als
bloßes Desiderat erscheinen. Sie war ein Muss, um der Forderung des modernen Romans
nach individueller Kontur gerecht zu werden. In den Notizen zum „Erwählten“ findet sich
eine lange Liste 114 ausnahmslos ungeläufiger Namen, die die Grundlage bildete für die
nachfolgend überaus gewissenhaft betriebene Namenvergabe. Woher die Namen ursprünglich
stammten, wird noch zu klären sein.
Thomas Manns Gregorius wird schließlich in einem Herzogtum Flandern-Artois, genauer
gesagt in der Stadt Bruges-la-vive auf dem Schloss Belrapeire als Sohn des Herzogpaares
Wiligis und Sibylla geboren. Nach seiner Aussetzung strandet er auf der bretonischen Insel
Sankt Dunstan, wo sich der Abt Gregorjus des Klosters Agonia Dei seiner annimmt. Thomas
Mann versieht selbst das Schwert des alten Herzogs mit einem identifizierenden Attribut und
schenkt ihm den Namen Eckesachs. Des Weiteren begegnen dem Leser Namen wie Hanegiff,
Herr und Frau Eisengrein, Herr Poitewin, Penkart etc.
Doch ist es nicht die Namengebung allein, durch die der Roman zu einer Art produktiven
Weiterbildung avanciert. Thomas Mann überbietet in gewissem Sinne Hartmanns
„Gregorius“, indem er ihn zu einem neuen Text erweitert und Unzähliges in den
Erzählzusammenhang integriert. Als ein solches Adjunktum ist das Rosenwunder anzusehen,
durch das Thomas Mann neben der körperlichen Ungleichheit der römischen Gesandten auch
deren seelische Verschieden-artigkeit beleuchtet. 115 Auch Sibyllas Traum 116 von einem
Drachen, der auf Herzeloides Traum in Wolframs „Parzival“ zurückgeht 117 , kann in der
Version Thomas Manns psychologisch interpretiert werden. 118 Sibyllas Gebet 119 stellt eine
weitere, für das Mittelalter völlig untypische Innensicht des Menschen dar, obgleich die
Quelle, die „Vorauer Sündenklage“ 120 , an sich schon mittelalterlich ist. Sei es die Narbe auf
der Stirn der Kinder als Zeichen der Ebenbürtigkeit121 , sei es die gewollte Provokation 122
Gregorius´ durch seinen Milchbruder Flann oder die Einführung neuer Figuren wie z.B. der
des Penkart 123 – „in der Ersinnung solcher Menschenbilder liegen die Kerne beschlossen, die
aus der Legende einen Roman werden lassen.“ 124
112
Dazu Gombrich, Ernst H.: Die Geschichte der Kunst. Frankfurt a.M. 1995, S. 160f.
DE, S. 15.
114
Not. DE, Bl. -/19.
115
DE, S. 185.
116
DE, S. 52.
117
Lesser, Jonas: Thomas Mann in der Epoche seiner Vollendung. München 1952, S. 526.
118
Plate, Bernhard: Hartmann von Aue, Thomas Mann und die Tiefenpsychologie, in: Euphorion 78 (1984), S.
43.
119
DE, S. 152.
120
DüD III, S. 393f: „Sibylla’s Gebet lehnt sich an [...] die sogenannte Vorauer Sündenklage aus der Mitte des
12. Jahrhunderts“ an.
121
DE, S. 21.
122
DE, S. 95.
123
DE, S. 243.
124
Boesch, S. 348.
113
18
Die ständige Betonung des Individuellen jenseits jeder Gemeinschaft, die Psychologisierung
und Säkularisierung der Erzählung scheint einer möglichst authentischen Mittelalterfiktion
entgegenzuwirken, so Deborah Lund, da sie die Individualität des 20. Jahrhunderts
widerspiegelt. 125 Das ist soweit richtig, doch noch vor der Frage, ob eine authentische
Mittelalterfiktion vom Dichter beabsichtigt ist, muss gefragt werden, ob diese überhaupt
möglich war, denn gerade die Individualität des 20. Jahrhunderts war es, die den Realitätssinn
eines jeden „Erwählten“-Lesers prägt(e), und demnach vom Autor Thomas Mann bei der
Umsetzung seiner „Gregorius“-Version nicht außer Acht gelassen werden durfte: „Wie
Grigorß dort bei Wind und Wetter, und nur bei einem [T]runk aus dem Loch 17 Jahre verlebt,
das will erfunden sein! Von Ouwe Hartman hat sich’s da ziemlich einfach gemacht.“ 126
An anderer Stelle konstatiert der Dichter kopfschüttelnd:
„Der mittelalterl. Geschmack zieht phantastisch seltsame Begebenheiten einer
unmöglichen Welt [zusammen]“. 127
„Und das handgreiflich Unmögliche“ konnte er nach eigenem Bekunden in seiner
„Realisierung der Geschichte nicht brauchen“128 . Der kritische Blick in Hartmanns Werk, der
möglicherweise ebenfalls gewisse Bedenken wegen der realen Unmöglichkeit dieses
Phänomens hegte, führt zum trôstgeist von Kriste (V. 3119) und zu got, dem niht unmügelich
zu tuone swaz er wil, denn im ist keines wunder ze vil (V. 3134-3136). Der mittelalterliche
Epiker konnte damals aber noch auf die unangreifbare Autorität Gottes verweisen, indem er
diesem das Wunderwirken zuschreibt. Dass dieser Weg inmitten des säkularisierten 20.
Jahrhunderts nicht abermals beschritten werden konnte, spiegelt allein die Tatsache, dass
Thomas Mann den Glockenschwall supra urbem des ersten Kapitels einem allmächtigen und
allwissenden Geist der Erzählung zuschreibt, wodurch er die Autorität Gottes relativiert und
nivelliert. 129
Wie also sieht Manns Lösung dieses Problems aus?
„Da von Ouwe Hartman die Ernährung des Büßers unverzeihlich unrealistisch [...] behandelt
hat, nahm ich die »Erdmilch« aus einer Schrift meines Freundes Karl Kerényi.“130 In den
Notizen vermerkt er parallel: „Zur Ernährung aus dem Stein: 5. ‚Urmensch und Mysterium’
von Kerényi“ 131 . Hier wird eine alte Epikur’sche Hypothese wiedergegeben, nach der „da, wo
der Ort die Gelegenheit darbot[,] Schläuche hervor[wuchsen], die zur Erde hinab die Wurzeln
versenkten.“ 132 Die Erde „ließ dort milchähnlichen Saft aus der Öffnung der Adern [f]ließen
[.] So gab Speise den kleinen die Erde“ 133 , jenen „Urmenschen, niedrige, [k]aum lebende,
unfertige Wesen“ 134 – und „darum [...] erhielt die Erde den Namen Mutter“ 135 . So wird
125
Lund, Deborah/Jankowski, Karen/Thompson, Karen: Mittelalterliche Legende im 20. Jahrhundert.
Hartmann von Aue und Thomas Manns Gregorius, in: James F. Poag (Hrsg.): Das Weiterleben des Mittelalters
in der deutschen Literatur. Königsstein/Ts. 1983, S. 172.
126
DüD III, S. 352.
127
Not. DE, Bl. 27/60.
128
AN, S. 690.
129
Lund u.a., S. 174.
130
DüD III, S. 403.
131
Not. DE, Bl. -/27; Literarurbezug: Kerényi, Karl: Urmensch und Mysterium, Sonderdruck aus: Das EranusJahrbuch 15 (1947), S. 41-74 (TMA TM 4812).
132
Ebd., S. 44 (markiert).
133
Ebd., S. 45 (markiert).
134
Ebd., S. 63 (markiert).
135
Ebd., S. 45 (markiert).
19
Gregorius in Thomas Manns mythologischer „Ausmalung der mütterlichen Funktion der
Erde“ 136 zum igelähnlichen Erdsäugling und liegt seiner Mutter Erde siebzehn Jahre lang an
der Brust.
Ein ähnlicher Fall liegt auch bei der Designierung des Papstes vor: Bei Hartmann ist es gotes
stimme (V. 3173), die die Römer instruiert, den neuen Papst zu suchen, und auch in Gräßes
„Gesta Romanorum“, die Thomas Mann ebenfalls als Legenden-Vorlage diente, heißt es:
„Nun begab es sich, daß der Papst starb, und als er gestorben war, kam eine Stimme vom
Himmel herab und sprach: ,Suchet den Mann Gottes Gregorius und setzet ihn zu meinen [hs.
Verbesserung TMs: meinem] Stellvertreter ein!’“ 137 Aus der Stimme Gottes wird im
„Erwählten“ schließlich ein nächtlicher Traum. Und nicht Gott spricht zu den römischen
Edelmännern, sondern ein „Lamm Gottes“ 138 , genauer gesagt: „Christus als Lamm“ 139 , das in
Ferdinand Gregorovius’ „Geschichte der Stadt Rom“ noch einen Triumphbogen zierte.
Ob nun das selbsttätige Läuten der Glocken, das siebzehnjährige Überleben auf nacktem Fels
oder die himmlische Eingebung bei der Papstwahl – fest steht, dass das direkte Eingreifen
Gottes mit dem Realitätsverständnis des Mann’schen Rezipientenkreises nicht vereinbar war
und in dessen Vorstellungs- und Erfahrungswelt praktisch keine erbauliche Rolle mehr
spielte. 140 Der stoffliche „Umbau“ des Dichters erschöpft sich aber keineswegs in einem
programmatischen Austausch von Gott gegen Mythos. Gerade dieses letzte Beispiel macht
deutlich, dass der christliche Gott durchaus seine Finger im Spiel haben durfte, nur nicht in
der biblischen Direktheit, wie noch bei Hartmann der Fall. Demnach ging es Thomas Mann in
punkto Urheberschaft nicht generell um ein säkularisierendes Qui-pro-Quo, sondern primär
darum, „mit einer Art von Schein-Möglichkeit“ 141 , wie er es nennt, „den Wirklichkeitssinn
des Lesers [...] für den unmittelbaren Kausalzusammenhang“ 142 zu befriedigen. Auch an
dieser Stelle wird deutlich, dass die literarische Übertragung der mittelalterlichen Legende in
die Neuzeit mehr ist als eine bloße Umformung der epischen Rimelein in „wohlgefügte
Prosa“, und zum zweiten, dass einer „authentischen Mittelalterfiktion“, sofern sie denn
angestrebt war, im Realitätssinn des Publikums natürliche Grenzen gesetzt waren.
2.2.4 „Der Erwählte“ – eine „Sprachverhunzung“?
Was Thomas Mann unter stofflichem „Genaumachen“ verstand, konnte im Vergleich mit der
Hartmann’schen Rezeptionsvorlage exemplarisch herausgearbeitet werden. Was Thomas
Mann unter sprachlichem „Genaumachen“ verstand, dürfte im Vergleich mit Hartmanns
mittelhochdeutscher Vorlage weniger gut zu verdeutlichen sein, was in der Natur der Dinge
liegt:
Der Stoff einer alten Legende, gemeint ist das Handlungsgerüst in seinen wesentlichen Zügen,
kann auch nach Jahrhunderten nahezu unverändert wieder aufgenommen werden. Eventuell
136
Ebd., S. 46 (markiert).
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters, übers. u. hrsg. v.
Johann Theodor Gräße (2 Hälften); 3. Ausg. (Unveränd. Neudruck d. Original-Ausg. V. 1842). Leipzig: Löffler
1905 (TMA TM 70: 1+2). Zur Quellenkritik vgl. Kap. 4.2.
138
DE, S. 199.
139
Gregorovius, Ferdinand: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, 2 Bde. Dresden: Jess 1926. (TMA TM
2800:1+2), Bd. 1, S. 196 (markiert). Zur Quellenkritik vgl. Kap. 4.2.
140
Mertens, S. 4.
141
AN, S. 690.
142
Mertens, S. 3.
137
20
auftretende Abweichungen zwischen Rezeptionsvorlage und moderner Version lassen sich
vor dem Hintergrund der großen Gemeinsamkeit leicht isolieren und im Hinblick aufs Ganze
interpretieren.
Der Sprachstil einer alten Legende ist hingegen einem Alterungsprozess unterworfen, sodass
schon nach dreihundert Jahren von einer anderen Sprachstufe gesprochen werden kann. Wenn
nun zwischen der Rezeptionsvorlage und der modernen Version wie bei Hartmann und
Thomas Mann fast achthundert Jahre liegen, sind die sprachlichen Abweichungen derart
enorm, dass der gemeinsame Hintergrund weitgehend fehlt, was sich noch dadurch verstärkt,
dass „Der Erwählte“ als freie Prosafassung keine strukturelle Bindung an die Hartmann’schen
Verse aufweist. Das Ergebnis eines solchen Vergleichs wären zwei deutsche Sprachstile/
-stände, wie sie verschiedener kaum sein könnten. Was das sprachlich Besondere an Thomas
Manns an sich neuhochdeutsch zu lesendem Mittelalterroman ist, lässt sich demnach weitaus
besser im Vergleich mit einer weiteren neuhochdeutschen Romanversion der „Gregorius“Legende herausstellen.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist ganz allgemein ein starker Zuwachs an deutschsprachiger
Beschäftigung mit den Altertümern zu verzeichnen. Am Anfang stand die wissenschaftliche
Edition der mittelhochdeutschen Texte und deren Übersetzung, die nicht selten unter Einfluss
eines flammenden nationalen Empfindens, aber ebenso aufgrund entstandener lexikalischer
Lücken in einer „das Mhd. etwas altväterisch imitierenden nhd. Sprachform“ 143 geschah. Die
darauf aufbauende, nichtwissenschaftliche Beschäftigung mit den deutschen Altertümern
zeichnet sich durch einen zunehmenden Abstand von der zuvor edierten Textfassung aus:
„Aus Verserzählungen macht man Volksbücher, Epen werden dramatisiert, Kurzformen [...]
gehen in den Lesebuchkanon ein“ 144 , so Siegfried Grosse resümierend. Rückblickend auf die
Zeugnisse einer vergangenen deutschen Größe und konträr zu den politischen Verhältnissen
sollte so ein gemeinsames nationales Bewusstsein formuliert werden, oder, wie es Wilhelm
Grimm 1843 in seiner „Ansprache an die Studenten“ ausdrückte: Man wolle „den baum des
deutschen lebens tränken aus eigenem quell“ 145 .
Die „Gregorius“-Rezeption ist im Vergleich zu der des „Parzival“- oder „Tristan“-Stoffes eine
vergleichsweise überschaubare: Siegfried Grosse und Ursula Rautenberg verzeichnen in ihrer
Bibliographie zur „Rezeption mittelalterlicher deutscher Dichtung“ 146 lediglich vier zumeist
im 19. Jahrhundert entstandene Übersetzungen. Zwei hier angeführte Volksbuchfassungen
Simrocks und Schönhuths können noch um die in Gräßes „Gesta Romanorum“ und die von
Richard Benz 147 ergänzt werden, welche übrigens beide aus dem Nachlass Thomas Manns
bekannt sind und ihm möglicherweise als Vorlage gedient haben. Moderne epische
Bearbeitungen der „Gregorius“-Legende im Sinne eines Romans liegen in deutscher Sprache
lediglich zwei vor: Neben Thomas Manns „Der Erwählte“ (1949) noch Hanna Stephans „Die
glückhafte Schuld“ 148 (1940). Dieses relativ unbekannte Werk, das etwa zur selben Zeit,
ausgehend von derselben Rezeptionsvorlage, denselben Stoff in dieselbe literarische Form
bringt, ist das ideale Vergleichsobjekt, um im Vorab zu umreißen, was Thomas Manns
143
Wilhelm, S. 115.
Grosse, Siegfried: Überblick über die Rezeption der deutschen Literatur des Mittelalters im 19. Jahrhundert,
in: Peter Wapnewski (Hrsg.): Mittelalter-Rezeption (=Germanistische Symposien-Berichtsbände, Bd. 6).
Stuttgart 1986, S. 378.
145
Grimm, Jacob/Grimm, Wilhelm: Schriften und Reden, hrsg. von Ludwig Denecke. Stuttgart 1985, S. 259.
146
Grosse, Siegfried/Rautenberg, Ursula: Die Rezeption mittelalterlicher deutscher Dichtung: Eine Bibliographie ihrer Übersetzungen und Bearbeitungen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Tübingen 1989, S. 49ff.
147
Benz, Richard: Gregorius auf dem Stein: eine alte deutsche Legende. Jena: Diederichs, 1920 (TMA TM
2852). Zur Quellenkritik vgl. Kap. 4.2.
148
Stephan, Hanna: Die glückhafte Schuld. München 1940. (im Folgenden unter der Sigle ‚GS’)
144
21
„Erwählten“ sprachlich von einem „normalen“ neuhochdeutschen Roman des 20.
Jahrhunderts unterscheidet. Der folgende raffende Textvergleich zwischen den beiden
Romanen hat zudem die Funktion einer qualitativen Stichprobe, die nicht nur eine erste
Vorstellung vom sprachlichen Formenreichtum des „Erwählten“ geben, sondern deren
Ergebnisse auch bei der Ausarbeitung eines linguistischen Untersuchungs-Instrumentariums
richtungweisend sein soll.
Obgleich beide Romane auf derselben Rezeptionsvorlage fußen und ihr Handlungsgerüst
weitgehend übereinstimmt, so weichen doch beide in ihren Anfangskapiteln stark von
Hartmanns Version, aber auch voneinander ab. Thomas Mann nutzt, wie bereits beschrieben,
das erste Kapitel, um seinen epischen Erzähler Clemens den Iren mit einem Glockenschwall
supra urbem (9) zu inthronisieren. Dieser kündigt an, es sei ganz ungewiss, in welcher
Sprache er schreibe, ob lateinisch, französisch, deutsch oder angelsächsisch, und es sei auch
einerlei. Schreibe er etwa auf thiudisc, wie die Helvetien bewohnenden Alamannen reden, so
stehe morgen Britisch auf dem Papier, und es sei ein britunisches Buch, das er geschrieben
habe. Keineswegs wolle er behaupten, dass er die Sprachen alle beherrsche, aber sie rännen
ihm ineinander in seinem Schreiben und würden eins, nämlich Sprache (14). Zum Abschluss
des ersten Kapitels lässt es sich Clemens nicht nehmen, die strenge Form mittelhochdeutscher
Epik mit einer Kostprobe von daktylischem und anapästischem Gestolper zu parodieren:
Es war ein Fürst, nommé Grimald,
der Tannewetzel macht’ ihn kalt.
Der ließ zurück zween Kinder klar,
Ahî, war das ein Sünderpaar! (15)
Der hier vorangekündigte frühe Tod des Herzogs Grimald, dessen Gattin einige Jahre zuvor
im Kindbett gestorben ist, schafft die Rahmenbedingung für den im 4. Kapitel folgenden
Inzest der nun elternlosen schlimmen Kinder, deren Liebesspiel von einem beinahe
unverständlichen Bettgeflüster begleitet wird:
Nen frais pas. J’en duit.
Fail le! Manjue, ne sez que est. Pernum ço bien que nus est prest!
Est il tant bon?
Tu le saveras. Nel poez saver sin gusteras.
O Willo, welch Gewaffen! Ouwê, mais tu me tues! (37)
Auf seine blauäugige Frage, Was ist dir, Vriedel traut? (39), eröffnet die Schwester Sibylla
ihrem brüderlichen om de gentilesce (24) namens Willo, dass sie von ihm schwanger sei. In
ihrer Verzweiflung treten die Geschwister an einen alten Vertrauten ihres verstorbenen
Vaters, Herrn Eisengrein, den Cons du chatel, Gurvenal und maistre de corteisie (42), heran,
der ihnen aus ihrer misslichen Lage heraushelfen soll. Dieser bestimmt den Junker auf
Bußfahrt nach Jerusalem, seine Schwester in die Obhut seiner Frau, wo diese in Kreißen (52)
ihren Schmunzibutz (55) gebiert, der kurz darauf auf ungewisse Ündenfahrt (55) geht.
Erst an dieser Stelle beginnt Hanna Stephans Roman „Die glückhafte Schuld“. Ihr Erzähler
bleibt im Gegensatz zu Clemens körper- und namenlos, doch legt die Erzählsituation, speziell
Standort und Erzählhaltung, die Vermutung nahe, dass es sich um die Schaffnerin Agape (7)
22
handeln könnte, die einzige Figur, die außer Gregorius einen Eigennamen trägt und die sich
(möglicherweise) selbst in der dritten Person miterzählt:
Ein Bote aus dem Morgenland kommt zu Hofe geritten, um zu verkünden, dass sein Herr, der
König, unterm Kreuz gefallen sei. Magd Agape, die Vertraute der Schwester-Königin nimmt
ihn in Empfang und trägt die Botschaft zu ihrer Herrin, die ihrem Bruder kurz zuvor einen
Sohn geboren hat. Die Magd Agape schlägt vor, das Kind von einem Priester auf den Namen
Gregorius taufen zu lassen. Doch glaubt die Mutter nicht an die reinigende Kraft heiligen
Wassers, solange das Kind in ihrer sündigen Nähe weilt. Die Frauen beschließen, das Kind
einem größeren Wasser, dem Meer, zu übergeben, in der Hoffnung, dass Gregorius getrennt
von seiner Mutter, eine reine Zukunft habe.
In beiden Romanen wird das Kindlein, einmal in die Barke direkt, einmal in ein Fässchen
gebettet, den Wellen überantwortet, von britannischen Fischern auf hoher See aufgelesen und
an ihren Heimatstrand geführt. Sie werden vom besorgten Abt ihres Klosters in Empfang
genommen und routinemäßig nach Witterung und Fang befragt, worauf die Fischer
antworten:
Herr, groß war das Unwetter auf dem Meer.
Wir taten keinen Fang.
Groß war der Sturm und sein Ungestüm.
Ein Wunder, daß unser Boot entrann.
Gott hat unser Leben geschont. (GS, 33)
Heho, hallo, Herr, is noch mal gutgegangen.
Fische? Nee, dat’s nu’n littel bit tau veel
verlangt. Wi könn von Lucke
seggen,
dat uns de Fisch nich hebben, denn
dat was Euch `ne Freise, Herr, un weren
Euch coups de vent, da macht Ihr Euch,
Herr, gar keen Einbildung von. Da musst
immer een Mann die Seen drawen aus dem
Boot un de annere mit all sin Macht den
Timon holden, un sonst was an keen Ding
ein Denken an. (DE, 74)
Dem Abt entgeht nicht das Etwas, jene Erhöhung unter dem Stoff im Boot, und fragt die
Fischer schließlich nach Herkunft und Beschaffenheit ihres nicht zu übersehenden Fundes.
Sie antworten:
Es ist ein altes Segel, Herr. (GS, 34)
Puhr Pipels Stoff [...]. Da kehrt ein Herr gar
nich vor. [...] Wat schell da in sin! [...] Puhr
Pipels Durft. Da is fresch Water in, Teer ist
da in, is Dram in zum Tippeln. (DE, 75)
Trotz, oder besser: wegen der unbeholfenen Lüge der Fischer entdeckt der Abt das Kindlein
und nimmt sich seiner Geschicke an. Mit dem Geld aus der elterlichen Mitgift sorgt er für
verschlossene Münder und gibt einem der Fischer das Kindlein mit folgender Anweisung mit:
Heute zur Vesper tritt mit deinem Weib
zur Kapelle, zu den Mönchen, und sprich
zu ihnen: Dies Kind ist vaterlos, und
die seine Mutter ist, darf sich seiner
nicht erbarmen. Ruft den Abt, er möge
es auf den Namen Gregorius taufen!
(GS, 38)
Nach der Mittags-hora [bringt] das Knäbchen zu
mir ins Kloster [...] und berichtet, es sei euerer Brudertochter Kind, und ihr wollet Elternstatt an ihm
vertreten, weil seine Mutter zumeist das Siechbett
hütet , ich aber [...] möge ihm die Taufe angedeihen
lassen, deren es noch ermangle. Sprecht ordentlich
und fein! [...] Sagt nicht: ›Ji schellt den Suckling
dopen‹ oder ›bappen‹! (DE, 79)
23
Gregorius verbringt seine ersten Lebensjahre als Fischerkind, seine Jünglingsjahre als
Oblatus und Gelehrter im Kloster. Ein handgreiflicher Streit mit seinem Bruder, aus dem er
als Sieger hervorgeht, entlockt seiner aufgebrachten (Zieh-)Mutter die Wahrheit über seine
Vergangenheit. Seiner vermeintlichen Identität beraubt, bittet er seinen geistlichen Vater, den
Abt, auf ein offenes Wort:
Vater, [...], peccavi!
Welche Weisheit begehrt mein
Sohn Gregorius von mir zu wissen, die er nicht selber wüßte? [...]
Peccavisti? [... ] In nomine Domini, [...],
sprich!
Der ich vermeinte zu sein, bin
ich nicht, und bin nicht mehr,
der ich war. Saget mir, wer bin
ich? (GS, 67/68)
Ich bin nicht, für den zu halten man
mich gelehrt hat. Im Zorn [...] hat
meine Amme[...] verkündet, daß ich [...] als
als kleines Kind von der Freise gefischt [...]
und, credemi! ich werde es niemals wieder
hören. (DE, 105/06)
Vergeblich versucht der Abt seinen Zögling zu halten, aber es ist zwecklos. Zuletzt gibt er
nach, eröffnet Gregorius die ganze Wahrheit über dessen Identität und lässt ihn seiner
ritterlichen Wege ziehen. Dieser, von nun an der Ritter vom Fisch, rüstet ein Schiff und fährt
aufs Meer hinaus, von wo er einst gekommen ist. Nach einigen Tagen kommt eine Küste in
Sicht und er geht an Land.
Bei Hanna Stephan geht er schnurstracks zum Rathaus, wo die Pferde der Ritter angebunden
stehen. Er tritt ein, stellt sich den Fragen der Ritterschaft: Woher kommt Ihr? Was sucht Ihr?
(88) und wird schließlich um seiner Schönheit willen (89) in die Runde aufgenommen.
Bei Thomas Mann trifft Grigorß, der Marner (118), auf Herrn Poitewin, den Schultheiß und
Maire und Besten seiner quemune (119), der ihn nach kurzer Vorstellung zu einer Collacie
nebst gutem Trunk (120) in sein Witwerhaus einlädt.
Gregorius hört von der Königin, die sich in einem Minnekrieg befindet. Es gelingt ihm, diese
von ihrem Bedränger zu befreien und, da das Land einen starker Beschützer braucht, sie zu
heiraten. Es dauert nicht lange, da entdecken die Eheleute, dass sie Mutter und Sohn sind.
Gregorius verlässt seine Mutter ein zweites Mal und sucht, abermals seiner Identität beraubt,
eine strenge Buße für sein sündiges Dasein. Er trifft auf einen ihm nicht sonderlich
wohlgesonnenen Fischer, der ihn mit Vergnügen auf einem einsamen, weit im Wasser
gelegenen, kargen Felsen ankettet, auf dem Gregorius viele Jahre verbringt. Auch Hanna
Stephan weicht mit Blick auf den modernen Leser von der durch Gott gebenen WasserLabung eines Hartmann ab:
Da pulste der Quell aus dem Felsen,
lebendiges Wasser in der Dürre, und
erquickte ihn. Die Winde zerrieben
das Gestein und wehten Staub und
Krume über das Meer, und Möwen
und Seeschwalben trugen Samen
herzu, die den Schoß der Erde
fruchtbar machten. Da wuchsen Kern
Beere. Die milde Sonne
reifte sie mit ihrer Glut, und kein Blitz
In der Mitte [...] war im Gestein eine kleine
Mulde, darin stand weißes trübliches Naß.
[...] Ich vermag euch zu sagen, welche
Bewandtnis es damit hatte, denn ich habe die
Alten gelesen, bei welchen [...] die Erde sich
den Namen[...] magna parens erwarb. [...]
So auch der Mensch [...] nicht zufällig homo
und humanus heißt, [der] aus dem
Muttergrunde des humus ans Licht trat. [...]
Denn ihre uteri hätten als Schläuche tief
24
und Feuer zerstörte,
was gut war. (GS, 138)
hinabgereicht, und [...] milchähnlichen Saft
aus der Öffnung der Adern fließen lassen.
(DE, 190/91/92)
„Die glückhafte Schuld“ sieht drei Männer, Ritter, Kaufmann und Mönch (140), vor, die
zunächst getrennt voneinander ausziehen, den reinsten Menschen zu suchen (140), um ihn zu
ihrem Herrn und Ersten zu erheben (151). Der Fischer führt sie zu dem Felsen, an den er den
Sünder vor Jahren gekettet hat. Dem Magen eines gefangenen Fisches entnehmen sie den
Schlüssel, der das Schloß aufschließt (151). Gregorius zieht mit seinen Führern aus der
Einsamkeit in das Land der Menschen (153), um deren Leben zu richten und zu ordnen (155).
Im Staub der Straße sitzt seine Mutter mit Agape und harrt des Reinen (156). Er löst sie
schließlich von ihrer Schuld.
„Der Erwählte“ wird von zweien, dem römischen Edlen Sextus Anicius Probus (197) und
seinem amicus namens Liberius, Kardinal-Presbyter von Sancta Anastasia sub Palatio (203),
von seiner Petra (222) befreit – „Habetis Papam!“ (206). Gregorius wird von Probus und
Liberius unter den Laudes (236) des orbis terrarum christianus ( 246) nach Rom geführt, wo
er mit der Tiara bekleidet auf der Sedia gestatoria (228) Platz nimmt. Er nutzt die claves
regni coelorum (229), um neben vielen anderen auch seine lieb-liebste Mutter (257) von ihrer
Sündenlast zu befreien.
In diesem raffenden, exemplarischen Textvergleich der zwei Romane entsteht schon nach
wenigen Zeilen der Eindruck, Thomas Manns Erzähler Clemens der Ire, habe aliqua secreta
dicere (11). „Der Erwählte“ ist durchzogen von lateinischen Phrasen und Einzelwörtern, die
allesamt ohne Anmerkung oder sonstige Übersetzungshilfe in den Romantext integriert sind.
Wer des Lateinischen mächtig, dem dürfte dies keine größeren Schwierigkeiten bereiten,
schon gar nicht wenn ein Wörterbuch zur Hand ist. Doch spätestens bei den altfranzösischen
Einschüben – nel poez saver sin gusteras (37) – dürfte nahezu jede Hand- und
Hausbibliothek an ihre Grenzen stoßen. Nicht nur im internationalen, sondern auch im
sprachlich nationalen Rahmen sucht der Autor offenbar stets nach dem Außergewöhnlichen
und integriert neben mittelhochdeutschen Idiomen zudem eine Art „Waterkanten-Platt mit
englischen Einschlägen“ 149 . Was verbirgt sich hinter dem Tannewetzel, dem Sprenkelholz,
hinter Tätigkeiten wie atzen und schnatzen? – Wörter, die vertraut klingen, aber deren
Bedeutung völlig unbekannt ist.
Schon vor der Abfassung des „Erwählten“ dürfte Thomas Mann neben Luther und Goethe zu
den wortgewaltigsten 150 deutschen Schriftstellern gezählt werden, wenngleich sein Einfluss
auf den deutschen Sprachschatz weitaus geringer gewesen sein dürfte. 151 „Ganz allgemein
fällt bei Thomas Mann ein Bemühen um Vermeidung des Abgegriffenen auf. Er schafft neue
Worte, gebraucht Umlaufendes mit neuem Bedeutungsinhalt, knüpft an Archaisches,
Mundartliches und Fremdsprachliches an und macht sich immer neue Sprachquellen
fruchtbar“ 152 . Dieser höchst innovative Umgang mit der deutschen Sprache war – auch schon
lange vor der Abfassung des „Erwählten“ – immer wieder Streitpunkt 153 unter Zeitgenossen
149
DüD III, S. 395.
Duden Bd. 4: Die Grammatik. Mannheim (u.a.) 1995, S. 399, führt ihn als Beispiel für einen überdurchschnittlichen schriftsprachlichen Wortschatz an.
151
Mater, S. 142.
152
Hilscher 1955, S. 65.
153
Zu Rezeption und Rezension vgl. Wisskirchen, Hans: Thomas Mann in der literarischen Kritik, in:
Handbuch, S. 912-916.
150
25
und Schriftstellerkollegen Thomas Manns. Er könne „rundheraus nicht schreiben“ 154 , schalt
Eduard Engel schon 1928, da „seine Muttersprache ihm die einfachsten Begriffe“ versage.
Auch Paul Riesenfelds „Stilprüfung“, etwa dreißig Jahre später, warf kein besseres Bild auf
die „gewagten Neubildungen“ und „überaus unangenehmen Wortklitterungen“ des
Mann’schen Werks. 155 Im Gegensatz zu den USA 156 , wo „Der Erwählte“ schließlich
anerkennend gefeiert wurde, reagierte die deutsche Presse „säuerlich und scheelblickend,
ohne Mut zum eigentlichen Verriß“ 157 . Vor allem „die fanatischen Formen des Daseins, die
auf Unbedingtheit und Unerbittlichkeit bedachten“ 158 Sprachpuristen, warfen Thomas Mann
eine „Verhunzung der deutschen Sprache“ vor, was dieser als „Gipfel komischer
Unverschämtheit“ 159 empfand. Er konnte nicht verstehen, wie eine solche Kleinigkeit von
„Sprach-Jux“ 160 eine derartige „Versperrtheit und hartnäckige Unempfänglichkeit“161
evozieren konnte. Warum konnten sich nicht alle zusammen mit Hermann Hesse über den
Roman vorbehaltlos freuen, „statt dämlich zu mäkeln und zu maulen“ 162 ?
Aber letztlich musste er doch eingestehen, dass die „Sprengung der Sprachgrenze eigentlich
nicht legitim“ und „die Sprachpossen [...] wohl ein bißchen arg“ 163 waren.
154
Engel, Eduard: Was bleibt? Die Weltliteratur. Leipzig 1928, S. 538.
Riesenfeld, Paul: Schreibt Thomas Mann gutes Deutsch? Eine Stilprüfung, in: Muttersprache 65 (1955), S.
218.
156
DüD III, S. 396: So „hat der Book of the Month [Club] den Holy Sinner für September erwählt. […] Die
Uebersetzung muß sehr gut sein. [...] Selten wohl hat ein solcher Widerspruch geklafft zwischen Reaktionen auf
ein Buch.“
157
DüD III, S. 388.
158
DüD III, S. 387.
159
DüD III, S. 389.
160
DüD III, S. 391.
161
DüD III, S. 389.
162
DüD III, S. 395.
163
DüD III, S. 392.
155
26
3. Kapitel: Biographische Kontexte
3.1 Thomas Manns Sprachprofil
Wenn Thomas Mann Hermann J. Weigand gegenüber „das englische Plattdeutsch der Fischer
von der nicht existierenden Insel St. Dunstan [...], wie so manches andere, [s]eine persönliche
Erfindung“ 164 nennt, so gibt er damit einen sehr aufschlussreichen Einblick in die
Grundprinzipien seiner Spracharbeit, denn damit kann das fremde Sprachelement nicht nur
auf die zu sichtende Privatbibliothek Thomas Manns, sondern ebenso auf eine im Laufe eines
ganzen Schriftstellerlebens hochkultivierte Sprachkompetenz zurückgeführt werden. Bevor
nun im folgenden Kapitel die schriftlichen Quellen Thomas Manns analysiert werden sollen,
empfiehlt sich zum Zwecke einer ersten Grundorientierung ebenso der Frage nachzugehen,
welche Elemente definitiv nicht auf schriftliche Quellen, sondern auf die Sprachkompetenz
des Dichters zurückgeführt werden können. „Keineswegs behaupte ich, dass ich die Sprachen
alle beherrsche, aber sie rinnen mir ineinander in meinem Schreiben und werden eins, nämlich
Sprache“ 165 , lässt sich Thomas Mann mit mönchischer Stimme vernehmen. Dies lädt quasi
dazu ein, die Biographie des Dichters zu fokussieren und gezielt zu fragen: Wann hat er wo
welche Sprache wie gut gelernt?
Der Rückschluss vom fertigen Kunstprodukt auf die Biographie des Künstlers ist
traditioneller (wenngleich nicht immer populärer 166 ) Bestandteil der literaturwissenschaftlichen Interpretation, der sich sogar Thomas Mann selbst manchmal korrigierend
erwehren musste: In einem Briefwechsel über den „Erwählten“ stellt er klar:
„die Sprachscherze haben mit meinem Exulanten-Schicksal nichts zu tun,
jedenfalls doch das Alt-Französisch nicht“ 167 .
Kein Wunder eigentlich, denn diese Sprache war weder in der Schule noch an irgendeinem
(Wohn-)Ort der Welt zu erlernen. Diesem Gedanken folgend rücken die den Schulkanon
bestimmenden Fremdsprachen Griechisch, Latein, Englisch und Französisch sowie die
Sprachen und Dialekte, mit denen Thomas Mann an den verschiedenen Schauplätzen seines
Lebens (Italien, Frankreich, USA, Lübeck, München, Zürich) konfrontiert wurde, in den
Vordergrund, die nachfolgend möglichst in biographisch-chronologischer Reihenfolge
abgehandelt werden sollen.
Die tägliche Erfahrungswelt des jungen Thomas Manns trug den zeitgemäß verblassenden,
aber dennoch deutlich erkennbaren niederdeutschen Stempel des Lübischen. So wird auch der
Soziolekt der Senatorenfamilie Mann vom „Silbenfall [des] Platt“ 168 bestimmt gewesen sein,
das in späteren Werken Thomas Manns stets die Sprache des Herzens als Kontrapunkt zur
164
DüD III, S. 403.
DE, S. 14.
166
Kayser, Wolfgang: Das sprachliche Kunstwerk. Bern 1948, war bis in die späten 1960er Jahre eines der
wichtigsten Studienbücher deutscher Germanisten, das nachdrücklich die sog. ‚werkimmanente Interpretation’
propagiert: „Eine Dichtung lebt und entsteht nicht im Abglanz von etwas anderem, sondern als ein sich
geschlossenes Gefüge.“ (Vorwort, S. 5).
167
DüD III, S. 395.
168
Mann, Thomas: Gesammelte Werke in 13 Bänden. Frankfurt a.M. 1990, Bd. XI, S. 390. (Sofern im
Siglenverzeichnis nicht anders vermerkt, im Folgenden nur Nennung der jeweiligen Band- und Seitenangabe)
165
27
hochdeutschen Verstandessprache markierte. 169 Zudem war das Niederdeutsche in der
Familie Mann stets literarisch präsent: So weist Thomas Mann in seinem Lebensabriss darauf
hin, dass seine Mutter ihm und seinen Geschwistern gern und häufig aus Fritz Reuters „Ut
mine Stromtid“ vorgelesen habe. 170
„Das Mecklenburger Platt nahm sich überraschend genug aus in ihrem exotischen
Munde, aber sie beherrschte es besser als irgend jemand im Hause.“ 171
Die Frage aber, ob Thomas Mann ein kompetenter Niederdeutschsprecher war, kann letztlich
mangels Quellen nicht hundertprozentig beantwortet werden. Mit Blick auf den allgemeinen
Rückgang der Niederdeutschen darf aber vermutet werden, dass er mit fortschreitendem Alter
nur sporadisch, floskelhaft, vielleicht nie mehr in niederdeutschem Dialekt kommuniziert hat.
Seine Romane zur Beantwortung dieser Frage heranzuziehen, ist in diesem Zusammenhang
nicht zulässig – schon gar nicht, wenn es sich wie im „Erwählten“ ausdrücklich um
„Sprachscherze“ 172 einer literarisch fingierten Sprache handelt.
Nach Beendigung der Grundschule wurde der junge Thomas Mann um Ostern 1889 Schüler
des Lübecker Katharineums, der „alten Lateinschule [...], wo ich so wenig Latein und
ungezogenerweise auch sonst nichts gelernt habe“ 173 , wie sich Thomas Mann später erinnern
sollte. Ein wirklich guter Schüler war er nie und musste sogar eine Klasse wiederholen, was
vielleicht auch damit zu tun gehabt haben mag, dass er sich unbewusst stets ein wenig fehl am
Platze fühlte. Das Katharineum war ursprünglich ein humanistisches Gymnasium gewesen,
dem dann um die Jahrhundertmitte ein realgymnasialer Zweig angegliedert worden war.
Thomas Manns Bruder Heinrich hatte, da er studieren sollte, die humanistische Ausbildung
genossen, in welcher er neben Latein und Griechisch nur eine moderne Fremdsprache,
nämlich Französisch lernte. Thomas Mann hingegen war von Anfang an dazu ausersehen, das
väterliche Geschäft zu übernehmen und wurde in Vorbereitung aufs Kaufmännische in den
realgymnasialen Zweig eingeschult: Dort lernte er neben Latein zwei moderne
Fremdsprachen, nämlich Englisch und Französisch – Griechisch hingegen lernte er nicht.
Thomas Mann beherrschte die „tote Sprache“ Latein wahrscheinlich ähnlich leidlich wie alle,
die sie einmal in der Schule gelernt und danach nie wieder gebraucht haben. Elementare
Restkenntnisse lateinischer Grammatik werden es ihm ermöglicht haben, die Formel der
Papstwahlverkündung (habemus Papam) von der ersten in die zweite Person Plural (habetis
Papam) zu verlegen, Vokative korrekt zu gebrauchen (amicus – amice!), oder auch etwas
komplexere lateinische Satzstrukturen nach seinen Vorstellungen umzubilden. 174 Zudem wird
der spätere Kontakt mit der italienischen Sprache einen Teil seines lateinischen
Grundwortschatzes über das Schulalter hinaus konserviert haben.
Nach Aussage des Autors sind die mittelhochdeutschen Elemente des „Erwählten“ allein auf
Quellenarbeit zurückzuführen, denn sie „stammte[n] natürlich von Hartmann direkt“. 175 Diese
Darstellung scheint simplifiziert und ist mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten. Zunächst
169
... sodass der gefühlsstarken mundartlichen Äußerung des alten Johann Buddenbrook „Je, den Düwel ook, ...“
zwangsläufig etwas von bodenständiger Solidität anhaften muss.
170
XI, S. 108.
171
XI, S. 421.
172
DüD III, S. 403.
173
XI, S. 420.
174
Wilhelm, S. 107: „Offensichtlich liegt hier eine [...] raffinierte Vertauschung von iudicia zu indicia vor, ...“.
Gemeint: Anima mea laudabit te, ... (DE, S. 220).
175
DüD III, S. 403.
28
ist bekannt, dass Thomas Mann daneben noch andere mittelhochdeutsche Quellen 176 für sich
fruchtbar machte. Auch ist nicht ganz auszuschließen, dass Thomas Mann über einen aus
Schul- und Studientagen überkommenen mittelhochdeutschen Restwortschatz verfügte:
„Thomas Mann dipped into these works again, which must have been familiar to him from his
school days“ 177 , mutmaßt Weigand. Definitiv belegbar ist Thomas Manns Teilnahme an
„einem Kolleg über Höfische Epik, das der Dichter und Übersetzer aus dem
Mittelhochdeutschen Wilhelm Hertz damals am Polytechnikum las“ und das den Dichter nach
eigenen Angaben „besonders fesselte“. 178 Damit ist aber auch schon alles über einen von
Quellen unabhängigen mittelhochdeutschen Wortschatz Thomas Manns gesagt, der, mit
Weigand gesprochen, „not more than skin-deep“ 179 gewesen sein kann.
Ebenso in die Schulzeit fällt die erste Berührung mit der Sprache Luthers, Grimmelshausens
und Goethes, deren Präsenz in den Altersromanen Thomas Manns enorm zunimmt und hier
zu einem zentralen Stilmittel avanciert. Mit Eberhard Hilscher lässt sich zusammenfassen:
„Die Josephstetralogie [...] ist der Luthersprache stark verpflichtet.“ Gut „altdeutsch gehalten
sind auch, meist in Anlehnung an das Volksbuch vom Doktor Faust (1587) oder an
Grimmelshausens Simplicissimus (1668), viele Partien in Adrian Leverkühns
Lebensgeschichte. [...] Die Sprache der Goethezeit wird in Lotte in Weimar meisterhaft
getroffen.“ 180 Getroffen – das heißt parodiert, teils durch Zitat und Montage auf Grundlage
der genannten Quellenwerke 181 , teils aber auch unter Rückgriff auf eine Sprachkompetenz,
die über die Jahre der intensiven Beschäftigung mit älteren deutschen Sprachstufen aufgebaut
worden ist. 182 Zudem ist davon auszugehen, dass das ältere Deutsch, das Thomas Mann zum
„Erwählten“ in sich „heraufholte“, von außen, d.h. durch die gleichzeitige Beschäftigung mit
der „Entstehung des Doktor Faustus“ eine Auffrischung erfuhr.
Das Sprachenlernen, wie das Lernen generell, ist bekanntermaßen nicht ausschließlich Sache
der Veranlagung, sondern auch Identifikationslernen, was bei Thomas Mann durchaus der
Fall gewesen sein könnte. So ging der „Schulmuffel“ Thomas Mann mit seinen Lehrern für
die modernen Sprachen Englisch und Französisch in der Retrospektive auffallend milde zu
Gericht. Den einen lobte er für sein „erstaunlich gutes idiomatisches Englisch“ 183 , dem
Französisch-Lehrer bestätigte er, dass er „im stillen von seinen Stunden sehr viel gehabt“ 184
habe, ein dritter soll nach Darstellung Mendelssohns 185 fast ein väterlicher Freund gewesen
sein. Damit war der schulische Grundstein gelegt, der Thomas Mann später ermöglichte, sich
in der englischen und französischen Welt sprachlich frei zu bewegen. Erstaunlich ist, dass
Thomas Mann trotz intensivstem Kontakt mit den fremden Sprachsphären – das Italienische
darf hier mit eingeschlossen werden – nie über den Status eines am Pragmatischen
orientierten Alltagssprechers hinauskam.
Thomas Manns Annäherung an Frankreich, dessen Sprache und Geist, war schrittweise
„gleichsam aus einer Blumenzwiebel allmählich herausgewachsen“ 186 und von den Zeichen
176
Siehe weiter Kap. 4.2.
Weigand, S. 17.
178
XI, S. 102.
179
Weigand, S. 90.
180
Hilscher 1955, S. 66.
181
Siehe weiter Kap. 8.1.
182
DüD III, S. 198: „»Faustus«, zu dem ich bewußt alles Deutsche in mir heraufgeholt habe.“
183
Mendelssohn Bd. 1, S. 166.
184
XI, S. 100.
185
Mendelssohn Bd. 1, S. 166.
186
Hoffmann, Fernand: Thomas Mann und Klaus Mann in ihrem Verhältnis zu Frankreich, in: Germanistik
(Luxembourg) (1993), 4, S. 69.
177
29
der Zeit nicht völlig unberührt. Das Französische war zunächst nicht mehr als eine
Fremdsprache, die Thomas Mann in der Schule lernte, doch offenbar nur ausreichend, wie er
selber fand, sodass er um 1896 gegenüber Otto Grautoff bemerkte:
„Ich lese augenblicklich ausschließlich französisch, was ich endlich gründlich lernen
muß, und ich kenne schon jetzt kaum einen feineren Genuß, als die Lektüre
Maupassant’scher Novellen [...], die unübersetzt und unübersetzbar sind. Auch Bourget
ist ja im Original etwas ganz Anderes.“ 187
Sein positivesVerhältnis zum Französischen erfuhr mit dem Kriegsausbruch 1914 eine
Abkühlung, sodass er sich gegenüber Frankreich einiger polemischer „Gedanken im
Kriege“ 188 nicht enthalten konnte. Gut zehn Jahre später war Thomas Mann offizieller Gast
verschiedener kultureller Körperschaften der französischen Hauptstadt. Erst jetzt, im Jahre
1926, hat er Frankreich und das Französische „richtig kennengelernt und auch lieben gelernt“,
seitdem „kreuz und quer durchreist, und immer wieder Halt in Paris gemacht und [...] sich
Frankreich auch denkerisch immer tiefer zu eigen gemacht.“ 189 Im Laufe seiner relativ
zahlreichen, wenngleich kurzen Frankreichaufenthalte gewann er eine Vielzahl neuer
Kollegen und Freunde wie André Gide oder Jean Cocteau und empfand den Kontakt zu ihnen
stets als etwas überaus „Herzerwärmendes. Warum habe ich in keinem anderen Auslande bei
ähnlichen Gelegenheiten eine solche Genugtuung gefunden?“ 190 , fragte er sich später in seiner
„Pariser Rechenschaft“.
Im Gegensatz zur (wieder)gewonnenen Nähe zu Frankreich, seiner Kultur und seinen
Menschen, blieb die französische Sprache stets ein „Stiefkind“ des Dichters. Und wenn
Thomas Mann gelegentlich in Bezug auf französische Texte von „einem feineren Genuß“
oder von „unvergleichlich Anderem“ spricht, das ihn „stärker gefesselt“ habe als die deutsche
Übersetzung, so war dies stets mehr Ziel- und Wunschdenken und nicht ganz der Realität
entsprechend. 191 „Französisch konnte er lesen – obwohl nicht zum Vergnügen“, konstatierte
Tochter Erika 1966 nüchtern und Katia Mann könnte ergänzen: „Er hatte kein starkes
Verhältnis zur französischen Literatur, hat es auch nur sehr mühsam und nicht viel
gelesen.“ 192 In der Tat waren Maupassants Novellen eines der wenigen französischen Werke,
die er, wie er in einem späten Brief an Louis Leibrich bekannte, zuerst „im Original gelesen“
hat – „sonst alles Übersetzungen“. 193 Nur wenn er von der Übersetzung sehr stark beeindruckt
war, griff er gelegentlich zum französischen Original. 194 Ähnlich wie beim Mittelhochdeutschen brauchte er also beide, das Original wie die Übersetzung, um sich hinreichend in
die fremde Sprache einfühlen zu können. Und vergleichbar mit den „klippschülerhaften
187
Mann, Thomas: Briefe an Otto Grautoff 1894-1901 und Ida Boy-Ed 1903-1928, hrsg. von Peter de
Mendelssohn. Frankfurt a.M. 1975, S. 62.
188
XIII.
189
Hoffmann, S. 67.
190
XI, S. 43.
191
Zit. nach Koppen, Erwin: „Quest’ idioma celeste …“. Thomas Manns Rezeption der italienischen Sprache,
in: Arcadia. Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft 1 (1966), S. 194, Anm. 8a.: Brief Erika Manns an
den Verfasser vom 28.04.1966:
192
Mann, Katia: Meine ungeschriebenen Memoiren. Frankfurt a.M. 1974, S. 36.
193
DüD I, S. 169.
194
„Ich war früher einmal durch ‹L’annonce faite à Marie›, das ich zuerst in seiner deutschen Übersetzung
gelesen habe, sehr beeindruckt. Die Wirkung auf mich war so stark, daß ich mir sofort eine Originalausgabe
kommen ließ, und ich war noch stärker gefesselt“, in: Frage und Antwort. Interviews mit Thomas Mann 19091955, hrsg. von Volkmar Hansen und Gert Heine. Hamburg 1983, S. 323.
30
Fragen“ 195 an Samuel Singer, das Altfranzösische betreffend, hat er sich auch in
neufranzösischen „Zweifelsfragen“ an einen Fachmann wenden müssen: „Wie heißt hier
oben?“ Kann man sagen Ici haut, oder Ici en haut?“ 196 , erfragte er am 21. Dezember 1921
von Joseph Chapira. Im Rahmen der Arbeiten zum „Erwählten“ diente das Neufranzösische
häufig als eine Art Entwurfsprache, die eine gewisse Annäherung an die Zielsprache
Altfranzösisch ermöglichte. 197 Offenbar war es beim bloßen Vorsatz des Lernens geblieben,
sodass „das Französische“ für Thomas Mann „immer einige kokette Geheimnisse“ 198 in sich
barg.
Thomas Manns Sprache war das bleierne Deutsch eines Franz Kafka. Und alles, was dem
nicht entsprach, sah er entweder mit den Augen des Pragmatikers, der sich verständigen
können muss, oder denen des Jägers: Seine Art zu lesen sei eine ausbeutende, hatte Thomas
Mann einmal in Bezug auf seine Quellenlektüre gesagt. Er sei es gewohnt, sich die
Erscheinungen nutzbar zu machen, ohne auf ihre Qualität sonderlich Acht zu haben. 199 Dies
lässt sich auch auf die fremden Idiome übertragen, mit denen Thomas Mann im Laufe seines
Lebens in Berührung kam: Seine passive Sprachkompetenz diente dem Dichter als eine Art
ungeschriebene, nichtliterarische und individuelle Quelle, auf die er nicht nur während der
Arbeiten zum „Erwählten“ regelmäßig zurückgriff. Die Ästhetik einer fremden Sprache sowie
das sozialintegrative Moment ihrer perfekten Beherrschung erschienen ihm von diesem
Standpunkt eher zweitrangig. So kann es kaum verwundern, dass Thomas Mann zwei
Mundarten, mit denen er in Berührung kam, nie aktiv erlernte: das Bairische und das
Schweizerdeutsch. Im Falle des Bairischen mag es damit zu tun gehabt haben, dass es ihn in
München kaum länger als zwei Jahre hielt. Hier wurde er im April 1894 nach Abschluss der
Schule als Volontär bei der Süddeutschen Feuerversicherungsbank angestellt. Bald änderte er
seine Pläne zugunsten einer Gasthörerschaft an der Technischen Hochschule München mit
dem Ziel, Journalist zu werden. Schon im Juli 1895 kehrte er München für drei Monate den
Rücken und unternahm seine erste Italienreise, um ein Jahr darauf München für immer zu
verlassen.
Die Zeit, die Thomas Mann in der Schweiz verbrachte, war indes ungleich länger: Von 1933
bis 1938 verlebte er hier das erste Drittel seiner Exiljahre, den Rest in Amerika, ehe es ihn
zurück in die Schweiz zog, um hier die letzten drei Jahre seines Lebens zu verbringen. Gerade
für die Zeit der dreißiger Jahre, als die Mundart zunehmend als Politikum gegen das NaziDeutsch galt, muss es doch stark wundernehmen, dass der „Exulant“200 Thomas Mann nicht
den geringsten Versuch unternahm, sich aktiv der Schweizer Mundart anzunähern. „Den
Hochdeutschen begegnete man tendenziell reserviert, ja feindlich, und man erwartete von
Emigranten, dass sie versuchten, es abzulegen“ 201 , was Thomas Mann aber ignorierte. Er
sprach kein Schweizerdeutsch und verstand es auch kaum. Die wenigen Spuren des Schweizer
Dialekts erstreckten sich auf den alltäglichen Gebrauch der so typischen Diminutiva auf -li 202
195
DüD III, S. 355.
DüD I, S. 466.
197
DüD III, S. 353: „Wie lautete Gott zum Gruß oder auch Nos (mes) compliments?“
198
Mann, Thomas: Briefe 1889-1936, hrsg. von Erika Mann. Frankfurt a.M. 1961, S. 289.
199
Zit nach Wysling 1967, S. 343, Anm. 7. (Die Herkunft dieses Zitats konnte leider nicht ermittelt werden!)
200
DüD III, S. 395. Thomas Mann spricht hier von seinem „Exulanten-Schicksal“.
201
Sprecher, Thomas: Thomas Mann in Zürich. München 1992, S. 123.
202
Diese Gewohnheit wurde später sogar auf das englische Idiom der USA übertragen: „Im Familienjargon, in
dem man sich pseudohelvetischer Wendungen bediente [wurden Farbige] Dunklis genannt, mit mäßigem Witz,
der eine Anleihe bei dem amerikanischen Slang-Begriff darkies war“, so Harpprecht, Klaus: Thomas Mann.
Eine Biographie. Reinbek 1995, S. 1268.
196
31
sowie einige wenige Spuren in seinem literarischen Werk. 203 Mit Ausdrücken wie Haber oder
Wank darf auch „Der Erwählte“ hinzugerechnet werden, wobei im Falle von Haber eine
eindeutige Zuordnung, ob es nun schweizerdeutsch oder bairisch sei, nicht gelingen kann, da
es sich um benachbarte Sprachkulturen handelt.
Während seiner Italienaufenthalte 1895 und 1896 bis 1898 erwarb sich Thomas Mann
Italienischkenntnisse, die, wie nicht anders zu erwarten, vornehmlich dem Zwecke der
Verständigung dienten. Hier sah er sich gezwungen, die fremde Sprache zu lernen, da man ihn
im Gegensatz zur Schweiz oder Bayern sonst gar nicht verstanden hätte. Doch legte er dieses
Werkzeug in dem Moment beiseite, als er es nicht mehr brauchte. Er habe im Alter von
zwanzig Jahren das Italienische so gut gesprochen, wie jetzt im Alter das Englische. Obwohl
er jetzt nicht mehr italienisch sprechen könne, bereite ihm die Lektüre keine größeren
Schwierigkeiten, so Thomas Mann in einem auf Italienisch (!) geschriebenen Brief an Enzo
Paci vom 15. November 1950 204 . Erika Mann sieht das Verhältnis ihres Vaters zur
italienischen Sprache etwas kritischer:
„Mein Vater sprach nicht italienisch. Er sprach einige Worte, die er vorzüglich und
accentlos aussprach, weil er überhaupt ein großer Schauspieler war, aber Italienisch
konnte er nicht. [...] Italienische Literatur las er übersetzt. Bei italienischen Einschüben in
sein Werk ließ er sich beraten.“ 205
Der Exil-Aufenthalt in den USA von 1938 bis 1952 stellt definitiv den längsten und
prägendsten fremdsprachigen Kontakt im Leben Thomas Manns dar. 206 Als Gymnasiast hatte
er ein wenig Englisch in der Schule gelernt, das er aber zunächst nicht als ausreichend
betrachtete, um sich angemessen ausdrücken zu können. So hatte er z.B. in den 1920er Jahren
nebenbei als Deutschland-Korrespondent der amerikanischen Zeitung Dial Press gearbeitet.
Er schrieb deutsch und auch der schriftliche Kontakt zu seiner Übersetzerin bei der Dial Press,
Helen Lowe-Porter, fand in deutscher Sprache statt, sodass kaum ein sprachlicher Lerneffekt
zu erwarten war. Im Rahmen eines Kurzaufenthaltes 1937 galt es, eine Vorlesung über
Goethes Werdegang zu halten, und zwar in englischer Sprache. Eine Herausforderung, die
einer intensiven Vorbereitung bedurfte: Er nahm Unterricht bei einem Zürcher
Englischsprecher/-lehrer und machte intensive Ausspracheübungen, allerdings mit nur
mäßigem Erfolg. 207 So vertraute er seinem Tagebuch später an, während der Atlantiküberfahrt
in einem Gespräch mit Aldous Huxley Konversationsschwierigkeiten gehabt zu haben. 208
Oder es widerfuhr ihm, dass er seinen Verleger creature nannte, obgleich er ihn gehobenen
Tones als creator hatte feiern wollen. 209 Spätestens nach der endgültigen Übersiedlung in die
USA im Jahre 1938 sah sich Thomas Mann gezwungen, ernsthaft an seinen
Englischkenntnissen zu arbeiten. Konträr zu seinen eher beschränkten Fähigkeiten, für die er
203
Einige Beispiele liefert Sprecher 1992, S. 124.
Mann, Thomas: Lettere a Italiani, hrsg. von Lavinia Mazzucchetti (=Biblioteca delle silerchie, Bd. 89).
Milano 1962, S. 85: „In veritá non parlo più la Sua lingua (a vent’anni la parlavo altrettanto bene, o altrettanto
male, di come oggi parlo l’inglese): ma non mi riesce difficile leggere l’italiano – specialmente quando si tratta
di cose che mi riguardano.“
205
Zit. nach Koppen, S. 194: Brief Erika Manns an den Verfasser vom 28.04.1966.
206
Der folgende Abschnitt orientiert sich hauptsächlich an Stuart Fergusons: Language assimilation and
crosslinguistic influence. A study of German exile writers (=Tübinger Beiträge zur Linguistik, Bd. 429).
Tübingen 1997, das sich auf den S. 65-69 mit Thomas Mann beschäftigt.
207
TB vom 05.07.1937.
208
TB vom 07.03.1938.
209
Harpprecht, S. 810f.
204
32
sein fortgeschrittenes Alter 210 verantwortlich machte, fand er sich angespornt durch den
Wunsch, „to represent the other Germany, consisting of pre-National-Socialist traditions and
exiled figureheads“ 211 . In diesem Kontext ist vielleicht zu verstehen, dass der Dichter trotz
Sprachbarriere Ende 1938 eine Professur für Humanwissenschaften in Princeton annahm. Die
damit verbundenen Vorlesungen wurden auf Deutsch vorgeschrieben, mit Hilfe von Tochter
Erika ins Englische übersetzt und am Ende eines geduldvollen Feilens an der Aussprache
stand eine einigermaßen passable Lesung. Bei öffentlichen Lesungen fungierte Erika Mann
zusätzlich als Vermittlerin zwischen dem nach amerikanischer Manier fragenden Publikum
und ihrem nicht immer verstehenden Vater. Manchmal ging es sogar soweit, dass sie „in
genial-burschikoser Weise das sagte, was eigentlich Thomas Mann hätte sagen sollen“ 212 , d.h.
sie sprach nicht nur, sie dachte gelegentlich auch für ihn. Das mag für den Moment große
kommunikative Vorteile gehabt haben, auf Dauer allerdings hemmte ihre überaus dominante
Rolle als Vermittlerin den sprachlichen Fortschritt ihres Vaters. Und dennoch, „er hatte
Fortschritte im Umgang mit dem fremden Idiom gemacht, doch manche seiner Zuhörer
merkten an, daß es nicht leicht sei, den Sinn seiner Rede hinter dem starken deutschen Akzent
aufzuspüren.“ 213 Nicht nur bei öffentlichen Auftritten, auch an den Arbeitsgewohnheiten am
heimischen Schreibtisch ließ sich zunehmende Souveränität und Autonomie im Umgang mit
der anfangs so fremden Sprache feststellen. Zunächst war es seine Sekretärin, die deutsche
Manuskripte oder Diktate ins Englische übersetzte. Später war er dann selbst in der Lage,
einfache englische Texte zu schreiben, später sogar zu diktieren. Und schließlich begann er,
seine Texte von vornherein in Englisch zu verfassen und seine so überaus produktiven
Morgenstunden, die in der Regel dem kreativen Schreiben galten, ganz der englischen
Sprache hinzugeben.
Den letzten großen Schritt seiner sprachlichen Assimilation tat er notgedrungen, als bei
Kriegsausbruch 1939 einige Mitglieder seiner Familie und seines weiteren deutschen
Umfeldes sich weigerten, fortan in deutscher Sprache zu kommunizieren. So sah sich Thomas
Mann bald vollständig vom Englischen umgeben und konnte kaum verhindern, dass sich
englische Wörter in seine deutschen Sätze einschlichen.214 Seine Tagebuchaufzeichnungen
zeugen mit Chokolade 215 oder Ceremonie 216 zudem von einer orthografischen Annäherung
ans Englische. Der definitiv bemerkenswerteste Indikator für Thomas Manns sprachliche
Assimilation war wohl, dass er nach seiner Operation an der Brust, als er wieder zu
Bewusstsein kam, als erstes englisch sprach. 217
Trotz einer Vielzahl englischsprachiger Aktivitäten wie Lesungen, Rundfunkansprachen,
Briefkorrespondenzen war er aber bis zuletzt nicht wirklich zufrieden mit seinen
Englischkenntnissen. Noch in der Entstehungszeit des „Erwählten“ bedauerte er: „Wäre ich
nur in die angelsächsische Kultur hineingeboren! Ich wollte Euch ein Englisch schreiben.“ 218
Auf die Frage eines Interviewers, ob er James Joyce gelesen habe, antwortete Thomas Mann:
210
TB vom 11.10.1938.
Ferguson, S. 69.
212
Koopmann, Helmut: Exil als geistige Lebensform. Verdeckte Spuren der Emigrationserfahrung bei Thomas
Mann, in: Heinrich-Mann-Jahrbuch 13 (1995), S. 84.
213
Harpprecht, S. 1047.
214
TB vom 09.12.1942: „Frucht-cups“;TB vom 11.12.1942: „bed-tea“; TB vom 17.12.1942: „Joseph-lecture“;
TB vom 29.12.1942: „education Deutschlands“; TB vom 30.12.1942: „and so on“.
215
TB vom 07.01.1952.
216
TB vom 01.01.1948.
217
Entst., S. 261.
218
Thomas Mann – Agnes E. Meyer: Briefwechsel 1937 – 1955, hrsg. von Hans R. Vaget. Frankfurt 1992,
Brief vom 23.12.1948, S. 717.
211
33
„too difficult for me“ 219 . „Da der direkte Zugang zu dem Sprachwerk des Iren mir
verschlossen ist, bin ich [...] auf kritische Vermittlung angewiesen.“ 220 Tonbandaufnahmen
weisen nach Kaung-Eun Choi darauf hin, dass Thomas Mann zumindest ein recht effektvoller
Vorleser gewesen sein muss 221 , was Tochter Erika mit ihrem Urteil „guter Schauspieler“
bestätigt und was auf manch anderen Exildeutschen sehr souverän gewirkt haben muss:
„Er spricht alle Sprachen, die er braucht – der Wunschtraum eines jeden Emigranten. [...]
Er erlebt, wenn man so will, seinen Identitätsverlust geradezu als Befreiung und Triumph,
und in außerordentlicher Zungenfertigkeit bestätigt er, in welchem Ausmaße er glücklich
ist [...]. Ein Kosmopolit, wie er im Buche steht.“ 222
Die private Perspektive ließ die Familie Mann jedoch entschieden kritischer urteilen: Auch
später noch sah Katia Mann die freie Rede als „the most difficult part of her husbands public
appearence“ 223 , und Klaus Mann will sogar eine „Distanciertheit“ und „misstrauische
Gereiztheit“ bei seinem Vater beobachtet haben, immer „wenn die Unterhaltung [in] englisch
geführt werden muss[te]“. 224 Die freie Rede im Rahmen einer gelehrten Konversation war der
letzte Schritt der sprachlichen Assimilation, der Thomas Mann offenbar zeit seines Lebens
nicht gelingen wollte. Und so zog es ihn aller beruflichen Erfolge und gesellschaftlicher
Anerkennung 225 zum Trotze in die Schweiz, um in seiner „eigenen, eigentlichen, in der
deutschen Sprachsphäre sein Leben zu beschließen [zur] Rundung und Berichtigung seiner
Existenz“ 226 . „Wie es sich bei vielen Schriftstellern verhält, die aufs intensivste mit der
eigenen Sprache leben, war sein Talent für fremde Idiome eher dürftig“ 227 , resümiert
Harpprecht. Zwar verfügte Thomas Mann über teilweise recht fundierte Kenntnisse
verschiedener Sprachen und Dialekte, setzte diese aber nur da zur mündlichen
Kommunikation ein, wo es unumgänglich war. Er hatte wenig Freude daran, den fremden
Sprachkode zu erforschen und im fremden Idiom bloß um des Kommunizierens willen zu
kommunizieren. Wenn sich alternativ die Möglichkeit bot, (Hoch)Deutsch zu sprechen, so
ergriff er diese sofort, und zwar aus dem Gefühl heraus, im engen Korsett der fremden
Sprache im geistigen Ausdruck weit hinter seinen Möglichkeiten zurückzubleiben. In diesem
Lichte steht auch seine Äußerung „Princeton [...] ist sehr hübsch. Aber ich fürchte mich ein
wenig vor der Gelehrten-Atmosphäre, und das Movie-Gesindel (Hollywood) ist mir im
Grunde lieber“ 228 , denn eine tiefgeistige Konversation war mit dem „Movie-Gesindel“ eher
die Ausnahme, und so konnte das Gefühl von Unterlegenheit 229 gar nicht erst entstehen. Hatte
er die Lesekompetenz einmal erworben, so erhielt er sie sich, wo sie ihm literarisch dienlich
war. In Zweifelsfragen aber musste er sich, wie deutlich geworden ist, beraten lassen. Auch
219
Neider, C. (Interviewer), The New York Times, 11.06.1950 (zitiert nach Cerf, Steven: Thomas Mann und die
englische Literatur, in: Handbuch, S. 238.)
220
Entst., S. 205.
221
Choi, S. 50.
222
Döblin, Alfred: Autobiographische Schriften und letzte Aufzeichnungen, hrsg. von Edgar Pässler. Freiburg
i.Br. 1977, S. 116.
223
Ferguson, S. 66.
224
Mann, Klaus: Tagebücher 1940 bis 1943, hrsg. von Joachim Heimannsberg (u.a.). München 1991, S. 58.
225
Schon vor seiner Übersiedlung in die USA war ihm der Ehrendoktor der Harvard-Universität verliehen
worden. Kurz vor seiner Rückkehr in die Schweiz trug man ihm die Ehrenmitgliedschaft in der „Academy of
Arts and Letters“ an.
226
Sprecher, Thomas: Thomas Mann und die Schweiz, in: Handbuch, S. 90.
227
Harpprecht, S. 808.
228
Mann, Klaus: Briefe und Antworten 1922-1949, hrsg. von Martin Gregor-Dellin. München 1987, S. 351.
229
Mann, Klaus: Tagebücher 1940-1943, S. 58: „Grosse Verstimmung [des] Zauberers, der sich rätselhaft
erniedrigt fühlt, weil ihm auf Englisch nichts einfällt.“
34
fremdsprachliche Briefkorrespondenzen fanden statt, lange nachdem die Mündlichkeit
versiegt war, wie der 1950 entstandene Brief an Enzo Paci belegt. Zwei Jahre später stand
offenbar kurzzeitig zur Debatte, den neuen Wohnsitz im italienischsprachigen Teil der
Schweiz, im Tessin zu wählen, da für den Gesundheitszustand seiner Frau Katia der Süden
wohl günstiger gewesen wäre, was bedeutet hätte, auf seine Italienischkenntnisse
zurückzugreifen, aber seine lebenslang präsente „quälende Scheu vor dem fremden
Sprachbereich“ 230 hinderten ihn daran.
3.2 (Sprachliche) Entstehungsgeschichte des „Erwählten“
Bereits zwei Jahre nach Erscheinen des „Doktor Faustus“ veröffentlichte Thomas Mann den
Bericht „Die Entstehung des Doktor Faustus. Roman eines Romans“. Hierin schildert er die
Lebensumstände und die politische Situation, in der der „Doktor Faustus“ entstand,
kommentiert das Buch und geht u.a. auf die Quellen ein, die er benutzte oder die ihn anregten.
Zu diesem Zwecke holte er noch einmal seine zum „Faustus“ gehörigen Arbeitsmaterialien
hervor und durchforstete sie nach zweckdienlichen Informationen.
Eine Entstehungsgeschichte des Nachfolgeromans „Der Erwählte“ ist von Thomas Mann nie
angedacht worden und ist aufgrund der langjährigen Unzugänglichkeit aller dazugehörigen
Selbstzeugnisse, Notizen und Quellen bislang auch noch nicht versucht worden. Nun, da
Tagebücher und Briefe geöffnet und ediert sind, ist es möglich, die Lebenssituation und das
damit verbundene Arbeitsklima auszuleuchten, in dem „Der Erwählte“ entstand. Dabei liegt
ein besonderes Augenmerk auf den Quellen und der Spracharbeit des Dichters, um die Grundund Rahmeninformationen bereitzustellen, auf die im nachfolgenden Quellenkapitel
zurückgegriffen werden soll.
Die „erste Berührung mit der Gregorius-Legende fiel“, nach Auskunft Thomas Manns, „in die
Zeit der Arbeit am Doktor Faustus“, als er „in dem alten Buch Gesta Romanorum“ las. „Die
knappe primitive Form der Gesta“ versprach „große erzählerische Möglichkeiten“, die den
Dichter „zur Nachbildung verlockt[en ]“. 231 Das war am 25. Oktober 1945 232 . Von da an ließ
ihn der Gedanke nicht mehr los, den Legendenstoff dem Helden des Romans wegzunehmen
„und selber etwas daraus zu machen“ 233 . Bis dahin sollten zwar noch fast drei Jahre vergehen,
aber der Grundstein war damit gelegt.
Auf seiner ersten Europareise nach dem Krieg, im Sommer 1947, erhielt Thomas Mann erste
visuelle Anregungen: So besuchte er z.B. bei einem Ausflug nach St. Gallen „die herrliche
Stiftsbibliothek“ 234 , in der er später Clemens den Iren schreiben und erzählen lassen wird.
Etwa einen Monat später war er zu „Kaffee und Kirsch“ auf der Burg des Professors von
Salis, gelegen im Aargauer Brunegg, zu Gast. Die „romantische Behausung [mit] Rüstungen,
merkwürdigen alten Möbeln, Öfen [und] Ahnenbildern“ 235 schien einen derartig nachhaltigen
Eindruck bei Thomas Mann hinterlassen zu haben, dass er sich in seinen sonst so kurz
gehaltenen Tagebuchaufzeichnungen zu dieser ungewöhnlich detailgetreuen Beschreibung der
230
TB vom 25.09.1952.
AN, S. 687.
232
TB von 25.10.1945: Hier ist die Rede von einer Geschichte, die er seinem Protagonisten Leverkühn „am
liebsten wegnähme, um selbst eine merkwürdige Novelle daraus zu machen“.
233
AN, S. 687.
234
TB vom 13.07.1947.
235
TB vom 04.08.1947.
231
35
Örtlichkeit hinreißen ließ. Darüber hinaus finden sich in seinem Nachlass die Bilder zweier
Burgszenen 236 , die mit hoher Wahrscheinlichkeit als Vorlage für das Chastel Belrapeire
dienten. Dieses und noch weitere „Hilfsbilder zum Gregorius“ 237 finden sich im Nachlass
Thomas Manns, wie z.B. das Bildnis einer betenden Frau 238 als Beschreibungsgrundlage für
Sibylla, eine für den Klosterschüler 239 , eine für den sehr großen Papst 240 und einige für
Schlüsselszenen der Handlung. Dass „Thomas Mann seine Beschreibungen selten aus der
Phantasie geschöpft“ hat, gehört nach Makoschey „schon seit langem zum Gemeingut der
Forschung“ 241 . Gerade der Ausdruck ‚Hilfsbilder’ legt die Vermutung nahe, dass diese
Gattung von Material immer dann zum Einsatz kam, wenn ihn der kreative Geist verlassen
hatte. 242
„Der Erwählte“, der zunächst noch „Der Begnadete“ 243 hieß, begann immer mehr Raum im
Denken und Schaffen Thomas Manns einzunehmen. Um diese Zeit muss es zu der
Zusammenkunft 244 mit dem Schweizer Germanisten Samuel Singer gekommen sein, den
Thomas Mann um Hilfe bei eventuell auftretenden Problemen bei der sprachlichen
Realisierung des „Erwählten“ bat. Gerade das Fremde und zeitlich Ferne der Sprache übte
einen ungeheuren Reiz auf Thomas Mann aus, stellte aber zugleich für ihn eine nicht zu
unterschätzende Schwierigkeit dar, wie im weiteren Verlauf noch des Öfteren ersichtlich sein
wird. Von daher muss der Kontakt zum Germanisten Singer als eine Art Rückversicherung
gewertet werden und ist zugleich Beleg dafür, dass Thomas Mann zu Anfang seiner
Planungen keine genaue Vorstellung davon hatte, wie hoch die sprachlichen Hürden realiter
werden sollten.
Auf der Schiffsreise zurück in die USA begann er, in „Wolframs »Parzival« zu lesen, der viel
Atmosphäre und Detail bietet“ 245 . Schon hier umging er den mittelhochdeutschen Originaltext
zugunsten einer neuhochdeutschen Übersetzung. Am folgenden Tag hatte sich scheinbar
schon soviel Interessantes gefunden, dass er beschloss, „Excerpte aus Büchern über das
Mittelalter, Namen und Wörter“ 246 anzufertigen. Bis kurz nach seiner Rückkehr am 15.
September 1948 247 las er immer wieder in Karl Panniers „Parzival“-Übertragung, doch gab es
für ihn nach seiner Heimkehr so „viel zu ordnen“ 248 , dass er den „Parzival“ beiseite legte und
die gerade erst begonnenen Vorstudien wieder abbrach. Er beschäftigte sich mit der
„Organisation von Briefen“ 249 , „las einiges Goethe’sche“ 250 in Hinsicht auf die Einleitung zur
Goethe-Auswahl und fühlte sich als gerade Heimgekehrter „müde und überreizt“ 251 .
236
Mat. 7, 27 u. 35.
TB vom 05.04.1948; ähnlich auch TB vom 07.06.1948: „Betrachtung von Bildern“.
238
Mat. 7,19.
239
Mat. 7,20, mit hs. Notiz „Grigorss“.
240
Mat. 7,21; vgl. weiter Gregorovius Bd. 2, Abb. neben S. 496, mit hs. Notiz „Rote Mozzetta“.
241
Makoschey, S. 221.
242
Vgl. weiter Wysling, Hans (Hrsg.): Bild und Text bei Thomas Mann. Bern und München 1975, S. 406-427,
437f.
243
TB vom 03.08.1947.
244
DüD III, S. 349, Anm. 8.
245
TB vom 06.09.1947.
246
TB vom 07.09.1947.
247
Nach TB erfolgte die vorerst letzte „Parzival“-Lektüre am 16.09.1947.
248
TB vom 15.09.1947.
249
TB vom 15.09.1947.
250
TB vom 19.09.1947.
251
TB vom 27.09.1947, ähnlich: TB vom 29.09.1947: „unbehaglicher Müßiggang“; TB vom 02.10.1947:
„fühlte mich schlecht“; TB vom 06.10.1947: „bedrückende geistige Trägheit und Müdigkeit“.
237
36
„Der Zustand, unter dem ich leide, hängt zusammen 1.) mit Abspannung und
Wiederakklimatisation nach der Reise, 2.) mit der Spannung unmittelbar vor Erscheinen
des tief greifenden Romans [Doktor Faustus]“ 252 ,
konstatierte er am 7. Oktober 1947 in seinem Tagebuch. Er fiel also in jenes große Loch, in
das alle Heimkehrer fallen, wenn sie sich nach langer Zeit der Abwesenheit wieder mit der
Enge des heimischen Alltags arrangieren müssen. Zudem kreisten seine Gedanken um die
Zukunft des gerade bereisten Europas, die, angesichts der anstehenden Teilung Deutschlands,
in „Zweifeln wegen meiner Tätigkeit“253 gipfelten. Die Veröffentlichung des „Doktor
Faustus“ und die damit verbundenen Publikumsreaktionen lähmten ihn bis zur „Unfähigkeit,
die Goethe-Vorrede in Angriff zu nehmen“ 254 . Thomas Manns mentale Verfassung besserte
sich erst nach Erscheinen des Romans im Rahmen der Stockholmer Gesamtausgabe am 17.
Oktober 1947. Erst nachdem die ersten Schweizer Besprechungen „very favourable, very
warm and partly enthusiastic“ 255 ausgefallen waren, hatte Thomas Mann den Kopf wieder
frei. Er nahm eine „Reduzierung der Schlafmittel ohne Nachteil für die Ruhe“ vor und schrieb
noch am selben Tag „zur zweiten Seite“.256 In den folgenden Tagen und Wochen schrieb er
(fast) täglich an der Goethe-Vorrede und fand nun auch die Kraft für neue geistig-literarische
Unternehmungen.
Nach fast siebenwöchiger Abstinenz erfuhren die Vorabreiten zum „Erwählten“ eine erste
vorsichtige Wiederaufnahme: Anfang November nahm er erneut Kontakt mit Professor Singer
in Bern auf, indem er sich des „liebenswürdigen Angebots [...], mit historischem Material
oder Hinweisen auf solches zur Hand zu gehen“ 257 , nochmals vergewisserte. Schon zwei Tage
nach Abschluss der Goethe-Vorrede am 19. Dezember nahm er die eingangs erwähnten
„Gesta Romanorum“ wieder hervor und läutete am 21. Dezember 1947 die erneute
„Annäherung an den Erwählten“ 258 ein. Von nun an beschäftigte er sich beinahe täglich mit
den Vorarbeiten zum „Erwählten“: Er verfasste „vorarbeitsmäßig“ 259 einen weiteren Brief an
Samuel Singer, beschäftigte sich mit Hartmanns von Aue mittelhochdeutschem Original 260 ,
forschte in Wilhelm „Scherers deutscher Literaturgeschichte über das Anfängliche“ 261 und
machte sich „Exzerpte u. Notizen zum Gregorius“ 262 . Nach etwa vier Wochen war das
„Aneignungsgeschäft“ 263 weitgehend abgeschlossen und schon drei Tage darauf „schrieb [er]
einige Zeilen des Anfangs der Legende, versuchend“ 264 . Doch kam er über bloße Versuche
vorerst nicht hinaus. Seine Ideen waren nach eigenen Angaben nur vage 265 und die
sprachlichen Schwierigkeiten stellten sich schneller ein, als anfänglich geglaubt: Thomas
Mann hatte zunächst versucht, sich das mittelhochdeutsche Original des „Gregorius“ unter
Zuhilfenahme eines mittelhochdeutsch-neuhochdeutschen Wörterbuchs zu erschließen, stieß
dabei allerdings sehr bald auf Verständnisprobleme. Daraufhin versuchte er einige Zeit
252
TB vom 07.10.1947.
TB vom 16.12.1947.
254
TB vom 01.10.1947.
255
DüD III, S. 104.
256
TB vom 17.10.1947.
257
DüD III, S. 349.
258
TB vom 21.12.1947.
259
TB vom 22.12.1947.
260
TB vom 24.12.1947.
261
TB vom 26.12.1947.
262
TB vom 27.12.1947.
263
XI, S. 163.
264
TB vom 21.01.1948.
265
TB vom 12.01.1948.
253
37
vergeblich, sich vor Ort in den USA eine neuhochdeutsche Übersetzung des Textes zu
besorgen. Als nun selbst „die Library of Congress, die [sonst] alles hat“ 266 , mit keiner
Übersetzung dienen konnte, wandte sich Thomas Mann an Samuel Singer:
„Es [ist] mir von Wichtigkeit, das Gedicht [gemeint: Gregorius] zu lesen, und
zwar auf hochdeutsch, denn im Mittelhochdeutschen bleibt mir doch vieles
dunkel. Können Sie mir helfen?“ 267
In einem im TMA befindlichen, unedierten Brief antwortet dieser:
„Was den Hartmann’schen Gregorius anbelangt, so habe ich die Übersetzung
natürlich nicht. [Sie ist] unbrauchbar, da wesentliche Teile des Gedichts erst
später gefunden wurden“. [...] „Ich habe deswegen den Anfang des Gedichts für
Sie in schlichte Prosa möglichst wörtlich übersetzt [...] und frage sie an, [...] ob
ich fortfahren soll“ 268
Das war mehr, als Thomas Mann erwartet hatte. Begeistert lobte er die „vorzügliche“
Übersetzung, die ihm den „leichten Schleier“ 269 von Hartmanns Werk nehme, und bat um
eine Fortsetzung der Übersetzungsarbeit, aber nur, wenn „es Ihnen selbst Spaß macht“ 270 .
Offenbar war Samuel Singer ab einem gewissen Zeitpunkt sogar soweit in die Arbeit Thomas
Manns involviert, dass es ihm möglich war, in den Entstehungsprozess aktiv einzugreifen,
indem er von sich aus Vorschläge einbrachte: „Auch passen mir die Namen nicht recht. Ich
schlage Ihnen folgende Namen vor [...]: Wiligis, Patafrid, Romuald ...“. 271 In der Folgezeit
trafen noch drei weitere Lieferungen 272 der Übersetzung ein, die die Assistentin Marga Bauer
offenbar unter ständiger Konsultation Samuel Singers angefertigt hatte.
Zu all den Startschwierigkeiten mit dem „Erwählten“ traten noch zwei außerliterarische
„Sorgenkinder“ hinzu: „K[atia] und Erika bei ihren Ärzten. Wenig erfreulicher Befund bei E.
[...]. Sorge“ 273 , notierte Thomas Mann Ende Januar in sein Tagebuch. Parallel dazu galt es,
mit der Abfassung des „Joseph“-Vorwort „Sechzehn Jahre“ voranzukommen. Nach zwei
Wochen konzentrierter Arbeit 274 und der Stabilisierung von Erikas Gesundheitszustand 275
konnte Thomas Mann die Arbeiten am „Erwählten“ wieder aufnehmen. Dabei setzte er
entschlossen an seiner schwächsten Stelle an – beim Mittelhochdeutschen. „Jetzt lese ich viel
Mittelhochdeutsch (Hartmann von Aue), mit Wörterbuch“ 276 , schrieb Thomas Mann
triumphierend an seine langjährige Brieffreundin Agnes E. Meyer. Glücklicherweise war
einige Tage zuvor der erste Teil von Samuel Singers Prosa-Übersetzung eingetroffen, ohne
die dieser Triumph vielleicht gar nicht möglich gewesen wäre.
266
DüD III, S. 349.
DüD III, S. 349; TB vom 21.01.1948: „Brief an S. Singer – Bern wegen Hartmanns Gregorius/, der hier nicht
aufzutreiben.“
268
Brief Samuel Singers an Thomas Mann vom 02.02.1948, befindlich im TMA, grüne Mappe mit der
Aufschrift „Singer, Samuel“, aber ohne Signatur; Brief ebenfalls ohne Signatur oder Eingangsvermerk.
269
DüD III, S. 350.
270
DüD III, S. 351.
271
Brief Samuel Singers an Thomas Mann vom 19.03.1948, Mat. 7,3.
272
Vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
273
TB vom 26.01.1948.
274
TB vom 08.02.1948: „Ich schrieb die Vorrede zu Joseph und seine Brüder zu Ende (16 Seiten).“
275
TB vom 28.01.1948: „Befriedigende Nachricht über Erika“.
276
DüD III, S. 351.
267
38
Nach erfolgreichem Abschluss der mittelhochdeutschen „Gregorius“-Lektüre am 16. Februar
1948 277 und weiteren, recht intensiven Studien in Gregorovius’ „Geschichte der Stadt Rom im
Mittelalter“ von etwa einer Woche 278 wurde Thomas Mann dann selbst von einem
gesundheitlichen Tiefschlag getroffen. Nach abendlichem Besuch bei Max Horckheimer
stolperte er „über die Stufe zwischen Wohnzimmer u. Vorplatz“ und zog sich eine „leichte
Fraktur des Schulterknochens zu“. 279 Die Abfassung des ersten Kapitels kam trotz „Fixierung
des Arms“ 280 und einem „andauernden Krankheitsgefühl“ 281 am 8. März 282 endlich zum
Abschluss. Doch Thomas Mann war unzufrieden. Sein Plan war es gewesen, „ein
internationales, deutsch-englisch-französisches Mittelalter“283 „mit unseren durchtriebenen
Mitteln lebendig zu machen“ 284 . „Bin aber noch nicht sicher, ob ich den Ton dafür finde“ 285 ,
stellte er leicht zweifelnd fest. Es war aber nicht nur der schwer zu findende Ton, der Thomas
Mann beschäftigte, auch sonst bot „die Arbeit [...] mehr Schwierigkeiten als man denken
sollte“ 286 , wie er in seinem Dankesschreiben an Marga Bauer freimütig bekannte. Der Dichter
spielte damit auf die anstehende Auseinandersetzung mit dem Altfranzösischen an, in welcher
besagter Brief den Auftakt bildete. Einige Tage später traf das erste Antwortschreiben 287
Samuel Singers bei Thomas Mann ein, in dem der Schweizer geduldig alle
„klippschülerhaften Fragen“ 288 des Dichters beantwortete. Damit waren zwar nicht alle
Probleme mit einem Mal aus der Welt geräumt, aber es war gewiss ein Anfang. Es folgten
weitere Briefe Singers, ausschließlich das Altfranzösische betreffend, und Thomas Mann
fasste allmählich neuen Mut. Er sei „glücklich, dass der leidende Zustand [...] überwunden
sei“ und er „Lust an etwas Neuem, wieder Neuem und Neugier Erweckendem gefunden
habe“ 289 , notierte Thomas Mann, nachdem der dritte Brief aus der Schweiz eingetroffen war.
Mit dem letzten Brief Samuel Singers war die Sammlung von Sprachmaterial praktisch
abgeschlossen. Auch Bemerkungen über Quellenstudien sucht man in der zweiten
Jahreshälfte 1948 in den Aufzeichnungen vergeblich. Der Arbeitsschwerpunkt hatte sich
verschoben und die aus den Quellen erarbeiteten Zitate, Exzerpte und Notizen wurden zu
seiner einzigen Arbeitsgrundlage. Die Quellenwerke 290 mit all ihren Anstreichungen wurden
hingegen nur noch gelegentlich hinzugezogen. Mit „bürgerlicher Sparsamkeit [...] durchgeht
er immer wieder das Material, streicht das noch nicht Verwendete an oder überträgt es auf ein
neues Blatt“ 291 . Doch das wiederholte Zusammenschreiben von bereits Notiertem hatte
vermutlich nicht nur, wie Wysling vermutet, etwas mit „bürgerlicher Sparsamkeit“ zu tun,
sondern hatte darüber hinaus auch kognitive Funktion: Einem Vokabeln lernenden Schüler
ähnlich, war es für Thomas Mann nicht nur wichtig zu wissen, wo auf den 105 Seiten seiner
Notizen die einzelne Vokabel steht, ebenso brauchte er permanenten und direkten kognitiven
277
TB vom 16.02.1948.
TB vom 18.- 23.02.1948.
279
TB vom 26.02.1948.
280
TB vom 26.02.1948.
281
TB vom 29.02.1948.
282
TB 08.03.1948: „Einleitung zur Legende abgeschlossen“.
283
DüD III, S. 350.
284
DüD III, S. 352.
285
DüD III, S. 352.
286
DüD III, S. 353.
287
TB vom 23.04.1948.
288
DüD III, S. 355.
