Division of Archaea Biology and Ecogenomics

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Die dritte