289
TB vom 03.05.1948.
290
Vgl. Kap. 4.2.
291
Wysling 1967, S. 273.
278
39
Zugriff auf die fremden Wörter, um sich beim Prozess des Niederschreibens (im wahrsten
Sinne des Wortes) nicht zu „verzetteln“.
Mit den Schwierigkeiten sank die Motivation und das Interesse an der Fertigstellung des
Romans. Diese Puzzlearbeit konnte in Thomas Manns Augen nicht mehr sein als „eine Art
von höherem Abschreiben“ 292 und damit keine wirkliche Herausforderung für ihn. Hinzu
kam, dass der „kleine Legenden-Roman“ 293 stets im Schatten des übergroßen
Vorgängerwerks stand. „The length of the novel I am working on cannot be compared to that
of Doktor Faustus“ 294 . Aber es war nicht einfach nur der Umfang, sondern auch die geistige
Größe des Vorgängers, die alles Folgende zwangsläufig als etwas Diminutives erscheinen
lassen musste. „Nach dem »Faustus« mit etwas Neuem anzusetzen, fiel mir sehr schwer. Mein
Leben stand und steht im Zeichen von »Das kommt nicht wieder«.“ 295 Der Reiz, die Arbeiten
am „Erwählten“ fortzuführen, nahm immer mehr ab und wurde ersetzt durch den Gedanken
„to interrupt work on this attractive undertaking“ – in diesem Fall ging es um „our spring
journey“ verbunden mit einer „Goethe lecture“. 296 Es folgte eine Vielzahl von anderen
Projekten, Reisen und Vorträgen, die allesamt zwar nicht als Flucht, wohl aber als gezielte
Abwechslung zum „Erwählten“ interpretiert werden dürfen. Makoschey hat sich jüngst um
eine detaillierte Entstehungschronologie 297 zum „Erwählten“ verdient gemacht, die einen
Überblick geben kann über alle „attractive undertakings“ Thomas Manns während der
Fertigstellung des „Erwählten“.
Niederschrift der Kapitel
1. Wer läutet?
[Sechzehn Jahre]
2. Grimald und Baduhenna
3. Die Kinder
4. Die schlimmen Kinder
5. Herr Eisengrein
6. Frau Eisengrein
7. Die Aussetzung
8. Die fünf Schwerter
[Die Entstehung des Doktor Fautus]
9. Die Fischer von Sankt Dunstan
[August Strindberg]
10. Das Heckgeld
11. Der Trauerer
1948
21.01 – 08.03.
...
09.03. – 04.04.
31.03. – 30.04.
01.05. – 09.05.
10.05. – 18.05.
20.05. – 27.05.
28.05. – 05.06.
05.06. – 15.06.
...
23.10. – 04.12.
...
06.12. – 15.12.
16.12. – 04.01.
292
DüD III, S. 61.
DüD III, S. 357: In dieser Form in den Briefen an Käte Hamburger vom 15.06. und an Erich von Kahler vom
17.06.1948. Im weiteren Verlauf der Korrespondenz lassen sich noch mehr und andere Diminutiva finden.
294
DüD III, S. 364.
295
DüD III, S. 358.
296
DüD III, S. 360f; Ähnlich auch TB vom 11.06.1948: „Eifrige Arbeit am Kapitel [des Erwählten] mit dem
Vorsatz, nach diesem zu unterbrechen u. das autobiogr. Fragment [Die Entstehung des Doktor Faustus] zu
schreiben.“
297
Makoschey, S. 137f.
293
40
1949
[Goethe und die Demokratie]
12. Der Faustschlag
13. Die Entdeckung
14. Der Disput
15. Herr Poitewin
[Vortragsreise:
Ansprache im Goethejahr]
15. Herr Poitewin
16. Die Begegnung
17. Der Zweikampf
18. Der Handkuß
19. Sibylla’s Gebet
20. Die Hochzeit
21. Jeschute
[Wagner und kein Ende]
22. Der Abschied
...
08.02. – 16.02.
16.02. – 26.02.
28.02. – 06.03.
03.04. – ...
...
...
... – 08.09.
12.09. – 28.09.
01.10. – 18.10.
19.10. – 29.10.
02.11. – 14.11.
15.11. – 30.11.
30.11. – 11.12.
...
13.12. – 20.12.
23. Der Stein
24. Die Buße
25. Die Offenbarung
[Meine Zeit]
26. Der zweite Besuch
[Vortragsreise:
Die Erotik Michelangelos]
27. Die Auffindung
28. Die Wandlung
29. Der sehr große Papst
30. Penkhart
31. Die Audienz
[Bernard Shaw]
31. Die Audienz
1950
30.12. – 05. 01.
09.01 – 15.01.
01.02. – 18.02.
...
01.04. – 17.04.
...
...
03.09. – 13.09.
13.09. – 26.09.
23.09. – 06.10.
10.10. – 17.10.
20.10. – 26.10.
...
19.11. – 22.11.
Es ginge zu weit, den „Erwählten“ angesichts der vielen Unterbrechungen als „Stiefkind“
Thomas Manns zu bezeichnen, das den Dichter regelrecht Überwindung gekostet hätte, sich
ihm zuzuwenden. Schließlich stand für Thomas Mann kein Muss dahinter. Natürlich gab es in
der Folgezeit immer wieder intensive Arbeitsphasen, in denen der Dichter durchaus „mit
einigem Vergnügen an [s]einem mittelalterlichen Romänchen weiter[wirkte]“ 298 . Doch hatte
er bis zuletzt das Gefühl, er tue dies „tatsächlich mehr zu [s]einer eigenen Zerstreuung, als
dass [er] an die Wichtigkeit [s]eines Tuns glaubte“ 299 .
298
299
DüD III, S. 361.
DüD III, S. 371.
41
4. Kapitel: Vorbereitung der Sprachanalyse
4.1 Stand der Quellenforschung
Im Rahmen einer Sprachanalyse, die der Herkunft und Qualität einzelner Sprachelemente
innerhalb eines Ganztextes nachspürt, gehen erfahrungsgemäß mehrere Arbeitsgänge – zum
einen die Arbeit an den dem Text zugrunde liegenden Originalquellen, zum zweiten die
Überblick verschaffende Heranziehung der dazugehörigen Forschungsliteratur – Hand in
Hand. Bei der schriftlichen Darstellung der Untersuchung indes empfiehlt es sich aus
Gründen der Übersichtlichkeit, diese Schritte separat voneinander darzustellen, wohl wissend,
dass dieses Nacheinander der Gleichzeitigkeit der Praxisschritte de facto nicht entspricht.
Nach vorangegangener Sichtung der Selbstzeugnisse sei an dieser Stelle nun die
Forschungsliteratur nach den sprachlichen Quellen des „Erwählten“ befragt, die anschließend
dann im TMA lokalisiert und einer kritischen Untersuchung unterzogen werden sollen.
Noch im Jahre der Erstveröffentlichung des „Erwählten“, 1951, gab der Dichter in einem
Brief an Erich Auerbach einen ersten grundlegenden Einblick in eine Auswahl der zentralen
Quellen, die Anteil hatten an der sprachlichen Verwirklichung seines Romans:
„Das mittelhochdeutsche Element stammt natürlich von Hartman direkt. Viele Namen
und Einzelheiten stammen, für den Germanisten auf der Hand liegend, aus dem Parzival.
Eine Parodie des Nibelungenliedes kommt auch vor. Sibyllas Gebet [...] lehnt sich an die
Vorauer Sündenklage (Mitte des 12. Jahrhunderts) und das sogen. Arnsteiner Marienlied
an. Da von Ouwe Hartman die Ernährung des Büßers auf dem Stein unverzeihlich
unrealistisch [...] behandelt hat, nahm ich die Erdmilch aus der Schrift meines Freundes
Karl Kerényi. [...] Der altfranzösischen Sprachbrocken wegen, die das Sprachbild zu
kolorieren helfen, gab es eine Korrespondenz mit dem ehrwürdigen, nun verstorbenen
Samuel Singer in Bern [...]. Ihr Buch mit dem Citat aus dem Mystère d’Adam kam genau
zum richtigen Zeitpunkt.“ 300
Mit dieser Grundinformation war es der drängenden Forschung möglich, die Spracharbeit des
Dichters zumindest in groben Zügen nachzuvollziehen. Und solange Thomas Mann sicher
sein konnte, dass seine kompositorische Arbeit ausreichend Anerkennung finden und nicht in
einem Akt schnöder, mechanischer Dekonstruktion zerpuzzelt würde, war er gern bereit, „den
amüsablen Philologen“, die er schon während des Schreibprozesses „einladend im Sinne
gehabt“ 301 hatte, bei ihrer Arbeit ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
„Ich habe nichts dagegen, daß Professor Weigand meinen Brief an Sie benutzt [...]. Daß
für die römischen Dinge auch Gregorovius hinzugezogen ist, wird ihm nicht entgangen
sein.“ 302
So erschien Anfang 1952, ein knappes Jahr nach der Veröffentlichung des Romans, anstatt
einer Nachschrift nach dem Muster der „Entstehung des Doktor Faustus“ eine quasi vom
300
DüD III, S. 405.
DüD III, S. 419.
302
DüD III, S. 405f.
301
42
Dichter autorisierte 303 Quellenstudie, Hermann J. Weigands „Thomas Mann’s Gregorius“,
der der oben zitierte Brief an Erich Auerbach zugrunde gelegt ist und welcher sich im Anhang
der Studie legitimierend zitiert findet. Kurz nach ihrem Erscheinen wurde Weigands Arbeit
von Thomas Mann als „ein sehr gelungener Versuch“ 304 gewürdigt. In dem ungewöhnlich
langen Brief Thomas Manns vom 29. April 1952 erhielt Weigand weitere Ausblicke auf bis
dato unerschlossenes Terrain der Quellenarbeit, die er allerdings nicht weiter verarbeitete.
Vielleicht war es das Wissen um die tatsächliche Benutzung der Quellen, verbrieft vom
Dichter selbst, das Weigand die Sicherheit verlieh, in einigen Fällen bis ins Detail, d.h. bis hin
zur Nennung der Seitenzahl zu forschen. Dies war insofern ein Drahtseilakt zwischen
Faktenwissen und Spekulation, als dass er zwar die Titel der Hauptquellen Thomas Manns
kannte, die Ausgaben und Editionen allesamt aber nicht. Beispielsweise legt er seiner Studie
eine achtbändige Ausgabe (ohne die seine exakt zu nennen!) von Ferdinand Gregorovius’
„Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ 305 zugrunde, nicht wissend, dass Thomas Manns
Exemplar lediglich zwei Bände umfasste, wodurch all seine erarbeiteten Verweisstellen
hinfällig werden.
Im Verlauf des Jahres 1952 erschien mit Jonas Lessers Schrift „Thomas Mann in der Epoche
seiner Vollendung“ eine weitere Arbeit, die sich u.a. mit den Quellen des „Erwählten“
beschäftigt. Obwohl Lesser – mein „Londoner Korrespondent“ 306 , wie Thomas Mann ihn
nannte – seit Jahren mit dem Dichter in Briefkontakt stand, kam es offenbar nicht zu einer
derartig engen Zusammenarbeit wie mit Hermann J. Weigand. Lediglich einen einzigen Tipp
erbat sich Lesser von Thomas Mann, worauf dieser am 15. Oktober 1951 antwortete, seine
Vorlage für das „Erwählten“-Kapitel „Die Verkündung“ sei „ein Bild oberrheinischer Schule
(Konrad Witz, Germanisches Museum in Nürnberg)“ gewesen. 307 Lesser, der den
„Erwählten“ in den größeren Kontext des Spätwerks Thomas Manns stellt, spart sich im
Gegensatz zu Weigand die seitenexakten Details der Quellenentnahme, wenngleich der Leser
bei eindeutigen Anleihen speziell bei der älteren Literatur zumindest einen Anspruch auf die
Versangabe erheben könnte, die Lesser durchgehend unterschlägt.
Was diesen beiden frühen Arbeiten, einmal mit und einmal ohne die Hilfestellung Thomas
Manns, gemein ist, ist die allgemeine Kenntnis der Hauptquellen: Ihnen ist bekannt, dass die
erste Berührung mit dem Stoff in die „Faustus“-Zeit fällt, genau genommen aus den „Gesta
Romanorum“ stammt, und dass sich das mittelhochdeutsche Element des „Erwählten“ aus
Hartmanns mittelhochdeutschem „Gregorius“, Gottfrieds „Tristan“ und Wolframs „Parzival“
speist. Des Weiteren wird, Thomas Manns Wink folgend, der Einfluss des Nibelungenliedes,
alter Marienlieder, Auerbachs „Mimesis“ und Gregorovius’ „Geschichte der Stadt Rom“
konstatiert. Was ihnen fehlt, ist die Kenntnis der von Thomas Mann benutzten
Ausgabe/Edition der Hauptquellen und somit der exakten Entnahmestelle innerhalb der
Werke, des Weiteren die Kenntnis aller Nebenquellen. Die Wortbildung als poetisches
Gestaltungmittel Thomas Manns verbleibt, notgedrungen, gänzlich im Bereich des
Spekulativen, da seine Notizen zum „Erwählten“ zu diesem Zeitpunkt weder bekannt noch
zugänglich waren.
303
DüD III, S. 418f: „Hermann J. Weigand will [...] eine Studie über die Quellen des »Erwählten« veroeffentlichen, bei der ich ihm etwas geholfen habe.“
304
DüD III, S. 417.
305
Siehe weiter Kap. 4.2.
306
DüD III, S. 402.
307
DüD III, S. 404.
43
Die 1953 von Thomas Mann veröffentlichten „Bemerkungen zu dem Roman ›Der
Erwählte‹“ 308 konnten diesem Forschungsstand nichts mehr hinzufügen, was bei einem
Aufsatzumfang von nur vier Seiten nicht weiter verwundert.
Das Jahr 1961 kann mit Fug und Recht als eine Zäsur in der Thomas-Mann-Forschung gelten,
die „eine überaus anregende Wirkung auf die wissenschaftliche Beschäftigung mit Thomas
Mann“ 309 zur Folge hatte und gerade der Quellenforschung ganz neue Möglichkeiten
eröffnete. Die Rede ist von der Eröffnung des Thomas-Mann-Archivs der Eidgenössischen
Technischen Hochschule in Zürich, wo mit den persönlichen Hinterlassenschaften Thomas
Manns, die die Erbengemeinschaft zur Verfügung gestellt hatte, schlagartig eine Vielzahl von
Quellen, Notizen und Manuskripten des Dichters zugänglich gemacht wurden. Um so mehr
muss es verwundern, dass die Münchener Doktorandin Gertraude Wilhelm diese zeitlich wie
geographisch so nahe liegende Chance für ihre Arbeit nicht nutzte. Ebenfalls im Jahre 1961
veröffentlichte sie nach Weigand und Lesser eine weitere Quellenstudie mit dem Titel
„Sprachimitation in Thomas Manns Roman ,Der Erwählte’“.
Das Novum ihrer Arbeit liegt in einer systematischen Katalogisierung der zu untersuchenden
Wörter und Wortkomplexe, wobei eine alphabetische Listung den Zugriff für den Leser doch
wesentlich erleichtert hätte. Ihre Praxis, die Auswahl der zu untersuchenden Wörter ohne
lexikologisch-lexikographische Eingrenzung des Forschungsgegenstandes vorzunehmen,
verleiht ihrer Untersuchung etwas Willkürliches. „Die fremdsprachigen Wörter ließen sich
ganz selbstverständlich nach ihren Sprachen gliedern“, so Wilhelm. Dass diese
Selbstverständlichkeit sich manchmal als trügerisch erweisen kann, konnte eingangs gezeigt
werden. Durch Wilhelms Standpunkt, „das Aufdröseln einzelner Wörter nach Herkunft und
Bedeutung [sei] sinnlos“, wird die Tendenz zum Trugschluss noch weiter verstärkt. In dieser
Undifferenziertheit muss auch die Ursache gesehen werden, dass viele für eine
„Sprachimitation“ durchaus gebräuchlichen Elemente (Pönitenziar, Schwäher, Capperntunke)
bei ihr keine Aufnahme finden. Und auch sie schenkt den Eigennamen der Figuren und
Örtlichkeiten wie übrigens der Großteil der vorliegenden Arbeiten keine Beachtung. Ihr
Wissensstand über die Quellenlage entspricht exakt dem ihrer zwei Vorgänger, deren
Arbeitsergebnisse sie mit einfließen lässt, die sie aber durch einen Forschungsaufenthalt im
neu eröffneten TMA leicht hätte überflügeln können.
Aus dem Blickwinkel eines Klaus Makoschey, der zuletzt 1998 die „Erstellung eines
katalogartigen Nachweises der Quellenverarbeitung [...] als Hilfsmittel für die
Interpretation“ 310 zum Desiderat der Thomas-Mann-Forschung erhob, muss Gertraude
Wilhelms Arbeit als erster Schritt in die richtige Richtung gewertet werden. Zugleich waren
ihre Arbeitsergebnisse zum Zeitpunkt der Veröffentlichung beinahe schon wieder hinfällig.
Gleiches gilt auch für die 1971 veröffentlichte Dissertation Jovan Djukanovics. Zehn Jahre
nach Wilhelm legte er einen Vergleich zwischen Hartmanns „Gregorius“ und Thomas Manns
„Der Erwählte“ vor. Er fokussiert das Verhältnis der beiden Dichter zu Stoff, Sprache und
Stil. Ähnlich wie Wilhelm legt er zu den vorher umrissenen Sprachmilieus des „Erwählten“
mehrere kleine Wortlisten an. Die von Thomas Mann zur Realisierung dieser Sprache
benutzten Quellen finden in Djukanovics Untersuchung weder im Text noch in der
Bibliographie Beachtung, obgleich ihm die Arbeiten Weigands, Lessers, Wilhelms und die im
308
AN.
Wie im offiziellen Info-Leporello des TMA zu lesen.
310
Makoschey, S. 126.
309
44
Folgenden zu besprechende Arbeit Hans Wyslings, dem damaligen Direktor des ThomasMann-Archivs in Zürich, offensichtlich vorlagen.
Nur zwei Jahre stellte Wilhelms Arbeit den aktuellen Stand der Forschung dar, bis nämlich
Hans Wysling im Jahre 1963 den Aufsatz „Die Technik der Montage. Zu Thomas Manns
Erwähltem“ 311 verfasste. Diese Arbeit wurde noch erweitert und 1967 unter dem Titel
„Thomas Manns Verhältnis zu den Quellen. Beobachtungen am ,Erwählten’“ herausgegeben,
welcher beinahe unabhängig von den Vorarbeiten demonstriert, welche Dimensionen der
Quellenarbeit das TMA dem Forscher eröffnet.
Thomas Manns „Verhältnis zu den Quellen“ wird exemplarisch am 3. Kapitel („Die Kinder“)
des Romans verdeutlicht. Wysling arbeitet quellenorientiert, d.h. beinahe ausschließlich auf
Grundlage dessen, was ihm das TMA an Dokumenten bereithält. Bis zu einem gewissen
Punkt kann er Thomas Manns Notizen zum „Erwählten“ (TMA, Mp. XI/9) als Wegweiser zu
den in der umfangreichen Nachlassbibliothek aufgestellten Quellenwerken nutzen, welche er
anschließend nach Themengebieten geordnet in Bezug auf ihre Bearbeitung durch Thomas
Mann (Lektürespuren/Entnahmestellen) sowie in ihrer Bedeutung für den Romantext
(Eingangsstellen) bespricht. Ferner zieht er das Material 312 zum „Erwählten“, eine eigens für
Thomas Mann angefertigte „Gregorius“-Übersetzung (Mat. 7,1) von Samuel Singer und
Marga Bauer sowie vier Briefe (Mat. 7,2-4a) jener Schweizer Germanisten heran. Letztere
gehören zu einer größeren Korrespondenz von etwa zwanzig Schreiben, die, erstmals in dem
o.g. bei Weigand zitierten Brief Thomas Manns erwähnt, nach Wysling 313 eigentlich in einer
der folgenden Ausgaben der vom TMA herausgegebenen „Thomas-Mann-Studien“ hätten
ediert werden sollen, was allerdings nie geschah.
Am Ende steht eine umfangreiche Liste von Quellen, auf die Thomas Mann bei der
sprachlichen Umsetzung seines Romans zurückgegriffen hat. Die einzelnen Schriften und
Dokumente, etwa fünfundzwanzig an der Zahl, sind zudem versehen mit grundlegenden
Verweisen, ob sich das Werk im TMA befindet, an welcher Stelle der Mann’schen Notizen es
wieder auftaucht und in welche Kapitel des Romans die entnommenen Exzerpte eingeflossen
sind. Auch ohne Zugriff auf die erst 1975/76 erschienene, an Einzelwerken Thomas Manns
orientierte Briefedition „Dichter über ihre Dichtungen“ und die im Verlauf der 80er Jahre
veröffentlichten Tagebücher kann Wyslings Arbeit in ihrer quellenkritischen Qualität als
richtungweisend bezeichnet werden.
Das Verdienst, die Namengebung im „Erwählten“ quellenkritisch und in voller Breite
analysiert zu haben, geht an Doris Rümmele. In ihrer 1969 erschienen Dissertation bezieht sie
systematisch die Vorarbeiten Lessers, Weigands und Wyslings mit ein, musste aber
angesichts ihres Gesamtarbeitsvolumens 314 vom Besuch im Thomas-Mann-Archiv in Zürich
absehen. Mit dem eingangs erklärten Ziel, die „Gesetzmäßigkeiten der dichterischen
Namengebung Thomas Manns darzulegen“ 315 , beschließt sie, zunächst Namen und Quellen
nebst Referenz in der genannten Forschungsliteratur in ein systematisches Verhältnis
zueinander zu bringen. Leider beschränkt sie sich ausnahmslos auf die Vorarbeiten und
erspart sich auch den Aufwand, selbst Einblick in die Quellen zu nehmen – und zwar auch
311
Wysling 1963.
Mat. 7.
313
Wysling 1967, S. 342, Anm 1.
314
Die Autorin behandelt auf immerhin 434 Seiten insgesamt 10 Werke Thomas Manns, darunter auch die
„Buddenbrooks“ und den „Zauberberg“. Auf den „Erwählten“ entfallen ca. 40 Seiten.
315
Rümmele, S. 7.
312
45
dann, wenn die Quellenverweise in der Literatur unvollständig 316 oder gar nicht vorhanden 317
sind. So entgeht ihr beispielsweise, dass Weigand seine „Gregorovius“-Verweise
fälschlicherweise nicht auf die von Thomas Mann nachweislich 318 benutzte Ausgabe von
1926 bezieht, sodass diese Angaben, was die Seitenzahlen anbetrifft, völlig wertlos sind.
Auch beschränkt sie sich auf Figuren der Handlung, sodass die Namen der Lokalitäten
höchstens als Teil eines Adelsnamens (Roger-Philippus von Arelat) in Erscheinung treten.
Hat Thomas Mann zwischen Auswahl und Integration der Namen Umformungen, ganz gleich
welcher Art, vorgenommen, wird dies nicht konsequent gekennzeichnet.
Makoschey war der erste, der bei seinen 1998 erschienenen „Quellenkritischen
Untersuchungen zum Spätwerk Thomas Manns“ uneingeschränkt auf alle Quellenwerke,
Manuskripte und Selbstzeugnisse des Dichters zurückgreifen konnte. Unter Rückgriff auf die
Tagebücher und Briefe ist es ihm möglich, Thomas Manns Lektürekreis zur Zeit der
Entstehung des „Erwählten“ zu erschließen und unter Abgleich mit dem Roman und den
dazugehörigen Notizen sämtliche Quellen zu isolieren. In seiner Einleitung unterscheidet er
grundsätzlich zwischen Materialquellen und geistigen Quellen 319 , die dem Roman zugrunde
liegen, und kündigt an, sich in seiner Arbeit ausschließlich auf letztere konzentrieren zu
wollen. Die Materialquellen würden nur herangezogen, „wenn sie für die mythischen
Substrate von Bedeutung sind“ 320 , so Makoschey. Wyslings Arbeit als bekannt voraussetzend,
kann Makoschey nach Recherche im US-amerikanischen National Union Catalogue
nachweisen, dass es sich bei Thomas Manns mittelhochdeutschem „Gregorius“-Original um
die zweite Auflage der „Altdeutschen Textbibliothek“ von 1900, hrsg. von Hermann Paul,
und nicht wie bislang angenommen, die 7. Auflage von 1942, hrsg. von Albert Leitzmann
handelt, die der Dichter „mit Wörterbuch“, Makoschey nimmt den „kleinen Lexer“ an, „zu
Ende“ las. 321 Des Weiteren entdeckt er eine neue Materialquelle, Heinrich von Eickens
„mittelalterliche Weltanschauung“, die er im Anhang seiner Arbeit ausgiebiger bespricht. 322
Auch wenn sich Makoscheys Arbeit hauptsächlich den geistigen Quellen des „Erwählten“
widmet, kann sie dennoch einen entscheidenden Zusatzimpuls für die Methodik der folgenden
Analyse der Materialquellen geben: Ausgehend von Wyslings Quellenliste sollen nachfolgend
die im TMA vorhandenen Originalwerke auf Entnahmen sprachlicher Elemente durch
Thomas Mann analysiert, dabei seine Notizen zum „Erwählten“, ferner seine Selbstzeugnisse,
gegengelesen werden. Unter der Prämisse, dass geistige Quellen gleichzeitig als
Materialquellen genutzt worden sein könnten, sollen in einem zweiten Arbeitsschritt ebenso
die von Makoschey erarbeiteten stofflichen Quellen einer die Ergiebigkeit als Sprachmaterial
fokussierenden Analyse unterzogen werden.
316
Namensliste von S. 395-403: Bei den Namen Plihopliheri, Rassalig, Schiolarß, etc. begnügt sie sich lediglich
mit „Parz.“ als Provenienz-Angabe. Buch und Vers interessieren nicht weiter.
317
So hätte sie den Namen Ulterlec an verschiedenen Stellen des „Parzival“ finden und nicht davon ausgehen
müssen, es handle sich hierbei um einen von Thomas Mann geschöpften Namen, dessen zweite Silbe „-leck auf
einen Defekt deuten“ soll (S. 207). Die Namen römischer Kaiser wie Gratian, Hadrian etc. hätten schon durch
einen schnellen Blick in Gregorovius’ Personenverzeichnis gefunden werden können.
318
Wysling 1967, S. 265f, konnte diese Ausgabe in der Thomas-Mann-Nachlassbibliothek nachweisen. Dieser
Aufsatz hat Rümmele nach eigenen Angaben vorgelegen.
319
Gemeint sind Quellen, bei denen Thomas Mann keine sprachlichen Anleihen machte, die ihm stattdessen aber
stofflich als Motiv- und Ideengeber dienten.
320
Makoschey, S. 126.
321
DüD III, S. 351.
322
Makoschey, S. 216-220.
46
4.2 Quellenkritik
1. Notizen zum „Erwählten“.
Bei den Notizen zum „Erwählten“, heute unter der Signatur Mp. XI 9a im feuerfesten Safe
des TMA/Zürich lagernd, handelt es sich um 69 Blätter zumeist weißen Papiers
unterschiedlicher Beschaffenheit und Herkunft 323 , die Thomas Mann mit verschiedenen
Stiften in unterschiedlich gut lesbarer Kurrentschrift auf 105 Seiten festhielt. Hierin befinden
sich Wort- und Namenslisten, teilweise mit Verweis auf die entsprechende Quelle, wobei sich
die fremden Sprachelemente durch die heute übliche lateinische Schreibschrift hervorheben.
Beigefügte Bedeutungserklärungen (zum eigenen Verständnis) sowie weitere Lektürespuren
mit anderen Stiften und Farben sprechen dafür, dass zwischen Exzerpierung des
entsprechenden Elements und seiner Integration in den Romantext eine längere Zeit 324
vergehen konnte, ehe Thomas Mann seine Notizen wieder hervorholte und zur
„Rekapitulation des Materials“ 325 schritt.
Die Notizen zum „Erwählten“ sollen, weil sie (tw. bis hin zur Nennung der Seitenzahl) auf die
Quellen Thomas Manns verweisen und auch Bezüge zur Briefkorrespondenz und zur
Materialsammlung zum „Erwählten“ aufweisen, allen weiteren Archivstudien vorangestellt
werden.
2. Materialien zum „Erwählten“.
Die Materialien zum „Erwählten“, ebenfalls befindlich im Safe des TMA, und zwar unter der
Signatur Mat. 7, setzen sich zusammen aus einer Reihe von derzeit 326 41 sehr heterogenen
Dokumenten: der Prosa-Übersetzung des mittelhochdeutschen „Gregorius“, angefertigt von
den Schweizer Germanisten Samuel Singer und Marga Bauer (Mat. 7,1), vier Briefen Samuel
Singers an Thomas Mann (Mat. 7, 2-4a), acht Zeitungsartikeln, fünfundzwanzig Bildern aus
Zeitschriften, einer eigenhändigen Skizze des Ärmelkanals (Mat. 7,16) sowie einer Tram- und
Buskarte von Rom (Mat. 7,18).
Besonders vielversprechend scheint jene Tram- und Buskarte, da sie mit ziemlicher Sicherheit
bei dem in Kapitel 29 sehr genau beschriebenen Einzug des „sehr großen Papstes“ in Rom als
Vorlage gedient hat. Aber auch die teils mit Untertexten versehenen Bilder aus Zeitschriften
verlangen nach einer genaueren Prüfung: Hier ist beispielsweise ein Wikingerführer namens
Hengist 327 erwähnt, dessen Name im Romantext gewissermaßen zum Schimpfwort
umfunktioniert wird (DE, S. 65: „dieser Hahn und Hengist“).
Eine nachträgliche handschriftliche Eintragung im TMA-Inhaltsverzeichnis der Materialien
verrät, dass später noch ein Notizzettel „Varianten für engl. Titel“ beigefügt wurde, der streng
genommen zu den Notizen zum „Erwählten“ gehört. Auch die Zeitungsartikel sind eigentlich
„über Musik, dürften zu den Faustus-Mat. gehören“, worin sich die Unantastbarkeit der
323
... mit Briefköpfen verschiedener Hotels in Metropolen Europas, Thomas Manns persönliches Briefpapier,
Löschblätter etc.; meist Din A 5, manchmal gefaltetes Din A 4 zu A 5 Doppelbogen, mit unterschiedlichen
Stiften in unterschiedlichen Farben manchmal ein-, manchmal beidseitig beschrieben.
324
In der Tat wurde die Arbeit am „Erwählten“ mehrfach für längere Zeit unterbrochen. Vgl. weiter Kap. 3.2.
325
TB vom 18.01.1948.
326
Im Laufe der Zeit sind immer wieder neue Einzelmaterialien aufgetaucht.
327
Mat. 7,39 = Zürcher Zeitung, Fernausgabe Nr. 211.
47
Archivalie spiegelt: D.h. die Archivare waren generell und manchmal sogar wider besseres
Wissen bemüht, das zu Archivierende so weit als möglich in der vorgefundenen Ordnung zu
belassen.
Die „Gregorius“-Übersetzung Singers/Bauers von 57 Seiten, die Thomas Mann in vier
Sendungen erreichte, ist nachträglich gebunden. Es kann somit als ein eigenständiges
Dokument betrachtet und getrennt von den übrigen Materialien eingesehen werden. Von den
übrigen Materialien, zusammengefasst in einer Mappe und nach o.g. Reihenfolge in
Klarsichthüllen angeordnet, werden die Briefe, da sie als Teil einer umfangreicheren
Korrespondenz zu sehen sind, nachstehend ebenfalls einer gesonderten Betrachtung
unterzogen.
a. Hartmann von Aue: Gregorius. Unveröffentlichte Prosa-Übersetzung von Marga Bauer
und Samuel Singer, die der Ausgabe von Hermann Paul/Altdeutsche Textbibliothek [Nr. 2],
6. Aufl. Halle 1929, folgt.
Dieses 57seitige Typoskript ist gewissermaßen eine Maßanfertigung 328 für Thomas Mann, ein
Unikat, das im TMA unter der Signatur Mat. 7,1 vorhanden ist. Eine handschriftliche Notiz in
schwarzer Tinte, die, der Schrift nach zu urteilen, nicht aus der Feder Thomas Manns, sondern
vermutlich von Marga Bauer stammt, belegt, dass diese Übersetzung „der Ausgabe von
Hermann Paul/Altd. Textbibliothek [Nr. 2], 6 Aufl. Halle 1929“ folgt. Auch die über den Text
verteilten orthografischen Korrekturen in schwarzer Tinte können somit Marga Bauer
zugerechnet werden, während Thomas Mann diese oben bereits erwähnte „eigentliche
Vorlage“ 329 zum „Erwählten“ intensiv mit Bleistift bearbeitete. Neben der Dichte der
Lektürespuren belegt vor allem das Segmentieren des Textes durch handschriftliches
Einfügen von Überschriften (S. 32: „Der Kampf“; S. 54: „Wer läutet“), die später zu denen
des Romans werden sollten, wie sehr sich Thomas Mann strukturell von seiner Vorlage leiten
ließ.
Das sprachlich interessante mittelhochdeutsche Element war im Rahmen der
neuhochdeutschen Übersetzung zwangsläufig weitgehend verschwunden, sodass Thomas
Mann an entsprechender Stelle auf seinen mittelhochdeutschen Originaltext 330 zurückgriff,
um z.B. das Elfenbein der Übersetzung (S. 12) ins orthografisch ältere Helfenbein (vgl.
Gregorius, V. 722) zurückzusetzen. Sprachlich direkt nutzbar machen konnte er lediglich die
Elemente des Textes, die, wie es im Rahmen einer jeden Übersetzung vorkommt, auf die
„lexikalische Lücke“ entfallen, die also einer vergangenen „wortschatzspezifischen
Bezugswelt“ 331 angehören und somit nicht übersetzbar, sondern lediglich umschreibbar sind:
328
Brief Samuel Singers an Thomas Mann vom 02.02.1948 im TMA, grüne Mappe mit der Aufschrift „Singer,
Samuel“, aber ohne Signatur; Brief ebenfalls ohne Signatur oder Eingangsvermerk: „Was den Hartmann’schen
Gregorius anbelangt, so habe ich die Übersetzung natürlich nicht.“ [Sie ist] „unbrauchbar, da wesentliche Teile
des Gedichts erst später gefunden wurden“. [...] „Ich habe deswegen den Anfang des Gedichts für Sie in
schlichte Prosa möglichst wörtlich übersetzt [...] und frage sie an, [...] ob ich fortfahren soll“
329
Makoschey, S. 127.
330
DüD III, S. 351: Brief an Samuel Singer vom 13.02.1948: „Wie vorzüglich Ihre Prosa-Übersetzung ist, kann
ich beurteilen, da ich das Original (herausg. von Hermann Paul) von der Universitätsbibliothek hier bekommen
habe.“
331
Reichmann, Oskar spricht in seiner Einleitung zu Lexikologie und Lexikographie, in: Jahrbuch für
Internationale Germanistik, Reihe A 54 (2000), S. 198, in diesem Zusammenhang von der „Kehrseite der
lexikalischen Äquivalenz“, die einen „Brennpunkt [...] zweisprachiger Lexikographie“ bilde.
48
surzengel (von frz. sursangle, wahrscheinlich „Obergurt“)
puneiz (mfz. poingneis von lat. pungere, stossendes Anrennen auf den Gegner) 332
b. Briefwechsel mit Singer/Bauer.
Der gesamte Briefwechsel zwischen Thomas Mann und den Schweizer Germanisten, der
einen Zeitraum von etwa einem Jahr und eine Anzahl von 21 Schreiben umfasst haben muss,
lässt sich aus der Sicht Thomas Manns in einen passiven und einen aktiven Part unterteilen.
Zunächst befand sich der Dichter in der Rolle eines Empfangenden und sich (für die
Übersetzung) Bedankenden, aber nur bis zu dem Zeitpunkt, da er den Schlussteil der
„Gregorius“-Übersetzung in den Händen hielt. 333 Danach begann er aktiv und gezielt, für ihn
interessantes Sprachmaterial zu erfragen. „Ich brauche ein paar Brocken älteren Französisch,
gelegentlich einzuflechten in meine Erzählung“, schrieb er an Singer. „Wie sah das moderne
»Allez-vous-en« [im Altfranzösischen] aus?“, „Wie lautete »Gott zum Gruß«“?, „»Que plus
n’i queroie veoir« [...], wie würde dies im Praesens heißen?“ 334 .
Die 9 Briefe aus der Feder Thomas Manns sind in den DüD in Auszügen ediert und inhaltlich
ausreichend greifbar. 335 Die 12 Schweizer Antwortschreiben, die den überwiegenden Teil des
im Rahmen dieser Untersuchung so interessanten Sprachmaterials enthalten, sind weitaus
schlechter greifbar: In 3 Fällen gibt Wysling 336 fragmentarische Einblicke in die Dokumente,
in den anderen Fällen geben lediglich Tagebuchaufzeichnungen Zeugnis von ihrer Existenz.
Die Rekonstruktion der Antwortkorrespondenz wird vor allem dadurch erschwert, dass sich
die Briefe Singers und Bauers nicht an einem zentralen Ort befinden:
Den Materialien zum „Erwählten“ liegen, wie oben erwähnt, 4 Briefe Singers bei. Bei dreien
handelt es sich um die schon bei Wysling im Kern wiedergegebenen. Zudem existiert im
TMA eine grüne Mappe mit der Aufschrift „Singer, Samuel“, die weitere vier Schreiben 337
enthält, welche allesamt bisher unediert geblieben sind: Drei stammen von Samuel Singer,
eines von Marga Bauer. Der Einfachheit halber hat Marga Bauer ihre Worte auf der Rückseite
eines Schreibens Singers an Thomas Mann (25.12.1947) niedergeschrieben, sodass sich die
vier Schreiben auf drei Briefsendungen verteilen. Die Schreiben wurden bisher noch mit
keiner Signatur versehen, allein die Doppelsendung trägt den Eingangsvermerk ‚58/2’ 338 .
Damit bleiben von den insgesamt 21 Schreiben lediglich 4, deren Text nicht mehr greifbar ist.
Dieser Missstand fällt aber nur geringfügig ins Gewicht, da ihr Inhalt weitgehend über die
Tagebuchvermerke zu erschließen und, hiernach zu urteilen, von nur sekundären Interesse ist:
In 2 Fällen handelt es sich um (vermutlich) beigelegte Begleitschreiben zu den Sendungen
zwei und vier der „Gregorius“-Übersetzung. Zum zweiten handelt es sich um einen „Notbrief
332
Singer/Bauer, S. 24.
TB vom 07.04.1948.
334
DüD III, S. 353ff.
335
DüD III, S. 349-355.
336
Wysling 1967, S. 261f.
337
25.12.1947
grüne Mappe, ohne Signatur, Eingangsvermerk 58/2; auf der Rückseite: ...
25.12.1947 [Bauer] grüne Mappe, ohne Signatur, Eingangsvermerk 58/2;
02.02.1948
grüne Mappe, ohne Signatur;
08.04.1948
grüne Mappe, ohne Signatur.
338
D.h.: eingetroffen im Februar 1958.
333
49
der Dr. Bauer in Bern wegen ihres Verlobten“ 339 , in dem es um die Beschaffung einer
Schweizer Daueraufenthaltsgenehmigung geht. Einzig schmerzhaft ist der Verlust eines
Schreibens Bauers, das Thomas Mann am 19. April 1948 340 erhalten haben muss und in dem
sie ihm „ueber das ‚Mäusegeschlecht’ [...] berichtet“ 341 , das sich später im Roman als
altfranzösisches gent mignote de soris wieder findet.
3. Singer, Samuel: Dogma und Dichtung des Mittelalters, Sonderdruck aus PMLA 62 (1947),
S. 861-872.
Dieser kleine Sonderdruck ist im TMA unter der Signatur TM 2853 vorhanden. Die
handschriftliche Widmung Samuel Singers „Mit Dank für die schöne Karte [-] S. Singer“ lässt
vermuten, dass dieser Aufsatz kurz vor Beginn der eigentlichen „Erwählten“-Arbeiten, also
im Herbst 1947 342 , bei Thomas Mann eingegangen ist. Im Sommer war er im Verlauf seiner
Europa-Reise u.a. auch mit Samuel Singer in Bern zusammengetroffen, wo „Der Erwählte“
eine erste Andeutung erfuhr, und Singer ihm für eventuell auftretende Probleme mit älterer
Sprache bereitwillig seine Hilfe anbot. So ist nicht unwahrscheinlich, dass Thomas Mann im
Fortgang seiner Reise Samuel Singer mit einer freundschaftlichen Karte bedachte, worauf ihm
dieser – „da Sie sich jetzt dem Mittelalter zuwenden“ 343 und „damit der freundschaftliche
Schriftenaustausch seinen Fortgang nimmt“ 344 – seine intellektuelle Visitenkarte in Form
seines jüngst erschienenen Aufsatzes zusandte. Ob besagter Sonderdruck sprachlich in den
„Erwählten“ eingegangen ist, kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden. Es lässt sich
lediglich ein Element (Orendel, S. 866, markiert) ausmachen, das in Frage käme, doch findet
sich dieser Eigenname ebenso bei Scherer (S. 93, 95) markiert. Dennoch darf die Entnahme,
gerade aufgrund der oben skizzierten zeitlichen Nähe zum „Erwählten“, nicht ausgeschlossen
werden.
4. Dieffenbacher, Julius: Deutsches Leben im 12. und 13. Jahrhundert, Bd. 2: Privatleben (=
Sammlung Göschen, Bd. 328), Leipzig: Göschen 1907.
Dieses 160seitige Buch ist im TMA unter der Signatur TM 2803 vorhanden. „Einen kleinen
Schmöker, antiquarisch erstanden, will ich Ihnen auch noch nennen: Deutsches Leben im 12.
und 13. Jahrhundert [...] von J. Dieffenbachers. Er gab allerlei her für Jagd, Falkenbeize,
Turnier, Reiten u.a.“, wie Thomas Mann gegenüber Hermann J. Weigand in seinem Brief
vom 29. April 1952 offen legt. 345 Dennoch ist klar, dass er diesen „kleinen Schmöker“ nicht
erst 1952, sondern schon viel früher, möglicherweise auf seiner Europareise, die ihn
bekanntermaßen auch in den deutschen Sprachraum führte, erstanden haben muss.
Verschiedenfarbige Lektürespuren (Kugelschreiber blau, Tinte blau, Bleistift), ausschließlich
339
TB vom 27.09.1948, vgl. weiter dazugehörige Anmerkung, S. 802.
TB vom 19.04.1948.
341
Singer an Mann vom 20.04.1948, Mat 7,4; auch zitiert bei Wysling 1967, S. 262.
342
Vgl. Makoschey, S. 245, Anm. 1: Hiernach erhielt Thomas Mann besagten Aufsatz erst am 29.02.1948.
343
Brief Samuel Singers an Thomas Mann vom 29.10.47 (Mat. 7,4a): „Ich schicke Ihnen gleichzeitig einen
kleinen Aufsatz, der Sie, da Sie sich jetzt dem Mittelalter zuwenden, interessieren mag.“
344
Brief Samuel Singers an Thomas Mann vom 02.02.1948 (grüne Mappe): „Ich nehme an, dass Sie mittlerweile
meinen Aufsatz "Dogma und Dichtung im Mittelalter" bekommen haben, und damit der freundschaftliche
Schriftenaustausch seinen geregelten Fortgang nimmt.“
345
DüD III, S. 421.
340
50
Anstreichungen, die sich einigermaßen gleichmäßig über das gesamte Büchlein verteilen,
lassen auf eine mehrfache und/oder mehrfach unterbrochene Lektüre schließen. Auf den
ersten Blick scheint es verwunderlich, dass sich Thomas Mann nicht des Verzeichnisses
archaischer Wortformen im Anhang bedient hat, dies belegt aber zugleich, dass es dem
Dichter nicht ausschließlich um die bloße archaische Form, sondern um dahinter liegende,
vergangene Wirklichkeit ging, die er für den Schlüssel einer glaubwürdigen Fiktion erachtete.
5. Heil, Bernhard: Die deutschen Städte und Bürger im Mittelalter. Leipzig: Teubner 1906.
Dieses 160seitige Buch ist im TMA unter der Signatur TM 2804 vorhanden. Es ist ebenfalls
in verschiedenen Farben, also möglicherweise mehrfach, d.h. mit Unterbrechungen,
bearbeitet worden – eine Vermutung, die sich durch Abgleich mit den Tagebucheinträgen
noch erhärtet: „Las einiges über städtisches Leben im Mittelalter“ 346 , notierte der Dichter am
13. Mai 1947 an Bord der Queen Elizabeth.
In den ersten drei Kapiteln finden sich fast gar keine Markierungen. Die flüchtige
Beschäftigung mit der Rolle Lübecks im spätmittelalterlichen Ostseehandel dürfte unabhängig
von den „Erwählten“-Arbeiten stehen. Das vierte und letzte Kapitel, das vom „inneren Leben
der deutschen Städte“ handelt, ist hingegen recht intensiv für den Roman genutzt worden:
Hier interessierten den Dichter vornehmlich Strafen, Krankheiten und Siechenhäuser. Auch
eine zahlenmäßig sehr detailliert beschriebene, überaus pompöse einwöchige Hochzeitsfeier
erregte die Aufmerksamkeit Thomas Manns, der den Pro-Kopf-Verzehr eines einzelnen
Gastes am Seitenrand ungläubig nachrechnete. Von dieser Hochzeitstafel nahm Thomas
Mann z.B. die Aalraupen, die er den Gästen auf Chastel Belrapeire auftischte, und ließ dazu
die Zinkenbläser spielen.
6. Philippson, Ernst Alfred: Über das Verhältnis von Sage und Literatur, Sonderdruck aus:
Publications of the Modern Language Association of America 62 (1947), 1, S. 239-261.
Dieser 20seitige Sonderdruck ist im TMA unter der Signatur TM 3484 vorhanden.
Tagebücher und Briefe schweigen über den Zeitpunkt des Zugangs, aber die handschriftliche
Widmung „Herrn Dr. Thomas Mann in Verehrung überreicht. Ernst A. Philippson (University
of Illinois)“, spricht – den Gelehrten-Brauch des permanenten geistigen Schriften-Austauschs
voraussetzend, für den Zeitraum um die Entstehung des Aufsatzes. Trotz mehrerer
Lektürespuren, lässt sich lediglich eine einzige Entnahme nachweisen, nämlich der Name des
Inselklosters: Agonia Dei.
7. Kerényi, Karl: Urmensch und Mysterium, Sonderdruck aus: Das Eranus-Jahrbuch 15
(1947), S. 41-74.
Dieser etwa 33seitige Sonderdruck ist im TMA unter der Signatur TM 4812 vorhanden. Auch
hier lässt die handschriftliche Widmung „Dem Meister, mit schönem Dank für den Gruss[,]
der mich in Budapest erreichte [...] K.K.“ die Vermutung zu, dieser Sonderdruck könnte die
346
TB vom 13.05.1947.
51
Antwort auf eine von Thomas Mann gesandte Karte von seiner 1947 veranstalteten
Europareise darstellen. Thomas Mann gebrauchte diesen Aufsatz im Wesentlichen inhaltlich,
nämlich zur Säkularisierung der siebzehn Jahre, die Gregorius in Hartmanns Fassung allein
mit Gottes Hilfe auf dem nackten Stein überlebt haben soll. Bei seinem Freund Kerényi fand
Thomas Mann eine brauchbare, d.h. eine „»rationale« Erklärung für Gregors Ueberleben“ 347 .
Neben einigen sprachlichen Anleihen im Lateinischen (uteri, humus) nahm er auf Grundlage
des Textes zudem vereinzelt neuhochdeutsche Neubildungen vor (Erdmilch, Erdsäugling).
8. Waag, Albert (Hrsg.): Kleinere deutsche Gedichte des 11. und 12. Jahrhunderts (=
Altdeutsche Textbibliothek, Bd. 10). Halle a.S.: Niemeyer 1916.
Dieses etwa 250seitige Buch ist im TMA unter der Signatur TM 33 vorhanden. Es ist von
Thomas Mann in der Retrospektive mit dem Prädikat „wichtig“ 348 ausgezeichnet worden, was
sich allerdings im Spiegel der eher überschaubaren Zahl sprachlicher Anleihen nicht gerade
unterstreichen lässt. Der Zugang zu dieser Lektüre war, den Bleistiftspuren nach zu urteilen,
über das Inhaltsverzeichnis erfolgt. Obgleich Thomas Mann hier noch weitere Kapitel als
lesenswert markierte, wurden lediglich, wie in seinem späteren Brief an Hermann Weigand
erwähnt, „die Vorauer Sündenklage und das Arnsteiner Marienlied“ 349 intensiver bearbeitet.
Die tatsächlich nachweisbaren sprachlichen Anleihen beschränken sich wiederum nur auf das
X. Kapitel, das „Arnsteiner Marienlied“. Darüber hinaus darf mit Lesser 350 angenommen
werden, dass es sich bei dem lateinischen Sancta Maria um den Refrain des „Melker
Marienliedes“ (Kap. XV) handelt. Hrabanus Maurus’ De laudibus sanctae crucis könnte aus
Waags umfangreichem Kommentar stammen, wenngleich beide Entnahmen aufgrund
fehlender Bleistiftspuren nicht eindeutig belegbar sind.
9. Der Nibelungen Not. In der Simrockschen Übersetzung nach dem Versbestande der
Hundshagenschen Handschrift, bearbeitet und mit ihren Bildern hrsg. von Hermann Degering.
Berlin: Wegweiser 1924.
Dieses etwa 270seitige, aufwändig illustrierte Buch ist im TMA unter der Signatur TM 2857
vorhanden. Es ist neben Pannier und Hertz die dritte neuhochdeutsche Versübertragung „in
der imitierenden Sprache des 19. Jhrh.“ 351 , die Thomas Mann für sich fruchtbar machen
konnte, doch im Gegensatz zu jenen zweien sprechen hier ein unhandliches Format, die
prachtvolle Aufmachung und natürlich das Erscheinungsjahr gegen die Vermutung, dass
dieses Buch ein Relikt aus Studientagen sein könnte. Die Lektürespuren, Anstreichungen mit
Bleistift, setzen erst ab etwa Seite 200 ein und verteilen sich lückenhaft auf des letzte Fünftel
des Buches. Von hier stammen einige sprachliche Anleihen (unterfahn, Gewaffen), die
Thomas Mann vornehmlich um die Figur des Herrn Poitewin 352 in den Roman einmontiert.
347
DüD III, S. 405; siehe weiter Kap. 2.2.4.
DüD III, S. 420.
349
DüD III, S. 420.
350
Lesser, S. 520.
351
Wilhelm, S. 115, Anm. 115.
352
DüD III, S. 394: „Es versteckt sich im Prosa-Satz, wie auch die parodierten Nibelungenlied-Verse es tun, in
die Herr Poitewin verfällt“.
348
52
10. Auerbach, Erich: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur.
Bern: Francke 1946.
Dieses etwa 500seitige Buch ist im TMA unter der Signatur TM 3499 vorhanden, wodurch es
als Teil des Nachlasses Thomas Manns ausgewiesen ist. Doch decken sich die wenigen
Lektürespuren, die es enthält, nicht im Geringsten 353 mit den sprachlichen Anleihen, die
Thomas Mann bei Auerbachs Werk, und unbestritten nur hieraus, gemacht haben muss. In
einem Brief an den Verfasser Auerbach heißt es: „Ihr Buch mit dem Citat aus dem Mystère d’
Adam kam genau zum richtigen Zeitpunkt“ 354 . „Daß Thomas Mann auf das Mysterienspiel
nirgends anders als in Auerbachs „Mimesis“ gestoßen ist, scheint schon dadurch erwiesen,
dass noch [...] andere Kapitel dieses Buches Zitate für den Erwählten geliefert haben“ 355 , so
Thieberger. Damit sind die Fragen nach der Herkunft des Buches und nach den zentralen
Entnahmestellen geklärt.
Dass nun vorliegendes Buch weder die obligatorische Widmung des Verfassers Auerbach
noch die entsprechenden Lektürespuren Thomas Manns enthält, dafür kann es nur eine
logische Erklärung geben: Das im TMA vorhandene Exemplar stammt (dessen habe ich mich
nochmals versichern lassen) definitiv aus dem Nachlass Thomas Manns, ist aber dennoch
nicht das Exemplar, das ihm „genau zum richtigen Zeitpunkt“ zukam, um seinen „Erwählten“
altfranzösisch zu „unterfüttern“. Thomas Manns Originalvorlage wird, „mit so vielem
anderen, am Wege liegengeblieben“ 356 sein, das im TMA vorhandene Exemplar wird mit
ziemlicher Sicherheit noch von Thomas Mann selbst rückergänzt worden sein.
11. Baum, Julius: Die Malerei und Plastik des Mittelalters, Bd. 2: Deutschland, Frankreich,
und Britannien (=Handbuch der Kunstwissenschaft, Bd. II., hrsg. von Fritz Burger).
Wildpark-Potsdam: Akademische Verlagsgesellschaft 1930.
Dieser etwa 240seitige und reich bebilderte Band ist im TMA unter der Signatur TM 4949 H
26 vorhanden. Zeitpunkt und Umstände des Zugangs, aber mehr noch der Grund, warum
Thomas Mann überhaupt zu diesem Buch, das sich durch seinen Titel als Kunstgeschichte
ausweist, sind unklar. Die Kunst hat Thomas Mann in diesem Band, zumindest im Spiegel
seiner Bleistiftspuren (Kap. II, 1; III, 8 u. 9; IV, 11), augenscheinlich recht wenig interessiert.
Stattdessen konzentrierte er sich auf Informationen zu Völkerwanderung, Missionierung und
Klostergründung und entnahm vornehmlich englische und deutsche Eigennamen von
Personen (Gozbert, Vortigern), Volksgruppen (Alamannen) und Örtlichkeiten (Clonmacnois,
Francia). Das laut Titel enthaltene französische Element lässt er außer Acht.
12. Wolfram von Eschenbach: Parzival. Aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt von Karl
Pannier, 2 Bde, 3. Auflage. Leipzig: Reclam [1897].
353
Besagte Anstreichungen befinden sich auf den Seiten 66, 459, 460, 485, 487 und beschäftigen sich
vornehmlich mit Literaturgeschichtlichem des 20. Jahrhunderts. Meist streifen sie sogar Thomas Mann und sein
Werk selbst.
354
DüD III, S. 403.
355
Thieberger, Richard: Französische Einstreuungen im Werk Thomas Manns, in: Alain Faure (Hrsg.):
Gedanken über Dichter und Dichtungen, Bern 1988, S. 365.
356
Entst., S. 193.
53
Dieses zweibändige Werk ist im TMA unter der Signatur TM 2860-61 zusammengefasst. Den
verschiedenfarbigen Lektürespuren nach zu urteilen, muss Thomas Mann diese insgesamt
etwa 480seitige Quelle sehr intensiv genutzt haben. Der erste Band ist offenbar systematisch
durchgearbeitet worden. Dabei legte Thomas Mann den thematischen Schwerpunkt seiner
Auswahl auf die mittelalterlich-höfische Kultur, speziell auf das „detailed inventory of items
connected with the life at court” 357 . Im Spiegel der Entnahmen zeigt sich des Weiteren eine
besondere Vorliebe des Dichters für alles Ritterliche (Buhurd, Halsberg, Fianze), sodass
Panniers „Parzival“ mit Wysling „als Hauptrüstkammer aller von Rittertum und Jagdwesen
handelnden Kapitel“ 358 bezeichnet werden kann. Der zweite Band wurde nur vergleichsweise
sporadisch konsultiert. Die einzig nennenswerte Übernahme bildet die lange Aufreihung von
Edelsteinen (Bd. 2, S. 378/79), mit denen Thomas Mann schließlich Grimalds herzogliches
Schloss ausschmückt.
13. Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Neu bearbeitet und nach dem altfranz.
Tristanfragmenten des Trouvere Thomas ergänzt von Wilhelm Hertz. Stuttgart: Kröner 1877.
Dieses etwa 650seitige Buch ist im TMA unter der Signatur TM 2871 vorhanden. Bei
Professor Hertz hatte Thomas Mann in seinen Münchener Jahren 1894/95 eine Vorlesung
über höfische Epik gehört 359 , was dem Studenten Thomas Mann Anlass gegeben haben
könnte, sich besagtes Werk zuzulegen. Der Griff zu einer neuhochdeutschen Versübertragung
statt zum mittelhochdeutschen Originaltext kann dabei als äußeres Anzeichen des schon an
anderer Stelle angedeuteten, nicht ganz problemfreien Umgangs Thomas Manns mit der
mittelhochdeutschen Sprachstufe gewertet werden.
Der Text selbst findet sich nur sehr zaghaft bearbeitet, und zwar durch fast ausschließlich mit
Bleistift vorgenommene dünne Senkrechtstriche am Seitenrand, sodass sich der Eindruck
einer gewissen Ehrfurcht Thomas Manns vor dem Buch aus Büttenpapier mit Wasserzeichen
und Goldrand einstellt. Dessen umfangreicher Anhang, der den kultur- und
literaturwissenschaftlichen Kontext zu einer Auswahl exzeptioneller Wörter und Wendungen
des Haupttextes bietet, wurde hingegen weitaus intensiver bearbeitet. Ähnlich wie bei Pannier
stehen höfisches Leben mit seinen Details zu Jagd und Kampf im Mittelpunkt des Interesses,
der Umfang der Entnahmen bleibt aber insgesamt weitaus geringer.
14. Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen
Mittelalters, übers. u. hrsg. v. Johann Theodor Gräße (2 Hälften); 3. Ausg. (Unveränd.
Neudruck d. Original-Ausg. v. 1842). Leipzig: Löffler 1905.
Dieses zweibändige und etwa 590seitige Werk ist im TMA unter der Signatur TM 70:1 und
70:2 vorhanden. Vielfach markieren Bleistiftkreuze die noch zu lesenden Kapitel, die dann,
den weiteren Lektürespuren nach zu urteilen, aber längst nicht immer auch tatsächlich
bearbeitet wurden. Im ersten Band war das „Einundachtzigste Capitel“, das „Von der
wundersamen Gnade Gottes und der Geburt des seligen Papstes Gregorius“ 360 handelt, von
357
Weigand, S. 14.
Wysling 1967, S. 266.
359
Dies belegt eine von Makoschey, S. 134, eingesehene Mitschrift einer Vorlesung, die jedoch zu den Arbeiten
am „Erwählten“ nicht wieder herangezogen wurde.
360
Gesta Bd. 1, S. 141-159.
358
54
ganz besonderem Interesse. Es bildet auf wenigen Seiten die stoffliche Grundlage der
„Gregorius“-Legende, wie sie von Thomas Mann zunächst in den „Doktor Faustus“ integriert
wurde, bevor er beschloss, mit seinem „Erwählten“ eine selbstständige Erzählung daraus zu
formen, und muss zusammen mit der noch zu besprechenden neuhochdeutschen „Gregorius“Übertragung Singers und Bauers als die „eigentliche Vorlage“ 361 des „Erwählten“ gesehen
werden. Strukturierende Randbemerkungen wie „Abschnitt“ (S. 148), „Bretagne“ (S. 156)
und „Rom!“ (S. 158) verweisen dabei direkt auf den Roman.
Die Tatsache, dass Thomas Mann auf den wenigen Seiten noch mehrere Druckfehler 362 fand
und verbesserte, sprechen ebenfalls für eine überaus intensive Bearbeitung. Umso
verwunderlicher ist es, dass er weder in diesem Kapitel noch an irgendeiner anderen Stelle des
ersten Bandes eine sprachliche Anleihe macht. Solche sind lediglich für den zweiten Band,
und hier auch nur im Anhang, nachweisbar, wo auf zwanzig Seiten „Ueber den wahren
Verfasser, den Zweck und die Ausgabe der Gesta Romanorum“ 363 gehandelt wird. Der
Hundename Hanegiff stammt beispielsweise von hier und an anderer Stelle hat jemand aliqua
secreta dicere.
15. Gregorovius, Ferdinand: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, 2 Bde. Dresden: Jess
1926.
Dieses zweibändige und insgesamt etwa 3000seitige Werk ist im TMA unter der Signatur TM
2800:1 und 2800:2 vorhanden. Bleistiftspuren, die sich über den ganzen ersten Band von
1524 Seiten verteilen, lassen zunächst ein systematisches Erarbeiten vermuten und zugleich
staunen. Das (wie bei älteren Büchern üblich) am Bandende angefügte Inhaltsverzeichnis
sowie seitenlange Löcher im Netz der Lektürespuren sprechen allerdings dafür, dass der
Zugang thematisch-gezielt und nicht tatsächlich Seite für Seite erfolgte. Anstreichungen, die
auf sprachliche Anleihen verweisen, sind dermaßen zahlreich, dass sie jene aus Panniers
„Parzival“ noch bei weitem übertreffen. Bei den entlehnten Elementen entfällt der
Mammutanteil auf Eigennamen altrömischer Persönlichkeiten (Sextus Anicius Probus) und
Orte (Sancta Anastasia sub Palatio) wie auf weitere lateinische Elemente (Primicerius,
Optimat, Benedictus qui venit in nomine Domini), die größtenteils in die römischen Kapitel zu
Beginn und am Ende des Romans Eingang fanden.
Offenbar hielt der erste Band genügend sprachliches Kolorit bereit, sodass Thomas Mann von
einer ebenso intensiven Beschäftigung mit dem zweiten Band absehen konnte. (Und in der
Tat wiederholen sich gerade die Namen recht häufig im Rahmen dieser chronologischen
Längsschnittdarstellung.) Lediglich eine einzige Bleistiftspur verrät, dass Thomas Mann den
zweiten Band überhaupt zur Hand genommen hat: Unter einer Abbildung 364 , die Papst Gregor
XII. zeigt, befindet sich die Bleistiftnotiz Mozzetta, die zur altliturgischen Amtstracht des
Papstes gehörte und mit welcher offenbar auch „Der Erwählte“ eingekleidet werden sollte. In
den Notizen findet sich noch eine „rote Mozzetta aus Samt“ 365 , der dennoch die Integration in
den Roman verwehrt blieb, weil ihr vermutlich von der bei Joseph Bernhart detailliert
beschriebenen Amtstracht des Papstes der Rang abgelaufen worden war.
361
Makoschey, S. 127.
Gesta Bd. 1, S. 159: „Sie machte [Einfg. TM: sich] also auf den Weg gen Rom.“; S. 157: „ ... und setzet ihn
zu meinen [Verb. TM: -m-] Stellvertreter ein; Auf S. 148 wurde ein das zu einem daß verbessert.
363
Gesta Bd. 2, S. 286-306.
364
Gregorovius Bd. 2, Abb. neben S. 496.
365
Not. DE, Bl. -/10.
362
55
16. Bernhart, Joseph: Der Vatikan als Thron der Welt. Leipzig: List 1930.
Dieses etwa 400seitige Buch ist im TMA unter der Signatur TM 4859 vorhanden. Die
Lektürespuren (ausschließlich Bleistift) reichen thematisch von den Ursprüngen des
Papsttums über das Hochmittelalter bis hin zu Luther. Zu Beginn der Frühen Neuzeit brechen
sie abrupt ab und setzen erst beim vorletzten, nichtchronologischen Kapitel über den „Aufbau
der Kurie“ wieder ein, wo Thomas Mann offenbar besonders am Unterkapitel über „Die
Krönung des Papstes“ interessiert war. Sein Augenmerk lag, wie bei Gregorovius auch, auf
Eigennamen und lateinischen Elementen, wenngleich dieses Buch schon im Umfang weit
weniger zu bieten hatte als erstgenanntes. Was er hier nun weitaus detaillierter beschrieben
fand, war das Ornat des zu krönenden Papstes (Tiara, Falda, Albe), dem standesgemäß die
claves regni coelorum überreicht werden.
17. Scherer, Wilhelm: Geschichte der deutschen Literatur. Berlin: Weidmann 1894.
Dieses etwa 800seitige Buch ist im TMA unter der Signatur TM 3323 vorhanden. Schon im
September 1947 hatte Thomas Mann begonnen, Panniers „Parzival“-Übertragung zu
sichten 366 – Grund genug, sich „in Scherers deutscher Literaturgeschichte über das
Anfängliche“ 367 weiter zu vertiefen, um sein in Wilhelm Hertz’ Vorlesungen (1894)
erworbenes Wissen über höfische Epik wieder aufzufrischen. Das Erscheinungsjahr von
Scherers „Geschichte der deutschen Litteratur“ gibt begründeten Anlass zu der Vermutung,
dass die Anschaffung auf diese Zeit zurückgeht.
In der Tat sprechen die auf die ersten hundertfünfzig Seiten konzentrierten Bleistiftspuren für
einen thematischen Arbeitsschwerpunkt auf höfischer Epik. Bei den vorgenommenen
Entlehnungen handelt es sich in aller Regel um historische wie literarische Eigennamen
(Kynewulf, Eckesachs, Sturmi), die Thomas Mann später auf die Figuren des Romans
übertrug.
18. Singer, Samuel: Thomas von Britannien und Gottfried von Strassburg, in: Festschrift für
Edouard Tièche. Bern: Lang 1947, S. 87-101.
Dieser Sonderdruck befindet sich nicht im persönlichen Nachlass Thomas Manns. Der
Dichter wird ihn irgendwann in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1947 (möglicherweise
sogar persönlich von Singer, mit dem er laut Wysling 368 im Sommer in der Schweiz
zusammengetroffen war) erhalten haben. Da Thomas Mann in seinen Tagebucheinträgen vom
26. und 27. November 1947 von der „Singer’sche[n] Schrift über Thomas von Britannien und
Gottfried von Straßburg“ spricht, und nicht von der Festschrift, in der der Aufsatz erschien,
hat die Annahme Makoscheys 369 , dass es sich bei dem von Thomas Mann benutzten (und
später verlorenen) Dokument um einen Sonderdruck gehandelt haben könnte, vieles für sich.
Aus dem 20seitigen Text hat Thomas Mann lediglich zwei Entnahmen, beide von der Seite
100, getätigt: Britanje und britunsch.
366
TB vom 06.09.1947.
TB vom 26.12.1947.
368
Wysling 1967, S. 267.
369
Makoschey, S. 136, 245, Anm. 1.
367
56
19. Eicken, Heinrich von: Geschichte und System der mittelalterlichen Weltanschauung.
Stuttgart, Berlin: Cotta [o.J.].
Dieses 822seitige Buch ist im persönlichen Nachlass Thomas Manns nicht vorhanden. Hans
Wisskirchens Nachweis 370 , dass es schon zum „Zauberberg“ und zum „Doktor Faustus“
herangezogen worden ist, spricht zunächst gegen eine vorübergehende Leihgabe und für einen
verloren gegangenen Besitz Thomas Manns. Weit weniger gewiss ist, ob der Dichter die erste
Auflage von 1887 benutzte, wie Mendelssohn in Bezug auf den Tagebucheintrag vom 7.
Januar 1948 behauptet 371 , oder ob ihm, Makoschey folgend, die zweite Auflage von 1913
vorlag. 372 Letzterer konnte im Abgleich mit den Notizen die Buchseiten 169 bis 212 sowie
488 bis 547 als Lektüreschwerpunkte Thomas Manns ausmachen. Sprachliche Entnahmen
haben nur einige wenige stattgefunden, von denen der lateinische Buchtitel Summa Astesana
(S. 505) die eindeutigste ist.
20. Meyers kleines Lexikon. Achte gänzlich neu bearbeitete Auflage in drei Bänden. Leipzig:
Bibliographisches Institut 1931-1932.
Dieses dreibändige Werk ist unter der Signatur TMB 100 053: 1-3 im Lesesaal des TMA
aufgestellt. Die Signatur verrät aber, dass es sich hierbei nicht um das Original aus dem
Nachlass Thomas Manns handelt, der exponierte Aufstellungsort des vom damaligen Leiter
des TMA, Hans Wysling, im Jahre 1963 rückergänzten Exemplars verrät, dass es sich hierbei
um ein für die Arbeiten von und über Thomas Mann sehr wichtiges Werk handeln muss.
Allein zum „Erwählten“ lassen sich in den Notizen 28 Artikel 373 nachweisen, die Thomas
Mann in seinem „Meyer“-Exemplar nachschlug und exzerpierte. Ein Quellenverweis Thomas
Manns wie „Rüstung: Meyers K. Bd. III“ (Not. DE, Bl. -/15) oder ein kritischer Textabgleich
beispielsweise des Stichworts „Zisterzienser“ (Meyer 3, Sp. 1155; Not. DE, -/27) dürften
Wysling den Nachweis wesentlich erleichtert haben. So illuster die nachgeschlagenen
Stichwörter sind, so uneinheitlich sind auch die aus den Artikeln entnommenen
Sprachelemente (Hamen, Rousselaere, Londinium).
21. Hartmann von Aue: Gregorius. Hrsg. von Hermann Paul (= Altdeutsche Textbibliothek,
Nr. 2), 2. Auflage. Halle a.S.: Niemeyer 1900.
Dieses etwa 100seitige Büchlein ist nicht im Nachlass Thomas Manns vorhanden, was nicht
weiter verwundern darf, da es sich um eine Leihgabe handelte: Nachdem Thomas Manns
intensive Bemühungen um die „hochdeutsche Uebersetzung von Hartmann von Aue’s
»Gregorius vom Steine« [...] der Reklam-Bibliothek“ 374 gescheitert waren, lag die Lösung in
370
Wisskirchen, Hans: Zeitgeschehen im Roman. Zu Thomas Manns Zauberberg und Doktor Faustus (=TMS,
Bd. 6). Bern 1986, S. 68ff; vgl. weiter TB vom 16.06.1919: „Eick: Mittelalterliche Weltanschauung. Ein
wichtiges Hilfswerk für den Zbg.“.
371
TB vom 07.01.1948: „Explorationen bei Eicken und Scherer“, vgl. weiter dazugehörige Anmerkung, S. 687.
372
Makoschey, S. 216.
373
Antwerpen, Aquitanien, Benediktiner, Brabant, Bretagne, Bruges, Burg, Flandern, Fischerei, Germanen,
Gottfried von Straßburg, Gregor(ius), Hartmann von Aue, Irland, Kanalinseln, Kloster, Klosterschulen, London,
Mönchtum, Niederlande, Rüstung, Schelde, Segeln, Seneschall, Süßwasserfauna, Vögel, Wolfram von
Eschenbach, Zisterzienser.
374
DüD III, S. 349.
57
der Zweigleisigkeit: Der Dichter ließ sich von Samuel Singer eine neuhochdeutsche „ProsaUebersetzung“ anfertigen und gleichzeitig über den befreundeten Universitätsbibliothekar
Gustave Arlt leihweise „das Original (herausg. von Hermann Paul)“375 zukommen.
Makoschey 376 konnte nach aufwändiger Recherche im US-amerikanischen National Union
Catalogue schließlich nachweisen, dass es sich dabei weder um die siebte (1942) noch um die
achte Auflage vom Mai 1948, wie noch Wysling 377 angenommen hat, sondern dass es sich
um die zweite Auflage der „Altdeutschen Textbibliothek, Nr. 2“ von 1900 gehandelt haben
muss, die der Dichter „mit Wörterbuch“ 378 – Makoschey 379 nimmt den „Kleinen Lexer“ an –
bis Mitte Februar 1948 „zu Ende“ 380 las.
22. Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. Stuttgart: Hirzel [...].
Dieses etwa 500seitige Nachschlagewerk ist im Nachlass Thomas Manns nicht vorhanden.
Dass der Dichter ein mittelhochdeutsches Wörterbuch besaß und zur Übersetzung seines o.g.
„Gregorius“-Originals auch benutzte, geht aus seinem Brief vom 17. Februar 1948 381 klar
hervor. Dass es sich dabei zwangsläufig um den „Kleinen Lexer“ gehandelt haben muss, den
Makoschey als „gängigstes mittelhochdeutsches Wörterbuch“ vorschlägt, um den
„lexikalischen Wissensstand“ zu repräsentieren, der „Thomas Mann zugänglich war“ 382 , muss
zunächst kritisch hinterfragt werden. Schließlich hätte er genauso gut den so genannten
„BMZ“ 383 oder den „Großen Lexer“ 384 konsultieren können.
Offenbar stand das mittelhochdeutsche Wörterbuch Thomas Manns nicht nur in der Funktion
der Übersetzungshilfe, sondern half ihm darüber hinaus, „jedem Wort [...] humoristisch an die
Wurzel“ 385 zu gehen, so auch den beiden mittelhochdeutschen Wortformen gevitzt und krank:
Auf das Adjektiv kranc wird Thomas Mann in seinem mittelhochdeutschen „Gregorius“
gestoßen sein, wo er von kranker spîse (V. 2899, 2904) las. Irritiert über den für ihn
ungewöhnlichen Bedeutungszusammenhang schlug er in seinem mittelhochdeutschen
Wörterbuch nach und notierte sich schließlich: „kranc: [...] gering, schlecht“ (Bl. -/17). Ein
Textabgleich innerhalb der in Frage kommenden Wörterbücher führt zu keinem Ergebnis, da
diese Interpretamente in allen dreien belegt sind.
Der Wortlaut des Romantextes, der das Element gevitzt umgibt – „in ihrem gevitzten
Kleidchen (oder wie man zu künstlich mit Goldfäden eingewebten Mustern sagt)“ 386 –
schließt zunächst den „BMZ“ kategorisch aus, der weder das Stichwort „vitzen“ noch das
Partizip „gevitzt“ führt. 387 Die naturgemäß eng miteinander korrespondierenden Einträge des
375
DüD III, S. 350.
Makoschey, S. 127, Anm. 9.
377
DüD III, S. 350, Anm. 12.
378
DüD III, S. 351.
379
Makoschey, S. 128, Anm. 10.
380
TB vom 16.02.1948.
381
DüD III, S. 351.
382
Makoschey, S. 128.
383
Mittelhochdeutsches Wörterbuch, ausgearbeitet von Wilhelm Müller, Friedrich Zarncke und Georg Friedrich
Benecke, 3 Bde. Leipzig 1854-1866. (im Folgenden und der Sigle ‚BMZ’)
384
Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, 3 Bde. Leipzig 1872-1878. (im Folgenden und der
Sigle ‚Gr. Lexer’)
385
DüD III, S. 419.
386
DE, S. 21.
387
BMZ Bd. 3, S. 333b, kennt lediglich das Substantiv viz.
376
58
„Großen Lexers“ („gevitzte slôwir, schleier, denen künstliche muster eingewebt sind“ 388 ) und
des „Kleinen Lexers“ („gevitzt [...] mit künstlich eingewebten Mustern versehen“ 389 ) lassen
dennoch ein greifbares Ergebnis zu.
„Der Erwählte“:
künstlich
eingewebten
Mustern
„Kleiner Lexer“:
künstlich
eingewebten
mustern
„Großer Lexer“:
künstliche
muster
eingewebt
Die morphosyntaktische Anordnung der einzelnen Elemente spricht eher für den kleinen als
für den „Großen Lexer“. Wenn angenommen werden darf, dass die Anschaffung des
mittelhochdeutschen Wörterbuchs ebenfalls im Rahmen der Hertz’schen Vorlesungen
geschah, erhärtet sich dieser Verdacht zu einer vorsichtigen Gewissheit, da sich ein
dreibändiges Werk zu diesem Zwecke als überaus unhandlich erwiesen hätte. Welche Auflage
Thomas Mann nun benutzte, ließe sich zwar eingrenzen, aber nicht genau bestimmen.
Ob und inwiefern der Dichter sein mittelhochdeutsches Wörterbuch auch in konstruktivem
Sinne als Materialquelle benutzte, muss die folgende Analyse des Romantextes zeigen. Fest
steht, dass es eine auffällig große Zahl unbelegter mittelhochdeutscher Elemente (so auch
gevitzt) gibt, die gewiss nicht auf die Sprachkompetenz Thomas Manns zurückzuführen sind
und laut Quellenverweisen der „MHDWB“ 390 auch in keiner der mittelhochdeutschen Quellen
Thomas Manns zu finden sein dürften. Da der Hauptteil sich seit der dritten Auflage von 1885
nur wenig, seit der neunzehnten Auflage von 1929 fast gar nicht mehr verändert hat 391 , kann
dieser Untersuchung o.g. aktuelle Ausgabe zugrunde gelegt werden.
23. Antike Erzähler. Von Herodot bis Longos. Hrsg. von Franz Stoessl. Zürich: Manesse
1947.
Dieses etwa 550seitige Werk ist im persönlichen Nachlass Thomas Manns nicht vorhanden,
befand sich vormals aber in seinem Besitz. Während seiner Europareise im Sommer 1947
kam es laut Tagebucheintrag am 2. August zu einem „Telephon[gespräch] mit Meyer 392 vom
Manesse-Verlag“ mit anschließender „Abholung der Frachtstücke“. 393 Wahrscheinlich
wechselten hierbei nicht nur diese, sondern auch die gerade im Manesse-Verlag erschienenen
„Antiken Erzähler“ den Besitzer. Thomas Mann nahm das Geschenk dankend an und zog sich
bei nächster Gelegenheit, „gegen Abend“ des kommenden Tages, „auf eine Bank im Garten“
388
Gr. Lexer Bd. 3, Sp. 376. (Unterstreichungen des Autors)
Laut Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. Mit einem Nachtrag von Ulrich Prenzel.
Stuttgart 1992, S. 290 ein Partizip zum Verb vitzen. (im Folgenden unter der Sigle ‚Kl. Lexer’)
390
Mittelhochdeutsche Wörterbücher auf CD-Rom und im Internet. Ein elektronischer Verbund der wichtigsten
lexikographischen Hilfsmittel zum Studium älterer deutscher Texte, hrsg. von Thomas Burch, Johannes Fournier
und Kurt Gärtner. Stuttgart 2001. (im Folgenden unter der Sigle ‚MHDWB’)
391
Bachofer, Wolfgang: Kurzer historischer Überblick, in: Ders. (Hrsg.): Mittelhochdeutsches Wörterbuch in
der Diskussion, Symposion zur mittelhochdeutschen Lexikographie, Hamburg, Oktober 1985 (=Reihe
Germanistische Linguistik, Bd. 84). Tübingen 1988, S. 3-8.
392
Laut TB 1946-1948, S. 594, Anm. 139,1, war der Germanist Dr. Walther Maier gemeint, der seit 1944 die
„Manesse-Bibliothek der Weltliteratur“ herausgab.
393
TB vom 02.08.1947.
389
59
zurück, um sich von den „Antiken Erzählern“, die er als „unendlich naiv“ empfand, „zu der
mittelalterlichen Novelle anregen“ zu lassen.394
Laut Makoschey las Thomas Mann wahrscheinlich das Herodot-Kapitel. Das Tagebuch nennt
des Weiteren die „Witwe von Ephesus“ 395 , „Daphnis und Chloe“ 396 sowie „Lukians
Reiselügen“ 397 . Elemente wie Schwäher, kreißen, Base oder Ninive lassen die vorsichtige
Annahme zu, dass Thomas Mann dieses Werk über die bloße Anregung hinaus auch als
Materialquelle benutzt haben könnte. Zumindest für die zwei erstgenannten Elemente existiert
keine weitere Verweisstelle in den übrigen Quellen zum „Erwählten“.
24. Benz, Richard: Gregorius auf dem Stein: eine alte deutsche Legende. Jena: Diederichs
1920.
Dieses Flugblatt 398 ist im TMA unter der Signatur TM 2852 vorhanden. Es handelt sich um
23 unpaginierte Textseiten, von denen nicht auszumachen ist, wann und auf welchem Wege
sie Thomas Mann zugegangen sind. Makoschey hat diese Quelle sehr treffend als „stark
verkürzte und altertümelnde (vielleicht indirekte) Übersetzung von Hartmanns Versepos“
charakterisiert, das Thomas Mann wahrscheinlich benutzt hat, „bevor er an das
Hartmann’sche Original gekommen ist.“ 399 Trotz einer Vielzahl von Bleistiftunterstreichungen lassen sich mit Pfaffheit und gnädiglich lediglich zwei Elemente
ausmachen, die Eingang in den „Erwählten“-Text gefunden haben (könnten).
25. Roget, Peter Mark: Thesaurus of English Words and Phrases. London: Longmans, Green
& Co. 1946.
Dieses 705seitige Nachschlagewerk ist im TMA unter der Signatur TM 3853 vorhanden. Der
Widmung auf dem Vorsatzpapier lässt sich entnehmen, dass es sich hierbei um „a rather
rational prelude to Christmas“ 1946, überreicht von Ida Herz, handelt. Den fehlenden
Lektürespuren nach zu urteilen, hat Thomas Mann nie wirklich intensiv mit diesem Buch
gearbeitet.
Für den „Erwählten“, speziell für das 12. Kapitel „Der Faustschlag“, brauchte Thomas Mann
einige Synonyme für das englische Wort fight. Diesem Stichwort folgend fand er auf den
Seiten 264/265 von „Roget’s Thesaurus“ eine große Auswahl, von denen er an die zwanzig in
seine Notizen (Bl. 8) übertrug. Aufgrund weitgehender Übereinstimmung der teilweise doch
recht exzeptionellen Elemente (death-struggle, sharp contest etc.) müssen die (aufgrund
fehlender Lektürespuren grundsätzlich berechtigten) Zweifel, ob sich Thomas Mann nicht
auch anderweitig informiert haben könnte, zurückgewiesen werden.
394
TB vom 03.08.1947.
TB vom 02.09.1947.
396
TB vom 03.08.1947.
397
TB vom 04.08.1947.
398
Sonderdruck aus den „Alten deutschen Legenden“, gesammelt von Richard Benz. Jena: Dietrichs 1920, S. 94104, gedruckt als Flugblatt 6/7 der Gemeinschaft „Die Pforte“, hervorgegangen aus dem badischen Kunst- und
Kulturrat von 1918. Von diesem Flugblatt wurden 300 Exemplare auf besonderem Papier gedruckt,
handkoloriert und handschriftlich nummeriert. Thomas Manns Exemplar blieb unpaginiert, die Seitenangaben
werden daher in [...] angegeben.
399
Makoschey, S. 127.
395
60
4.3 Lexikologisch-lexikographische Konzeption
4.3.1 Methodische Vorüberlegungen
Die vorliegende Arbeit will entsprechend der eingangs formulierten Zielsetzung mehr sein als
eine bloße Quellenstudie. Es gilt darüber hinaus, die Qualität des fremden Sprachmaterials zu
bestimmen, doch muss zuvor entschieden werden, was überhaupt analysiert werden soll. Die
Annäherung an das Phänomen einer sprachlichen „Vermittelalterung“ eines 260seitigen,
neuhochdeutsch zu lesenden Textes verlangt im Vorab nach einer weiteren Eingrenzung des
Untersuchungsgegenstandes.
Die Tatsache, dass der sprachlich befremdende Effekt bei ausnahmslos jedem Leser von
subjektiven Faktoren abhängt, zwingt zur Suche nach einer möglichst objektiven
Bewertungsgrundlage. Da es zudem darum geht, die Spracharbeit Thomas Manns nicht mit
der Messlatte des heutigen Sprachstandes, sondern im sprachhistorischen Kontext 400 der
Entstehungszeit des Romans zu analysieren, fällt die Wahl auf die Leipziger 14. Auflage der
Duden-Rechtschreibung aus dem Jahre 1951 401 . Dieses von seinen Bearbeitern als
„Volksbuch“ 402 verstandene Nachschlagewerk zeichnet sich dadurch aus, dass die Anzahl 403
seiner Stichwörter bemerkenswert gering ausfällt und damit vor allen anderen Ausgaben
dieses Zeitraums prädestiniert ist, das lexikalische Grundwissen eines von Thomas Mann
angenommenen „Durchschnittslesers“ 404 zu repräsentieren. Gleichzeitig wurden in dieser
Ausgabe die letzten Spuren deutschtümelnder oder gar NS-konformer Einträge getilgt, die in
dem Vorgänger von 1947 teils noch anzutreffen waren. Dieser „radikalen Entrümpelung“ 405
stehen lediglich siebzig Neueinträge gegenüber, die zwar zwangsläufig auch die politische
Entstehung und Entwicklung der DDR dokumentieren, deren Qualität 406 und geringe
Quantität allerdings verbietet, von einer ideologischen Durchtränkung des Wortschatzes zu
sprechen, sodass dessen Brauchbarkeit für den genannten Zweck nicht beeinträchtigt wird.
Den Dudenwortschatz voranstehend als eine Art Vorfilter zu benutzen, scheint wie gesagt die
einzig legitime Möglichkeit, über die Einbringung eines sprachlichen Status Quo das
subjektive Fremd(wort)empfinden des Verfassers weitgehend auszuschließen und sich
gleichzeitig dem befremdenden Effekt, mit dem Thomas Mann seinen zeitgenössischen Leser
konfrontiert, so objektiv wie möglich anzunähern. Dabei möchte ich die eigentlich an dieser
Stelle auftretende Kardinalfrage der Lexikographie: „Wörterbücher – normativ und / oder
deskriptiv?“ 407 nicht diskutieren, sondern möchte mich denjenigen Teilnehmern dieser
400
Der Unterschied zwischen dem Sprachstand von 1951 und dem heutigen ist zwar nicht groß, aber dennoch
existent: So führt der aktuelle Dudenwortschatz Begriffe wie vermahnen (DE, S. 32) oder Zunder (DE, S. 193)
als veraltend, hingegen 1951 als noch voll gebräuchlich.
401
Duden. Rechtschreibung, mit Berücksichtigung der häufigsten Fremdwörter. Leipzig 1951. (im Folgenden
unter der Sigle ‚Duden’)
402
Duden, S. III (Vorwort).
403
Laut Sauer, S. 141f., wurde die Zahl der Stichwörter im Vergleich zur vorherigen Ausgabe von 1947 um
mehr als die Hälfte vermindert und steigt, in Ost wie West, später wieder an. Meinen Berechnungen nach
entspricht ihre Zahl in etwa 25.000 bis 30.000, was laut Grammatik-Duden, S. 399, in der Tat mit dem passiven
Wortschatz eines Gymnasiasten korrespondiert.
404
DüD III, S. 404.
405
Sauer, S. 141ff.
406
... wie z.B. Kriegsverbrecher, Blockpolitik, volkseigen etc.
407
Ludwig, Klaus-Dieter: Wörterbücher – normativ und/oder deskriptiv?, in: Jahrbuch für Internationale
Germanistik, Reihe A 54 (2000), S. 221-228.
61
Diskussion anschließen, die „einsprachige Wörterbücher durchaus als Informanten für Daten
des Grundwortschatzes einer Sprache“ 408 sehen und ihnen im deskriptiven Sinne die
Kapazität zugestehen, „den Sprachstand eines bestimmten Zeitabschnitts rein
beschreibend“ 409 darzustellen. Alles Fremde, dem Normalleser Unverständliche wird auf
diesem Wege aus dem Gesamttext des Romans gelöst und im weiteren Fortgang der Arbeit
alphabetisch katalogisiert.
Schon jetzt steht fest, dass es nicht ausreichen wird, in hunderten von Fällen das Prädikat
‚Fremdwort’ zu vergeben, nur weil es sich um ein dem Leser fremdes Wort handelt. Ziel
dieses Kapitels muss es sein, ein Instrumentarium zu schaffen, das eine differenzierte
Betrachtung und Auswertung der Literatursprache ermöglicht. Dabei steht vor allem das
Wort, nicht etwa der gesamte Stil im Fokus der Betrachtung. Da die Literatursprache, wie
eingangs erläutert, im Rahmen dieser Arbeit als Varietät der Normalsprache verstanden
werden soll, ist der Rückgriff auf einschlägige linguistische Termini (Fremdwort, Lehnwort,
Neubildung etc.) legitimiert. Doch zuvor scheint es geraten zu klären, inwiefern der Dichter in
Briefen, Tagebüchern und Nachschriften seine Spracharbeit selbst reflektierte, um
gegebenenfalls ein anzustrebendes Modell durch treffendere terminologische Alternativen aus
der Feder des Dichters konkretisieren zu können.
Thomas Mann ist sich offenbar der Neuheit und Außerordentlichkeit seines Sprachschaffens
durchaus bewusst, wenn er das Textgesamt des „Erwählten“ als ein „vollständiges Ad hoc,
erfunden ausschließlich für diesen besonderen Fall“410 , und als „unwiederholbar“ 411
bezeichnet. „Das englische Plattdeutsch der Fischer von der nicht existierenden Insel St.
Dunstan [...] wie so manches andere“ mehr seien seine „persönliche Erfindung“ 412 .
„Wortbildung“ 413 – Thomas Mann gebraucht diesen Begriff im Sinne von ‚Neubildung’ –
geschah demnach zwar mit poetischem Vorsatz, aber augenscheinlich nicht mit System, d.h.
reflexiv:
Im Rahmen der „Faustus“-Arbeiten notiert der Dichter: „Ich las [...] rein Philologisches, die
Sprachphantasie Nährendes und Anregendes, wie Sprichwörter des Mittelalters von dem
ehrwürdigen Samuel Singer in Bern.“ 414 Doch den wohl eindeutigsten Beleg für die sich hier
erhärtende These eines intuitiven Sprachschaffens aus einer Art „Sprachgefühl“ 415 heraus,
liefert ein von Thomas Mann im Rahmen seiner „Lotte“-Arbeiten hinzugezogener Aufsatz mit
dem Titel „Goethe als Wortschöpfer“ 416 . Die linguistischen Termini 417 , mit denen dieser
Aufsatz operiert, aber auch erzähltheoretisch Verwertbares, wie z.B. der Satz „oft setzt er
[Goethe] ein deutsches Wort absichtlich für ein fremdes“, werden von Thomas Mann gänzlich
ignoriert. Seinen Lektürespuren zufolge waren es ausschließlich die ungewöhnlichen
408
Harras, S. 161.
Ludwig, S. 222; vgl. weiter Wiegand, Herbert Ernst: Kleine Schriften, Bd. 1. Berlin 2000, S. 680, über die
„Aspekte lexikographischer Normativität“; Henne, Helmut: Lexikographie, in: Lexikon der Germanistischen
Linguistik, hrsg. von Peter Althaus (u.a.). Tübingen 1973, S. 591, handelt über die „Zwecke von
Wörterbüchern“.
410
DüD III, S. 401.
411
DüD III, S. 391: So bezeichnet in den Briefen an Hermann Kesten (23.05.1951) und Ludwig Muth
(27.05.1991).
412
DüD III, S. 403.
413
DüD III, S. 418.
414
Entst., S. 287.
415
DüD III, S. 417.
416
Materialien zur „Lotte in Weimar“, unveröffentlicht (TMA, Mat. 5,33); vgl. Frizen, Werner: Kommentar zu
Thomas Manns Roman Lotte in Weimar (=Große kommentierte Frankfurter Ausgabe, Bd. 9,2). Frankfurt a.M.
2003, S. 823f.
417
Zusammensetzungen, Fremdwörter, Wortklassen, Morphologie, neugebildet, Wortschöpfung, etc.
409
62
Wortformen (Farsarellen, Jbilitäten, infantisieren) mit ihren unbekannten Bedeutungen, die
ihn interessierten und von denen er sich anregen ließ.
Eine theoretische Anleitung zur „Wortbildung“ brauchte er also nicht, was die Notizen zum
„Erwählten“ nur bestätigen können. Zwar finden sich die Entwicklungsstufen einzelner
Elemente teilweise akribisch dokumentiert (fôrest Æ Fôrest Æ Forest), aber linguistische
Termini wie Lehnwort, Ableitung oder Neubildung sucht man vergebens. Neben unkommentierten Wortbildungsfolgen finden sich vereinzelt etymologische Entwicklungslinien –
„Belrapeire (bel repaire) = schöne Aussicht“ 418 – nachvollzogen, die aber, im Gegensatz
zum „Faustus“ 419 , in den fertigen Romantext kaum 420 eingebracht werden. Weder im Rahmen
der „Erwählten“-Arbeiten noch im Dunstkreis der vorangegangenen Sprachwerke („Lotte“,
„Faustus“) sind aus der Feder des Dichters brauchbare Beschreibungsmuster der von ihm
geschaffenen Literatursprache entstanden. „Umdichtung“ 421 , „Wortbildung“ oder „Ad hoc“ –
das sind die Kategorien, in denen Thomas Mann sein Sprachschaffen sah und dachte.
Da Thomas Mann selbst allenfalls mit terminologischen Ansätzen dienen kann, die kaum
ausreichen, die Sprache des „Erwählten“ linguistisch greifbar zu machen, wird sich die in
diesem Kapitel auszuarbeitende Nomenklatur der ‚(Fremd-)Wort(-bildung)’ an den
Ergebnissen der um den Dichter und sein Werk entstandenen Forschung orientieren müssen.
Werner Frizen gibt in seinem Aufsatz einen recht aktuellen Überblick der zurückliegenden
Erforschung von „Thomas Manns Sprache“ 422 und somit über die Möglichkeiten einer
wissenschaftlichen Annäherung an selbige. Als tonangebend konnten sich die bereits
genannten Arbeiten von Mater und Werner Betz erweisen, die sich den Bereichen
‚Wortbildung’ und ‚Fremdwort’ zuwenden. Ihre Ergebnisse werden an entsprechender Stelle
aufgegriffen und in die Diskussion einfließen. Bei terminologischen Unschärfen oder
Widersprüchen wird die einschlägige linguistische Fachliteratur hinzugezogen.
Der Mehrdimensionalität der Mann’schen Spracharbeit entsprechend müssen eine Vielzahl
von Fragen 423 an das zunächst als fremd eingestufte Element herangetragen werden.
Angefangen auf unterster, ganz elementarer Ebene wird eingangs geprüft werden müssen, ob
es sich um ein existentes Wort handelt, das in irgendeinem mittel- oder westeuropäischen
Wortschatz nachweisbar ist. Wenn dies so ist, wird seine Sprach(-stand)zugehörigkeit
ermittelt und weiter ausdifferenziert, wobei die Lehnwörter ihrer Ausgangssprache
zugeordnet und die Eigennamen naturgemäß eine Sonderstellung einnehmen werden. Handelt
es sich stattdessen um ein nichtexistentes Element, „ein Ad hoc“ 424 , wie Thomas Mann es
nennt, wird in Anlehnung an die Prinzipien der Wortbildung entschieden werden müssen, ob
es sich um eine Weiterbildung eines (in Quellen und/oder Sprachkompetenz Thomas Manns)
418
Not. DE, Bl. 13/46; ähnlich: Klamidê, Ulterlec, Bealzenan, Schafillor.
DrF, S. 142: „femina [...], was teils von fides, teils von minus, von minderem Glauben kam“; DrF, S. 340:
„»Geh, Kaschperl, sei stat!« [...] (das im Dialekt stehengebliebene »stâti«, im Mittelhochdeutschen »staete«,
dann »stet«, das ist: »ruhig« und »unbeweglich«)“.
420
DE, S. 68: „Abt [...] Vater; und so ist es [...] ja auch nach dem Sinn der Sprache“.
421
Entst., S. 291.
422
Frizen 2001, S. 854-874.
423
Die Analyseschritte sind hier in Chronologie der Erkenntnis schematisiert dargestellt, wohl wissend, dass die
Praxis eine andere ist.
424
DüD III, S. 401; Weiss 1964, S. 29, spricht in Anlehnung an Mater von Wörtern, die „ad hoc gebildet
werden, um Konstellationen (motivisch-thematische Komplexe), die sich im Zusammenhang des besonderen
Textes bzw. Werkes ergeben haben, zu fixieren und so in den Griff zu bekommen“. „Nicht selten verdankt sich
die Neubildung dem Kontext, wird ad hoc aus den vorhandenen Elementen kombiniert und oft wieder
fallengelassen“, so Frizen 2001, S. 864.
419
63
bereits bestehenden Wortes oder gar um eine Neuschöpfung handelt. Doch sei vorab
einschränkend angemerkt, dass es angesichts der zu erwartenden Sprach- und Formenvielfalt
nicht immer möglich sein wird, für wirklich jedes fremdartige oder -sprachige Wort eine
eigene Typologie zu finden. Stattdessen wird dem in diesem Kapitel auszuarbeitenden Modell
der ‚(Fremd-)Wort(-bildung)’, dessen Ausbildung weitgehend in Orientierung an der
qualitativen Stichprobe (Kap. 2.2.5) vorgenommen wird, ein gewisses Quantum an
Flexibilität abverlangt werden müssen.
4.3.2 Das Deutsche
Wenn nun das analytische Zwischenergebnis 1. für ein real existentes und 2. für ein Element
speziell deutscher Sprachzugehörigkeit spricht, erfolgt innerhalb des deutschen Wortschatzes
eine Binnendifferenzierung, die vornehmlich mit den sprachperiodischen Termini ‚mhd.’,
‚fnhd.’, ‚veraltet’ und ‚veraltend’ operieren wird. Da die Terminologie der im Rahmen dieser
Klassifikation herangezogenen deutschen Wörterbücher teilweise weit voneinander abweicht,
ist eine vereinheitlichende Diskussion an dieser Stelle kaum zu vermeiden:
‚Veraltend’ ist ein in der modernen Lexikographie relativ verbreiteter Begriff. Es handelt sich
hierbei um aus dem aktiven Sprachgebrauch zurückweichende, gewissermaßen nicht mehr
produktive und zumeist nur noch in überkommenen, recht statischen Redewendungen und
Floskeln vorkommende Wörter (aus dem Stegreif, Zeter und Mordio, Lug und Trug, in
Bälde). Der Begriff ‚veraltet’ greift noch weiter in die Vergangenheit zurück und bezieht sich
auf Wörter, die aus dem mündlichen wie schriftlichen Sprachgebrauch ausgeschieden sind,
sich aber noch im kulturellen Gedächtnis einer Sprachgemeinschaft befinden. In beiden Fällen
handelt es sich um Begriffe, die einen laufenden Prozess der Ausmusterung einzelner
Elemente aus einem zu einem bestimmten Zeitpunkt als fix angenommenen Wortbestand
beschreiben. Erst in Relation zu diesem erhalten sie eine gewisse Trennschärfe.
Dem gegenüber stehen eine Reihe sprachhistorisch abgeschlossener und lexikographisch voll
anerkannter Sprachstufen wie beispielsweise das Althochdeutsche, das Mittelhochdeutsche
oder das Frühneuhochdeutsche. 425 Diese Sprachstufen sind – wie Kunstepochen oder
allgemeinhistorische Zeitalter – Konstrukte, definiert von der Nachwelt, was mitunter daran
zu erkennen ist, dass derartige Epochenbegriffe immer erst Jahrhunderte nach ihrem
eigentlichen Ende zum ersten Mal im allgemeinen Sprachgebrauch auftauchen. Hierbei sind
die Kriterien der Periodisierung nicht ausschließlich struktureller, sondern eben auch
pragmatischer Natur. 426 Oder mit Götze etwas pathetischer ausgedrückt:
„Die sachliche schwierigkeit erwächst hier im grunde aus dem kern von willkür,
der in jeder periodisierung unserer sprachgeschichte enthalten ist. Von gründen
äusserer notwendigkeit vorgeschrieben [...], kann dieser schnitt wissenschaftlich
nie einwandfrei geführt werden, er wird und muss einmal auch ins leben
schneiden.“ 427
425
Schlaefer, Michael: Lexikologie und Lexikographie. Eine Einführung am Beispiel deutscher Wörterbücher
(=Grundlagen der Germanistik, Bd. 40). Berlin 2002, S. 116ff., spricht von den drei Hauptperioden des älteren
Deutsch.
426
Gardt, Andreas: Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom Mittelalter bis ins 20.
Jahrhundert. Berlin, New York 1999, S. 224.
427
Götze, Alfred: Frühneuhochdeutsches Glossar. Berlin 1971, S. XII.
64
Kein mittelalterlicher Mensch wusste, dass er im Mittelalter lebte und dass er möglicherweise
eine Varietät des Mittelhochdeutschen sprach. Insofern ist der Begriff ‚mhd.’ ebenso als
relativ zum heutigen Sprachstand zu sehen wie der Begriff „veraltet“, allerdings mit dem
Unterschied, dass das Mittelhochdeutsche ungleich schärfer definiert und durch einen
vergleichsweise geschlossenen Wortschatz repräsentiert ist. Treibende Kraft bei der
Abgrenzung und Definierung einer Sprachstufe ist der Leser eines älteren Textes mit
Verständnisschwierigkeiten bei seiner Lektüre. Mit zunehmendem Zeitabstand nimmt die
Zahl der Leser mit Verständnisschwierigkeiten zu und die Nachfrage nach einer Lektürehilfe,
zunächst meist nach text(sorten)spezifischen Glossaren, steigt. Eine durch Schule und
Wissenschaft betriebene Kanonisierung des Textsortenspektrums und die durch Verengung
des Blickwinkels vorgenommene Annäherung an eine sprachliche Leitvarietät schaffen
weitere Grundvoraussetzungen für die Abgrenzung einer Sprachstufe, die letztlich in Form
eines Wörterbuches dem Leser als Übersetzungs- und Lektürehilfe an die Hand gegeben wird.
Noch 1833 – die Erschließung der deutschen Altertümer lag in den Anfängen – gab es
Wörterbücher wie das Heyses 428 , die mit Blick auf die sprachliche Vergangenheit mit dem
vereinheitlichenden Terminus ‚altdeutsch’ auskamen. Spätestens seit Mitte des 19.
Jahrhunderts, als Georg Friedrich Beneckes, Wilhelm Müllers und Friedrich Zarnckes
vierbändiges
„Mittelhochdeutsches
Wörterbuch“
erschien,
ist
der
Terminus
‚mittelhochdeutsch’ in der deutschen Sprachgeschichte etabliert. Und seit der sog. „BMZ“
und seine Nachfolgearbeiten 429 im Jahre 2002 als digitale „Mittelhochdeutsche Wörterbücher
im Verbund“ zusammengefasst wurden, ist in der lexikographischen Arrondierung des
Mittelhochdeutschen ein weiterer Großschritt getan worden.
Für die jüngere, weit besser verständliche Sprachstufe des Frühneuhochdeutschen kann dies
zwar auch, aber nicht in gleichem Maße gelten: Nur einige der neueren deutschen
Wörterbücher greifen bei der sprachperiodischen Spezifikation auf den Terminus ‚fnhd.’
zurück, dessen Wortschatz mit Oskar Reichmanns noch nicht vollendetem
„Frühneuhochdeutschem Wörterbuch“ 430 , Alfred Götzes kleinem Glossar und Christa
Baufelds ebenso „Kleinem frühneuhochdeutschen Wörterbuch“ 431 bisher noch
vergleichsweise lückenhaft arrondiert ist. Doch muss dabei bedacht werden, dass das
Frühneuhochdeutsche zum einen eine weitaus jüngere „Erfindung“ 432 als das
Mittelhochdeutsche ist, sodass dessen Bearbeitung als noch nicht abgeschlossen gelten kann.
Zum anderen stellt eine gesamtsystembezogene Lexikographie des Frühneuhochdeutschen
auch viel höhere Anforderungen an die Forschung, da sich diese Sprachstufe in ihrer Frühzeit
durch ein gänzliches Fehlen einer Leitvarietät auszeichnet, mit deren gegen Ende des 14.
Jahrhunderts einsetzender Herausbildung wiederum ein explosionsartiger Anstieg der
Schriftlichkeit, der Schreibanlässe und somit der Textsorten einhergeht. 433 Dennoch hat der
428
Heyse, Johann Christian August: Handwörterbuch der deutschen Sprache: mit Hinsicht auf Rechtschreibung, Abstammung und Bildung, Biegung und Fügung der Wörter, so wie auf deren Sinnverwandtschaft.
Magdeburg 1833.
429
Gemeint ist der bereits erwähnte „Große Lexer“, das Findebuch zum mittelhochdeutschen Wortschatz, hrsg.
von Kurt Gärtner (u.a.). Stuttgart 1992 sowie Eberhard Nellmanns Quellenverzeichnis zu den mittelhochdeutschen Wörterbüchern. Stuttgart 1997.
430
Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hrsg. von Ulrich Goebel und Oskar Reichmann, (bislang) 4 Bde. Berlin
(u.a.) 1986-1989. (im Folgenden unter der Sigle ‚FWB’)
431
Baufeld, Christa: Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch: Lexik aus Dichtung und Fachliteratur des
Frühneuhochdeutschen. Tübingen 1996.
432
Zur Periodisierung vgl. Gardt, S. 224.
433
FWB Bd. 1, S. 17.
65
Terminus ‚fnhd.’ allmählich einen festen Platz in der Nomenklatur der neueren Lexikographie
und soll neben ‚mhd.’, ‚veraltet’ und ‚veraltend’ zur Spezifikation des deutschsprachigen
Teils des sprachlich fingierten Mittelalters Thomas Manns herangezogen werden.
Baufeld plädiert in ihrer jüngst erschienenen Arbeit dafür, gegen die vorherrschende
definitorische Praxis, das Frühneuhochdeutsche für den Zeitraum von etwa 1350 bis 1650
anzusetzen, den Schnitt bereits um 1600 zu setzen, um den „literatursprachlich[en]
Eigenständigkeitswert“ des Barock gebührend abgrenzen zu können. 434 Ob nun dieser
Vorschlag in seinem Grundsatz berechtigt ist oder nicht, eines belegt er ganz deutlich: Eine
tendenziell abnehmende Trennschärfe der lexikographischen Termini ‚ahd.’ – ‚mhd.’ –
‚fnhd.’ – ‚barock’(?). So entsteht zwischen dem Terminus ‚fnhd.’, der sprachhistorisch bis
etwa 1650 angenommen werden soll, und dem Begriff ‚veraltet’, der angenommen bis 1800,
vielleicht noch etwas weiter zurückreicht, eine sprachperiodische Grauzone, deren Ursache
zum Teil, wie oben ausgeführt, in der Natur der Sache liegt, zum Teil aber auch auf einen
Mangel spezieller Wörterbücher zurückzuführen ist. „Für die jüngere neuhochdeutsche
Sprachstufe nach 1640 liegt kein eigenes Periodenwörterbuch vor“ 435 , konstatiert Michael
Schlaefer. Rolf Bergmann spricht sogar von einer „deutlich erkennbaren Lücke in der
Wörterbuchlandschaft“, die mittelfristig durch ein „historisches deutsches Wörterbuch für die
Zeit vom 17. bis 20. Jahrhundert“ geschlossen werden müsse. 436
Nun befindet sich das Deutsche aber in der privilegierten Lage, über ein derart umfassendes
Wörterbuch wie das der Brüder Grimm zu verfügen. Von der Erfassung des Wortmaterials
gesehen, zielte das „Deutsche Wörterbuch“ (bei schwankendem Konzept) von Anfang an auf
das gesamte Neuhochdeutsche (einschließlich des Frühneuhochdeutschen 437 ) und nahm unter
„starker Berücksichtigung der älteren Sprache“ teilweise „sogar Wörter mit nur
vorneuhochdeutscher Bezeugung auf[]“ 438 :
„Wir achten auf alle kräfte der sprache [...], auf alles, was in der alten sprache lebte
und heute unbekannt und ungewöhnlich ist.“ 439
J. Grimm
Es berücksichtigt darüber hinaus die Mundarten, die Umgangssprache und insbesondere die
alten Fach- und Handwerkssprachen. So ist es kein Problem, für das Gros der im Rahmen
dieser Arbeit zu untersuchenden neuhochdeutschen Elemente den Nachweis nebst
dazugehörigen Bedeutungen, Formvarianten und Textbelegen zu erbringen. Lediglich die
abstrakte sprachperiodische Klassifikation (fnhd.?, veraltet?, veraltend?) sieht dieses in
seinem Selbstverständnis als entwicklungsbezogenes und keiner Sprachstufe verpflichtetes
Belegwörterbuch nicht als seine Aufgabe 440 an, sodass eine sprachstufenbezogene
434
Baufeld, S. IX.
Schlaefer, S. 118.
436
Bergmann, Rolf: Historische Lexikographie des Neuhochdeutschen auf dem Weg ins 21. Jahrhundert, in:
Jahrbuch für Internationale Germanistik, Reihe A 54 (2000), S. 209.
437
Aber nur die späteren Ausgaben des Deutschen Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm, 33 Bde.
München: dtv 1991, gebrauchen diesen Terminus, wenn auch nur sporadisch (vgl. streitlich)! (im Folgenden
unter der Sigle ‚DWB’)
438
Dückert, Joachim (Hrsg.): Das Grimmsche Wörterbuch. Untersuchungen zur lexikographischen
Methodologie. Stuttgart 1987, S. 15.
439
Briefe der Brüder Grimm. Gesammelt von Hans Gürtler, nach dessen Tode herausgegeben und erläutert von
und Albert Leitzmann. Jena 1923, S. 75.
440
DWB Bd. 1, Sp. VII: „Was ist eines Wörterbuchs zweck? [...] Es soll ein heiligthum der sprache gründen,
ihren ganzen schatz bewahren, allen zu ihm den Eingang offen halten. Das niedergelegte Gut wächst ...“.
435
66
Betrachtungsweise vom Standpunkt der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht erwartet werden
kann. Somit muss eine den lexikographischen Verhältnismäßigkeiten angepasste, ganz
pragmatische Lösung angestrebt werden, die sich weitgehend am lexikographisch Gegebenen
orientiert, wobei den Grimmschen Belegen und Quellen eine Schlüsselrolle zufallen wird:
1. Sofern ein Wort einer schriftlichen Quelle Thomas Manns entnommen ist (womöglich
ebenfalls in dessen Notizen auftaucht), kann eben diese über dessen Sprachstufe
entscheiden. So muss das Verb wallen, obwohl es bis heute in neuhochdeutschen
Wörterbüchern zu verzeichnen ist, aufgrund seiner Quelle (Gregorius, V. 91) dem
Mittelhochdeutschen zugeordnet werden. Ferner können Interferenzen zwischen dem
Text des „Erwählten“ und den Quellen, die Thomas Mann im Rahmen seiner
„Faustus“-Arbeiten exzerpiert hat, im Zweifelsfall bei der Zuordnung den Ausschlag
geben: Das Nomen Backensteich kann auf Bobertags „Schwänke des sechzehnten
Jahrhunderts“, die Amacht auf „Luthers Briefe“ zurückgeführt und somit beide dem
Frühneuhochdeutschen zugeordnet werden.
2. Wörter ohne Quelle (oder verweisende Interferenz), sollen, um einer ungewollten
Überarchaisierung des Analyseergebnisses vorzubeugen, prinzipiell der jüngsten
Sprachperiode, in der sie nachweisbar sind, zugeordnet werden. Angenommen das o.g.
Element wallen verfügte über keinen Quellennachweis, so müsste es dem
Neuhochdeutschen zugeordnet werden.
3. Wörter ohne Quelle (oder verweisende Interferenz), die in der Leipziger 14. Auflage
der Duden-Rechtschreibung als ‚veraltet’ oder ‚veraltend’ klassifiziert werden, sollen
in dieser Zuordnung übernommen werden, da diese, wie oben ausgeführt, als
sprachlicher Maßstab angelegt werden soll. Damit ist z.B. das Wort Eidam als veraltet
einzustufen, obwohl es schon in frühneuhochdeutschen Wörterbüchern nachweisbar ist.
4. Wörter ohne Quelle (oder verweisende Interferenz), die in Grimms DWB
nachgewiesen sind und durch die Sprachstufe einer Belegstelle oder einen
sprachperiodischen Kommentar 441 eindeutig auch nach 1650 in Gebrauch waren, sollen
als ‚veraltet’ bezeichnet werden.
5. Wörter ohne Quelle (oder verweisende Interferenz), die in Grimms DWB
nachgewiesen sind und durch die Sprachstufe einer Belegstelle oder einen
sprachperiodischen Kommentar ausschließlich vor 1650 in Gebrauch waren, sollen
dem Frühneuhochdeutschen zugeordnet werden.
6. Wörter ohne Quelle (oder verweisende Interferenz), die in den frühneuhochdeutschen
Wörterbüchern verzeichnet sind, sollen nur dann als fnhd. klassifiziert werden, wenn
das Grimm’sche DWB keine späteren Belegstellen anführen kann.
7. Die Zuordnung deutscher Elemente zu Fachsprachen und Dialekten soll weitgehend in
Orientierung am DWB vorgenommen werden.
441
DWB Bd. 24, Sp. 2482: urlag: eines „der alten wörter für krieg“. Es „beginnt im 15. jh. abzusterben [...],
erlischt im 16. jh.“.
67
Lediglich die Grimmsche Nichtberücksichtigung des Niederdeutschen – „weil einem
anderen sprachlichen ‚Organismus’ angehörend“ 442 – gilt es auszugleichen. Hier
empfiehlt sich der ergänzende Griff zu Otto Mensings „Schleswig-Holsteinischem
Wörterbuch“ 443 , das den regionalen Eigenheiten des Lübecker Niederdeutsch, mit dem
Thomas Mann nachweislich aufwuchs, am ehesten entsprechen dürfte.
4.3.3 Fremd- und Lehnwörter
Wenn nun das analytische Zwischenergebnis 1. für ein real existentes und 2. für ein Element
speziell nichtdeutscher Sprachzugehörigkeit spricht, erfolgt eine Zuordnung zur jeweiligen
Fremdsprache, wobei es grundätzlich zwischen den Termini ‚Fremdwort’ und ‚Lehnwort’ zu
unterscheiden gilt.
Im alltäglichen Sprachgebrauch meint ein Fremdwort sinngemäß ein Wort, das dem Sprecher
in punkto Lautung, Schreibweise und Bedeutung „nicht recht geläufig oder gar unbekannt“ 444 ,
sprich fremd ist. Das Fremdwörterbuch der Reihe „Der kleine Duden“, das „jedermann“
helfen will, „die Fremdwörter des Alltags, wie sie heute in der Zeitung, in Rundfunk und
Fernsehen und am Arbeitsplatz auf uns zukommen“ 445 , zu verstehen, spiegelt deutlich die
begriffliche Unschärfe des allgemein vorherrschenden Fremdwortbegriffs wider. Das
Problematische an dieser Definition ist zum einen seine Undifferenziertheit – schließlich kann
Fachsprachliches oder Archaisches genauso unter diesen Fremdwortbegriff fallen wie
Fremdsprachliches – und zum zweiten seine Abhängigkeit von rein subjektiven Faktoren.
Die begriffliche Unschärfe dieses eher populären Fremdwortbegriffs ist Spiegelbild eines laut
Peter Eisenberg wissenschaftlich „schwierigen Gegenstandes“, dessen „Graphemik noch in
der Kinderschuhen steckt“, worin man „wohl den Reflex eines lange tradierten
Sprachpurismus zu sehen“ hat. 446 Nach der in der Linguistik allgemein vorherrschenden
Definition handelt es sich beim Fremdwort um ein aus einer fremden Sprache übernommenes
Wort, das dem Deutschen in Schriftbild und Lautung noch nicht angeglichen ist. Die
wesentlichen Charakteristika sind seine fremdsprachliche Herkunft und sein Mangel an
morphologischer wie lautlicher Assimilation. 447 Beim Lehnwort hingegen handelt es sich um
ein aus einer anderen Sprache übernommenes, eingebürgertes Wort – sozusagen um ein
ehemaliges Fremdwort, das sich dem Deutschen in Lautgestalt, Betonung und Flexion völlig
angepasst hat. 448 Dahinter steht zumeist ein sprachhistorischer Prozess der Assimilation und
allmählichen Einverleibung des fremden Elements in die deutsche Sprache, wie er sich
beispielsweise im äußeren Wandel des französischen bureau zum deutschen Büro
manifestiert. Ein derartiger Prozess kann z.B. in der kulturellen und/oder wirtschaftlichen
Überlegenheit der fremden Sprachgemeinschaft begründet liegen, kann Jahrhunderte
andauern und schließt zumeist einen Großteil der Sprachteilnehmer mit ein.
442
Dückert, S. 44.
Mensing, Otto: Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch, 5 Bde. Neumünster 1927-1935.
444
Der kleine Duden. Fremdwörterbuch. Ein Nachschlagewerk für den täglichen Gebrauch. Mannheim 1991,
Vorwort (ohne Seitenangabe!). (im Folgenden unter der Sigle ‚Kl. Duden’)
445
Ebd., Klappentext.
446
Eisenberg, Peter: Grundriß der deutschen Grammatik, Bd. 1: Das Wort. Stuttgart 1998, S. 334f.
447
Stellvertretend für weitere sei hier Lewandowski, Theodor: Linguistisches Wörterbuch, 3 Bde. Heidelberg
1990, Bd. 1, S. 322, angeführt.
448
Ebd. Bd. 2, S. 648.
443
68
Das (mit Blick auf die Wortanalyse) Problematische an vorliegenden Definitionen ist, dass
eine Zugehörigkeit zum deutschen Wortschatz in beiden Fällen als bereits vorhanden
angenommen wird. Nur kann dies nach der Stichprobe in Kapitel 2.5 für einen Großteil der
von Thomas Mann integrierten „Fremdwörter“ (peccavi, maistre de corteisie etc.) nicht
gelten, sodass diese Termini in vorliegender Abgrenzung einen Teil des Untersuchungsgegenstandes nicht erfassen könnten.
Der Koreaner Kaung-Eun Choi, der sich in seiner Dissertation sehr intensiv mit dem
Fremdwortgebrauch im Werk Thomas Manns auseinandersetzt, nennt nach längerem
Definitionsversuch folgende vier Kriterien, nach denen ein Fremdwort bestimmt werden
kann:
„Fremdwörter sind ...
1. Wörter, die fremdsprachliche Merkmale (orthografische, phonologisch-phonetische,
grammatisch-morphematische, semantisch-lexikalische) auf-weisen, Erbwörter
ausgenommen,
2. Teil- (Mischbildungen) und Scheinentlehnungen,
3. Wörter, die nach fremdsprachlichem Wissen, ihrer Ungeläufigkeit, ihrem
Entlehnungsalter und ihrer Vertrautheit dem Sprachteilhaber fremd sind, falls sie in
der Grauzone zwischen Fremdwort und Lehnwort stehen,
4. Fremdsprachliche Wörter.“ 449
Ein derart weit gefasster Fremdwortbegriff, der es Choi ermöglicht, seine These von einer
ausgesprochenen Affinität Thomas Manns zu einem ausgiebigen Fremdwortgebrauch selbst
mit Wörtern wie alkoholfrei oder abkutschieren 450 zu untermauern, würde den Rahmen
vorliegender Arbeit sprengen. Eines wird jedoch deutlich: Die Untersuchung der Mann’schen
Literatursprache erfordert zunächst eine Erweiterung des vorliegenden Fremdwortbegriffs, die
in Anlehnung an den vierten Punkt der Choi’schen Definition („fremdsprachliche Wörter“)
vorgenommen sei. Die fremdsprachlichen Wörter sollen – da, wo es nötig erscheint – in den
einschlägigen fremdsprachlichen Wörterbüchern belegt werden. Mit Blick auf das
Sprachprofil (Kap. 3.1) Thomas Manns wird eine sprachperiodische Ausdifferenzierung (wie
im Deutschen) innerhalb der einzelnen Fremdsprachen weitgehend unnötig sein. Lediglich zur
lexikologischen Abgrenzung des Altfranzösischen, das Thomas Mann vornehmlich
Auerbachs „Mimesis“ und Samuel Singers Briefen entnahm (Kap. 4.2), wird das Wörterbuch
von Tobler und Lommatzsch 451 herangezogen.
Die vorzunehmende Analyse der Mann’schen Literatursprache benötigt ein praktikables
Modell, das sich der Errungenschaften der Linguistik bedienen, diese aber wohlgemerkt nicht
zum Gegenstand der Diskussion machen will. Bei der Abgrenzung des Begriffs ‚Fremdwort’
stellt sich naturgemäß die Frage, welchen praktischen Wert deutsche Fremdwörterbücher für
die folgende Untersuchung haben. Zunächst ist festzustellen, dass auch die größeren
deutschen Fremdwörterbücher, mit einem sehr weit gefassten, relativ unscharfen
Fremdwortbegriff operieren, sodass sie nach o.g. Definitionen undifferenziert Fremd- wie
449
Choi, S. 25.
Ebd., S. 166f.
451
Tobler, Adolf: Altfranzösisches Wörterbuch, 10 Bde., hrsg. von Erhard Lommatzsch. Wiesbaden 1925.
450
69
Lehnwörter aufnehmen. 452 Damit erhärtet sich der Verdacht, dass eine strikte Trennung der
in den deutschen Wortschatz eingegangenen Fremd- und Lehnwörter von nur „fragwürdigem
Erfolg“ 453 gekrönt sein kann. Dennoch scheint die Orientierung am lexikographisch
Gegebenen, sprich an Wörterbüchern, unabdingbar für diese Untersuchung, da nur so im
Einzelfall belegbar ist, ob es sich um ein bereits existierendes Element oder um eine
Wortkreation Thomas Manns handelt.
Die Lösung liegt in einer Erweiterung des Lehnwortbegriffs unter Verengung des bisherigen
Fremdwortbegriffes, die in Anlehnung an Betz’ grundlegenden Aufsatz über „Lehnwörter und
Lehnprägungen im Vor- und Frühdeutschen“ legitimiert wird. Hiernach kann das in den
deutschen Wortschatz eingegangene, aber noch nicht angepasste Fremdwort zusammen mit
dem assimilierten Fremdwort (dem Lehnwort im engeren Sinne), unter dem (gleichnamigen)
Oberbegriff ‚Lehnwort’ (im weiteren Sinne) gefasst werden kann. 454
455
Zwischen diesem nun recht eng gefassten Fremdwortbegriff und dem „einheimischen“,
deutschen Wort ist ein sehr weites Feld entstanden, das vom Begriff des ‚Lehnwortes’
umfasst werden muss. Dabei sei eingangs vermerkt, dass es aufgrund des
sprachgeschichtlichen Zwischenstellungscharakters kein wissenschaftlich ernstzunehmendes
Lehnwörterbuch geben kann. In der neueren Lexikographie werden Lehnwörter als Teil des
deutschen Wortschatzes dargestellt. Die verwendete 14. Auflage der Duden-Rechtschreibung
aus dem Jahre 1951 kennzeichnet die jüngeren Lehnwörter durch ein Kürzel der
Ursprungssprache (lat., engl. etc.). Sofern es sich bei zu untersuchenden Elementen eindeutig
um eine Alternativentscheidung Thomas Manns gegen das deutsche (Gerücht) und für das
452
Beispiele für Lehnwörter im Deutschen Fremdwörterbuch von Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler,
weitergeführt im Institut für deutsche Sprache, 7 Bde. Straßburg, Berlin, New York 1913-1988, Bd. 1:
humoristisch (S. 275), Idealist (S. 279), Inseriosität (S. 291), Mietkaserne (S. 337). (im Folgenden unter der
Sigle ‚Basler/Schulz’)
453
Duden, Bd. 4: Die Grammatik, S. 584; vgl. weiter Polenz, Peter von: Fremdwort und Lehnwort
sprachwissenschaftlich betrachtet, in: Muttersprache 77 (1967), S. 65-80.
454
Betz, Werner: Lehnwörter und Lehnprägungen im Vor- und Frühdeutschen, in: Friedrich Maurer und Heinz
Rupp (Hrsg.): Deutsche Wortgeschichte Bd. 1. Berlin/New York 1974, S. 137.
455
Lexikon der Sprachwissenschaft, hrsg. von Hadumod Bußmann. Stuttgart 2002, S. 194; ähnlich im
Handbuch der Linguistik: allgemeine und angewandte Sprachwissenschaft, hrsg. von Harro Stammerjohann.
München 1975, S. 251.
70
Lehnwort (Fama) handelt, sollen jene, obwohl nach Duden dem heimischen Wortbestand
zuzurechnen, in die Wortanalyse mit einfließen und im Rahmen der Auswertung ihrer
Ursprungssprache zugeordnet werden.
Die ältere Lexikographie steht dem Lehnwort weitaus ablehnender gegenüber. Der
sprachpuristische Ton, wie er im Vorwort älterer Wörterbücher häufig zu spüren ist, muss als
Nachwehe der frühneuzeitlichen Emanzipation des Deutschen gegen andere europäische
Nationalsprachen verstanden werden. Dementsprechend sind ins Grimm’sche Wörterbuch nur
die sehr stark assimilierten Lehnwörter aufgenommen worden, um „dem maszlosen und
unberechtigten vordrang des fremden widerstand zu leisten“ 456 , so Jacob Grimm. Die Form
Crucifix beispielsweise sucht man hier vergeblich. Hier wird vor allem auf das diachronisch
orientierte Fremdwörterbuch von Schulz und Basler, ferner auf Heyses Fremdwörterbuch
zurückzugreifen sein.
Noch weiter zurückliegende Interferenzen zwischen den einzelnen Sprachen sind zwar in aller
Regel in den mittelhochdeutschen Wörterbüchern gekennzeichnet, allerdings muss hier die
Frage gestellt werden, inwiefern diese Informationen im Rahmen der vorliegenden
Untersuchung zum Tragen kommen können. Ausgehend von einem neuhochdeutschen Text
scheint es durchaus bedeutsam, ob nun ein originär französisches Lehnwort oder eine
Neubildung Thomas Manns vorliegt. Indes scheint eher zweitrangig, ob ein
mittelhochdeutsches Element altfranzösische Wurzeln hat, die sich naturgemäß noch weiter
bis zum Lateinischen zurückverfolgen ließen. Es geht hier nicht um Etymologie, sondern
darum, den sprach- und wortbildnerischen Aktionsradius Thomas Manns abzuschreiten und in
sich differenziert darzustellen.
Die Vergabe der Prädikate ‚Fremdwort’ und ‚Lehnwort’ erfolgt somit nach folgenden
Kriterien:
1. Ein Fremdwort liegt vor, wenn es im Wörterbuch einer fremden Sprache nachweisbar
ist.
2. Ein Lehnwort liegt vor, wenn es in einschlägigen deutschen (Fremd-/)Wörterbüchern
als (genuin) nichtdeutsches Wort nachweisbar ist.
4.3.4 Wortbildung
Wortbildung sei mit Johannes Erben definiert als „derjenige Teil der Grammatik, der die [...]
Bildung neuer Wörter unter wissenschaftlichen oder praktischen Gesichtspunkten
darstellt“ 457 . Im Gegensatz zu den oben behandelten Termini ‚Fremdwort’ oder ‚Lehnwort’,
bezieht sich die Wortbildung nicht allein auf sprachhistorische Prozesse, sondern bezieht
„subjektive Ausdrucksnotwendigkeiten“ so zum Beispiel „aus stilistischen Gründen in
poetischen Texten“ mit ein. 458
Thomas Manns Anpassung des englischen poor people’s stuff an die neuhochdeutsche
Orthografie puhr Pipels Stoff 459 ahmen exakt den oben skizzierten Prozess der Assimilation
456
DWB Bd. 1, S. XXVII.
Erben, Johannes: Einführung in die deutsche Wortbildungslehre (=Grundlagen der Germanistik, Bd. 17).
Berlin 1983, S. 15.
458
Ebd., S. 18.
459
DE, S. 75.
457
71
eines Fremdworts an und allmählichen Einverleibung in die deutsche Sprache nach. Thomas
Mann hat das Lautbild des englischen Wortkomplexes mit dem im Deutschen dazu zur
Verfügung stehenden Inventar an Zeichen nachgebildet und zudem an die neuhochdeutsche
Konvention der Großschreibung angepasst, sodass das neue Element de facto der Definition
des Lehnworts entspricht. Kann deswegen aber von einem Lehnwort gesprochen werden, von
einem Lehnwort, das es zuvor nicht gab?
Um die poetisch motivierte Spracharbeit Thomas Manns von historischen Sprachprozessen
deutlich unterscheiden zu können, wird sich die vorliegende Arbeit auch hier am
lexikographisch Gegebenen orientieren. Sofern das im Romantext fokussierte Element in
keinem Wörterbuch nachweisbar ist, soll von einer Neubildung (oder -schöpfung)
ausgegangen werden, dessen Qualität nur durch Nachvollzug des Wortbildungsprozesses
bestimmt werden kann, wozu in der Regel auf Quellen und Notizen Thomas Manns
zurückgegriffen werden muss:
1. Auswahl
turnei ze schimpfe
(Quelle: Dieffenbacher, S. 131)
2. Umbildung (Großschreibung)
Turnei ze schimpfe
(Notizen, Bl. -/15)
3. Neubildung (Komposition)
Schimpfturneie
(Romantext, S. 136)
In Anlehnung an einschlägige Wortbildungsmodelle kann auf erster Ebene zwischen fünf
grundlegenden Prinzipien der Wortbildung 460 unterschieden werden: 1. Substitution, 2.
Tilgung, 3. Addition, 4. Konversion, 5. Permutation.
Die Substitution ist definiert als Ersetzen eines Elements durch ein anderes, womit also auf
zweiter Ebene zwischen dem Ersetzen a. eines Wortteils und b. eines ganzen Wortes
unterschieden werden muss. Auch bei der Tilgung, der ersatzlosen Streichung eines Elements,
kann auf zweiter Ebene zwischen dem Wegfall a. eines Wortteils und b. eines Wortes
unterschieden werden. Die Tilgung und Streichung im erweiterten Sinne auch auf ganze
Wörter zu beziehen, ist nötig, um beispielsweise Veränderungen an Namenskomplexen oder
mehrgliedrigen Verbgefügen terminologisch erfassen zu können.
Hinter dem Wortbildungsprinzip der Addition steht auf zweiter Ebene a. die Komposition
zweier oder mehrerer Simplizia und b. die Ableitung bzw. Derivation durch Affigierung 461 .
Die Affigierung ist definiert als Anfügung eines Prä- und/oder Suffixes, an ein selbstständiges
Simplizium (oder Kompositum), woraus auf dritter Ebene drei Derivationsmöglichkeiten
erwachsen: Derivation 1. durch Präfigierung, 2. durch Suffigierung, 3. als Mischtyp. Unter
einem Kompositum ist ein Wort zu verstehen, das ohne zusätzliche Ableitungsmittel (Affixe)
aus zwei (oder mehreren) selbstständig vorkommenden Wörtern gebildet worden ist.
Auf dritter Ebene lassen sich von der Komposition im engeren Sinne verschiedene
Bindestrichverbindungen unterscheiden, wobei im Falle eines Determinativzusammenhangs
von einem Bindestrich-Kompositum, ansonsten von einer Bindestrich-Koppelung (bzw.
460
Für die folgende Darstellung siehe Duden Bd. 4: Die Grammatik, S. 399-434; Fleischer, Wolfgang/Barz,
Irmhild: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen 1995; Polenz, Peter von: Synpleremik I:
Wortbildung, in: Lexikographie, in: Lexikon der Germanistischen Linguistik, hrsg. von Peter Althaus (u.a.).
Tübingen 1973, S. 145-163.
461
Lewandowski, Bd. 1, S. 13: Da sich Präfigierung und Suffigierung als analoge Prozesse auffassen lassen,
kann Ableitung als Wortbildung durch Affigierung definiert werden.
72
einem Kopulativkompositum mit Bindestrich) gesprochen werden muss. Des Weiteren
können auch die Reduplikation (lieb-liebste) und die Kontamination, die Verschmelzung
zweier mehrgliedriger Wörter (unter gleichzeitigem Wegfall einzelner Elemente), unter dem
Oberbegriff der Addition gefasst werden, da auch hier zweifelsohne eine „Ausdruckserweiterung“ 462 vorliegt.
Die Konversion bezeichnet den Vorgang des Wortartwechsels. Weiter zu unterscheiden sind
die Konversion a. im engeren Sinne, b. im weiteren Sinne: Die Konversion i.e.S. liegt vor,
wenn der Wortartwechsel „ohne jeden Zusatz“ 463 erfolgt (disport Æ Disport). Die
Konversion i.w.S. liegt hingegen vor, wenn es sich beim Wortartwechsel um eine
Verbalisierung von Substantiven oder Adjektiven handelt und im konkreten Fall eine
Infinitiv-Endung (-n, -en, -t etc.) angehängt wird, die nicht als reguläres Suffix angesehen
werden kann. 464
Die Permutation bezeichnet die wortinterne Umstellung zweier (oder mehrerer) Simplizia
innerhalb eines Kompositums, wodurch im Regelfall (d.h. wenn ein Determinativzusammenhang vorliegt) eine semantische Ausdruckserweiterung oder -veränderung erfolgt.
Während sich im Rahmen der qualitativen Stichprobe (Kap. 2.2.4) die Bildung von
beispielsweise Reduplikationen bereits abzeichnete, ist schwer zu sagen, ob die folgende
Untersuchung so exzeptionelle Bildungen wie Kontaminationen und Permutationen ans Licht
bringen wird.
Gleiches gilt für die außerhalb des hier skizzierten Worbildungsmodells liegende
Neuschöpfung. Formt der Dichter ein neues Wort, ohne dabei auf irgendeine Art von
vorgeprägtem Material zurückzugreifen, wird dies als Neuschöpfung, greift er dabei auf
bereits vorhandenes Sprachmaterial zurück, wird dies als Neubildung bezeichnet. 465 Auch
„ohne dass seine Wortschöpfungen ins Volk gedrungen wären wie die Luthers oder Goethes,
umfaßt Thomas Manns Lexikon eine Fülle von Neologismen, die ihre Entstehung weniger
dem unmittelbaren sprachschöpferischen Einfall als der Kontamination verdanken“ 466 . Frizen
ist einer der letzten Autoren in einer Kette, die helfen, den Topos von der Neuschöpfungsarmut Thomas Manns unter gleichzeitiger Betonung seiner Meisterschaft bei der Integration
fremder und umgebildeter Wörter weiterzugeben. 467 Interessanterweise ist – aus welchen
Gründen auch immer – nicht eine dieser wertvoll-raren Neuschöpfungen Thomas Manns als
Beispiel angeführt. So müssen zwangsläufig Zweifel aufkommen, ob Thomas Mann
überhaupt „wirkliche Neuschöpfungen“ 468 getätigt hat. Ob die Position ‚Neuschöpfung’ im
gebildeten Modell mehr als nur eine theoretische Größe bleibt, wird sich im Verlauf der
Untersuchung klären. Wohlgemerkt wird „Der Erwählte“ zur Beantwortung dieser Frage
kaum stellvertretend für das Gesamtwerk Thomas Manns herangezogen werden können, da er
sprachlich als eine Art unwiederholbarer „Sonderfall“ 469 gesehen werden muss.
462
Duden Bd. 4: Die Grammatik, S. 409.
Polenz, S. 146 .
464
Duden Bd. 4: Die Grammatik, S. 419f.; Polenz, S. 146.
465
Stellvertretend für weitere sei hier Fleischer/Barz, S. 5, angeführt.
466
Frizen 2001, S. 864.
467
Hilscher 1983, S. 250; Mater, S. 141.
468
Hilscher 1983, S. 250; Mater 142.
469
DüD III, S. 391: So bezeichnet in den Briefen an Hermann Kesten (23.05.1951) und Ludwig Muth
(27.05.1951).
463
73
4.3.5 Eigennamen
Die Ausarbeitung des eingangs zum Desiderat erhobenen Modells der ‚(Fremd-)Wort(bildung)’ hat sich bislang auf der Metaebene wie in der Binnendifferenzierung ausschließlich
an der Sprach(stand)zugehörigkeit des einzelnen Elements orientiert. Alles, was sich nicht in
einschlägigen Lexika nachweisen lässt, wird bislang dem voranstehend behandelten
wortbildnerischen Schaffen Thomas Manns zugeschrieben. Eine „Wortart“, die sich dieser
Kategorisierung weitgehend entzieht, ist der Eigename, der sich nur bedingt einer bestimmten
Sprache zuordnen lässt. Natürlich können gebräuchlichere Namen in verschiedenen LautZeichen-Systemen ihre eigene Entsprechung haben: Ioannis – Giovanni – Jan – John – Ion.
Doch ist es andererseits gerechtfertigt, bei dem Namen Maria oder Sibylla von einem aus dem
Lateinischen oder Griechischen stammenden „Fremdwort-Eigennamen“ zu sprechen?
Eigennamen/Propria bilden zusammen mit den Stoffnamen/Konkreta und den
Gattungsnamen/Astrakta die Gruppe der Substantive. Der zentrale Unterschied zwischen
Namen und anderen Substantivklassen besteht darin, dass letztgenannte eine begriffliche
Information zum bezeichneten Objekt geben. Namen hingegen sind diesbezüglich weit
weniger vorgeprägt. Ihre primäre Funktion liegt in der Identifikation eines „bestimmten,
einmaligen“ 470 Objekts – nach Duden 471 primär Personen und Orte –, wobei Name und
der/die/das zu Identifizierende wohlgemerkt nicht als untrennbare Einheit betrachtet werden
dürfen. Dies findet sich in der allgemein vorherrschenden orthografischen Varianz bestimmter
Eigennamen (Maier, Mayer, Meier, Meyer) angedeutet, kommt aber schließlich in der
Arbitrarität bzw. Austauschbarkeit der Namen und Identitäten voll zum Ausdruck: Thomas
Mann musste sich entscheiden, ob der Name Eckesachs oder Werimbald den Hund oder das
Schwert identifizieren solle.
Letztlich seien es die „uneinheitlichen Auswahlkriterien“ 472 , so Debus, die dem Eigennamen
eine linguistische Sonderstellung zuweisen, womit er als keinem bestimmten Wortschatz
zugehörig gelten muss, sondern diesem in der Regel gegenübergestellt wird. 473 Aus diesem
Grunde werden Namen in aller Regel nicht in die Wörterbücher aufgenommen, ihre
Verzeichnung stellt eher die Ausnahme dar. Dennoch hat die Leipziger 14. Auflage der
Duden-Rechtschreibung die bekanntesten bzw. geläufigsten Namen in ihren Wortschatz
aufgenommen. So soll auch hier der Duden-Wortschatz zum Prüfstein gemacht werden, um
darüber zu entscheiden, welche Namen in den Kreis der zu untersuchenden Sprachelemente
aufgenommen werden sollen und welche nicht.
In der linguistischen Sonderstellung des Eigennamens fand Thomas Mann – laut Ingeborg
Bachmann „der letzte große Namenerfinder“ 474 – bildlich gesprochen, eine angelehnte Tür,
die er poetisch noch weiter aufzustoßen vermochte. „Ich brauche Namen!“ 475 , schrieb
Thomas Mann an Ernst Bertram am 29. Juni 1918, also lange Zeit bevor „Der Erwählte“ auch
nur angedacht war. Allein dieser Ausruf lässt erahnen, welch riesige
Gestaltungsmöglichkeiten die Namengebung einem Dichter generell bietet. „In seiner
470
Duden Bd. 4: Die Grammatik, S. 193.
Ebd., S. 562f.
472
Debus, Friedhelm: Vom Zauber literarischer Namen: Intentionen – Funktionen – Wirkungen, in: Beiträge
zur Namenforschung 36 (2002), 1, S. 2.
473
Lewandowski Bd. 1, S. 244.
474
Bachmann, Ingeborg: Essays, Reden, Vermischte Schriften, Anhang (=Werke, Bd. 4). München 1978, S.
247.
475
DüD II, S. 8.
471
74
Schlüsselstellung unter den Worten bietet der Name in exemplarischer Weise Zugang zu des
Dichters wortschöp-ferischem Prinzip“ 476 , so Rümmele. Wenn also irgendwo die sprachliche
„Vermittelalterung“ des „Erwählten“ zum Ausdruck kommen muss, dann hier, wo die
Möglichkeiten von Auswahl und Um- bzw. Neubildung ungleich größer waren als
beispielsweise bei einem Substantiv. Die Thomas-Mann-Forschung 477 weiß einige Beispiele
anzuführen, welche belegen, wie „tollkühn“ Thomas Mann diesen Freiraum im „Erwählten“
zu nutzen verstand: So wird „Parzivals“ Jungfer Obilot durch Thomas Mann kurzerhand in
einen Ritter verwandelt, der Britenmissionar Sankt Dunstan muss seinen Namen für eine
fiktive Insel hergeben und Mahaute, „Parzivals“ stolze Fürstin, wird bei Thomas Mann zur
keifenden Fischersfrau herabgewürdigt.
Im Rahmen der literarischen Fiktion ist nach Friedhelm Debus grundsätzlich zu unterscheiden
zwischen fiktiven und fiktionalisierten Namen. 478 Bei den fiktionalisierten Namen handelt es
sich um solche, die außerhalb der entsprechenden literarischen Fiktion eine Referenz
aufweisen können. Thomas Mann hat diesbezüglich von der Technik der „Einschwärzung
lebender, schlechthin bei Namen genannter Personen unter die Figuren des Romans“
gesprochen, „von denen sie sich nun an Realität oder Irrealität nicht mehr unterscheiden“479 ,
und die somit gleichermaßen die poetische Namenswirklichkeit konstituieren. Diese Referenz
muss aber nicht zwangsläufig im real(historisch)en, sie kann – wie oben gesehen – ebenso gut
im literarischen (mythischen, biblischen, legendären) Raum anderer Werke liegen. Von den in
das literarische Werk von außen integrierten, neu verkörperten Namen unterscheidet Debus
die speziell für das konkrete Werk vom Dichter erfundenen, die fiktiven Namen. Nicht selten
handelt es sich dabei um offensichtlich bis „raffiniert-versteckt“ 480 sprechende Namen. Aus
früheren Werken Thomas Manns ist eine Vielzahl solcher neu gebildeter Namen – Sesimi
Weichbrodt („Buddenbrooks“), Pieter Peeperkorn („Zauberberg“), das Sanatorium Einfried
(„Tristan. Novelle“) – bekannt und man ist geneigt, auch so manchen Namen aus dem
„Erwählten“ (Schiolarß von Ipotente) hier einzureihen.
Während beim Akt der elterlichen Namensvergabe die Funktion der Identifikation dominiert,
hat der Dichter, da er den Charakter der im Geiste bereits entworfenen Figur schon kennt, die
Möglichkeit, den zu vergebenden Namen verstärkt auch zu Charakterisierung seiner Figur
heranzuziehen, denn, so Debus, „Eigennamen sprechen fast immer, nur ist ihr semantischer
Ursprung oft verschüttet durch die Zeit.“ 481 Diesen poetischen Spielraum kann er über die
sprechenden Namen hinaus durch sog. klassifizierende oder klangsymbolische Namen
nutzen. 482 Unter den klassifizierenden Namen sind solche zu verstehen, die „ein bestimmtes
Zeit- und Lokalkolorit aufweisen“ oder ihren Träger als einer bestimmten Gruppierung
zugehörig ausweisen. 483 Die klangsymbolischen Namen sind als onomatopoetisches
Gegenstück zu Wörtern wie Kiekerikiii oder Mähääää zu verstehen, die „mit Klängen
reden“ 484 . Als Beispiel diene Gryphius’ viel zitierter Don Horribilikribrifax.
Die aufgestellte Systematik literarischer Eigennamen darf keineswegs als dermaßen starr
aufgefasst werden, wie sie hier (aus Gründen der Übersichtlichkeit) referiert worden ist. Die
476
Rümmele, S. 21.
Wysling 1967, S. 273; Rümmele, S. 197.
478
Debus, S. 11f.
479
Entst., S. 165.
480
Debus, S. 13.
481
Debus, S. 12
482
Duden Bd. 4: Die Grammatik, S. 564.
483
Debus, S. 13.
484
Duden, S. 583.
477
75
meisten Kategorien schließen einander nicht aus, stattdessen gehen sie nicht selten Hand in
Hand. Selbst ein so stark sprechender Name wie Zeitblom („Doktor Faustus“) muss nicht
„hausgemacht“ sein, sondern kann, wie in diesem Fall, der realhistorischen Wirklichkeit 485
entnommen sein. Die im nächsten Kapitel anzustellende Wortanalyse darf also im Bereich der
Eigennamen keinesfalls eine strikte Entweder-oder-Kategorisierung anstreben, stattdessen
muss die Systematik flexibel gehandhabt werden.
4.4 Artikelaufbau
Die angestrebte Wortliste steht in einer Doppelfunktion: Zum einen sei sie Stellenkommentar
und praktische Lektürehilfe für den Leser des „Erwählten“, zum anderen diene sie als
empirische Grundlage zur Untersuchung von Quantität, Qualität und Funktion des
sprachlichen Mittelalters im „Erwählten“. Um einen schnellen, fundierten Zugriff zu
ermöglichen, erscheint es dringend ratsam, die Einträge in ihrer Darbietung auf die
wichtigsten Fakten zu beschränken und von längeren analytischen Exkursen so weit wie
möglich abzusehen. Lediglich in Ausnahmefällen (z.B. bei eklatanten Widersprüchen
innerhalb der Materialien oder zur bestehenden Forschungsliteratur) sei von diesem
Grundsatz abgewichen. Dem Charakter eines Wörterbuchs entsprechend sei trotz
differierenden Umfangs der Einträge eine einheitliche Struktur angestrebt, auf deren gesamte
Bandbreite an Positionen wahrscheinlich nur im Ausnahmefall zurückgegriffen wird. In der
Analysepraxis kann die Entwicklung des einzelnen Elements optimalerweise in dem
Dreischritt von Quelle – Notizen – Romantext nachvollzogen werden, wobei versucht werden
soll, diesen Prozess so detailliert wie möglich abzubilden. Der Abbildung dieser Chronologie
ist jedoch in der Grundkonzeption der vorliegendenden Untersuchung eine natürliche Grenze
gesetzt: Da sie sich an das Phänomen der sprachlichen Vermittelalterung nicht von Seiten der
Quellen, sondern von Seiten des Endprodukts Romantext annähert, wird die Stellenangabe
des „Erwählten“ an den Anfang des Eintrags vorgezogen. Die Maximalstruktur umfasst
folgende Angaben:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Lemma
Fundstelle im Romantext
linguistische Identifikation des Elements
Quelle
Lektürespur Thomas Manns
poetische Initiative
Übernahme in Notizen
Übersetzung/Bedeutung
Dabei sind die Positionen 1. bis 4. sowie 8. obligatorisch, sodass sich die Minimalstruktur wie
folgt lesen würde:
485
Waetzoldt, Wilhelm: Dürer und seine Zeit. 3. Aufl. Wien 1935, S. 27: „Bartholomäeus Zeitblom“ (markiert).
(TMA TM 4949)
76
Inzicht, S. 232: Auswahl des veralteten 486 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: „dessen einer geziehen, angeschuldigt wird, beschuldigung“.
1. Lemma
Am Anfang steht das dem „Erwählten“ entnommene Element. Dabei kann es sich um ein
einzelnes Wort, aber auch um einen Wortkomplex, manchmal sogar bestehend aus mehreren
Sätzen handeln. Dem Streben nach Vereinheitlichung, also der Nennung der bloßen
Grundform (Nom., Sg., Neutr., Inf. etc.) kann nur soweit nachgegeben werden, als dass die
kontextuelle Bedeutung des einzelnen Elements nicht verfälscht wird. Daraus folgt, dass Sätze
nicht auseinander gerissen, sondern als komplexe Einheiten betrachtet werden, deren erstes
Wort über den Rang in der alphabetischen Reihenfolge entscheidet. Auch kleinere Einheiten
müssen als Komplexe erhalten bleiben: Risse man beispielsweise den lateinischen
Fremdwortkomplex Arbor vitae in seine Einzelteile und übersetzte diese getrennt voneinander
(Arbor=Baum, vita=Leben), wäre dem Leser damit nur wenig weitergeholfen. Die
Zurückbildung des lat. Imperativs valete! („Gehabt euch wohl!“) auf seine Infinitivform
valere („gut gehen“) wäre ebenso unangebracht. Manchmal liegt die sprachliche Besonderheit
gerade in der außergewöhnlichen grammatischen Form (wolle!, Probe!, weinet), sodass eine
zu strikt verfolgte Vereinheitlichung dem Forschungsziel sogar diametral entgegen wirken
muss.
Sofern es den o.g. Kriterien der Vereinheitlichung nicht widerspricht, können gegebenenfalls
auch verschiedene grammatische Erscheinungen eines Wortes unter einer Grundform
zusammengefasst werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit ein- und demselben für
diese Untersuchung interessanten Simplizium (Krist-, Sammet-) verschiedene Komposita neu
gebildet worden sind.
2. Fundstelle
Der Nennung des jeweiligen Elements folgt der Verweis, welcher Textstelle des „Erwählten“
es entnommen ist. Dabei kann es sich um eine einzelne, aber auch um mehrere Textstellen
handeln. Sind es mehr als drei, so wird die Nennung mit einem ‚u.ö.’ (‚und öfter’)
geschlossen. ‚Textstelle’ meint: Seitenzahl, nicht Kapitel! Zwar wäre die zusätzliche
Kapitelangabe speziell für die Leser anderer Ausgaben von Interesse, würde aber den
Einzeleintrag im Falle der Mehrfachnennung unnötig aufblähen und zudem auf Kosten der
Übersichtlichkeit gehen.
3. Identifikation
Zu diesem Zweck ist im voranstehenden Kapitel eine lexikographische Nomenklatur
erarbeitet worden, die eine Identifikation des jeweiligen Elements nach synchronen wie
diachronen Aspekten sowie nach Sprachzugehörigkeit vorsieht. Lehnwörter werden dabei
ihrer Ursprungssprache zugerechnet.
Dabei soll selbstverständlich versucht werden, den wahrscheinlichsten „Werdegang“ des
einzelnen Elements nachzuvollziehen. Warum sollte Thomas Mann auf das
mittelhochdeutsche Nomen kemenâten (Gregorius, V. 517) zurückgegriffen und der
neuhochdeutschen Orthografie angepasst haben, wenn ihm Wilhelm Hertz die
486
DWB Bd. 10, Sp. 152, mit Verweis auf Mommsen.
77
neuhochdeutsche Form Kemenate bereits anbot? Die mittelhochdeutsche Textstelle im
„Gregorius“ kann höchstens als zusätzlicher Impuls gewertet werden, der zur Auswahl dieses
Elements mit beitrug. In einem solchen Fall wird (sofern keine Lektürespur vorliegt) also
grundsätzlich die sprachhistorisch jüngere Form als die wahrscheinlichere angenommen.
Wenn es die Bestimmung der Sprach(stand)zugehörigkeit zulässt, kann die Identifikation des
entsprechenden Elements optional noch um die grammatische Dimension (Wortart, Kasus,
Numerus, Genus etc.) ergänzt werden.
4. Quelle
Da sich die Vorstellung eines konstanten Eigenwortschatzes im Sinne eines inneren Lexikons
kaum halten lässt, sei zwischen schriftlichen Quellen und der Thomas Mann eigenen
Sprachkompetenz unterschieden, welche gegebenenfalls auch durch Verweise auf frühere
Werke und deren Quelle spezifiziert werden kann. Die schriftlichen Quellen zum „Erwählten“
werden durch eine Sigle 487 des Werks und der dazugehörigen Stellenangabe wiedergegeben.
Die lückenlose Quellenlage und das Wissen um das Sprachprofil Thomas Manns erlaubt es,
bei fehlendem Nachweis innerhalb der schriftlichen Quellen ex silentio auf die
Sprachkompetenz Thomas Manns zu schließen. Sollte der Fall auftreten, dass ein Element
nicht in den Quellen nachgewiesen werden kann, gleichzeitig aber seine Qualität gegen den
Rückgriff auf die eigene Sprachkompetenz spricht (gentilesce, collâcie), sei dies mit ‚Quelle:
nicht ermittelbar!’ gekennzeichnet.
5. Lektürespur
Liegt innerhalb der entsprechenden Quelle eine handschriftliche Markierung Thomas Manns
vor, wird dies als eindeutiges Indiz der Elementauswahl gewertet, das darauf in die Wortliste
übernommen wird. Markierungen sollen, gleich welcher Qualität (Tinte, Bleistift, Buntstift,
ein- oder mehrfache Unterstreichung, Durchstreichung, Randmarkierung, Randkommentar),
als ‚markiert’ wiedergegeben werden; ‚markiert’ meint also die Lektürespur im weitesten
Sinne.
Sofern ein Element in mehreren Quellen nachzuweisen ist, wird/werden nur das/die
markierte/n als Quelle ausgewiesen. Diese Regel wird nur dann außer Kraft gesetzt, wenn es
sich bei der Quelle um ein Schriftstück handelt, das nicht mehr im Original vorhanden ist und
sich der genaue Sachverhalt somit der Überprüfung entzieht.
6. Poetische Initiative
Um Thomas Manns Umgang mit dem Sprachmaterial allgemeinverständlich nachvollziehen
zu können, wird entlang der o.g. Chronologie zwischen den Montageschritten ‚Auswahl’,
‚Übernahme in’/ ‚Umgehung der Notizen’, ‚Anpassung an die nhd. Orthografie’,
,Neubildung’, ‚Neuschöpfung’ und ‚Integration’ eines Sprachelements unterschieden.
Der Begriff ‚Auswahl’ ist obligatorisch, da er sich nicht zwangsläufig auf eine schriftliche
Quelle bezieht, die Thomas Mann schwarz auf weiß vorgelegen haben muss, sondern
impliziert ebenso, dass der Dichter auf im weitesten Sinne nichtschriftliche Quellen, also
seine eigene Sprachkompetenz, zurückgegriffen hat. Der kürzeste Weg des ausgewählten
Elements besteht in der Umgehung der Notizen und der direkten Integration in den
Romantext. Kommt es zwischen Auswahl und Integration zu einer Übernahme in die Notizen,
so liegt der oben beschriebene Dreischritt Quelle – Notizen – Romantext vor. Veränderungen
487
Siehe Kap. 9.6: Siglenverzeichnis.
78
des Elements im Sinne der Wortbildung können bei der Übernahme aus der Quelle in die
Notizen und bei der Integration (aus den Notizen) in den Romantext vorgenommen worden
sein. Hier ist zu unterscheiden zwischen einer wie auch immer gearteten Umbildung durch
den Dichter, die in der schlichten Anpassung des Elements an die neuhochdeutsche
Orthografie oder einer regelrechten Neubildung eines bisher noch nirgends als existent
nachweisbaren Elements bestehen kann. Im Falle einer Neubildung wird auf die im
vorangegangenen Kapitel bereitgestellte Nomenklatur der Wortbildung zurückgegriffen,
wobei Bedeutungsverschiebungen, obwohl eigentlich zur Wortbildung gehörig, entweder zu
Beginn des Eintrags, wenn es sich um die Auswahl eines geläufigen Elements mit heute
veraltetem Bedeutungshorizont handelt, oder am Schluss des Eintrags (wenn es sich um eine
vom Dichter vorgenommene Bedeutungsverschiebung handelt) vermerkt werden sollen.
7. Notizen
Die Notwendigkeit des wissenschaftlichen Zitierens aus den Notizen Thomas Manns zwingt
zunächst zu folgender Vorüberlegung:
Die 69 Blätter „leiden“, genau wie die Notizen 488 zum „Doktor Faustus“, an einer sog.
doppelten Paginierung, die wie folgt zu erklären ist: Thomas Mann zog aus den Quellen seine
Exzerpte, nummerierte die Seiten durch, unterließ es aber, seine nachträglichen Notizen und
ersten Schreibversuche in das entstandene Konvolut nummerisch einzufügen. Das TMA in
Zürich sah sich Jahre später gezwungen, über die unvollständige Mann’sche Systematik eine
archiveigene zu legen, damit alle Seiten eine zitierfähige Signatur erhalten. Die Archivare
mussten dabei allerdings in Kauf nehmen, dass sich die Systematiken nicht decken. Ich habe
mich der wissenschaftlichen Vollständigkeit halber dazu entschlossen, in der folgenden
Wortliste die Doppelpaginierung durchgehend abzubilden. Dabei steht die erste
Ordnungszahl, der Chronologie folgend, für die Paginierung Thomas Manns, die zweite Zahl
für die des Thomas-Mann-Archivs.
... Übernahme in die Notizen, Blatt 20/53
Wie in den schriftlichen Quellen soll auch hier mit dem Maximum der Dreifachnennung
operiert werden. Die Unterstreichungen innerhalb der Notizen können hingegen mit gutem
Grund vernachlässigt werden. Zwar ist bekannt, dass Thomas Mann in Notizen
Unterstrichenes in aller Regel auch übernahm, jedoch scheint dies keine absolute Regel zu
sein. Es wäre dieser Arbeit nicht förderlich, eine in den Notizen nachweisbare Form zu
ignorieren, nur weil sie nicht markiert ist.
8. Übersetzung/Bedeutung
Der letzte Schritt hat das ganz pragmatische Ziel, dem Leser des „Erwählten“ die semantische
Seite des ihm so oft unverständlichen Elements zu erhellen. Handelt es sich um ein
fremdsprachiges Wort, so wird eine ‚Übersetzung’ vorgenommen. Handelt es sich indes um
ein deutsches Wort – ältere Sprachstufen, Dialektales und Fachsprachliches mit
eingeschlossen – wird nach der ‚Bedeutung’ gefragt, wobei sich die Erfassung der Semantik
aus pragmatischen Gründen grundsätzlich auf den Romankontext beschränken soll.
488
Thomas Manns Notizen zum „Doktor Faustus“, insgesamt 216 Blatt, sind bislang unveröffentlicht. Sie sind
einsehbar im Thomas-Mann-Archiv/Zürich unter der Signatur TMA, Ms. 33. (im Folgenden unter der Sigle
‚Not. DrF’)
79
Es geht nicht um die allgemein vorherrschende Bedeutung des jeweiligen Elements, sondern
in erster Linie um die kontextuelle, von Thomas Mann so bestimmte. (Bei größeren
Abweichungen muss von einer ‚Bedeutungsverschiebung’ gesprochen werden.) Zu diesem
Zweck sollen die von Thomas Mann benutzten Quellen, vor allem aber seine Notizen
herangezogen werden.
Ein Verweis auf das entsprechende Nachschlagewerk soll nur bei Zitaten oder in anderen
außerordentlichen Fällen erfolgen, aber letztlich keinen festen Regeln folgen, sondern
pragmatisch gehandhabt werden.
80
5. Kapitel: Stellenkommentar
AAA
Aalraupe, S. 160: Auswahl des Fachausdrucks aus der Fischersprache, Quelle: Heil, S. 155
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „ein dem
aal ähnlicher fisch, der wahrscheinlich für eine jüngere gestalt und raupe des aals galt“489 ,
auch Aalquappe oder Quappe genannt.
Abbot, S. 70, 74, 79, u.ö.: Auswahl des engl. Fremdworts abbot auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs. 490 ); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: Abt.
abbrauchen, S. 18: Auswahl des veralteten 491 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
abnützen, über Gebühr beanspruchen.
ablernen, S. 86: Auswahl des veralteten 492 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„von einem andern lernen durch stilles zusehn und zuhören“ 493 .
abominable, S. 122: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
abscheulich.
Abraham, S. 240: Auswahl des Personennamens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; biblische
Gestalt, Erzvater des Alten Testaments.
abreden, S. 22: Auswahl des veralteten 494 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
verabreden, vereinbaren.
absolvo te, S. 232: Auswahl der lat. (sakramentalen) Absolutionsformel auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Ich löse dich (von deinen Sünden).
Achmardi, S. 17, 136: Auswahl des Prototypen 495 , Quelle: Pannier Bd. 1, S. 47 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 8/41, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „Achmardi, grüner Seidenstoff aus Arabien“ 496 .
489
DWB Bd. 1, Sp. 5.
Gs. = Großschreibung.
491
DWB Bd. 1, Sp. 15, mit Verweis auf Herder.
492
FWB Bd. 1, Sp. 236, kennt es nur in Bedeutung ‚etw. verlernen’.
493
DWB Bd. 1, Sp. 73, mit Verweis auf Hagedorn.
494
DWB Bd. 1, Sp. 87, mit Verweis auf Schiller und Goethe.
490
81
Ädicula von Porphyrsäulen, S. 238: Auswahl des gr./lat. Lehnwortkomplexes 497 , Quelle:
Gregorovius Bd. 1, S. 184 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende
Integration in den Romantext; Übersetzung: Häuschen, Kapelle, versehen mit Säulen aus
Ergussstein.
ad petram, S. 220: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle: Bernhart, S. 7; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: zum Felsen.
afeitié, bien parlant et anseignié, S. 24: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes afeitiee, si
bien parlant et anseigniee, Quelle: Auerbach, S. 123; Übernahme in die Notizen, Bl. -/7;
Bezugnehmend auf Auerbach schrieb Thomas Mann in seinem Brief vom 27. April 1948 an
Singer: „Ich habe gleich noch ein paar kindische Fragen [...]: Zu Anfang des »Yvain« heißt es
von dem Ritter und dem schönen Mädchen: »Jo la trovai si afeitiee, si bien parlant et
aseigniee etc.« – Ist das Doppel-e hier weibliche Form oder steht es nur für das aigu, sodaß
auch ein junger Mann afeitiee und aseigniee sein könnte. Bei »bien parlant« ist das Weibliche
nicht markiert.“ 498
In seinem Brief vom 20. Mai 1948 wiederholte Thomas Mann seine Anfrage mit ähnlichem
Wortlaut 499 , nicht wissend, dass Singers Antwortschreiben vom 15. Mai schon auf dem Weg
zu ihm war. Hierin stellt dieser klar: „ ″afeitiee″ ist korrektes femininum des participii
perfecti, während ″parlant″ das ebenso allgemeingebräuchliche femininum des participium
praesentis darstellt. ″Parlante″ ist die feminine Form erst im späteren Französisch.“ 500
Auch wenn Singer hiermit die Frage nicht hundertprozentig beantwortet hatte, so konnte
Thomas Mann in Orientierung an dessen Schreiben doch sicher gehen, mit seiner bei
Integration in den Romantext vorgenommenen Wechsel des Genus von feminin auf maskulin
(afeitiee Æ afeitié, anseigniee Æ anseignié) zumindest keinen grammatischen Fehler zu
machen; Übersetzung: „liebenswürdig, angenehm redend und fein gebildet“ 501 .
Agonia Dei, S. 67, 71, 87 u.ö.: Auswahl des Klosternamens, Quelle: Philippson, S. 251
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, 20/53, und anschließende Integration in den
Romantext; Ursprünglich aus einer alten Rheinsage 502 stammend wird der Name von Thomas
Mann auf die fiktive Örtlichkeit des Inselklosters übertragen; Sprechender Name: „Not
Gottes“ 503 .
495
Die Anpassung von mhd. achmardî an die nhd. Orthografie (Gs., î>i) hatte Pannier bereits vorgenommen.
Die Form Achmardi ist in keinem nhd. Wb., sondern ausschließlich in älteren nhd. Parzival-Übertragungen
nachweisbar!
496
Not. DE, Bl. 8/41.
497
J.Ch.A. Heyses Fremdwörterbuch. 12. Auflage. Durchaus neu bearbeitet und bis auf ca. 90.000
Worterklärungen erweitert von Professor Dr. Carl Böttger. Leipzig 1894, S. 20, kennt die Form Aedicula. (im
Folgenden unter der Sigle ‚Heyse’)
498
DüD III, S. 354.
499
DüD III, S. 355.
500
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
501
Auerbach, S. 123.
502
Philippson, S. 251.
503
DE, S. 67.
82
Agraß, S. 17: Auswahl des fnhd. 504 Nomens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 267, Anm. 1
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 16/49, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Agraß (altfranz. aigrez) = Obstbrühe“ 505 .
ahî, S. 15: Auswahl der (afrz.) Interjektion ahi, Quelle: Auerbach, S. 98; Übernahme in die
Notizen, Bl. 3/35; Anpassung an mhd. Orthografie (i>î) bei Integration in den Romantext;
Bedeutung: Ausruf freudiger Verwunderung.
Alamannen, S. 14: Auswahl des Völkernamens (Nebenform 506 zu nhd. Alemannen), Quelle:
Baum, S. 18 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 29/62, 30/63, 31/64, und
anschließende Integration in den Romantext; deutscher Volksstamm, im engeren Sinne nur
die Schweizer 507 . Vgl. Alamannenland, S. 10, 71, 200; Alamannien, S. 12.
Albe, S. 237: Auswahl des lat. Lehnworts, Quelle: Bernhart, S. 350 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „das weisze chorhemd der
geistlichen“ 508 .
Alisaundre, S. 78, 115: Auswahl des Örtlichkeitsnamens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; eigentlich
„altfrz. für Alexander, steht für die Stadt Alexandrien“ 509 .
Alisse, S. 27: Auswahl des Personennamens Aliße, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 99 (markiert);
Umgehung der Notizen; Anpassung an die frz. Form (Aliße Æ Alisse) bei Integration in den
Romantext; Nur der Name Aliße, nicht aber ihre literarische Identität 510 als Schwester des
Gasconenkönigs Hardiß, wird von Thomas Mann übernommen und unter Neubildung eines
Namenskomplexes auf die Figur der adeligen Dame von Poitou übertragen.
Poitou, S. 27: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Hertz, S. 525; Übernahme in die
Notizen, Bl. -/36, und anschließende Integration in den Romantext; Nur der Name Poitou,
nicht aber die literarische Identität als Herkunftsbezeichnung des Grafen „Schiolarß von
Poitou“ 511 , wird von Thomas Mann unter Neubildung eines Namenskomplexes auf die Figur
der adeligen Dame Alisse übertragen.
Alkube, S. 87: Neubildung 512 eines Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Bettnische.
504
Baufeld, S. 5.
Pannier Bd. 1, S. 267, Anm. 1 (markiert).
506
In nhd. Wbb. zwar nicht nachweisbar, aber in geschichtswissenschaftlicher Literatur recht verbreitete Form,
so z.B. in Karl Ploetz’ „Auszug aus der Geschichte“. Würzburg 1968; vgl. weiter Lexikon der deutschen
Geschichte: Ereignisse – Institutionen – Personen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges,
hrsg. von Gerhard Taddey. Stuttgart 1998.
507
DE, S. 14: „die Helvetien bewohnenden Alamannen“.
508
DWB Bd. 1, Sp. 201.
509
Wilhelm, S. 120.
510
Die folgenden Angaben zur literarischen Identität der „Parzival“-Figuren und -Orte orientieren sich an
Panniers Namenverzeichnis, Bd. 2, S. 415-436.
511
Not. DE, Bl. -/26.
512
Das Nhd. kennt lediglich die Form Alkoven, das Mhd. die Form ekub, das Afrz. die Form aucube; vgl. Kluge.
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, hrsg. von Elmar Seebold. Berlin/New York 1995, S. 27.
505
83
all-alles, S. 253: Auswahl des nhd. Indefinitpronomens alles auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung einer Bindestrichkoppelung durch Reduplikation; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; gesteigerte Bedeutung.
allez avant!, S. 30: Auswahl des afrz. 513 Fremdwortkomplexes, Quelle: Hertz, S. 560
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den
Romantext; Übersetzung: „mache dich von dannen!“ 514
allwegs, S. 78: Auswahl des ungebräuchlichen nhd. 515 Adverbs allweg auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Neubildung durch formale Annäherung (-s) an die engl. Form
always; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: immer.
Almusenier, S. 104: Auswahl des Prototypen 516 , Quelle: Singer/Bauer, S. 20 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: mit Almosenpflege
betrauter Geistlicher.
alsus, S. 23, 59: Auswahl der mhd. Partikel, Quelle: Gregorius, V. 135; Übernahme in die
Notizen, Bl. -/16,-/17,-/24, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung:
„alsus = also daß“ 517 .
Amacht, S. 59, 61, 175 u.ö.: Auswahl des fnhd. 518 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Bewusstlosigkeit, Ohnmacht.
Amber, S. 35: Auswahl des fnhd. Nomens, Quelle: Pannier Bd. 2, S. 378 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „wachs- oder harzartiger
Duftstoff, der aus den Ausscheidungen des Pottwales gewonnen wird“ 519 .
Ambra, S. 18: Auswahl des fnhd. Nomens, Quelle: Pannier Bd. 2, S. 378 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 18/51, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: s. Amber.
amice!, S. 212, 227: Auswahl des lat. Fremdworts im Vokativ auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Freund!
Anaclet, S. 37, 42, 43 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Brief Singers vom
19.03.1948 520 ; Übernahme in die Notizen, Bl. -/7; Übertragung auf die Figur des Dieners bei
Integration in den Romantext.
513
Wilhelm, S. 90, bemerkt zurecht, dass allez avant „durchaus dem Neufrz. entnommen sein“ könnte.
DE, S. 30.
515
Laut Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 10 Bde. Mannheim (u.a.) 1999, Bd. 1, S. 173,
schwäbischer Herkunft. (im Folgenden unter der Sigle ‚Gr. Duden’)
516
Die orthogr. Annäherung (o>u) von nhd. Almosenier an die mhd. Form almuosenaere hatten Singer/Bauer
bereits vorgenommen.
517
Not. DE, Bl. -/24.
518
DWB Bd. 1, Sp. 276, mit Verweis auf Luther; FWB Bd. 1, Sp. 906.
519
FWB Bd. 1, Sp. 916.
520
Vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
514
84
Angelländer, S. 121: Auswahl des Völkernamens Angeln, Quelle: Bernhart, S. 70 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 30/63; Neubildung durch Komposition mit dem nhd.
Simplizium -länder (vgl. Alamannenlande) bei Integration in den Romantext; gleich
bleibende Bedeutung. Vgl. angelländisch, S. 27.
Angeln, S. 15, 72: Auswahl des Völkernamens, Quellen: Bernhart, S. 70 (markiert); Meyer
Bd. 1, Sp. 975 (Stichwort „Germanen“); Übernahme in die Notizen, Bl. 30/63, und
anschließende Integration in den Romantext; germanischer Volksstamm.
Anicier, S. 198, 204, 206 u.ö.: Auswahl des Familiennamens, Quelle: Gregorovius, S. 57
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, und anschließende Integration in den
Romantext; „frühchristliche Senatorenfamilie“521 .
Anima mea laudabit te et judicia tua me adjuvabunt, S. 220: Auswahl des lat.
Fremdwortkomplexes Vivit anima me[a], et laudabit te, et indicia tua adjuvabunt me, Quelle:
Gregorovius, S. 349 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/6; Abwandlung der
grammat.-syntakt. Verhältnisse bei Integration in den Romantext.
Wilhelm, die ihrer Untersuchung die erste Stockholmer Ausgabe des „Erwählten“ von 1951
zugrunde legt, nimmt an, dass Thomas Mann „eine nur für Kenner merkliche raffinierte
Vertauschung von ‚iudicia’ zu ‚indicia’ vorgenommen hat“ 522 . Fakt ist, dass Thomas Mann
die „raffinierte Vertauschung“ zunächst von Gregorovius abschrieb. Nachdem er mit Blick
auf den Psalm 118,175 den Fehler bemerkt hatte, wurde dieser aus den folgenden Ausgaben
getilgt, sodass die Übersetzung nun korrekt lautet: Meine Seele wird dich loben und deine
Gerichte werden mir helfen!
annere, S. 74: Auswahl des nd. Indefinitpronomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
andere.
Anschouwe, S. 17, 31: Auswahl des Örtlichkeitsnamens Anschauwe, Quelle: Pannier Bd. 1,
S. 39; In Panniers Anmerkung 2 liest Thomas Mann: „Anschauwe ist das Königreich Anjou“;
Übernahme in die Notizen, wo die dt. und die frz. Form weiterhin nebeneinander stehen: Bl. /36: „Anjou (Anschauwe)“, Bl. 7/40: „Anschauwe: Königreich Anjou“; Neubildung der
orthogr. Mischform Anschouwe und anschließende Integration in den Romantext; bei Thomas
Mann Herkunftsbezeichnung des Königs von Anschouwe.
ansterben, S. 15, 33: Auswahl des veralteten 523 nhd. Verbs, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 108
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/ 26, 10/43, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: jdm. etw. vererben.
Antiochia, S. 12: Auswahl des Örtlichkeitsnamens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; altgriechische
Stadt in Kleinasien.
521
Not. DE, Bl. -/2.
Wilhelm, S. 107.
523
DWB Bd. 1, Sp. 484, mit Verweis auf Lessing.
522
85
Anvers, S. 29: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Meyer Bd. 1, Sp. 102 (Stichwort
„Antwerpen (frz. Anvers)”); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Hauptstadt der belgischen Provinz Antwerpen.
Äolsharfe, S. 9: Auswahl des ungebräuchlichen 524 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
harfenähnliches Musikinstrument, auch: Windharfe.
Apostolen, S. 156: Auswahl des mhd. Nomens apostolen, Quelle: Waag, S. 127 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/20; Anpassung an die nhd. Orthogaphie (Gs.) bei Integration
in den Romantext; Bedeutung: Apostel.
Appel, S. 78: Auswahl des nd. Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Apfel. 525
à propos, S. 127: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
auf ein Wort!
Apsis, S. 237: Auswahl des gr. Lehnworts 526 , Quelle: Gregorovius, Bd. 1, S. 54 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Altarnische.
Aquitanier, S. 121: Auswahl des Völkernamens, Quelle: Singer/Bauer, S. 46; Übernahme in
die Notizen, Bl. 31/64, und anschließende Integration in den Romantext; iberischer
Volksstamm, sesshaft im heutigen Südwesten Frankreichs.
Ara celi, S. 9: Auswahl des Objektnamens, Quelle: nicht ermittelbar! 527 ; Übernahme in die
Notizen, Bl. -/3, 36/69, und anschließende Integration in den Romantext; „Kloster und Kirche
Ara Celi“ 528 in Rom; sprechender Name: Altar des Himmels.
Arbor vitae, S. 11: Auswahl des lat. Lehnwortkomplexes, Quelle: Baum, S. 120; Übernahme
in die Notizen, Bl. 32/65, und anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung:
Lebensbaum.
Archidiakonus, S. 196, 236: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius, S. 106
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, -/15, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: geistliches Amt.
Arelat-Burgund, S. 147: Auswahl der beiden Örtlichkeitsnamen Arelat und Burgund,
Quelle: Meyer Bd. 1, Sp. 818 (Stichwort „Flandern“); Übernahme in die Notizen, -/23, 21/54;
524
Gr. Duden Bd. 1, S. 266.
Die Übersetzung der nd. Idiome ist an Otto Mensings Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch angelehnt.
526
Kl. Duden, S. 38.
527
Bei Gregorovius Bd. 1, S. 1125ff., wird zwar über Kirche und Kloster Aracoeli berichtet, aber aufgrund der
orthografischen Abweichung kann nicht mir Sicherheit gesagt werden, ob dies die Quelle von Thomas Manns
Ara celi ist.
528
Not. DE, Bl. 36/69.
525
86
Neubildung einer Bindestrichkoppelung bei Integration in den Romantext; fiktives
Herzogtum des Grafen Roger. Vgl. Arelat, S. 64.
Arras, S. 31, 38, 153: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quellen 529 : Pannier Bd. 2, S. 187;
Meyer Bd. 2, Sp. 959/960 (Stichwort „Niederlande”: Karte der Niederlande); Übernahme in
die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den Romantext; Stadt in
Nordfrankreich.
Artus, S. 16, 90: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier, Bd. 1, S. 22 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 15/48, und anschließende Integration in den Romantext;
sagenhafter König der Briten.
Askalon, S. 28: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 98; Übernahme in
die Notizen, Bl. -/26; 9/42, 19/52, und anschließende Integration in den Romantext; „Askalon,
womit Escavalon, Cavalon gemeint ist“ 530 , fiktive Örtlichkeit, Land des Königs Vergulacht.
Assagauker Sammet, S. 18: Auswahl des nhd. Wortkomplexes Samt von Assagauk, Quelle:
Pannier Bd. 1, S. 262 (markiert); Neubildung des Kompositums Assagauk-Samt und
Übernahme in die Notizen, Bl. 16/49; Umbildung von Assagauk-Samt Æ Assagauker Sammet
bei Integration in den Romantext; Bedeutung: „Sammetstoffe [=] Seide seltener Art“ 531 aus
Assagauk, dem nicht näher bestimmbaren 532 Land des Mohrenkönigs Isenhart. Vgl.
Assagauker Prachtgerät, S. 18.
Asylum S. 179, 180, 243 u.ö.: Auswahl des lat./ engl. Fremdworts asylum auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Asyl.
Atrium, S. 236, 238: Auswahl des lat. Lehnworts 533 , Quelle: Gregorovius, Bd. 1, S. 54
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: nach oben offener Hauptraum des altrömischen Hauses, Innenhof.
atzen, S. 51, 77, 191 u.ö.: Auswahl des fnhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
jdm. zu essen geben, beköstigen. 534
Atzung, S. 194: Auswahl des fnhd. Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Beköstigung 535 .
529
Die genannten Quellen sind zwar als potentiell möglich anzusehen, aber das Exzerpt in den Notizen, Bl. -/4:
„Cathedral and Abbeye de St. Vaast (Arras)“, verweist auf eine weitere, nicht ermittelbare Vorlage, die eine
Bildunterschrift in englischspr. Zeitung annehmen lässt.
530
Not. DE, Bl. 9/42.
531
Not. DE, Bl. 7/40.
532
Pannier Bd. 2, S. 416: „Landesname“.
533
Kl. Duden, S. 46.
534
DWB Bd. 1, Sp. 596; FWB Bd. 2, Sp. 290.
535
DWB Bd. 1, Sp. 596; FWB Bd. 2, Sp. 292 .
87
auferbauen, S. 22: Auswahl des veralteten 536 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 537 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
etw. errichten, erbauen, hier: (körperlich) wachsen.
auferziehen, S. 56: Auswahl des veralteten 538 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 539 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
erziehen, aufziehen, großziehen.
aurelianische Mauer, S. 238: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1,
S. 29, 30; Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, und anschließende Integration in den
Romantext; historisches Bauwerk in Rom.
au reste, S. 127: Auswahl des frz. 540 Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
übrigens.
Ausbündigkeit, S. 160: Auswahl des fnhd. 541 Adjektivs ausbündig auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -keit); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Ausgelassenheit.
auslugen, S. 245: Auswahl des fnhd. 542 Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: aufmerksam sehen,
Ausschau halten.
(aus)twaddeln, S. 83: Auswahl des engl. Fremdworts to twaddle auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an das nhd. Laut-Zeichen-System (le>el) und Neubildung
durch Derivation (Präf. aus-, Suff. -n); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Übersetzung: ausschwatzen.
Aventin, S. 9: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 15 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/4, und anschließende Übernahme in den Romantext;
einer der sieben Hügel Roms.
Aventuren, S. 90: Auswahl des Prototypen 543 Aventiure, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 36
(markiert); orthogr. Annäherung (iu>u) an die frz. Form aventure; Übernahme in die Notizen,
Bl. -/28, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: Abenteuer.
536
DWB Bd. 1, Sp. 638, mit Verweis auf Goethe.
Interferenz: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoph: Abenteuerlicher Simplicius Simplicissimus. Neu an
den Tag geben und in unser Schriftdeutsch gesetzt von Engelbert Hegaur. München 1909, S. 399: Auferbauung.
(TMA TM 31)
538
DWB Bd. 1, Sp. 641, mit Verweis auf Lessing.
539
Interferenz: Simplicissimus, S. 410: auferziehen; Vierhundert Schwänke des sechzehnten Jahrhunderts, hrsg.
von F. Bobertag, Berlin/Stuttgart s.d. (Deutsche National-Litteratur, Bd. 24.). Berlin, Stuttgart 1887, S. 333:
aufferzogen. (TMA TM 3010)
540
Die Übersetzung der nfrz. Fremdwörter wird im Folgenden an Langenscheidts Handwörterbuch Französisch,
2 Bde., hrsg. von Manfred Bleher. Berlin (u.a.) 2003, angelehnt.
541
DWB Bd. 1, Sp. 841, mit Verweis auf Luther.
542
FWB Bd. 2, Sp. 1175.
543
Die Anpassung von mhd. aventiure an die nhd. Orthograpie (Gs.) hatte Pannier bereits vorgenommen.
537
88
BBB
Backenstreich, S. 183, 184: Auswahl des fnhd. 544 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Backpfeife, Ohrfeige 545 .
Backschießen, S. 93: Neubildung eines Kompositums auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
eine Art (Kinder-)Spiel.
Baduhenna, S. 15, 17, 19 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Brief Singers vom
19.03.1948 546 ; Übernahme in die Notizen, Bl. -/8; Übertragung auf die Figur der Mutter des
Geschwisterpaars bei Integration in den Romantext.
Bälde, S. 47: Auswahl des veraltenden 547 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: in
Bälde = bald.
bälder, S. 20, 220: Auswahl des ungebräuchlichen 548 Komparativs zu nhd. bald auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: eher.
bamsen, S. 52: Auswahl des veralteten549 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
knuffen, ferner: „das fell klopfen, prügeln“ 550 .
Bankert, S. 97, 103: Auswahl des veralteten 551 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 552 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Bastard, uneheliches Kind. Vgl. Bankhart.
Bankhart, S. 244, 253: Auswahl des fnhd. 553 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 554 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„aus dem ehebett gefallenes, unter der bank, im winkel erzeugtes [also uneheliches] kind“ 555 .
bappen, S. 79, 81: Auswahl des engl. Fremdworts to baptize auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung durch Konsonantgemination (p) im Silbengelenk und durch
544
FWB Bd. 2, Sp. 1658.
Interferenz: Schwänke, S. 318: backenstreich.
546
Vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
547
Duden, S. 114: nur noch in Redewendung in Bälde.
548
Duden, S. 114, nennt den Komparativ eher.
549
Diese Form ist in fnhd. Wbb. nicht nachweisbar!
550
DWB Bd. 1, Sp. 1096.
551
Diese Form ist in fnhd. Wbb. nicht nachweisbar, aber im DWB Bd. 1, Sp. 1111, mit Verweis auf
Grimmelshausen; jüngere Form von fnhd. Bankhart.
552
Interferenz: Simplicissimus, S. 410: Bankert.
553
DWB Bd. 1, Sp. 111, mit Verweis auf Logau, Zincgref und Sachs; FWB Bd. 2, Sp. 1885.
554
Interferenz: Simplicissimus, S. 528: Bankart.
555
DWB Bd. 1, Sp. 1111.
545
89
Derivation (Suff. -en); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: taufen.
baß, S. 21, 218: Auswahl des mhd. Adverbs baz, Quelle: Gregorius, V. 124; Übernahme in
die Notizen, Bl. -/17, -/24; Anpassung 556 an die nhd. Orthografie (z>ß); Integration in den
Romantext; Bedeutung: besser.
Base, S. 44, 56, 113 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens base, Quelle: Dieffenbacher, S. 98
(markiert); Anpassung 557 an die nhd. Orthografie (Gs.); Übernahme in die Notizen, Bl. -/15,
und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „Base (Vaterschwester)“ 558 .
Beati, quorum tecta sunt peccata, S. 9: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz 559 ; Übernahme in die Notizen, Bl. 35/68, und
anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung: die Reichen, deren Dächer
(Häuser) sündhaft sind.
beau corps, S. 30: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes, Quelle: Pannier Bd. 1, 187, 217;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/ 25, 14/47, und anschließende Integration in den Romantext;
Übersetzung: schöner Körper.
beau Sire, S. 120: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 107
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 3/30, 10/43, und anschließende Integration in den
Romantext; Übersetzung: werter Herr.
Begütigung, S. 182: Auswahl des fnhd. 560 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Beschwichtigung.
bejehen, S. 252: Auswahl des mhd. Verbs jehen, Quelle: Gregorius, V. 2424; Derivation561
(Präf. be-); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: erzählen,
bezeugen.
Bejehung, S. 253: Auswahl des mhd. Verbs jehen, Quelle: Gregorius, V. 2424; Neubildung
eines Nomens durch Derivation (Präf. be-, Suff. -ung); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Erzählung.
Belrapeire, S. 16, 17, 19 u.ö.: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S.
210, Anm. 2 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 13/46, und anschließende Integration
in den Romantext; Nur der sprechende Name Belrapeire, „(bel repaire) = schöner
Aufenthalt“ 562 , nicht aber die literarische Identität als Hauptstadt von Brobarß wird von
Thomas Mann übernommen und auf das fürstliche Schloss übertragen.
556
Duden, S. 116, kennt diese Form.
Duden, S. 116, kennt diese Form.
558
Not. DE, Bl. -/15.
559
Psalm 31,1.
560
DWB Bd. 1, Sp. 1316, mit Verweis auf Fischart; FWB Bd. 3, Sp. 683.
561
Gr. Lexer Bd. 1, Sp. 162.
562
Pannier Bd. 1, S. 210, Anm. 2 (markiert).
557
90
Benedictus qui venit in nomine Domini. S. 236: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes,
Quellen: Gregorovius Bd. 1, S. 489 (markiert), Bernhart, S. 79 (markiert); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Der Gesegnete, der (da) kommt im
Namen des Herrn.
Berchfrit, S. 23: Auswahl des ungebräuchlichen 563 nhd. Nomens, Quellen: Dieffenbacher, S.
21 (markiert); Meyer Bd. 1, Sp. 427 (Stichwort „Burg“); Übernahme in die Notizen, Bl.
24/57, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: Bergfried, Hauptturm.
Berge, S. 118: Auswahl der veralteten nhd. Nomens Halsberge (s.u.), Quelle: Hertz, S. 114;
Neubildung eines Nomens durch Tilgung des ersten Simpliziums; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Schutz.
bescheiden, jdm. etw., S. 62, 155: Auswahl des fnhd. 564 Verbs, Quelle: nicht ermittelbar!;
Übernahme in die Notizen, Bl. 10/43, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „des sollt ihr hier beschieden sein’: (das soll euch nun [...] erklärt, mitgeteilt
sein)“ 565 .
besteh(e)n, jdn., S. 129, 135, 138 u.ö.: Auswahl des fnhd. 566 Verbs, Quelle: Nibelungen, S.
227: „ich besteh ihn ganz allein“ (markiert); In den Notizen, Bl. -/29, findet sich lediglich die
mhd. Entsprechung, Quelle: Dieffenbacher, S. 145: „waerestu der tiuvel, ich wolt dich auch
bestân“; In den Romantext wird schließlich die fnhd. Form integriert; Bedeutung: „jn. im
Kampf überwinden, besiegen“ 567 .
bien soi venu, beau Sire, S. 17: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes Quelle: Pannier Bd.
1, S. 107 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 3/30, 10/43, und anschließende
Integration in den Romantext; Übersetzung: Herzlich willkommen, werter Herr!
Bitterling, S. 209: Auswahl des Fachausdrucks aus der Fischersprache, Quelle: Meyer Bd. 3,
Sp. 718 (Stichwort „Süßwasserfauna“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/5, und anschließende
Integration in den Romantext; Bedeutung: karpfenartiger Fisch.
blatten, S. 24: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägersprache, Quelle: Pannier Bd. 1, S.
150; Übernahme in die Notizen, Bl. -/26, 12/45, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „auf einem Blatt das Wild durch eine Nachahmung des Schreies
locken“ 568 .
563
Das Element ist in herkömmmlichen nhd. Wbb. nicht nachweisbar, aber in dem von Thomas Mann benutzten
„Meyers kleinem Lexikon“.
564
DWB Bd. 1, Sp. 1554: jdn. „unterrichten, ihm bescheid geben“, mit Verweis auf Luther, Kirchhof und
Werder.
565
Not. DE, Bl. 10/43.
566
DWB Bd. 1, Sp. 1670, mit Verweis aufs Nibelungenlied, Luther und Theuerdank.
567
FWB Bd. 3, Sp. 1950.
568
Not. DE, Bl. 12/45.
91
blessig, S. 136: Auswahl des nhd. Nomens Blesse 569 ; Neubildung eines Adjektivs durch
Derivation (Suff. -ig); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: fleckig.
bonne chance!, S. 142: Auswahl des nfrz. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
viel Glück!
bosten, S. 96: Auswahl des engl. Fremdworts to boast auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (oa>o) und Hybridbildung durch
Addition einer dt. Infinitivendung (-en); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Übersetzung: prahlen.
Brabant, S. 35, 110: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Meyer Bd. 1, Sp. 382 (Stichwort
„Brabant“); Übernahme in die Notizen, Bl. 20/53, und anschließende Übernahme in den
Romantext; Stadt im historischen Lothringen, heute Belgien.
Brautlauf, S. 30, 160: Auswahl des fnhd. 570 Nomens, Quellen: Dieffenbacher, S. 109
(markiert); Pannier Bd. 1, S. 84 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/29, 9/42, und
anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „Brautlauf = Vermählung (Alter
Wettlauf um die Braut)“ 571 .
Bredouille, S. 43: Auswahl des frz. Lehnworts 572 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Verlegenheit, Bedrängnis.
Bresthaftigkeit, S. 235: Auswahl des fnhd. Adjektivs bresthaftig 573 auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -keit); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Gebresten, Krankheit,
Kränklichkeit.
Britanje, S. 35: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quellen: Thomas, S. 100; Hertz, S. 560;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; „Britanje gebraucht Gottfried
[von Straßburg] ohne Unterschied bald für die Bretagne (Britannier minor), bald für Groß
Britannien (Britannier major). Hier ist die Bretagne gemeint, die unmittelbar an Parmenien
grenzt.“ 574
Britanneisen, S. 16: Auswahl des Völkernamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 300 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 17/50, und anschließende Integration in den Romantext;
Briten.
569
Duden, S. 129.
Baufeld, S. 40; Götze, S. 39.
571
Not. DE, Bl. 9/42.
572
Kl. Duden, S. 66.
573
Baufeld, S. 40.
574
Hertz, S. 560.
570
92
britunsch, S. 14: Auswahl des mhd. Adjektivs britunsch, Quelle: Thomas, S. 100; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: britisch, bretonisch.
Brotranft, S. 184: Auswahl des veralteten 575 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 576 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Brotkruste.
Bruges-la-vive: S. 29, 121: Auswahl des Namenskomplexes Bruges-la-Morte 577 , Quelle:
Meyer Bd. 1, Sp. 408 (Stichwort „Brügge“); Substitution des dritten Simpliziums (MorteÆ
vive); Übernahme in die Notizen, Bl. -/1, 3/30, und anschließende Integration in den
Romantext; Hauptstadt des fiktiven Herzogtums Flandern-Artois; Sprechender Name:
Bruges, die lebend(ig)e Stadt. Vgl. Bruges, S. 62, 63, 64 u.ö.;
Buhlschaft, S. 232: Auswahl des fnhd. 578 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 579 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Liebesverhältnis.
Bugspriet, S. 95: Auswahl des Fachausdrucks aus der Seemannssprache auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Übernahme in die Notizen, Bl. -/29, und anschließende Integration
in den Romantext; Bedeutung: über den Schiffsbug hinausragende Segelstange. 580
Buhlsohn, S. 243: Neubildung in Analogie zu nhd. Buhlschwester 581 auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: der (im sexuellen Sinne) geliebte Sohn.
Buhurd, S. 25, 26, 27 u.ö.: Auswahl des Prototypen 582 Buhurd, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 255
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, -/7, 15/48, und anschließende Integration in
den Romantext: Bedeutung: „Buhurd (von hurten = anrennen) ist ein Reiterspiel zur
Belustigung und Übung, wobei Schar auf Schar stößt und wobei die Ritter keine Rüstung
getragen zu haben scheinen.“ 583
575
In fnhd. Wbb. nicht nachweisbar! DWB Bd. 2, Sp. 405.
Impuls gab möglicherweise die Form Ranft von Haferbrot, Quelle: Singer/Bauer, S. 42 (markiert).
577
Bruges-la-Morte ist ein Roman des belgischen Schriftstellers Georges Rodenbach (1855-1898), veröffentlicht
1892 beim Verlag Flammarion.
578
DWB Bd. 2, Sp. 507, mit ausschließlich fnhd. Kontext.
579
Interferenz: Volksbuch vom Doctor Faust. Zweite Auflage, hrsg. von Robert Petsch, Neudrucke deutscher
Literaturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts, No. 7-8b, Halle a.S. 1911, S. 27: Teuffelische Buhlschafft. Dieses
Quellenwerk ist nicht im Nachlass Thomas Manns vorhanden, aber definitiv von ihm gebraucht worden! Vgl.
hierzu Voss, Lieselotte: Die Entstehung von Thomas Manns Roman »Doktor Faustus«. Dargestellt anhand von
unveröffentlichten Vorarbeiten. Tübingen 1975, S. 24f.
580
Duden, S. 135.
581
DWB Bd. 2, Sp. 508.
582
Die Anpassung von mhd. bûhurt an die nhd. Orthografie (Gs., û>u, Konstantschr. im Auslaut) hatte Pannier
bereits vorgenommen. Diese Form ist weder in mhd. noch in nhd. Wbb. nachweisbar und taucht allenfalls
vereinzelt in nhd. Übertragungen mhd. Epik oder in kulturhistorischen Abhandlungen auf.
583
Pannier Bd. 1, S. 255, Anm. 2 (markiert).
576
93
Bürzel, S. 28: Auswahl des fnhd. Nomens, Quelle: Heil, S. 113 (markiert); Übernahme in die
Notizen, Bl. 7/40, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: Schnupfen,
Grippe, Influenza. 584
CCC
Cabane, S. 173: Auswahl des veralteten frz. Lehnworts 585 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Synonmym für Privatgemach. 586
Caligula, S. 240: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 33; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; römischer Kaiser 37-41 n.Chr. 587
Cambrey, S. 19: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Meyer Bd. 2, Sp. 959/960
(Stichwort „Niederlande”: Karte der Niederlande); Übernahme in die Notizen, Bl. 25/58, und
anschließende Integration in den Romantext; Stadt in Nordfrankreich, westlichster
Bischofssitz des historischen Ostfrankenreiches.
capitale, S. 84, 85: Auswahl des ital. 588 Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Vermögen, Schatz.
Capperntunke, S. 215: Ein Nomen Capper ist im Deutschen nicht belegbar! Möglicherweise
liegt dieser Neubildung das italienische cappero zugrunde, das an die nhd. Form Kapern
angenähert (Gs., Tilg. -o) und mit dem nhd. Simplizium Tunke verbunden wurde. Bedeutung:
Kapernsauce.
Caput mortuum, S. 84: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: totes Kapital.
Caroli, S. 15: Auswahl des Personennamens im lat. Genitiv, Quelle: Dieffenbacher, S. 29;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Karl der Große, fränkischer
Kaiser.
Castanen, S. 88: Auswahl des mhd. Nomens castânen 589 , Quelle: nicht ermittelbar!;
Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., â>a); unter Umgehung der Notizen Integration in
den Romantext; Bedeutung: Kastanien.
584
Götze, S. 44.
Heyse, S. 143.
586
DE, S. 173.
587
Lebensdaten der römischen Kaiser nach: Veh, Otto: Lexikon der römischen Kaiser: von Augustus bis
Iustinianus I., 27 vor Chr. bis 565 nach Chr. Düsseldorf 1998; Kienast, Dietmar: Römische Kaisertabelle:
Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie. Darmstadt 1996.
588
Die Übersetzung der ital. Fremdwörter wird im Folgenden an Langenscheidts Handwörterbuch Italienisch, 2
Bde., hrsg. von Anton Reiniger. Berlin (u.a.) 2003, angelehnt.
589
Der Kl. Lexer, S. 106, kennt die Form kastâne, lat. castanea, das Findebuch, S. 198, die Form castâne.
585
94
Caverne, S. 21: Auswahl des orthogr. veralteten frz. Lehnworts 590 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Höhle, Hohlraum.
Celui je tiendrai ad espous qui nos redemst de son sanc precious, S. 63: Auswahl des afrz.
Fremdwortkomplexes Celui tien [...] , Quelle: Auerbach, S. 114; Übernahme in die Notizen,
Bl. -/7; Ersetzen des afrz. Imperativs Sg. tien durch das nfrz. je tiendrai (1. Pers. Sg., Futur,
Indkt., Akt.) bei Integration in den Romantext; Übersetzung: „Den werde ich mir zum Gatten
nehmen, der uns erlöste mit seinem kostbaren Blut.“ 591
Chastel, S. 16, 160: Auswahl des Prototypen 592 Chastel, Quelle: Auerbach, S. 224;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/28, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: Burg, Festung.
Cherubin, S. 156: Auswahl des Personennamens Cherubîn, Quelle: Waag (markiert);
Anpassung an die nhd. Orthografie (î>i); Übernahme in die Notizen, Bl. -/20, und
anschließende Integration in den Romantext; das Paradies bewachender Engel bleibt.
Christum, S. 17: Auswahl des Personennamens im lat. Akk. auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; gemeint: Jesus
Christus.
Chromatius, S. 238: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 1219
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bischof von Aquileia
Ende des 4. Jahrhunderts.
Chrysogonus, S. 84, 85: Auswahl des Personennamens, Quellen: Gregorovius Bd. 1, S. 157,
161; Eicken, S. 219; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Nur der
Name Chrysogonus, nicht aber seine historische Identität als römischer Märtyrer, wird von
Thomas Mann übernommen und auf die Figur des „Säckelmeisters“ übertragen. Vgl.
Chrysogone, S. 85; Chrysogon, S. 85.
Cingulum, S. 13, 49: Auswahl des lat. Lehnworts Zingulum, Quelle: Meyer 1, Sp. 275
(Stichwort „Benediktiner“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/36; partielle Relatinisierung
(Z>C) bei Integration in den Romantext; Übersetzung: „Gürtel der Priestergewänder“ 593 .
Circus, S. 240: Auswahl des orthogr. veralteten lat. Lehnworts 594 , Quelle: Gregorovius Bd. 1,
S. 19, 20, 24 u.ö.; Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/4, und anschließende Integration in
den Romantext.
Cistercium, S. 67: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Meyer 3, Sp. 1155 (Stichwort
„Zisterzienser“); Übernahme in die Notizen, Bl. 27, und anschließende Integration in den
590
Heyse, S. 166.
Not. DE, Bl. -/7.
592
Die Anpassung von afrz. chastel an die nhd. Orthografie (Gs.) hatte Auerbach bereits vorgenommen. Ein
veraltetes nhd. Lehnwort Chastel konnte in keinem Wörterbuch nachgewiesen werden.
593
Not. DE, Bl. -/36.
594
Heyse, S. 187.
591
95
Romantext; „Zisterzienser [...], reformierte Benediktiner, 1098 von Robert von Molesme in
Citeaux (Cistercium) [...] gegründet“ 595 , Stadt in Burgund, Frankreich.
Clamadex, S. 101: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 211, Anm. 3
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Nur der sprechende
Name Clamadex, „d.h. rufe Gott“ 596 , nicht aber seine literarische Identität als König von
Iserterre, wird von Thomas Mann übernommen und auf den die Natur versuchenden
Mitbruder Gregorius’ übertragen.
Claustrum, S. 70: Auswahl des lat. Fremdworts claustrum, Quelle: Meyer 2, Sp. 440
(Stichwort „Kloster“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, 24/57; Anpassung an die nhd.
Orthografie (Gs.) bei Integration in den Romantext; Übersetzung: „Kloster (claustrum)“ 597 .
Clemens der Ire, S. 10, 13: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 52 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Seine historische Identität als
irischer Missionar wird von Thomas Mann mit übernommen und auf die Figur Erzähler
übertragen; Sprechender Name: (von lat. clemens) der Milde (Ire).
Cleve, Gräfin von, S. 23, 28: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 146;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/24, 29/62, und anschließende Übertragung auf eine
Romanfigur; Eine zu diesem Namen gehörige Identität wird weder in der Vorlage noch im
Romantext explizit.
Clonmacnois, S. 10, 11: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Baum, S. 118, 167
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 23/56, 32/65, und anschließende Integration in den
Romantext; im Mittelalter eine berühmte irische Klosterstätte.
Collacie, S. 120: Auswahl des mhd. Nomens collâcie 598 , Quelle: nicht ermittelbar!;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/4; partielle Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) und
Übernahme in die Notizen, Bl. 3/30; weitere Anpassung an die nhd. Orthografie (â>a) bei
Integration in den Romantext; Bedeutung: „Zwischenmahlzeit, kalt, Trunk[:] Wasser“ 599 .
Colosseum, S. 238: Auswahl des Objektnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 157
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/5, und anschließende Integration in den
Romantext; historische Arena in Rom.
Columbanus, S. 10: Auswahl des Personennamens, Quellen: Baum, S. 23 (markiert);
Scherer, S. 37 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 4/37, 31/64, und anschließende
Integration in den Romantext; irischer Heiliger und „Apostel der Alemannen“ 600 , lebte von
(ca.) 543-615 n.Chr.
595
Not. DE, Bl. 27.
Pannier Bd. 1, S. 211, Anm. 3 (markiert).
597
Not. DE, Bl. 24/57.
598
Kl. Lexer, S. 112.
599
Not. DE, Bl. 3/30.
600
Not. DE, Bl. 4/37.
596
96
Cons du chatel, S. 23, 42, 62: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes cons du chastel,
Quelle: Pannier Bd. 1, S. 74, Anm. 2 (markiert); Anpassung sowohl an die nhd. (Gs.) als auch
an die nfrz. Orthografie (Tilg. -s-); Übernahme in die Notizen, Bl. 3/30, 19/52, und
anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung: „Cons du chatel = Burggraf“ 601 .
conseiller, S. 248: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Ratgeber, Berater.
Conversation, S. 17, 152: Auswahl des orthogr. veralteten frz. Lehnworts 602 , Quelle:
Scherer, S. 71 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
cornure de prise, S. 33: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes, Quelle: Hertz, S. 556
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Beutehorn.
corteisieren, S. 30: Auswahl des afrz. Fremdworts corteisie, Quelle: Auerbach, S. 132;
Neubildung eines Verbs durch Derivation (Suff. -ieren); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: sich höfisch/höflich benehmen.
Corteisie und Fug, S. 17: Auswahl des afrz.-mhd./veralteten Wortkomplexes voll Courtoisie
und Fug, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 77 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/28, 9/42;
Parallel zur Form Courtoisie findet Thomas Mann bei Auerbach, S. 132, die Form corteisie,
die er nach Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) ebenfalls in die Notizen, Bl. -/7, -/28,
übernimmt. Bei Integration des Wortkomplexes in den Romantext wird die ursprüngliche
Form Courtoisie durch Corteisie ersetzt; Bedeutung: „das persönliche der höfischen
Tugenden“ 603 .
Corvey, S. 11: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Baum, S. 122 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 33/66, und anschließende Integration in den Romantext;
ostfränkische Benediktinerabtei.
Coterie, S. 122, 123: Auswahl des orthogr. veralteten frz. Lehnwort 604 auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Clique, Gruppe.
coups de vent, S. 74: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
starke Windstöße.
Covertiure, S. 18, 136, 141: Auswahl des Prototypen Kovertiure, Quelle: Pannier, Bd. 1, S.
46 (markiert); In Panniers dazugehörigen Anmerkung 5 (markiert) las Thomas Mann:
„altfranz. coverture“. In seine Notizen, Bl. 8/41, übernahm er lediglich die Form Kovertiure,
601
Not. DE, Bl. 19/52.
Basler/Schulz Bd. 1, S. 390.
603
Auerbach, S. 132.
604
Heyse, S. 221.
602
97
jedoch kommt es bei Integration in den Romantext zur Bildung der Mischform Covertiure;
Bedeutung: „Schutz- und Schmuckdecke des Rosses“ 605 .
Creatur S. 27, 224, 226, u.ö.: Auswahl des orthogr. veralteten lat. Lehnworts 606 auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz 607 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
credemi, S. 77, 85, 86 u.ö.: Auswahl des ital. Fremdwortkomplexes; Impuls gab gewiss der
lat. Fremdwortkomplex crede mihi, Quelle: Singer/Bauer, S. 24 (markiert); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: glaub’ mir!
credite mihi, S. 81: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes crede mihi, Quelle: Singer/Bauer,
S. 24 (markiert); Bildung des Imperativ Plural; Übernahme in die Notizen, Bl. -/28, und
anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung: glaubt mir!
Crucifix, S. 106: Auswahl des lat. Lehnworts 608 in veralteter orthogr. Form auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Cubicularius, S. 250: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 535
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den
Romantext; päpstlicher Hofbeamter.
cuissin, S. 168: Auswahl des afrz. Fremdworts, Quelle: nicht ermittelbar!; unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Kissen. Vgl. Hauptcuissin, S. 168.
Curopalata, S. 250: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 535;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den Romantext;
päpstlicher Hofbeamter.
DDD
Dachtel, S. 169: Auswahl des ugs. 609 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Ohrfeige.
dahier, S. 70, 156: Auswahl des veralteten 610 nhd. Adverbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: an
diesem Orte, hier.
605
Pannier, Bd. 1, S. 46 Anm. 5 (markiert).
Heyse, S. 224.
607
Interferenz: Simplicissimus, S. 24.
608
Heyse, S. 228.
609
Duden, S. 140.
610
Duden, S. 140.
606
98
Dalmatika, S. 207, 251: Auswahl des lat. Lehnworts 611 , Quelle: Bernhart, S. 350; Übernahme
in die Notzen, Bl. -/6, -/13 612 , und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung:
Kleid aus dalmatinischer Wolle.
dämpfig, S. 78: Auswahl des veralteten 613 nhd. Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
kurzatmig.
darnach, S. 108: Auswahl der „älteren Form“ 614 des Adverbs danach auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
dat, S. 74, 78: Auswahl der nd. Konjunktion auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: dass.
de, S. 74: Auswahl des nd. Artikels auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext, Bedeutung: der.
dear me, S. 108: Auswahl des engl. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Ach herrje!
Defensor, S. 250: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 533 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: päpstlicher Hofbeamter.
Degen, S. 127, 129, 130 u.ö.: Auswahl des veralteten 615 nhd. Nomens, Quellen: Pannier Bd.
1, S. 216 (markiert); Nibelungen, S. 217 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration
in den Romantext; Bedeutung: Held.
Dekretale, S. 12: Auswahl des lat. Lehnworts 616 , Quelle: Gregorovius, S. 1506 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: päpstlicher
Entscheid.
De laudibus sanctae crucis, S. 96: Auswahl des lat. Buchtitels, Quellen: Waag, S. XV,
Baum, S. 116; Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, und anschließende Integration in den
Romantext; Übersetzung: „Über die Lobpreisungen des Heiligen Kreuzes“ des Fuldaer
Gelehrten Hrabanus Maurus, entstanden um 1830.
de legibus, S. 88, 162: Auswahl des mhd./lat. Nomens lêgibus, Quelle: Gregorius, V. 1193;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Relatinisierung (ê>e) und Ergänzung der lat. Präp. de bei
Integration in den Romantext; Übersetzung: von Gesetzen.
611
Gr. Duden Bd. 2, S. 742.
Hier in orthogr. leicht abweichendem Gewand: „Dalmatica“.
613
DWB Bd. 2, Sp. 720.
614
Duden, S. 142.
615
Duden, S. 144.
616
Gr. Duden Bd. 2, S. 776.
612
99
derrière, S. 26: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Hintern.
Deus ne volt, S. 22: In seinem Brief vom 13.04.1948 schrieb Thomas Mann an Singer: „Ich
brauche ein paar Brocken eines älteren Französisch. [...] Wie hieß »Gott will es nicht«, »Dieu
ne le veut pas«?“ 617 In seinem Brief vom 20.04.1948 antwortete Singer: „Gott will es nicht:
Deus ne volt“ 618 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext. Wilhelms
Vorschlag, den Fremdwortkomplex Deus ne volt dem Nfrz. zuzuordnen 619 , muss angesichts
der eindeutigen Quellenlage zurückgewiesen werden.
Deu vus sal, S. 21: Im Hertz´schen Tristan, S. 70, fand Thomas Mann die mhd./afrz. Form
dêû sal, die möglicherweise Impulsgeber für folgende Frage war: In seinem Brief vom
13.04.1948 schrieb Thomas Mann an Singer: „Ich brauche ein paar Brocken eines älteren
Französisch. [...] Wie lautete »Gott zum Gruß«“? In seinem Brief vom 20.04.1948 antwortete
Singer: „Gott zum Gruß heißt: Deu vus sal!“ 620 ; Übernahme in die Notizen, Bl. 2/31, und
anschließende Integration in den Romantext.
Deus dedit, S. 76: Auswahl des Papstnamens Deusdedit 621 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S.
355; Übernahme in die Notizen, Bl. -/18; Trennung des lat. Kompositums in seine einstigen
Bestandteile und Integration in den Romantext mit seinem einstigen sematischen Gehalt;
Übersetzung: Gott gab es.
dévotement, S. 28: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
ehrerbietig.
Dewwel, S. 82: Auswahl des nd. Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Teufel.
Dexterität, S. 125: Auswahl des engl. Fremdworts dexterity auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) und hybride Neubildung durch
Substitution (Suff. -ity > -ität); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Gewandtheit.
Dianasdrun, S. 90: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 244
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/28, 15/48, und anschließende Integration in den
Romantext; literarisch-fiktive Örtlichkeit aus der Artussage, Artusresidenz.
dieweil, S. 28: Auswahl der veralteten 622 nhd. Konjunktion auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
währenddessen.
617
DüD III, S. 354.
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
619
Wilhelm, S. 89.
620
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
621
Papst von 615-618.
622
Duden, S. 149.
618
100
discrete, S. 77: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutungsverschiebung: Das
lat. Adverb mit der Bedeutung ‚getrennt’ 623 wird mit der Bedeutung ‚verschwiegen’ belegt,
die eigentlich dem späteren Lehnwort diskret 624 zugehört.
Disport, S. 91, 92, 94 u.ö.: Auswahl des engl. Fremdworts to disport auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Konversion und Anpassung an
die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutungsverschiebung: sich tummeln Æ sportlicher Zweikampf.
Diversion, S. 130, 133: Auswahl des lat. Lehnworts 625 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Ablenkung, Angriff. Vgl. divertieren, S. 166.
Divination, S. 206: Auswahl des engl./frz. Lehnworts 626 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Wahrsagerei.
Divinitas, S. 88, 89: Auswahl des Prototypen 627 , Quelle: Singer/Bauer, S. 18 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: „diu kunst [...] von
der gotheit“ 628 .
divinitas, S. 110, 112, 114 u.ö.: Auswahl des mhd./lat. Nomens divînitas, Quelle: Gregorius,
V. 1187; Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Relatinisierung (î>i) bei Integration in den
Romantext; Übersetzung: Vgl. Divinitas.
divum Benedictum S. 47: Auswahl des lat. Namenskomplexes im Akk. auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; der
Heilige Benedikt (von Nursia).
Dochter, S. 78: Auswahl des nd. Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Tochter.
Doctor mellifluus, S. 242, 259: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Bernhart, S. 137
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/12, und anschließende Übernahme in den
Romantext; Ursprünglich war es Bernhard von Clairvaux, Abt und Kirchenlehrer des 12.
Jahrhunderts, der „der Mitwelt und der Nachwelt [...] als Lehrer, der von Honig fließt (doctor
623
Georges, Karl Ernst: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, aus den Quellen zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter Berücksichtigung der besten
Hilfsmittel, 2 Bde. Darmstadt 1988, Bd. 1, Sp. 2201.
624
Basler/Schulz Bd. 1, S. 147.
625
Kl. Duden, S. 103.
626
Heyse, S. 271.
627
Die Anpassung von mhd./lat. divînitas an die nhd. Orthografie (Gs. î>i) hatten Singer/Bauer bereits
vorgenommen. Ein Lehnwort Divinitas konnte nirgends nachgewiesen werden. Heyse, S. 271, kennt lediglich
die Form Divinität.
628
Gregorius, V. 1189.
101
mellifluus)“ 629 galt, bevor Thomas Mann diesen sprechenden Beinamen auf seinen
päpstlichen Protagonisten Gregorius übertrug.
Donatisten, S. 239: Auswahl des Gruppennamens, Quelle: Bernhart, S. 53 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/16, und anschließende Integration in den Romantext;
nordafrikanische christliche Gemeinschaft des 4. und 5. Jahrhunderts, deren Lehre besagte,
dass die Gültigkeit der Sakramente von der Heiligkeit der Person abhänge, die sie vollziehe.
Donjon, S. 16, 35, 42: Auswahl des frz. Lehnworts 630 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Übernahme in die Notizen, Bl. 23/56, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Wohnturm: Donjon“ 631 .
dopen, S. 79: Auswahl des nd. Verbs 632 auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: taufen.
Dram, S. 75: Auswahl des engl. Fremdworts dram auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: Schluck (im ländl.-nhd. Sinne von Schnaps).
drawen, S. 74: Auswahl des engl. Fremdworts to draw auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Hybridbildung durch Addition einer dt. Infinitivendung (-en); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: (Wasser) schöpfen.
Droh(e), S. 65, 122: Auswahl des mhd. Nomens drô, Quelle: Gregorius, V. 910; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/17, 3/30; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., ô>o) bei Integration in
den Romantext; Bedeutung: Bedrohung.
Dröhnscheibe, S. 203: Neubildung eines Kompositums auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Gong.
EEE
Ecclesia, S. 11: Auswahl des orthogr. veralteten lat. Lehnworts 633 , Quelle: Gregorovius Bd. 1,
S. 158 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
christliche Gemeinde.
Echternach, S. 11: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Baum, S. 122 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 33/66, und anschließende Integration in den Romantext;
Klosterstätte im historischen Lotharingen, heute Luxemburg.
629
Bernhart, S. 137 (markiert).
Gr. Duden Bd. 2, S. 844.
631
Not. DE, Bl. 23/56.
632
Die flektierten Formen der nd. Verben wurden an Lindow, Wolfgang: Niederdeutsche Grammatik. Leer 1998,
überprüft.
633
Heyse, S. 282.
630
102
Eckesachs, S. 15: Auswahl des Schwertnamens, Quelle: Scherer, S. 72 (markiert).
Übernahme in die Notizen, Bl. -/36: „sein Schwert hieß Eckesachs oder Werimbald“; Thomas
Mann entschied sich schließlich für ein „Schwert namens Eckesachs“ (Bl. 6/39) und
integrierte es in den Romantext; Ursprünglich handelte es sich um das Schwert des Vaters von
Rudlieb, aus dem gleichnamigen lateinischen Gedicht (um 1050). Thomas Mann überträgt
den Namen auf das Schwert des Fürsten Grimald; Sprechender Name: „Kurzschwert […]
sahs […] die Schneide heißt ecke“ 634 .
E! Deus, si forz pechiez m’appresset!, S. 40: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes,
Quelle: Auerbach, S. 114; Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, und anschließende Integration
in den Romantext; Übersetzung: „Oh Gott , wie sehr bedrängt mich die Sünde!“ 635
een, S. 74: Auswahl des nd. unbest. Artikels auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: ein, eine, eines.
Eh(e)gemahl, das, S. 139, 176: Auswahl des veralteten 636 nhd. Nomens, Quelle: Hertz, S.
391 (markiert) 637 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Ehemann. 638
Eheherr, S. 51, 54, 162 u.ö.: Auswahl des veralteten639 nhd. Nomens auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Ehemann.
Ehewirt, S. 158: Auswahl des veralteten 640 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: s.
Eheherr.
Ehr, das, S. 64: Auswahl des nhd. Nomens mit veraltetem 641 Genus auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz 642 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Vgl. das Mensch, der Rudel.
Eidam, S. 235: Auswahl des veralteten 643 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Schwiegersohn.
Einerleiheit, S. 254, 255, 256: Auswahl des veralteten nhd. Nomens auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: „das gegentheil von nichtich, dessen charakter die mannigfaltigkeit ist“ 644 .
634
Dieffenbacher, S. 92, von Thomas Mann gewiss auch gelesen, aber nicht markiert. Die Elemente ecke und
sahs sind, auch wenn hier nicht ausdrücklich vermerkt, Mittelhochdeutsch.
635
Not. DE, Bl. -/7.
636
In fnhd. Wbb. nicht nachweisbar!
637
Ehgemahl.
638
DWB Bd. 3, Sp. 42.
639
DWB Bd. 3, Sp. 44.
640
DWB Bd. 3, Sp. 51, mit Verweis auf Schiller: „mein lieber herr und ehewirt“.
641
DWB Bd. 3, Sp. 55.
642
Wimmer 1991, S. 292, nimmt an, Thomas Mann habe sich an Wagner angelehnt.
643
Duden, S. 160.
103
einstens, S. 112: Auswahl des veralteten 645 nhd. Adverbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
einst.
Eisengrein, S. 23, 24, 42 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Brief Singers vom
19.03.1948 646 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, 3/30; Übertragung auf die Figur
des höfischen Cons du chatel bei Integration in den Romantext; Sprechender Name:
Eisengrein, der eisern bleibt, obwohl die Jungfrau greint. Vgl. Eisengreinin, S. 54.
Ellender, S. 122: Auswahl des mhd. Nomens ellender, Quellen: Gregorius, V 1825; Waag, S.
131; Übernahme in die Notizen, Bl. -/17, 3/30, -/36; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.)
bei Integration in den Romantext; Bedeutung: „der ellende = der Fremde“ 647 .
eloquentia, S. 81: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Redegewandtheit.
empfahn, S. 157: Auswahl des veralteten 648 nhd. Verbs, Quellen: Pannier Bd. 1, S. 72
(markiert); Hertz, S. 115; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: empfangen.
Engelland, S. 66: Auswahl des Örtlichkeitsnamens in veralteter 649 orthogr. Form, Quelle:
Hertz, S. 125; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; England.
ennuyant, S. 139: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
langweilig, uninteressant.
entbästen, S. 33: Auswahl des fnhd. 650 Verbs, Quelle: Hertz, S. 556 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „entbesten, den Bast, die
Haut abziehen, hieß das kunstgerechte Zerwirken des Hirsches“ 651 .
entherzt, S. 49: Auswahl des mhd. Partizips entherzet, Quelle: Hertz, S. 294, der diese
unverändert aus dem mhd. Tristan, V. 11888 übernommen hatte; Synkopierung 652 (-e-); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: entmutigt,
644
DWB Bd. 3, Sp. 167.
Duden, S. 163.
646
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
647
Not. DE, Bl. -/17, 3/30.
648
DWB Bd. 3, Sp. 577: „die formen [...] schwanken allenthalben“; Aus dem Simplicissimus, S. 219, könnte
Thomas Mann die auch die Form emphahen geläufig gewesen sein.
649
DWB Bd. 3, Sp. 474; Interferenz: Simplicissimus, S. 219; Martin Luthers Briefe, in einer Auswahl hg. von
R. Buchwald, Bde. 1-2, 2. Aufl. Leipzig 1909, Bd. 1, S. 190. (TMA TM 2959: 1+2)
650
DWB Bd. 3, Sp. 492, nennt dieses Element ausschließlich in fnhd. Kontexten.
651
Hertz, S. 556.
652
DWB Bd. 3, Sp. 558.
645
104
niedergeschlagen; Maters Annahme von einer Neubildung in Analogie zu nhd. beherzt 653
muss angesichts der eindeutigen Quellenlage zurückgewiesen werden.
Entourage, S. 123: Auswahl des veralteten frz. Lehnworts 654 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Umgebung.
entschlagen, sich, S. 38, 46: Auswahl des veraltenden 655 nhd. Verbs auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: einen Gedanken aufgeben.
entsinken, S. 141: Auswahl des veralteten 656 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
entweichen, sinken.
Ephesus, S. 12: Auswahl des Örtlichkeitsnamens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; altgriechische
Stadt in Kleinasien.
Erbarmekeit, S. 183: Auswahl des mhd. Nomens erbarmekeit, Quelle: Gregorius, V. 111;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/16, -/24; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) bei
Integration in den Romantext; Bedeutung: Barmherzigkeit. Wilhelms Annahme, „daß Mann
die Form Erbarmekeit durch Zusammenziehung aus dem mhd. erbarme [...] und dem nhd.
Suffix -keit gebildet hat“ 657 , muss angesichts der eindeutigen Quellenlage zurückgewiesen
werden.
Erbarmlichkeit, S. 164: Auswahl der Formen mhd. erbarmekeit, Quelle: Gregorius, V. 111,
und nhd. Erbärmlichkeit auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung durch
Kontamination und Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: s. Erbarmekeit.
Erdmilch, S. 193: Auswahl der beiden nhd. Simplizia Erde und Milch, Quelle: Kerényi, S.
59, der sich mit der mythischen Hypothese auseinandersetzt, „die Erde habe ihre Kinder mit
eigener Milch ernährt“ (markiert); Neubildung eines Kompositums; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „Trank[,..] zuckrig-leimig“ 658 , „zur
Ernährung aus dem Stein“ 659 .
Erdsäugling, S. 194, 242: Auswahl der beiden nhd. Elemente Erde, Quelle: Kerényi, S. 46,
und Säugling auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Kompositums
in Analogie zu Erdmilch; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
653
Mater, S. 44.
Heyse, S. 300.
655
Duden, S. 168.
656
DWB Bd. 3, Sp. 624, mit Verweis auf Goethes Götz von Berlichingen.
657
Wilhelm, S. 74.
658
DE, S. 191.
659
Not. DE, Bl. -/27.
654
105
Bedeutung: mythische „Urmenschen, niedrige, kaum lebende, unfertige Wesen“ 660 , von der
„Erde [...] mit eigener Milch ernährt“ 661 .
erlugen, S. 166: Auswahl des oberdt. 662 Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: erschauen, erspähen,
es auf etw. abgesehen haben.
Erlugung, S. 166: Auswahl des oberdt. 663 Verbs. erlugen auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -ung); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: das Erschaute, Entdeckte.
erschnappen S. 11: Auswahl der ungebräuchlichen 664 Nebenform zu nhd. schnappen auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Escavalon, S. 28, Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 98, Anm. 1:
„Askalon ist aus dem französischen Escavalon, Cavalon entstellt“; Übernahme in die Notizen,
Bl. -/26: „Askalon (Escavalon)“, und anschließende Integration in den Romantext; literarischfiktive Örtlichkeit, Land des Königs Vergulacht.
Ethelwulf, S. 69, 72, 73 u.ö.: Auswahl des „old English name“ 665 , Quelle: Baum, S. 118
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, 32/65, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der Name Ethelwulf, nicht aber seine historische Identität als englischer
König des 9. Jahrhunderts, wird von Thomas Mann übernommen und auf die Romanfigur
eines Fischers übertragen.
Ethnise, S. 16: Auswahl des Örtlichkeitsnamens Ethnîse, Quelle: Pannier, Bd. 2, S. 81
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 17/50; Anpassung an die nhd. Orthografie (î>i) bei
Integration in den Romantext; literarisch-fiktives „Land im fernen Osten“ 666 .
Et tibi dabo claves regni coelorum, S. 229: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle:
Bernhart, S. 7 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/16, und anschließende Integration
in den Romantext; Übersetzung: „Ich will dir geben den Schlüssel des Reiches der
Himmel“ 667 .
Eulalius, S. 196, 197, 199: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 106
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den
Romantext; römischer Erzdiakon des 5. Jahrhunderts.
660
Kerényi, S. 63 (markiert).
Kerényi, S. 59 (markiert).
662
Duden, S. 278.
663
Duden, S. 278.
664
Gr. Duden Bd. 3, S. 1095.
665
Weigand, S. 15.
666
Pannier, Bd. 2, S. 81, Anm. 1; vgl. Not. DE, Bl. 17/50: „Land Ethnîse, im fernen Osten“.
667
Not. DE -/13; vgl. Matthäus 16, 19.
661
106
Eulalianer, S. 197: Auswahl des Personennamens Eulalius (s.o.); Neubildung eines
Gruppennamens in Analogie zu Pelagianer (s.u.); unter Umgehung der Notizen Integration in
den Romantext; Anhänger des Erzdiakons Eulalius.
Euprobus, S. 47: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 296
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, -/7, und anschließende Integration in den
Romantext; Vater des Benedikts von Nursia.
ex cathedra, S. 239: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle: Bernhart, S. 329; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: aus dem Bischofsstuhl.
Exemplum, S. 210: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 668 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Exempel, Beispiel.
FFF
Facilitäten, S. 46: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 669 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Erleichterungen.
Fahr, S. 45, 48, 117: Auswahl des mhd. Nomens vâr, Quelle: Dieffenbacher, S. 83;
Anpassung 670 an die nhd. Orthografie (Gs., â>ah); unter Umgehung der Notizen Integration
in den Romantext; Bedeutung: „gefahr ist ganz dasselbe wort“ 671 .
Faktion, S. 196: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 672 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 106
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: politische
Gruppierung.
Falda, S. 237: Auswahl des Prototypen 673 , Quelle: Bernhart, S. 350 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Bekleidungsstück, weiße
Schleppe.
Falkenier, S. 172: Auswahl der ungebräuchlichen 674 Nebenform zu nhd. Falkner auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Fallzeit, S. 72: Auswahl des engl. Simpliziums fall, Übersetzung: Herbst, und des nhd.
Simpliziums Zeit; Neubildung wahrscheinlich in Analogie zum nhd. Nomen Fällzeit; unter
668
Heyse, S. 320.
Heyse, S. 327.
670
Interferenz: In Luthers Briefen Bd. 1, S. 184, ist diese Form belegt.
671
DWB Bd. 3, Sp. 1244.
672
Duden, S. 177.
673
Die Anpassung von ital. falda an die nhd. Orthografie (Gs.) hatte Bernhart bereits vorgenommen. Ein
Lehnwort Falda ist in keinem nhd. Wörterbuch nachzuweisen.
674
DWB Bd. 3, Sp. 1271; Gr. Duden Bd. 3, S. 1164; zugleich der Jägersprache zuzuordnen.
669
107
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „jahreszeit, in der das holz
gefällt wird [...] november, december, januar“ 675 .
Faltonia Proba, S. 197: Auswahl des Namenskomplexes: Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 57
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Gattin des römischen
Patriziers Sextus Anicius Probus (s.u.). Vgl. Faltonien, S. 201; Faltonia, S. 202; Proba, S.
198.
Fama, S. 124, 239: Auswahl des lat. Lehnworts 676 , Quelle: Scherer, S. 148; unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Gerücht.
Fant, S. 145, 255: Auswahl des nd. Nomens 677 auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: junger, unreifer
Mensch.
Fanz, S. 29, 33: Auswahl des bair. 678 Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Ausdruck für „junger
bursche, kerl, der gleichwohl in einen verächtlichen [ton] übergeht“ 679 .
faux pas, S. 127: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Fehltritt.
Fehl, S. 219: Auswahl des veraltenden 680 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Fehler, Verfehlung.
fein-fein, S. 21: Auswahl des nhd. Adjektivs fein auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 681 ; Neubildung einer Bindestrichkoppelung durch Reduplikation; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; gesteigerte Bedeutung.
Feirefitz, S. 125, 126, 127 u.ö.: Auswahl des Personennamens (Feirefiß), Quelle: Pannier Bd.
1, S. 88 (markiert), Übernahme in die Notizen, Bl. -/8, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der sprechende Name Feirefitz, übersetzt: „der bunte Sohn“ 682 , nicht aber
seine literarische Identität als Halbbruder Parzivals, wird von Thomas Mann unter
Neubildung eines Namenskomplexes auf die Figur des höfischen Truchsess von Bealzenan
übertragen.
Bealzenan, 125, 126: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 289
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, -/8, 17/50, und anschließende Integration in
675
DWB Bd. 3, Sp. 1291.
Duden, S. 178.
677
Duden, S. 179.
678
Wilhelm, S. 67.
679
DWB Bd. 3, Sp. 1320.
680
Duden, S. 179: nur noch in Redewendung ohne Fehl und Tadel.
681
Interferenz: DrF, S. 306: fein-fein.
682
Pannier Bd. 1, S. 88.
676
108
den Romantext; fiktive Örtlichkeit, übersetzt: „schöne Anhöhe“ 683 , Hauptstadt des
Königreichs Anschouwe.
feixen, S. 86: Auswahl des nd. 684 Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: grinsend lachen.
Fiakrius, S. 80: Auswahl des Personennamens, Quelle: Eicken, S. 493; Übernahme in die
Notizen, Bl. -/27, und anschließende Integration in den Romantext; irischer „Heilige[r]
Fiakrius, gestorben 670 n.Chr.
Fianze, S. 139: Auswahl des mhd. Nomens fîanze, Quelle: Dieffenbacher, S. 131; Anpassung
an die nhd. Orthografie (Gs., î>i); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Sicherheit (altfranz. fiance) leistet der Besiegte dem Sieger, indem
er sich zu dessen Gefangenem erklärt“ 685 .
Fickfackerei, S. 254: Auswahl des nl. Lehnworts 686 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
unnütze Geschäftigkeit.
Fiddel-Faddel, S. 78: Auswahl der beiden engl. Slangausdrücke fiddle, Übersetzung:
Gauner 687 , und faddle, Übersetzung: Spaß 688 , auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
Neubildung einer Bindestrichkoppelung unter Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.,-le>
-el); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Gaunerei,
Betrug.
Figurierer, S. 259: Auswahl des nhd. Verbs figurieren 689 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -er); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Maler, Künstler.
fils du duc, S. 29: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Sohn des Herzogs. Vgl. fils du comte, S. 27.
Fistiköff, S. 102: Auswahl des englischen Fremdworts fisticuffs, Quelle: Roget, S. 265;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/8; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.). Der
Vokalwechsel (u>ö, statt -a-) geschah möglicherweise, um lautlich vom nhd. Kaff Abstand
nehmen zu können; anschießende Integration in den Romantext; Übersetzung: Balgerei.
Flandern-Artois, S. 65, 147, 160 u.ö.: Auswahl des beiden Örtlichkeitsnamen Flandern und
Artois, Quelle: Meyer Bd. 1, Sp. 818 (Stichwort „Flandern“), Bd. 2, Sp. 959 (Stichwort
683
Vgl. Not. DE, Bl. -/4, -/8, 16/49, 17/50.
Duden, S. 180.
685
Pannier Bd. 1, S. 69, Anm. 1 (markiert).
686
DWB Bd. 3, Sp. 1619, von nnl. fickfackerij.
687
Booth, Cheri/Gerritzen, Christian: Slang: Lexikon der englischen Umgangssprache (englisch-deutsch).
Eltville am Rhein 1989, S. 107.
688
Booth/Gerritzen, S. 102.
689
Duden, S. 182: Bedeutung: abbilden, darstellen.
684
109
„Niederlande“; Übernahme in die Notizen, 21/54; Neubildung einer Bindestrichkoppelung bei
Integration in den Romantext; fiktives „Herzogtum von Flandern-Artois, mit französischen
Einschlägen“ 690 . Vgl. Artois, S. 152.
Flann, S. 80, 83, 86 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Baum, S. 167 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 23/56, und anschließende Integration in den Romantext; Nur
der Name Flann, nicht aber seine historische Identität als „König Flann“ 691 von Britannien,
wird von Thomas Mann übernommen und auf die Figur des Fischersohnes und Milchbruders
des Gregorius übertragen.
flätig, S. 185: Auswahl des veralteten 692 nhd. Adjektivs auf Grundlage des eigenen
Wortschatzes; Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/16, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: sauber, schön, rein.
flimsig, S. 98: Auswahl des engl. Fremdworts flimsy auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; hybride Neubildung durch Substitution (Suff. -y>-ig); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: dünn, schwach.
florie, S. 30: Auswahl des Prototypen 693 Florie, Quelle: Pannier Bd. 2, S. 384; Übernahme in
die Notizen, Bl. -/24; nach Anpassung an die frz. Orthografie (Kleinschreibung) Integration in
den Romantext; Übersetzung: Blume.
Flutist, S. 15: Auswahl des frz. Fremdworts flutiste auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung durch Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., Tilg. -e); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Flötenspieler.
Forest, S. 181: Auswahl des mhd. Nomens fôrest, Quelle: Dieffenbacher, S. 9 (markiert);
partielle Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); Übernahme in die Notizen, Bl. -/16;
weitere Anpassung an die nhd. Orthografie (ô>o) bei Integration in den Romantext;
Übersetzung: Wäldchen.
frägst, S. 40: Auswahl der mundartlichen Nebenform 694 zu nhd. fragst auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Francia, S. 67: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Baum, S. 124 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 34/67, und anschließende Integration in den Romantext; „Nach
dem Stammland der Capetinger wird das ganze Reich als Francia bezeichnet“ 695 .
Franze, der, S. 30: Auswahl des stereotypisierenden Völkernamens, Quelle: Eicken, S. 207;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; „Franzmann“, Franzose.
690
DüD III, S. 351.
Not. DE , Bl. 23/56.
692
DWB Bd. 3, Sp. 1728.
693
Die Anpassung von mhd. flôrîe an die nhd. Orthografie (Tilg. Circonflexe) hatte Pannier bereits
vorgenommen. Diese Form ist weder in mhd. noch im nhd. Wbb. nachweisbar!
694
DWB Bd. 4, Sp. 50.
695
Not. DE, Bl. 34/67.
691
110
Fraue, S. 66, 147, 156: Auswahl der veralteten 696 Nebenform zu nhd. Frau, Quelle:
Nibelungen, S. 61; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Freche, S. 142: Auswahl des veralteten 697 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Verwegenheit, Dreistigkeit, Frechheit.
freien, S. 131: Auswahl des nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; polysemantische Bedeutung 698 :
befreien und freien (im Sinne von heiraten).
Freise, S. 72, 74, 76 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens freise, Quelle: Gregorius, V. 3367;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Anpassung 699 an die nhd. Orthografie (Gs.); Integration
in den Romantext; Bedeutung: Unwetter, im weitesten Sinne Gefahr.
Freite, S. 31: Auswahl des veraltenden 700 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Brautwerbung.
fresch, S. 75: Auswahl des engl. Fremdworts fresh auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an das nhd. Laut-Zeichen-System (sh>sch); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: frisch.
Fridolin, S. 14: Auswahl des Personennamens, Quelle: Baum, S. 23; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Nur der Name Fridolin, nicht aber seine historische
Identität als irischer Abt in Alemannien 701 , wird von Thomas Mann übernommen. Allerdings
kommt es zu keiner Übertragung auf eine Romanfigur. 702
frug, S. 170, 175, 228 u.ö.: Auswahl der mundartlichen703 Nebenform zu nhd. fragte,
Quelle 704 : Hertz, S. 221; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
fugamus, S. 227: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 705 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: fliehen wir!
696
DWB Bd. 4, Sp. 71. „wir pflegen heute frau einsilbig zu gebrauchen, zuweilen taucht noch fraue [...] auf“.
Weigand, Fr.L.K.: Deutsches Wörterbuch, 2 Bde. Fünfte Auflage, hrsg. von Herman Hirt. Gießen 19091910, Bd. 1, Sp. 587. (im Folgenden unter der Sigle ‚Weigand/Hirt’)
698
Mater, S. 145.
699
DWB Bd. 4, Sp. 119, kennt diese Form.
700
Duden, S. 188: nur noch in Redewendung auf die Freite gehen.
701
Rümmele, S. 402.
702
DE, S. 14.
703
DWB Bd. 4, Sp. 50.
704
Hier wäre ebenso ein Rückgriff auf die eigene Sprachkompetenz denkbar.
705
Im Kontext von Teufelshohn und Hölle ist hier das faustische „Oh homo fuge!“, Quelle: Scheible, J.(ohann)
(Hrsg.): Das Kloster. Weltlich und geistlich. Meist aus ältern deutschen Volks-, Wunder-, Curiositäten- und
vorzugsweise komischen Literatur. Zur Kultur- und Sittengeschichten in Wort und Bild, 5. Band: Die Sage vom
Faust, Stuttgart 1847, S. 136 (markiert), wiederzuerkennen. (TMA TM 3020)
697
111
Fulda, S. 10: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quellen: Bernhart, S. 96 (markiert); Meyer
Bd. 2, Sp. 440 (Stichwort „Klosterschulen“); Übernahme in die Notizen, Bl. 4/37, 33/66, und
anschließende Übernahme in den Romantext; „Das Kloster Fulda, Stiftung des Hl.
Bonifatius.“ 706
Fund(e)vogel, S. 103, 104: Auswahl des Gattungsnamens des „im märchen [...] von einem
förster auf einem hohen baume gefundenen kleinen kindes“ 707 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 708 ; Bedeutung: Findelkind.
Fundkind, S. 54, 55, 77 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens funtkint, Quelle: Gregorius, V.
1323; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.; Konstantschr. im Ausl.); Übernahme in die
Notizen, Bl. -/17, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: Findelkind.
Fundvater, S. 158, 237: Neubildung eines Kompositums auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz in Analogie zu nhd. Fundkind, Fund(e)vogel (s.o.); unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: der sich des Fundkindes annimmt.
GGG
Gabylot, S. 24: Auswahl des Prototypen 709 , Quelle: Pannier Bd. 1, S. 157 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/25, 12/45, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „kleiner Wurfspieß“ 710 .
Gaffelsegel, S. 127: Auswahl des Fachausdrucks aus der Seemannsprache 711 auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz; Übernahme in die Notizen, Bl. -/29, und anschließende
Integration in den Romantext; Bedeutung: „Gaffelsegel (Großsegel), die längs am Mast
angeschlagen sind“ 712 .
Galfried von Monmouth, S. 87: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 160;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, und anschließende Integration in den Romantext;
„Archidiaconus zu Monmouth in Wales“ 713 .
Gallus, S. 10: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 38 (markiert). Übernahme in
die Notizen, Bl. 4/37, 31/64, und anschließende Integration in den Romantext; Columbanus’
Schüler und Gründer des Klosters St. Gallen.
706
Not. DE, Bl. 4/37.
DWB Bd. 4. Sp. 540, nennt die “Kinder- und Hausmärchen”, Nr. 51.
708
Grimms Märchen bekam der junge Thomas Manns „gewohnheitsmäßig zu hören“ (XIII, S. 56).
709
Die Anpassung von afrz. gabylot an die nhd. Orthografie (Gs.) hatte Pannier bereits vorgenommen. Ein
veraltetes Lehnwort Gabylot ist in keinem nhd. Wb. nachweisbar!
710
Not. DE, Bl. 12/45.
711
Duden, S. 192.
712
Not. DE, Bl. -/29.
713
Not. DE, Bl. -/19.
707
112
Gallustinte, S. 57: Auswahl des ungebräuchlichen nhd. Nomens, Quelle: nicht ermittelbar!;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „blauschwarze bis
schwarze Tinte, die aus einem Eisensalz und Gallussäure hergestellt wird“ 714 .
Gandersheim, S. 10: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Baum, S. 123 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 6/39, und anschließende Integration in den Romantext;
Klosterstätte im ostfränk. Herzogtum Sachsen.
Ganser, S. 28: Auswahl des fnhd. Nomens, Quelle: Heil, S. 113 (markiert); Übernahme in die
Notizen, Bl. 7/40, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung:
„hustenseuche, genannt der ganser oder der bürzel“ 715 .
Garschiloye, S. 27: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 283 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/18, und anschließende Integration in den Romantext; Nur der
Name Garschiloye, nicht aber ihre literarische Identität als „Jungfrau, die mit der Gräfin
Tenabrock kam“ 716 , wird von Thomas Mann unter Neubildung eines Namenskomplexes auf
die Figur der adeligen Dame von der Beafontane übertragen.
Beafontane, S. 27: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 155;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/18, und anschließende Integration in den Romantext; fiktive
Örtlichkeit, Herkunftsbezeichnung; Übersetzung: schöne Quelle.
Gebände, S. 38, 179, 245: Auswahl des mhd. Nomens gebende, Quelle: Dieffenbacher, S. 76
(markiert); Anpassung 717 an die nhd. Orthografie (Gs., e>ä); Übernahme in die Notizen, Bl. /23, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „Kopfputz, das Gebände
[...] Jungfrauen tragen das Haar offen“ 718 .
Gebleu, S. 143: Auswahl des nhd. 719 Verbs bleuen auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Präf. Ge-) und Tilgung der
Infinitivendung; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
bleuen = schlagen, demnach soviel wie Schlägerei, Rauferei, im weitesten Sinne Zweikampf.
gebrechen, S. 51: Auswahl des veralteten 720 Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
mangeln, fehlen.
Gebürte, S. 28, 56, 114 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens gebürte, Quelle: Gregorius, V. 734;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) bei Integration
in den Romantext; Bedeutung: Abkunft.
gebürtlich, S. 137: Auswahl der veralteten 721 Nebenform zu nhd. gebürtig auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
714
Gr. Duden Bd. 3, S. 1364.
DWB Bd. 4, Sp. 1276, nennt dieses Element ausschließlich in fnhd. Kontexten.
716
Pannier Bd. 1, S. 283, Anm. 1.
717
DWB Bd. 4, Sp. 1634, kennt diese Form.
718
Not. DE, Bl. -/23.
719
Duden, S. 129.
720
Duden, S. 194.
715
113
Gedinge, S. 23: Auswahl des mhd. Nomens gedinge, Quelle: Gregorius, V. 118;
Anpassung 722 an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: Dinge.
Gedüft, S. 131: Auswahl der veralteten 723 Nebenform zu nhd. Duft auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Gefälle, S. 24: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägersprache, Quelle: Hertz, S. 556
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „das
Fällen, Abfangen, Abknicken eines Hirsches“ 724 . Vgl. fällen, S. 33.
gefriedet, S. 80: Auswahl des Partizips zum veralteten 725 Verb frieden auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: befriedigt, friedlich.
gehorsamen, S. 134, 138: Auswahl des veralteten 726 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
gehorsam sein, gehorchen.
Gejägtes, S. 24: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägesprache, Quelle: Hertz, S. 557
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Gejagtes,
Erlegtes, Wildbret. 727
gel, S. 32: Auswahl des veralteten 728 nhd. Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
gelb.
geladet, S. 156: Auswahl der mhd. Partizipialform, Quelle: Gregorius, V. 678; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: geladen.
gelf, S. 82: Auswahl des mhd. Adjektivs gelph, Quelle: Gregorius, V. 3391; Anpassung 729 an
die nhd. Orthografie (ph>f); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, und anschließende Integration
in den Romantext; Bedeutung: glänzend hell, leuchtend, fröhlich.
Gelock, S. 207: Auswahl des veralteten 730 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
721
DWB Bd. 4, Sp. 1907.
DWB Bd. 4, Sp. 2025, kennt diese Form.
723
DWB Bd. 4, Sp. 2041.
724
Hertz, S. 556.
725
DWB Bd. 4, Sp. 188.
726
DWB Bd. 5, Sp. 2540, mit Verweis auf Schiller: „ich gehorsame, aber verzweifle“.
727
DWB Bd. 5, Sp. 2824.
728
DWB Bd. 5, Sp. 2878: „neben gelb geht nhd. gel ununterbrochen, in den mundarten bis heute“.
729
DWB Bd. 5, Sp. 3012, kennt diese Form.
730
DWB Bd. 5, Sp. 3045: „zu locke erst im 18. jh. gebildet“.
722
114
„anhaltendes, wiederholtes locken“ 731 , gleichzeitig kontextgebundene Anspielung auf den
Reiz einer Lockenpracht.
Gemahnung, S. 173: Auswahl des veralteten 732 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
verstärktes Mahnen, Vermahnung.
Gemensch, S. 244: Auswahl des nhd. Simpliziums Mensch auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung 733 durch Derivation (Präf. ge-) in Analogie zu nhd. Getier;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Gent, S. 29: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Meyer Bd. 1, Sp. 407 (Stichwort
„Brügge“), Sp. 818 (Stichwort „Flandern“); Übernahme in die Notizen, Bl. 21/54, und
anschließende Integration in den Romantext; Stadt in Flandern.
Gentlevolk, S. 90: Auswahl der beiden Simplizia engl. gentle und nhd. Volk auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines hybriden Kompositums in Analogie zu
gentleman und Übernahme in die Notizen, Bl. -/28: „gentleman [...] gentlevolk“; Anpassung
an die nhd. Orthografie (Gs.) bei Integration in den Romantext; Bedeutung: vornehmes,
gesittetes Volk.
gent mignote de soris, S. 21: In seinem Brief vom 08.04.1948 schrieb Thomas Mann an
Marga Bauer: „Wie würde man in einem solchen Idiom [gemeint: Afrz.] etwa ausdrücken:
»hübsches (oder niedliches) Mäusegeschlecht«?“ 734 Der Antwortbrief Marga Bauers ist
verloren. In einem Brief Samuel Singers vom 20.04.1948 erfahren wir lediglich: „Ueber das
«Mäusegeschlecht» hat Ihnen schon Frl. Bauer berichtet“ 735 , wobei es sich um oben genannte
Formulierung gehandelt haben wird, die Thomas Mann darauf in seine Notizen, Bl. -/21,
übernahm und anschließend in den Romantext integrierte. Wilhelms Rückübersetzung
Liebliches Geschlecht des Lächelns 736 mag generell nicht falsch sein, muss aber angesichts
der eindeutigen Quellenlage zurückgewiesen werden.
gescheckelt, S. 136: Auswahl der veralteten 737 Nebenform zu nhd. gescheckt auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
geseggt, S. 78: Auswahl des nd. Partizips auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: gesagt.
Gespons, S. 32: Auswahl des veralteten 738 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Gatte, Ehepartner.
731
DWB Bd. 5, Sp. 3045.
DWB Bd. 5, Sp. 3159.
733
Diese Form ist in keinem nhd. Wb. nachweisbar!
734
DüD III, S. 353.
735
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
736
Wilhelm, S. 81.
737
DWB Bd. 5, Sp. 3837.
738
Duden, S. 201.
732
115
gestäupt, S. 219: Auswahl des veralteten 739 nhd. Partizips (von stäupen) auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz 740 ; Impuls gab möglicherweise Heil, S. 132 (markiert), wo er
folgende Textstelle fand: „Gewöhnlich aber strafte man die leichteren Vergehen durch
öffentliches Auspeitschen mit Ruten, wobei man den Übeltäter zuweilen an einer besonderen
Säule, der Staupsäule, festband.“; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: (mit Ruten) geschlagen, gezüchtigt.
getrösten, S. 34, 42, 176 u.ö.: Auswahl des veralteten 741 nhd. Verbs auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: sich trösten.
gewaere, S. 33, 34, 183: Auswahl des mhd. Adjektivs, Quelle: Gregorius, V. 1020;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/16, und anschließende Integtation in den Romantext;
Bedeutung: aufrichtig, zuverlässig, treu.
Gewaffen, S. 37, 144: Auswahl des veralteten 742 nhd. Nomens, Quelle: Nibelungen, S. 241
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Waffen,
Bewaffnung.
gevitzt, S. 21: Auswahl des mhd. Partizips, Quelle: Lexer 743 , S. 290; Übernahme in die
Notizen, Bl. -/7: „vitzen, gewitzt“, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „mit künstlich eingewebten Mustern versehen“ 744 .
Geziemlichkeit, S. 126: Auswahl des veralteten 745 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Manier, rechtes Verhalten.
Gickelhahn, S. 110: Auswahl des veralteten 746 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Haushahn, in weiterem Sinne ein eitler Mensch.
Girde, S. 134: Auswahl des veralteten747 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Gier.
gire, S. 127: Da speziell diese Form mit der Endung auf -e sehr selten ist 748 , muss die
Auswahl des mhd. Adjektivs schazgîre, Quelle: Gregorius, V. 3294, angenommen werden;
739
DWB Bd. 17, Sp. 1204, mit Verweis auf Goethe: „gehangen wird er noch, zum wenigsten gestäupt“.
Interferenz: Luthers Briefe Bd. 2, S. 19.
741
Duden, S. 202.
742
DWB Bd. 6, Sp. 4742: „neueres lehnwort aus dem mittelalterlichen deutschen Sprachschatze“, Sp. 4745:
„erst den mittelalterlichen neigungen der neueren literatur verdankt das wort sein wiederaufleben.“
743
Vgl. weiter Kap. 4.2.
744
Laut Kl. Lexer, S. 290, ein Partizip zum Verb vitzen.
745
DWB Bd. 7, Sp. 7098: „neue substantivbildung“.
746
DWB Bd. 7, Sp. 7315: „seit dem 17. jh. in dieser form bezeugt“.
747
DWB Bd. 7, Sp. 7367.
748
Nur Gr. Lexer Bd. 1, Sp. 1019.
740
116
Übernahme in die Notizen, Bl. -/2; Tilgung des ersten Simpliziums bei Integration in den
Romantext; Bedeutung: begehrend, verlangend.
Glockenschwall, S. 9, 234, 237: Neubildung eines Kompositums in Analogie zu nhd.
Glockenschall (DE, S. 9) auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: starkes Glockengeläut.
glosten, S. 167: Auswahl des schweizerdt. 749 Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
spähen, lugen.
glupen, S. 167, 168: Auswahl des „vor allem in niederdeutschen mundarten weit
verbreiteten“ Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „mit halboffenen augen einen heimlichen
blick werfen“. 750
gnaden, S. 40: Auswahl des veraltenden 751 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
gnädig sein.
Gnadensache, S. 248: Auswahl des veralteten 752 nhd. Nomens, Quelle: Gregorovius, S. 534
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „etwas als
gnade erbetenes oder gewährtes“ 753 .
gnädiglich, S. 56: Auswahl des fnhd. 754 Adverbs gnädiglich, Quelle: Benz, S. [22]
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: gnädig.
Goldmark, S. 78, 83, 84 u.ö.: Auswahl des Namens einer historischen dt. Währungseinheit
auf Grundlage des eigenen Wortschatzes; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Gozbert, S. 11, 14: Auswahl des Personennamens, Quellen: Dieffenbacher, S. 58 (markiert);
Baum, S. 114 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, und anschließende Integration
in den Romantext; „Abt v. St. Gallen“ 755 .
Graecia, S. 236: Auswahl des Örtlichkeitsnamens (Gräcia), Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 44
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/12, und anschließende Integration in den
Romantext; lat. für Griechenland.
749
DWB Bd. 8, Sp. 217.
DWB Bd. 8 , Sp. 477.
751
Duden, S. 206: nur noch in Redewendung Gnade dir Gott.
752
DWB Bd. 8, Sp. 585, mit Verweis auf Goethe.
753
DWB Bd. 8, Sp. 585.
754
DWB Bd. 8, Sp. 609: „frühnhd. gnädiglich; […] seit dem 17. jh. ist nur noch gnädig [...] in gebrauch“.
Zusätzlicher Impuls für diese Auswahl könnte von der mhd. Form genaedeclîch, Quelle: Gregorius, V. 3164,
ausgegangen sein.
755
Not. DE, Bl. -/19.
750
117
Grammatica, S. 89: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 756 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Grammatik.
grammatica, S. 110, 112, 228: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Grammatik.
Grammaticus, S. 88: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 757 , Quelle: Singer/Bauer, S. 18
(markiert); die Anpassung der lat./mhd. Form gramâticus, Quelle: Gregorius, V. 1183,
Notizen, Bl. -/17, an die nhd. Orthografie (Gs., â>a, m>mm) hatten Singer/Bauer bereits
vorgenommen; anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung: Grammatiker.
graß, 177, 178, 179, 186: Auswahl des veralteten 758 nhd. Adjektivs auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: schrecklich, fürchterlich, entsetzlich.
grausamlich, S. 40: Auswahl der fnhd. 759 Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
grausam.
Gregorius, S. 79, 81, 89 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quellen: Gregorius (Titel der
Rezeptionsvorlage); Scherer, S. 67 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 1/33, 2/34,
3/35, und anschließende Integration in den Romantext; Mit dem Namen Gregorius übernahm
Thomas Mann auch die Grundzüge der Figur des guten Sünders, über die er sich in Scherers
Literaturgeschichte weiter informierte.
Gregor, S. 111, 159, 239 u.ö.: Auswahl des Papstnamens, Quelle: Meyer Bd. 2, Sp. 44
(Stichwort „Gregor(ius)“); Übernahme in die Notizen, Bl. 2/34: „Gregor der Große [...]
Gregor der VII. [...]“; Thomas Mann hatte sich die Frage gestellt, wo sein Protagonist als
Papst „historisch zu lokalisieren“ 760 sei, und war in Meyers Lexikon auf mehrere Päpste
dieses Namens gestoßen. Thomas Mann überträgt letztlich nur den „nackten“ Papstnamen auf
seinen Protagonisten Gregorius.
Gregorjus, S. 76, 84, 87 u.ö.: Auswahl des Personennamens Grêgôrjus, Quelle: Gregorius,
V. 1136; Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Anpassung an die nhd. Orthografie (ê>e, ô>o);
bei Integration in den Romantext; Diese Namensform wird auf zwei Figuren des Romans
übertragen: Zum einen auf den Protagonisten Gregorius (oder auch Grigorß), zum zweiten
auf den Abt und Ziehvater desselben, der an anderer Stelle 761 wiederum auch mit der Form
Gregorius benannt wird.
756
Basler/Schulz Bd. 1, S. 252, wonach im 15. und 16. Jh. noch häufig die lat. Form gebraucht wurde.
DWB Bd. 8, Sp. 1805: „bis über die mitte des 18. jhs. hinaus nur die lateinische form“; Heyse, S. 380.
758
DWB Bd. 8, Sp. 2014, mit Verweis auf Schiller und Goethe.
759
DWB Bd. 8, Sp. 2206: „seit dem 14. jh. bezeugte weiterbildung zu grausam“, später „nur noch dünn in einer
qualitätsarmen bedeutung“.
760
Not. DE, Bl. 2/34.
761
DE, S. 67, 68: „Abt Gregorius“.
757
118
Grigorß, S. 81, 83, 86 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 238
(markiert), Übernahme in die Notizen, Bl. -/17, -/18; -/34, und anschließende Integration in
den Romantext; Nur der Name Grigorß, nicht aber seine literarische Identität als König von
Ipotente, wird von Thomas Mann übernommen und auf den Protagonisten Gregorius
übertragen, der „gewöhnlich und für den Alltag Grigorß genannt“ 762 wurde. Vgl. CredemiGrigorß, S. 86.
Grimald, 15, 16, 17 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Dieffenbacher, S. 58
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/5, -/8, -/19, -/36, und anschließende Integration in
den Romantext; Nur der Name Grimald, nicht aber seine historische Identität als Abt des
Klosters von St. Gallen, wird von Thomas Mann übernommen und auf die Figur des
Großvaters Gregorius übertragen.
grimm, S. 143, 219, 239: Auswahl des veralteten 763 nhd. Adjektivs, Quelle: Nibelungen, S.
230, 231 (beide markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: grausig, furchtbar, schrecklich.
Großkind, S. 243: Auswahl des veralteten 764 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Enkelkind.
Gudula, S. 243, 244, 247 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Brief Singers vom
19.03.1948 765 ; Übernahme in die Notizen, Bl. -/7; Übertragung auf die Figur der Gehilfin der
büßenden Sibylla bei Integration in den Romantext.
Gurvenal, S. 23, 24, 42 u.ö.: Auswahl des afrz. Nomens gurvenal, Quelle: Pannier Bd. 1, S.
174, Anm. 2 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4: gurvenal; Anpassung an die nhd.
Orthografie (Gs.) innerhalb der Notizen, Bl. -/25: Gurvenal, und anschließende Integration in
den Romantext; Übersetzung: „gurvenal = Erzieher“ 766 .
Gutheit, S. 93: Auswahl der ungebräuchlichen Nebenform zum nhd. „konkurrenzwort
güte“ 767 auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext.
Guverjorß, S. 15: Auswahl des Pferdenamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 238 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 15/48, und anschließende Integration in den Romantext; Nur
der Name Guverjorß, nicht aber die literarische Identität als Roß des Klamidê, wird von
Thomas Mann übernommen und auf die Figur von Grimalds „kastilianisch Leibroß“
übertragen.
762
DE, S. 81.
DWB Bd. 9, Sp. 340: Spätestens „im 18. jh. ist es in gefahr, der concurrenz [seiner Ableitung grimmig] zu erliegen“. Siehe auch Baufeld, S. 115.
764
DWB Bd. 9, Sp. 551, mit Verweis auf Tieck.
765
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
766
Not. DE, Bl. 12/45.
767
DWB Bd. 9, Sp. 1431.
763
119
Gylstram, S. 16: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier, Bd. 1, S. 41 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 7/40, und anschließende Integration in den Romantext;
„Gylstram: im fernsten Westen zu denkende Örtlichkeit“ 768 .
HHH
Habeo tibi aliqua secreta dicere. Robustissimus in corpore sum, saepe propterea in
temptationibus Diaboli succumbo. S. 11: Auswahl der lat. Fremdwortkomplexe Habeo tibi
aliqua secreta dicere [...] robustus in corpore sum, Quelle: Gesta Bd. 2, S. 303 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 25/58: Habeo tibi aliqua secreta dicere[.] Robustus in
corpore; kontextbezogene grammat.-syntakt. Umbildung: robustus in Superlativ und
Ergänzung des Rests; Übersetzung: Ich habe dir etwas Geheimes zu sagen. Mein Körper ist
sehr stark, weswegen ich oft den Versuchungen des Teufels erliege.
Haber, S. 142: Auswahl des bair./schweizerdt. 769 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 770 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Hafer.
habetis Papam, S. 199, 206: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes habemus Papam! auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz 771 ; kontextbezogene grammat. Umbildung von der
ersten in die zweite Person plural; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Ihr habt einen (neuen) Papst!
Hadrian, S. 196: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 58 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; römischer Kaiser 117-138 n.Chr.
Halap, S. 16: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 48 (markiert);
Übernahme in die Notizen , Bl. 8/41, und anschließende Integration in den Romantext; der
„hiesige Name für die syr. Stadt Aleppo“ 772 .
halig, S. 78: Neubildung eines Adjektivs durch Derivation (Suff. -ig) auf Grundlage des nd.
Verbs halen; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
arbeitsam, erbötig.
hälpig, S. 78: Neubildung eines Adjektivs durch Derivation (Suff. -ig) mit Umlaut (e>ä) auf
Grundlage von nd. helpen; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: behilflich, fleißig.
Halsberg(e), S. 90, 143: Auswahl des veralteten 773 nhd. Nomens, Quelle: Pannier Bd. 1, S.
88 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/28, 1/32, 9/42, 16/49, und anschließende
768
Pannier Bd. 1, S. 41, Anm. 3 (markiert); vgl. Not. DE, Bl. 7/40.
DWB Bd. 10, Sp. 78. „süddeutsch ist die form mit inlautendem b“.
770
Impuls gab möglicherweise der mhd. ranft von haberbrôte, Quelle: Gregorius, V. 2892, der sich schließlich
auch in den Notizen, Bl. -/16, -/17, wieder findet.
771
Wilhelm, S. 106: „feste Formel der Papstwahl-Verkündung“.
772
Pannier Bd. 1, S. 48, Anm. 1; Notizen, Bl. 8/41: „Halap (Aleppo)“.
773
DWB Bd. 9, Sp. 258: „seit dem 18. jahrh., wohl zuerst durch ritterromane, erneuert“.
769
120
Integration in den Romantext; Bedeutung: „Halsberge: Panzerhemd aus Stahlringen, urspr.
bes. zum Schutz von Hals und Schultern“ 774 .
Hamen, S. 209: Auswahl des Fachausdrucks aus der Fischersprache, „das seine rechte heimat
in Nieder- und Mitteldeutschland hat“ 775 , Quelle: Meyer 1, Sp. 812 (Stichwort „Fischerei“);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: Fanggarn, Schleppnetz, nicht etwa Haken, wie Wilhelm 776 fälschlicherweise
mutmaßt.
Hanegiff, S. 27, 35, 36 u.ö.: Auswahl des Hundenamens, Quelle 777 : Gesta Romanorum Bd. 2,
S. 294 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/24, 25/58, und anschließende Integration
in den Romantext; Hanegiff stellt keine Anleihe bei einer bestimmten in der Literatur
bekannten Hundefigur dar. Thomas Mann hat sich schlichtweg bei einer im Anhang der Gesta
vorgefundenen Liste „Deutsche Hundenamen“ 778 bedient.
Hanki-Panki, S. 103: Auswahl des engl. Slang-Ausdrucks 779 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: falsches Spiel, Betrug.
Hantierung, S. 168, 211, 237: Auswahl des veralteten780 nhd. Nomens auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz 781 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: „in freierem sinne jede beschäftigung, die um gewinnes oder lebensunterhaltes
willen dauerhaft betrieben wird“ 782 .
Häretiker, S. 241: Auswahl des gr. Lehnworts 783 , Quelle: Bernhart, S. 45, 54 (beide
markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: Ketzer.
Häresie, S. 241: Auswahl des gr. Lehnworts 784 , Quelle: Bernhart, S. 45 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Ketzerei.
Harnasch, S. 140: Auswahl des mhd. Nomens harnasch, Quellen: Dieffenbacher, S. 85;
Gregorius, V. 1725; Anpassung 785 an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Harnisch, Rüstung.
774
Not. DE, Bl. 9/42.
DWB Bd. 10, Sp. 306.
776
Wilhelm, S. 73.
777
DüD III, S. 405: Thomas Mann irrt sich, wenn er sagt: „Den Namen Hanegiff habe ich, glaube ich, nicht aus
den »Gesta Romanorum«.“ Er entnahm diesen zusammen mit anderen Hundenamen J.G.Th. Grässes
Übersetzung der Gesta Romanorum, wie Wysling an den Notizen zum „Erwählten“, Blatt 25, nachweisen
konnte (DüD III, S. 405, Anm. 219).
778
Not. DE, Bl. 25/58.
779
Booth/Gerritzen, S. 147.
780
DWB Bd. 10, Sp. 470.
781
Interferenz: Simplicissimus, S. 57: „Was ist dann deine Hantierung?“
782
DWB Bd. 10, Sp. 470.
783
Kl. Duden, S. 159.
784
Kl. Duden, S. 159.
785
Götze, S. 116, und Baufeld, S. 121 kennen diese Form.
775
121
Haspengau, S. 31, 110: Auswahl des Örtlichkeitsnamens Haspengouwe, Quelle: Gregorius,
V. 1576; Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Anpassung des mhd. Simpliziums -gouwe Æ
-gau an die nhd. Orthografie (s. Hennegau) bei Integration in den Romantext; Landstrich im
historischen Lotharingen, heute Belgien.
Haugen, S. 72: Auswahl des Völkernnamens, Quelle: Baum, S. 19; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; germanischer Volksstamm, der im 5. Jahrhundert von
Britenfürst Vortigern gegen die Pikten geführt wurde. 786
hawt, S. 78: Auswahl des nd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: (Ihr) habt.
hebben, S. 74: Auswahl des nd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: haben.
Hebemutter, S. 59: Auswahl des veralteten 787 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Hebamme.
Heikligkeit, S. 33: Auswahl des veralteten nhd. Adjektivs heiklig auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -keit); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: heikle, d.h. nicht unproblematische
Angelegenheit.
heirätig, S. 31: Diese Form ist nirgends belegbar! Mater 788 nimmt eine Neubildung in
Anlehnung an die Wortbildungsweise der Goethezeit an; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: im heiratsfähigen Alter, mannbar.
hélas, S. 30: Auswahl des frz. Exklamation auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: ach!, oh weh!
Helfenbein, S. 57, 112, 131 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens helfenbein, Quelle: Gregorius,
V. 722; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen Integration in
den Romantext; Bedeutung: Elfenbein.
Hellebardier, S. 250: Auswahl des nhd. Nomens, Quelle: Heil, S. 133; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Die Hellebarde ist eine „Hieb- und
Stoßwaffe des Mittelalters“, der Hellebardier also ein „mit der Hellebarde Bewaffneter“. 789
Heller, S. 111, 115: Auswahl des Namens einer historischen790 dt. Währungseinheit,
Quelle 791 : Hertz, S. 133; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
786
Baum, S. 19.
DWB Bd. 10, Sp. 720.
788
Mater, S. 144.
789
Duden, S. 218.
790
Duden, S. 218: nur noch in Redewendung auf Heller und Pfennig.
791
Interferenz: Luthers Briefe Bd. 1, S. 203; Schwänke, S. 109; Simplicissimus, S. 153.
787
122
Helvetien, S. 14: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Baum, S. 17; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; veraltet für Schweiz 792 , von lat. Helvetia.
Hengist, S. 65: Auswahl des Personennamens, Quellen: Pannier, Bd. 1, S. 25 (markiert);
Hertz, S. 579 (markiert); Zürcher Zeitung, Fernausgabe Nr. 211 793 ; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Nur die Form Hengist, nicht aber seine historische
Identität als „germanischer Seekönig“ 794 , wird von Thomas Mann übernommen. Dieser Form
wird der Eigennamenstatus abgesprochen und als formale Alternative zum deutschen Nomen
und Schimpfwort Hengst (für eitlen Mann) benutzt. Impuls zu diesem Brückenschlag könnte
die mhd. Form hengest gegeben haben, die „noch heute in Baiern nicht vergessen ist“ 795 .
Hennegau, S. 31, 110: Auswahl des Örtlichkeitsnamens Henegouwe, Quelle: Gregorius, V.
1575; Übernahme in die Notizen, Bl. -/17: Hengouwe; orthogr. Anpassung (n>nn; -gouwe Æ
-gau) des Elements an seine nhd. Form (s. Haspengau) bei Integration in den Romantext;
Landstrich im historischen Lothringen, heute Belgien.
Herbigkeit, S. 57: Auswahl der ungebräuchlichen 796 Nebenform zu nhd. Herbheit auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Herodes, S. 53: Auswahl des Personennamens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; biblischer König von Idumäa 1444 n.Chr.
Herrad, S. 162, 164, 165 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Dieffenbacher, S. 71
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/15, -/36, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der Name Herrad, nicht aber ihre historische Identität als „Abtissin von
Landsperg“ 797 , wird von Thomas Mann übernommen und auf die Figur einer der beiden
Töchter des Gregorius übertragen.
Herre, S. 21, 29, 75, u.ö. Auswahl sowohl des mhd. Nomens herre, Quelle: Gregorius, V.
987, als auch der veralteten 798 nhd. Form Herre, Quelle: Hertz, S. 638 (markiert); Übernahme
in die Notizen, Bl. -/2, -/20, 5/38, lediglich der mhd. Form, während letztlich die nhd. Form
Herre in den Romantext integriert wird; Bedeutung: Herr.
Hersenier, S. 18, 90, 140 u.ö.: Auswahl des ungebräuchlichen 799 nhd. Nomens, Quelle:
Dieffenbacher, S. 84 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
792
Vgl. Stichwort „Helvetiereinöde“ im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 20 Bde. Berlin, New
York 1973-2002, Bd. 14, S. 351ff.
793
Mat. 7,39.
794
Hertz, S. 579; Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 14, S. 386ff: Hengist leitete zusammen
mit seinem Bruder Horsa im Jahre 449 die germanische Invasion Englands ein.
795
DWB Bd. 10, Sp. 985.
796
DWB Bd. 10, Sp. 1064; Laut Gr. Duden Bd. 4, S. 1749, allmählich veraltend.
797
Dieffenbacher, S. 71.
798
DWB Bd. 10, Sp. 1125: „bis auf jetzt in alterthümlichem und volksmäszigem Ausdruck [lebende] form“.
799
Die Form Hersenier ist in keinem nhd. Wb. nachweisbar, sondern einzig in kulturhistorischem Kontext zu
finden, so z.B. im Lexikon des Mittelalters, 9 Bde., hrsg. von Norbert Angermann (u.a.). München 1980-99, Bd.
4, Sp. 2182.
123
In den Notizen, Bl. -/28, 10/43, 16/49, taucht ausschließlich die Form Härsenier auf.
Bedeutung: „Kappe aus Eisenringen“ 800 , „bildet mit dem Halsberg ein Stück“ 801 .
hew, S. 86: Auswahl des nd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: (ich) habe.
hic et ubique, S. 10: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
hier und überall.
Himele, S. 22: Auswahl des mhd. Nomens himele, Quelle: Dieffenbacher, S. 145 (markiert);
Waag, S. 131 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 5/38; Anpassung an die nhd.
Orthografie (Gs.) bei Integration in den Romantext; Bedeutung: Himmel.
Hippodrom, S. 198: Auswahl des gr. Lehnworts 802 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 45; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: historisches Bauwerk
Reitbahn.
Hoax, S. 78: Auswahl des engl. Fremdworts hoax auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: übler Scherz.
hochfärtig, S. 128: Auswahl des fnhd. 803 Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
hochmütig.
Ho-he, Hoi-ho, S. 73: Auswahl der Interjektion auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 804 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext. Vgl. hoihe,
S. 74.
holden, S. 74: Auswahl des nd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: halten.
Holmgang, S. 143: Auswahl des veralteten nhd. Nomens, Quelle: Hertz, S. 580; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: altnord. Zweikampf, der
auf einem Holm, d.h. auf einer Flussinsel, ausgetragen wurde. 805
homines Petri, S. 238: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
die Männer des Petrus.
800
Not. DE, Bl. 10/43.
Not. DE, Bl. 16/49.
802
Duden, S. 223.
803
DWB Bd. 10, Sp. 1614, mit Verweis auf Luther; Baufeld, S. 129; Götze, S. 123.
804
Wimmer 1991, S. 292, nimmt an, Thomas Mann habe sich an Wagner angelehnt.
805
Weigand/Hirt, Bd. 1, Sp. 885.
801
124
homo, S. 191: Auswahl des lat. Fremdworts, Quelle: Kerényi, S. 53 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Mensch.
Hospitalität, S. 249: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 806 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Gastfreundschaft.
Houppelande, S. 117: Auswahl des frz. Lehnworts 807 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
weites, mantelartiges Übergewand das Mannes, das im 14. Jahrhundert in Burgund aufkam.
hub (an), S. 119: Auswahl der veralteten 808 nhd. Präteritalform zu nhd. anheben, Quelle 809 :
Pannier Bd. 1, S. 239 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
hucken, S. 170: Auswahl der veralteten 810 Nebenform zu nhd. hocken auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Hugebold, S. 28: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 72 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, und anschließende Integration in den Romantext; der
sagenhafte „Riese Hugebold“ 811 ; sprechender Name: (von engl. huge = riesig) riesiger Kerl.
humanus, S. 192: Auswahl des lat. Fremdworts, Quelle: Kerényi, S. 54 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: menschlich.
Humilitas, S. 180, 244, 247 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Baum, S. 116
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/5, -/9,-/29, und anschließende Integration in den
Romantext; Der Name Humilitas entstammt dem Gemäldetitel „Superbia bedroht Humilitas
und Spes“ 812 und wird von Thomas Mann auf die Figur der jüngeren Gregorius-Tochter
übertragen; spechender Name: die Demütige (von niederer Abkunft).
humus, S. 192: Auswahl des lat. Fremdworts, Quelle: Kerényi, S. 53 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Erde, Erdreich.
hürnen, S. 24: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägersprache, Quelle: Hertz, S. 556; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „das horn blasen“ 813 zum
Zeitpunkt des Gefälles 814 .
806
Heyse, S. 413.
Gr. Duden Bd. 4, S. 1874.
808
DWB Bd. 10, Sp. 721: „hub [wird] in den älteren neuhochdeutschen quellen uneingeschränkt [verwendet].
Die praeteritalform hob [...] ist von grammatikern und lexicographen des 17. jahrhunderts noch gar nicht
aufgeführt“.
809
Diese Form ist relativ verbreitet in der älteren Literatur und ebenso bei Hertz, S. 300, oder Nibelungen, S.
226, zu finden.
810
DWB Bd. 10, Sp. 1646.
811
Not. DE, Bl. -/19.
812
Baum, S. 116, Abb. 1 (markiert).
813
DWB Bd. 10, Sp. 1823.
814
Hertz, S. 556.
807
125
Hurterei, S. 25: Auswahl des mhd. Nomens hurte, Quelle: Dieffenbacher, S. 132;
Neubildung durch Derivation (Suff. -erei); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: Anrennen, Aufprall; Wilhelm nimmt hingegen an, Thomas Mann
habe „aus dem mhd. bûhurt in Analogie zu anderen nhd. Bildungen ein neues Wort [...]
geprägt“ 815 .
Hütten-Messingsch, S. 86: Auswahl der nhd. Simplizia Hütte und Messingsch, Bedeutung:
Messingsch meint „das mundartliche Hochdeutsch, das nach dem Willen der Sprecher als
Hochdeutsch gelten soll, aber durch niederdeutsche Bestandteile [...] die Herkunft des
Sprechers verrät“ 816 . Hütten-Messingsch ist die Permutation von Messinghütte – ein häufiger
Arbeitsplatz der nach Oberdeutschland gewanderten niederdeutschen Handwerksburschen. 817
Bei Thomas Mann hingegen ist nicht die Messing-, sondern die Fischerhütte gemeint.
III
id est, S. 10: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
dies bedeutet ... .
in Carrière, S. 25: Auswahl des frz. Lehnwortkomplexes in Karriere, Quelle: Dieffenbacher,
S. 134; Annäherung (K>C) an die französische Form en carrière auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: in
vollem Lauf (Reitersprache).
incidemment, S. 127: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
nebenbei.
Indulgenz, S. 232: Auswahl des lat. Lehnworts 818 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Nachsicht, Straferlass.
infulieren, S. 70: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
sich „mit dem inful, dem bischofshut, bekleiden“ 819 .
Ingesinde, S. 50, 130: Auswahl des veralteten nhd. Nomens; Quellen: Nibelungen, S. 217,
241 (beide markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Gesinde, „dienerschaft im hause eines herrn“ 820 .
815
Wilhelm, S. 39.
Wilpert, Gero von: Sprachliche Polyphonie: Sprachebenen und Dialekte, in: Ken Moulden/Gero v. Wilpert
(Hrsg.): Buddenbrooks-Handbuch. Stuttgart 1988, S. 152.
817
DWB Bd. 12, Sp. 2133.
818
Duden, S. 230.
819
DWB Bd. 10, Sp. 2113.
820
DWB Bd. 10, Sp. 2115.
816
126
In nomine Domini, S. 106: Auswahl des lat. Fremdwortskomplexes auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz 821 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Einleitung zur Beichtzeremonie: „Im Namen des Herrn ... “.
In nomine suo benedico vos, S. 214: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: In seinem Namen segne ich euch!
insonders, S. 26, 79, 165: Auswahl der veralteten 822 nhd. Partikel auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 823 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
besonders, insbesondere.
In te Domine speravi, S. 9: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz 824 ; Übernahme in die Notizen, Bl. 35/68, und anschließende
Integration in den Romantext; Übersetzung: An dich, Herr, habe ich geglaubt!
Inzicht, S. 232: Auswahl des veralteten 825 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„dessen einer geziehen, angeschuldigt wird, beschuldigung“ 826 .
irezen, S. 184: Auswahl des mhd. 827 Verbs, Quelle: Dieffenbacher, S. 144; Übernahme in die
Notizen, Bl. 5/38, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „Anrede mit
,Ihr’, irezen“ 828 . Maters 829 Annahme von einer Neubildung in Analogie zu nhd. siezen muss
angesichts der eindeutigen Quellenlage zurückgewiesen werden.
is, S. 74, 75, 78 u.ö.: Auswahl des nd./engl. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
(er/sie/es) ist.
Ite, missa est!, S. 131: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 830 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Entlassungsruf des Priesters am Ende der heiligen Messe: Geht, die Messe ist
(vorbei)!
821
Interferenz: Luthers Briefe Bd. 2, S. 86; Der Hexenhammer (Malleus Maleficarum). Von Jak. Sprenger und
Henricus Institoris. – Colonia 1494. – Übertr. J.W.R. Schmidt, Teil I-III, 1906, Bd. 1, S. XVII. (TMA TM 2858:
1-3)
822
DWB Bd. 10, Sp. 2144, mit Verweis auf Klopstock.
823
Interferenz: DrF, S. 657.
824
Psalm 30,2.
825
DWB Bd. 10, Sp. 152, mit Verweis auf Mommsen.
826
DWB Bd. 10, Sp. 152.
827
Lexer Bd. 1, Sp. 1449.
828
Not. DE, Bl. 5/38.
829
Mater, S. 144.
830
Interferenz: Quelle: Simplicissimus, S. 360.
127
Itewize, S. 183: Auswahl des mhd. Nomens itewîz, Quelle: Gregorius, V. 1369; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/2831 ; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., î>i, z>tz) bei Integration in
den Romantext; Bedeutung: Schmähung.
JJJ
jamais, S. 66, 122: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext, Übersetzung:
niemals.
jambelieren, S. 26, 91: Auswahl des mhd. Verbs schambelieren, Quelle 832 : Hertz, S. 550
(markiert). In den Hertz’schen Kommentaren fand Thomas Mann dazu folgende Information:
„schambelieren (aus dem französischen jambeler von jambe)“ 833 . Die hier dargelegte
etymologische Verbindung zu afrz. jambeler veranlasste ihn zu einer Neubildung durch
„Reromanisierung“ (sch->j-) des mhd. Wortes; unter Umgehung der Notizen Integration in
den Romantext; Bedeutung: „dem Roß die Schenkel geben“ 834 .
Jeschute, S. 166, 167, 168 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 159;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/18, -/36, und anschließende Integration in den Romantext;
Nur der Name Jeschute, nicht aber ihre literarische Identität als Herzogin von Lalander, wird
von Thomas Mann übernommen und auf die Figur einer Magd übertragen.
Jesum, S. 70: Auswahl des Personennamens im lat. Akkusativ, Quelle: Waag, S. 132
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Jesus Christus.
jetzo, S. 59: Auswahl der veralteten 835 Nebenform zu nhd. jetzt, Quelle 836 : Gregorovius Bd.
1, S. 61; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
ji, S. 79: Auswahl des nd. Personalpronomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext, Bedeutung: ihr.
Judices, S. 237: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 837 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 488
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Richter.
Jungeling, S. 131: Auswahl des mhd. Nomens jungelinc, Quelle: Gregorius, V. 519;
Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., Konstantschr. im Auslaut c>g); unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Jüngling.
831
Hier mit nachträglich angefügtem Circonflexe.
Dieffenbacher, S. 128 (markiert): sambelieren.
833
Hertz, S. 550.
834
Hertz, S. 550.
835
DWB Bd. 10, Sp. 2315: „die form jetzo ist eine junge. nach einer bemerkung SCHOTTELS ist sie 1663 noch
nicht vorhanden.“
836
Interferenz: Simplicissimus, S. 98, 171; Scheible, S. 108.
837
Heyse, S. 473.
832
128
jung-jung, S. 22, 157: Auswahl des nhd. Adjektivs jung auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung einer Bindestrichkoppelung durch Reduplikation; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; gesteigerte Bedeutung.
Juvenil, S. 130: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 838 ; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Jugend(licher), Jüngling.
KKK
Kalamität, S. 235: Auswahl des lat. Lehnworts 839 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Unglück.
Kalzidon, S. 18: Auswahl des Prototypen 840 , Quelle: Pannier, Bd. 2, S. 378 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 18/51, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „Wunderkräftige Edelsteine: [...] Kalzidon“ 841 .
Kämpe, S. 124: Auswahl des nd. 842 Nomens, Quelle: Hertz, S. 130; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Kämpfer. 843
Kandelaber, S. 198: Auswahl des frz. Lehnworts 844 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 860
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Armleuchter.
Kanvoleis, S. 17: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 91 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/26, 9/42, 10/43, und anschließende Integration in den
Romantext; literarisch-fiktive Örtlichkeit, Hauptstadt des Königreichs Waleis.
Karolingen, S. 66: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 118
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 11/44, und anschließende Integration in den
Romantext; „Kärlingen, Karolingen: im Mittelalter die deutsche Bezeichnung für
Frankreich“ 845 .
kastigieren, S. 22: Auswahl des veraltenden 846 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 847 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Kasteiung, Züchtigung. Vgl. Kastigierung, S. 22, 63, 124.
838
Heyse, S. 477.
Duden, S. 240.
840
Die Anpassung von mhd. kalzidôn an die nhd. Orthografie (Gs., ô>o) hatte Pannier bereits vorgenommen.
841
Not. DE, Bl. 18/51.
842
DWB Bd. 10, Sp. 136: „ein nd. wort, dessen hochd. form kämpfe schon lange verschollen ist; im
dichterischen und rednerischen gebrauch ist dafür diese nd. form nhd. eigenthum geworden“.
843
Duden, S. 240.
844
Duden, S. 241.
845
Not. DE, Bl. 11/44.
846
Laut Gr. Duden Bd. 5, S. 2074, heute veraltet.
847
Interferenz: Simplicissimus, S. 358: castigiren.
839
129
Kauert, S. 97: Auswahl des nhd. Verbs kauern auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
Neubildung eines Nomens durch Derivation (-t, vgl. Bankert); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Angsthase, Drückeberger. Vgl. Pfaffen-Kauert, S.
97.
Kaufgeld, S. 210: Auswahl des veralteten 848 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„geldsumme, die bei einem kauf zu entrichten ist“. 849
Kecklichkeit, S. 143: Auswahl der veralteten nhd. Nomens 850 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Frechheit, kesse Tat.
keen, S. 74, 86: Auswahl des nd. Indefinitpronomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
kein.
keiserlich, S. 53, 187: Auswahl des mhd Adjektivs keiserlich, Quelle: Hertz, S. 547;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, -/16, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: herrlich, stattlich, „in allgemein lobender Bedeutung“ 851 .
Kemenate, S. 35, 43, 51 u.ö.: Auswahl des lat. Lehnworts 852 , Quellen: Hertz, S. 560; Meyer
Bs. 1, Sp. 427 (Stichwort „Burg“); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Kemenate, kemenâte [...]: jeder heizbare Wohnraum, besonders
Schlafzimmer und Frauengemach“ 853 .
Kepha, S. 222: Auswahl des Prototypen 854 , Quelle: Bernhart, S. 13 (markiert); Übernahme in
die Notizen, Bl. -/12, -/16, und anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung:
„Kepha, der Fels“ 855 .
Kiddens, S. 78: Auswahl des engl. Fremdworts kid auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung einer hybriden Pluralform (-en, -s); unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Kinder.
Kilian, S. 10, 11: Auswahl des Personennamens, Quelle: Baum, S. 23 (markiert); Übernahme
in die Notizen, Bl. 31/64, und anschließende Integration in den Romantext; „Bischof
Kilian“ 856 , irischer Missionar im östlichen Frankenreich.
848
DWB Bd. 11, Sp. 332, mit Verweis auf Stieler.
DWB Bd. 11, Sp. 332.
850
DWB Bd. 11, Sp. 380.
851
Not. DE, Bl -/4.
852
Duden, S. 246.
853
Hertz, S. 588.
854
Die Anpassung von gr. kepha an die nhd. Orthografie (Gs.) hatte Bernhart bereits vorgenommen. Ein
Lehnwort Kepha ist in keinem nhd. Wörterbuch nachweisbar!
855
Not. DE, Bl. -/12.
856
Not. DE, Bl. 31/64.
849
130
Kimmerier, S. 202: Auswahl des Völkernamens, Quelle: nicht ermittelbar! Bei Baum, S. 17
findet sich lediglich die Form Kimbern, bei Herz, S. 596 die Form Kymren, die verkürzt
(„Kymr.“) in die Notizen, Bl. 29/62, übernommen wird; Neubildung einer orthogr. Mischform
durch Kontamination bei Integration in den Romantext; mythisches Volk aus den Dichtungen
Homers, bei Thomas Mann möglicherweise mit den Briten 857 gleichzusetzten.
Klamidê, S. 27: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 211, Anm. 3
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/18, -/25, 14/47, und anschließende Integration in
den Romantext; Nur der sprechende Name Klamidê, „bei Chrestien Clamadex, d.h. rufe
Gott“ 858 , nicht aber seine literarische Identität als König von Iserterre, wird von Thomas
Mann unter Neubildung eines Namenskomplexes auf die Figur des fils du comte Ulterlec
übertragen.
fils du comte, S. 27: Auswahl des frz. Fremdwortkomlexes fils du comte, Quelle: Pannier Bd.
1, S. 118; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Sohn des
Grafen.
Ulterlec, S. 27: Auswahl des Örtlichkeitsnamens Ulterlec, Quelle: Pannier Bd.1, S. 151
(markiert). Übernahme in die Notizen, Bl. -/18, und anschließende Integration in den
Romantext; literarisch-fiktive Örtlichkeit, Ulterlec: „d.h. jenseits des Sees“ 859 .
klar, S. 15: Auswahl des nhd. Adjektivs mit mhd. Bedeutungshorizent, Quelle: Pannier Bd. 2,
S. 382 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/24, 19/52: „ein Junker klar“, und
anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „Bei den mhd. dichtern heiszen edle,
ritter, [...] jungfrauen klâr“, d.h. „von schönheit strahlend, herrlich“. 860
Klaret, S. 17, 20, 21 u.ö.: Auswahl des fnhd. 861 Nomens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 272, Anm.
2 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 16/49, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „ein über Gewürz abgeklärter Rotwein, Klaret“ 862 .
Klerisei, S. 148: Auswahl des veralteten 863 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Klerus, Geistlichkeit.
Klias der Grieche, S. 32: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 360;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/28, 17/50 864 , und anschließende Integration in den
Romantext; Ritter der Tafelrunde.
knäbisch, S. 131: Auswahl des veralteten 865 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
knabenhaft, bübisch.
857
Not. DE, Bl. 22/55: „Bretagne: Sprache gehört zum Britischen (Kymr.)“.
Pannier Bd. 1, S. 211, Anm. 3 (markiert).
859
Pannier, Bd. 1, S. 151, Anm. 3.
860
DWB Bd. 11, Sp. 984.
861
DWB Bd. 11, Sp. 1002; Götze, S. 136.
862
Not. DE, Bl. 16/49.
863
Duden, S. 250.
864
Not. DE , Bl. 17/50: „der Grieche Klias“.
865
DWB Bd. 11, Sp. 1326: „seltnes, aber gutes adj. zu knabe“; in den fnhd. Wbb. nicht nachweisbar!
858
131
kneipend, S. 16: Auswahl des nd. 866 Partizips auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: kneifend.
Koinobiten-Siedelung, S. 67: Auswahl der Komposita Koinobitentum und Mönchssiedlung,
Quelle: Meyer 2, Sp. 851 (Stichwort „Mönchtum“), von denen das erste auch in die Notizen,
Bl. 24/57, übernommen wird; Neubildung eines Bindestrichkompositums durch
Kontamination bei Integration in den Romantext; Bedeutung: Mönche, die in einer Siedlung
„koinos: gemeinsam, bios: Leben“867 .
Kommoditäten, S. 126: Auswahl des veralteten 868 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Bequemlichkeiten.
Kondukt, S. 61: Auswahl des lat. Lehnworts869 auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Geleit bei
Leichenbegängnissen.
könn, S. 74: Auswahl der ugs. reduzierten Form zu nhd. können auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Konstantin, S. 16: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 2, S. 383, Anm. 3
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 26/59, und anschließende Integration in den
Romantext; römischer Kaiser 306-337 n.Chr.
Kötnerskinder, S. 81: Auswahl der nhd. Simplizia Kötner 870 und Kinder auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Kompositums; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: in einer Kate wohnende Kinder.
Konventuale, S. 67: Auswahl des lat. Lehnworts 871 , Quelle: Eicken, S. 291, Anm. 3;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: einem Konvent, einer Klostergemeinschaft Zugehörige(r).
Konversion, S. 241: Auswahl des lat. Lehnworts 872 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Religionswechsel.
866
Duden, S. 252.
Not. DE, Bl. 24/57.
868
Nur bei Weigand/Hirt Bd. 1, Sp. 1102, und im Gr. Duden, Bd. 5, S. 2195, nachweisbar. Demnach ein überaus
seltenes, veraltetes frz. Lehnwort. Erstgenanntes Wb. (TMA TM 3851: 1+2) verweist auf Grimmelshausen
(Commoditäten), der Thomas Mann bekanntlich vorlag, aber auch eine Anpassung des frz. commodité an die
nhd. Orthografie wäre denkbar.
869
Duden, S. 256.
870
Gr. Duden Bd. 5, S. 2253: Nebenform zu Kätner, der laut Grimm Bd. 5, Sp. 1888, den „inhaber einer kate“,
d.h. eines kleinen, engen Häuschens bezeichnet.
871
Gr. Duden Bd. 5, S. 2230.
872
Kl. Duden, S. 227.
867
132
Kranichköpfe, S. 16: Auswahl des Völkernamens, Quelle: Scherer, S. 95 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 27/60, und anschließende Integration in den Romantext;
fabelhaftes Volk 873 .
krank, S. 82: Auswahl des mhd. Adjektivs krank, Quelle: Gregorius, V. 2899, 2904; Irritiert
durch den ungewöhnlichen Bedeutungszusammenhang (kranke spîse) wird Thomas Mann in
in seinem mhd. Wörterbuch nachgeschlagen haben und notierte sich: „kranc: [...] gering,
schlecht“ (Bl. -/17). Schließlich fand aber nur die moderne orthogr. Form Eingang in den
Romantext.
Kränke, S. 245: Auswahl des fnhd. 874 Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Schwäche,
Mangelhaftigkeit, Krankheit.
Kredenz, S. 18: Auswahl des ital. Lehnworts 875 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Anrichte.
kriechisch, S. 96: Auswahl des mhd. Adjektivs, Quelle: Gregorius, V. 1630; Übernahme in
die Notizen, Bl. -/17, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung:
griechisch.
Krist, S. 56, 58, 63 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens Krist, Quelle: Gregorius, V. 785; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Christ, in engerem Sinne
Jesus Christus. Vgl. kristen, S. 81; kristlich, S. 12, 32, 47 u.ö.
Kristenheit, S. 18, 28, 31 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens kristenheit Quelle: Gregorius, V.
143; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); Übernahme in die Notizen, Bl. -/17, und
anschließende Integration in den Romantext; Vgl. Komposita Kristenherz, S. 84;
Kristenstand, S. 81; Kristentum, S. 42, 56, 67.
Kristenung, S. 79, 81: Auswahl des mhd. Nomens Krist, Quelle: Gregorius, V. 785;
Neubildung durch Derivation (Suff. -en, -ung) in Analogie zu engl. christening 876 ; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Taufe.
Künder, S. 134: Auswahl des veralteten 877 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Verkünder.
Kunkel, S. 217: Auswahl des schweizerdt. 878 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Spindel.
873
Not. DE, Bl. 27/60: „Kämpfe mit fabelhaften Völkern: Kranichköpfe“.
Götze, S. 136.
875
Duden, S. 262.
876
Auch Wilhelm, S. 99, nimmt die englische Form als Vorbild an.
877
DWB Bd. 11, Sp. 2626: „nicht gebräuchlich“, mit Verweis auf Rückert.
878
Duden, S. 264: südwestdt; DWB Bd. 11, Sp. 2653: alemannisch: elsässisch, schwäbisch, schweizerdeutsch.
874
133
kurz, S. 63: Auswahl des nhd. Adjektivs mit veraltetem Bedeutungshorizont auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: knapp, unzureichend. 879
Kurzibold von Niederlahngau, S. 27: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Scherer, S.
62 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, und anschließende Integration in den
Romantext; eigentlich Kuno 880 , Graf von Niederlahngau zur Zeit Ottos des Großen, „wegen
Kleinheit ,Kurzibold’“ 881 .
Kynewulf, S. 27; Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 43 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, -/36, und anschließende Integration in den Romantext;
Nur der Name Kynewulf, nicht aber seine historische Identität als altenglischer Schriftsteller
und Bibelübersetzer, wird von Thomas Mann unter Neubildung eines Namenskomplexes und
auf die Figur des Kurzibold von Niederlahngau übertragen.
LLL
lackadesi, S. 102: Neuschöpfung; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: eine Art Wehruf, Klagelaut.
Lad, S. 89: Auswahl des engl. Fremdworts lad, Übersetzung: Bursche; Anpassung an die nhd.
Orthografie (Gs.); Gleichzeitig liegt hier Polysemie vor, da im unmittelbaren
Textzusammenhang „ein Lad zum Gaffen“ ebensogut als „ein Lad(ung) zum Gaffen“ gelesen
werden kann.
lamenten, S. 102: Auswahl des engl. Fremdworts to lament auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Hybridbildung durch Addition einer dt. Infinitivendung (-en); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: klagen, jammern.
Lände, S. 119: Auswahl der veralteten 882 nhd. Pluralform auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Lapperei, S. 248: Auswahl des veralteten 883 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Kleinigkeit, Lappalie.
Lateranus, S. 197: Auswahl des lat. Fremdworts, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 52; unter
Umgehung der Notizen anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung: Lateran,
seit der Zeit Konstantins I. der offizielle Sitz der Päpste.
879
DWB Bd. 11, Sp. 2828.
Scherer, S. 62.
881
Not. DE, Bl. -/19, wie Thomas Mann Scherer entnahm.
882
DWB Bd. 12, Sp. 92.
883
DWB Bd. 12, Sp. 199, mit Verweis auf Schiller.
880
134
Laudes, S. 236: Auswahl des lat. Lehnworts 884 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 488 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Lobgesänge.
Lautertrank, S. 17: Auswahl des fnhd. 885 Nomens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 272 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 16/49, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „Lautertrank: ein über Gewürz abgeklärter Rotwein“ 886 .
leger, S. 42: Auswahl des frz. Lehnworts 887 auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: leicht.
légèrement, S. 24: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
leicht.
leges, S. 110, 112, 228 u.ö.: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Gesetze.
Legiste, S. 88: Auswahl des mhd./lat. Nomens lêgiste, Quelle: Gregorius, V. 1196;
Anpassung 888 an die nhd. Orthografie (Gs., ê>e); unter Umgehung der Notizen Integration in
den Romantext; Übersetzung: Rechtsgelehrter, Gesetzeskenner.
leiben, S. 98: Auswahl des veraltenden 889 Verbs auf Grundlage des eigenen Wortschatzes;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext: leibhaftig, lebendig sein.
Leichkar, S. 62: Auswahl des fnhd. 890 Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Sarg, Bahre.
Leilach, S. 61: Auswahl des mhd. Nomens lîlach, Quelle: Gregorius, V. 3460; Anpassung an
die nhd. Orthografie (Gs., î>ei), aber keine Neubildung 891 ; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Bettuch, Leintuch.
leisieren, S. 91, 135: Auswahl des mhd. Verbs, Quellen: Hertz, S. 550 (markiert);
Dieffenbacher, S. 128 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende
Integration in den Romantext; Bedeutung: „mit verhängtem, gelockertem Zügel reiten“ 892 .
l’espoirs des dames, S. 23: In seinem Brief vom 13.04.1948 schrieb Thomas Mann an
Samuel Singer: „Ich brauche ein paar Brocken älteren Französisch. [...] Wie hätte man
gesagt: »Die Hoffnung der Frauen« »l’espérance des dames«?“ 893 In seinem Brief vom
884
Duden, S. 269.
DWB Bd. 12, Sp. 388, mit Verweis auf Fleming; Götze, S. 147.
886
Not. DE, Bl. 16/49.
887
Duden, S. 226.
888
Heyse, S. 511, kennt diese Form.
889
Duden, S. 271: nur noch in Redewendung wie er leibt und lebt.
890
Götze, S. 148.
891
DWB Bd. 12, Sp. 695; Interferenz: Simplicissimus, S. 604.
892
Not. DE, Bl. -/4 .
893
DüD III, S. 354.
885
135
20.04.1948 antwortete Singer: „Ob [...] die «Hoffnung der Frauen» überhaupt vorkommt,
weiß ich nicht; das [...] würde ich mit l’espoirs des dames übersetzen“ 894 . Wilhems 895
Vorschlag, den Fremdwortkomplex l’espoirs des dames dem Nfrz. zuzuordnen, ist angesichts
der eindeutigen Quellenlage diskussionwürdig. Zwar existiert auch im Nfrz. ein Nomen
l’espoir, doch hätten Thomas Manns Französischkenntnisse 896 gewiss ausgereicht, den
korrekten Plural les espoirs bilden zu können. So hätte Wilhelm l’espoirs als afrz.
Singularform erkennen können.
leutlieblich, S. 89: Neubildung eines Adjektivs durch Kompostion der nhd. Elemente Leute
und lieblich auf Grundlage des eigenen Wortschatzes; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; polysematische Bedeutung: Es kann sowohl aktiv im Sinne von
leutliebend 897 als auch passiv, d.h. von den Leuten geliebt, interpretiert werden.
Liberius, S. 202, 203, 204 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S.
63; Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den Romantext; Nur
der Name Liberius, nicht aber seine historische Identität als Papst 898 , wird von Thomas Mann
übernommen und auf die Figur des zweiten Römers übertragen.
Lîden, S. 66: Auswahl des mhd. Nomens lîden, Quelle: nicht ermittelbar! 899 ; Anpassung an
die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Leiden, Schmerz.
lieb-liebste, S. 257: Auswahl des nhd. Adjektivs lieb auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung einer Bindestrichkoppelung durch Reduplikation; unter
Umgehung der Notizen Ingration in den Romantext; gesteigerte Bedeutung.
Lindigkeit, S. 242: Auswahl des veralteten 900 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Sanftmütigkeit.
littel bit, S. 74: Auswahl des engl. Fremdwortkomplexes little bit auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an das dt. Laut-Zeichen-System (-le > -el); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: ein wenig, ein bisschen.
Löli, S. 20: Auswahl des schweizerdt. 901 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Dummkopf, Narr.
894
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
Wilhelm, S. 89.
896
Vgl. weiter Kap. 3.1.
897
DWB Bd. 12, Sp. 849.
898
352-366 n.Chr.
899
Der Kl. Lexer, S. 126, ist hier zwar prinzipiell als Quelle möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich.
900
DWB Bd. 12, Sp. 1038, mit Verweis auf Grimmelshausen und Stieler.
901
DWB Bd. 12, Sp. 1144.
895
136
Londinium, S. 85: Auswahl des Eigennamens, Quellen: Meyer Bd. 2, Sp. 691 (Stichwort
„London“); Hertz, S. 567; Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, und anschließende Integration
in den Romantext; „London, keltische Siedelung, römisch Londinium“ 902 .
Lorsch, S. 11: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Baum, S. 122 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 33/66, und anschließende Integration in den Romantext;
ostfränkische Klosterstätte.
Löwen, S. 29, 32: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Meyer Bd. 1, Sp. 382 (Stichwort
„Brabant“), Sp. 818 (Stichwort „Flandern“); Übernahme in die Notizen, Bl. 21/54, und
anschließende Integration in den Romantext; Stadt im historischen Lothringen, heute Belgien.
Lucke, S. 74: Auswahl des engl. Fremdworts luck auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) und das nhd. Deklinationsmuster
(Dat. -e), möglicherweise in Anlehnung an die mhd. Form gelücke, Quelle: Gregorius, V. 982;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Glück.
Luder, S. 175: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägersprache auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„körper gefallener thiere [...], aas“ 903 .
Lug, S. 78: Auswahl des veraltenden 904 nhd. Nomens, Quelle: Hertz, S. 358 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Lüge, Schwindel, Betrug.
lugen, S. 58: Auswahl des oberdt. 905 Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: spähen.
Lungerer, S. 182: Auswahl des veralteten nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„lauernder, aufpassender mensch“ 906 .
lunzen, S. 118: Auswahl des nd. 907 Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz 908 ;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/17, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „lunzen, schlummern außer der Zeit“ 909 .
lurren, S. 184: Auswahl des nd. Nomens Lurre auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz.
Doch ist sich Thomas Mann offenbar der Bedeutung des Wortes nicht ganz sicher und schlägt
in seinem Exemplar 910 des DWB nach, dessen Eintrag (Bd. 6, Sp. 1313) sich im Wortlaut des
902
Not. DE, Bl. -/27.
DWB Bd. 12, Sp. 1232.
904
Duden, S. 278: nur noch in Redewendung mit Lug und Trug.
905
Duden, S. 278.
906
DWB Bd. 12, Sp. 1306.
907
DWB Bd. 12, Sp. 1310.
908
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Thomas Mann beim Nachschlagen in seinem Exemplar des DWB (vgl.
Lurre, Lurrendreyer) auch auf das Wort lunzen stieß.
909
Not. DE, Bl. -/17.
910
Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, 13 Bände. Leipzig: Hirzel 1854-1963. (TMA
TM 3850: 1-13)
903
137
Notiz-Exzerpts, Bl. -/17: „Lurre, Falsches vorgeben, Lüge“ 911 , deutlich widerspiegelt;
Neubildung eines Verbs durch Konversion (Lurre Æ lurren) bei Integration in den
Romantext; Bedeutung: lügen.
Lurrendreyer, S. 184: Auswahl des nd. Nomens, Quelle: DWB Bd. 6, Sp. 1313 912 : Direkt
unter dem Eintrag Lurre (s.o.) fand Thomas Mann das Element „lurrendreier [...]
lurrendrayer“, das er in der orthogr. Form Lurrendreyer auf sein Notiz-Bl. -/17 übernahm und
schließlich in den Romantext integrierte. Bedeutung: Wenn „Lurre [...] Lüge“ 913 meint, dann
handelt es sich, um Grimm zu folgen, um einen „fuchsschwänzer, hinterlistigen“ 914 , sprich
einen Lügner.
Lüstigkeit, S. 129: Auswahl des veralteten 915 Adjektivs lüstig auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -keit); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Lustigkeit.
lützel, S. 33, 52, 56: Auswahl des mhd. Adjektivs, Quelle: Gregorius, V. 1996, 2128;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: kaum, wenig.
Luxurei, S. 82: Auswahl des engl. Fremdworts luxury auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) und hybride Neubildung durch
Substitution (Suff. -ry > -rei) vermutlich in Anlehnung an Formen wie Völlerei und
Prasserei 916 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Luxus,
Komfort (mit leicht negativer Konnotation von Verschwendung).
MMM
ma charmante, S. 20: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
meine Bezaubernde.
Mage, S. 31, 32, 45: Auswahl des fnhd. 917 Nomens Mage, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 81
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/26, 9/42, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Mage: Blutsvervandter“ 918 , im weiteren Sinne die Gefolgschaft.
Magedein, S. 156: Auswahl des mhd. Nomens magedîn, Quelle: Dieffenbacher, S. 100
(markiert); Neubildung 919 durch Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., î>ei); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Jungfrau, Mädchen.
911
Not. DE, Bl. -/17.
Dass dieses Element nur aus dem DWB entnommen wurde, ist nicht unwahrscheinlich. Dennoch sehe ich
davon ab, das Exemplar Thomas Manns als reguläre Materialquelle nachträglich gesondert zu besprechen.
913
Not. DE, Bl. -/17.
914
DWB Bd. 12, Sp. 1314. (Diese Bandangabe bezieht sich nicht auf die dreizehnbändige Ausgabe Thomas
Manns, sondern auf die vorliegender Arbeit zugrunde gelegte!)
915
DWB Bd. 12, Sp. 1339.
916
Wilhelm, S. 91.
917
DWB Bd. 12, Sp. 1436: stirbt im 17. Jahrhundert aus; Götze, S. 154; Baufeld, S. 164.
918
Pannier Bd. 1, S. 81, Anm. 2 (markiert); vgl. Not. DE, Bl. -/26.
912
138
Maget, S. 157: Auswahl des mhd. Nomens maget, Quellen: Dieffenbacher, S. 100 (markiert);
Gregorius, V. 2446; Übernahme in die Notizen, Bl. -/20; Anpassung an die nhd. Orthografie
(Gs.) bei Integration in den Romantext; Bedeutung: Jungfrau, Mädchen.
magna parens, S. 191: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle: Kerényi, S. 54
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: die
Urmutter.
Magnetberg, S. 152: Auswahl des Namens einer sagenhaften Örtlichkeit, Quelle: Scherer, S.
95 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 27/60, und anschließende Integration in den
Romantext; „aus magnet bestehener berg der fabel, der das eisenwerk der schiffe anzieht“ 920
und den gefürchteten „Schiffbruch am Magnetberg“ 921 nach sich zieht.
Mahaute, S. 77, 78, 79 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 207
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, -/28, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der Name Mahaute, die „franz. Form für Mathilde“ 922 , nicht aber ihre
literarische Identität als Gemahlin von Gurßgrî, wird von Thomas Mann übernommen und auf
die Frau des Fischers Wiglaf übertragen.
Maiden, S. 96: Auswahl des engl. Fremdworts maiden auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 923 ; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: Jungfrau, Mädchen. Vgl. aber auch Maid, S. 26.
Maire, S. 119, 120, 124 u.ö.: Auswahl des frz. Lehnworts 924 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Bürgermeister (in Frankreich).
Mairie, S. 126, 151: Auswahl des frz. Lehnworts 925 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Bürgermeisterei, Rathaus (in Frankreich).
maisnie, S. 15: Auswahl des afrz. Fremdworts, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 174, Anm. 1
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 12/45, 15/48, und anschließende Integration in den
Romantext; Übersetzung: „maisnie: Dienerschaft, Hausgesinde, Hofstaat“ 926 .
maistre de corteisie, S. 23, 42: Auswahl der beiden afrz. Fremdworte maistre, Quelle:
Auerbach, S. 142, und corteisie, Quelle: Auerbach, S. 132; Komposition eines
919
In nhd. Wbb. nicht nachweisbar. Einzig Heinrich Heine kennt in seinem „Minnegruß“ ein wunnevolles
Magedein.
920
DWB Bd. 12, Sp. 1447.
921
Not. DE, Bl. 27/60.
922
Not. DE -/4.
923
Impuls gab möglicherweise die mhd. Form meidîn, Quelle: Dieffenbacher, S. 100 (markiert).
924
Gr. Duden Bd. 6, S. 2492.
925
Gr. Duden Bd. 6, S. 2492.
926
Not. DE, Bl. 12/45.
139
Fremdwortkomplexes; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Meister der höfischen Tugenden. 927
maistresse, S. 28: Auswahl des afrz. Nomens; Quelle: Hertz, S. 548 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: „altfr. [für] Hofmeisterin,
Erzieherin und Edeldame“ 928 .
Mange, S. 119: Auswahl des Prototypen 929 , Quelle: Pannier Bd. 1, S. 234 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/29, 15/48, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: Belagerungswerkzeug zum Schleudern von Steinen. 930
Manichäer, S. 238: Auswahl des Gruppennamens, Quellen: Bernhart, S. 58 (markiert);
Gregorovius Bd. 1, S. 112; Übernahme in die Notizen, Bl. -/13, und anschließende Integration
in den Romantext; religiöse Gemeinschaft im Rom des 5. Jahrhunderts.
Manipel, S. 237: Auswahl des lat. Lehnworts 931 , Quelle: Bernhart, S. 351 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: gesticktes Band am linken
Ärmel des katholischen Meßgewands.
mannbar, S. 28, 64, 164: Auswahl des ungebräuchlichen 932 nhd. Adjektivs auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: heiratsfähig. Vgl. Mannbarkeit, S. 30.
Mannen, S. 31, 143, 145: Auswahl der veralteten 933 Pluralform zu nhd. Mann, Quelle: Hertz,
S. 113; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Marbels, S. 86: Auswahl des veralteten 934 nhd. Nomens Marbel auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Pluralbildung (-s) nach nd. Muster; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Murmeln.
Marner, S. 76, 118: Auswahl des fnhd. 935 Nomens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 85 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 9/42, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: Schiffsherr, Schiffsführer.
marterlich, S. 33, 149: Auswahl des mhd. Adjektivs marterlîch, Quelle: Gregorius, V. 105;
Anpassung an die nhd. Orthografie (î>i), aber keine Neubildung 936 ; Übernahme in die
927
Auerbach, S. 132: „das persönliche der höfischen Tugenden“.
Hertz, S. 548.
929
Das DWB Bd. 12, Sp. 1540, führt aus, dass die Wortform durchaus noch in jüngerer Vergangenheit (17/18.
Jh.) geläufig war, allerdings nur mit der Bedeutung „grosze Glättemaschine“ für Kleidung. Erst Pannier gab
diesem ursprünglich mhd. Wort seine mittelalterliche Bedeutung „grosze schleudermaschine“ zurück.
930
Pannier Bd. 1, S. 234, Anm. 4.
931
Gr. Duden Bd. 6, S. 2505.
932
Gr. Duden Bd. 6, S. 2507.
933
DWB Bd. 12, Sp. 1554.
934
DWB Bd. 12, Sp. 1618.
935
DWB Bd. 12, Sp. 1669: aber schon nach dem 15. Jahrhundert abgestorben.
936
DWB Bd. 12, 1684.
928
140
Notizen, Bl. -/36, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: qualvoll, „von
groszer marter“ 937 .
Massilia, S. 49, 61: Auswahl des Örtlichkeitsnamens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Auf der Rückseite des am 20.04.1948 eingegangenen Briefes 938 von
Samuel Singer notierte Thomas Mann „Massilia“; lat. für Marseille, Stadt im historischen
Westfrankenreich, heute Frankreich.
materas, S. 27: Auswahl des mhd. Nomens matraz, Quelle: Dieffenbacher, S. 46 (markiert);
Neubildung durch Annäherung (z>s, Einfgg. -e-) an die it. Form materasse; unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Matratze.
Maul, S. 211, 222: Auswahl des nhd. Nomens in veralteter 939 Bedeutung auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Maulesel. Vgl. Maulpferd, S. 211; Maulschimmel, S. 213, 222, 231.
Mausersperber, S. 18, 172: Auswahl des Prototypen 940 , Quelle: Pannier Bd. 1, S. 192
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/25, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: Ein „Sperber, der die Mauser durchgemacht hat. Er sollte in der Burg
das Zeichen geben, daß ein Gast gekommen sei.“ 941
Meerstreicher, S. 103: Neubildung in Analogie zu nhd. Landstreicher auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Vagabund des Meeres.
Megedin, S. 156: Auswahl der mhd. Diminutivform megedîn, Quelle: Waag, S. 127, 132
(beide markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/20; Anpassung an die nhd. Orthografie
(Gs., î>i) bei Integration in den Romantext; Bedeutung: Magd, Jungfrau.
Meintat, S. 35, 53, 182: Auswahl des mhd. Nomens meintât, Quelle: Gregorius, V. 3971;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/7, -/16; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., â>a)
bei Integration in den Romantext; Bedeutung: „meintât: Missetat“ 942 .
Menage, S. 82: Auswahl des frz. Lehnworts 943 auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Haushalt(ung) 944 .
Mensch, das, S. 183: Auswahl des nhd. Nomens mit veraltetem 945 Genus auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz 946 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
937
DWB Bd. 12, Sp. 1684.
Mat. 7,4; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
939
DWB Bd. 12, Sp. 1796, mit Verweis auf Luther, Goethe, Wieland.
940
Im DWB Bd. 12, Sp. 1831, ist eine Form Mäusersperber nachweisbar, aber ausschließlich mit mhd.
Referenz!
941
Pannier, S. 192, Anm. 2 (markiert).
942
Not. DE, Bl. -/2.
943
Heyse, S. 552.
944
Duden, S. 288.
945
DWB Bd. 12, Sp. 2033: bis ins 17. Jh. gebräuchlich.
938
141
Menschenwitz, S. 227: Auswahl des veralteten 947 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Wissen, Weisheit, Verstand.
Messingsch, S. 87: Auswahl des veralteten nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„eine aus hochdeutsch und niederdeutsch gemischte[] sprache, [...] wie besonders die nach
Oberdeutschland gewanderten niederdeutschen handwerksburschen zu [sprechen] pflegen“948 .
Vgl. Hütten-Messingsch.
michel, S. 33, 36: Auswahl des mhd. Adverbs, Quelle: Gregorius, V. 235; Übernahme in die
Notizen, Bl. -/16, -/24, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „michel:
groß“ 949 .
Michel, S. 23: Auswahl des mhd. Adverbs michel, Quelle: Gregorius, V. 235, mit der
Bedeutung: „gross, viel“ 950 ; Übernahme in die Notizen, Bl. -/17, -/24; Anpassung (Gs.) an
den bereits bestehenden Eigennamen Michel (und damit Konversion) bei Integration in den
Romantext; humoristische Personifizierung des morgendlich erigierten Geschlechtsteils des
Protagonisten Gregorius.
Millien, S. 197: Auswahl der veralteten 951 römischen Maßeinheit, Quelle: Gregorovius Bd. 1,
S. 488 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Streckenmaß, 2 Millien = ca. 3 km.
milvische Brücke, S. 236: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius, S. 556
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, und anschließende Integration in den
Romantext; historisches Bauwerk in Rom.
min, S. 78: Auswahl des nd. Possesivpronomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
mein.
Minne, S. 37, 157, 159 u.ö.: Auswahl des veralteten 952 nhd. Nomens, Quelle: Pannier Bd. 1,
S. 106 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 11/44, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: Liebe. Vgl. Minnekrieg, S. 121, 133, 139 u.ö. (Notizen, Bl. 1/32);
Minnetraum, S. 167; minnesüß, S. 167.
946
Interferenz: DrF, 144; Quelle: Schwänke: S. 20: Hier findet sich „ein mensch, das mir ein weißbrot kaufft.“;
Quelle: Simplicissimus, S. 199: „das gute Mensch“, S. 528: „ein [...] fleißiges Mensch“.
947
DWB Bd. 12, Sp. 2075, mit Verweis auf Goethe.
948
DWB Bd. 12, Sp. 2133.
949
Not. DE, Bl. -/ 24.
950
Not. DE, Bl. -/17.
951
In keinem der nhd. Wbb. nachweisbar, aber in den Werken Seumes, Gregorovius’ und den Übersetzungen
Shakespeares.
952
Duden, S. 291.
142
minnen, S. 157, 171: Auswahl des mhd. Verbs, Quelle: Gregorius, V. 257; unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „in der alten sprache dem subst. minne
[...] angeschlossen“ 953 , demnach sinngemäß lieben.
minnig, S. 167: Auswahl des veralteten 954 nhd. Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
süß, lieblich.
Miselsüchtige, S. 244: Auswahl des mhd. Nomens miselsouht, Quelle: Dieffenbacher, S. 69
(markiert); Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., ou>u) und Derivation (Miselsucht Æ
Miselsüchtige), dadurch aber keine Neubildung 955 ; unter Umgehung der Notizen Integration
in den Romantext; Bedeutung: erkrankt sein an einer „Verdickung und Färbung der Haut, teils
in Knoten, teils in Geschwüren“ 956 .
Miserabilis, S. 180: Auswahl des lat. Fremdworts miserabilis mit der Bedeutung
‚beklagenswert’ auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines
Eigennamens durch Konversion; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Der Name Miserabilis wird auf keine der Figuren übertragen, sondern bleibt hinter den
anderen Namensvorschlägen (Stultitia) des Vaters Gregorius, wie das noch ungeborene Kind
zu nennen sei, ungenutzt.
Mißkennung, S. 160: Auswahl des veralteten 957 nhd. Verbs mißkennen auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -ung); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Verkennen, Nichterkennen.
Mittags-hora, S. 78: Auswahl der beiden Simplizia nhd. Mittag und lat. hora auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines hybriden Bindestrichkompositums; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Mittagsstunde.
Mockerei, S. 103: Auswahl des engl. Fremdworts mockery auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) und hybride Neubildung durch
Substitution (Suff. -ery > -erei); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Spott, Hohn.
monophysitisch, S. 238: Auswahl des Gruppennamens Monophysiten, Quellen: Bernhart, S.
62, 63; Gregorovius Bd. 1, S. 112; Konversion und Übernahme in die Notizen, Bl. -/13, und
anschließende Integration in den Romantext; der christlichen Glaubensgemeinschaft des 5.
Jahrhunderts, die der Ansicht war, dass Christus nur eine Physis habe, zugehörig.
moquant, S. 64: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: spöttisch.
953
DWB Bd. 12, Sp. 2244.
DWB Bd. 12, Sp. 2245, mit Verweis auf Tieck.
955
Baufeld, S. 171: miselsüchtiger = aussätziger.
956
Dieffenbacher, S. 70.
957
DWB Bd. 12, Sp. 2300.
954
143
Morhold (von Irland) S. 13: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 79
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der Name Morhold, nicht aber seine literarische Identität als Verbündeter des
Königs von Schottland, wird von Thomas Mann übernommen und auf die mönchische
Erzähler-Figur Clemens der Ire übertragen, der vor seiner Weihe so geheißen haben will;
Sprechende Name: der aus dem (irischen) Moor Stammende; laut Erzähler 958 Ausdruck einer
vergangenen wilden und heidnischen Existenz.
Moses, S. 241: Auswahl des Personennamens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Gesetzgeber des Alten
Testaments.
Muhl, S. 78: Auswahl des nd. Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Maul.
Muntwalt, S. 248: Auswahl der ungebräuchlichen 959 nhd. Nomens, Quelle: Dieffenbacher, S.
107 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „Der
Mann ist der Muntwalt der Frau; er hat sie in allen Rechtssachen zu vertreten.“ 960
musivisch, S. 237: Auswahl des gr. Lehnworts 961 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 24, 60, 184;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: mosaikartig.
NNN
Nägelein, S. 125: Auswahl des nhd. Nomens mit fnhd. 962 Bedeutung auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: „die als knospe gebrochene und getrocknete blüte des würznelkenbaumes, die
gewürznelke“ 963 .
nebstbei, S. 40, 56: Auswahl der ungebräuchlichen 964 Nebenform zu nhd. nebenbei auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Necessitäten, S. 126: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 965 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Notwendigkeit.
Nen frais pas. J’en duit. Fail le! Manjue, ne sez que est. Pernum ço bien que nus est
prest. Est il tant bon ? Tu le saveras. Nel poez saver sin gusteras., S. 37: Auswahl des afrz.
958
DE, S. 13.
Nur in kulturhistorischem Kontext zu finden.
960
Dieffenbacher, S. 105 (markiert).
961
Gr. Duden Bd. 6, S. 2663.
962
DWB Bd. 13, Sp. 265, mit letztem Nachweis bei Stieler; Götze, S. 158.
963
DWB Bd. 13, Sp. 265.
964
DWB Bd. 13, Sp. 495; laut Gr. Duden Bd. 6, S. 2716, österreichisch.
965
Heyse, S. 580.
959
144
Fremdwortkomplexes, Quelle: Auerbach, S. 141; Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, unter
Tilgung des Namens Adam nach dem Imperativ manjue (V. 289); Bei Integration in den
Romantext wurden die ersten beiden Verse gegeneinander vertauscht und somit dem Kontext
angepasst. Dabei wurde Thomas Mann nicht etwa von Samuel Singer oder Marga Bauer
unterstützt, sondern orientierte sich einzig an der Übersetzung des Dialogs bei Auerbach, S.
142. Die Übersetzung der Mann’schen Version des Dialogs lautet demnach wie folgt:
Nein, das tu ich nicht! Ich fürchte mich davor! – Mach es! Iss, du weißt nicht, was das ist!
Nehmen wir dies Gut, das für uns bereitet ist! – Ist es so gut? – Du wirst es bald erfahren! Du
kannst es nicht erfahren ohne zu kosten!
nemo contra deum nisi deus ipse, S. 66: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz 966 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Übersetzung: niemand (vermag etwas) gegen Gott (zu tun) außer Gott selbst.
Nepotismus, S. 259: Auswahl des lat. Lehnworts 967 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Vetternwirtschaft.
n’est-ce voir, S. 22: In seinem Brief vom 13.04.1948 schrieb Thomas Mann an Singer: „Ich
brauche ein paar Brocken älteren Französisch. [...] Wie [lautete] das moderne »n’est-ce
pas«?“ 968 In seinem Brief vom 15.05.1948 antwortete Singer: „Um noch auf eine Frage Ihres
letzten Briefes zurückzukommen, würde ich «n’est-ce pas» mit «n’ est-ce voir» übersetzen
(d.h. «nicht wahr»).“ 969 Übernahme in die Notizen, Bl. 3/30, und anschließende Integration in
den Romantext; Wilhelms 970 Vorschlag, den Fremdwortkomplex n’est-ce voir dem Nfrz.
zuzuordnen, muss angesichts der eindeutigen Quellenlage zurückgewiesen werden.
nich, S. 74, 78: Auswahl der nd. Negationspartikel auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: nicht.
Nichtser, S. 103: Auswahl des veralteten 971 nhd. Verbs nichtsen auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -er); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext, Bedeutung: Taugenichts.
niemalen de la vie, S. 122, 123, 131: Auswahl der nfrz. Redewendung jamais de la vie auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Substitution des ersten Elements durch das
veraltete 972 nhd. Adverbs niemalen 973 und damit Neubildung einer hybriden Adverbialbestimmung; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: nie
im Leben!
966
Makoschey, S. 138, nimmt an, Thomas Mann habe sich an Goethe angelehnt.
Duden, S. 304.
968
DüD III, S. 354.
969
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
970
Wilhelm, S. 89.
971
DWB Bd. 13, Sp. 728, mit Verweis auf Goethe; Bedeutung: „nichts oder nichtige dinge tun“.
972
DWB Bd. 13, Sp. 823.
973
Interferenz: Simplicissimus, S. 24, 400: niemalen.
967
145
Ninive: S. 27: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 132, 263 (beide
markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 16/49, und anschließende Integration in den
Romantext; literarische Örtlichkeit, Stadt der heidnischen Brüder Ipomidon und Pompeius.
Nomenculator, S. 248, 249, 252: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S.
533 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den
Romantext; päpstlicher Hofbeamter.
nomentanisches Tor, S. 230: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S.
558 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, und anschließende Integration in den
Romantext; Bauwerk in Rom.
nomentanische Straße, S. 236: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1,
S. 159, 541; Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, und anschließende Integration in den
Romantext; Straße nach Rom.
Nomentum, S. 236: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 557
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, und anschließende Integration in den
Romantext; historischer Vorort von Rom.
nommé, S. 15: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: namens.
Notgespinst, S. 86: Auswahl der beiden nhd. Nomen Notlüge und Hirngespinst auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Kompositums durch
Kontamination 974 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Notlüge, konstruierte Begebenheit.
Notker der Stammler, S. 10, 14: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Scherer, S. 54
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 5/38, und anschließende Integration in den
Romantext; Sankt Gallens „Kloster-Bibliothekar Notker der Stammler“ 975 .
Nudelkasten, S. 53: Neubildung 976 eines Kompositums; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Art Verschlag für die zu mästenden Gänse.
numquam, S. 228: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übesetzung:
niemals.
Nusche, S. 131: Auswahl des veralteten 977 nhd. Nomens, Quelle: Dieffenbacher, S. 76;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/15, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „Spange: nusche“ 978 .
974
Mater, S. 144.
Not. DE, Bl. 5/38.
976
Diese Form ist generell in Wbb. nicht nachweisbar!
977
DWB Bd. 13, Sp. 1009: „ein veraltetes, nur in culturgeschichtlichen werken wieder gebrauchtes wort“.
978
Not. DE, Bl. -/15.
975
146
OOO
ob, S. 236, 248: Auswahl der veralteten 979 nhd. Präposition, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 44
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/12, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: oberhalb, über.
Obilot: S. 31: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 372, 395; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/28, 17/50, und anschließende Integration in den Romantext; Nur der
Name Obilot, nicht aber ihre literarische Identität als jüngere Tochter Lippauts von
Bearosche, wird von Thomas Mann übernommen und auf die Figur eines Jünglings („der
junge süße Obilot“ 980 ) übertragen.
oceanus, S. 66: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Ozean.
ook, S. 74, 78: Auswahl der nd. Partikel auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: auch.
Optimat, S. 205: Auswahl des lat. Lehnworts 981 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 1508
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Angehöriger der herrschenden Geschlechter im alten Rom.
orbis terrarum christianus, S. 246: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz 982 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: christlicher Erdkreis, christliche Welt. Vgl. orbis, S. 259.
ordinis divi Benedicti, S. 10: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle: Gesta Bd. 2, S.
295 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 25/58, und anschließende Integration in den
Romantext; Übersetzung: vom Orden des heiligen Benedikts.
Orendel, S. 16: Auswahl des Personennamens, Quellen: Dogma, 866; Scherer, S. 93, 95
(beide markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 27/60, und anschließende Integration in den
Romantext; sagenhafter „Genius der Seefahrt“ 983 .
Origines, S. 201, 203: Auswahl des Personennamens, Quelle: Bernhart, S. 36, 46 (beide
markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; christlicher
Kirchenschriftsteller.
Ouwê, mais tu me tues. S. 37: Auswahl der mhd. Interjektion ouwê, Quelle: Gregorius, V.
1779, 2900; Verbindung mit dem frz. Fremdwortkomplex mais tu me tues auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: O weh, aber du tötest mich!
979
Duden, S. 309.
Not. DE, Bl. -/28, 17/50.
981
Gr. Duden Bd. 6, S. 2809.
982
Impuls gab gewiss der ähnliche lat. Fremdwortkomplex Orbis universus christianus, Quelle: Bernhart, S. 57
(markiert), Notizen, Bl. -/16.
983
Not. DE, Bl. 27/60.
980
147
PPP
Palatin, S. 9: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 15 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Übernahme in den Romantext; einer
der sieben Hügel Roms. Vgl. Palatinisch, S. 204, 250.
Pallium, S. 236, 251: Auswahl des lat. Lehnworts 984 , Quelle: Bernhart, S. 84 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, -/13, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: Bischofsmantel.
Palmat, S. 22: Auswahl des Prototypen 985 , Quelle: Pannier Bd. 2, S. 378 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/ 24, 18/51, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: Seide, Seidenstoff. 986
Paradisus, S. 236: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 54
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: lat. für
Paradies.
parentes, S. 79, 80: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 987 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Eltern.
Parione, S. 237: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 1219
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Region um Rom.
Parmenien, S. 35: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quellen: Hertz, S. 542, 563; Singer:
Thomas, S. 96; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; „Offenbar ein
Teil der Bretagne“ 988 . „Wenn man [...] nach einem thatsächlichen Halt suchen darf, so wäre
etwa an den westlichen Theil der Normandie zu denken.“ 989
Patafrid, S. 24, 30: Auswahl des Personennamens, Quelle: Brief Singers vom 19.03.1948 990 ;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/7; Übertragung auf die Figur des höfischen Meisterknappen
bei Integration in den Romantext.
Patrimonien, S. 238: Auswahl des lat. Lehnworts 991 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 534
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/13, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: (Erb-)Vermögen.
984
Kl. Duden, S. 300.
Die Anpassung von mhd. palmât an die nhd. Orthografie (Gs., â>a) hatte Pannier bereits vorgenommen: Die
Form Palmat ist weder in fnhd. noch in nhd. Wbb. nachweisbar!
986
Kl. Lexer, S. 157.
987
Impuls gab möglicherweise die Form magna parens (s.o.).
988
Hertz, S. 542.
989
Hertz, S. 625.
990
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
991
Kl. Duden, S. 309.
985
148
Paul ad Ephesios, S. 13: Auswahl des (teils lat.) Namenskomlexes, Quelle: nicht
ermittelbar!; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Paulus
an die Epheser (ein Buch des Neuen Testaments).
peccavi, S. 105: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 992 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Ich habe gesündigt.
peccavisti?, S. 105: Auswahl des lat. Fremdworts peccavi (s.o.); Übertragung des Verbs von
der 1. in die 2. Pers. singular; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Du hast gesündigt?
Pelagianer, S. 238: Auswahl des Gruppennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 112 ;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/5, -/13, und anschließende Übernahme in den Romantext;
christliche Gemeinschaft im Rom des 5. Jahrhunderts.
Penkhart, S. 244, 245, 248, u.ö.: Auswahl des veralteten nhd. Nomens Bankhart, Bankert
(s.o) mit der Bedeutung: unehelicher Sohn, Bastard, auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; in Anlehnung an diese Formen Neubildung des Eigennamens Penkhart
und Übernahme in die Notizen, Bl. -/8; Übertragung auf den unehelichen Sohn der Gudula
bei Integration in den Romantext.
Peter-und-Paul, S. 88, 96, 111: Auswahl des Namenskomplexes Peter und Paul, Quelle:
Gregorovius Bd. 1, S. 196 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 36/69; Bildung eines
Bindestrichkoppelung bei Integration in den Romantext; Nur die Namen, nicht aber ihre
biblische Identitäten als „Apostel Sankt Paul und Sankt Peter“ 993 , hat Thomas Mann
übernommen und sie gebündelt auf die Einzelfigur eines Altsprachen lehrenden Mitbruders
Gregorius’ übertragen, der „als Gelehrter und Dichter Galfried von Monmouth hieß“ 994 . Vgl.
Petrus-et-Paulus, Petri-et-Pauli, beide S. 86.
Petra, S. 222: Auswahl des lat. Fremdworts petra, Quelle: Bernhart, S. 15 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/12, -/16; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) bei
Integration in den Romantext; Übersetzung: Fels.
Petrus, S. 12, 237, 241: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 9, 11;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/16, und anschließende Integration in den Romantext;
Apostel. Vgl. Petri, S. 235, 241, 248.
Pfaffheit, S. 110: Auswahl des mhd. Nomens. pfafheit, Quelle 995 : Gregorius, V. 1463;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Anpassung 996 an die nhd. Orthografie (Gs., f>ff);
Integration in den Romantext; Bedeutung: Klerus, Geistlichkeit.
992
Lukas 15,21.
Not. DE, Bl. 36/69.
994
DE, S. 87.
995
Zusätzlicher Impuls für die Auswahl könnte vom veralteten nhd. Nomen Pfaffheit, Quelle: Benz, S. [9]
(markiert), ausgegangen sein.
996
DWB Bd. 13, Sp. 1595, kennt diese Form.
993
149
Pfellel: S. 27: Auswahl des fnhd. 997 Nomens, Quellen: Pannier Bd. 1, S. 263 (markiert);
Dieffenbacher, S. 81 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/11, -/15, 18/51, 16/49, und
anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: ein zu kirchlichen Prachtgewändern
verwandter Seidenstoff.
Pfellelseide, S. 16: Auswahl der Neubildung 998 , Quelle: Pannier Bd. 1, S. 70 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 8/41, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „feiner Seidenstoff, meist aus dem Orient stammend“ 999 .
Pikten, S. 72: Auswahl des Völkernamens, Quelle: Baum, S. 19; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; britischer Volksstamm.
Pilgrimsfalke, S. 187: Auswahl des Fachausdrucks der Jägersprache, Quelle: Hertz, S. 550;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/4 , Bl. -/16, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: auch „Wanderfalken: nisten an den höchsten und steilsten Felsschroffen“ 1000 .
pionieren, S. 70: Auswahl des nhd. Nomens Pionier; Neubildung eines Verbs durch
Konversion (+ Inf.end. -en); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Pionierarbeit leisten.
Plattfüßler, S. 16: Auswahl des Völkernamens Plattfüße, Quelle: Scherer, S. 95: (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 27/60; Neubildung durch Derivarion (Suff. -ler) bei
Integration in den Romantext; „fabelhaftes Volk“ 1001 .
Plihopliheri, S. 31, 34: Auswahl des Personennamens Plihopliherî, Quelle: Pannier Bd. 1, S.
164 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/18 1002 ; Anpassung an die nhd. Orthografie
(î>i) bei Integration in den Romantext; Nur der Name Plihopliheri, nicht aber seine
literarische Identität als „Ritter der Tafelrunde“ 1003 , wird von Thomas Mann unter Neubildung
eines Namenskomplexes und auf die Figur des „Fürsten von Waleis“ 1004 übertragen.
Waleis, S. 31: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 91 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/26, -/36, 9/42, und anschließende Integration in den
Romantext; „Land Waleis = Valois“ 1005 in Frankreich.
Plötze, S. 209: Auswahl des Fachausdrucks aus der Fischersprache, Quelle: Meyer Bd. 3, Sp.
718 (Stichwort „Süßwasserfauna“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/5, und anschließende
Integration in den Romantext; Bedeutung: karpfenartiger Fisch.
poigneis, S. 111: Auswahl des afrz. Fremdworts, Quelle: Singer/Bauer, S. 24 (markiert), als
Teil einer Worterklärung zu mhd. puneiz, Gregorius, V. 1614; unter Umgehung der Notizen
997
DWB Bd. 13, Sp. 1665: im 15. und 16. Jahrhundert nur noch vereinzelt; Götze, S. 32.
Lediglich das Simplizium pfellel ist in Wbb. nachweisbar!
999
Pannier Bd. 1, S. 70, Anm. 3 (markiert).
1000
Not. DE, Bl. -/4.
1001
Vgl. Not. DE, Bl. 27/60.
1002
Hier mit nachträglich angefügtem Circonflexe auf letztem -i-.
1003
Pannier Bd. 1, S. 164, Anm. 2.
1004
DE, S. 31.
1005
Not. DE, Bl. 9/42.
998
150
Integration in den Romantext; Übersetzung: „Beim Aufeinanderprall (puneiz, von lat.
pungere) galt es, den Gegner aus dem Sattel zu heben“ 1006 .
Poitewin, S. 120, 122, 126 u.ö.: Auswahl des Personennamens Poitewîn, Quelle: Pannier Bd.
1, S. 103 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, -/29 1007 ; Anpassung an die nhd.
Orthografie (î>i); Nur der Name Poitewin, von „franz. Baudouin = Balduin“ 1008 , nicht aber
seine literarische Identität als Herr von Prienlaskors, wird von Thomas Mann übernommen
und auf die Figur des Bürgermeisters von Bruges übertragen.
Pön, S. 23: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1009 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„angedrohte oder auferlegte strafe, busze (in kirchlichem und rechtlichem sinne)“ 1010 . Vgl.
pönen, S. 101.
Pönitenziar, S. 166: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1011 , Quelle: Bernhart, S. 383;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: eigentlich
Bußprediger, hier: Büßer.
populatio urbis, S. 234: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext, Übersetzung:
Bevölkerung der Stadt.
Port, S. 74: Auswahl des lat. Lehnworts 1012 , Quelle: Hertz, S. 259, 399; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Hafen, im weiteren Sinne Ruheziel,
Zufluchtsort.
porta Paradyses, S. 33: Auswahl des gr.-lat. Lehnwortkomplexes, Quelle: nicht ermittelbar!;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Pforte des
Paradieses.
Porte, S. 145: Auswahl des mhd. Nomens porte, Quelle: Dieffenbacher, S. 25 (markiert);
Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: Burgtor.
pourtant, S. 30: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: dennoch, doch.
pover, S. 125: Auswahl des mhd. Adjektivs pôver, Quelle: nicht ermittelbar!; Anpassung an
die nhd. Orthografie (ô>o); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: arm.
1006
Dieffenbacher, S. 134.
Hier mit nachträglich angefügtem Circonflexe auf letztem -i-.
1008
Pannier Bd. 1, S. 103, Anm. 5.
1009
DWB Bd. 13, Sp. 1998, mit Verweis auf Böhme.
1010
DWB Bd. 13, Sp. 1998.
1011
Basler/Schulz Bd. 2, S. 593.
1012
Duden, S. 328.
1007
151
prätendiert S. 27: Auswahl des frz. Lehnworts 1013 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext, Bedeutung:
vorgeben, auf etwas Ansprüche zu haben, anmaßend.
preislich, S. 110: Auswahl des veralteten 1014 nhd. Adverbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„was zu preisen in wert oder stellung ausgezeichnet ist, [sprich] preiswürdig, herrlich, löblich,
rühmlich“ 1015 .
Presbyter, S. 196, 204, 205 u.ö.: Auswahl des gr. Lehnworts 1016 , Quelle: Baum, S. 96; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Gemeindeältester. Vgl.
Kardinal-Presbyter, S. 203, 229.
Pression, S. 19: Auswahl des frz. Lehnworts 1017 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Druck, Zwang.
Primas, S. 241: Auswahl des lat. Lehnworts 1018 , Quelle: Bernhart, S. 45 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: der Erste, der Vornehmste.
Primicerius, S. 250: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 532
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, -/10, und anschließende Integration in den
Romantext; päpstlicher Hofbeamter.
Priscillianer, S. 238: Auswahl des Gruppennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 112;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/5, -/13, und anschließende Übernahme in den Romantext;
vgl. Manichäer.
Protoscriniar, S. 250: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 533
(markiert). Übernahme in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den
Romantext; päpstlicher Hofbeamter.
Psalterien, S. 11: Auswahl des gr. Lehnworts 1019 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Psalter, Psalmensammlung.
puhr Pipels Durft, S. 75: Auswahl des engl. Fremdwortkomplexes poor people’s durft auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz 1020 ; Anpassung an das nhd. Laut-Zeichen-System
1013
DWB Bd. 13, Sp. 2077.
DWB Bd. 13, Sp. 2097, mit Verweis auf Rückert.
1015
DWB Bd. 13, Sp. 2097.
1016
Duden, S. 330.
1017
Kl. Duden, S. 336.
1018
Duden, S. 330.
1019
Kl. Duden, S. 342.
1020
Impuls für diese Auswahl gab gewiss der der mhd. Wortkomplex armer liute sache, Quelle: Gregorius, V.
1003.
1014
152
(Gs. oo>uh, eo>i, le>el); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: armer Leute Sachen.
puhr Pipels Stoff, S. 76: Auswahl des engl. Fremdwortkomplexes poor people’s stuff auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz 1021 ; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs. oo>uh,
eo>i, le>el). Das englische stuff wird durch das nhd. Nomen Stoff ersetzt; unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: armer Leute Sachen.
puneiz, S. 143: Auswahl des mhd. Nomens, Quellen: Gregorius, V. 1614; Singer/Bauer, S. 24
(markiert); Dieffenbacher, S. 134; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Beim Aufeinanderprall (puneiz von lat. pungere) galt es, den Gegner
aus dem Sattel zu heben“ 1022 .
QQQ
Quarrel, S. 102: Auswahl des engl. Fremdworts quarrel, Quelle: Roget, S. 265; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/8; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) bei Integration in den
Romantext; Übersetzung: Streit.
que Deus dispose, S. 22: In seinem Brief vom 13.04.1948 schrieb Thomas Mann an Singer:
„Ich brauche ein paar Brocken älteren Französisch. [Wie heißt] »Gottes Sache«, »Laß das
Gottes Sache sein!«“? 1023 In seinem Brief vom 20.04.1948 antwortete Singer: „Laß das
Gottes Sache sein würde ich wiedergeben mit Que Deus (oder Dieus)! dispose!“ 1024 ; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Wilhelms 1025 Vorschlag, den
Fremdwortkomplex que Deus dispose dem Nfrz. zuzuordnen, muss angesichts der
eindeutigen Quellenlage zurückgewiesen werden.
quemune, S. 31, 119: Auswahl des afrz. Fremdworts, Quelle: Auerbach, S. 130; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/7, 1/32, und anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung:
Gemeinde, Gemeinschaft, Bürgerschaft.
que plus n’i quiers veoir, S. 28: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes que plus n’i
queroie veoir, Quelle: Auerbach, S. 123; Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, -/21; Bezug
nehmend auf Auerbachs Übersetzung der Quelle schrieb Thomas Mann in seinem Brief vom
27.04.1948 an Singer: „Ich habe gleich noch ein paar kindische Fragen [...]: [...] »que plus n’i
queroie veoir«,– »denn ich wollte gar niemand anderen sehen.« – wie würde dies im Praesens
heißen [...]?“ 1026 In seinem Brief vom 15.05.1948 antwortete Singer: „«Denn ich will
niemand anderen sehen» heißt altfranzösisch: «que plus n’i quiers veoir»“1027 ; Übernahme der
korrigierten Form in die Notizen, Bl. 3/30, und anschließende Integration in den Romantext.
1021
Impuls für diese Auswahl gab gewiss der der mhd. Wortkomplex armer liute sache, Quelle: Gregorius, V.
1003.
1022
Dieffenbacher, S. 134.
1023
DüD III, S. 354.
1024
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
1025
Wilhelm, S. 89.
1026
DüD III, S. 354.
1027
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
153
RRR
Radicofani, S. 238: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 1252;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, -/13, und anschließende Integration in den Romantext;
historischer Vorort von Rom, der um 1200 einverleibt wurde.
Rallen, S. 172: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägersprache, Quelle: Meyer Bd. 3, Sp.
955 (Stichwort „Vögel“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/29, und anschließende Integration
in den Romantext; Bedeutung: Sumpfvogel.
Ranft von Haberbrot, S. 184: Auswahl des mhd. Wortkomplexes ranft von haberbrôte,
Quelle: Gregorius, V. 2892; Übernahme in die Notizen, Bl. -/16, -/17; partielle Anpassung
(Gs., ô>o) an die oberdt. 1028 Form Ranft von Haferbrot, wie bei Singer/Bauer, S. 42
(markiert), zu finden, und Integration in den Romantext; Bedeutung: Rinde/Rand eines
Haferbrotes. Vgl. Ranft, S. 185.
ränkereich, S. 125: Auswahl des veralteten 1029 nhd. Adjektivs ränkevoll, Quelle: Hertz, S.
234, 405; Neubildung durch Substitution (Simpl. -voll Æ -reich); unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: gewandt, trickreich.
Rankheit, S. 125: Auswahl des ungebräuchlichen 1030 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
das Schlanksein.
Rankulat, S. 16: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier, Bd. 1, S. 41 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 7/40, und anschließende Integration in den Romantext;
„Rankulat, Hrhomgla am Euphrat“ 1031 .
Rassalig S. 28: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 72 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, und anschließende Integration in den Romantext; Nur der
Name Rassalig, nicht aber seine literarische Identität als Fürst von Assagauk, wird von
Thomas Mann übernommen und auf die Figur eines Adeligen aus Lothringen übertragen.
Lothringen, S. 28: Auswahl des Örtlichkeitsnamens auf Grundlage des eigenen
Wortschatzes; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; histor. Landstrich
zwischen dem Ost- und Westfrankenreich.
Raufkunst, S. 123, 124, 141: Auswahl der beiden nhd. Nomen Raufen und Kunst auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung durch Kompostion; unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: die Kunst des Raufens.
raumer Wind, S. 73: Auswahl des Fachausdrucks aus der Seemannssprache, Quelle: Meyer
Bd. 3, Sp. 518 (Stichwort „Segeln“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, und anschließende
1028
Duden, S. 338.
DWB Bd. 14, Sp. 107.
1030
Gr. Duden Bd. 7, S. 3098.
1031
Pannier, Bd. 1, S. 41, Anm. 4; Not. DE, Bl. 7/40.
1029
154
Integration in den Romantext; Bedeutung: Wind, der schräg von vorn oder schräg von hinten
weht.
Recepisse, S. 85: Auswahl des veralteten frz. Lehnworts 1032 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Empfangsschein.
Refektur, S. 11: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1033 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Impuls gab gewiss das lat. Lehnwort Refektorium, Quelle: Meyer Bd. 2,
Sp. 440 (Stichwort „Kloster“), das auch Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, fand. Bei
Integration in den Romantext findet in semantischer Anlehnung an das „Refektorium
(Zönakel, Speisesaal)“ 1034 eine Bedeutungsverschiebung statt: Refektur beschränkt sich
semantisch eigentlich auf eine rein bauliche Ausbesserung1035 , im Kontext des Romans ist mit
Refektur aber die Speisung, die körperliche Stärkung gemeint.
refus, S. 28: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Ablehnung.
Reichenau, S. 10: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quellen: Bernhart, S. 96 (markiert);
Meyer Bd. 2, Sp. 440 (Stichwort „Klosterschulen“); Übernahme in die Notizen, Bl. 31/64,
33/66, und anschließende Integration in den Romantext; ostfränkische Klosterstätte auf der
gleichnamigen Insel im Bodensee.
Reine Inguse, S. 95, 96: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 329;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/18, -/28, und anschließende Integration in den Romantext;
Nur der Name Reine Inguse, nicht aber ihre literarische Identität als Königin von Bachtarließ
wird von Thomas Mann übernommen und auf das Boot der Fischer Wiglaf und Ethelwulf
übertragen.
Reisige, S. 49: Auswahl des veralteten 1036 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 1037 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext,
Bedeutung: Reisende, für die Reise Gerüstete.
Rhenus, S. 72: Auswahl des Flussnamens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; lat. für Rhein.
ridikül, S. 33: Auswahl des allmählich veraltenden frz. Lehnworts 1038 auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext,
Übersetzung: lächerlich.
1032
Heyse, S. 700.
Heyse, S. 705: Refectur.
1034
Not. DE, Bl. -/27.
1035
Heyse, S. 705.
1036
DWB Bd. 14, Sp. 745.
1037
Interferenz: Schwänke, S. 40: „mit zweien reisigen pferden“, S. 140: „mit einem reisigen hengst“.
1038
Gr. Duden Bd. 7, S. 3201.
1033
155
Rimelein, S. 15: Auswahl des mhd. Nomens rîm, Quelle: nicht ermittelbar!; Anpassung an
die nhd. Orthografie (Gs., î>i) und Neubildung einer Diminutivform durch Derivation (Suff.
-lein) ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Reimchen.
Roger, S. 64, 65, 121 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 94 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 27/60, und anschließende Integration in den Romantext; Nur
der Name Roger, nicht aber seine historische Identität als normannischer Herrscher von
Sizilien, wird von Thomas Mann übernommen und unter Erhebung zum „König von
Arelat“ 1039 auf die Romanfigur des Sibylla-Bedrängers übertragen. Vgl. Kompositum RogerPhilippus, S. 64, 65.
Rudel, der, S. 172: Auswahl des nhd. Nomens mit veraltetem 1040 Genus auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext. Vgl.
das Mensch, das Ehr, die Wasser.
Rousselaere, S. 23, 46, 152: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Meyer Bd. 2, Sp.
959/960 (Stichwort „Niederlande”: Karte der Niederlande); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Stadt im historischen Lothringen, heute Belgien.
SSS
Saeculum, S. 197: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1041 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Jahrhundert.
Saint Esprit, S. 21: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Heiliger Geist.
Salamanderfell, S. 22: Auswahl der Neubildung 1042 , Quelle: Pannier Bd. 2, S. 378;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/ 24, 18/51, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „salamender nannte der aberglaube des mittelalters menschenähnliche wesen, die
im feuer hausten“1043 , sein ‚Fell’ muss demnach als „ein unverbrennlicher stoff“ 1044 gelten.
Sammet, S. 25, 133: Auswahl des veralteten 1045 nhd. Nomens, Quelle: Dieffenbacher, S. 81
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/15, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Sammetstoffe [...] Seide seltener Art“ 1046 . Vgl. Sammetkappe; S.
251; Sammetkissen, S. 18; sammetrot, S. 142.
1039
DE, S. 64, 65.
DWB Bd. 14, Sp. 1384: „ein weidmännischer ausdruck [...] in Oberdeutschland [...] auch mit männlichem
geschlecht“.
1041
Heyse, S. 732: Saeculum.
1042
Lediglich das Simplizium salamander ist in Wbb. nachweisbar!
1043
DWB Bd. 14, Sp. 1679.
1044
Kl. Lexer, S. 175, Stichwort „salamander“.
1045
Duden, S. 354.
1046
Not. DE, Bl. 7/40.
1040
156
Sancta Anastasia sub Palatio, S. 203, 229: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle:
Gregorovius Bd. 1, S. 160 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; historische Basilika in Rom.
Sancta Maria, gratia plena [...] benedictus fructus ventris tui, S. 156: Auswahl des lat.
Fremdwortkomplexes, Quelle: Waag, S. 134 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/20,
und anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung: Heilige Maria, voll der Gnade,
gesegnet sei die Frucht deines Leibes!
Sancta Via, S. 238: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 1218
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; historische Straße in
Rom.
Sankt Aldhelm, S. 72, 78, 86 u.ö.: Auswahl des Personennamens Aldhelm, Quellen:
Gregorovius Bd. 1, S. 516 (markiert), Scherer, S. 42 (markiert); Übernahme in die Notizen,
Bl. -/19, auf Bl. 32/65 dann mit Namenszusatz „St.“, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der Name Sankt Aldhelm, nicht aber seine historische Identität als
Kirchengelehrter und erster Abt „St. Aldhelm in Malmesbury“ 1047 , wird von Thomas Mann
übernommen und auf die fiktive Örtlichkeit einer Insel übertragen.
Sankt Dunstan, S. 67, 69, 81 u.ö.: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Baum, S. 169;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/8, -/27, 34/67, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der Name Sankt Dunstan, nicht aber seine historische Identität als „der
Heilige Dunstan“ 1048 , Erzbischof von Canterbury 1049 , wird von Thomas Mann übernommen
und auf die fiktive Örtlichkeit einer Insel übertragen.
Sankt Emmeran zu Regensburg, S. 11: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Baum, S.
122 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 31/64, 33/66, und anschließende Integration in
den Romantext; ostfränkische Klosterstätte.
Sankt Gallen, S. 10, 14, 200 u.ö.: Auswahl des Namenskomplexes, Quellen: Bernhart, S. 96
(markiert); Meyer Bd. 2, Sp. 440 (Stichwort „Klosterschulen“); Übernahme in die Notizen,
Bl. 4/37, 5/38, 32/65, und anschließende Integration in den Romantext; ostfränkisches
„Kloster St. Gallen, eine der bekanntesten Kulturstätten des Mittelalters“ 1050 . Vgl. Sankt
Galli, S. 116.
Sankt Georg in Velabro, S. 10: Auswahl des Namenskomplexes S. Giorgio in Velabro,
Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 31 1051 ; Übernahme in die Notizen, Bl. -/3: „S. Giorgio in
Velabro“; „Eindeutschung“ (Giorgio Æ Georg) bei Integration in den Romantext; historische
Basilika in Rom.
1047
Not. DE, Bl. 32/65; Er lebte von (ca.) 639-709.
Not. DE, Bl. 34/67.
1049
Er lebte von (ca.) 909-988.
1050
Not. DE, Bl. 5/38.
1051
Bei Gregorovius, S. 388, findet sich auch die Form S. Georg in Velabro.
1048
157
Sankt Johannes im Lateran, S. 9: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd.
1, S. 52 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, und anschließende Integration in den
Romantext; historische Basilika in Rom.
Sankt Patrick, S. 11: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Meyer Bd. 2, Sp. 287
(Stichwort „Irland“); Übernahme in die Notizen, Bl. 22/55, und anschließende Integration in
den Romantext; Missionar Irlands.
Sankt Paulus, S. 9: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 52
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2: „S. Paul“, Umwandlung in die lat. Form und
anschließende Integration in den Romantext; historische Basilika in Rom.
Sankt Peter, S. 9, 12, 196 u.ö.: des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius, Bd. 1, S. 52
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, und anschließende Integration in den
Romantext; historische Basilika in Rom.
Sankt Vaast, S. 31: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: nicht ermittelbar!1052 ;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/4: „Cathedral and Abbeye de St. Vaast (Arras)“, und
anschließende Integration in den Romantext; Kathedrale in Arras.
Santa Maria in Cosmedin, S. 9: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd.
1, S. 514, 633; Übernahme in die Notizen, Bl. -/3: „S. Maria in Cosmedin“, und
anschließende Integration in den Romantext; historische Basilika in Rom.
Santa Maria in Domnica, S. 9: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1,
S. 601 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 35/68, und anschließende Integration in den
Romantext; historische Basilika in Rom.
Santa Maria in Trastevere, S. 9: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd.
1, S. 63 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/3, 35/68, und anschließende Integration
in den Romantext; historische Basilika in Rom.
Santa Maria Maggiore, S. 9: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S.
63 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/3, 1/33, und anschließende Integration in den
Romantext; historische Basilika in Rom.
Santa Sabina, S. 10: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius, Bd. 1, S. 158,
161; Übernahme in die Notizen, Bl. -/3, und anschließende Integration in den Romantext;
historische Basilika in Rom.
Sanktität, S. 233: Auswahl des lat. Fremdworts sanctitas auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) und hybride Neubildung 1053
durch Substitution (Suff. -itas > -ität); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: Heiligkeit.
1052
1053
Das Exzerpt in den Notizen lässt eine Bildunterschrift in einer englischspr. Zeitung annehmen.
Heyse, S. 737, kennt nur Sanctitas.
158
Sarazenen, S. 38: Übernahme des Völkernamens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bezeichnung
der Mohammedaner im Mittelalter. 1054 Vgl. Sarazenensöhne, S. 16.
Sardonyx, S. 18: Auswahl des fnhd. 1055 Nomens, Quelle: Pannier, Bd. 2, S. 378 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 18/51, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „Wunderkräftige Edelsteine: [...] Sardonyx“ 1056 .
Sarjande, S. 135: Auswahl des Prototypen 1057 , Quelle: Pannier Bd. 1, S. 213 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/23, 3/30, 14/47, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Sarjanden = Fußvolk“ 1058 .
Satanas, S. 258: Auswahl des veralteten gr.-lat. Lehnworts 1059 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 1060 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Satan, Widersacher, Teufel.
Schachzabel, S. 150: Auswahl des mhd. 1061 Nomens schâchzabel, Quelle: Dieffenbacher, S.
120 (markiert); Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., â>a); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: alte Bezeichnung des Schachbretts.
Schafillor, S. 31: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 110 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, -/26, 9/42, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der Name Schafillor, nicht aber seine literarische Identität als König von
Aragon, wird von Thomas Mann übernommen und auf die Figur des Prinzen von Anschouwe
übertragen.
schatzgierig, S. 34: Auswahl des mhd. Adjektivs schazgîre, Quelle: Gregorius, V. 3294;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/2 1062 ; Anpassung an die nhd. Orthografie (z>tz, î>ie) und
Derivation (Suff. -ig), aber keine Neubildung 1063 ; Integration in den Romantext; Bedeutung:
„gierig nach schätzen“ 1064 .
Schellenvogel, S. 24: Auswahl der nhd. Simplizia Schelle und Vogel, Quelle: Pannier Bd. 1,
S. 192, Anm. 3: „Jagdvögel trugen zur Zier und, damit sie beim Verfliegen leichter
aufgefunden würden, Schellen an den Beinen“; Neubildung eines Kompositums bei
Integration in den Romantext; Bedeutung: dressierter Jagdvogel, Falke oder Sperber.
1054
Duden, S. 354.
Baufeld, S. 200.
1056
Not. DE, Bl. 18/51.
1057
Die Anpassung von mhd. sarjant an die nhd. Orthografie (Gs.) hatte Pannier bereits vorgenommen.
1058
Not. DE, Bl. -/23.
1059
Laut Basler/Schulz Bd. 4, S. 50, in dieser Schreibform bis ins 19. Jh.
1060
Interferenz: Hexenhammer Bd. 2, S. 245; Volksbuch, S. 48.
1061
DWB Bd. 14, Sp. 1967: „seit dem 14. [/] 15. jahrh. aber der form nach nicht mehr verstanden“.
1062
Mit nachträglich angefügtem Circonflexe.
1063
DWB Bd. 14, Sp. 2286.
1064
DWB Bd. 14, Sp. 2286.
1055
159
Schevelier, S. 31: Auswahl des Prototypen 1065 Schevelier, Quelle: Hertz, S. 585 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Ritter.
Schildesamt, S. 90, 120: Auswahl des veralteten1066 nhd. Nomens, Quelle: Pannier, Bd. 1, S.
II (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/28; -/29, 7/40, und anschließende Integration in
den Romantext; Bedeutung: Ritterwürde.
Schimpfturneie, S. 136: Auswahl des mhd. Wortkomplexes turnei ze schimpfe, Quelle:
Dieffenbacher, S. 131; partielle Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); Übernahme in die
Notizen, Bl. -/15; Neubildung durch Komposition der beiden Simplizia bei Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Turnei ze schimpfe, Kurzweil, stumpfe Waffen“ 1067 im Gegensatz
zum echten Kampf.
Schiolarß, S. 31, 34: Auswahl des Personennamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 100;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/26, 10/43, und anschließende Integration in den Romantext;
Nur der Name Schiolarß, nicht aber seine literarische Identität als Graf von Poitou 1068 , wird
von Thomas Mann durch Neubildung eines Namenskomplexes auf die Figur des Grafen von
Ipotente übertragen.
Ipotente, S. 31: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 238; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/18, und anschließende Integration in den Romantext; Nur der Name
Ipotente, nicht aber die literarische Identität als Herkunftsbezeichnung des Königs
Grigorß 1069 wird von Thomas Mann unter Neubildung eines Namenskomplexes auf die Figur
des Grafen Schiolarß übertragen.
Schismatiker, S. 229: Auswahl des Gruppennamens, Quelle: Bernhart, S. 53, 54; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Übernahme in den Romantext; allgemein:
Abtrünniger der Kirche.
schlappen, S. 190: Auswahl der ungebräuchlichen Nebenform 1070 zu nhd. schlabbern auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Schlimme, S. 165: Auswahl des veralteten 1071 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Schlimmheit (s.u.).
Schlimmheit, S. 164: Auswahl des veralteten 1072 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„das schlimm sein“ 1073 .
1065
Die Anpassung von mhd. schevelier an die nhd. Orthografie (Gs.) hatte Hertz bereits vorgenommen. Eine
Form Schevelier ist in den nhd. Wbb. nicht nachweisbar!
1066
DWB Bd. 15, Sp. 132. „in älterer sprache und in anlehnung an diese“.
1067
Not. DE, Bl. -/15.
1068
Vgl. Not. DE, Bl. -/26.
1069
Not. DE, Bl. -/18.
1070
DWB Bd. 15, Sp. 488; Gr. Duden Bd. 8, S. 3372.
1071
DWB Bd. 15, Sp. 720: letzter Nachweis von 1620, aber in fnhd. Wbb. nicht nachweisbar!
1072
DWB Bd. 15, Sp. 721: „heute ungebräuchlich“.
1073
DWB Bd. 15, Sp. 721.
160
Schlippermilch, S. 243: Auswahl des veralteten 1074 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
geronnene, saure, dicke Milch.
Schluft, S. 216: Auswahl der ungebräuchlichen 1075 Nebenform zu nhd. Schlucht auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Schlumpe, S. 167: Auswahl der veraltenden 1076 Nebenform zu nhd. Schlampe auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz 1077 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Schmähling, S. 123: Auswahl des nhd. Verbs schmähen auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines Nomens durch Derivation (Suff. -ling); unter Umgehung
der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Person, die zu schmähen, zu
verabscheuen ist.
schmarutzen, S. 182: Auswahl der veralteten Nebenform 1078 zu nhd. schmarotzen auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Schmunzibutz, S. 54, 55: Auswahl der nhd. Elemente schmunzeln und Butzemann 1079 auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Kosenamens durch
Kontamination; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Schmunzelkobold, „Grinsemann“. Vgl. Schmunzibützlein, S. 55.
Schnack, S. 96: Auswahl des nd. Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Plauderei. 1080
schnatzen, S. 168, 170: Auswahl des veralteten nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 1081 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: „das haar der frauenpersonen glatt kämmen, flechten und um die haarnadel
wickeln“ 1082 .
1074
DWB Bd. 15, Sp. 750, mit Verweis auf Goethe.
DWB Bd. 15, Sp. 813; Gr. Duden Bd. 8, S. 3387.
1076
Duden, S. 363: Hier lediglich als Nebenform gekennzeichnet, im aktuellen Gr. Duden nicht mehr
nachgewiesen.
1077
Interferenz: DrF, S. 144.
1078
DWB Bd. 15, Sp. 937: „so noch in classischer zeit“.
1079
Laut Duden, S. 136, eine Art Kobold.
1080
Duden, S. 364.
1081
Stackmann 1964, S. 177, nimmt an, dieses Wort könnte Thomas Mann aus dem Grimm’schen Hausmärchen
„Die Gänsemagd“ bekannt gewesen sein, welche Thomas Mann nach eigenen Angaben „gewohnheitsmäßig zu
hören bekam“ (XIII, S. 56).
1082
DWB Bd. 15, Sp. 1199.
1075
161
Scholar, S. 89, 91: Auswahl des lat. Lehnworts 1083 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Schüler. Vgl. Kloster-Scholar, S. 135; Mitscholar, S. 88.
Scholastica, S. 47: Auswahl des Personennamens (Scholastika), Quelle: Gregorovius. Bd. 1,
S. 296 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/ 24, und anschließende Integration in den
Romantext; Schwester Benedikts von Nursia.
Schoydelakurt, S. 19, 20, 161: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S.
178, 207; Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der sprechende Name Schoydelakurt, nicht aber die literarische Identität als
Zaubergarten bei Brandigan, wird von Thomas Mann übernommen und als Kosename auf das
Geschwisterpaar übertragen; Übersetzung: Freude des Hofes.
Schroffe, S. 186: Auswahl des veralteten 1084 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
(schroffer) Felsen.
Schulze, S. 120, 123, 130: Auswahl des veralteten 1085 nhd. Nomens auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Gemeindevorsteher.
Schwäher, S. 235: Auswahl des veralteten 1086 nhd. Nomens, Quelle: Antike Erzähler, S. 71;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Schwiegervater.
Schwankheit, S. 141: Auswahl des veralteten 1087 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Schlankheit, im weiteren Sinne Biegsamkeit, Agilität.
Schwertleite, S. 30, 31: Auswahl des veralteten 1088 nhd. Nomens, Quelle: Pannier, Bd. 1, S.
40, Anm. 2 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/26, 7/40, und anschließende
Integration in den Romantext; Bedeutung: „Recht, das Schwert umzugürten im 15.-17
Jahr“ 1089 .
schwind, S. 128: Auswahl des veralteten 1090 nhd. Adjektivs, Quelle: Nibelungen, S. 214
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: hart,
stark, schnell.
1083
Duden, S. 366.
DWB Bd. 15, Sp. 1763: „im 18. jh. stirbt das wort in der schriftsprache allmählich aus, während es die
oberdt. mundarten beibehalten.“
1085
Duden, S. 368.
1086
Duden, S. 369.
1087
DWB Bd. 15, Sp. 2255.
1088
DWB Bd. 15, Sp. 2589: „in neuerer auffrischung des wortes“.
1089
Not. DE, Bl. -/26.
1090
DWB Bd. 15, Sp. 2651.
1084
162
schwuren, S. 94: Auswahl der veraltenden 1091 Nebenform zur nhd. Präteritalform schworen
auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Scenter, S. 27: Neubildung des Gattungsnamens einer Hunderasse durch Auswahl des engl.
Nomens scent; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) und Derivation (Suff. -er); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Sprechender Name: (von engl. scent =)
gute (Spür-)Nase.
Scientien, S. 87: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1092 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Wissenschaften.
Sedia gestoria, S. 228: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle: Bernhart, S. 349
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: goldener
Tragesessel des Papstes.
Sedisvakanz, S. 203: Auswahl des lat. Lehnworts 1093 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 477;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Zeitraum, in dem das
Amt des Papstes unbesetzt ist.
seggen, S. 74: Auswahl des nd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: sagen.
Seignurs barons, S. 33: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes; Quelle: Auerbach, S. 98,
121; Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, und anschließende Integration in den Romantext;
Übersetzung: Ihr Herrn Barone 1094 .
seliglich, S. 77: Auswahl des mhd. Adverbs saeleclîch, Quelle: Gregorius, V. 1142; partielle
Anpassung an die nhd. Orthografie (e>i, i>î) und Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; weitere
Anpassung an die nhd. Orthografie (ae>e, c>g), aber keine Neubildung 1095 ; Integration in den
Romantext; Bedeutung: „heilsam, förderlich, günstig“. 1096
sella gestatoria, S. 12: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S.
56 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, und anschließende Integration in den
Romantext; Übersetzung: Vgl. Sedia gestatoria.
Seneschalk, S. 62, 151, 152 u.ö.: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1097 Seneschall,
Quelle: Gesta Bd. 1, S. 151 (markiert); In Meyers Lexikon, Bd. 3, Sp. 530, findet Thomas
Mann unter diesem Stichwort auch die Form Seneschalk, die er darauf in die Notizen, Bl.
1091
Duden, S. 372: schwurest, jünger: schworest.
Heyse, S. 747.
1093
Kl. Duden, S. 377.
1094
Auerbach, S. 98.
1095
DWB Bd. 16, Sp. 534
1096
DWB Bd. 16, Sp. 534.
1097
DWB Bd. 16, Sp. 580: „in neuerer sprache [ist] die mittellat. form seneschalk in gebrauch“.
1092
163
-/4 1098 , übernimmt und anschließend in den Romantext integriert; Bedeutung: „Aufseher über
den Hofhalt u[.] das Finanzwesen“ 1099 .
Seraphin, S. 156: Auswahl des Personennamens Seraphîn, Quelle: Waag, S. 127 (markiert);
Anpassung an die nhd. Orthografie (î>i); Übernahme in die Notizen, Bl. -/20, und
anschließende Integration in den Romantext; Lichtengel des Alten Testaments.
Sergius und Bacchus, S. 249, 250, 259: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle:
Gregorovius Bd. 1, S. 588 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/6, und anschließende
Übernahme in den Romantext; historisches Frauenkloster in Rom.
Serjant, S. 63: Auswahl des frz. Lehnworts, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 213 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/23, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „Fußvolk (Serjant)“ 1100 .
seurement, S. 22: Auswahl des afrz. Fremdworts, Quelle: Auerbach, S. 141; Übernahme in
die Notizen, Bl. -/7, 1/32, und anschließende Integration in den Romantext; Übersetzung:
sicherlich. 1101
Sextus Anicius Probus, S. 197, 219: Auswahl des Namenskomplexes Sextus Anicius
Petronius Probus, Quelle: Gregorovius, S. 57 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2;
Tilgung des Beinamens Petronius bei Integration in den Romantext; Seine historische
Identität als römischer Adliger, Konsul und Präfekt wird von Thomas Mann mit übernommen
und auf die Figur eines den „Erwählten“ suchenden Römers übertragen; Sprechender Name:
Sextus Anicius, (von lat. probus, -a, -um) der Rechtschaffene.
Vgl. Sextus, S. 202, 206; Anicier, S. 198, 204, 206 u.ö.; Probus, S. 198, 199, 201 u.ö.; Probe!,
S. 199, 200.
Sibylla, S. 20, 21, 25 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Brief Singers vom
19.03.1948 1102 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, -/9; Übertragung auf die Figur
der Gregorius-Mutter/Ehefrau bei Integration in den Romantext. Vgl. Sibyllen, S. 54, 65, 142.
siech, S. 87: Auswahl des veraltenden nhd. Adjektivs, Quelle: Dieffenbacher, S. 69
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„ursprüngliche Bezeichnung für krank ist siech“ 1103 . Vgl. Siechbett, S. 79; Siechtum, S. 81;
Wochensieche, S. 59; die Siechen, S. 180.
Silvester, S. 16, 17: Auswahl des Personennamens (Sylvester), Quellen: Gregorovius Bd. 1,
S. 48 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, und anschließende Integration in den
Romantext; Papst 314-335 n.Chr.
1098
Auch erstgenannte Form ist noch zweimal in den Notizen, Bl. -/25, 14/47, nachweisbar.
Not. DE, Bl. -/4; vgl. Meyer Bd. 3, Sp. 530.
1100
Not. DE, Bl. -/23.
1101
Auerbach, S. 142.
1102
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
1103
Dieffenbacher, S. 69 (markiert).
1099
164
sin, S. 74, 75, 87: Auswahl des nd. Possessivpronomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
sein.
Sinnkraut, S. 209: Auswahl des veralteten nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
„eine art ausländischer (tropischer) hülsenpflanzen, die grosze reizbarkeit zeigen und sich bei
berührung zusammenziehen“ 1104 .
Sinopel, S. 17: Auswahl des Prototypen 1105 , Quelle: Pannier Bd 1, S. 267 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. 16/49, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: ursprünglich Bezeichnung für rote Farbe 1106 , später auch für „mit Sirup
gemischten Wein“ 1107 .
Skapulier, S. 13: Auswahl des lat. Lehnworts, Quelle: Meyer 1, Sp. 275 (Stichwort
„Benediktiner“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/36, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Schulterbekleidung“ 1108 des mönchischen Gewandes.
Skaramutzien, S. 124: Auswahl des ital. Fremdworts scaramuccia auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; partielle Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., cc>tz; Suff. en); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Scharmützel,
kriegerische Auseinandersetzung. 1109
Skrambel, S. 102: Auswahl des engl. Fremdworts scramble, Quelle: Roget, S. 265;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/8; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., k>c, le>el) bei
Integration in den Romantext; Übersetzung: Balgerei.
Skythen, S. 236, 241: Auswahl des Völkernamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 44
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/12, und anschließende Integration in den
Romantext; antikes Volk von Reiternomaden und Bogenschützen.
slackicht, S. 98: Auswahl des nd. 1110 Adjektivs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: beißend, scharf.
slechtem, S. 78: Auswahl des nd. Adjektivs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: schlecht.
smoothlich, S. 70: Auswahl des engl. Fremdworts smooth auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines hybriden Adjektivs durch Derivation (Suff. -lich); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: sanft.
1104
DWB Bd. 16, Sp. 1184.
Die Anpassung von mhd. sinopel an die nhd. Orthografie (Gs.) hatte Pannier bereits vorgenommen; Eine
Form Sinopel ist nhd. Wbb. nicht nachweisbar!
1106
Gr. Lexer Bd. 2, Sp. 934.
1107
Not. DE, Bl. 16/49.
1108
Not. DE, Bl. -/36.
1109
Kluge, S. 712.
1110
DWB Bd. 15, Sp. 262: schlackicht.
1105
165
Sohngespons, S. 234: Auswahl des nhd. Simpliziums Sohn und des veralteten 1111 Gespons
auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Kompositums bei Integration
in den Romantext; Bedeutung: Sohngemahl. Vgl. Buhlsohn.
Soissons, S. 24: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 518
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/28, 17/50, und anschließende Integration in den
Romantext; Stadt im historischen Westfrankenreich.
sorglich, S. 20, 110: Auswahl des veralteten 1112 nhd. Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
empfindend, tragend, fürsorglich.
soßig, S. 97: Auswahl des engl. Fremdworts saucy auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an das nhd. Laut-Zeichen-System (au>o, c>ß, -y>-ig); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: frech, kess.
spat, S. 56: Auswahl des mhd. Adverbs spât, Quelle: Gregorius, V. 239; Anpassung 1113 an
die nhd. Orthografie (â>a); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: spät.
Sparring, S. 100: Auswahl des englischen Fremdworts sparring, Quelle: Roget, S. 264;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/8; Anpassung 1114 an die nhd. Orthografie (Gs.) bei
Integration in den Romantext; Bedeutung: Trainingskampf beim Boxen.
Spezereien, S. 18: Auswahl des veralteten 1115 nhd. Nomens, Quelle: Pannier Bd. 2, S. 377;
Übernahme in die Notizen, Bl. 18/51, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: Gewürze.
spreiten, S. 16, 209, 237: Auswahl des veralteten 1116 nhd. Verbs, Quelle: Pannier Bd. 1, S.
215; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: ausbreiten,
bedecken.
Sprenkelholz, S. 17: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägersprache, Quelle: Pannier Bd.
1, S. 301 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 17/50, und anschließende Integration in
den Romantext; Bedeutung: „ausschlieszlich zum vogelfang benutzte falle [...] aus einer
schwanken gerte, welche umgebogen und durch eine doppelte schnur in biegung gehalten
wird. Zwischen die beiden schnüre wird dann ein schnellhölzchen geklemmt, welches die
lockspeise trägt. Der darauf stürzende vogel tritt das hölzchen heraus und fängt sich mit den
füszen zwischen den beiden fäden“ 1117 .
1111
Duden, S. 201.
DWB Bd. 16, Sp. 1800, mit Verweis auf Kramers dt.-it. Wörterbuch (1702).
1113
Im DWB Bd. 16, Sp. 1975, ist diese Form mit Verweis auf Goethe belegt.
1114
Duden, S. 384, kennt diese Form.
1115
Duden, S. 386.
1116
DWB Bd. 17, Sp. 14.
1117
DWB Bd. 17, Sp. 47.
1112
166
Staken: S. 74: Auswahl des nd. 1118 Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Stange.
Stegreif, S. 46: Auswahl des veraltenden 1119 nhd. Nomens; Quelle: Pannier Bd. 1, S. 151;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: etwas aus dem
Stegreif (=unvorbereitet) tun.
Stielbüschel, S. 244: Neubildung 1120 eines Kompositums auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
(Maler-)Pinsel.
stella maris, S. 156: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle: Waag, S. 131, 132
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/20, und anschließende Integration in den
Romantext; Übersetzung: Stern des Meeres.
Stirnäugler, S. 16: Auswahl der nhd. Simplizia Stirn und Auge auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines Kompositums unter Derivation des zweiten Simpliziums
(Uml. au>äu, Suff. -ler).
Bei Scherer, S. 95 (markiert), hatte Thomas Mann zwischen Kranichköpfen und Magnetbergen die Cyclopen gefunden, die schließlich auch Eingang in die Notizen, Bl. 27/60,
fanden; Möglicherweise war ihm dieser Ausdruck zu geläufig, sodass er alternativ eine
deutsche Entsprechung für Cyklop neubildete.
Stola, S. 237: Auswahl des lat. Lehnworts, Quelle: Bernhart, S. 350 (markiert); Übernahme in
die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung:
„priesterliches gewandstück in der altgläubigen kirche, [ein] langes talarförmiges kleid“ 1121 .
strack, S. 57, 166, 245: Auswahl des veralteten 1122 nhd. Adverbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
gerade(aus).
streitlich, S. 139, 140, 141: Auswahl des mhd. Adjektivs strîtlich, Quelle: Dieffenbacher, S.
82 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/15; Anpassung an die nhd. Orthografie (î>ei),
aber keine Neubildung 1123 ; Integration in den Romantext; Bedeutung: kriegerisch, gerüstet.
Stultitia, S. 180, 244, 247 u.ö.: Auswahl des lat. Fremdworts stultitia mit der Bedeutung:
Torheit, Dummheit, Einfalt, auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines
Eigennamens (Gs.) und Übernahme in die Notizen, Bl. -/5, -/9; Übertragung auf die erste
Tochter 1124 des Protagonisten Gregorius bei Integration in den Romantext.
1118
Duden, S. 389.
Duden, S. 390: nur noch in Redewendung etw. aus dem Stegreif tun.
1120
Der Gr. Duden Bd. 8, S. 3742, kennt lediglich den Stielbesen und die Stielbürste.
1121
DWB Bd. 19, Sp. 194.
1122
DWB Bd. 19, Sp. 592, mit Verweis auf Goethe.
1123
DWB Bd. 19, Sp. 1389: „vorwiegend mhd. und im älteren frühnhd. bezeugt“.
1124
DE, S. 244: „Herrad […], die nun Stultitia hieß, da ihr Taufname zu stolz und sie überhaupt nur irrtümlich
getauft war”.
1119
167
Sturmi, S. 136, 139, 141 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 45
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, -/29, 4/37, und anschließende Integration in
den Romantext. Nur der Name Sturmi, nicht aber seine historische Identität als „des Hl.
Bonifatius [...] Schüler“ 1125 , Sachsenbekehrer und erster Abt des Klosters Fulda 1126 , wird von
Thomas Mann übernommen und auf die Romanfigur des Pferdes des Gregorius übertragen;
Sprechender Name: der Stürmische, Ungezügelte.
Sublacus, S. 47: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 296
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Stadt in Italien, heute
Subiaco.
Subsidia, S. 111: Auswahl des lat. Lehnworts 1127 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Hilfsgelder.
Subsistenz, S. 125: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1128 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Lebensunterhalt.
Substantia, S. 81: Auswahl des lat. Fremdworts substantia auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) und anschießende Integration in
den Romantext; Übersetzung: Masse, Stoff, Bestandteil.
Substitut, S. 125: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1129 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Ersatz, Vertreter.
Suckling, S. 79, 81: Auswahl des engl. Fremdworts to suck auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung eines hybriden Nomens in Analogie zu nhd. Säugling durch
Derivation (Suff. -ling); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
Summa Astesana, S. 80: Auswahl des lat. Buchtitels, Quelle: Eicken, S. 505; Übernahme in
die Notizen, Bl. -/27, und anschließende Integration in den Romantext; “a fourteenth-century
work of casusitical edification” 1130 .
sundern, S. 78: Auswahl der veralteten Nebenform 1131 zu nhd. sondern auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
supra urbem, S. 9, 234: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
über der Stadt.
1125
Not. DE, Bl. 4/37.
Abt des Klosters Fulda von 744 -779 n.Chr.
1127
Duden, S. 398.
1128
DWB Bd. 20, Sp. 818.
1129
DWB Bd. 20, Sp. 822.
1130
Weigand, S. 85.
1131
DWB Bd. 20, Sp. 1166.
1126
168
Suprematie, S. 12: Auswahl des lat. Lehnworts 1132 , Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 1506
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: päpstliche
Obergewalt.
sursangle, S. 111: Auswahl des afrz. Fremdworts, Quelle: Singer/Bauer, S. 24 (markiert), als
Teil einer Worterklärung zu mhd. surzengel, Quelle: Gregorius, V. 1604; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Sattelgurt.
swaggern, S. 96: Auswahl des engl. Fremdworts to swagger auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Hybridbildung durch Addition einer dt. Infinitivendung (-n); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: angeben, aufschneiden,
dick auftragen.
Symbolum, S. 117, 127: Auswahl des veralteten lat. Lehnworts 1133 auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Übersetzung: Symbol, Erkennungszeichen.
Symmachus, S. 196, 197, 199: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S.
149 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den
Romantext; römischer Präfekt des 5. Jahrhunderts.
systema, S. 100: Auswahl des lat. Fremdworts 1134 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
System, Ordnung.
TTT
Tambour, S. 15: Auswahl des veralteten frz. Lehnworts 1135 , Quelle: Pannier Bd. 1, S. 51
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 8/41, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: Trommelschläger.
Tannewetzel, S. 15, 32, 33 u.ö.: Auswahl des veralteten 1136 Nomens, Quelle: Heil, S. 113,
114 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 7/40, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Die Leute litten an dem Haupt und an der Brust und von
Husten“ 1137 .
tau veel, S. 74: Auswahl des nd. Wortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: zu
viel.
1132
Duden, S. 399.
Heyse, S. 801; DWB Bd. 20, Sp. 1378: „bis mitte des 17. jahrh. [...] in der lat. form gebraucht“.
1134
DWB Bd. 20, Sp. 1433: „bis mitte des 18. jahrh. in der gr.-lat. form gebraucht“.
1135
Duden, S. 402.
1136
Im DWB und in den fnhd. Wbb. nicht nachweisbar! Siehe Wilhelm, S. 68, Anm. 3.
1137
Heil, S. 113.
1133
169
tellen, S. 78: Auswahl des des engl. Fremdworts to tell auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung durch Derivation (Suff. -en); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: erzählen.
tenue, S. 128, 135: Auswahl des frz. Fremdworts auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Haltung.
Tertullian, S. 239: Auswahl des Personennamens, Quelle: Bernhart, S. 43 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; christlicher Kirchenschriftsteller, lebte
von 160- (ca.) 220 n.Chr.
Theorbe, S. 87: Auswahl des veralteten frz. Lehnworts 1138 , Quelle: nicht ermittelbar!;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, -/13:, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: „Theorben, tiefgestimmte Lauten (Tiorba, téorbe)“ 1139 .
Theriak, S. 18: Auswahl des veralteten 1140 nhd. Nomens, Quelle: Pannier Bd. 2, S. 86, Anm.
1 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 18/51, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Theriak [...] (gegen den Biß wilder Tiere)“ 1141 .
thiudisc, S. 14: Auswahl des as. 1142 Adjektivs, Quelle: Baum, S. 19; Übernahme in die
Notizen, Bl. 30/63: „theo[verbessert: -u-]disc (deutsch)“, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: deutsch.
Thorhout, S. 23, 46, 152: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Meyer Bd. 2, Sp.
959/960 (Stichwort „Niederlande”: Karte der Niederlande); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Stadt im historischen Lothringen, heute Belgien.
Thraker, S. 236, 241: Auswahl des Völkernamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 44
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/12, und anschließende Integration in den
Romantext; antikes Volk auf dem östlichen Balkan. Vgl. Thrakerland, S. 242.
Thule, S. 71: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Scherer, S. 31; unter Umgehung der
Notizen Integration in den Romantext; sagenhafte Insel im hohen Norden.
Tiara, S. 228, 236: Auswahl des lat. Lehnworts 1143 , Quelle: Bernhart, S. 349 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Krone der Päpste.
1138
DWB Bd. 21, Sp. 366.
Not. DE, Bl. -/13. Diese Notiz korrepondiert mit dem entsprechenden Eintrag in Fr.L.K. Weigands
zweibändigem Deutschem Wörterbuch. Gießen: Töpelmann 1909-1910. (TMA TM 3851: 1+2), in dem Thomas
Mann offenbar nachgeschlagen, das aber in diesem Zusammenhang nicht als Quelle gewertet werden kann.
1140
DWB Bd. 21, Sp. 367, mit Verweis auf Goethe.
1141
Not. DE, Bl. 18/51.
1142
Kluge, S. 175.
1143
Duden, S. 407.
1139
170
Timon, S. 74, 85, 115: Auswahl des Personennamens, Quelle: nicht ermittelbar! Rümmele
nimmt an, dass Thomas Mann den Namen aus dem Werke Shakespeares kannte. 1144 Dies
scheint unwahrscheinlich:
„Da musst immer een Mann die Seen drawen aus dem Boot un de annere mit all sin Macht
den Timon holden ...“ (DE, S. 74). In diesem Kontext hat Timon nichts mit einem antiken
Philosophen zu tun, sondern steht ziemlich eindeutig in der Bedeutung eines Mastes. In
Thomas Manns „Simplicissimus“-Exemplar (S. 39) erfährt man nun, „daß der heidnische
Philosophus Timon von Athen viel Galgen aufrichtete“. Einen in Seenot geratenen und um
sein Leben kämpfenden Fischer seinen eigenen Galgen halten zu lassen, sieht Thomas Mann
nicht unähnlich. An anderer Stelle wird der Name Timon auf die Figur eines Geld
verleihenden Juden übertragen.
tippeln, S. 75: Auswahl des nd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutungsverschiebung: eigentlich
wandern, herumstreunen. Der Kontext Dram zum Tippeln lässt diese Bedeutung allerdings
nicht zu. Das engl. dram bedeutet ‚Schluck’. Der herumstreunende (und gewiss nicht immer
nüchterne) Tippelbruder liefert hier also die sematische Brücke, um tippeln mit der Bedeutung
‚(Alkohol) trinken’ zu belegen.
Tjost(e), S. 24, 49: Auswahl des veralteten frz. Lehnworts 1145 , Quelle: Pannier, Bd. 1, S. 67
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 8/41, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Tjost: ritterl. Speerkampf“ 1146 .
tjostieren, S. 20: Auswahl des mhd. Verbs tjostiren, Quelle: Dieffenbacher, S. 134;
Anpassung 1147 an die nhd. Orthografie (i>ie); Übernahme in die Notizen, Bl. 10/43, und
anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: eine Tjoste (s.o.) kämpfen, die dem
eigentlichen Turnier vorausging. 1148
Toled im Spanierland, S. 18: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 78
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 8/41, und anschließende Integration in den
Romantext; Toledo in Spanien.
Tournure, S. 68, 125: Auswahl des frz. Fremdworts tournure auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: Aussehen, Wesensart.
tout de même, S. 28: Auswahl des frz. Fremdwortkomplexes auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
trotzdem.
1144
Rümmele, S. 400.
Heyse, S. 825.
1146
Not. DE, Bl. 8/41.
1147
tjostieren ist ein bekanntes mhd. Verb und in allen Wbb. nachweisbar.
1148
Vgl. weiter Dieffenbacher, S. 133f.
1145
171
Tracht, S. 80: Auswahl des nhd. Nomens in veralteter 1149 Bedeutung auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: (menschliche) Schwangerschaft.
Trajan, S. 239: Auswahl des Personennamens, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 172 (markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; römischer Kaiser 98-117 n.Chr.
Trappen, S. 172: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägersprache, Quelle: Meyer Bd. 3, Sp.
955 (Stichwort „Vögel“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/29, und anschließende Integration
in den Romantext; Bedeutung: ein hühnerähnlicher Laufvogel.
traun, S. 30, 153, 169: Auswahl der veralteten 1150 Interjektion, Quelle: Hertz, S. 28; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: fürwahr.
Tricker, S. 102: Auswahl des engl. Lehnworts Trick auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung durch Derivation (Suff. -er) als Alternative zur nhd.
Lehnbildung Trickser; anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: Trickser,
Betrüger. Vgl. Tücker.
Trickerei, S. 147: Auswahl des engl. Lehnworts Trick auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung durch Derivation (Suff. -erei) in Analogie zu engl. trickery;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Betrügerei.
Tristan, S. 164: Auswahl des Personennamens, Quelle: Hertz, S. 549 (markiert); Übernahme
in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den Romantext; Nur der Name
Tristan, nicht aber seine literarische Identität als Protagonist in Gottfrieds von Straßburgs
mhd. Epos, wird von Thomas Mann übernommen und (aufgrund seiner etymolog. Nähe zum
frz. trist/e) dem trauernden Gregorius als Beinamen gegeben.
Tristan le preux lequel fut ne en tristesse, S. 137: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes,
Quelle: Hertz, S. 549 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende
Integration in den Romantext; Übersetzung: Tristan der Tapfere, der nichts als in Trauer
gewesen ist.
Tristanz […] qui onques ne rist, S. 91: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes, Quelle:
Hertz, S. 549 (markiert), Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in
den Romantext; Übersetzung: der Trauerer, der niemals lacht.
Triumphbögen der Kaiser Theodosius, Valentinian, Gratian, Titus und Vespasian, S.
237: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregogovius Bd. 1, S. 1218 (teils markiert);
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; historische Bauwerke in Rom.
1149
DWB Bd. 21, Sp. 978: Wenngleich nicht gerade häufig, ist dieses Element mit dieser Bedeutung vom 13. bis
17. Jh. belegbar. Danach nur noch im bair. Dialektgebiet.
1150
Duden, S. 441.
172
Truchseß, S. 62, 125, 126 u.ö.: Auswahl des veralteten 1151 nhd. Nomens, Quelle: Hertz, S.
585 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Herr
über Küche und Tafel, „der die Speisen [...] aufsetzt“ 1152 .
Trügener, S. 164, 182, 219: Auswahl des mhd. Nomens trügenaere, Quelle: Gregorius, V.
2787; Übernahme in die Notizen, Bl. -/16; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs., ae>e) bei
Integration in den Romantext, aber keine Neubildung 1153 ; Bedeutung: Betrüger.
trügliche Mären, S. 16: Auswahl des mhd. Wortkomplexes trügelîche maeren, Quelle:
Gregorius, S. III (Einleitung); partielle Anpassung an die nhd. Orthografie (î>i) und
Übernahme in die Notizen, Bl. -/36; weitere Anpassung 1154 an die nhd. Orthografie (Tilg. -e-,
Gs., ae>ä); Integration in den Romantext; Bedeutung: Lügengeschichten, Ammenmärchen.
Trügerei, S. 189: Auswahl des veralteten 1155 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Betrügerei.
Trutgespiel, S. 23: Auswahl des mhd. Nomens trûtgespil, Quelle: Dieffenbacher, S. 144
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 5/38; partielle Anpassung an die nhd. Orthografie
(Gs., i>ie) bei Integration in den Romantext; Bedeutung: „Mädchen und Jünglinge
untereinander: trûtgespil, trûtgeselle“ 1156 , „trût: Liebling“ 1157 .
tu es mult de pute foi, S. 55: Auswahl des afrz. Fremdwortkomplexes mult de pute foi,
Quelle: Auerbach, S. 141; Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, 1/32; syntaktische Erweiterung
des Fremdwortkomplexes um das nfrz. tu es bei Integration in den Romantext; Übersetzung:
Du bist von sehr schlechter Treue.
Tüchten, in T. sein, S. 50: Auswahl des veralteten1158 nhd. Nomens auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: in anderen Umständen/schwanger sein.
Tücker, S. 102: Auswahl des nhd. Nomens Tücke auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung durch Derivation (Suff. -r); Bedeutung: Betrüger,
hinterlistiger, tückischer Mensch. Vgl. Tricker.
Tunika, S. 13: Auswahl des lat. Lehnworts 1159 , Quellen: Gregorovius Bd. 1, S. 349
(markiert); Bernhart, S. 350 (markiert); Meyer Bd. 1, Sp. 275 (Stichwort: „Benediktiner“);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/36, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: altrömisches Gewand.
1151
Duden, S. 413.
Hertz, S. 585.
1153
DWB Bd. 22, Sp. 1307.
1154
Im DWB Bd. 22, Sp. 1298f., ist die Form trüglich nachweisbar.
1155
DWB Bd. 22, Sp. 1280: „nhd. trügerei hat seine blüte im 16. und 17. jh.“.
1156
Not. DE, Bl. 5/38.
1157
Not. DE, Bl. -/2.
1158
DWB Bd. 22, Sp. 1491: „Tucht [...] als Bezeichnung einer Krankheit“, mit Verweis auf Höpfler, „dort zu
tüchen, mhd. tiuhen, diuhen ‚drücken, schieben, pressen gestellt“.
1159
Duden, S. 415.
1152
173
Turnei zu Ernste, S. 140: Auswahl des mhd. Nomens turnei ze ernste, Quelle:
Dieffenbacher, S. 131; Übernahme in die Notizen, Bl. -/15; Anpassung an die nhd.
Orthografie (Gs.), aber keine Neubildung 1160 ; Integration in den Romantext; Bedeutung:
Turnier.
Turteltürtel, S. 22: Neubildung eines Kopulativkompositums durch Reduplikation unter
Umlautung des zweiten Simpliziums (u>ü); unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: Taube, im weiteren Sinne Gespiel(in).
twelf, S. 78: Auswahl des engl./nd. Zahlworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: zwölf.
UUU
überkröpft, S. 175: Auswahl des Fachausdruck aus der Jägersprache, Quelle: Pannier Bd. 1,
S. 221 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/25, 14/47, und anschließende Integration
in den Romantext; Bedeutung: „überkröpft (den Kropf überfüllt)“ 1161 .
Ukerland, S. 121, 127, 128: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 234;
Übernahme in die Notizen, Bl. 3/30, 14/47, und anschließende Integration in den Romantext;
„Ukerland und Ukersee sind wahrscheinlich aus utre (ultra) lande und utre mer
entstanden“ 1162 und damit literarisch-fiktive Örtlichkeiten.
Ukersee, S. 120, 121, 131: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 239;
Übernahme in die Notizen, Bl. 3/30, und anschließende Integration in den Romantext;
„Ukerland und Ukersee sind wahrscheinlich aus utre (ultra) lande und utre mer
entstanden“ 1163 und eine literarisch-fiktive Örtlichkeiten.
un, S. 74: Auswahl der nd. Partikel auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: und.
Ünden, die, S. 55, 58, 60 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens ünde, Quelle: Gregorius, V. 3097;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) bei Integration
in den Romantext; Bedeutung: Wellen, Wogen. Vgl. Ündenfahrt, S. 55.
Ündenschlag, S. 66, 80, 118: Auswahl des mhd. Wortkomplexes (von der) ünden slage,
Quelle: Gregorius, V. 940; Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Neubildung durch Anpassung
an die nhd. Orthografie (Gs., slage > -schlage, Tilg. -e) und Bildung eines Kompositums bei
Integration in den Romantext; Bedeutung: Wellenschlag (des Meeres).
1160
DWB Bd. 22, Sp. 1874: „erst im neueren schriftgebrauch, mit dem aufleben der ritterromantik, wiederaufgenommen“.
1161
Not. DE, Bl. 14/47.
1162
Pannier Bd. 1, S. 239.
1163
Ebd.
174
ungebär, S. 38: Auswahl des mhd. Adjektivs ungebaere, Quelle: nicht ermittelbar!;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, -/17; Anpassung an die nhd. Orthografie (ae>ä; Tilg. -e),
aber keine Neubildung 1164 ; Integration in den Romantext; Bedeutung: „ungebaere =
ungeziemend“ 1165 .
Ungehabe, S. 33: Auswahl des mhd. Nomens ungehabe, Quelle: Gregorius, V. 2527;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/7, -/17; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) bei
Integration in den Romantext; Bedeutung: „Leidwesen“ 1166 .
ungetrost, S. 54: Auswahl des fnhd. 1167 Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
ungetröstet.
ungrisch, S. 72: Auswahl der veralteten Nebenform 1168 zu nhd. ungarisch auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
un om de gentilesce, S. 24: Auswahl des afrz. 1169 Fremdwortskomplexes, Quelle: nicht
ermittelbar!; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
Edelmann.
Unrede, S. 12, 104, 183 u.ö.: Auswahl des mhd. Nomens unrede, Quelle: nicht ermittelbar!;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/7; Neubildung 1170 durch Anpassung an die nhd.
Orthografie (Gs.) bei Integration in den Romantext; Bedeutung: „unrede: böse Rede“ 1171 .
Unsal, S. 177: Auswahl des veralteten 1172 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Unglück, Unheil.
unterfahn, 133: Auswahl des veralteten 1173 nhd. Verbs, Quelle: Nibelungen, S. 199
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: etw.
annehmen, aufnehmen, beginnen.
Unterpfand, S. 55: Auswahl des veralteten 1174 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Pfand.
1164
DWB Bd. 24, Sp. 619.
Not. DE, Bl. -/17.
1166
Not. DE, Bl. -/17.
1167
Laut DWB Bd. 24, Sp. 903, bis ins 17. Jh. gebräuchlich, mit Verweis auf Luther.
1168
DWB Bd. 24, Sp. 611.
1169
Zur Übersetzung der afrz. Elemente wurde Toblers/Lommatzsch’ Altfranzösisches Wörterbuch herangezogen.
1170
Eine Form Unrede ist in nhd. Wbb. nicht nachweisbar!
1171
Not. DE, Bl. -/2.
1172
DWB Bd. 24, Sp. 1302: „ ein schriftsprachlich nie wirklich lebendiges wort“, mit Verweis auf Arndt.
1173
DWB Bd. 24, Sp. 1543: „seit dem 16. jahrh. immermehr durch das heute schriftsprachlich gültige unterfangen ersetzt“; in fnhd. Wbb. nicht nachweisbar!
1174
DWB Bd. 24, Sp. 1711.
1165
175
unterwinden, S. 77, 78, 81: Auswahl des veralteten 1175 Verbs, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 308
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: sich einer
Sache annehmen, sie übernehmen.
upbringen, S. 78: Auswahl des nd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: aufbringen, aufziehen.
Urfehde, S. 147: Auswahl des nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „früher: eidliches
Versprechen sich nicht zu rächen“ 1176 .
Urlag, S. 33: Auswahl des fnhd. 1177 Nomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „eins der alten wörter
für ‚krieg’ “ 1178 .
Urliuge, S. 122: Auswahl des mhd. Nomens urliuge, Quelle: Gregorius, V. 910, 1898;
partielle Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); Übernahme in die Notizen, Bl. -/17, 3/30,
und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „Urliuge = Krieg, Kampf, mit
drô“. 1179
Ursach haben, S. 33, 166: Auswahl des veralteten 1180 nhd. Verbgefüges, Quelle: Hertz, S.
375; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: einen Grund
haben.
Ursassen, S. 71: Auswahl der beiden nhd. Simplizia Ureinwohner und Hintersassen auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Kompositums durch
Kontamination; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
angestammte, einheimische Bevölkerung.
urscheln, S. 166: Auswahl des Personennamens Urschel, einer der „zahlreichen
mundartlichen formen“ zu Ursula, auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Urschel ist
zugleich Bezeichnung „für eine dumme, wunderliche, liederliche, schmutzige
weibsperson“ 1181 . Unter Umgehung der Notizen erfolgt die Neubildung eines Verbs durch
Addition einer Infitivendung (-n) in formaler und semantischer Analogie zu nhd. mauscheln,
tuscheln, munkeln, nuscheln. Attribution der geschwätzigen Magd Jeschute bei Integration in
den Romantext.
uteri, S. 192: Auswahl des lat. Fremdworts, Quelle: Kerényi, S. 46 (markiert); unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Gebärmuttern.
1175
Duden, S. 425.
Duden, S. 426.
1177
DWB Bd. 24, Sp. 2482: Es „beginnt im 15. jh. abzusterben [...], erlischt im 16. jh.“; Baufeld, S. 239.
1178
DWB Bd. 24, Sp. 2482.
1179
Wysling 1967, S. 264, 273, macht darauf aufmerksam, dass Urliuge, notiert in lat. Schrift ohne u-Bogen,
nicht wiedererkannt wurde und so in den ersten Ausgaben des „Erwählten“ als Urlinge auftauchte.
1180
DWB Bd. 24, Sp. 2517.
1181
DWB Bd. 24, Sp. 2527.
1176
176
VVV
vagieren, S. 243: Auswahl des veraltenden lat. Lehnworts 1182 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 1183 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: umherschweifen.
Valand, S. 35, 135: Auswahl der mhd. Formen vâlandinne u. vâlandes (Gen.), Quelle:
Dieffenbacher, S. 145 (markiert); Übernahme in die Notizen sowohl der weiblichen (Bl. 2/31,
5/38) als auch der männlichen Form (Bl. -/29), wobei letztere nach Anpassung 1184 an die nhd.
Orthografie (Gs., â>a) in den Romantext integriert wird; Bedeutung: Teufel, Ungeheuer.
Valet, S. 145, 158: Auswahl des veraltenden lat. Lehnworts 1185 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 1186 ; Übernahme in die Notizen, Bl. -/8, und anschließende Integration in
den Romantext; Bedeutung: Lebewohl, Abschiedsgruß. Vgl. valete, S. 260.
Vassellage, S. 90: Auswahl des afrz. Fremdworts vassellage, Quelle: Auerbach, S. 98;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/28; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) bei Integration
in den Romantext; Bedeutung: Tapferkeit 1187 .
Verbringung, S. 61: Auswahl des ungebräuchlichen 1188 nhd. Nomens auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in de Romantext,
Bedeutung: das Bringen (im Sinne eines Transports).
Verdrückung, S. 168: Auswahl des ungebräuchlichen 1189 nhd. Nomens auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: zerknautschter Zustand, im weiteren Sinne das Niedergedrücktsein allgemein.
vere, S. 33: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: wahrlich.
Vergunst, S. 215: Auswahl des veraltenden 1190 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
mit Vergunst = mit Verlaub.
verjehen, S. 33: Auswahl des mhd. Verbs, Quelle: Gregorius, V. 1409; Übernahme in die
Notizen, Bl. -/17, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „des verjehen:
sagen, bekennen, eingestehen“ 1191 .
1182
DWB Bd. 25, Sp. 5; Gr. Duden Bd. 9, Sp. 4166: veraltend.
Interferenz: Simplicissimus, S. 424.
1184
DWB Bd. 25, Sp. 7.
1185
Duden, S. 427.
1186
Interferenz: Simplicissimus, S. 56, 232: das Valete.
1187
Auerbach, S. 99.
1188
Gr. Duden Bd. 9, S. 4190.
1189
Gr. Duden Bd. 9, S. 4197.
1190
Duden, S. 431: nur noch in Redewendung mit Vergunst und Verlaub.
1191
Not. DE, Bl. -/17.
1183
177
verliegen, sich, S. 112: Auswahl des veralteten 1192 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext, Bedeutung:
faulenzen.
verlügen, S. 176: Auswahl des veralteten 1193 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
lügen, etwas falsch, unwahr darstellen.
vermachen, S. 76: Auswahl des nhd. Verbs mit veraltetem Bedeutungshorizont auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext; Bedeutung: verschließen, zumachen, versperren. 1194
verwalkte Schwarte, S. 182: Auswahl der mhd. Simplizia verwalken und swarte, Quelle:
Gregorius, V. 3425; Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, wo Anpassung 1195 an die nhd.
Orthografie vorgenommen wird: „verwalken: verfilzen; swarte: Kopfhaut; verwalkte
Schwarte“. Am Ende steht die Integration in den Romantext; Bedeutung: verfilzte (Haare auf
der) Kopfhaut.
verschließlich, S. 186: Auswahl des veralteten 1196 Nebenform zu nhd. verschließbar auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
verwesen, S. 45: Auswahl des veraltenden 1197 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
verwalten.
verzwergt, S. 230: Auswahl des veralteten 1198 nhd. Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext, Bedeutung:
„zwerghaft klein bleiben oder werden, verkümmern“ 1199 .
Vestiarius, S. 250: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 535 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den Romantext;
päpstlicher Hofbeamter.
Via Lata, S. 197: Auswahl des Namenskomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 15
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/2, -/4, und anschließende Übernahme in den
Romantext; historische Straße in Rom.
1192
DWB Bd. 25, Sp. 792: „stark im abnehmen begriffen“ und macht „einen gesucht altertümelnden eindruck“.
DWB Bd. 25, Sp. 826: „hauptblütezeit [...] bis in den anfang des 17. jahrh.“.
1194
DWB Bd. 25, Sp. 832.
1195
Schwarte und verwalken sind geläufige nhd. Formen und in allen Wbb. nachweisbar.
1196
DWB Bd. 25, Sp. 1106, mit Verweis auf Stieler.
1197
Gr. Duden Bd. 9, S. 4310.
1198
DWB Bd. 25, Sp. 2709, mit Verweis auf Fontane.
1199
DWB Bd. 25, Sp. 2709.
1193
178
Vice-Äbtissin, S. 259: Auswahl des Bindestrich-Kompositums in orthogr. veralteter 1200 Form
auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den
Romantext.
Vicedominus, S. 250: Auswahl des vatikan. Titels, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S. 535
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/10, und anschließende Integration in den
Romantext; päpstlicher Hofbeamter.
viel hart, S. 156: Auswahl des mhd. Wortkomplexes vil harte, Quelle: Gregorius, V. 358;
Anpassung an die nhd. Orthografie (i>ie; Tilg. -e); unter Umgehung der Notizen Integration
in den Romantext; Bedeutung: sehr, stark, hart.
visitieren, S. 29, 64: Auswahl des frz. Lehnworts 1201 auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 1202 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: besuchen.
Vivat, S. 30: Auswahl des lat. Lehnworts 1203 auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Lebehoch,
Hochruf.
Volte reiten, S. 91, 111: Auswahl des frz./dt. Lehnwortkomplexes, Quelle: Hertz, S. 550
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: „in der
reitkunst [...] eine engere oder weitere bewegung um einen mittelpunct“ 1204 . Vgl. VolteReiten, S. 135.
Vorsteven, S. 95: Auswahl des Fachausdrucks aus der Seemannsprache auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz 1205 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Krummholz am Vorderende eines Schiffes.
Vortigern, S. 72: Auswahl des Personennamens, Quelle: Baum, S. 19 (markiert); Übernahme
in die Notizen, Bl. -/27, 30/63, und anschließende Integration in den Romantext; „Britenfürst
Vortigern“ 1206 .
Vriedel traut, S. 39: Auswahl der beiden mhd. Kosenamen vriedel und trût, Quelle:
Dieffenbacher, S. 144 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. 2/31, 5/38; Anpassung
beider Simplizia vriedel (Gs.) und trût (û>au) an die nhd. Orthografie bei Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Ehegatten nennen sich, wenn sie voneinander sprechen, trût, vriedel
= Liebling“ 1207 .
1200
DWB Bd. 26, Sp. 385: „in zahllosen zusammensetzungen“ ist „ vice [...] in der älteren sprache die herrschende schreibung“.
1201
Kl. Duden, S. 439.
1202
Interferenz: Volksbuch, S. 47; Scheible, S. 975.
1203
Duden, S. 441.
1204
DWB Bd. 26, Sp. 736.
1205
Element ist zwar bei Meyer Bd. 3, Sp. 428 (Stichwort „Schiff“) nachweisbar, ist aber als Quelle unsicher.
1206
Not. DE, Bl. 30/63.
1207
Dieffenbacher, S. 144 (markiert); vgl. Not. DE, Bl. 5/38.
179
vulgus, S. 71: Auswahl des lat. Fremdworts auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung: Volk, Massen.
WWW
Wachgesicht, S. 205: Auswahl der beiden nhd. Komposita Wachtraum und Traumgesicht auf
Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; Neubildung eines Kompostitums durch
Kontamination 1208 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Tagtraum, Vision.
waffenlich, S. 140: Auswahl des mhd. Adjektivs wâfenlich, Quelle: Dieffenbacher, S. 82
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/15; Neubildung 1209 durch Anpassung an die nhd.
Orthografie (Konsonantengem. -f-) und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: gerüstet.
Wâge, S. 186: Auswahl des mhd. Nomens wâge, Quelle: Gregorius, V. 934; Übernahme in
die Notizen, Bl. -/17; partielle Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.) bei Integration in den
Romantext; Bedeutung: Wasser, Flut.
Wagesatz, S. 91: Auswahl des veralteten 1210 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
gewagter Satz, Hypothese.
wälisch, S. 21, 162, 244: Auswahl des mhd. Adjektivs wälhisch, Quelle: Gregorius, V. 177;
Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; Anpassung 1211 an die nhd. Orthografie (Tilg. -h-);
anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: welsch, französisch, im weitesten
Sinne romanisch.
wallen, S. 74, 155, 237 u.ö.: Auswahl des mhd. Verbs, Quelle: Gregorius, V. 91; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/36, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: pilgern,
wallfahren. Vgl. hinwallend, S. 236.
Wallnister, S. 172: Auswahl des Fachausdrucks aus der Jägersprache, Quelle: Meyer Bd. 3,
Sp. 955 (Stichwort „Vögel“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/29, und anschließende
Integration in den Romantext; Bedeutung: Scharrvogelart, die den Großfußhühnern
zugerechnet wird.
wälsch, S. 39: Auswahl der veralteten 1212 Nebenform zu nhd. welsch auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz. Vgl. wälisch.
1208
Mater, S. 144.
DWB Bd. 27, Sp. 310, nennt ausschließlich mhd. Verweise.
1210
DWB Bd. 27, Sp. 498, mit Verweis auf Campe.
1211
DWB Bd. 27, Sp. 1327, als bair. Nebenform zu welsch, wälsch nachweisbar.
1212
DWB Bd. 27, Sp. 1327.
1209
180
Wandlungsglöcklein, S. 9: Auswahl des veralteten 1213 nhd. Nomens (aus dem klerikalen
Bereich) auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: „glocke, die bei der wandlung geschlagen
wird“ 1214 .
Wangengebände, S. 131: Auswahl der beiden Elemente mhd. gebende und nhd. Wange,
Quelle: Dieffenbacher, S. 76 (markiert): „Das gebende bestand aus zwei Teilen, der
Stirnbinde (wimpel) und der Wangenbinde“, wobei ersteres der nhd. Orthografie (e>ä)
angepasst wird; Neubildung eines Kompositums bei Integration in den Romantext;
Bedeutung: alter Bestandteil der Frauentracht, Kinn und Haaransatz verdeckend. 1215
Wank, S. 149: Auswahl des veralteten 1216 nhd. Nomens, Quelle: Nibelungen, S. 35; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Nachgiebigkeit, Zweifel.
Wappenrock, S. 25, 42, 43 u.ö.: Auswahl des veralteten 1217 nhd. Nomens, Quelle: Pannier
Bd. 1, S. 47, 102 (beide markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/28, 8/41, und
anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: „ein langes, ärmelloses Gewand, mit
dem Wappen des Ritters“ 1218 .
ward, S. 18, 19, 32 u.ö.: Auswahl der veralteten1219 Präteritalform zu nhd. werden, Quellen:
Hertz, S. 388 (markiert); Singer/Bauer, S. 27 (markiert) 1220 ; unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext.
wärmlich, S. 191: Auswahl des veralteten 1221 nhd. Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
warm.
was, S. 74: Auswahl des nd. Verbs auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz; unter
Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: (er, sie, es) war.
Wasser, die, S. 181: Auswahl der veraltenden 1222 Pluralform auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
wat, S. 75, 86: Auswahl des nd. Interrogativpronomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
was.
1213
Der Gr. Duden kennt es nicht mehr.
DWB Bd. 27, Sp. 1733.
1215
Wilhelm, S. 21.
1216
DWB Bd. 27, Sp. 1788: „nur wenig eingang in die nhd. schriftsprache gefunden“.
1217
DWB Bd. 27, Sp. 1965, mit Verweis auf Schiller.
1218
Not. DE, Bl. 8/41.
1219
Duden, S. 374, kennt diese Form nicht mehr!
1220
Die Form ward ist im älteren deutschen Schrifttum eine sehr verbreitete und dürfte somit für Thomas Mann
keine ungewöhnliche Erscheinung dargestellt haben. Der Dichter hat genannte Form wahrscheinlich nicht gezielt, sondern sozusagen „am Rande“ mitmarkiert.
1221
DWB Bd. 27, Sp. 2074: „schriftsprachlich selten“, mit Verweis auf Campe und Lichtenberg.
1222
Gr. Duden Bd. 10, S. 4435ff.: Nur noch in Redewendungen wie stille Wasser sind tief oder mit allen
Wassern gewaschen.
1214
181
Water, S. 75: Auswahl des engl. (oder nnd.) Fremdworts water auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Übersetzung: Wasser.
wätlich S. 27, 53, 183: Auswahl des mhd. Adjektivs waetlîch, Quelle: Gregorius, V. 2910;
Neubildung 1223 durch Anpassung an die nhd. Orthografie (ae>ä; î>i); Übernahme in die
Notizen, Bl. -/7, -/17, und anschließende Integration in den Romantext; Bedeutung: körperlich
schön.
Wätlichkeit S. 27: Auswahl des mhd. Adjektivs waetlîch, Quelle: Gregorius, V. 2910;
Neubildung 1224 durch Anpassung an die nhd. Orthografie (ae>ä; î>i); Übernahme in die
Notizen, Bl. -/7, -/17; Neubildung eines Nomens durch Anpassung an die nhd. Orthografie
(Gs.) und durch Derivation (Suff. -keit) bei Integration in den Romantext; Bedeutung:
Schönheit, Anmut, Eleganz.
Wehmutter, S. 55: Auswahl des fnhd. 1225 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Hebamme.
Wegetreter, S. 183: Neubildung 1226 des Kompositums auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
Wegelagerer.
Weibheit, S. 121, 156, 157: Auswahl des mhd. Nomens wîpheit, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 8;
Anpassung 1227 an die nhd. Orthografie (Gs., î>i, p>b); unter Umgehung der Notizen
Integration in den Romantext; Bedeutung: Weiblichkeit, weibliche Wesensart.
weihlich, S. 10: Auswahl des veralteten 1228 nhd. Adjektivs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
weihevoll.
weiß Krist, S. 63, 89, 104: Auswahl des mhd. Wortkomplexes wizze Krist, Quelle: Gregorius,
V. 1348; Übernahme in die Notizen, Bl. -/17; partielle Anpassung an die nhd. Orthografie
(wizze>weiß) bei Integration in den Romantext; Bedeutung: weiß Gott!
wenig, S. 28, 77: Auswahl des mhd. Adjektivs, Quelle: Gregorius, V. 961; Übernahme in die
Notizen, Bl. -/17: „daz wenige vaz“, und anschließende Integration in den Romantext;
Bedeutung: klein.
1223
DWB Bd. 27, Sp. 2584, nennt ausschließlich mhd. Verweisstellen.
DWB Bd. 27, Sp. 2584, nennt ausschließlich mhd. Verweisstellen.
1225
DWB Bd. 28, Sp. 145: „rückgehen auf LUTHER“. Das Wort benutzten „nur ihm nahe stehende protestanten
Mitteldeutschlands [...]; der lebendigen sprache bleibt es fern.“
1226
Laut DWB Bd. 27, Sp. 3143, ist bis ins 16. Jh. eine Knöterichart namens Wegetrete, später Wegetritt,
nachweisbar.
1227
DWB Bd. 28, Sp. 420, kennt diese Form.
1228
DWB Bd. 28, Sp. 706: nur bei Wagner „statt weihemäszig, weihevoll, die nicht in den vers paszten“.
1224
182
weren, S. 74: Auswahl des nd. Verbs wesen auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: (sie) waren.
Werimbald, S. 179, 243, 245: Auswahl des Personennamens, Quelle: Dieffenbacher, S. 13
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/15, -/19, -/29, und anschließende Integration in
den Romantext; Nur der Name Werimbald, nicht aber seine historische Identität als Bischof
„Werimbald von Cambray“ 1229 , wird von Thomas Mann übernommen und auf die
Romanfigur des „entfernten Vetters“ 1230 der Sibylla übertragen.
wern, S. 74: Auswahl des nd. Verbs wesen auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: (wir) wären.
Wert, S. 200, 210: Auswahl des mhd. Nomens wert, Quelle: Gregorius, V. 3238; Übernahme
in die Notizen, Bl. -/2; Anpassung an die nhd. Orthografie (Gs.), keine Neubildung 1231 ;
Integration in den Romantext; Bedeutung: Insel.
wi, S. 74: Auswahl des nd. Personalpronomens auf Grundlage der eigenen Sprachkompetenz;
unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: wir.
widerbellen, S. 78: Auswahl des veralteten 1232 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Übernahme in die Notizen, Bl. -/4, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „sich laut widersetzen“ 1233 .
Wiglaf, S. 69, 72, 73 u.ö.: Auswahl des „old English name“ 1234 , Quelle: Baum, S. 118
(markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, 32/65, und anschließende Integration in den
Romantext; Nur der Name Wiglaf, nicht aber seine historische Identität als englischer
König 1235 des 9. Jahrhunderts von Britannien, wird von Thomas Mann übernommen und auf
die Romanfigur eines Fischers übertragen.
Wiligis, S. 20, 21, 23 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Brief Singers vom
19.03.1948 1236 (markiert); Übernahme in die Notizen, Bl. -/36 (allerdings mit Doppel-l), wo
Thomas Mann einen kleinen Pool von Alternativformen („Willigis[,] Williram oder Willo“)
angelegt hat; Obgleich die Unterstreichung Gegenteiliges suggeriert, werden letztlich nur die
Formen Wiligis (wie im Brief Singers mit einem -l-) und die Form Willo (als Spitz- und
Kosename) auf die Figur des Vater des Gregorius übertragen.
Willo, S. 20, 21, 25 u.ö.: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 89 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, -/36, und anschließende Integration in den Romantext;
Nur der Name Willo, nicht aber seine historische Identität als komponierender Bamberger
1229
Dieffenbacher, S. 13 (markiert); vgl. Not. DE, Bl. -/19.
DE, S. 179.
1231
DWB Bd. 29, Sp. 470.
1232
DWB Bd. 29, Sp. 916.
1233
Not. DE, Bl. -/4.
1234
Weigand, S. 15.
1235
Vgl. Not. DE, Bl. 32/65: „König Wiglaf“.
1236
Zit. nach Wysling 1967, S. 262; vgl. weiter Kap. 4.2: Korrespondenz Mann – Singer/Bauer.
1230
183
Priester des 11. Jahrhunderts, werden von Thomas Mann übernommen und auf die Figur des
Vater des Gregorius übertragen. Willo wird so zum Spitznamen Wiligis’.
Windblattern, S. 21: Auswahl des veralteten 1237 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 1238 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Windpocken.
wisse!, S. 204, 211, 212: Auswahl des nhd. Modalverbs wissen in „allgemein unüblicher“ 1239
Imperativform.
Wittich, S. 38, 179: Auswahl des Personennamens, Quelle: Scherer, S. 26 (markiert);
Übernahme in die Notizen, Bl. -/19, und anschließende Integration in den Romantext; Nur der
Name Wittich, nicht aber seine literarische Identität als Sagengestalt des 5. Jahrhunderts, wird
von Thomas Mann übernommen und auf die Figur des Ritters „mit der schiefen Schulter“ 1240 ,
Ohm der Sibylla, übertragen.
Wittumsgut, S. 179, 243: Auswahl des fnhd. 1241 Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz 1242 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Mitgift, die in der mittelalterlichen Ehe als Witwenvorsorge diente.
wohlwill, S. 37: Auswahl des veralteten 1243 nhd. Verbs auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
jdm. wohlgesonnen sein, mit Wohlwollen begegnen.
wolle!/wollt!, S. 140, 211, 213 u.ö.: Auswahl des nhd. Modalverbs wollen in „allgemein
unüblicher“ 1244 Imperativform.
wonniglich, S. 53: Auswahl des veralteten 1245 Adjektivs, Quelle: Pannier Bd. 1, S. 148
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: wonnig.
Wutwitz, S. 104: Neubildung in Analogie zu nhd. Wahnwitz auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
steht Wahnwitz auch sematisch sehr nahe. Vgl. Wut- und Wahnwitz, S. 104.
XYZ
Ypern, S. 19, 29, 32 u.ö.: Auswahl des Örtlichkeitsnamens, Quelle: Meyer Bd. 1, Sp. 818
(Stichwort „Flandern“), Bd. 2, Sp. 959/960 (Stichwort „Niederlande”: Karte der Niederlande);
1237
DWB Bd. 30, Sp. 271, mit Verweis auf Goethe.
Impuls gab gewiss die Form Blattern, Quelle: Heil, S. 113 (markiert).
1239
Duden Bd. 4: Die Grammatik, S. 169.
1240
DE, S. 38.
1241
DWB Bd. 30, Sp. 837, mit Verweis auf das Schrifttum des 15. Jahrhunderts.
1242
Impuls gab gewiss die Form Wittum, Quelle: Dieffenbacher, S. 105.
1243
DWB Bd. 30, Sp. 1201.
1244
Duden Bd. 4: Die Grammatik, S. 169.
1245
Duden, S. 459.
1238
184
Übernahme in die Notizen, Bl. 21/54, und anschließende Integration in den Romantext; Stadt
im historischen Lotharingen, heute Belgien.
Zagnis, S. 73: Auswahl des veralteten 1246 nhd. Nomens auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
das Verzagtsein.
Zänkischkeit, S. 81: Auswahl des nhd. Adjektivs zänkisch auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; Neubildung 1247 eines Nomens durch Großschreibung und Derivation (Suff.
-keit); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Streitsucht.
Zeitung, S. 160: Auswahl des nhd. Nomens in veralteter 1248 Bedeutung auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz 1249 ; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: mündliche Kunde, Botschaft.
zetas estivalis, S. 204: Auswahl des lat. Fremdwortkomplexes, Quelle: Gregorovius Bd. 1, S.
859 (markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Übersetzung:
„one of the twelve divisions of a typical South Italian palace in the later Middle Ages“ 1250 .
Zeter [und] Mordio, S. 44: Auswahl der veralteten 1251 nhd. Redewendung auf Grundlage der
eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext;
Bedeutung: Ruf um Hilfe, Wehgeschrei.
Zinkenbläser, S. 160: Auswahl des veralteten 1252 nhd. Nomens, Quelle: Heil, S. 155
(markiert); unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung: Musikant,
der den Zinken, sprich das Horn bläst.
Zönakel, S. 69, 80: Auswahl des lat. Lehnworts 1253 , Quelle: Meyer Bd. 2, Sp. 440 (Stichwort
„Kloster“); Übernahme in die Notizen, Bl. -/27, und anschließende Integration in den
Romantext; Bedeutung: „Refektorium (Zönakel, Speisesaal)“ 1254 .
zween, S. 15: Auswahl der veralteten 1255 Nebenform zum nhd. Zahlwort zwei auf Grundlage
der eigenen Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext.
zuckrasch, S. 99: Neubildung eines Kompositums auf Grundlage der eigenen
Sprachkompetenz; unter Umgehung der Notizen Integration in den Romantext; Bedeutung:
urplötzlich, blitzschnell.
1246
DWB Bd. 31, Sp. 32, mit Verweis auf Heine.
Die Form Zänkischkeit ist in keinem der herangezogenen Wbb. nachweisbar!
1248
DWB Bd. 31, Sp. 592.
1249
Interferenz: DrF, S. 186, 613.
1250
Weigand, S. 15.
1251
Duden, S. 464.
1252
DWB Bd. 32, Sp. 1420.
1253
Gr. Duden Bd. 10, S. 4647.
1254
Not. DE, Bl. -/27.
1255
DWB Bd. 32, Sp. 972: „im 19. jh. wird zween bewuszt verwandt, um der sprache altertümlichen klang zu
geben“.
1247
185
6. Kapitel: Auswertung:
Was ist das sprachliche Mittelalter Thomas Manns?
6.1 Sprach(stufen)zugehörigkeit
Thomas Manns sprachliches Mittelalter muss vor dem Hintergrund der Dichotomien ‚alt –
neu’ und ‚fremd – deutsch’ gesehen werden, die in Kombination vier Teilbereiche markieren:
1. alt/fremd, 2. neu/fremd 3. alt/deutsch, 4. neu/deutsch. Integraler Bestandteil der
sprachlichen Mediävisierung sind die Eigennamen, die aufgrund ihrer Sonderstellung keinem
der vier Bereiche eindeutig zugeordnet werden können:
1. Das ältere fremdsprachliche Element verteilt sich im Wesentlichen aufs Lateinische und
Altfranzösische. Im Gegensatz zu diesen Idiomen sind vereinzelt auftauchende griechische
Lehnwörter (Presbyter) gewiss nicht gezielt aufgrund ihrer alten, fremden Sprachzugehörigkeit gewählt worden, sondern müssen als Teil der römisch-lateinischen
Kirchensphäre verstanden werden, die auch realiter griechische Wurzeln besitzt.
2. Das neuere fremdsprachliche Element verweist vor allem auf den neusprachlich
orientierten Schulkanon Englisch und Französisch – beides Sprachen, die Thomas Mann im
Zuge längerer Auslandsaufenthalte sprechen und so weiter perfektionieren konnte. Die
italienische Sprache, die, erlernt während seines Italienaufenthalts von 1896 bis 1898, immer
wieder im Werk Thomas Manns anklingt („Zauberberg“, „Faustus“, „Krull“), ist – und hier
186
muss Erwin Koppen 1256 widersprochen werden – in Ansätzen auch im „Erwählten“
vorhanden. So können Neubildungen wie Skaramutzien, Cappern- oder Falda nur auf die
italienischen Elemente scaramuccia, cappero und falda zurückgeführt werden. Das Element
capitale und auch die zu Eigennamen gehörigen Attribute (Santa, Maggiore) verweisen
eindeutig aufs Italienische.
3. Abgesehen von einem einmalig auftauchenden altsächsischen thiudisc, verteilt sich das
ältere Deutsch auf die Sprachstufen Mittelhochdeutsch, Frühneuhochdeutsch, veraltetes und
veraltendes Deutsch. Entgegen der Mann’schen Versicherung, das mittelhochdeutsche
Element stamme „natürlich von Hartman direkt“ 1257 , ergibt der Abgleich mit voranstehendem
Stellenkommentar ein anderes Ergebnis: Nur knapp die Hälfte der etwa neunzig Einträge
stammt aus dem mittelhochdeutschen „Gregorius“-Text, die übrigen verteilen sich auf andere
Quellen 1258 Thomas Manns.
Im Wiederaufgreifen der anderen drei Termini spiegelt sich ansatzweise das, was Weiss (bei
aller Ertragfähigkeit des linguistischen Ansatzes) als „Tendenz zur statischen
Geschlossenheit“ 1259 kritisiert, was im konkreten Fall bedeutet, dass man nur das findet, was
man zuvor definitorisch festgelegt hat. Dennoch war dies die einzige Möglichkeit, das
allumfassende „Altdeutsche“ 1260 Thomas Manns, das übrigens nicht selten auffällige
Interferenzen zu den Vorarbeiten („Faustus“) aufweist, differenzierter betrachten zu können.
Und dennoch gab es deutsche Wörter, die zwar im Duden verzeichnet sind, aber dann mit
dem vorab definierten Instrumentarium nicht weiter zu beschreiben waren (was wiederum
gegen eine „Tendenz zur statischen Geschlossenheit“ spricht). Es handelt sich hierbei um
Elemente wie Gallustinte oder Verbringung, die zwar außerhalb des als gebräuchlich
anzusehenden Wortschatzes stehen, aber weder einer älteren Stufe des Deutschen noch einer
Fachsprache zugeordnet werden konnten. Es sind zwar (im sprachgeschichtlichen Sinn)
neuere, aber gänzlich ‚ungebräuchliche’ Wörter.
4. Das neuere deutsche Element speist sich vornehmlich aus Dialektalem wie
Fachsprachlichem. In den drei nachweisbaren Dialekten Niederdeutsch (dat, keen), Bairisch
(Haber) und Alemannisch/Schweizerdeutsch (Löli) finden sich die drei deutschen Dialektgebiete vertreten, in denen Thomas Mann Abschnitte seines Lebens verbracht hat (Lübeck,
München, Zürich), wobei im Romantext das Niederdeutsche in Quantität und Virtuosität –
siehe das „englische Plattdeutsch der Fischer“ 1261 – dominiert. Das Fachsprachliche verweist
auf die Lebensbereiche Seefahrt (Vorsteven), Fischerei (Hamen) und Jagd (Sprenkelholz).
Diese gehörten allesamt nicht zum Erfahrungsschatz des Dichters, sondern mussten mit
„Meyers Kleinem Lexikon“ systematisch erarbeitet werden. Vornehmlich auf Grundlage des
Neuhochdeutschen hat Thomas Mann eine Vielzahl von Neubildungen (fein-fein, Ursassen,
Notgespinst) vorgenommen, die im nächsten Abschnitt näher behandelt werden sollen.
1256
Koppen, S. 205, spricht vom „Erwählten [...], in dem übrigens das Italienische nicht verwendet wird“.
DüD III, S. 403.
1258
Siehe weiter Kap. 4.2: Waag, Thomas, Singer/Bauer, Pannier, Hertz, Dieffenbacher.
1259
Weiss 1977, S. 496.
1260
AN, S. 690.
1261
DüD III, S. 403.
1257
187
6.2 Grundprinzipien der Wort(neu)bildung
Das Repertoire der formalen Wortbildung Thomas Manns umfasst auf erster Ebene (nach
Duden) alle gängigen Wortbildungsprinzipien: Quantitativ kommen auf zweiter Ebene
vornehmlich die Wortbildungsprinzipien Komposition und Derivation zum Tragen, wobei
(auf dritter Ebene) die Reduplikation und die Kontamination als qualitative Besonderheiten
hervorstechen (siehe Schaubild).
188
1. Das Neuhochdeutsche bildet die häufigste Grundlage für Wortum- und Neubildungen
Thomas Manns, wenngleich auch alle anderen in Kapitel 6.1 genannten Sprach(stuf)en
herangezogen wurden, wobei der quantitative Schwerpunkt eindeutig auf den Spielarten der
Addition (Komposition, Derivation) liegt. Generell ist festzustellen, dass längst nicht jede
vorgenommene Wortbildung als sprachliche Archaisierung/Verfremdung gewertet werden
muss, sondern ebenso gut als Teil des dichtereigenen Stils gesehen werden kann, so z.B.:
-
Redupliktion:
Substitution:
Kontamination:
fein-fein,
ränkereich Æ ränkevoll
Notlüge + Hirngespinst = Notgespinst.
2. Neben der Wortbildung im herkömmlichen Sinn (Derivation, Komposition etc.)
experimentiert Thomas Mann im Bereich des Mittelhochdeutschen mit Zeichen- und
Lautverschiebungen, die beinahe ausschließlich im Rahmen der realen sprachhistorischen
Entwicklung vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen liegen:
Großschreibung:
unrede Æ Unrede
Monophtongierung mhd. Diphtongs:
miselsuocht Æ Miselsucht
Diphthongierung mhd. Monophtons:
strîtlich Æ streitlich
Vokalschreibung:
gebende Æ Gebände
Konsonantenentwicklung:
swarte Æ Schwarte
Dies hat zur Folge, dass längst nicht immer von einer Neubildung gesprochen werden kann,
da Thomas Mann (vermutlich unbewusst) aus mittelhochdeutschen frühneuhochdeutsche bzw.
veraltete deutsche Wörter (strîtlich Æ streitlich; vâr Æ Fahr) bildete. Dies erklärt auch,
warum das Frühneuhochdeutsche unter den archaisierenden Elementen quantitativ (noch vor
dem Mittelhochdeutschen und dem Lateinischen) an erster Stelle steht.
3. Auch im Bereich der Fremdwörter wird wortbildnerisch eine sprachhistorische
Entwicklung nachvollzogen, die in den Dimensionen Lautung und Orthografie erfasst werden
kann und die den Prozess der Einbürgerung des Fremdworts in die deutsche Sprache
nachzuzeichnen scheint:
1262
Großschreibung:
quarrel Æ Quarrel
aussprachegemäße Schreibung 1262 :
poor people Æ puhr Pipel
Substitution fremdspr. Suffixe:
sanct-itas Æ Sanct-ität
Derivation fremdspr. Wörter:
Suck-ling
Komposition fremdspr. Wörter:
Gentle-volk
Dies meint die Wiedergabe durch das deutsche Laut-Zeichen-System.
189
4. Die Großschreibung der Substantive ist nach Auswertung der Wortanalyse (Kap. 6)
quantitativ die dominierende wortbildnerische Maßnahme Thomas Manns, wenngleich hier
mit Blick auf das zugrunde gelegte Wortbildungssystem der Duden-Grammatik kaum von
einer Wortneubildung im eigentlichen Sinne gesprochen werden kann. Zwar ist die
Großschreibung der Substative eine typisch deutsche Konvention, die seit der Berliner
orthografischen Konferenz 1263 des Jahres 1901 als festgeschriebene Norm gelten muss, sodass
durch poetisch motivierte Großschreibung von Fremdwörtern zuweilen orthografisch
neuartige Wörter entstehen mussten. Jedoch liegt die Großschreibung per definitionem
außerhalb einschlägiger Wortbildungssysteme, deren Grundprinzipien (Addition, Substitution, Konversion etc.) sich auf Wortbausteine 1264 wie Simplizia und Affixe beziehen.
Dennoch bleibt zu konstatieren, dass mit der Großschreibung beispielsweise des englischen
Quarrel ein Wort entstanden ist, das in dieser Form in keinem Wörterbuch der Welt
nachweisbar ist. Stellenweise jedoch hat Thomas Mann durch die Großschreibung von
Fremdwörtern (sparring) im deutschen Sprachschatz schon vorhandene Lehnwörter
(Sparring) gebildet, die somit nicht als Fremdwörter, geschweige denn als Neubildungen,
gekennzeichnet werden konnten.
5. Die ‚Auswahl eines Prototypen’ stellt im Rückblick eine Art Sonderfall dar, in dem sich
die ausschließliche Zweckorientierung des Dichters beim sprachlichen Archaisieren1265
manifestiert.
Sprachliches Archaisieren definiert Eberhard Knobloch als Verwendung von Spachformen,
„die zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes im allgemeinen Sprachgebrauch zumeist nicht
mehr üblich sind und [...] als altertümlich empfunden werden. Da sie also nicht mehr dem
gegenwärtigen Sprachgebrauch angehören, muß der Dichter derartige Formen aus ihm
vorliegenden Quellen entnehmen, bzw. selbst auf Grund seines Sprachempfindens
nachahmen.“ 1266
Genau so verfährt auch Thomas Mann, nur dass es sich bei den Quellen, die er heranzieht,
nicht ausschließlich um „echt“ alte Quellen, sondern teilweise um ebenfalls sprachlich
archaisierende Autoren/Übersetzer wie Hertz, Pannier oder Simrock handelt, deren
neuhochdeutsche Versübertragungen selbst zu einer „archaisierenden, historischen
Prototypik“ 1267 neigen. Beispielsweise hat Pannier das Wort pfellel seiner mittelhochdeutschen „Parzival“-Vorlage nicht etwa mit Seide übersetzt, sondern in Verknüpfung
mit der neuhochdeutschen Entsprechung das Kompositum Pfellelseide neugebildet, das sich
für den Leser gewissermaßen aus sich selbst erklärt.
Diese Prototypik erstreckt sich weiter auf die semantische Dimension: Die bei Pannier zu
findende Mange ist laut Grimm durchaus noch in jüngerer Vergangenheit (17./18. Jh.) gängig
gewesen, allerdings nur in der Bedeutung „grosze Glättemaschine“ für Kleidung. Erst Pannier
1263
Vgl. weiter Veith, Heinrich Werner: Bestrebungen der Orthografiereform im 18., 19. und 20. Jahrhundert, in:
Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, hrsg. von Werner
Besch (u.a.), Bd. 2 (=Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Bd. 2.2). Berlin, New York
2000, S. 1787.
1264
Polenz, S. 145, spricht von Pleremen.
1265
Die Frage, inwiefern es sich beim „Erwählten“ um einen archaisierenden Roman handelt, wird in Kap. 6.4
abschließend behandelt.
1266
Knobloch, Eberhard: Die Wortwahl in der archaisierenden chronikalischen Erzählung: Meinhold, Raabe,
Storm, Wille Kolbenheyer (=Göppinger Arbeiten zur Germanistik, Bd. 45). Göppingen 1971 S. 13.
1267
Leitner, Ingrid: Sprachliche Archaisierung. Historisch-typologische Untersuchung zur deutschen Literatur
des 19. Jahrhunderts (=Europäische Hochschulschriften Reihe 1, Bd. 246). Frankfurt a.M. (u.a.) 1978, S. 8, 133f.
190
gab diesem ursprünglich mittelhochdeutschen Wort seine ursprünglich mittelalterliche
Bedeutung „grosze schleudermaschine“ zurück. 1268
Während in diesen konkreten Fällen von lexikalisch exzeptionellen Ergebnissen gesprochen
werden kann, gibt es in vorliegenden literarischen Gebrauchszusammenhängen offenbar auch
höher frequentierte Elemente. So spricht Grimm im Falle der Gewaffen von einem „neueren
lehnwort aus dem mittelalterlichen deutschen sprachschatze“, das „erst den mittelalterlichen
neigungen der neueren literatur [...] sein wiederaufleben“ 1269 verdankt. Die Halsberge,
ursprünglich mittelhochdeutsch, sei erst „seit dem 18. jahrh.“ wieder in Gebrauch, „wohl
zuerst durch ritterromane erneuert“ 1270 , die Nusche sei ein mittelhochdeutsches, erst „in
culturgeschichtlichen werken wieder gebrauchtes wort“ 1271 . Aufgrund des fehlenden
Singulär-Charakters kann in diesen Fällen nicht von einer Neubildung, sondern muss von
(überaus seltenen) veralteten Wörtern gesprochen werden.
6.3 Eigennamen
Das wohl auffälligste Ergebnis der Namensanalyse ist, dass Thomas Mann im „Erwählten“
von seiner im Rahmen anderer Erzählungen gewohnten Praxis der fiktiven Namensbildung
(Sesemi Weichbrodt) deutlich abweicht. Selbst Namen wie Kurzibold oder Ipotente sind nicht
„hausgemacht“, sondern von außerhalb genommen und neu fiktionalisiert. Die poetische
Leistung liegt also zumeist nicht in der Neubildung, sondern in der Auswahl. ‚Von außerhalb’
– das heißt im konkreten Fall aus den schriftlichen Quellen, denen mehr als neunzig Prozent
der Eigennamen entstammen. Hinzu kommen die biblischen Namen, die Thomas Mann durch
seine langjährigen „Joseph“-Arbeiten verinnerlicht hatte und sozusagen in seine
Sprachkompetenz übergegangen waren. Der kritische Notiz- und Quellenabgleich weist
lediglich die Namen Penkhart, Stultitia oder Miserabilis als neu gebildet (im Sinne eines
Wortartwechsels) aus. Hinzu treten vereinzelt Kompositionen (Klamidê + fils du comte +
Ulterlec) und orthografische Veränderungen (Seraphîn Æ Seraphin). Dass Thomas Mann
vornehmlich bereits bestehende Namen fiktionalisierte, anstatt neue zu bilden, ist dadurch zu
erklären, dass er generell im Umgang mit älterem Sprachmaterial nicht sonderlich sicher war,
wie aus der Korrespondenz mit Samuel Singer deutlich hervorgeht. Und im Gegensatz zu
einem Richard Wagner verfügte er über kein „frühdeutsches Bauprinzip“ 1272 , was ihm
ermöglicht hätte, Namen wie Wog-linde, Well-gunde oder Floß-hilde eigenständig zu
kreieren. Die Fiktionalisierung bereits bestehender Namen bringt es naturgemäß mit sich, dass
diese häufig von ihren alten Identitäten gelöst und in Orientierung an den poetischen
Zweckmäßigkeiten des Romans „mit neuen charakteristisch-eigenwilligen Inhalten
gefüllt“ 1273 werden, wie an einer Notiz zum Namen Gregorius deutlich wird:
„Mit welchem Papst hat man die Sage in Verbindung zu bringen, mit Gregor dem
Großen (6. bis 7 Jahrhundert) Bekehrer der Angelsachsen, oder mit Gregor VII.
(1073-1085)? Oder ist der Name (im Parzival «Grigorß») allgemein [...] als großer
Papstname eingesetzt“? 1274
1268
DWB Bd. 12, Sp. 1540.
DWB Bd. 6, Sp. 4745.
1270
DWB Bd. 9, Sp. 258.
1271
DWB Bd. 13, Sp. 1009.
1272
Debus, S. 17.
1273
Ebd., S. 15.
1274
Not. DE, Bl. 2/34; Wysling 1967, S. 260.
1269
191
Hierin ist der Kern der Mann’schen Namensarbeit begründet, eine Art semantisches
Bildungsprinzip also, das die Bedeutsamkeit der Namenlandschaft des „Erwählten“
konstituiert.
Die romanhaften Eigennamen lassen sich den drei Kategorien ‚Gestalten’, ‚Orte’ und
‚Sonstiges’ zuordnen. Die Anlage einer Kategorie namens ‚Sonstiges’ lässt sich generell nur
mit der Heterogenität der übrigen Eigennamen begründen. Im Falle des Mann’schen
Mittelalterromans wird dieser Begriff von Völkernamen, Buchtiteln, veralteten Geldwährungen etc. gefüllt. Mit Blick auf die Mann’sche Fiktionalisierung der zumeist aus
Quellen entnommenen Eigennamen können die drei genannten Kategorien auf zweiter Ebene
durch die Unterkategorien ‚realhistorisch’, ‚biblisch-sagenhaft’ und ‚literarisch-fiktiv’ weiter
ausdifferenziert werden.
Die Hälfte der realhistorischen Gestalten kann bei Integration in den Romantext ihre Identität
erhalten. Sie werden zu Randfiguren des „Erwählten“, oder besser: zu einmalig genannten
Statisten. Die andere Hälfte wird, zumeist unter Verlust ihrer ursprünglichen Identität, zu
handelnden Figuren des Romans. Im Einzelfall treten auch Zwischenformen auf, die als
literarische Identitätserweiterungen gewertet werden können: Nie haben die beiden
frühmittelalterlichen Patrizier Liberius und Sextus Anicius Probus in ihrem außerliterarischen
Leben im Norden des Frankenreiches nach potentiellen Päpsten auf einsamen Steinen
gesucht, und auch der mittelalterliche Schriftsteller Galfried von Monmouth führte kein
Doppelleben in einem Kloster Agonia Dei auf einer bretonischen Insel Sankt Dunstan.
Während sich bei den realhistorischen Personen Identitätsübernahme und Identitätsverschiebung die Waage halten, kommt es bei den literarischen Figuren fast immer zu einem
kompletten Identitätsaustausch (Mahaute, Obilot, St. Dunstan). Die biblischen Gestalten
(Cherubin) können hingegen – mit Ausnahme Peter-und-Pauls – bei Integration in den
Romantext durchweg ihre Identität erhalten, was daran liegen mag, dass auch von ihnen keine
in den Status einer handelnden Romanfigur versetzt wird. Auch sie dienen als Statisten.
Zuletzt sei noch eine Sondergruppe von Gestaltennamen fokussiert, die sich dadurch
auszeichnen, dass sie vor ihrer Fiktionalisierung durch Thomas Mann gar keine spezifische
Identität – weder eine realhistorische noch eine literarische oder biblische besaßen. Samuel
Singer hatte Thomas Mann eine kleine Auswahl mittelalterlicher Personennamen
zusammengestellt und brieflich 1275 zukommen lassen. Und im Anhang des zweiten Bandes
der „Gesta Romanorum“ traf Thomas Mann auf eine Liste altdeutscher Hundenamen, aus der
er den Namen Hanegiff übernahm.
Die realhistorischen Örtlichkeiten verlangen zunächst nach einer weiteren Binnendifferenzierung: An erster Stelle stehen heute noch existente Örtlichkeiten, Länder, Städte und Flüsse,
deren Namen beinahe jedermann kennt, und bei denen es Thomas Mann offenbar darum ging,
eine archaisch-befremdende Alternative zu finden. So wurde aus Britannien das
„vermittelhochdeutschte“ Britanje, aus Marseille das lateinische Massilia und aus dem Rhein
der ebenfalls lateinische Rhenus, wobei eine Tendenz zur Relatinisierung der Elemente
festzustellen ist. An zweiter Stelle stehen die orthografisch gewöhnlichen, zumindest dem
Historiker wohlbekannten Klosternamen wie Corvey, Lorsch oder Sankt Gallen, die
„bekanntesten Kulturstätten des Mittelalters“ 1276 , wie Thomas Mann in seinen Notizen
bemerkt. An dritter Stelle stehen die realen römischen Details (Sancta Anastasia sub Palatio).
Für den im 29. Kapitel zelebrierten Einzug des „sehr großen Papstes“ in Rom brauchte
1275
Mat. 7,3: Brief Samuel Singers an Thomas Mann vom 19.03.1948: „Auch passen mir die Namen nicht recht.
Ich schlage Ihnen folgende Namen vor [...]: Wiligis, Patafrid, Romuald, ...“.
1276
Not. DE, Bl. 5/38.
192
Thomas Mann eine Vielzahl von römischen Details – Vororte, Straßen, Gebäude der Stadt
Rom, um für den Leser die größtmögliche, wenngleich fiktionalisierte, Unmittelbarkeit des
Roman-Geschehens herzustellen. Bei der vierten und letzten Gruppe realhistorischer
Örtlichkeiten handelt es sich um die Namen mehr oder minder bekannte Städte (Rousselaere,
Thorhout) im früheren Lotharingen – „diese europäische Ecke, wo das Flämische ins
Französische übergeht“ und die wohl aus diesem Grund „viel Anziehendes“ 1277 für Thomas
Mann hatte. Er „imaginiere ein Herzogtum von Flandern-Artois“ – ein „sehr
unhistorisches“ 1278 , wie er an anderer Stelle bemerkt – das er ausschließlich mit realhistorischen Bausteinen erschafft und ausstaffiert.
Die Kategorie ‚literarisch-fiktive Örtlichkeiten’ verweist zunächst auf die literarischen
Quellen Thomas Manns. Hier dominiert, wie an so vielen anderen Stellen auch, Panniers
„Parzival“-Übertragung. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Magnetberg, der zusammen
mit Thule aus Scherers Literaturgeschichte stammt. Der Klostername Agonia Dei ist als
einziges Element dem Aufsatz Philippsons, die Elemente Parmenien und Poitou dem
Hertz’schen „Tristan“ entnommen. Größtenteils handelt es sich bei diesen der Literatur
entnommenen Elementen um Namen gänzlich ohne realhistorischen Hintergrund (Ethnise,
„ein Land im fernen Osten“ 1279 ). Den Gegenpol bilden die Namen real existenter
Örtlichkeiten wie Poitou, die interessanterweise aber nicht mit ihrer vollen Identität in den
Romantext eingehen, sondern häufig kombiniert werden mit einem Figurennamen, sodass sie
als bloße Herkunftsbezeichnung dienen (Alisse von Poitou). Im Mittelfeld zwischen den
beiden Polen ‚real’ und ‚literarisch-fiktiv’ bewegen sich Örtlichkeiten, deren Hintergrund
entweder sehr vage (Parmenien) oder über die Jahrhunderte verschüttet (Halap, Askalon) ist,
sodass ihre vornehmliche Identität die fiktive (geworden) ist. Hier reihen sich auch die
wenigen biblischen Örtlichkeiten (Ninive) ein, die auf heutigen Landkarten in aller Regel
nicht mehr zu finden und deren ursprünglich realhistorische Identität zudem häufig literarisch
verklärt worden ist.
Der größte Anteil sonstiger Namen entfällt auf die Völkernamen, bei denen grob zwischen
literarisch-sagenhaften (Kranichköpfe) und realhistorischen (Skythen) Völkern unterschieden
werden kann. Bei letzteren ist abermals das Bemühen Thomas Manns, in der äußeren Form
eine archaisch-befremdende Alternative zu finden, zu beobachten: Aus Angeln werden
Angelländer, aus Briten werden Britanneisen und aus Alemannen werden Alamannen. Des
Weiteren finden sich zwei Titel bekannter mittelalterlicher Werke, die Summa Astesana vom
Franziskaner Astesanus und De laudibus sanctae crucis des Fuldaer Abtes Hrabanus Maurus.
Auch die Namen veralteter, nicht mehr zahlungskräftiger Währungseinheiten (Heller,
Goldmark) sind vereinzelt zu verzeichnen.
Die realhistorischen und biblischen Bausteine blieben nach Integration in den Romantext in
ihrer Identität meist unangetastet. Hier ging es dem Dichter offenbar nicht um die
Exzeptionalität des Namens an sich, sondern um den mittelalterlichen Nimbus der dahinter
stehenden Identität, der der Romanfiktion einen realhistorischen Deckmantel umlegt und sie
zumindest punktuell als „echt“ ausweist. Namen literarisch-fiktiven Ursprungs konnten ihre
Identität meist nicht bewahren, da sie zu handelnden Figuren des Romans gemacht werden.
Die generelle Bevorzugung literarischer Namen lässt sich dadurch erklären, dass diese im
Auge des Durchschnittslesers weit weniger identifikatorisch vorgeprägt sind als biblische
1277
DüD III, S. 348.
DüD III, S. 357.
1279
Pannier Bd. 2, S. 81, Anm. 1; Not. DE, Bl. 17/50: „Land Ethnîse, im fernen Osten“.
1278
193
(Abraham) oder realhistorische (Origines). Thomas Mann brauchte lediglich „recht
dekorative“ 1280 Hüllen mit kleinem, leicht entfern- oder veränderbarem Inhalt.
Zudem handelt es sich bei den aus der Literatur übernommenen Namen häufig um sprechende
Namen, die mit Blick auf die entstehende Fiktion von besonderem Wert sein mussten.
Eigennamen, so Debus, sprechen fast immer, nur ist ihr semantischer Ursprung häufig
verschüttet durch die Zeit. 1281 Die Entlehnungen aus Panniers „Parzival“ zeigen deutlich eine
Mann’sche Präferenz für diejenigen Namen, deren Semantik im Fußnotenapparat detailliert
hergeleitet wird. 1282 Nach akribischer Übernahme in die Notizen und den anschließenden
„Namensbestimmungen und dergl.“ 1283 findet sich im Roman ein zu klein geratener Ritter
namens Kurzibold, der nicht aus Ober-, sondern zu allem Überfluss aus Niederlahngau
stammt, ein alter Degen namens Eisengrein, der eisern bleibt, obwohl die Herzogin greint,
und ein Junge namens Flann, der flennt, weil ihm das Nasenbein gebrochen wurde. 1284
Rümmele sieht im Namen nicht nur die einzelne Figur, sondern auch größere
Sinnzusammenhänge charakterisiert, wenn sie sagt: „Es fällt auf, daß die Bewerber um
Sibylla in ihren Namen schon mit Defekten behaftet oder anderswie lächerlich gemacht
sind“. 1285 Zudem treten vereinzelt auch rhythmische und lautliche Assoziationen (Mahaute –
shout – laut) auf, die allerdings aufgrund der mangelnden Objektivierbarkeit nicht weiter
vertieft worden sind.
6.4 Sprachliches Mittelalter? – Ein Definitionsversuch
Das sprachhistorische Prädikat „echt Mittelalter“ kann ausschließlich an das altsächsische
thiudisc und generell an das Altfranzösische, das Lateinische und an das Mittelhochdeutsche
vergeben werden. Nachdem eingangs eine gesamtsprachliche Authentizität ausgeschlossen
werden konnte, da offensichtlich keine „geschlossene historische Sprachdecke“ 1286 vorliegt,
wird nach weiterer Analyse der fremden Einsprengsel deutlich, dass auch diese in ihrer
Gesamtheit alles andere als authentisch ‚mittelalterlich’ sind. Um eine schrittweise
definitorische Annäherung an die Beschaffenheit des sprachlichen Mittelalters Thomas Manns
gewährleisten zu können, sei das Blickfeld an dieser Stelle um den Terminus des
‚Archaismus’ erweitert.
Knobloch, der am Beispiel von fünf chronikalischen Erzählungen – eine Gattung, der auch
„Der Erwählte“ zugeordnet werden kann 1287 – die zentralen Gestaltungsprinzipien der
sprachlichen Archaisierung herausgearbeitet hat, definiert ‚sprachliche Archaisierung’ als
1280
DüD III, S. 405: Hier ist die Rede von „recht dekorativen“ Hundenamen, aus denen sich Thomas Mann
Hanegiff auswählte.
1281
Debus, S. 12.
1282
Vgl. Stellenkommentar: Feirefitz, Ulterlec, Ukerland, Ukersee, Klamidê, Clamadex, Belrapeire, Bealzenan,
Beafontane, Schoydelakurt etc.
1283
TB vom 18.01.1948.
1284
Vgl. Stellenkommentar: Eckesachs, Hengist, Humilitas, Miserabilis, Ipotente, Wiligis, Hugebold, Guverjorß,
Hanegiff, Baduhenna, Stultitia, Penkhart, Michel, Agonia Dei, Faltonia etc.
1285
Rümmele, S. 208.
1286
Leitner, S. 15.
1287
Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 1989, S. 151: Bei einer chronikalischen
Erzählung handelt es sich nach Wilpert um einen Roman oder eine Novelle, worin ein fingierter Chronist
(Clemens) auf Grundlage einer mündlichen oder schriftlichen Überlieferung (DE, S. 191: „ich habe die Alten
gelesen; S. 198: „das mir Überlieferte“; S. 196: „wie ich las“) über vergangene Geschehnisse berichtet. „Die
Illusion wird häufig durch Archaismen in Stil und Sprache erhöht.“; Sowohl Knobloch, S. 207ff., als auch
Leitner, S. 231, verweisen in ihren Schlussworten auf Thomas Mann.
194
Verwendung von Sprachformen, „die zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes im
allgemeinen Sprachgebrauch zumeist nicht mehr üblich“ 1288 sind. Leitner ergänzt, dass
sprachliche „Archaisierung also ein Fiktionsproblem“ sei, sodass „meist von Dichtersprache
die Rede sein“ müsse. 1289 Das impliziert, „daß [...] die philologisch-historische Korrektheit
nicht als absolute Forderung verstanden werden kann“ 1290 .
Nach dieser Definition kann Thomas Manns „Jahrhundert-Durcheinander“ 1291 , angefangen
beim authentisch Mittelalterlichen über die Vielzahl sprachhistorisch jüngerer deutscher
Wörter (fnhd., veraltet, veraltend, ungebräuchlich), soweit unter dem Begriff der sprachlichen
Archaisierung gefasst werden. Auch der überwiegende Teil der Eigennamen, die auf
Grundlage mittelalterlicher Literatur oder historischer Abhandlungen ausgewählt worden
sind, können hier mit eingereiht werden.
Knobloch und Leitner gehen soweit, dass sie selbst Mundartwörtern 1292 und Diminutiva 1293
eine archaisierende Wirkung zuschreiben. Knobloch nimmt auch die „bewußte Nachahmung
altertümlichen Sprachguts“ in seine Definition mit hinein. Konkret unterscheidet er „zwischen
archaistischen und archaischen Formen. Als archaistisch können Formen bezeichnet werden,
die der Dichter auf Grund seiner Kenntnis älteren Sprachgutes künstlich nachahmt, archaisch
dagegen sind die Wörter, die tatsächlich untergegangen sind“. 1294 Damit ist auch ein nicht
geringer Teil der Mann’schen Neubildungen mit abgedeckt.
„Der ‚Erwählte’ ist also ein archaischer Roman“ 1295 , so Soetemann generalisierend, der
hiermit auf eine Äußerung Thomas Manns 1296 rekurriert. Ihm ist soweit zuzustimmen, als
dass dem überwiegenden Teil der untersuchten Sprachelemente in der Tat eine archaisierende
Wirkung zugesprochen werden kann. Dennoch bleiben mit Blick auf das einleitende
Schaubild die Bereiche ,neu/fremd’ und ‚neu/deutsch’ zurück, die nicht unter dem Begriff der
sprachlichen Archaisierung gefasst werden können, sodass abschließend formuliert werden
muss:
Der Archaismus ist ein Kunstmittel des Dichters, „eine bestimmte [...] intendierte
Illusionswirkung zu erreichen“ 1297 . Thomas Manns angestrebte Illusion ist das Mittelalter,
seine sprachliche Umsetzung ist indes weit mehr, als mit dem Terminus der ‚sprachlichen
Archaisierung’ umfasst werden könnte. Der Dichter geht mit der Integration neuerer
Fremdsprachen weit darüber hinaus, sodass mit Koppen 1298 auf elementarster Ebene von einer
überaus facettenreichen sprachlichen Verfremdung gesprochen werden muss.
1288
Knobloch, S. 13.
Leitner, S. 13.
1290
Knobloch, 203.
1291
DüD III, S. 422.
1292
Knobloch, S. 49.
1293
Leitner, S. 25.
1294
Knobloch, S. 13.
1295
Soetemann, C.: Thomas Mann und die deutsche Sprache, in: Linguistische Probleme der Textanalyse, hrsg.
vom Institut für deutsche Sprache (=Sprache der Gegenwart, Bd. 35). Düsseldorf 1975, S. 206.
1296
Entst., S. 243; DüD III, S. 391: „der kleine archaische Roman, »Der Erwählte«“.
1297
Knobloch, S. 13.
1298
Koppen, S. 204.
1289
195
7. Kapitel: Intention – Funktion – Wirkung
Nachdem die Fragen nach Herkunft und Qualität des sprachlichen Mittelalters beantwortet
sind, bleiben die nach der Funktion und Wirkung der Sprache.
Die in Kapitel 6.1 destillierten Qualitäten und Muster Mann’scher Spracharbeit sollen nun
von außen nach innen im poetischen Gesamt des Romans verortet werden. Unter
Heranziehung der Selbstzeugnisse, die im Rahmen der Romanarbeiten entstanden sind, und
der erzähltheoretischen Reflexionen, die den „Erwählten“ vor allem im ersten Kapitel
bestimmen, soll zunächst ganz allgemein gefragt werden, warum Thomas Mann seinen
„Erwählten“ überhaupt geschrieben hat und (mit Blick auf die Sprache) warum so und nicht
anders. Dabei empfiehlt es sich, das große Vorgängerwerk, den „Doktor Faustus“, an
gegebener Stelle in die Betrachtung mit einzubeziehen, als dessen „Ableger“ 1299 der
Mittelalterroman in vielerlei Hinsicht gelten muss. Dies schafft den nötigen Verständniskontext, um dann im zweiten Schritt den funktionellen Stellenwert der Sprache innerhalb des
Romankunstwerkes en gros wie en détail ermessen zu können, um darauf aufbauend die
schwierige Frage nach der Wirkung der Sprache zu erörtern.
7.1 Intention
»Warum haben Sie den ›Erwählten‹ geschrieben?« wiederholt Thomas Mann abwägend die
an ihn gerichtete Frage. „Und wenn ich nun antwortete: »Ich wollte einfach eine schöne
Geschichte erzählen«, – würde das frivol klingen?“ 1300 Scheinbar schon, denn immer wieder
haben Zeitgenossen und Kritiker 1301 versucht, Thomas Manns Roman über die „schöne
Geschichte“ hinaus eine politische Intention anzutragen, wodurch zwangsläufig ein
Widerspruch entsteht.
Dem Romantext nach zu urteilen, aber auch im Spiegel seiner Selbstzeugnisse, ist der Dichter
völlig frei von irgendeiner Art politischen Sendungsbewusstseins: „Ob das Resultat der
Gesellschaft nützlich ist“, das wisse er nicht. 1302 „Ich gestehe, daß ich diesmal weder an
Deutsche noch an Juden habe denken wollen“ 1303 , so der Dichter. Generell seien seine
„Bücher [...] ohne politische und sozialkritische Absichten geschrieben. [...] Nur im ›Faustus‹,
unter höchstem politischen Druck, wird [...] alles wohl ein bißchen bewußter und
artikulierter.“ 1304 An diese Hintertür klopfend ließe sich aber mit einiger Berechtigung fragen,
ob nicht zumindest ein Abglanz politischer Artikuliertheit auch auf den kleinen NachfolgeRoman gefallen ist. Die Argumentation für ein Politikum „Der Erwählte“ könnte dabei wie
folgt skizziert werden:
Deutschland kurz nach Kriegsende – alle Anstrengungen gelten dem Wiederaufbau durch den
Marshall-Plan und der Ankurbelung der Wirtschaft. Zu dieser Zeit ist man versucht, nach
1299
Wimmer 1991, S. 295.
DüD III, S. 408.
1301
So etwa Hilscher, Eberhard: Die Geschichte vom guten Sünder, in: Georg Wenzel (Hrsg.): Vollendung und
Grösse Thomas Manns. Beiträge zu Werk und Persönlichkeit des Dichters. Halle/Saale 1962, S. 224ff.;
Baumgart, S. 174; Lund u.a., S. 173; Wilhelm, S. 6 ; Loewenson (DüD III, S. 427f).
1302
DüD III, S. 415.
1303
DüD III, S. 400.
1304
Thomas Mann: Selbstkommentare: ›Doktor Faustus‹ und die ›Entstehung des Doktor Faustus‹.
Informationen und Materialien zur Literatur, hrsg. von Hans Wysling unter Mitwirkung von Marianne EichFischer. Frankfurt a.M. 1989, S. 334. (im Folgenden unter der Sigle ‚Selbstk.’)
1300
196
vorn zu sehen, und nicht zurück auf eine Vergangenheit voll Schrecken, Leid und einer
drückenden Schuld, die noch nicht bewältigt ist. Ein politisch bewegter und bewegender
Schriftsteller namens Thomas Mann greift in seinem neuen Roman „Der Erwählte“ zu einem
mittelalterlichen Mythos, der das schuldbeladene Individuum „durch die Bindung [...] ans
Zeitlos-Mythische relativiert“ 1305 , sodass der Mensch die Möglichkeit erhält, „sein Leben
nach mythischen Mustern zu erneuern“ 1306 . So ist es Thomas Mann möglich, mit der
„Verarbeitung eines mittelalterlichen Stoffes [...] regenerierend und versöhnend auf die
deutsche Gegenwart einzuwirken.“ 1307 Unter Funktionalisierung der Sprache schafft er eine
heilsam-entfernte Projektionsfläche, um sagen zu können, was schon Hartmann sagte:
ez enist dehein sünde mê,
man enwerde ir mit der riuwe
ledic unde niuwe,
schoene unde reine (V. 162-166)
oder mit dem Munde Gregorius’ gesprochen: Gott nimmt „wahre Reue als Buße an[] für alle
Sünden“ 1308 .
Wimmer nimmt auch den „Doktor Faustus“ in diese Argumentation mit hinein: „Es mag
paradox klingen“, aber „vom Doktor Faustus an setzte Thomas Mann das altdeutsche Material
ein, um für die Integration des spezifisch Deutschen, und damit auch des schuldig
gewordenen Deutschlands ins International-Humane zu plädieren.“ 1309 Und dies gelte,
obwohl „zahlreiche pessimistische und bagatellisierende Privatäußerungen seines Alters“
jenem hohen Anspruch widersprechen, die expressis verbis einen ausgesprochen
unpolitischen Standpunkt des Autors spiegeln. 1310
Auch Marcel Reich-Ranicki bezeichnet es als „unzweifelhaftes Recht des Interpreten, die
Äußerungen eines Romanciers in Briefen oder in essayistischen Arbeiten kurzerhand zu
ignorieren“ 1311 . Und Adolf Muschg könnte ergänzen, dass „alles, was ein Verfasser über sein
Buch sagen kann, nicht Wahrheit, sondern nur Weiterdichtung ist“, die nur in
eingeschränktem Maße zum Erzählwerk die dazugehörigen „Schlüssel [...] bieten“ kann. 1312
Demnach liegt es nahe, sich zunächst von den Selbstzeugnissen zu lösen und das
Wimmer’sche Paradoxon auf biografischer Ebene anzugehen.
Zu Beginn der „fascistischen Völker-Intoxikation“ 1313 Deutschlands schwieg Thomas Mann
weitgehend. Obwohl schon im Schweizer Exil lebend, war er noch nicht ausgebürgert, durfte
noch publizieren und die weit verbreitete Hoffnung, sich mit den neuen Machthabern, die
vielleicht nur ein kurzes Gastspiel geben würden, irgendwie arrangieren zu können, ließ ihn
gegenüber Reichsinnenminister Frick im Jahre 1934 versprechen, „in vollkommener
Zurückgezogenheit [s]einen persönlichen Aufgaben zu leben“ 1314 . Hiermit stellte er sich
1305
Stackmann 1959, S. 71.
Lund u.a., S. 176.
1307
Ebd., S. 179.
1308
DE, S. 179.
1309
Wimmer 1991, S. 298.
1310
Ebd., S. 299.
1311
Reich-Ranicki, S. 102.
1312
Muschg, Adolf: Herr, was fehlt Euch? Zusprüche und Nachreden aus dem Sprechzimmer des heiligen Grals.
Frankfurt a.M. 1994, S. 12.
1313
DüD III, S. 253.
1314
XIII, S. 104.
1306
197
zunächst auf den Boden der politischen Tatsachen und interpretierte die Geschichte bewusst
als Schicksal, nicht als Auftrag zu einer aktiven Gestaltung:
„Als Deutschland dann wirklich in diese Hände gefallen war, gedachte ich zu
schweigen; ich meinte, mir durch die Opfer, die ich gebracht, das Recht auf ein
Schweigen verdient zu haben, das es mir ermöglichen würde, etwas mir herzlich
Wichtiges, den Kontakt mit meinem innerdeutschen Publikum aufrechtzuerhalten.“ 1315
Doch war diese Position nicht lange für ihn zu halten. Zum einen stand er unter dem Druck
seiner Kinder Klaus und Erika, die von Anfang an eine klare Position gegen HitlerDeutschland bezogen hatten. Zum anderen war es eine Zeit der Polarisierung, eine Zeit, die
klare Stellungnahmen verlangte und somit Mittelwege verbot. Als schließlich der
Feuilletonredakteur der NZZ, Eduard Korrodi, in seinem Artikel vom 3. Februar 1936 den
Namen Thomas Manns gegen die Exilliteratur und damit auf die Seite Nazideutschlands
stellte, musste dieser sein Schweigen brechen und bezog klar Stellung auf der Seite des Exils.
Seine Ausbürgerung erfolgte Ende 1936 und als ihm kurz darauf die Bonner Universität die
philosophische Ehrendoktorwürde, die ihm 1919 verliehen worden war, wieder aberkannte,
hatte Thomas Mann nicht mehr viel zu verlieren und machte in seinem „Briefwechsel mit
Bonn“ (1937) klar, dass ein Stillschweigen aus politisch-moralischen Gründen „undurchführbar“ sei.
Es folgte eine Zeit des großen politischen Engagements, hauptsächlich in Form von
Reden 1316 , in denen er sich als Schriftsteller nicht auf seine Verantwortung gegenüber der
Sprache, Literatur und Kunst beschränkte, sondern als Humanist „die Verantwortung für das
eigene Volk [und die] Reinhaltung seines Bildes vorm Angesichte der Menschheit“1317
wahrnahm. „Man hat zu tun mit dem deutschen Schicksal und deutscher Schuld, wenn man
als Deutscher geboren ist“ 1318 , das wusste Thomas Mann und er spürte, dass die
Öffentlichkeit das offene Wort von ihm verlangte:
„Ich mußte auch wieder anfangen, [...] Ansprachen nach Deutschland zu richten.
Aber was soll man diesen unglückseligen, verdummten und verbiesterten
Menschen sagen?“ 1319
Von der Wirksamkeit seines politischen Engagements war er augenscheinlich längst nicht
immer überzeugt und so blieb die „antifaschistische Publizistik [...] das Werk eines
Vernunftrepublikaners, der im Herzen gern ein Unpolitischer geblieben wäre, wenn die Zeit
es erlaubt hätte“ 1320 . Dem öffentlichen „Vernunftrepublikaner“ stellte er einen öffentlichen
Fürsprecher und Verteidiger des Judentums an die Seite, wenngleich er privat einige
Vorurteile gegenüber dieser Volksgruppe hegte.1321 Doch schienen diese für den Humanisten
Thomas Mann in zunehmendem Maße unartikulierbar, gerade angesichts dessen, was das
1315
XII, S. 787.
„Dieser Friede“ (1938), „Das Problem der Freiheit“ (1939), „Dieser Krieg“ (1940), „War and Democracy“
(1940), „Order of the Day“ (1942), „Deutsche Hörer!“ (1940-45), „Deutschland und die Deutschen“ (1945).
1317
XII, S. 788.
1318
DüD III, S. 38.
1319
DüD III, S. 35.
1320
Kurzke, Hermann: Betrachtungen eines Unpolitischen, in: Handbuch, S. 703.
1321
Stern, Guy: Thomas Mann und die jüdische Welt, in: Handbuch, S. 55: „Nach seiner Absage an das
nationalsozialistische Deutschland und seinem Bekenntnis zum Exil besiegt bei allen öffentlichen Statements der
Humanist Thomas Mann alle seine Vorbehalte und Vorurteile gegenüber den Juden.“
1316
198
„fehlgegangene“ Deutschland dem europäischen Judentum angetan hatte. So war das erste,
was nach Kriegsende von Thomas Mann in Deutschland veröffentlicht wurde – und hierin
zeigt sich, was der Dichter unter deutscher Schuld verstand – der Artikel „Die Lager“ vom 8.
Mai 1945, der in der „Bayrischen Landeszeitung“ zehn Tage darauf unter dem Titel „Thomas
Mann über die deutsche Schuld“ veröffentlicht wurde. Seine These, dass „alles, was deutsch
spricht, deutsch schreibt und auf deutsch gelebt hat“, womit er sich selbst mit einschließt,
„von dieser entehrenden Bloßstellung [gemeint: die Lager] mitbetroffen“ 1322 sei, konnte bei
aller Richtigkeit und Aufrichtigkeit der Worte zu diesem frühen Zeitpunkt im deutschen
Raum nur auf Ablehnung stoßen.
Zwei Jahre später erschien Thomas Manns Roman „Doktor Faustus“, in dem (im Gegensatz
zu dem ansonsten eher unpolitischen Romanwerk des Dichters) „alles wohl ein bißchen
bewußter und artikulierter“ 1323 wurde, wenngleich Thomas Mann den Finger längst nicht so
direkt in die deutsche Wunde 1324 legte, wie mit „Die Lager“ geschehen. Er wollte mit seinem
Roman das deutsche Schicksal „darstellen“, „umfassen“, „berichten“, „repräsentieren“ und
„kennzeichnen“. 1325 Die teilweise ziemlich harsche Kritik („deutschlandfeindlich!“) zeigt
aber, dass der „Doktor Faustus“ von Teilen des deutschen Publikums sehr wohl als Politikum
gewertet wurde. Thomas Mann hielt speziell diesem Kritikpunkt entgegen, dass „seit den
›Meistersingern‹ [...] so etwas an dick aufgetragenem Deutschtum nicht mehr dagewesen“ sei,
dessen er sich „ja beinah genieren“ müsse. 1326 Dabei hatte er ursprünglich gehofft, seine
deutschen Kritiker mit dem „ungeheuer deutschen Roman“ 1327 davon überzeugen zu können,
dass er „kein Deserteur vom Deutschtum“ 1328 sei.
Gleichzeitig wurde ihm von jüdischer Seite vorgehalten, dass „dieses Buch, das sich
außerordentlich tief in das Deutschtum einwühlt [...] Gefahr läuft, als eine Verklärung des
Deutschtums empfunden zu werden“ 1329 , ein Vorwurf, der im Brief einer gewissen Susi
Oppenheimer seinen Höhepunkt fand:
„Why must both the representatives of the Jewish group – Dr. Chaim Breisacher
und Mr. Saul Fitelberg – be of the ›ferment‹ type […]? […] I should think that a
people that has lost 6 millions in the most dreadful persecution of all times, […]
would deserve a more sympathetic treatment by the author of the ›Joseph
stories‹.” 1330
Thomas Mann räumte schließlich ein, dass er in seinem „Faustus“ „dem jüdischen
Menschentum und seiner oft so hohen und ernsten Geistigkeit keineswegs gerecht geworden“
und dass „die Gefahr antisemitischer Wirkung, wenigstens bei einfacheren Lesern, nicht ganz
gering“ sei. 1331 Aber „seine Juden“ seien „einfach Kinder ihrer Epoche“, der Roman „im
ganzen ein wunderliches Aquarium von Geschöpfen der Endzeit“. 1332
1322
XII, S. 951.
Selbstk., S. 334.
1324
Thomas Mann (Selbstk., S. 159) selbst sprach diesbezüglich von „wunder Wirklichkeit“.
1325
DüD III, S. 139: „darstellen“; S. 149: „ umfassen“; S. 156 „berichten“; S. 261: „ repräsentieren“; S. 274:
„kennzeichnen“.
1326
DüD III, S. 250.
1327
DüD III, S. 97.
1328
DüD III, S. 100.
1329
DüD III, S. 124.
1330
DüD III, S. 208, Anm. 814.
1331
DüD III, S. 227.
1332
Entst., S. 281.
1323
199
Die bemerkenswert weiten Ausschläge der „Faustus“-Kritik, sowohl in die eine als auch in
die andere Richtung, zeigen zwar, wie sehr Thomas Mann den Nerv des Zeitgeistes getroffen
hatte, aber auch, wie wenig sich dieser Roman in eine bestimmte politische Ecke stellen ließ.
Diese Ambivalenz der Rezeption spiegelt das Fehlen einer für den Leser greifbaren
politischen Ausrichtung des Romans, was dem „Plädieren“ im Wimmer’schen Sinne zunächst
entgegen sprechen muss. Beim „Doktor Faustus“ darf zwar von einem politischen Roman
gesprochen werden, doch ist dieser entsprechend seiner stofflichen Konzeption und der damit
verbundenen Auswahl des archaischen Sprachmaterials so „unheimlich und deutsch und
unheimlich-deutsch“ 1333 , dass sich zwangsläufig die Frage aufdrängt, wie das altdeutsche
Material eine Hebung ins Europäische leisten soll.
Wimmer führt aus, die Sprache des „Faustus“, „die eine resümierende Synthese des
Deutschen sein wollte“, sei gewissermaßen als eine Art „Parallelveranstaltung zur Musik
Adrians“ 1334 zu verstehen, der sich allen vergangenen und gegenwärtigen musikalischen
Erscheinungsformen bedient, um in konstruktiver Weise den Durchbruch zu etwas Neuem zu
schaffen. Es gelte weiter „festzuhalten, daß im Bereich der Kunst das »Archaische« sich nicht
auf das »Altdeutsche« beschränkt, sondern europäische Dimension gewinnt.“ 1335 Für die
Kunst scheint noch nicht alles verloren, so Wimmer, und „angesichts der politischen
Katastrophe, die sich am Ende eines Weges der Schuld und geistigen Verstrickung ankündigt,
fällt es ihr als Aufgabe zu, das Vergangene [...] in neuer Kreativität resümierend zu
durchdringen, zur Welt hin aufzuschließen und für die Zukunft zu befreien.“ 1336
Nur durch diesen Brückenschlag zur Musik, die Thomas Mann bekanntlich als Paradigma der
Kunst verstanden wissen wollte, kann so auch die altdeutsche Sprache für eine „Einbettung
und Auflösung des Deutschen ins Europäische“ 1337 rekrutiert werden. Thomas Mann bestätigt
zwar in seinen Selbstzeugnissen „den Parallelismus von Wort und Intervall“ 1338 , doch bleibt
kritisch zu fragen, ob sich besagter Parallelismus lediglich auf das Moment des konstruktiven
Umgangs bezieht, oder ob „Wort und Intervall“ tatsächlich als Zweiergespann vor den Wagen
einer europäischen Integration gespannt werden dürfen.
Dennoch kann die Absicht einer generellen Europäisierung des Romans nicht ganz von der
Hand gewiesen werden. Nach einer frühen Lesung entnahm Thomas Mann dem Lob eines
Kollegen die „Mahnung [...], die allerdings sehr deutsch gefärbte Thematik des Buches, eine
Krisen-Thematik, so vollkommen wie möglich ins allgemein Epochale und Europäische
aufzulösen“ 1339 . In diesem Kontext ist der Vorschlag des Juden Fitelberg zu sehen, Adrian,
„ein Deutscher, ein Feind von gestern“ möge seine Lieder „nach französischen und englischen
Dichtern“ am Flügel begleiten und so einen „cosmopolitisme généreux et versitale“ an den
Tag legen. 1340 In seinen weiteren Ausführungen zieht Fitelberg Parallelen zwischen Adrians
gewollter Abgeschlossenheit und dem unerreichbaren deutschen Nationalstolz. So wie er, der
Jude Fitelberg, versucht habe, Adrian in die Welt zu führen, so sollten sich die Deutschen in
ihrem nationalistischen Hochmut von den in der Mehrheit pro-deutsch gestimmten und
gleichzeitig mondänen Juden in die Welt einführen lassen, d.h. sie sollten „den Juden […]
1333
DüD III, S. 19.
Wimmer 1991, S. 287.
1335
Ebd., S. 276.
1336
Ebd., S. 284.
1337
Ebd., S. 294.
1338
DüD III, S. 48.
1339
Entst., S. 181.
1340
DrF, S. 534.
1334
200
erlauben, den médiateur zu machen“ 1341 . Stattdessen aber hätten die „Juden alles zu fürchten
vom deutschen Geiste, qui est essentiellement anti-sémitique“ 1342 .
Auch in seinen Korrespondenzen mit Zeitgenossen und Kritikern versuchte Thomas Mann
gelegentlich das so unübersehbar Deutsche „ins allgemein Problematische“ 1343 zu relativieren,
was ihm aber, zieht man ein Resümee, allem Anschein nach nicht gelang, denn das deutsche
Publikum interpretierte den Roman keineswegs als „allgemeinproblematisch“ sondern bezog
ihn direkt auf sich, sodass Thomas Mann resigniert feststellen musste:
„In Deutschland, das ist deutlich, hat das Buch schon wieder ausgespielt. Die
nationale Restauration steht ihm entgegen, die ja in vollem Gange ist, und für sie
ist es »deutschfeindlich«. Deutschfeindlich!“ 1344
„Auf Schuld und Gnade pfeift es. Es verbittet sich, [...] daß man »seine Geschichte
dämonisiert«.“ 1345
Angesichts dieser bitteren Erkenntnis, dass Deutschland „auf Schuld und Gnade pfeift“, zog
der Vernunftrepublikaner Thomas Mann nach einem langjährigen (und stets ungeliebten)
politischen Engagement die Konsequenz aus der Verweigerungshaltung seines deutschen
Publikums und zog sich mit dem Nachfolgeroman „Der Erwählte“ auf seinen alten,
literarisch-unpolitischen Standpunkt zurück. Der Welt „etwas höhere Heiterkeit zu bringen ist
immer noch das Beste, oder doch das, womit man sich am wenigsten verhaßt macht“ 1346 , so
Thomas Mann. Ihr sei zwar „mit diesen Scherzen nicht geholfen“ 1347 , jedenfalls nicht
unmittelbar, doch ließen diese „höheren Späße [...] am besten Gram und Grauen der Zeit
vergessen“ 1348 und wirkten so „erlabend, entlastend, ein wahrer Segen“ 1349 halt. Auf direktes
Nachfragen Eberhard Hilschers, worin denn dann die „moralische Existenzberichtigung eines
Buches wie »Der Erwählte«“ liege, angesichts der „Zeit und d[en] Forderungen, die sie an
den Schriftsteller“ herantrage, verwies Thomas Mann auf die unanfechtbare „Autonomie der
Kunst“ und eröffnet: „Auch wenn sie [die Kunst] sich nicht als gesellschaftliche
Fackelträgerin gebärdet, eine läuternde, befreiende, befriedende Wirkung“ gehe dennoch von
ihr aus. 1350
Er hatte sich „im Faustus recht heftig zusammengerissen und resümierend verausgabt“ 1351 ,
dass er sich nun, im Schatten seines eigenen Lebenswerks 1352 stehend, ein leichtsinniges
Sprach-Experiment erlauben konnte und wollte. „Der Autor genehmigt sich, worauf er einst
aus diesen oder jenen Gründen glaubte verzichten zu müssen“, so Reich-Ranicki. „Er schreibt
nicht mehr, was er schreiben sollte, sondern was er schreiben möchte, wozu er gerade Lust
hat.“ 1353 Und Thomas Mann verlangte nach Komik, wie er Kuno Fiedler gestand, und
1341
DrF, 542.
DrF, 540.
1343
DüD III, S. 223: „Mit dem Sündenfall ist auch – gewissermaßen – auf der politischen Ebene des Buches auf
die faschistische Intoxikation der Völker angespielt: Ich sage der Völker im allgemeinen, weil ich ungern und
nur halb zugestandenermaßen Leverkühn als eine Allegorie für Deutschland im besonderen aufgefaßt sehe.“
1344
DüD III, S. 250.
1345
DüD III, S. 248.
1346
DüD III, S. 374.
1347
DüD III, S. 374.
1348
DüD III, S. 382.
1349
DüD III, S. 371.
1350
DüD III, S. 407.
1351
DüD III, S. 362.
1352
DüD III, S. 363: „Das kommt nicht wieder“; S. 373: „Die Zeit der Zauberberge und Faustusse ist vorbei“; S.
379: „ ... daß seit dem »Faustus« alles nur Nachspiel sein kann“.
1353
Reich-Ranicki, S. 100.
1342
201
verfasste den Roman „tatsächlich mehr zu [s]einer eigenen Zerstreuung, als dass [er] an die
Ernsthaftigkeit [s]eines Tuns wirklich glaubte“ 1354 . Letztlich ist es die fehlende
Ernsthaftigkeit bei der Arbeit an seinem „Romänchen“, die eine politisch-aufrüttelnde
Intention Thomas Manns mit ziemlicher Sicherheit ausschließen lässt.
So lässt sich auch ohne die Wimmer’sche These von der Sprache als Integrationsmotor eine
schlüssige Antwort auf die Frage finden, warum „Der Erwählte“ eben diese sprachliche
Gestalt annahm:
Dichter schreiben Bücher. Das tun sie, weil es ihr(e) Beruf(ung) ist, und wenn sie nicht das
eine Buch schreiben, dann schreiben sie eben ein anderes. „Was einen Dichter auf einen Stoff
verfallen läßt, wird immer von außen schwer zu erkennen sein. Gewöhnlich liegt der Kern
zum Neuen im Vorigen.“ 1355 Im Vorigen, also im Rahmen eines gerade abgeschlossenen
Romans namens „Doktor Faustus“, ist ein Dichter namens Thomas Mann zufällig auf eine
mittelalterliche Legende gestoßen, an der er „so viel Gefallen“ findet, dass er vornimmt,
diese, obwohl schon im „Doktor Faustus“ verarbeitet, „ihm eines Tages wegzunehmen und
selbst etwas daraus zu machen“ 1356 . Es handelt sich dabei um die abendländische Legende
vom guten Sünder, die er in seiner Version mit Versatzstücken weiterer Mythen anreichern
wird. 1357 Thomas Mann liebt Mythen- und Legendenstoffe. Auch der „Faust“-Stoff war ein
solcher. „Man könnte von einer Altersneigung sprechen, das Leben als Kulturprodukt und in
Gestalt mythischer Klischees zu sehen, die man der »selbständigen« Erfindung in verkalkter
Würde vorzieht.“ 1358 Nach Vorstellung Thomas Manns kommt die literarische Erneuerung
des Mythos generell einem „In-Spuren-Gehen“ 1359 gleich. „An und für sich ist’s immer neu
und jung“, lässt Thomas Mann seinen Erzähler Clemens philosophieren, aber die Muster seien
alt und „abgebraucht“ wie auch seine Sprache, und so bleibe „dem Erzähler auch nichts übrig
[...], als ihm [dem Mythos] die alten Worte zu geben.“ 1360 Und mit abermaligem Blick auf des
„Vorige“ gibt Thomas Mann weiter zu bedenken:
„Dichtungen sind Sprachwerke, und als Sprachwerk knüpft der »Erwählte« dort
an, wo im »Dr. Faustus« die barocke und lutherische Sprach-Perspektive [...] durch
das Schweizerisch des Kindes Echo ins Mittelhochdeutsche vertieft wird“ 1361
Vom poetischen Standpunkt ist es also mehr als verständlich, dass er der zeitlich und örtlich
ungebundenen Legende eine schwebende Sprache und eine schwebende Erzähltechnik an die
Seite stellt, als sich nach einer historisch geschlossenen Authentik zu strecken, die wie ein
Fremdkörper wirken musste. Ein historisch-authentischer Roman hätte für Thomas Mann eine
Orientierung an gewissen Grenzen bedeutet, und gerade das war es, was dem Dichter
überhaupt nicht lag. Er hatte in seinem schriftstellerischen Leben schon so manche literarische
Grenze überschritten, was nicht selten sogar außerliterarische Konfrontationen (Holitscher,
Bilse, Schönberg) zur Folge gehabt hatte. Grenzen waren seine Sache nicht! „Ich konnte mir
das internationale Mittelalter, das ich da improvisierte, einfach nicht anders als sprachlich
1354
DüD III, S. 371.
DüD III, S. 408.
1356
DüD III, S. 366.
1357
Vgl. Makoschey.
1358
DüD III, S. 61.
1359
Voss, S. 234.
1360
DE, S. 18.
1361
DüD III, S. 408.
1355
202
buntscheckig vorstellen“ 1362 , so Thomas Mann rückblickend, und griff dabei nach „allen
Mitteln, die der [...] Erzählkunst in sieben Jahrhunderten zugewachsen sind“ 1363 .
7.2 Funktion
Dieser hier konzentriert referierte poetische Standpunkt Thomas Manns gibt nicht nur die
Begründung, warum der Roman seine sprachliche Gestalt annahm, sondern weist der Sprache
gleichzeitig eine klare Rolle innerhalb der Fiktion zu. Das Ziel dieser Fiktion ist ein
schwebendes Mittelalter, das getragen wird von einem europäisch-zeitlosen Legendenstoff,
durchtriebenen Prosa-Mitteln aus sieben Jahrhunderten 1364 und einer „Sprache in
übernationaler Schwebe“ 1365 :
Sprache
ortlos,
zeitlos
Erzählstoff
schwebendes
Mittelalter
ortlos,
zeitlos
ortlos,
zeitlos
Erzähltechnik
Die Sprache ist also ein Pfeiler einer funktionalen Trias, deren gemeinsamer Nenner die Ortund Zeitlosigkeit ist. „Diese Abstrahierung von einer historischen Verortung hat
Konsequenzen für den Akt des Erzählens und die erzählte Geschichte: sie lösen sich
tendenziell von der ‚realen’ Geschichte ab, sie werden als erzählte Geschichte autonom“ 1366 ,
so Jeßling. Die weiterführende Frage ist nun, ob die erzählte Autonomie durch die drei Pfeiler
lediglich an ihren Eckpunkten markiert und nach außen behauptet wird, oder ob Thomas
Mann es geschafft hat, einen „kleinen Kosmos zu machen, in dem alles sich aufeinander
bezieht, der bei aller Diversität ein geschlossenes [...] Ganzes bildet“ 1367 .
„Die Geschichte lasse ich von einem irischen Mönch, der in St. Gallen zu Besuch ist, zur
Unterhaltung aufschreiben“, erklärt Thomas Mann. „Er ist etwas abstrakt von Person,
eigentlich »der Geist der Erzählung«, und es ist weder ganz sicher, wann er dort sitzt, noch in
welcher Sprache er eigentlich schreibt. Er sagt, es sei die Sprache selbst“ 1368 , da „über den
1362
DüD III, S. 395.
AN, S. 689.
1364
Ähnlich DüD III, S. 352: „mit unseren durchtriebenen Mitteln lebendig zu machen“.
1365
DüD III, S. 357.
1366
Jeßling, S. 579.
1367
DüD III, S. 419.
1368
DüD III, S. 351.
1363
203
Sprachen [...] die Sprache“ 1369 an sich stehe. Fragte man ihn direkt, ob zumindest er selber
wisse, wann er schreibe, so bekäme man zur Antwort: „Da gibt es überhaupt nichts zu
wissen“ 1370 !
Die fehlende zeitliche Dimension und die schwebende Sprache – das seien die „zwei
Merkmale“, so der Erzähler, deren er sich „als Personifizierung des Geists der Erzählung
erfreue“ 1371 . Doch schon Seiten bevor er sich über ein Spiel mit den ersten drei
Personalpronomina singularis zu „seiner mönchischen Person, genannt Clemens der Ire“ 1372
zusammenzieht, genau genommen schon im ersten Satz des Romans, wird angekündigt, was
programmatisch für die gesamte Erzählung gelten soll: „da ist nicht Zeitmaß noch
Einklang“ 1373 . Doch nicht alles wird von Clemens in der Schwebe gehalten. So ist er durchaus
bereit, seinen „derzeitigen Ort, nämlich [die] Bibliothek des Klosters Sankt Gallen im
Alamannenlande“ 1374 bekannt zu geben, aber ...
„wo hat man sich den Ort, die Orte der Handlung zu denken? In welcher
mittelalterlichen Landschaft? Die Burg, wo das Kind, ungetauft, ins Faß gelegt u[.]
den Wellen überantwortet wird, liegt offenbar am Meer. Nordsee? Kanal? Wo
[liegt] das Mönchskloster, wohin das Faß [...] getrieben wird?“ 1375
Aquitanien, das Hartmann’sche Herzogtum, gefalle ihm nicht, so Thomas Mann, da es
schließlich „Guyenne“, also rein französisch, sei. 1376 Aber diese „europäische Ecke, wo das
Flämische ins Französische übergeht“, die hatte „viel Anziehendes“ 1377 für ihn. Daraufhin
ließ er die Erzählung in einem „sehr unhistorischen Flandern-Artois“ 1378 spielen. „Und wo ist
das Kloster zu denken, wohin die Wellen das ausgesetzte Kind tragen?“ Das wolle er
wiederum „an die englische Küste verlegen“, denn ihn interessiere „ein internationales,
deutsch-französisch-englisches Mittelalter“ 1379 , so der Dichter weiter. „Was aber die
eigentliche Gregorius-Insel, den »Stein« betrifft, – sollte es sich bei der überhaupt um eine
Meeresinsel handeln?“ 1380 Thomas Mann entscheidet sich für einen „See im Hinterlande [...],
an dem der üble Fischer sein Gewerbe treibt“ 1381 . Weder der See noch die Fischerleute samt
Gehöft – nichts erhält einen Namen, alles verbleibt in Hartmann’scher Anonymität, sodass
den fremden Römern bei ihrer Ankunft nur die vage, unbestimmte Frage bleibt:
»Ist dies eine Einöde? «
»Zu dienen, ja, eine Einöde«.
»Eine vollkommene Einöde?«
»Man mag es nicht leugnen, Herr«. 1382
[entgegnet der Fischer]
[...]
1369
DE, S. 15.
DE, S. 14.
1371
DE, S. 14.
1372
DE, S. 13.
1373
DE, S. 9.
1374
DE, S. 10.
1375
Not. DE, Bl. 2/34.
1376
DüD III, S. 350.
1377
DüD III, S. 348.
1378
DüD III, S. 357.
1379
DüD III, S. 350.
1380
DüD III, S. 350.
1381
DüD III, S. 352.
1382
DE, S. 211.
1370
204
Selbst wenn diese Einöde von Thomas Mann einen Namen bekommen hätte, könnte nicht
dafür garantiert werden, dass sie damit auch identifizierbar und lokalisierbar wäre, denn
Name und Identität stehen wohlweislich in keinem absoluten Verhältnis, im „Erwählten“
schon gar nicht!
„Ich unterhalte mich vortrefflich mit meinem etwas vagen Mittelalter, wo die Leute Wiligis,
Sibylla, Anaclet und Eisengrein heißen“ 1383 , schrieb Thomas Mann im Mai 1948 an Agnes E.
Meyer. Zu der gewissen Ungreifbarkeit 1384 der Namen, die in der Exzeptionalität ihrer
Auswahl begründet liegt, kommt die Freiheit der Namensvergabe, die in ihrer linguistischen
Funktion des Identifizierens begründet liegt. Thomas Mann ist sich dieser Art von Freiheit,
oder besser: Willkür, die dem Dichter bei der Namenvergabe obliegt, durchaus bewusst, wenn
er notiert: „sein Schwert hieß Eckesachs oder Werimbald“ 1385 . Doch im Gegensatz zu anderen
literarischen Fiktionen lässt er seinen Leser augenzwinkernd an dieser Einsicht teilhaben,
indem er seinen Erzähler Clemens sagen lässt: „Der Name Gozbert unseres Abtes hier ist kein
solcher. Er wiederholt sich allzu oft in der Zeit und verwandelt sich, wenn man nach ihm
greift, auch gar leicht in Fridolin oder Hartmut“ 1386 . Weit weniger „wichtige“ Figuren der
Fiktion werden vom Erzähler als „gleichgültiges Beiwerk“ 1387 oder auch
„Nebenpersonen“ 1388 gewertet, die laut Clemens keiner weiteren Aufmerksamkeit bedürften,
eines Namens schon gar nicht. Durch diese Negativ-Akzentuierung persifliert er gleichzeitig
die heilsgeschicht-liche Austauschbarkeit der Figuren der Rezeptionsvorlage, die, wie gesagt,
beinahe ohne Ausnahme namenlos geblieben sind.
Einige Kapitel darauf gibt er dem Abt Gregorjus das Wort. Dieser berichtet von seinem
„Kloster [...], das ohne Frage ›Not Gottes‹ genannt und auch auf den nächsten [...] Inseln
unter diesem Namen bekannt ist“ 1389 . Trotz, oder besser: wegen der Legitimation durch dritte
kommen Zweifel auf: Wie kann sich ein Abt unsicher sein, wie sein eigenes Kloster heiße?
Im Falle Sankt Dunstans bedarf es zudem der „Versicherung seiner bejahrtesten
Einwohner“ 1390 , um sicherzustellen, dass dies auch der tatsächliche Name der Insel sei. Und
bei der „Insel gen Osten, Sankt Aldhelm geheißen, wie die meisten glauben“ 1391 , gibt ein
unwirscher Clemens in einem Nebensatz („oder wie ihre Insel heißt“) 1392 beinahe
unverhohlen die Willkür der Namengebung preis.
Zudem ist vereinzelt eine gewisse Varianz der Figurennamen zu beobachten, die den
Protagonisten mal Gregorius, mal Gregor, mal Gregorjus, mal Grigorß heißen lässt. Die
Formen Gregorius und Gregorjus identifizieren beide sogar zwei verschiedene Figuren des
Romans – zum einen den Protagonisten Gregorius, zum zweiten den Abt und Ziehvater
desselben. Die formale und identifikatorische Varianz auf der Erzählebene wird verbunden
mit einer dahinter stehenden historischen Ambivalenz des Namens Gregorius: „Der Gregorius
in unserem Text wird geschichtlich auf keine Epoche festgelegt, sondern widerspiegelt [...]
1383
DüD III, S. 355.
Rümmele, S. 210, sieht eine „evokative Kraft der altertümlichen, fremd und kostbar klingenden Namen“;
Stackmann 1959, S. 63, bezeichnet Namen als „prunkvoll-fremdklingende Wortgebilde“; Boesch, S. 341,
spricht von „fremd und kostbar klingende[n] Namen“.
1385
Not. DE, Bl. -/36.
1386
DE, S. 14.
1387
DE, S. 117.
1388
DE, S. 119, 146.
1389
DE, S. 69.
1390
DE, S. 69; ähnlich, S. 67: „In ihrer Mehrzahl waren sie [...] in einer Ortschaft ansässig, die, soviel sie
wußten, wie die ganze Insel, Sankt Dunstan hieß“.
1391
DE, S. 72.
1392
DE, S. 78.
1384
205
die Geschichte der Frühkirche“ 1393 . Und Thomas Mann bestätigt, dass er dem Papst
Gregorius „alle möglichen Verdienste historischer Päpste auf sein Haupt gehäuft“ 1394 habe.
Mit Rümmele 1395 , die versucht hat, durch (literar-)historische Verortung der Namen, die
erzählte Zeit des „Erwählten“ einzugrenzen, lässt sich feststellen, dass schon allein die
Personen, die zu handelnden Figuren des Romans geworden sind, einen erzählerischen
Zeitrahmen von neunhundert Jahren markieren:
Wie der Zeitpunkt des Erzähltwerdens bleibt also auch die erzählte Zeit unbekannt. Der Autor
könnte allenfalls noch beisteuern, dass die Geschichte erzählt werde „durch den Mund eines,
der vor Hartmann gelebt hat“ 1396 , und dass in diesem „ziemlich unbestimmte[n] Mittelalter
[...] immerhin der Kreuzzugskontakt mit dem Orient schon da ist“ 1397 . Doch „Anachronismen
spielen keine Rolle“, so Thomas Mann generalisierend, „da man ohnedies die Geschichte
nicht zu genau historisch lokalisieren darf.“ 1398
Zusammenfassend lässt sich formulieren: Die schwebende Sprache mit ihrer (nicht-)zeitlichen
und (nicht-)örtlichen Dimension korreliert mit dem Gesamt eines schwebenden Mittelalters.
1393
Lund u.a., S. 178.
DüD III, S. 371.
1395
Rümmele, S. 211.
1396
DüD III, S. 350.
1397
DüD III, S. 353.
1398
DüD III, S. 353.
1394
206
Sprache, Erzähltechnik und Erzählstoff greifen tief ineinander und bedingen einander
wechselseitig: Die Sprache ist neben der Zeitlosigkeit eines der beiden zentralen
Charakteristika, die die Erzählinstanz konsolidiert und diese zugleich einer außertextlichen
Verortung entzieht. Zwar provoziert die doch recht konkrete lokale Verortbarkeit der
Erzählinstanz (Kloster Sankt Gallen) beinahe einen Widerspruch, doch drängt sich bei
Betrachtung der anderen Örtlichkeiten der Romanhandlung (Flandern-Artois, Sankt Dunstan)
der Verdacht auf, dass die mittelalterliche Klosterkulisse gewählt wurde, um auch hier eine
Sprachenvielfalt möglich scheinen zu lassen.
In besonderer Weise nutzt Thomas Mann die Schlüsselstellung des Namens unter
Sprachelementen: Namenlosigkeit, so wird deutlich, bedeutet gleichsam Zeit- und
Ortlosigkeit. Und ohne Ort – am Beispiel der namenlosen Einöde wird es deutlich – kann es
wiederum kein spezifisches Idiom geben. Die Integration einer Vielzahl von Eigennamen
bedeutet zwar ein „Genaumachen“ der fiktionalen Erzähloberfläche, diese wird aber an
einigen Stellen durch erzähltheoretische Reflexionen über die Namenvergabe wieder
nachhaltig gebrochen. Das Greifen nach realhistorischen Identitäten, die hinter den
Figurennamen zu liegen scheinen, führt den interessierten Leser zunächst zur Hürde der
Identitätsverschiebung, wohinter sich schließlich ein weiter Zeitraum auftut, der die erzählte
Zeit im Gesamt des Mittelalters aufgehen lässt. Die biblischen Namen fungieren dabei als
„Echolote in früheste Menschheitsgeschichte“ 1399 . Thomas Manns Mittelalter wird somit
entzeitlicht, entörtlicht, entwirklicht und „nichts hat letztlich mehr seinen Platz im
Angestammten“ 1400 . Sein Mittelalter behauptet sich als autonom nach außen gegen die reale
Geschichte, während die „sprachliche[n] Eskapaden [...] in dem Schwebezustand des Ganzen
eine Art von Rechtfertigung“ finden. 1401
7.3 Wirkung (auf den Leser)
Eine Frage, die im Zusammenhang mit den „sprachlichen Eskapaden“ unumgänglich gestellt
werden muss, ist die nach der Verständlichkeit, womit diese Betrachtung auf das unsichere
Terrain der ‚Wirkung’ geführt wird. Ganz allgemein ist die Sprache in der Romankunst nicht
nur Spielraum künstlerischer Gestaltung, sondern, im Gegensatz zu Stoff und Erzähltechnik,
zugleich das Medium der Vermittlung zwischen Autor und Leser. Wenn nun ein Schriftsteller
rückblickend vermeldet,
„Ich [...] erfand mir ein unbestimmtes übernational-abendländisches Mittelalter mit
einem Sprachraum, worin das Archaische und das Moderne, Altdeutsche,
Altfranzösische, gelegentlich englische Elemente sich humoristisch mischen“ 1402 ,
so mag dies auf den potentiellen Leser möglicherweise abschreckend wirken, weil
Verständlichkeitsprobleme zu erwarten sind. Thomas Mann unterschied diesbezüglich
zwischen zwei Arten von Lesern: dem „Fachmann“ 1403 und dem „Durchschnittsleser“ 1404 .
1399
Rümmele, S. 206.
Boesch, 349.
1401
DüD III, S. 418.
1402
AN, S. 690.
1403
DüD III, S. 63.
1404
DüD III, S. 404.
1400
207
Während er in der Fachwelt um Rat suchte, um vor der Fachwelt „alles unangreifbar“ 1405 zu
machen, ging es ihm beim Gros des Publikums lediglich darum, mit ein „paar
charakterisierenden [...] Exaktheiten [...] dem Leser ein plausibles, ja überzeugendes Bild [zu]
geben.“ 1406 – „überzeugend“ nicht unbedingt im Sinne von realistisch, sondern im Sinne einer
stimmig scheinenden, ja „überzeugenden“ Fiktion. Die Suche nach „neuen und aufregenden
Creationen“ 1407 – man denke an die Musik im „Faustus“ oder die Sprache im „Erwählten“ –
warf zum einen die Frage der Machbarkeit 1408 auf, zum anderen musste er sich mit Blick auf
den Leser fragen, „wie man die [...] Exaktheiten [...] readable macht“ 1409 – eine Frage, die im
Spiegel mancher Romankritik durchaus ihre Berechtigung findet: So vertrat der Musiker Fritz
Weil die Auffassung, „daß der Leser, wenn er nicht musikalisch-technisch vorgebildet sei, die
musikalischen Partien des Romans [Doktor Faustus] überspringen müsse“ 1410 . Thomas Mann
wollte diese Auffassung nicht teilen, und antwortete in seinem Brief vom Februar 1949:
„Nach meiner Meinung, die auch manche Erfahrung für sich hat, kann auch ein
wenig Musikalischer, ja Unmusikalischer diese Teile des Buches sehr wohl
aufnehmen, ja muß es tun, wenn er überhaupt recht folgen will, da sie eine zu
wichtige geistige Rolle darin spielen.“ 1411
Die Autorisierung seiner Meinung durch nur „manche Erfahrung“, die Gleichsetzung „wenig
Musikalischer“ mit gänzlich „Unmusikalischen“ und zuletzt die argumentative Flucht nach
vorn, nämlich die Abgabe des Verstehens-Problems an den Leser: „ja [er] muß es tun, wenn
er überhaupt recht folgen will“, klingt nur wenig selbstüberzeugt und wenig überzeugend.
Indem somit musikalisches und musiktheoretisches Wissen de facto doch zu einer
notwendigen Voraussetzung zur Erschließung des Romans wird, muss der „Faustus“-Roman
für bestimmte Leserschichten zwangsläufig zu einer Art „Schlüsselbuch“ 1412 werden.
Auch der Sprache im „Erwählten“ könnte gewissermaßen eine Art Schlüsselrolle im Sinne
einer Verständnishürde zukommen, denn die über hundert Seiten an Wörtern, die größtenteils
nicht innerhalb des Dudenwortschatzes liegen, lassen nur diese Vermutung zu. Umfangreiche
Sprachkenntnisse sind von Thomas Mann zwar nie direkt als notwendiger Schlüssel zum
„Erwählten“ erklärt worden, doch spiegelt allein seine Beschäftigung mit der Verständlichkeitsfrage in gewisser Hinsicht auch ihre Berechtigung:
Er könne sich nicht vorstellen, „daß diese alten Worte für den Leser ein ernstes Hindernis
bilden“ 1413 , so Thomas Mann. Wenig später schränkte er ein: „Daß ein Spätwerk wie »Der
Erwählte« nichts für den »Mann auf der Straße«“ sei, das wisse er selbst „gut genug“ 1414 , und
1405
DüD III, S. 202.
DüD III, S. 63.
1407
DüD III, S. 58.
1408
DüD III, S. 68: „Wie halte ich mich im Machbaren?“
1409
DüD III, S. 18.
1410
DüD III, S. 224.
1411
DüD III, S. 224.
1412
Der Ausdruck „Schlüsselbuch“ stammt ursprünglich aus einem anderen Sinnzusammenhang: Wie sich einst
bestimmte Bürger Lübecks in den Buddenbrooks-Figuren wieder erkannt haben wollten, so wurden auch nach
Veröffentlichung des „Doktor Faustus“ Parallelen zwischen seinem „Personal“, wie Thomas Mann es nannte,
und realen Personen, meist seinem geistigen Umfeld zugehörig, gezogen. In seinem Brief vom 29.05.1953 (DüD
III, S. 276) an Emil Preetorius, der als Mitbetroffener galt, stellte Thomas Mann klar: „Dieser Faustus möge
leben wie er kann, aber, bitte abseits von allem Persönlich-Wirklichen. Ein Klatsch- und Schlüsselbuch ist er
mitnichten [...] und man sollte sich schämen [...], sein Personal schwatzhaft zu verwechseln mit der Realität.“
1413
DüD III, S. 393.
1414
DüD III, S. 401.
1406
208
musste am Ende sogar eingestehen, dass „die Sprachpossen [...] wohl ein bißchen arg“ 1415
seien.
7.3.1 Synonyme
Das Problem der Verständlichkeit konnte Thomas Mann so fremd nicht sein, hatte er doch
selbst so mancher Hilfestellung von außen (Singer, Bauer) bedurft, um der fremden und alten
Idiome Herr zu werden. In diesem Kontext ist auch das Bemühen des Dichters zu sehen, den
entstehenden „Erwählten“-Text für seine Leser möglichst „readable“ zu halten. Die
Bedeutung der fremden Wörter „ergibt sich doch eigentlich immer aus dem Zusammenhang –
sogar bei den altfranzösischen Brocken – die man ja übrigens in einem gewissen Fall
ausdrücklich »garnicht verstehen soll«“ 1416 .
Der einfachste Weg, seinen Lesern die Bedeutung eines fremden Elements anzutragen, stellt
für den Schreibenden generell die direkte Erklärung dar. Weil aber ein Thomas Mann seinen
Roman nicht als „Mosaik entliehener Steinchen“ hinstellen, sondern als „künstlerischen
Organismus“ 1417 empfunden wissen wollte, kam für ihn ein worterklärender Anhang (wie z.B.
in seiner „Siplicissimus“-Ausgabe zu finden) bestimmt nicht in Frage. Das zu Erklärende war
ja in den allermeisten Fällen ein „Raub an der Wirklichkeit“1418 , ein Zitat, das in die
Komposition versenkt werden musste. 1419 So hätte sich auch die klassische Fußnote, wie sie
Pannier in seiner „Parzival“-Übertragung häufig zum Verweis und zur Erklärung nutzt, eher
kontraproduktiv auf das anzustrebende „Verwischen“ und „Versenken“ ausgewirkt. Wie aber
brachte Thomas Mann es dann fertig, so ungelenke Definitionen wie Divinitas [...]. Das ist
die Lehre von der Gottheit 1420 möglichst fiktionskonform in den Text zu integrieren?
Thomas Manns Erzähler Clemens ist zwar, was den Verlauf der Erzählung anbetrifft,
allwissend, muss aber dennoch an gewissen Punkten eingestehen, dass er nur mit einer
„Scheingeläufigkeit“ von Dingen rede, die ihm und seiner klerikalen Welt in Wirklichkeit
„nicht angehören“ und die er „nur aufgeschnappt“ habe. 1421
„Schwertleite [...] in der Sprache der Welt bedeutet’s für den Junker das Recht, das
Schwert umzugürten.“ 1422
Auf diesem Wege nimmt er den Leser in seine mönchisch geprägte Oberflächenkenntnis1423
der weltlichen Dinge und Verhältnismäßigkeiten mit hinein, die Worterklärungen werden so
zum natürlichen Teil der Kommunikation zwischen dem Erzähler und seinem imaginären
Publikum und wirken so ganz selbstverständlich im Rahmen der Fiktion.
1415
DüD III, S. 392.
DüD III, S. 393.
1417
DüD III, S. 403.
1418
Entst., S. 167.
1419
DüD III, S. 61.
1420
DE, S. 88.
1421
DE, S. 24f.
1422
DE, S. 30; so auch: Agraß (womit ich Obstsauce meine), DE, 17; de legibus, eine Wissenschaft, die vom
Gesetze handelt, DE, 88; Schoydelakurt, das ist: die Freude des Hofes, DE, 19; blatten „auf einem Blatte
blasend das Waldgetier betrügen [...], daß alles Wild den Schrei der eigenen Art zu hören meinte, DE, 24;
Buhurd, das lustige Reiterspiel, S. 25; gevitzte Kleidchen (oder wie man für künstliche mit Goldfäden eingewebte
Muster sagt), DE, 21
1423
DE, S. 143: „Mein mönchisch Herz hat gar nicht Anteil an solchem Männerunfug und ritterlichem Gebleu“;
S. 159: Die „Schilderung von Liebesauftritten [ist] meinem Stande und Kleide nicht schicklich“.
1416
209
An anderer Stelle versetzt Thomas Mann seinen Leser auf ganz subtile Art und Weise in die
Lage, das Schleiergewand der fremden Sprache zu heben. Zu diesem Zwecke hat er sich die
in der Didaktik weit verbreitete Methode der innertextlichen Verwendung eines fremden
Wortes unter Beigabe eines verständlichen Synonyms nutzbar gemacht: „Sibylla kämmte und
schnatzte ihr Haar“ 1424 . „Es muß etwas wie »putzen«, »schmücken« oder auch »frisieren«
bedeuten“ 1425 , mutmaßt Stackmann stellvertretend für alle Erstleser des Romans. Zwei
Romanseiten später schnatzte die Herzogin ihr Haar weiter, und diesmal sogar ganz ohne
Synonym, was nur den einen Schluss zulässt, dass Thomas Mann mit Blick auf den Fortgang
des Textes auf einen Lernprozess beim Leser setzt. 1426 In anderen Fällen (maisnie und
Knappenschaft, eine Narbe und flache Caverne, Allez avant und mache dich von dannen!, wie
ein Mann und soßiger Kerl) 1427 erstreckt sich der Funktionswert des Synonyms ausschließlich
auf die einzelne Textstelle.
Der Dichter hat diese Methode der Synonymisierung noch dergestalt weiterentwickelt, dass
die Synonyme nicht kontextuell platziert, sondern mit dem fremden Element direkt gekoppelt
werden: Pfellelseide 1428 . Es hat für den Leser den Anschein, als ob hier eine besondere Form
der Seide vorliege. Er glaubt, ein Kompositum vorliegen zu haben, einen Determinativzusammenhang also, beim dem Seide das vermeintliche Grundwort stellt, Pfellel als
Bestimmungswort fungiert. Tatsächlich aber liegt hier formal eine Koppelung, semantisch gar
eine Reduplikation vor. Der „Durchschnittsleser“ bemerkt es kaum. Er ist zufrieden, dass ihm
zumindest über das vermeintliche Grundwort (Pfellelseide, Wittumsgut, Sammetstoff) eine
grobe Bedeutungserschließung gelingt.
7.3.2 Etymologische Brückenschläge
Die Integration mehrgliedriger Fremdelemente ist recht unterschiedlich gestaltet. Im Falle der
„altfranzösischen Brocken“ z.B. steht das Nicht-bestimmen-können der Romansprache als
Gesamt in enger konzeptioneller Bindung mit einem Nicht-verstehen-müssen der einzelnen
Textstelle. Die Rede ist von der geschwisterlichen Inzestszene, ein intimes Tête-à-Tête also,
bei dem der Leser keinen Anspruch auf Beiwohnerschaft erheben kann. Insofern war in der
„heiklen Situation“, wie Thomas Mann es ausdrückt, ein „halb oder ganz unverständliches
Gestammel sehr am Platze“ 1429 . Dennoch lässt der Kontext durchaus genug von dem erahnen,
was sich hinter dem altfranzösischen Paravent zwischen Bruder und Schwester abspielt. Dass
es sich um nichts anderes als ein erotisch aufgeladenes „Bettgeflüster“ handeln kann, ist durch
die neuhochdeutsche Einfassung der Szene und einen augenzwinkernden Kommentar des
Erzählers gesichert.
Kürzere lateinische Sätze und Redewendungen (Ite, missa est!; In nomine Domini; In te
Domine speravi; Et tibi dabo claves regni coelorum) sind überwiegend der katholischen
Liturgiesprache entnommen. Selbst wenn sein Leser nicht wie er, Thomas Mann, in der
Schulzeit Lateinunterricht genossen haben sollte, so konnte der Autor doch davon ausgehen,
dass die ungefähre Bedeutung der lateinischen Textelemente im Rahmen der religiösen
Sozialisation zumindest einem Teil seiner Leser übermittelt worden war.
1424
DE, S. 168.
Stackmann 1964, S. 176.
1426
Vgl. DE, S. 84: „capitale und Waisengeld“ – S. 85: „capitale“ .
1427
DE, S. 15, 21, 30, 97.
1428
Mhd. pfellel: kostbares Seidenzeug (Lexer).
1429
DüD III, S. 404.
1425
210
Thomas Mann hat nicht nur längere Sequenzen fremder, bereits bestehender Idiome in seinen
neuhochdeutschen Text integriert, er hat, und hierin entschwebt sein Mittelalter in gänzlich
ungreifbare Sphären, auch ein Idiom „selbstgebastelt“ 1430 . Er nannte es ein „WaterkantenPlatt mit englischen Einschlägen“ 1431 , das er „die Fischer auf der halb-englischen KanalInsel“ 1432 Sankt Dunstan sprechen lässt.
„Fische? Nee, dat’s nu’n littel bit tau veel verlangt. Wi könn von Lucke seggen, dat
uns de Fisch nich hebben, denn dat was Euch `ne Freise, Herr, un weren Euch
coups de vent, da macht Ihr Euch, Herr, gar keen Einbildung von. Da musst immer
een Mann die Seen drawen aus dem Boot un de annere mit all sin Macht den
Timon holden, un sonst was an keen Ding ein Denken an.“ (DE, 74)
Eine Analyse sämtlicher Sequenzen 1433 dieses Idioms zeigt, wie Thomas Mann auch hier eine
für den Leser ausreichende Verständlichkeit sichert: Die „Hauptzutat“ der Fischersprache ist,
anteilig noch vor Englisch 1434 und Niederdeutsch 1435 liegend, wider Erwarten das
Neuhochdeutsche 1436 . Die ebenfalls neuhochdeutsche Konvention der Großkleinschreibung
erstreckt sich auf den gesamten Text, also auch auf die nd. und engl. Elemente, wodurch eine
Segmentierung und syntaktische Orientierung erheblich erleichtert wird.
Das Bemühen um Verständlichkeit kann die sprachliche Gestaltung des „Waterkantenplatts“
aber nur zum Teil erklären. Gleichzeitig scheint hier auf engstem Raume das umgesetzt, was
der Mönch Clemens eingangs als Ineinanderrinnen und Einswerden der Sprachen bezeichnet
hat. 1437 Die Verbindung zwischen dem Hoch- und dem Niederdeutschen gelingt Thomas
Mann durch Integration umgangssprachlich verschleppter Formen (un’, könn’, nich’), die
ebenso gut als Teil des niederdeutschen Wortschatzes gelten können.
Thomas Manns Verbindung von Niederdeutsch und Englisch fußt auf der gezielten Nutzung
sprachgeschichtlich bedingter Nachbarschaften. „»Dat’s« ist ja schon das englische
»That’s«“ 1438 , stellte er erfreut fest. Nach diesem Muster wählte er bevorzugt jene Elemente
aus, die lautlich wie orthografisch in der Schnittmenge (is, was, twelf, Water, wi, Dochter,
Appel, upbringen, tellen) der beiden Sprachen liegen. Die Verbindung der sprachgeschichtlich
weiter voneinander entfernten Idiome Neuhochdeutsch und Englisch gelingt Thomas Mann
durch ...
1. Übertragung der neuhochdeutschen Konvention der Großkleinschreibung auf
englische Elemtente (Appel, Hoax),
1430
Reich-Ranicki, S. 99.
DüD III, S. 395.
1432
DüD III, S. 393.
1433
DE, S. 74-79, 86, 96, 97.
1434
littel bit, Lucke, Fisch, was, is, weren, musst, drawen, puhr Pipels Stoff, kehrt vor, schell, Durft, fresch
Water, Dram, Fiddel-Faddel, hälpig, Appel, twelf, Kiddens, upbringen, Hoax, allwegs, tellen, Suckling, wi,
holden.
1435
dat, tau veel, wi, seggen, de, hebben, was, keen, must, een, Mann, annere, sin, holden, was, dat, ook, wat
schell, in sin, Water, min Dochter is, nich, un’, sundern, Appel, twelf, upbringen, hawt, geseggt, wi schellen,
tellen, slechtem Muhl, ji schellt, dopen.
1436
Fische, nee, verlangt, könn’ von, uns, nich’, denn, Euch, `ne, Herr, un’, da macht Ihr Euch, gar, Einbildung
von, da musst’ immer, Mann die Seen, aus dem Boot un’, mit all, Macht den, sonst, an, Ding ein Denken; wie,
denn, Stoff, kehrt, vor, Teer, zum Tippeln; Lug und, dämpfig, rundum, wie’n, könnt’, wenn sie bloß welche hätt,
die Wahrheit, den.
1437
DE, S. 14.
1438
DüD III, S. 393.
1431
211
2. Nachbildung des englischen Lautbildes unter Rückgriff auf die neuhochdeutsche LautZeichenzuordnung (littel bit, puhr Pipel, fresch Water),
3. Derivation des englischen Stammes mit deutscher Flexionsendung (Luck-e, Kid-d-ens,
draw-en) oder deutschem Suffix (Suck-ling),
4. Neubildung hybrider Komposita (Gentle-volk),
5. Einformung deutscher Sprache in typisch englische Phraseologie (Ihr wettet, von
englisch: you bet) 1439 .
Und wenn das deutsche allweg mit dem englischen always zur Neubildung allwegs
verschmilzt und das schweizerdeutsche vorkehren in geschickter syntaktischer Anordnung (da
kehrt ein Herr gar nich vor) in die Nähe des englischen to care for rückt, wird überdeutlich,
dass es dem Dichter bei diesem Teil seiner Spracharbeit nicht primär um Verständlichkeit,
sondern vielmehr um formale Geschlossenheit ging. Es handelt sich also bei Thomas Manns
„englischen Einschlägen“ beinahe ausschließlich um Neubildungen, sodass kaum ein originär
englisches Wort (bit), zu finden ist.
Gewissermaßen findet sich in dieser Textpassage konzentriert, was für den gesamten
Romantext gelten kann: Bei aller qualitativen Vielgestalt der Sprachelemente dominiert
quantitativ das Neuhochdeutsche, in das all die anderen Idiome eingebettet werden und deren
Bedeutung weitgehend über Synonymisierung, im weiteren Sinne durch Kontextualisierung
gesichert wird. Gleichzeitig ist Thomas Mann bestrebt, eine stimmige Sprachfiktion zu
schaffen, indem er die verschiedenen Sprach(stuf)en durch gezielte Auswahl der Elemente
und geschickte syntaktische Positionierung so dicht wie möglich aneinanderrückt. Wo
dennoch Lücken zwischen den Idiomen bleiben, nimmt er Neubildungen vor, wobei die
Laut/Zeichen-Zuordnung des Neuhochdeutschen als Zielsprache anzusehen ist.
„All diese Neologismen unterscheiden sich paradoxerweise kaum von Archaismen“, 1440
konstatiert Frizen in diesem Zusammenhang. Das tun sie – aber nicht „paradoxerweise“,
sondern weil Thomas Mann alle sprachlichen Möglichkeiten nutzt, „daß man die Mischung
kaum merkt“ 1441 ; „man“, damit ist vor allem der Leser gemeint, dem der „dreist erfundene
Dialekt“ 1442 als „vollkommen natürlich“ 1443 , (d.h. im Sinne der Fiktion als) potentiell möglich
erscheinen soll.
7.3.3 Stil
Am 23. März 1948 schrieb Thomas Mann an Ida Herz, er wolle eine mittelalterliche Legende
nochmal erzählen, sei aber „noch nicht sicher, ob [er] den Ton dafür finde“ 1444 . Im Vergleich
mit anderen Mittelalterfiktionen, wird ex negativo deutlich, wie effektiv der richtige „Ton“
für eine archaisierende Sprachfiktion ist, wie an folgendem Textbeispiel aus Donna W. Cross’
Roman „Die Päpstin“ kurz demonstriert werden soll:
1439
DE, S. 89.
Frizen 2001, S. 865.
1441
DüD III, S. 393.
1442
DüD III, S. 363.
1443
DüD III, S. 395.
1444
DüD III, S. 352.
1440
212
„ »Forsachistu diabolae?« fragte er Gudrun auf Sächsisch, und seine Stimme war
kaum mehr als ein Flüstern [...]
»Ec forsacho allum diaboles«, schluchzte Gudrun, doch in ihren Augen funkelte
Trotz.“ 1445
Altsächsisch und Neuhochdeutsch stehen hier unvermittelt nebeneinander – ein
Nebeneinander, das allenfalls im Wechsel von wörtlicher Rede und Erzähler-Kommentar eine
gewisse Rechtfertigung finden kann. Damit hebt sich der bislang fixe Blick vom einzelnen
Fremdelement auf den Stil, der als Gesamtheit der sprachlichen Ausdrucks- und
Gestaltungsmittel definiert ist.1446 Hier liegen weitere, bislang unbehandelte poetische
Spielräume Thomas Manns, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen.
In einer systematischen Analyse der ersten hundert Seiten des „Erwählten“ stellt sich die
heute nicht mehr erforderliche 1447 Flexion der Nomen im Dativ Singular (im Fluge, am
Strome, zum Stolze) als häufigstes sprachstilistisches Mittel heraus. 1448 Vereinzelt wird auch
der Genitiv Singular (seit seiner Frauen Scheiden) 1449 oder gar der Vokativ (Fraue!,
Amice!) 1450 markiert. Daneben macht Lesser 1451 auf die „altertümlich klingende“ Flexion der
Eigennamen (Caroli, Faltonien, Christum) 1452 aufmerksam, die nicht nur im „Erwählten“,
sondern in allen Jahrhunderten des Mann’schen Spätwerks stilistisches Programm zu sein
scheint und die bis zum Vokativ (Probe!) ihre Anwendung findet. Friedrich Kammradt
konnte in vielen Werken Thomas Manns, gerade „bei Erzählungen aus der Vergangenheit“ 1453 , einen häufigen Gebrauch unflektierter Adjektivformen feststellen, die nach
Eberhard Knobloch zu den stilistischen Mitteln der Archaisierung gezählt werden müssen. 1454
Formen wie dein weiblich’ Flennen treten auch im „Erwählten“ verstärkt 1455 auf – ein Mittel,
das sich u.a. auch auf Indefinit- (auf ander’ Blut) und Possessivpronomen (die Schwester
dein’ ) 1456 erstreckt. Neben dem Gebrauch unflektierter steht der häufige Gebrauch nicht
synkopierter Verbformen (nutzet, vergissest) 1457 , die Leitner als weiteres Mittel sprachlicher
1445
Cross, Donna W.: Die Päpstin. Historischer Roman. Berlin 2000, S. 23, die hier das as. Taufsymbolum in
ihren Text integriert.
1446
Wilpert 1989, S. 888.
1447
Duden, Bd. 4: Die Grammatik, S. 223.
1448
in meinem Lande, S. 42; am Tage, S. 41; am Leibe, S. 48; einem andern Manne, S. 48; im Saale, S. 54; zu
seinem Weibe, S. 54; mit meinem Rate, S. 56; von Gebürte, S. 56; meiner Frauen, S. 59; seinem Weibe, S. 60;
dem Fleische, S. 63; dem Tode, S. 65; seinem Kleide, S. 77; mit dem Kinde, S. 77; deinem Weibe, S. 77; im
Fluge, S. 76; mit einem Manne, S. 72; am Strome, S. 72; zum Stolze, S. 69; zum Strande, S. 68; mit süßem
Munde, S. 77; vom Ündenschlage, S. 80; vom Meere, S. 80; dem Abte, S. 80, 83; am Stalle, S. 82; dem Gelde, S.
83; dem Kinde, S. 83; beim Spiele, S. 94; zum Grase, S. 93; am Spiele, S. 92, 93; am Strande, S. 90; einem
reichen Lande, S. 89; vom Gesetze, S. 88; dem Abte, S. 86; einem Manne, S. 89; am Buge, S. 95; im Ohre, S.
99; dem Fuße, S. 100.
1449
DE, S. 32; vgl. auch S. 127, 154.
1450
DE, S. 66, 212.
1451
Lesser, S. 514
1452
Sybillens, S. 136; Jeschuten, S. 168; Sybillen, S. 258; Anacleten (Dat.), S. 61; Christus, -i, -um, S. 10, 11, 17,
149, 196; Probe!; Chrysogone, S. 85; Faltonien, S. 201; Sankt Galli, S. 116; Jesu, -um, S. 70.
1453
Kammradt S. 4; so auch Hilscher 155, S. 59 und Hilscher 1983, S. 243.
1454
Knobloch, S. 24.
1455
ungrisch Leder, S. 72; Jung Wiligis, S. 60; Jung Credemi, S. 88; ein britisch Reich, S. 72; weiblich Flennen,
S. 41; wunderlich Gelüst, S. 50; selig Seufzen, S. 50; hitzig Werken, S. 53; arm Sünderlein, S. 54; leidig
Einverständnis, S. 56; sündig Weib, S. 63; ewig Trauer, S. 63; ein offen Boot, S. 66; ungeistlich Benehmen, S.
73; schwitzig Zeug, S. 75.
1456
weiteres Unflektiertes: die Schwester dein, S. 33; auf ander Blut, S. 57; kein Träne, S. 61; ohn Achtung, S.
157; ohn jedes Aufsehen, S. 46.
1457
nutzest, S. 107; vergissest, S. 114; gedenket, S. 33; wollet, S. 79; sehet, S. 77.
213
Archaisierung anführt. 1458 Die „Reaktivierung des Genitivs“ 1459 , die Frizen im Kontext der
Goethe-Parodie nennt, ist im „Erwählten“ zunächst bei den Verben nachweisbar: Zum einen
werden verstärkt Verben mit ausschließlicher Genitiv-Rektion (sich unterwinden + Gen.) 1460
ausgewählt, zum anderen wird bei Verben mit variabler Rektion der Genitiv bevorzugt
(tragen + Gen. statt Akk.) 1461 . Ähnlich wie die dichterische Freiheit der Namengebung wird
auch diese Wahlmöglichkeit dem Leser offen gelegt, wenn nämlich Flann zu Grigorß sagt:
„Du schämtest dich für mich, du schämtest dich meiner!“ 1462 Rektion und Gebrauch dieser
teils antiquierten Verbformen waren selbst Thomas Mann nicht immer klar, sodass er
nachschlagen und sich vergewissern musste. Er notierte: „des verjehen: sagen, bekennen,
eingestehen“ 1463 .
Im nominalen Bereich greift Thomas Mann sehr häufig auf den vorangestellten Genitivus
possessivus (des Abtes Taufkind) 1464 zurück. Der Genitivus qualitatis wird sowohl nominal
(eine Nonnenfürstin erstorbenen Herzens) 1465 als auch in adverbialer Funktion (schlechten
Mundes sprechen) 1466 gebraucht. Am Rande ist auch der Genitivus partitivus (eine Menge
Rats) 1467 im „Erwählten“ zu verzeichnen. Wirklich nur bei Thomas Mann anzutreffen sein
dürfte die von Frizen so bezeichnete „koppelnde Wiederholung ein und desselben
Attributs“ 1468 („fein-feines Haar“) 1469 , die von Lesser unter Anführung weiterer Beispiele als
altertümlich klingend eingestuft wird. 1470 Ein Stilmittel, das von keiner der herangezogenen
Arbeiten erwähnt wird, ist der imperativische Gebrauch von Modalverben (Wisse!, wolle!,
wollt!), wie er bei Goethe zu finden ist, heute aber als „allgemein unüblich“ 1471 gilt.
Die Morpho-Syntax des „Erwählten“ wird stilistisch dominiert durch die Bildung des Perfekts
bzw. Plusquamperfekts ohne die Formen der Auxiliarverben ‚sein’ und ‚haben’ (was mir
vorgekommen) 1472 , das nach Knobloch ebenfalls in archaisierender Funktion steht. 1473
„Der Sprachklitterung im Großen entspricht die Wortmontage im Kleinen“ 1474 , so Wysling.
Die dazwischen liegenden poetischen Freiräume der Morphologie und der Syntax nutzt
Thomas Mann, indem er sein „Jahrhundert-Durcheinander“ mit der Lasur eines gleichmäßig
1458
Leitner, S. 25.
Frizen 2001, S. 860.
1460
So auch bei: genesen, S. 45; verweisen, S. 65; getrösten, S. 34; entschlagen, S. 46; gedenken, S. 50, 65, 59;
ermangeln, S. 49; walten, S. 48, 64; unterwinden, S. 77, 81; ledig sein, S. 82.
1461
So auch bei: warten, S. 43; tragen, S. 51; vergessen, S. 53; versprechen, pflegen, S. 55; entbehren, S. 65.
1462
DE, S. 97.
1463
Not. DE, Bl. -/17.
1464
So auch bei: des Abtes Taufkind, S. 89; der Sache Meister, S. 88; des Fischesr Kinder, S. 86; des Menschen
Herz, S. 73; dieses Kindes Bedürftigkeit, S. 78; der Kinder Augen, S. 21; des Herzogs [...] Rede, S. 48; deines
Bruders Statt, S. 55; des Landes Herren, S. 53; des Gatten Wiederkehr, S. 59.
1465
DE, S. 63.
1466
schlechten Mundes sprechen, S. 82; sich des Todes wundern, S. 82; gespitzten Mundes nachsprechen, S. 79;
klopfenden Herzens horchen, S. 89.
1467
eine Menge Rats, S. 46; ein Stückchen Weges, S. 87; so viel Leides, S. 49; zwei Mark Goldes, S. 77.
1468
Frizen 2001, S. 857.
1469
DE, S. 21.
1470
Lesser, S. 514.
1471
Duden, Bd. 4: Die Grammatik, S. 169.
1472
So auch bei: seit sie sich zuerst in mir geregt, S. 55; dem Abt Gregorius [...] entgegengesehen, S. 95; die der
Bruder gedichtet, S. 87; nachdem er nochmal [...] gestoßen, S. 70; was mir vorgekommen, S. 76; daß ich mich
ihrer Zukunft angenommen, S. 33; indem ich [...] viel Unmut [...] geschaffen, S. 33f.; was schon sein eigener
Vater zu ihm gesagt, S. 34; die ich geboren, S. 55; wie es mit seinem Herrn geschehen, S. 61; die ihn so schnöd;
betrachtet, S. 65.
1473
Knobloch, S. 31.
1474
Wysling 1967, S. 293.
1459
214
archaisierten Stils überzieht, in dem Goethisches 1475 und Faustisches mit dem „altmodischen
Deutsch“ 1476 der von ihm benutzten Versübertragungen Hertz’, Panniers oder Simrocks
verbunden sind. Dies war ein Ton, der sich „viel leichter parodieren ließ als der des
mittelhochdeutschen Originals“ 1477 , wie Wysling sehr richtig anmerkt. Auf diese Weise
gelingt es ihm, die durch das „Aufkleben“ 1478 der Fremdelemente entstandenen Ränder
nachhaltig zu verwischen und die Stimmigkeit der Sprachfiktion abzurunden:
„Milde Maria, [...] benedictus fructus ventris tui! Stella maris bist du genannt
nach dem Stern, der an das Land das müde Schiff geleitet, [...] Gern, Fraue, [...]
küßt ich ihn auf das Haar. [...] Doch Sancta Maria sag: Ist mir’s denn beschieden,
noch einmal [...] selig zu sein [...]? Des ist mein Herz von Zweifeln voll ...“ 1479
7.3.4 Dingreichtum
Eine integrative Verbindung von Sprache und Stoff ist im sog. „Dingreichtum“ des Romans
zu sehen, der ebenfalls mehr sein will als ein bloßes Kolorit. Als die Arbeiten zum
„Erwählten“ bereits begonnen hatten, schrieb Thomas Mann rückblickend über den
„Faustus“: „Ich war mir von vornherein klar darüber, daß man heute keinen »KünstlerRoman« mehr schreiben kann, in dem das Genie des Helden nur behauptet wird. Ich hatte es
zu beweisen, zu realisieren, hatte eine Exaktheit von mir zu verlangen – um jeden Preis“ 1480 .
In diesem Kontext sind auch die langen Listen von Namen und Gegenständen zu verstehen,
die der Dichter in seinen Notizen 1481 anlegte und später in seinen Romantext einfließen ließ.
Allerdings war es „kein kleines“, so stöhnt Clemens, soviel Detail „gehörig anzuordnen und
grammatisch im Zaum zu halten“ 1482 :
„ ... dazu Geschmeide und wundertätiges Gestein [...]: Karfunkel, Onyx, Kalzidon,
Koralle und wie sie alle heißen, Achat, Sardonyx, Perlen, Malachit und
Diamanten, daß die Magazine und Rüstkammern strotzten von edlen Waffen,
Ringpanzer-hemden, Hersenieren und Schilden von Toled im Spanierland ...“ 1483
In direkter Kontrastierung zu einer Textstelle aus Adolf Muschgs „Rotem Ritter“, wo
schlichte
„Stoffe, Tücher, Teppiche, Fahnen, Girlanden, Pferde, Tische, ein
spiegelnder Brunnen in der Mitte und die Zierbäume im Kübel [...] ihn
[Parzivâl] umstanden“ 1484 ,
1475
Vgl. Betz 1972, Frizen 2001, Kammradt.
DüD III, S. 418.
1477
Wysling 1967, S. 291.
1478
DüD III, S. 61.
1479
DE, S. 156f.
1480
DüD III, S. 202.
1481
Namensliste: Not. DE, Bl. -/19; Liste jagdbarer Vögel: Not. DE, Bl. -/29; Liste zur „Mahlzeit”: Not. DE, Bl.
16/49; Liste „wunderkräftige Edelsteine”: Not. DE, Bl. 18/51f.
1482
DE, S. 18.
1483
Ebd.
1484
Muschg, Adolf: Der Rote Ritter. Eine Geschichte von Parzivâl (=suhrkamp taschenbuch 258). Frankfurt
a.M. 1996, S. 368.
1476
215
wird die Effektivität dieses poetischen Mittels noch deutlicher. Die „Macht unbekannter
Fakten“, wie Thomas Mann sie nutzt, bedeutet zwar einerseits eine Befremdung des Lesers,
erzwingt aber in zweiter Instanz den Eindruck des Dabeigewesenseins des Erzählers, sodass
erstgenannter in seiner Unwissenheit gar nicht anders kann, als die bisher „gar nicht
vorhanden geglaubte Realität“ anzunehmen. 1485 Es mag paradox klingen (um mit Wimmer zu
sprechen), aber an dieser Stelle steht die Entfremdung nicht in Funktion des Ablösens der
Erzählung vom historisch Greifbaren, sondern hier bedeutet Entfremdung Versicherung – und
zwar Versicherung des Lesers, dass es so gewesen sei(n könnte). Der Dichter versucht, „den
Charakter der Authentizität durch Dingreichtum [zu] erzwingen“ 1486 , so Wysling.
7.3.5 Orientierung an Sprachlichklischees
Wahrscheinlichkeit, im Sinne von Realität, könne diese erzählte Welt objektiv gesehen nicht
für sich beanspruchen, so Helmut Koopmann, „da auch der stupideste Leser merkt, daß
Plattdeutsch und Englisch, Mittelhochdeutsch und Altfranzösisch sich in dieser sonderbaren
Mischung realiter wohl nie präsentiert haben.“ 1487 (Dem ‚Nie’ könnte noch ein ‚Nirgends’ an
die Seite gestellt werden.)
Dennoch darf nicht der Eindruck entstehen, die fremden Einsprengsel seien bloß eine Art
blindes Kolorit ohne tiefere funktionelle Verknüpfung, das von Thomas Mann oberflächlich
und gleichmäßig auf die Erzählung aufgetragen worden ist. Sie waren auch Kolorit 1488 , keine
Frage; Die Beobachtung aber, dass der Dichter den gemeinen Mann eine Art „WaterkantenPlatt mit englischen Einschlägen“ 1489 , die feinen Herrschaften bei Hofe wiederum eine stark
französisch gefärbte Sprache sprechen lässt, bei den namenlosen Fischern im Nirgendwo
hingegen gar keine idiomatische Einfärbung vornimmt, spricht für eine gezielte Funktionalisierung des „Jahrhundert-Durcheinanders“ in Orientierung an den fiktiven
Örtlichkeiten, womit die Betrachtung zur poetischen Verbindung von Sprache und Erzählstoff
geführt wird.
Die sprachliche Einfärbung der höfischen Kapitel (2-8, 15-22) des „Erwählten“ ist vergleichsweise komplex. Das herzogliche Familienleben markiert Thomas Mann durch alt- und
neufranzösische Einsprengsel, wobei das Altfranzösische in den Dialogen dominiert und sich
stellenweise kaum merkbar mit dem Neufranzösischen vermischt. Das Familiäre ist umgeben
und ausstaffiert mit einer Vielzahl höfischer Requisiten (Klaret, Pfellel, Sammet), die
vornehmlich mittelhochdeutscher Herkunft sind. Das höfische Leben ist flankiert von
ritterlichem Treiben, von Kampf, Jagd und Reiterei. In der Jagd sind deutsche Einsprengsel
vorherrschend – ursprünglich Mittelhochdeutsches, das größtenteils den Sprung in die
Fachsprache der Neuzeit geschafft hat (entbästen, Gefälle, hürnen). In Kampf und Reiterei
dominiert wieder das Französische (Fianze, sursangle, jamblieren).
Sieht man von der neuhochdeutschen Erzählsprache ab, findet sich in der höfischen Sprache
gewissermaßen die mittelhochdeutsche Epik parodiert, denn „mittelhochdeutsche Dichtung
nahm ja gern französische Brocken auf“ 1490 , so Thomas Mann. Nach Wilhelm markiert das
1485
Wilhelm, S. 125.
Wysling, Hans/Schmidlin, Yvonne (Hrsg.): Text und Bild bei Thomas Mann. Bern und München 1975, S.
11; ähnlich Koopmann, Helmut: Der Erwählte, in: Handbuch, S. 511.
1487
Ebd., S. 512.
1488
DüD III, S. 403.
1489
DüD III, S. 395.
1490
Ebd.
1486
216
Französische allgemein die besonders feine Erziehung und Lebensart. Diese wird gespeist aus
dem Wissen um Französisch als Bildungssprache des 19. Jahrhunderts. 1491 Der historisch
versierte Fachmann unter den Lesern kennt das Französische zudem als Sprache des Hofes
vor allem in der Zeit der Aufklärung.
„Mit unserem Abte Kilian bin ich [Clemens] der wohlgeprüften Ansicht, daß die
Religion Jesu und die Pflege antiker Studien Hand in Hand gehen müssen in der
Bekämpfung der Roheit [...]. Tatsächlich ist die Bildungshöhe unserer Brüderschaft
sehr beträchtlich und meiner Erfahrung nach derjenigen des römische Klerus
überlegen, [...] unter dessen Mitgliedern bisweilen ein wahrhaft beklagenswertes
Latein geschrieben wird“. 1492
Damit macht Clemens das Lateinische zur klerikalen Bildungssprache, die seine mönchische
Erzählinstanz (Kap. 1), die klösterliche Sphäre Sankt Dunstans (Kap. 9-14) und auch die –
wie Thomas Mann sie nannte – „römischen Dinge“ 1493 im Roman (Kap. 1, 25-31) sprachlich
markiert. Die poetische Umsetzung ist in den Fällen recht unterschiedlich gestaltet. Während
Clemens schon vor seiner grammatischen Inthronisation, d.h. in den ersten Sätzen des
Romans, lateinische Psalmen (Beati quorum tecta sunt peccata) zitiert, „latinisieren“ die
„römischen Herren“ durch imperative, vokative sowie exklamatorische Einschübe (credite!,
amice!, numquam!). 1494 Das lateinische Element ist in der Sprache des Abtes von Agonia Dei
(Deus dedit, Credemi!) eher spärlich vertreten, erweist sich aber im Kontrast zum
Hüttenmessingsch der Fischer ausreichend effektiv, den gehobenen Bildungsstand des Abtes
anzudeuten:
„›Wie sie reden‹, dachte der Abt. ›Höchst ordinär‹“ 1495 ,
und entschloss sich, die Bitte um die Taufe Grigorß’ von Fischer Wiglaf mehrmals
„gespitzten Mundes“ 1496 wiederholen zu lassen, damit dieser von den Mönchen nicht
verspottet würde. Nach seiner Taufe wuchs Grigorß im gemeinen Milieu der Fischerhütte
heran. „Er trug die gemeine Kleidung seiner Brüder, und als er drei war, fing er zu reden an
wie sie und ihre Eltern, sagte auch: »Wat schell da in sin?«. 1497 Nach seinem Übergang ins
Kloster aber wurde „seine Rede [...] rein wie seine Füße und Hände, und er konnte bald das
Messingsch der Hütte nicht mehr“. Wenn er es dennoch sprach, aus Höflichkeit z.B. beim
Besuch seiner vermeintlichen Eltern, so standen ihm die Worte „unnatürlich“ und „falsch“
und den Hüttenbewohnern war, „als wollte er sie verhöhnen“. 1498 „Der Zweikampf“ zwischen
den Milchbrüdern Flann und Grigorß ist damit als Resultat dieser mit der Zeit entstandenen
sozialer Ungleichheit zu werten, die Flann vor allem in der Sprache manifestiert sieht:
1491
Wilhelm, S. 126.
DE, S. 11.
1493
DüD III, S. 406.
1494
DüD III, S. 418: „Mein römischen Herren latinisieren ja auch hie und da in ihrer Ausdruckweise.“
1495
DE, S. 74.
1496
DE, S. 79.
1497
DE, S. 86.
1498
DE, S. 87.
1492
217
»Tu nich bosten und swaggern vor mir [...] mit deinem gelehrten Schnack [...]!
Absichtlich willst du mich demütigen mit deinem Gebabbel [...], um mich fühlen zu
lassen, wieviel klüger und feiner du bist als ich. « 1499
Grigorß’ geistige Überlegenheit war also unüberhörbar, wer aber der physisch Stärkere sei,
war bislang strittig geblieben, sodass Flann in der Hoffnung, zumindest hier der Erste zu sein,
verlangte, „daß es ausgetragen sein muß zwischen uns“ 1500 .
So wie im 20. Jahrhundert ein allgemeiner Rückgang der niederdeutschen Sprache auf die
ältere Generation und auf den ländlichen Bereich zu verzeichnen war, ist auch das
„Waterkantenplatt“ 1501 , das sich im Roman größtenteils auf die wörtliche Rede der Fischer
Wiglaf und Ethelwulf beschränkt, als Ausdruck eines sprachlichen Relikts zu werten. So kann
über die Sprache en gros die Abgeschiedenheit der Insel, en détail die einsame Zweisamkeit
der gemeinsamen Tätigkeit auf offenem Meer realisiert werden. Des Weiteren dient das
„Waterkantenplatt“ Thomas Mann zur Konstruktion „stark asymmetrischer sozialer
Kommunikationssituationen“ 1502 , d.h. es kommt dort zur Anwendung, wo ein starkes soziales
Gefälle zwischen den Gesprächspartnern angedeutet werden soll. Vereinfacht gesagt wird hier
das Klischee des ungebildeten (Dialekt sprechenden) Bauern bedient, in dem niedriger
Bildungsstand und ländliche Abgeschiedenheit einander bedingen. Damit kann Koopmanns
These von einer insgesamt unauthentischen Sprachgestaltung des Romans nach wie vor
zugestimmt werden, wenngleich festgestellt werden muss, dass die Erzählung über weite
Strecken offenbar einer idiomatischen Logik folgt, die sich an den klischeehaften
Sprachvorstellungen potentieller Leser orientiert und durch diesen Brückenschlag im
Einzelfall schon auf sozialhistorische Muster rekurriert.
Aber so wie die Erzählinstanz oder die Namengebung eine ironische Brechung erfahren
haben, bricht der Dichter auch die idiomatische Logik der Fiktion an einer Stelle nachhaltig:
Wiglaf, Ethelwulf, Flann und seine Brüder, sie alle sprechen das gemeine Idiom der Hütte, nur
Mahaute nicht – warum? Flann hat den Kampf gegen seinen Milchbruder verloren und eilt
kampfeswund zu seiner Mutter. Gregorius folgt ihm schuldbewusst. Die aufgebrachte
Mahaute kann nicht mehr an sich halten, als sie ihren blutenden Sohn sieht:
»Ich soll nicht lamenten?! Die rote Baumwoll, die Wasserkompreß! Das sicher,
das hier, das gleich! Doch nicht lamenten? Deine leibliche Mutter soll nicht
lamenten und fragen nicht, wer dich schimpfiert hat, verunstalt fürs Leben? O Tag!
Solch ein Tag, solch ein Tag. Zu wahr! Wer hat es getan? Wer ist der Mörder?« 1503
Als Flann seinen vermeintlichen Bruder Gregorius als Verursacher seines erbarmungswürdigen Zustandes preisgibt, fallen bei Mahaute alle Schranken und sie verhilft dem
Stiefsohn so ungewollt zur „Entdeckung“ seiner wahren Herkunft:
»Ha, ha, ha, ha!! Mein Sohn, dein Bruder? [...] der ist dein Bruder so wenig wie das
Schwein im Koben, [...] hergelaufener, hergeschwommener Landstreicher,
Meerstreicher, verfluchter Knochenbrecher, Henker und Schänder! Ist das der
Dank?« 1504
1499
DE, S. 96f.
DE, S. 97.
1501
DüD III, S. 395.
1502
Polenz, Peter von: Gelehrter Schnack. Sprachpragmatische Interpretation eines Dialogs in Thomas Manns
„Der Erwählte“, in: John Askedal (Hrsg.): Festschrift für Laurits Saltveit, Oslo 1983, S. 166.
1503
DE, S. 102.
1504
DE, S. 103.
1500
218
An dieser Stelle muss mit Wilhelm festgestellt werden, dass das Messingsch der Hütte „den
Fischern schwerfällig und ungelenk von der Zunge“ geht. 1505 Diesem Gedanken folgend wäre
in der vorliegenden Situation allenfalls ein schwerfälliges und sprachlich ungelenkes
„De Jung schell mi nach Hus henkomen, dat ik hem wat mit min Riemen
overtrekken kann!“
zu erwarten gewesen, mehr nicht. Dieser darin zum Ausdruck kommende „schwerfällige“
Erregungszustand hätte allerdings kaum ausgereicht, um Flanns Mutter das über Jahre
gehütete Geheimnis von Grigorß’ Findlingschaft hervorspeien zu lassen. Aus diesem Grunde
wird hier der gemeinen Sprache der Fischer ein stilistisch hochtrabenderes, hysterischkopfloses Gezeter vorgezogen, worin deutlich wird, dass sich Thomas Mann in der
Sprachgestaltung des Romans nicht nur an den klischeehaften Sprachvorstellungen seiner
Leser, sondern im Einzelfall auch an der Pragmatik der fiktiven Kommunikationssituation
orientiert.
7.4 Fazit
Die Sprache als europäisierendes Politikum gegen eine deutsche Schuld? – Dazu lässt sich
abschließend sagen, dass der „Doktor Faustus“ in der Erkenntnis einer deutschen
Weltbedürftigkeit 1506 zwar das politische Potenzial besaß, eine Auflösung des schuldig
gewordenen Deutschlands ins Europäische zu leisten. Die sprachpoetische Umsetzung dieser
Erkenntnis aber gelingt Thomas Mann angesichts der zu deutschen Thematik des Buches nur
in Maßen, sodass die dominierende altdeutsche Sprache nur indirekt, nämlich allenfalls im
Verbund mit der (internationalen) Musik, daran teilhaben kann.
Die Sprache des „Erwählten“ hingegen hat zwar in ihrer Vielfalt das Potenzial zur
Europäisierung, doch kann sie angesichts der deutlichen Zäsur 1507 in der politischen
Motivation des Autors nur schwer als gezieltes Politikum gedeutet werden. Lediglich über das
Motiv der Gnade, um die Thomas Manns Denken1508 in der Tat schon längere Zeit kreiste und
um die es ihm im „Erwählten“ bei allen Späßen so ernst 1509 ist, kann eine schmale Brücke zur
Wimmer’schen Eingangsthese geschlagen werden: Gnade ist, „was wir alle brauchen [...] in
dieser gefährlichen Zeit“ – nicht nur Deutschland, sondern Europa und die ganze Welt. 1510
Dabei könnte der Gedanke an Deutschland zumindest „unbewusst“ und „unterschwellig“, wie
Thomas Mann sagt, mit „im Spiele“ 1511 gewesen sein.
Nach Ablösung des Romans vom politischen Hintergrund muss die Wimmer’sche Intention
der „Europäisierung“ in eine unpolitische ‚Entörtlichung’ umdeklariert werden, die
zusammen mit der Entzeitlichung das Mann’sche Mittelalter in poetisch-unhistorischer
Schwebe hält. Auf funktioneller Ebene des Romans lässt sich die Sprache als Eckpfeiler der
1505
Wilhelm, S. 130.
DüD III, S. 39; vgl. DrF, Kap. 37.
1507
Kurzke, S. 704: „Befriedigt vom Siege der Alliierten, aber enttäuscht vom weiteren Verlauf der
Geschichte [...] zieht sich Thomas Mann nach Kriegsende fast völlig aus der Politik zurück.“
1508
DüD III, S. 426.
1509
DüD III, S. 386: „ ... aber mit der Idee der Gnade ist es mir recht christlich ernst.“
1510
DüD III, S. 426.
1511
DüD III, S. 427f.
1506
219
funktionalen Trias ‚Sprache – Stoff – Erzähltechnik’ interpretieren, deren gemeinsamer
Nenner eben diese Ort- und Zeitlosigkeit ist. In multipler Verschränkung wird nach außen hin
die fiktionale Autonomie des Romans behauptet, nach innen hin geschlossen. Dabei ist der
Dichter bestrebt, seiner Fiktion zumindest den „Charakter der Authentizität“ zu verleihen und
seinem Leser bei aller Diversität des Erzählten die „wohlige Illusion atmosphärischer
Echtheit“ 1512 soweit wie möglich zu sichern, indem er, bei allem, was er fingiert, immer die
„Schein-Möglichkeit“ 1513 sucht. Dies gilt für die stoffliche Umsetzung („Erdmilch“, „Christus
als Lamm“) und mehr noch für die Sprache, die durch etymologische Brückenschläge
innerlich geschlossen und deren idiomatische wie wortbildnerische Vielfalt in einen
gleichmäßig archaisierten Stil gebettet wird. Die Sprache nimmt mit den Namen und einer
Vielzahl historischer Realien „«wahre» Wirklichkeit“ an, „um sich [...] nicht in bloßem
Schein zu verflüchtigen“ 1514 .
Durch die generell „kompetente Bewegung im Medium der Sprache ist eine Kunstgestalt
verwirklicht, die den Leser als Ganzes in Bann schlagen kann“ 1515 . Für jenen wird das vagemittelalterliche „Ganze“ von zwei antagonistischen Funktionen in der Schwebe gehalten: der
Entwirklichung, die die Fiktion von aller historischen Greifbarkeit löst, und den verbalen
(Clemens) wie nonverbalen Versicherungen (Sprachklischees, Dingreichtum etc.), dass es
zumindest so gewesen sein könnte. Diese „eigentümliche Mischung aus Leichtsinn
(Jahrhundert-Durcheinander) und Sorgsamkeit [...] gehörte [...] zur Konzeption dieses
speziellen opusculums“ 1516 . Damit ist Thomas Mann „im Konstruktiven zur Einfachheit“1517 ,
oder besser: zur Einheit gelangt. Er hat die Legende nach außen aufgehoben, nach innen
bewahrt. 1518
1512
Meyer, S. 233.
AN, S. 690.
1514
Wysling/Schmidlin, S. 11.
1515
Jeßling, S. 584.
1516
DüD III, S. 422.
1517
DüD III, S. 388.
1518
DüD III, S. 387.
1513
220
8. Kapitel: „Doktor Faustus“ als „Vorspiel“ 1519
Sprachliche Archaisierung durch Zitat und Wortbildung wie im „Erwählten“ ist keine
singuläre Erscheinung im dichterischen Schaffen Thomas Manns. „Das DeutschAltertümliche spielt in meinem ›Zbg‹ ja kaum eine Rolle, höchstens als »gestärkte
Halskrause«; eine desto größere im ›Faustus‹, zu dem ich bewußt alles Deutsche in mir
heraufgeholt habe“ 1520 , so der Dichter. Zwischen diesen beiden Werken liegen „Joseph und
seine Brüder“ (1926-42), die sich im „Schweben der Sprache“ 1521 mit dem „Doktor Faustus“
und dem „Erwählten“ verbinden, und, eingeschoben, die „Lotte in Weimar“ (1936-39). Hier
war der Dichter bemüht, die Atmosphäre der Goethezeit durch Zitat aus dessen Werken,
eingebettet in eine facettenreiche Stil-Parodie, sprachlich auferstehen zu lassen. Nach Herman
Meyer beginnt die Skala der von Thomas Manns gebrauchten Mittel „mit der leichten
Archaisierung im Orthografischen, Morphologischen und Idiomatischen“ und steigert sich bis
hin zum goethischen „Vollzitat“. Durch diese Bandbreite stilistischer Mittel sei gewährleistet,
dass das eigentliche Zitat harmonisch im gesamten Sprachmilieu des Romans funktioniere
und sich „eine wohlige Illusion atmosphärischer Echtheit“ 1522 einstelle, sodass laut Sigrid
Becker-Frank selbst der Kenner Mühe habe, zwischen Zitat und Pseudozitat zu unterscheiden. 1523
Dieser sprachliche Gipfel Mann’scher Goethe-imitatio ist chronologisch umspült von der
„Joseph“-Tetralogie, die in mythischer Wiederholung der Schöpfungsgeschichte „die
unermesslichen Zeitentiefen im Brunnen der Vergangenheit auslotet“ 1524 und gleichzeitig
historisch greifbare Bezüge aufhebt. Gerade mit Blick auf das letzte, erst nach „Lotte“
entstandene Werk „Joseph der Ernährer“ stellt Thomas Mann fest: „Sprachlich wie
mythologisch gehen [...] das Aegyptische, Jüdische, Griechische, ja Mittelalterliche bunt
durch einander. Mehr und mehr sehe ich in dem Ganzen ein Sprachwerk, zu welchem alle
möglichen Sphären herhalten und Material liefern müssen.“ 1525
Das Prinzip der sprachlichen Archaisierung durch Zitat und Wortbildung erfährt in dem kurz
darauf entstandenen Roman „Doktor Faustus“ (1943-47) noch eine bemerkenswerte
Steigerung. Die unbestreitbare Größe dieses Romanwerks liegt in seiner Vielschichtigkeit 1526
begründet. In der Unzahl der Deutungsmöglichkeiten, die die literaturwissenschaftliche
Forschung hervorgebracht hat, lassen sich drei Schwerpunkte isolieren: die Rezeption des
„Faust“-Stoffes, die wiederholt-verspätete 1527 Thematisierung der Kunst- und Künstlerproblematik, dargestellt am Paradigma der Musik, und letztlich die Interpretation des „Doktor
Faustus“ als historischer Roman 1528 . Kennzeichnend für den Aufbau des Romans ist, dass
1519
DüD III, S. 379: „seit dem »Faustus« alles nur Nachspiel“.
DüD III, S. 198.
1521
DüD III, S. 356.
1522
Meyer, S. 233f.
1523
Becker-Frank, Sigrid W.: Das Spätwerk Thomas Manns: Eine Untersuchung zur Integration des Zitats,
besonders im Doktor Faustus. Quickborn b. Hamburg 1963, S. 122.
1524
Heftrich, Eckhard: Joseph und seine Brüder, in: Handbuch, S. 463.
1525
DüD II, S. 191.
1526
Entst., S. 162: „Ein starkes Konvolut von Notizen, die Komplexität des Vorhabens bezeugend, hatte sich
angesammelt: [...] ein buntes Zubehör aus vielen Gebieten, dem sprachlichen, geographischen, politischgesellschaftlichen, theologischen, medizinischen, biologischen, historischen, musikalischen“.
1527
Entst., S. 157: „ ... aber ich erachtete [...] das Künstler-Bürger-Problem [...] für verjährt und überholt“.
1528
Vaget, Hans Rudolf: Kaisersaschern als geistige Lebensform. Zur Konzeption der deutschen Geschichte in
Thomas Manns „Doktor Faustus“, in: Wolfgang Paulsen (Hrsg.): Der deutsche Roman und seine historischen
und politischen Bedingungen. Bern, München 1977, S. 200-235; Wiegand, Helmut: Thomas Manns Roman
1520
221
verschiedene zeitliche Ebenen 1529 miteinander verwoben sind: Die Zeit, in der Thomas Mann
den Roman schreibt, die Zeit, in der sein Erzähler, Zeitblom, die Biographie seines Freundes
Adrian Leverkühn niederschreibt 1530 , die Zeit, in der sich das Leben Adrians und somit auch
das des Erzählers abspielt. 1531 In der Interpretation des Leverkühn’schen Lebensweges tritt
noch eine weitere, nicht ganz so leicht greifbare Zeitebene hinzu:
„So wenig es möglich war, das Absinken seiner Gesundheit mit dem vaterländischen Unglück in Verbindung zu bringen – meine Neigung, das eine mit dem
andern in objektivem Zusammenhang, symbolischer Parallele zu sehen, diese
Neigung, die eben nur durch die Tatsache der Gleichzeitigkeit mir eingegeben sein
mochte, war unbesieglich ...“ 1532
Diese immanente Poetik aus dem Munde des Erzählers Zeitblom korrespondiert mit einer
Äußerung Thomas Manns, dies sei der „Roman [s]einer Epoche, verkleidet in die Geschichte
eines hoch prekären und sündigen Künstlerlebens“ 1533 , womit Leverkühns Schicksal
„weitgehend zum Schicksal Deutschlands“ 1534 wird. In dessen Biographie findet sich also
gewissermaßen die deutsche Geistes- und Seelengeschichte seit der Lutherzeit summiert. Was
nicht von Adrian selbst formuliert oder dargestellt wird, das modellieren die ihn umgebenden
Figuren des Romans: Ein Vater Leverkühn, der wie in der Renaissance-Zeit die elementa
spekuliert, Hochschuldozenten wie Schleppfuß und Kumpf, die wie in der Luther-Zeit mit dem
Teufel „auf sehr vertrautem, wenn natürlich gespanntem Fuße“ 1535 stehen, ein Schwager
Schneidewein „mit stehengeblieben-altdeutschen Ausdrücken“ 1536 in einem Kaisersaschern,
das sich „atmosphärisch wie [...] im äußeren Bilde etwas stark Mittelalterliches bewahrt“1537
hat. „Mit einem Fuß“, so Thomas Mann, stehe seine Erzählung im 16. Jahrhundert und sei
somit auch „streckenweise sprachlich danach zu färben“. 1538
Auch wenn die archaisierte Sprache in der Konzeption des „Faustus“ nicht die gleiche
gewichtige Rolle wie im „Erwählten“ spielt, „Der Erwählte“ andersherum nicht als
historischer Roman bezeichnet werden kann, so besteht dennoch eine direkte sprachliche
Verbindung zwischen den Romanen:
„Zum Mittelhochdeutschen“, so der Dichter, sei er „eigentlich durch Nepomuk Schneidewein
im «Faustus» gekommen, der die sprachliche Perspektive des Buches durch sein
Schweizerisch hinter das Barock- und Luther-Deutsch zurück ins Mittelalter vertieft.“ 1539
Gewissermaßen dichte er mit seinem Mittelalterroman „auf der altdeutschen Linie weiter
zurückgehend“ nur am „Faustus“ fort.1540 Hiernach war der „Doktor Faustus“ der erste Schritt
„Doktor Faustus“ als zeitgeschichtlicher Roman. Eine Studie über die historischen Dimensionen in Thomas
Manns Spätwerk. Frankfurt a.M. 1982; Bergsten, Gunilla: Thomas Manns Doktor Faustus. Untersuchung zu
den Quellen und zur Struktur des Romans. Tübingen 1974, widmet ihr 4. Kapitel (S. 173-210) der Interpretation
des „Doktor Faustus als historischer Roman“.
1529
Bergsten, S. 173f.
1530
Entst., S. 165.
1531
DrF, S. 335, 446.
1532
DrF, S. 454.
1533
XI, S. 169; ähnlich: Entst., S. 163: „ Parallelisierung verderblicher, in den Collaps mündender Euphorie mit
dem fascistischen Völkerrausch“.
1534
DüD III, S. 253.
1535
DrF, S. 130.
1536
DrF, S. 247.
1537
DrF, S. 51.
1538
Entst., S. 186.
1539
DüD III, S. 393; vgl. weiter S. 395, 408, 410.
1540
DüD III, S. 355.
222
in eine fernere sprachliche Vergangenheit, der „Erwählte“ war der zweite. Dies verleiht dem
„Erwählten“ einen Nachspielcharakter zum „Doktor Faustus“ und zugleich, sprachhistorisch
gesehen, den Charakter einer archaischen Steigerung. Um es mit den Worten Ruprecht
Wimmers auszudrücken: „Die Auseinandersetzung mit dem Archaischen und Altdeutschen
im Faustus hatte zum Ableger des Erwählten geführt“ 1541 .
Eben diese Auseinandersetzung sei im Folgenden nachvollzogen, um den poetischen
Stellenwert sprachlicher Archaisierung durch Zitat und Wortbildung im Koordinatensystem
des Mann’schen Spätwerks verorten zu können.
8.1 Sprachliche Archaisierung im „Doktor Faustus“
Der Leser des Romans stellt sehr bald fest, dass Thomas Mann seinen Text nicht in toto,
sondern nur, wie er sagt, „streckenweise“ 1542 archaisch eingefärbt hat. Vorab kann mit Paul
Altenberg festgehalten werden, dass immer „da, wo Adrian Faust ganz nahe ist, [...] das
Thema selbst aus ihm, in der ur- und Heimatsprache“ 1543 spricht, mutmaßlich realisiert durch
Zitate aus der Rezeptionsvorlage. Genau genommen handelt es sich um zwei Vorlagen, die
eng miteinander verbunden sind: Johann Scheibles literaturhistorisch geprägtes Werk „Die
Sage vom Faust“ und das „Volksbuch vom Doctor Faust“, über das Scheible u.a. handelt.
Letztgenanntes ist zwar nicht im Nachlass Thomas Manns vorhanden und es könnte
eingewendet werden, Thomas Mann habe es auch nie besessen und stattdessen die
unverkennbaren Volksbuch-Zitate (o homo, fuge!) aus seinem Scheible-Exemplar
abgeschrieben, doch hat der Dichter in seiner „Entstehung“ expressis verbis die „leihweise
Überlassung des Volksbuches von Faust“ 1544 bezeugt, was Lieselotte Voss 1545 nach
Untersuchung und Ermittlung der konkreten Ausgabe belegen konnte. Altenbergs These kann
mit Blick auf die Kapitel 15, 16, 25 und 47 des Romans, wo sprachliche Archaisierung und
stoffliche „Faustus“-Nähe Hand in Hand gehen, zunächst bestätigt werden. Doch muss diese
Vorannahme angesichts weiterer archaischer Quellen 1546 und weiterer sprachlich archaisierter
Kapitel 1547 , die offenbar nicht direkt auf das Volksbuch zurückzuführen sind, zurückgestellt,
die entsprechenden Kapitel des „Doktor Faustus“ einer näheren Betrachtung unterzogen
werden.
Graham Orton 1548 verweist über die genannten Kapitel hinaus auf das dem Hallenser
Theologie-Professor Ehrenfried Kumpf gewidmete 12. Kapitel, mit dem Thomas Manns „die
sprachlich-altdeutsche Sphäre des Romans [...] eröffnet“ 1549 . An einem Schauplatz deutscher
1541
Wimmer 1991, S. 295.
Entst., S. 186.
1543
Altenberg, Paul: Die Romane Thomas Manns. Versuch einer Deutung. Bad Homburg 1961, S. 268.
1544
Entst., S. 155.
1545
Voss, S. 24f.
1546
In der „Entstehung” werden als weitere Sprachquellen z.B. „Luthers Briefe“ (S. 27f.), der „Hexenhammer“
(S. 28), „Grimmelshausens Simplicissimus“ (S. 71) genannt. Vgl. weiter Wimmer, Ruprecht: Der Herr Facis et
(non) Dicis. Thomas Manns Übernahmen aus Grimmelshausen, in: Thomas-Mann-Jahrbuch 3 (1990), S. 14-49.
1547
DrF, Kap. 12, 13, 44.
1548
Orton, Graham: The archaic Language in Thomas Mann’s ‚Doktor Faustus’, in: The Modern Language
Review 45 (1950), S. 70: “In chapters XII, XV, XVI, XXV and XLVII of Doktor Faustus Thomas Mann writes
sporadically in an archaic German which he refers to as a ‘pittoresk-altertümlicher Sprachstil’ (p. 151) and as
‘Reformationsdeutsch’ (p. 225).”
1549
Entst., S. 191.
1542
223
Altertümlichkeit (gotisch geprägtes Stadtbild von „großer Alterswürde“, Dürers
„Melencolia“ 1550 an der Wand) 1551 erschafft Thomas Mann eine Luther-Parodie in Sprache
und Handlung. Auf »gut altdeutsch, ohn’ alle Bemäntelung und Gleisnerei«, fragt ein Kumpf
seine Studenten, „warum man die Hölle symbolischer nehmen sollte als den Himmel“. 1552 Er
steht, so scheint es, „mit dem Teufel auf sehr vertrautem, wenn natürlich gespanntem
Fuße“ 1553 . Spätestens wenn Kumpf unter einem donnernden Apage! eine Semmel statt eines
Tintenfasses 1554 nach dem vermeintlich in der Ecke stehenden Widersacher wirft, ist die
Luther-Parodie perfekt. Und gleichzeitig hat der Teufel Einzug in die Romanwelt
gehalten. 1555
Im 13. Kapitel erhält Professor Kumpf einen theologischen Gegenspieler: Eberhard
Schleppfuß, seines Zeichens Privatdozent und eine Art „Religionspsychologe“, wie der
Erzähler mutmaßt. Wenn voran Beschriebener mit dem Teufel (nur) „auf vertrautem aber
gespanntem Fuße“ steht, so ist Schleppfuß „der personifizierte Abfall von Gott“, der „das
Verruchte“ als ein „notwendiges Korrelat des Heiligen“ propagiert 1556 und die Inquisition als
eine von Humanität beseelte Einrichtung darstellt. Während Kumpf „unverkennbar Luthers
Tischreden nachahmt[]“ 1557 , lässt Schleppfuß in seinen Ausführungen zur Dämonologie
deutlich einige Töne aus seinem „Flagellum Haereticorum fascinariorum“ 1558 , dem
„Hexenhammer“, anklingen. Der abschließende Kommentar Zeitbloms kann für beide Kapitel
gelten: Teufel, Dämonen, Verhexung, Magie, das alles werde unter dem atmosphärischen
Vorzeichen der Sprache „dem Bereich des sogenannten Aberglaubens entrissen“ 1559 und zur
„psychologischen Wirklichkeit“ 1560 des Romans.
Gleichzeitig aber hat das Zitat hier auch unübersehbar charakterisierende Funktion. Auch
Adrians Brief (15. Kapitel) an seinen ehemaligen musikalischen Mentor Wendell Kretzschmar
ist von „leicht altertümlich gestalteter, etwas schnörkelhafter Handschrift“ 1561 , gespickt mit
„barocken Redewendungen“ und „obgleich er den Adressaten in der Regel mit Sie anredete,
verfiel er zuweilen in die altertümliche Ihr-Form“. 1562 In diesem Brief ist der Keim gelegt für
die weitere Entwicklung Adrians, der sich in zweifelnden Gedanken ergeht, das Studium der
Theologie zu beenden und sich der Musik, seiner großen Leidenschaft von jeher,
zuzuwenden. Die Theologie habe er bislang nur studiert, um seine innere Kälte direkter
klerikaler Observanz zu unterstellen, und ein „geheimer Schrecken“ habe ihn bislang davon
abgehalten, sie entgegen allen Neigungen aufzugeben. 1563 Die Dimension der anstehenden
Entscheidung gewinnt noch zusätzlich an Raum, als Adrian den möglichen Abbruch des
1550
Zur Deutung vgl. Jung, Jürgen: Altes und Neues zu Thomas Manns Roman Doktor Faustus. Quellen und
Modelle: Mythos, Psychologie, Musik, Theo-Dämonologie, Faschismus (=Europäische Hochschulschriften,
Reihe I: Deutsche Sprache und Literatur, Bd. 821). Frankfurt a.M. 1985, S. 270ff.
1551
DrF, S. 125.
1552
DrF, S. 131.
1553
DrF, S. 130.
1554
Zur Deutung vgl. Jung, S. 175ff.
1555
DrF, S. 132.
1556
DrF, S. 134. Das Böse als Gegensatz des Guten trägt somit zur Vollkommenheit der Welt bei. Schöpfungsontologisch musste „der Böse selbst [als] ein notwendiger Ausfluß und unvermeidliches Zubehör der heiligen
Existenz Gottes“ (S. 135) gesehen werden, so seine Argumentation.
1557
DrF, S. 132.
1558
DrF, S. 138.
1559
DrF, S. 148.
1560
DrF, S. 134.
1561
DrF, S. 172.
1562
DrF, S. 174.
1563
DrF, S. 175.
224
Studiengangs Theologie gleichsam als einen persönlichen Abfall von Gott interpretiert.1564
Oh homo fuge! 1565 , so warnt ihn seine innere Stimme und rückt ihn so unverkennbar in die
Faust-Nachfolge, wie zuvor das Kumpf’sche Apage an den großen Reformator gemahnte. Laut
Becker-Frank 1566 sollen die altdeutschen Anklänge generell auf die Zeit der Glaubenskämpfe
rückverweisen. Speziell für dieses Kapitel ist zudem festzuhalten, dass Adrians Sprache
sowohl faustisch als auch unverkennbar lutherisch 1567 akzentuiert ist, sodass in ihr gleichsam
der innere Glaubenskampf Adrians seinen Ausdruck findet.
Da Thomas Mann den Werdegang des Volksbuch-Faust mehr oder minder vollständig
nachzugestalten intendierte, hat er die vor dem Pakt stattgefundenen Berührungen mit dem
Bösen in zwei „altertümlich gestalteten“ 1568 Briefen Adrians umgesetzt – in dem an seinen
Lehrer Wendell Kretzschmar und in einem zweiten an den Erzähler Zeitblom (16. Kapitel). 1569
Dieser interpretiert die „altertümliche Ausdruckweise“ des an ihn gerichteten Briefes zunächst
als „Anspielung auf skurrile Hallenser Erfahrungen, das sprachliche Gebahren Ehrenfried
Kumpfs“, zugleich auch als „Persönlichkeitsausdruck und Selbststilisierung, Kundgebung
eigener innerer Form und Neigung“. 1570 Der Brief erzählt eine Facetie und Büffelposse 1571 ,
die sich kurz nach Ankunft Adrians in Leipzig zugetragen hat: Ein Fremdenführer, „teuflisch
redend“ und „entfernt unserem Schleppfuß ähnlich“ 1572 führt ihn, nachdem er nach einem
Speiselokal verlangt hat, in ein Bordell und verschwindet. Adrian, leicht irritiert, geht zum
Klavier, schlägt im Stehen zwei, drei Akkorde an und verlässt eiligst die „Lusthölle“ wieder.
Nichts ist passiert und dennoch spürt Adrian Bedrohtheit seiner Seele, die er in Lutherzitaten
(Amen hiemit und betet für mich!) 1573 zum Ausdruck bringt. In diesem Kapitel wird lediglich
vorausgedeutet, dass etwas „zwischen [ihm] und dem Satan vorgeht“ 1574 , bevor es im 19.
Kapitel über die willentliche Ansteckung mit Syphilis bei einer der Huren zur physischen
Unterzeichnung des Teufelpaktes kommt.
Dem Brief folgt eine Analyse Zeitbloms (17. Kapitel), dem Thomas Mann geschickt seine
Intention der sprachlichen Archaisierung in den Mund legt: „Sehr merkwürdig war“, so
Zeitblom, „daß die Stilgebung, die Travestie oder persönliche Adaption des Kumpf’schen
Altdeutsch nur vorhält, bis jenes Abenteuer erzählt ist, danach achtlos fallengelassen wird, so
daß die Schlußseiten ganz davon entfärbt sind und eine rein moderne sprachliche Haltung
zeigen. Ist es nicht, als hätte der archaisierende Ton seinen Zweck erfüllt, sobald die
Geschichte der Fehlführung auf dem Papier steht, und danach aufgegeben wird, [...], nur
eingeführt war, um die Geschichte darin erzählen zu können, die dadurch die ihr angemessene
Atmosphäre erhält? [...] Es ist die religiöse Atmosphäre. Dies war mir klar: wegen seiner
1564
DrF, S. 176.
DrF, S. 177, Quelle: Scheible Bd. 5, S. 136 (markiert), aber auch im Volksbuch, S. 20, nachweisbar;
übernommen in Not. DrF, Bl. 15/21. Im Volksbuch erscheinen diese Worte als blutige Inschrift auf Fausts Arm,
als der Blutbund mit dem Teufel unterschieben werden soll.
1566
Becker-Frank, S. 49.
1567
DrF, S. 176 „mein Luthertum“.
1568
DrF, S. 172.
1569
Jung, S. 53.
1570
DrF, S. 185f.
1571
DrF, S. 186; Facetie, Quelle: Schwänke, S. I (markiert), ist aber auch bei Waetzoldt, S. 104, nachweisbar,
übernommen in Not. DrF, Bl. 140/146; Büffelposse, Quelle: Simplicissimus, S. 161, übernommen in Not. DrF,
Bl. 138/146.
1572
DrF, S. 189.
1573
DrF, S. 189, ähnlich S. 191: „Hiemit dem lieben Gotte befohlen“. Diese Formel geht zurück auf hie mit
gott befohlen, Quelle: Luthers Briefe Bd. 2, S. 166 (markiert).
1574
DrF, S. 189 .
1565
225
historischen Affinität zum Religiösen war das Reformationsdeutsch für einen Brief gewählt
worden, der mir diese Geschichte bringen sollte.“ 1575
Hier findet sich aus der Feder Zeitbloms das angedeutet, was für die sprachliche
Archaisierung im Konzept des Romanganzen gelten kann: Eine Geschichte will erzählt
werden, oder genauer: Thomas Mann will eine Geschichte erzählen. Es ist die Geschichte
eines Künstlers des 20. Jahrhunderts, der seinem verzweifelten Streben nach exzeptionellen
Einfällen nachgibt und einen Pakt mit dem Teufel(!) schließt. Dem modernen Leser dieser
weitgehend realistischen Fiktion einen – aus der Sicht des 20. Jahrhunderts – exorbitant
unmodernen Stoff als annehmbar und glaubhaft anzutragen, war eine gewaltige integrative
Aufgabe, nämlich die der „Säkularisierung des Teufels“ 1576 . „Wie hätte ohne das Spiel mit
ihm [dem Reformationsdeutsch] das Wort hingeschrieben werden können, das hingeschrieben
sein wollte: »Betet für mich!«?“ 1577 Durch die archaische Sprache wird eine Brücke
geschlagen, ein Raum eröffnet, der, „im halb spaßhaften Geruch des Hexentums stehend“ 1578 ,
die leibhaftige Teufelsverschreibung in sich aufnimmt und so die Fiktion stimmig hält.
Gleichzeitig tritt mit dem „Reformationsdeutsch“, wie Zeitblom es nennt, die geschichtsphilosophische Ansicht Thomas Manns an die Romanoberfläche, dass Luthers Reformation
den für Deutschlands Entwicklung so „schicksalhaften Krankheitskeim“ in sich barg. 1579
Demnach ist die Geschichte der Fehlführung, die erzählt werden will, die der leiblichen
Intoxikation Adrians und zugleich die der „fascistischen Intoxikation“ 1580 Deutschlands.
Dem Bruder Clemens im „Erwählten“ ähnlich, der um die Unglaubwürdigkeit der Existenz
seiner zu erzählenden Erdmilchquelle weiß, steht auch Zeitblom vor der Aufgabe, etwas zu
berichten, was er selbst kaum glauben kann. Es handelt sich um geheime Aufzeichnungen
seines Freundes Adrian, in „altertümlich schnörkelhaften, tiefschwarzen Rundschriftfederzügen“ 1581 gehalten, die vom leibhaftigen Besuch des Teufels berichten. Die drei
Gespräche des Volksbuch-Faust mit dem Teufel und die elf Disputationen nach Abschluss des
Paktes sind bei Thomas Mann in einem großen Dialog verschachtelt, der sich laut Thomas
Mann 1582 an Iwan Karamasovs Teufelsvision orientiert.
Weistu was so schweig. – Adrian eröffnet seinen Geheimbericht mit einem Volksbuch-Zitat,
unter dessen Vorzeichen das gesamte Kapitel steht. Adrian sitzt in seinem Studierzimmer,
liest ein Buch, blickt nach kaltem Luftzug auf und nimmt ein geschmacklos gekleidetes
Gegenüber wahr, das ihn darauf frech in der Duzform anspricht. Adrian ist empört über
dessen unbefugtes Eindringen und verlangt, derjenige möge sich sofort zu erkennen geben,
was denn auch geschieht: Er sei der Teufel, erst durch die Blume gesprochen, dann ganz
unverhohlen. Lange Zeit versucht der Empörte die Existenz seines Gegenübers mit Verweis
auf seine eigene, möglicherweise fieberbedingte Wahrnehmungsstörung zu widerlegen, zumal
der Teufel ausschließlich Dinge zum Besten gibt, die nur er, Adrian, wissen kann. Adrian ist
über die erste Hälfte des Gesprächs stark abgeneigt, was sich erst ändert, als der Teufel seine
äußere Gestalt zu der eines Gelehrten wandelt und sich das Gespräch dem Musiktheoretischen
zuwendet. Erst jetzt ist Adrian zu einem wirklichen Gedankenaustausch bereit:
1575
DrF, S. 194.
Entst., S. 250.
1577
DrF, S. 194.
1578
DüD III, S. 40.
1579
Bergsten, 186; vgl. weiter Thomas Manns Rede „Deutschland und die Deutschen“ (DüD III, S. 38-46).
1580
DüD III, S. 223.
1581
DrF, S. 295.
1582
Entst., S. 195.
1576
226
Er kann dem Teufel nicht widersprechen, der die Möglichkeiten musikalischer Neuschöpfungen nicht mehr gegeben sieht. Der Teufel schlägt Adrian ein Geschäft vor: 24 Jahre
höchster musikalischer Inspiration, Ruhm, dass noch Generationen von Adrians Werken
zehren könnten und als Gegenleistung Adrians Seele und dass er nicht lieben dürfe. Es kommt
im Rahmen dieses Gesprächs zu keinem handfesten Vertragsabschluss, muss es aber auch
nicht. Seit Adrian sich wissentlich mit Syphilis infiziert hat, habe er sich mit seinem Blut dem
Teufel verschrieben. Sein jetziger Besuch habe lediglich der Konfirmation gedient, so der
Teufel und entschwindet.
Das 25. Kapitel ist eine Art Brennpunkt, in dem frühere Zitate wie Strahlenbündel
aufgefangen werden, und ist zugleich ein Ausgangspunkt, der auf das Kommende verweist.
Adrians Sprache lehnt sich unübersehbar stark ans Volksbuch, ebenso an Luthers
Reformationsdeutsch an. Aber nicht nur Adrian, sondern auch der Teufel „äfft den Kumpf
nach“ 1583 , beide „reden auf gut Kumpfisch, in altdeutschen Brocken“ 1584 . Ein Nachlassen der
sprachlichen Archaisierung ( beßre 1585 Æ bessere 1586 ; Speluncke 1587 Æ Spelunke 1588 ) ist erst
in denjenigen Sequenzen festzustellen, wo sich das Gespräch der Qualität eines
Fachgesprächs (Musik, Medizin, Krise der Kunst) zuneigt. Hier bestätigt sich im Kleinen die
These der punktuell-atmosphärischen Einfärbung zur „Säkularisierung des Teufels“. „Sprich
nur deutsch!“, fordert der Teufel. „Nur fein altdeutsch mit der Sprache heraus, ohn
Bemäntelung und Gleisnerei. Ich versteh es. Ist gerad recht meine Lieblingssprache.
Manchmal versteh ich überhaupt nur deutsch.“ 1589 „Der Teufelspakt ist eine tief-altdeutsche
Versuchung“ 1590 , so Thomas Mann, wie die sprachliche Gestaltung dieses Kapitels bezeugt.
Die letzte Figur, die nach Kumpf, Schleppfuß, Leverkühn und dem Teufel „gravitätische alte
Worte“ 1591 spricht, ist Adrians fünfjähriger Neffe Nepomuk Schneidewein 1592 (Kap. 44), der
aus der Kurzform „›Nepo‹ [...] in wunderlicher Verfehlung der Mitlaute“ 1593 seinen Namen
Echo gebildet hat. Mit Blick auf die Rezeptionsvorlage ist seine Figur die moderne
Entsprechung von Fausts Sohn, gleichzeitig mythische Wiederholung Adrians, der sich in die
streckenweise mittelhochdeutsch gefärbten Gebete 1594 seines „Sohnes“ –
„Merkt, swer für den andern bitt’,
Sich selber löset er damit.
Echo bitt’ für die ganze Welt
Daß Got auch ihn in Armen hält.
Amen.“ –
mit einbezogen fühlt und in ihnen ein Echo auf seine einsame Weheklag findet. 1595 Der
Elfenhafte, vom Himmel Gefallene 1596 , der „für uns alle“ bittet, wie Adrian hoffnungsvoll
1583
DrF, S. 300.
DrF, S. 301.
1585
DrF, S. 315.
1586
DrF, S. 326.
1587
Spelunck, DrF, S. 129, 302, 310, Quelle: Volksbuch, S. 28, übernommen in Not. DrF, Bl. 57/63, -/171.
1588
DrF, S. 326.
1589
DrF, S. 298.
1590
DüD III, S. 54.
1591
DrF, S. 620.
1592
Entst., S. 161: „Bewegt, wie immer, von Fridos (des älteren) schönen Augen. Ging vor Tische mit ihm
spazieren. [...] Wenn etwas vorüber ist, sagt er ’habt’. Dies für Nepomuk Schneidewein“.
1593
DrF, S. 611.
1594
DrF, S. 626.
1595
Becker-Frank, S. 81.
1584
227
betont, und dem so unweigerlich die Rolle eines Erlösers 1597 zufällt, bedient sich zudem des
schweizerdeutschen 1598 Elements, worin sein Unschuldscharakter auch auf territorialpolitischer 1599 Ebene noch eine symbolische Verstärkung erfährt. Thomas Manns Sprachgestaltung dieser Figur ist aber weitaus komplexer, als dass sie sich in einem Nebeneinander
von Schweizer- und Mittelhochdeutsch erschöpfte, sodass ein wenig weiter ausgeholt muss:
Die Kunst der poetischen Integration eines Zitats besteht nach Meyer generell darin, aus
heterogenem Material eine neue Einheit namens ‚Roman’ zu schaffen. Nun sei das Zitat ein
„gemünztes Sprachstück“, so Meyer weiter, das seinen spezifischen Charakter, aufgrund
dessen es vom Autor ausgewählt wurde, verliert, wenn es „bis zur Unkenntlichkeit dem neuen
Sprachganzen eingeschmolzen wird“. 1600 Dies sieht Thomas Mann allerdings kaum als
Problem an, wenn er sagt, dass alles, „worauf es [...] ankommt“, die „Funktionsfähigkeit im
geistigen Getriebe des Werkes“ 1601 sei. Und eben darauf, auf eine gewisse „Unkenntlichkeit“,
kommt es Thomas Mann bei seiner Umdichtung der ursprünglich rein mittelhochdeutschen
Verse aus „Freidanks Bescheidenheit“ an. Das Mittelhochdeutsche wird, wie sich über die
Quelle und die Notizen verfolgen lässt, durch „Wortbildung“ 1602 an das Neuhochdeutsche
angenähert,
Quelle 1603
Not. DrF, Bl. -/197
DrF, S. 525/26
mensche
gebote
befelhen
wirt
thů
rhů
grôz
sî
iemens
missetât
dannoch
mêr
genâden
Mensche
Gebote
Mensche
Gebote
befehlen
wird
tu
Ruh
groß
si
jemands
Missetat
dennoch
mehr
Genaden
grôz
sî
iemens
missetât
dannoch
mêr
genâden
1596
DrF, S. 611: „Elfenprinzchen“; S. 615: „vom Himmel gefallen“; S. 615: „bei Nepomuk niederzuknien“; S.
619: „Gefühl von Herabgestiegensein“.
1597
Jung, S. 327.
1598
DrF, S. 612: „viel Dialekthaftes“, wie z.B.: Hüsli, öppis Feins, es blitzli.
1599
Enst. S. 78: „Die Schweiz ist das Land, wo auf deutsch das wohltuend Undeutsche gesagte wird. Darum
liebe ich sie.“; DüD III, S. 39: „Die Schweiz, neutral, mehrsprachig, französisch beeinflußt, von westlicher Luft
durchweht“.
1600
Meyer, Herman: Das Zitat in der Erzählkunst. Zur Geschichte und Poetik des europäischen Romans.
Frankfurt a.M. 1988, S. 12.
1601
Entst., S. 175.
1602
DüD III, S. 419; unscharf definierter Begriff Thomas Manns, der jede Form orthografischer, morphologischer sowie semantischer Veränderung eines Wortes umfassen konnte und auch hier so verstanden werden
muss; vgl. weiter Kap. 4.3.4.
1603
In der seiner „Entstehung“, S. 186ff., nennt Thomas Mann Samuel Singers „Sprichwörter der Mittelalters“
als die Sprachphantasie nährende Quelle für den „Faustus“. Aus dem zweiten Band nutzte er vor allem die
„Sprüche aus Freidanks Bescheidenheit (13. Jahrhundert), die [er] meist durch Umdichtung [...] als Gebete
adaptierte“. Für die Verse drei und vier der ersten Strophe zog er zudem Valentin Schumanns „Nachbüchlein“
heran, das er in Bobertags „Schwänken des 16. Jahrhunderts“ fand; vgl. weiter Voss, S. 122-127.
228
hât
sünde
nieman
lâzen
sol
ern
tuo
eteswenne
niemens
guottât
wirt
verlorn
wan
zer
helle
wirt
geborn
sunne
schînt
tiuvel
bite
selben
loeset
dâ mite
hât
Sünde
nieman
lâzen
sol
ern
tuo
eteswenne
niemens
guottât
wirt
verlorn
wan
zer
Helle
wirt
geborn
sunne
schînt
tîuvel
bite
selben
loeset
dâmite
hat
Sünde
niemand
lassen
soll
er
tu
etwelches
niemandes
Guttat
wird
verloren
er sei
zur
Höllen
denn
geboren
Sonne
schint
Tüfel
bitt
selber
löset
damit
sodass gemischt mit mittelhochdeutsch belassenen Elementen (swelch, Got etc.) eine
„altertümelnde, ans Alemannische erinnernde Mundart“ 1604 entsteht, die sich, vielleicht
vergleichbar mit dem halbenglischen Platt der Fischer von St. Dunstan, in dieser sonderbaren
Mischung realiter wohl nie und nirgends präsentiert haben dürfte.
Auch Adrian wundert sich über das sprachliche Gebaren seines Neffen und nimmt den
fragenden Leser mit hinein, wenn er seinem Freund Zeitblom anvertraut: „Denke dir, er
spricht von erkickendem Rein! [...] Ist das nicht seltsam?“1605 Zeitblom kann seinen Freund
zwar darüber aufklären, „daß in unserem Mitteldeutsch »Rein« oder »Reigen« Jahrhunderte
lang, bis ins fünfzehnte, das Wort für »Regen« gewesen sei, und daß übrigens »erkicken«
oder »erkücken« im Mittelhochdeutschen neben »erquicken« gestanden habe“, doch bleibt
auch durch derartige etymologische Exkurse die Grundfrage, woher er dies habe 1606 ,
unberührt, was dem Kleinen unweigerlich zu einem „leicht schwebenden Dasein“ 1607 verhilft.
Mit Becker-Frank 1608 sind darüber hinaus luthersprachliche (Schneidewein) 1609 und barocke
1604
Milch, Werner: Thomas Manns „Doktor Faustus“, in: Die Sammlung 3 (1948), 6, S. 358.
DrF, S. 622.
1606
DrF, S. 626.
1607
DrF, S. 619 .
1608
Becker-Frank, S. 79.
1609
Quelle: Luthers Briefe Bd. 2, S. 159, übernommen in Not. DrF, Bl. 61/67; Nur der Name Ursula
Schneidewein, nicht aber ihre historische Identität als die bei Martin Luther um Rat suchende Bürgerin „Ursula
Schneidewein in Stolberg“ wird von Thomas Mann übernommen und auf die Figur der Mutter von Adrian
Leverkühns Neffen Nepomuk übertragen.
1605
229
(wohl-lustbarlich) 1610 Elemente in Echos Redeanteilen festzustellen. Die Diskussion jedoch,
„warum gerade der als göttlich und unschuldig geschilderte Echo mitunter Worte des Mannes
im Munde führt, den der Dichter in seiner Faschismusanalyse zu jenen zählt, die für die
teuflisch-deutsche Barbarei“ 1611 zumindest als ferne Verursacher zu sehen sind, führt
eindeutig zu weit: Natürlich sind Zitate wie Oh homo fuge! oder Apage als identifizierende
Reminiszenzen an ihre Quelle zu lesen. Dass Thomas Mann jedoch bewusst alle Luther-Zitate
ausschließlich zur Erschaffung der lutherischen Sphäre, alle Faust-Zitate ausschließlich zur
Erschaffung der Faust-Sphäre genutzt hätte, kann durch Blick in seine Notizen widerlegt
werden, wo das Inhaltsverzeichnis 1612 in Orientierung an den Hauptquellen diese Trennung
zwar suggeriert, aber letztlich – mit Blick auf die Überschriften wie „Altdeutsch“ (33/171),
„Kumpf“ (33/171), „mit deutschen Worten“ (138/144) – nicht durchgehalten worden ist.
„Was sein Reden anbelangt“, sei Nepomuk jedem wirklichen Kind unähnlich, so BeckerFrank, und die Sprachmischung ein Ausdruck seiner Überzeitlichkeit. 1613 Wie ein reales Echo
beherrscht Echo viele Sprachen, verklingt aber sehr schnell. Echo stirbt an einer
Hirnhautentzündung (Kap. 45), die Adrian als Reaktion des Teufels auf seine Liebe zu dem
Kinde interpretiert 1614 . Und wie es dem realen Echo an Eigensubstanz fehlt, so ist auch die
Romanfigur Echo als eine „Summation von Nicht-Ich-Komponenten“ 1615 anzusehen, soll
heißen: Echo ist keine selbstständige Figur, sondern lediglich „a reflection in miniature of his
uncle’s character“ 1616 . Alles, was von ihm bleibt, ist dieses Gefühl von „Ja, der ist
weither“ 1617 , was vor allem durch die historische Nichtidentifizierbarkeit der Sprache evoziert
wird.
Im 47. Kapitel werden die Leitmotive des Romans abschließend zusammengefasst und die
Themen erhalten ihre endgültige Ausprägung: Weistu was so schweig – und genau das tat
Adrian bislang: Er weiß um die Existenz und den Pakt mit dem Teufel und er schweigt
darüber – bis zum Schluss. Wie zuvor Faustus steht nun Adrian sein Stundglas vor Augen und
wird sich gewahr, dass die 24 Jahre des Vertrages vergangen sind und sein geistlich
Dahinscheiden unmittelbar bevorsteht. Er bittet seine Freunde wachet mit mir! bevor er in
sein [des Teufels] Hände und Gewaltsam fällt und plant mit seinem letzten Stück, der Dr.
Fausti Weheklag, sich von ihnen zu verabschieden. „Als moderner Teufelsbündner“ konnte
Adrian Leverkühn nur nicht „mit einem derartigen Klamauk zur Hölle fahren“ wie sein
Vorgänger, sondern „stirbt nach langer Zeit geistiger Umnachtung an der luetischen
Infektion“ 1618 .
In der vorangehenden Oratio, so Becker-Frank, „spricht er [Adrian] durchweg in starker
Anlehnung ans Volksbuch in altdeutscher Sprache.“ In der gesteigerten sprachlichen
Archaisierung vergleichbar mit dem 7. Kapitel der „Lotte in Weimar“1619 bedient er sich
„einer Art von älterem Deutsch [...] grammatisch wie nach der Rechtschreibung leidlich
1610
Geht zurück auf die Form wohl lustbarlich, Quelle: Grimmelshausen, S. 399, übernommen in Not. DrF, Bl.
140/146.
1611
Jung, S. 310.
1612
Not. DrF, Bl. -/1.
1613
Becker-Frank, S. 78.
1614
DrF, S. 664.
1615
Jung, S. 307.
1616
Zit. nach Jung, S. 307.
1617
DrF, S. 622.
1618
Jung, S. 73.
1619
Meyer, S. 237: „Hier, im innersten Kreis des Planetariums häufen sich die Zitatworte in unvergleichbarer
Weise.“
230
geordnet“ 1620 , so Zeitblom. Das Zitatgewebe hat hier seine größte Dichte und stellt sich mit
Blick auf Vorlage und Notizen als nahezu homogen faustisch dar. Als eindeutige Anklänge an
die Vorlage stehen die Elemente Prästigiar, Stundglas, Famulus, Weheklag,
Johannstrunk, 1621 als die Regel betätigende Ausnahmen sind das lutherische nie geruget noch
geschlafen 1622 oder Grimmelshausens Schindvasen 1623 zu nennen.
Er, Adrian, „ist im Teufelskreis gefangen“, so Becker-Frank abschließend, und mit Rückblick
auf den Werktitel ist zu konstatieren: „Leverkühn ist quasi identisch mit Dr. Faustus.“ 1624
8.2 Zum poetischen Stellenwert des Zitats bei Thomas Mann
Die Funktion der einmontierten Zitate kann nicht allein im Kontext des entsprechenden
Kapitels oder des Einzelwerks bestimmt werden: Die dahinter stehende Theorie, über die
Thomas Mann in seiner „Entstehung des Doktor Faustus“ sowie in seinen Briefwechseln
„kommentierend Rede zu stehen verlangt“ 1625 , ist eingebettet in die persönliche Roman- und
Kunsttheorie Thomas Manns, der die Frage nach dem eigentlich kreativen Moment innerhalb
des künstlerischen Schaffensprozesses frühzeitig fokussiert und die im Laufe seines
künstlerischen Denkens und Schaffens grundlegende Bedeutung erlangt.
Thomas Mann fasste sein Künstlertum bekanntermaßen nicht als Lebenseinstellung, sondern
als Beruf im Sinne eines Handwerks auf. Er gehörte nicht zum Typus des naiven, spontan
schaffenden Künstlers, der wie ein Detlev Spinell „in wirklichkeitsenthobener Muße auf den
Besuch der Musen wartet“ 1626 . Wie „Der alte Fontane“ (1910) dürfe er vielleicht einmal im
Jahr auf eine „göttliche Eingebung“ hoffen, so Thomas Manns, all die anderen Tage des
Jahres müsse er seinen Stoff konsequent erarbeiten, wozu er „eines bestimmten Quantums
von Sachlichem“ 1627 bedürfe. Über die Jahre entwickelte er „einen Bienenfleiß, wenn es galt,
[...] positive Erkenntnisse zu sammeln“ 1628 .
Der Griff ins Sachliche, sprich ins Wirklich-Gegebene durchzieht Thomas Manns gesamtes
Werk: Schon die Typhus-Erkrankung des kleinen Hanno Buddenbrook hatte Thomas Mann
„ungeniert“ aus einem Konversationslexikon „ausgeschrieben“ 1629 , wie er später eingestand.
Dabei hegte er die zweckoptimistische Hoffnung, dass das Ergriffene und Abgelernte,
während es „innerhalb der Komposition eine selbständige Funktion“ und Eigenleben
gewinne, gleichzeitig „an seinem ursprünglichen kritischen Ort unberührt bestehen
1620
DrF, S. 657.
Prästigiar: DrF, S. 658, Quelle: Scheible Bd. 5, S. 156 (markiert), übernommen in Not. DrF, Bl. -/196, /203; Stundglas, DrF, S. 303, 306, 312 u.ö., Quelle: Volksbuch, S. 111, übernommen in Not. DrF, Bl. 53/59;
Famulus, DrF, S. 657, Quelle: Scheible Bd. 5, S. 108 (markiert), übernommen in Not. DrF, Bl. -/196, -/200, /203; Weheklag, DrF, S. 608, Quelle: Scheible Bd. 5, S. 90 (markiert), Volksbuch, S. 112, übernommen in Not.
DrF, Bl. -/196; Johannstrunk, DrF, S. 646, Quelle: Volksbuch, S. 119, übernommen in Not. DrF, Bl. 53/59.
1622
DrF, S. 664, Quelle: Briefe Luthers Bd. 2, S. 146 (markiert), übernommen in Not. DrF, Bl. 141/147, -/203.
1623
DrF, S. 661, 662, Quelle: Simplicissimus, S. 335, übernommen in Not. DrF, Bl. -/203, Bedeutung:
ungeheiligte Erde (im Gs. zum Friedhof).
1624
Becker-Frank, S. 101.
1625
Selbstk., S. 79.
1626
König, René: Das Selbstbewußtsein des Künstlers zwischen Tradition und Innovation, in: Künstler und
Gesellschaft, hrsg. von Alphons Silbermann und René König. Opladen 1974, S. 347.
1627
IX, S. 20.
1628
DüD III, S. 399.
1629
DüD III, S. 61.
1621
231
bleibe“. 1630 Diese Hoffnung war gepaart mit dem unverrückbaren Vorsatz: Eine
„Fußbemerkung: »Dies stammt von Adorno-Wiesengrund«? Das geht nicht.“ 1631 Schließlich
wollte er sein Werk nicht als „Mosaik entliehener Steinchen“ hinstellen, sondern als
„künstlerischen Organismus“ 1632 empfunden wissen (womit er sich an der Organisiertheit1633
des bürgerlichen Romans orientiert).
Ein Adorno stellte ihm bereitwillig unveröffentlichtes Material zur Verfügung und traf sich
persönlich zur Nachbesprechung 1634 mit dem Dichter. Auch viele andere „Fachleute“, wie
Thomas Mann sie nannte, hatten ebenfalls kein Problem mit der Aussicht, unzitiert, d.h.
gedanklich beraubt, in die literarischen Welten Thomas Manns einzugehen. Doch es gab auch
Ausnahmen, so in Person des Komponisten Arnold Schönberg, der den „Faustus“ des Raubes
an seiner Zwölftonmusik bezichtigte. Zähneknirschend 1635 versah Thomas Mann seinen
Romantext mit einer Nachbemerkung, dass die dargestellte Kompositionsart „in Wahrheit das
geistige Eigentum“ 1636 Schönbergs sei. Die Nachbemerkung im „Erwählten“, dass sich die
Erzählung in ihren Hauptzügen auf Hartmanns mittelhochdeutschen „Gregorius“ gründe,
könnte in diesem Zusammenhang als eine Art Pävention gedeutet werden.
In dem Zitieren 1637 aus schriftlichen Quellen, der Arbeit nach Bildern, dem Nachzeichnen von
realen Personen und Begebenheiten oder im mythischen In-Spuren-Gehen spiegelt sich die
Werk bestimmende Grundeinstellung Thomas Manns, die er schon in seiner frühen
Verteidigungsschrift „Bilse und ich“ (1906) klar umreißt: Ein Schriftsteller könne niemals aus
dem Nichts schaffen. Nicht „Erfindung“ sei die erste Aufgabe des Dichters, sondern die
„Beseelung“. Woher der Stoff stamme, sei letztlich gleichgültig. 1638
Diese Haltung Thomas Manns muss im geistigen Kontext seiner Zeit gesehen werden. Der
Roman als Kunstform stand über weite Strecken des 20. Jahrhunderts in einer Krise, in die
Erkenntnis der Reproduzierbarkeit 1639 am Selbstbewusstsein er Künstler nagte. Das freie
Fabulieren, das spontane Erdichten von Intrigen und Gestalten wurde von dem lähmenden
Gefühl gehemmt, dass alles, was der herkömmliche Roman auszudrücken vermag, schon
gesagt worden ist und dieser somit „bedenklich anachronistisch“ 1640 erscheinen müsse. Nicht
umsonst wird die Teufelsverschwörung Leverkühns, der hierin den Ausweg aus der
Kunstkrise sucht, in diese Jahre zurückverlegt. Es ginge zwar zu weit, die Zeit zwischen den
„Buddenbrooks“ und dem „Zauberberg“ als persönliche Betroffenheit und Lähmung Thomas
1630
Entst., S. 245.
DüD III, S. 62.
1632
DüD III, S. 403.
1633
Vgl. weiter Klotz, Volker: Zitat und Montage in neuerer Literatur und Kunst, in: Sprache im technischen
Zeitalter (1976), H. 57-60, S. 259ff.
1634
Entst., S. 245: Treffen mit Adorno, „um ihm volle ideelle Einsicht zu bieten“.
1635
DüD III, S. 150: „Der bittere Schönberg verlangt, daß ich eine Notiz anfüge des Inhalts, die 12 Ton-Technik
sei in Wirklichkeit sein geitiges Eigentum [...]. Es wird sich dumm ausnehmen, muß aber sein.“
1636
DrF, (Nachwort).
1637
Zit. nach Neumann, Peter Horst: Das Eigene und das Fremde. Über die Wünschbarkeit einer Theorie des
Zitierens, in: Akzente. Zeitschrift für Literatur 27 (1980), S. 299: „Der Begriff des Zitates umfaßt jede
bezugnehmende Wiedergabe eines gedanklichen, kunstschöpferischen oder gestalterischen Gegenstandes (des
Zitatobjekts) in einer geistigen Produktion (dem Medium des Zitates) durch den Urheber dieser Produktion (das
Subjekt des Zitates).“
1638
X, S. 15ff.
1639
Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit: Drei Studien zur
Kunstsoziologie (=Edition Suhrkamp, Bd. 28). Frankfurt a.M. 2005.
1640
Klotz, S. 264.
1631
232
Manns durch die allgemeine Kunstkrise zu interpretieren, dennoch, so der Dichter habe er
„einige Erfahrung“ 1641 mit der Krise der Kunst:
„Ich schreibe nun wieder fort an dem Zauberberg-Roman [...]. Aber die
künstlerische Beschäftigung ist heutzutage sehr problematisch“ 1642
Die Frage, „ob der Roman alten Stils heute noch möglich ist“ 1643 , hat ihn über weite Stecken
seines künstlerischen Schaffens nicht mehr losgelassen. Dabei räumt er ein, „dass die Krise,
in der die Kunst liegt“, zwar auch in seinen Werk „Ausdruck findet“, aber nicht etwa in einem
Produktionsrückgang, sondern „als Form oder selbst als Idee“. 1644 Mit dem „Zauberberg“ trat
der Roman bei Thomas Manns in eine Phase der Reflexion und der Intellektualisierung ein,
die er in seinem 1939 gehaltenen Vortrag über „Die Kunst des Romans“ als „die Stufe der
Kritik“ 1645 bezeichnete. Typisches Merkmal dieses Romans ist, dass die kulturphilosophische
und ästhetische Diskussion oftmals an die Stelle der eigentlichen Romanhandlung tritt.1646
Diese Reflexivität (hier: einen Bildungsprozess zu beschreiben und ihn gleichzeitig zu
verkörpern) 1647 tritt ebenso im „Doktor Faustus“ zutage, indem dieser zu dem wird, wovon er
handelt, „nämlich konstruktive Musik“ 1648 .
Thomas Mann hat sich vom Allgemein-Krisenhaften nicht lähmen lassen und hat stattdessen
in seinem Schaffen stets nach „Möglichkeiten neuer Formgeburten“ 1649 gesucht. Die
Leverkühn’sche Ansicht von der Verbrauchtheit 1650 aller Mittel und Konvenienzen pariert er
mit einem radikalen Hang zum realistischen Detail, realisiert durch Zitat und Montage 1651 ,
sodass sich der Dichter bald fragen musste:
„Ein Roman? Vielleicht ist es im höchsten Grade ein solcher, vielleicht auch keiner
mehr. Aber ist nicht auf dem Felde des Romans eigentlich nur noch interessant,
was keiner mehr ist?“ 1652
Der Begriff der Montage stammt ursprünglich aus der Filmkunst und bezeichnet eine
Aneinanderreihung verschiedenartiger Realtitätsfragmente (räumlich, zeitlich und gedanklich
nicht verbundene Sequenzen). Diese Darstellungstechnik fand Eingang in die Literatur,
wodurch in der Regel eine Verfremdung, Provokation und Psychologisierung erzielt werden
soll. Als viel zitierte Paradebeispiele gelten Döblins „Berlin Alexanderplatz“ und Manns
„Doktor Faustus“. Allerdings wird dabei häufig übersehen, dass Montage bei Döblin etwas
1641
DüD III, S. 130: „Hier handelt es sich um verzweifelte Kunst. Es ist eine Verzweiflung, von der ich
Erfahrung habe, ohne ihr gerade verfallen zu sein.“
1642
Mann, Thomas: Briefe 1889 – 1936, hrsg. von Erika Mann. Frankfurt a.M.1961, S. 164.
1643
XI, S. 97.
1644
Briefe, S. 256.
1645
X, S. 360.
1646
Bergsten, S. 127.
1647
Reed, Terence J.: Thomas Mann und die literarische Tradition, in: Handbuch, S. 117: „Festzuhalten aber ist,
daß die angedeuteten Wandlungen den Zauberberg zum Bildungsroman in dem Sinn machen, daß er den
Bildungsprozeß nicht bloß beschreibt, sondern verkörpert.“
1648
Entst., S. 187.
1649
X, S. 173: „Die Künste liegen in voller Krise, die zuweilen zum Tode zu führen droht, zuweilen die
Möglichkeit neuer Formgeburten ahnen lässt.“
1650
DrF, S. 180, 181, 318, 322.
1651
Entst., S. 165: Das konstruktive Moment, die Montage-Technik, „gehört geradezu zur Konzeption, zur
«Idee» des Buches“.
1652
DüD III, S. 151.
233
vollkommen anderes meint, als Montage bei Thomas Mann, was sich an den Aspekten
‚Arbeitstechnik’ und ‚intendierte Wirkung’ verdeutlichen lässt:
Während Döblin mit der Montage (im oben skizzierten Sinne) durch das Aneinanderreihen
von Erzählfragmenten unterschiedlicher Qualität eine Verfremdung intendiert, die dem Leser
die psychologisch problematische Befindlichkeit Franz Biberkopfs eröffnen soll, legt Thomas
Mann gesteigerten Wert auf eine organische Erzähloberfläche im traditionellen Stil. Damit
bezieht sich sein Montagebegriff auf die Unzahl von Realien, die er nicht „aufklebt“, sondern
in die Fiktion versenkt, damit die Ränder verschwimmen, sodass mit Blick auf seine
Arbeitstechnik eher der Begriff der Collage 1653 angemessen wäre.
Die von Thomas Mann anvisierte, indes einer Collage wenig entsprechende, organische
Erzähloberfläche lässt ihn seiner Meinung neben den Avangardisten des modernen Romans
(Joyce, Döblin) wie einen „flauen“ Traditionalisten 1654 dastehen. Dabei ist er sich der Spätheit
seiner Kunst überaus bewusst und rückt sie in die Nähe der Parodie, die vor dem Fall der alten
Kunstform komme. 1655 Im festen Rahmen der traditionellen Romanform aber bedient er sich
mit dem Mittel von Zitat und Montage eines der zentralen „konstitutiven Prinzipien
künstlerischer Avantgarde“ 1656 , und zwar in einem Maße, das den „Doktor Faustus“ aber auch
den „Erwählten“ strukturell in eine außerordentliche Zwischenstellung zwischen Altem und
Neuem rückt. 1657
Während sich also der Autor Thomas Mann im Rückgriff auf bereits Dagewesenes in
Bescheidenheit übt, indem er nämlich das kreative Moment auf eine fulminante Neuordnung
und Integration des erarbeiteten Zitatmaterials verlegt, hält sein Protagonist Adrian Leverkühn
an der alten Kunstvorstellung von einer selbstständigen Erfindung weiter fest und verschreibt
sich in seiner Verzweiflung dem Teufel. Dies ist von Thomas Manns Kritikern offenbar nicht
immer so klar gesehen worden, sodass er diese aufklären musste:
„Wenn ich mit dem »Faustus« gemeint hätte: »Es ist aus mit der Kunst«, so hätte ich ja
nachher dumpf und verzweifelt verstummen müssen.“ Und um zu beweisen, dass seine Kunst
auch ohne Teufelspakt nicht in der „Sackgasse“ 1658 stecke, fügt er in Anspielung auf den
„Erwählten“ hinzu: „Ich habe schon wieder etwas gemacht, [...] ein in Gott vergnügtes kleines
Buch, das freilich auch in seiner Art (besonders durch seine Sprachscherze) unwiederholbar
ist.“ 1659 Diese Äußerung wiederum bahnte Interpretationen den Weg, die im „Erwählten“ nun
Thomas Manns Lösung der Kunstkrise sahen. Dem entgegnete der Dichter: „Der Gedanke lag
mir fern, daß der »Erwählte« die Erfüllung darstellen könnte von Adrian Leverkühns Träumen
von einer aus der Isolierung befreiten Zukunftskunst.“ 1660 Nicht im stofflichen Erlösungs1653
Wilpert, S. 155: Experimentelle Technik aus der kubistischen Kunst, die den Text mit Zitaten u.a. versetzt,
um dem Thema weitere Horizonte abzugewinnen. (Th. Mann wird nicht genannt!)
1654
Entst., S. 205: „Mein Vorurteil war, daß neben Joyces exzentrischem Avantgardismus mein Werk wie flauer
Traditionalismus wirken müsse.“
1655
AN, S. 690: „›Der Erwählte‹ ist ein Spätwerk in jedem Sinn [...] Spätkultur, die vor der Barbarei kommt ...“;
DüD III, S. 408.
1656
Klotz, S. 259; ähnlich Neumann, S. 297: „Sagen läßt sich indes, daß das Zitat im 20. Jahrhundert zu einem
bestimmenden Stilmittel prinzipiell aller ästhetischen Gattungen wurde. Möglicherweise ist es sogar das einzige
Element in der modernen Kunst, das [...] überhaupt noch eine Art Originalität ermöglicht.“; Durzak, Manfred:
Zitat und Montage im deutschen Roman der Gegenwart, in: Ders. (Hrsg.): Die deutsche Literatur der Gegenwart.
Aspekte und Tendenzen. Stuttgart 1971, S. 212, spricht von der „Montage als Aufbauprinzip des Romans“.
1657
Vgl. weiter Steen, Inken: Parodie und parodistische Schreibweise in Thomas Manns »Doktor Faustus«.
Tübingen 2001, S. 132ff.
1658
DüD III, S. 390, 391, 394. Anspielung auf Friedrich Sieburgs Artikel „In der Sackgasse“, in: Die
Gegenwart, 6 (1951), 127, S. 19-20.
1659
DüD III, S. 263.
1660
DüD III, S. 418.
234
charakter des „Erwählten“ liegt Thomas Manns Antwort auf eine Kunstkrise, die er selbst nie
als so dramatisch wahrgenommen 1661 hat wie Adrian Leverkühn. Die Antwort liegt im
konstruktiven Moment beider Romane – im Zitat.
8.3 Fazit
Die Verbindung zwischen Thomas Manns „Doktor Faustus“ und dem kurz danach
entstandenen „Erwählten“ liegt, wie im Verlauf der letzten beiden Kapitel deutlich geworden
ist, keineswegs allein im Sprachlichen und es scheint keineswegs vermessen zu sagen, dass
im „Faustus“ all das vorbereitet wurde und zusammenkam, was für die Entstehung des
„Erwählten“ konstituierend war:
Die Verbindung liegt zuallererst im Stofflichen, in der mittelalterlichen „Gregorius“-Legende,
die zuerst im „Faustus“ anklingt, bevor Thomas Mann mit dem „Erwählten“ etwas „eigenes“
daraus macht. Eine weitere Verbindung liegt im Narrativen, in der Einführung eines
Erzählers, der mit Zeitblom und Clemens so scharf konturiert nur im „Faustus“ und im
„Erwählten“ auftritt. Zitat und Montage waren zwar schon immer Teil Mann’scher
Arbeitstechnik, avancieren aber erstmals im „Faustus“ zur Conditio sine qua non.
Überliterarische Kontakte zu geistigen Zitat-Eigentümern (Adorno, Schönberg) zwingen
Thomas Mann dazu, sein Schaffen in diesem Punkt theoretisch zu reflektieren und es sich
expressis verbis bewusst zu machen. Während dieses Mittel im „Faustus“ vornehmlich die
realistische Darstellung des Musik-Themas trägt, ist die Sprachmontage über weite Strecken
allenfalls als kolorierendes Beiwerk zu werten, das die „Säkularisierung des Teufels“ 1662 in
einer „von Gegenwart nur überlagerten Vergangenheit“ 1663 punktuell unterstützt.
Der Blick auf die zitierten Sprachquellen („Volksbuch vom Faust“, Luthers Briefe und
Grimmelshausens „Simplicissimus“) bestätigt, dass an keiner Stelle von einer realistischen
Geschlossenheit des kolorierenden Sprachstandes gesprochen werden kann. Im Echo-Kapitel
schließlich geht Thomas Mann noch einen Schritt weiter: Die Sprache wird unter
Zuhilfenahme von „Freidanks Bescheidenheit“ aus einer Singer-Schrift (die später auch zum
„Erwählten“ herangezogen wird) „bis hinter das Mittelhochdeutsche zurückgeführt“ und
zugleich wortbildend noch weiter vom Sprachhistorisch-Realen entfernt. Das durch die
„altertümelnde, ans Alemannische erinnernde Mundart“ 1664 erzeugte „leicht schwebende
Dasein“ 1665 des kleinen Echo kann insofern als Keimzelle des „sprachlich im Internationalen
schwebend[en]“ Mittelalters des „Erwählten“ gedeutet werden – ein Schweben, von dem
allenfalls der „Joseph“ erste Spuren aufweist.
1661
DüD III, S. 264: Der »Faustus« ist ein Roman des Endes und arbeitet Idee und Gefühl des Endes mit allen
Mitteln heraus. Aber gibt es denn ein Ende? Es gibt doch nur Übergang, und außerhalb des Romans glaube ich
so wenig an die Sackgasse der Welt wie an meine eigene. Das Leben geht weiter, und die Kunst tut es auch.“
1662
Entst., S. 250.
1663
DrF, S. 52.
1664
Milch, S. 358.
1665
DrF, S. 619.
235
9. Verzeichnis der Quellen, Literatur und Siglen
9.1 Quellen und Hilfsmittel Thomas Manns
Es wurde darauf verzichtet, die von Thomas Mann benutzten Quellen und Hilfsmittel in das
Siglenverzeichnis aufzunehmen. Die Siglen dieser Werke sind nachfolgend durch Fettdruck
gekennzeichnet. Die Werke, die nicht mit einer Signatur des TMA/Zürich versehen sind, sind
dort zwar nicht im Original vorhanden, aber in aller Regel als rückergänztes Exemplar
einsehbar.
Auerbach, Erich: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur. Bern:
Francke 1946. (TMA TM 3499)
Baum, Julius: Die Malerei und Plastik des Mittelalters, Bd. 2: Deutschland, Frankreich, und
Britannien (=Handbuch der Kunstwissenschaft, Bd. II., hrsg. von Fritz Burger). WildparkPotsdam: Akademische Verlagsgesellschaft 1930. (TMA TM 4949 H 26)
Benz, Richard: Gregorius auf dem Stein: eine alte deutsche Legende. Jena : Diederichs, 1920.
(TMA TM 2852)
Bernhart, Joseph: Der Vatikan als Thron der Welt. Leipzig: List 1930. (TMA TM 4859)
Der Hexenhammer (Malleus Maleficarum). Von Jak. Sprenger und Henricus Institoris. –
Colonia 1494. – Übertr. J.W.R. Schmidt, Teil I-III, 1906. (TMA TM 2858: 1-3)
Der Nibelungen Not. In der Simrockschen Übersetzung nach dem Versbestande der
Hundshagenschen Handschrift, bearbeitet und mit ihren Bildern hrsg. von Hermann Degering.
Berlin: Wegweiser 1924. (TMA TM 2857)
Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, 13 Bände. Leipzig: Hirzel
1854-1963. (TMA TM 3850: 1-13)
Dieffenbacher, Julius: Deutsches Leben im 12. und 13. Jahrhundert, Bd. 2: Privatleben
(=Sammlung Göschen, Bd. 328), Leipzig: Göschen 1907. (TMA TM 2803)
Eicken, Heinrich von: Geschichte und System der mittelalterlichen Weltanschauung.
Stuttgart, Berlin: Cotta [o.J.]. (---)
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters,
übers. u. hrsg. v. Johann Theodor Gräße (2 Hälften); 3. Ausg. (Unveränd. Neudruck d.
Original-Ausg. V. 1842). Leipzig: Löffler 1905. (TMA TM 70: 1+2)
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Neu bearbeitet und nach dem altfranz.
Tristanfragmenten des Trouvere Thomas ergänzt von Wilhelm Hertz. Stuttgart: Kröner 1877.
(TMA TM 2871)
236
Gregorovius, Ferdinand: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, 2 Bde. Dresden: Jess
1926. (TMA TM 2800:1+2)
Grimmelshausen, Hans Jakob Christoph: Abenteuerlicher Simplicius Simplicissimus. Neu an
den Tag geben und in unser Schriftdeutsch gesetzt von Engelbert Hegaur. München 1909
(TMA TM 31)
Hartmann von Aue: Gregorius. Hrsg. von Hermann Paul (= Altdeutsche Textbibliothek, Nr.
2), 2. Auflage. Halle a.S.: Niemeyer 1900. (---)
Hartmann von Aue: Gregorius. Unveröffentlichte Prosa-Übersetzung von Marga Bauer und
Samuel Singer, die der Ausgabe von Hermann Paul/Altdeutsche Textbibliothek [Nr. 2], 6
Aufl. Halle 1929, folgt. (TMA, Mat. 7,1)
Heil, Bernhard: Die deutschen Städte und Bürger im Mittelalter. Leipzig: Teubner 1906.
(TMA TM 2804)
Kerényi, Karl: Urmensch und Mysterium, Sonderdruck aus: Das Eranus-Jahrbuch 15 (1947),
S. 41-74. (TMA TM 4812)
Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. Stuttgart: Hirzel [...]. (---)
Martin Luthers Briefe, in einer Auswahl hrsg. von R. Buchwald, Bde. 1-2, 2. Aufl. Leipzig
1909. (TMA TM 2959: 1+2)
Meyers kleines Lexikon. Achte gänzlich neu bearbeitete Auflage in drei Bänden. Leipzig:
Bibliographisches Institut 1931-1932. (---)
Philippson, Ernst Alfred: Über das Verhältnis von Sage und Literatur, Sonderdruck aus:
Publications of the Modern Language Association of America 62 (1947), 1, S. 239-261.
(TMA TM 3484)
Roget, Peter Mark: Thesaurus of English Words an Phrases. London: Longmans, Green &
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Scheible, J.(ohann) (Hrsg.), Das Kloster. Weltlich und geistlich. Meist aus ältern deutschen
Volks-, Wunder-, Curiositäten- und vorzugsweise komischen Literatur. Zur Kultur- und
Sittengeschichten in Wort und Bild, 5. Band: Die Sage vom Faust. Stuttgart 1847. (TMA TM
3020)
Scherer, Wilhelm: Geschichte der deutschen Literatur. Berlin: Weidmann 1894. (TMA TM
3323)
Singer, Samuel: Thomas von Britannien und Gottfried von Strassburg, in: Festschrift für
Edouard Tièche. Bern: Lang 1947, S. 87-101. (---)
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Singer, Samuel: Dogma und Dichtung des Mittelalters, Sonderdruck aus PMLA 62 (1947), S.
861-872. (TMA TM 2853)
Stoessl, Franz (Hrsg.): Antike Erzähler. Von Herodot bis Longos. Zürich: Manesse 1947.
(---)
Vierhundert Schwänke des sechzehnten Jahrhunderts, hrsg. von F. Bobertag, Berlin/Stuttgart
s.d. (Deutsche National-Litteratur, Bd. 24.). Berlin, Stuttgart 1887. (TMA TM 3010)
Volksbuch vom Doctor Faust. Zweite Auflage, hrsg. von Robert Petsch, Neudrucke
deutscher Literaturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts, No. 7-8b, Halle a.S. 1911. (---)
Waag, Albert (Hrsg.): Kleinere deutsche Gedichte des 11. und 12. Jahrhunderts
(=Altdeutsche Textbibliothek, Bd. 10). Halle a.S.: Niemeyer 1916. (TMA TM 33)
Waetzoldt, Wilhelm: Dürer und seine Zeit. 3. Aufl. Wien 1935. (TMA TM 4949)
Weigand, Fr.L.K.: Deutsches Wörterbuch, 2 Bde. Fünfte Auflage, hrsg. von Herman Hirt.
Gießen: Töpelmann 1909-1910. (TMA TM 3851: 1+2)
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Aus dem Mittelhochdeutschen übersetzt von Karl
Pannier, 2 Bde., 3. Auflage. Leipzig: Reclam [1897]. (TMA TM 2860-61)
9.2 Schriften 1666 Thomas Manns
Dieser Arbeit wurde die Ausgabe von Thomas Manns Gesammelten Werken in 13 Bänden.
Frankfurt a.M. 1990, zugrunde gelegt, wobei die römische Ziffer den jeweiligen Band
bezeichnet. Nachfolgend werden zum einen die nicht in die Gesammelten Werke
eingegangenen Schriften Thomas Manns aufgeführt, zum zweiten solche, die im Rahmen
dieser Arbeit besonders intensiv bearbeitet, entsprechend häufig genannt und aus diesem
Grunde mit einer eigenen Sigle versehen worden sind.
Bemerkungen zu dem Roman ›Der Erwählte‹, in: Ders.: Altes und Neues. Kleine Prosa aus
fünf Jahrzehnten (=Gesammelte Werke in 13 Bänden, Bd. XI). Frankfurt a.M. 1990, S. 687691.
Briefe 1889-1936, hrsg. von Erika Mann. Frankfurt a.M. 1961.
Briefe an Otto Grautoff 1894-1901 und Ida Boy-Ed 1903-1928, hrsg. von Peter de
Mendelssohn. Frankfurt a.M. 1975.
Der Erwählte (=Gesammelte Werke in 13 Bänden, Bd. VII). Frankfurt a.M. 1990.
1666
Incl. Interviews.
238
Dichter über ihre Dichtungen, Bd. 14, Teilbde. I-III, hrsg. von Hans Wysling und Marianne
Fischer. München 1975-1981.
Die Entstehung des Doktor Faustus. Roman eines Romans (=Gesammelte Werke, Bd. XI).
Frankfurt a.M. 1990, S. 145-301.
Doktor Faustus (=Gesammelte Werke in 13 Bänden, Bd. VI). Frankfurt a.M. 1990.
Frage und Antwort. Interviews mit Thomas Mann 1909-1955, hrsg. von Volkmar Hansen und
Gert Heine. Hamburg 1983.
Lettere a Italiani, hrsg. von Lavinia Mazzucchetti (=Biblioteca delle silerchie, Bd. 89). Milano
1962.
Materialien zum „Erwählten“, unveröffenlicht. (TMA, Mat. 7)
Materialien zur „Lotte in Weimar“ , unveröffentlicht (TMA, Mat. 5,33)
Notizen zum „Doktor Faustus“, unveröffentlicht. (TMA, Ms. 33)
Notizen zum „Erwählten“, unveröffenlicht. (TMA, Mp. XI 9a)
Selbstkommentare: ›Doktor Faustus‹ und die ›Entstehung des Doktor Faustus‹. Informationen
und Materialien zur Literatur, hrsg. von Hans Wysling unter Mitwirkung von Marianne EichFischer. Frankfurt a.M. 1989.
Tagebücher, 10 Bde., hrsg. von Peter de Mendelssohn und Inge Jens. Frankfurt a.M. 19771995.
Thomas Mann – Agnes E. Meyer: Briefwechsel 1937-1955, hrsg. von Hans R. Vaget.
Frankfurt 1992.
9.3 Wörterbücher, Lexika und Nachschlagewerke
Baufeld, Christa: Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch: Lexik aus Dichtung und
Fachliteratur des Frühneuhochdeutschen. Tübingen 1996.
Booth, Cheri/Gerritzen, Christian: Slang: Lexikon der englischen Umgangssprache (englischdeutsch). Eltville am Rhein 1989.
Der kleine Duden. Fremdwörterbuch. Ein Nachschlagewerk für den täglichen Gebrauch.
Mannheim 1991.
Deutsches Fremdwörterbuch. Begonnen Hans Schulz, fortgeführt von Otto Basler,
weitergeführt im Institut für deutsche Sprache, 7 Bde. Straßburg, Berlin, New York 19131988.
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 33 Bde. München: dtv 1991.
239
Duden Bd. 4: Die Grammatik. Mannheim (u.a.) 1995.
Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 10 Bde. Mannheim (u.a.) 1999.
Eisenberg, Peter: Grundriß der deutschen Grammatik, Bd. 1: Das Wort. Stuttgart 1998.
Erben, Johannes: Einführung in die deutsche Wortbildungslehre (=Grundlagen der
Germanistik, Bd. 17). Berlin 1983.
Fleischer, Wolfgang/Barz, Irmhild: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen
1995.
Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hrsg. von Ulrich Goebel und Oskar Reichmann, (bislang)
4 Bde. Berlin (u.a.) 1986-1989.
Gardt, Andreas: Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom Mittelalter bis ins
20. Jahrhundert. Berlin, New York 1999.
Georges, Karl Ernst: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, aus den Quellen
zusammengetragen und mit besonderer Bezugnahme auf Synonymik und Antiquitäten unter
Berücksichtigung der besten Hilfsmittel, 2 Bde. Darmstadt 1988.
Gombrich, Ernst H.: Die Geschichte der Kunst. Frankfurt a.M. 1995.
Götze, Alfred: Frühneuhochdeutsches Glossar. Berlin 1971.
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Stammerjohann. München 1975.
Heyse, Johann Christian August: Handwörterbuch der deutschen Sprache: mit Hinsicht auf
Rechtschreibung, Abstammung und Bildung, Biegung und Fügung der Wörter, so wie auf
deren Sinnverwandtschaft. Magdeburg 1833.
J.Ch.A. Heyses Fremdwörterbuch. 12. Auflage. Durchaus neu bearbeitet und bis auf ca.
90.000 Worterklärungen erweitert von Professor Dr. Carl Böttger. Leipzig 1894.
Kienast, Dietmar: Römische Kaisertabelle: Grundzüge einer römischen Kaiserchronologie.
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Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. Mit einem Nachtrag von Ulrich
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Lexikon der deutschen Geschichte: Ereignisse – Institutionen – Personen. Von der Zeitwende
bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges, hrsg. von Gerhard Taddey. Stuttgart 1998.
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Lindow, Wolfgang: Niederdeutsche Grammatik. Leer 1998.
Mensing, Otto: Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch, 5 Bde. Neumünster 1927-1935.
Mittelhochdeutsches Wörterbuch, ausgearbeitet von Wilhelm Müller, Friedrich Zarncke und
Georg Friedrich Benecke, 3 Bde. Leipzig 1854-1866.
Mittelhochdeutsche Wörterbücher auf CD-Rom und im Internet. Ein elektronischer Verbund
der wichtigsten lexikographischen Hilfsmittel zum Studium älterer deutscher Texte, hrsg. von
Thomas Burch, Johannes Fournier und Kurt Gärtner. Stuttgart 2001.
Ploetz, Karl: Auszug aus der Geschichte. Würzburg 1968.
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 20 Bde. Berlin, New York 1973-2002.
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Wörterbuch in der Diskussion, Symposion zur mittelhochdeutschen Lexikographie, Hamburg,
Oktober 1985 (=Reihe Germanistische Linguistik, Bd. 84). Tübingen 1988, S. 3-8.
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des Zitats, besonders im Doktor Faustus. Quickborn b. Hamburg 1963.
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lexikographischen Methodologie. Stuttgart 1987.
Wörterbuch.
Untersuchungen
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BILDUNGSGANG
Studienassessor
Dr. phil. Carsten Bronsema,
geb. 10.09.1974
1994
Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife am Windthorst-Gymnasium / Meppen
1994 - 1995
Zivildienst bei der Bürgerhilfe e.V. in Meppen
1996 - 1997
Studium der Sozialwissenschaften an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg
1997 - 2003
Studium der Fächer Geschichte und Deutsch für das Lehramt an Gymnasien
an der Universität Osnabrück mit Abschluss des Ersten Staatsexamens
2000 - 2003
stud./wiss. Hilfstätigkeit im Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit /
Osnabrück unter der Leitung Prof. Dr. Dr. hc. Klaus Garbers
2003/04
Doktorand am FB Sprach- u. Literaturwissenschaft der Universität Osnabrück,
Erstgutachter: Prof. Dr. W. Günther Rohr, Zweitgutachter: Prof. Dr. Rolf Thieroff
2004
Studien im Thomas-Mann-Archiv / Zürich, unterstützt durch ein Stipendium des
DAAD
Aufnahme in das Doktorandenkolloquium der TU Braunschweig unter der Leitung
Prof. Dr. Helmut Hennes
2005
Antritt des Vorbereitungsdiensts als Referendar für das Lehramt an Gymnasien am
Studienseminar Osnabrück, Ausbildungsschule: Gymnasium Oesede
Annahme des Promotionsgesuchs durch die Universität Osnabrück und Einleitung
des Promotionsverfahrens
2007
Abschluss des Vorbereitungsdienstes mit Erwerb des Zweiten Staatsexamens
Verteidigung der Dissertationsschrift
Antritt des Schuldiensts an der Kooperativen Gesamtschule Schinkel/Osnabrück
251
DANKSAGUNG
Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, Willem und Irene Bronsema, die diese Arbeit durch ihre
großzügige Unterstützung überhaupt erst ermöglicht haben. Daneben danke ich meiner Partnerin, Tina
Mareike Bothmer, die mich in jeglicher Hinsicht moralisch unterstützt und die Launen des Promotionsalltags
nachsichtig und geduldig ertragen hat. Ein weiterer besonderer Dank geht an meinen „Doktorvater“ Prof. Dr.
W. Günther Rohr, der mich zu dieser Arbeit akademisch motiviert, und jederzeit weit über das zu erwartende
Maß hinaus unterstützt hat. Auch zu danken habe ich zum einen dem DAAD für die freundliche
Unterstützung meiner Studien am Thomas Mann-Archiv / Zürich, zum anderen natürlich den Mitarbeitern
des TMA selbst, die niemals müde wurden, meine zahlreichen Anfragen mit archivarischem Sachverstand
und wissenschaftlichem Einfühlungsvermögen zu bearbeiten.
Ferner danke ich Prof. Dr. Dr. hc. Klaus Garber (Osnabrück), Prof. Dr. Helmut Henne (Braunschweig), Prof.
Dr. Rolf Thieroff (Osnabrück), Dr. Dr. Michael Tewes (Hannover), Dr. Kai Bremer (Gießen) und Dr.
Sebastian Weitkamp (Osnabrück), die mir zu den verschiedensten Zeiten mit ihrem fachwissenschaftlichen
Rat zur Seite standen.
252
Zugehörige Unterlagen
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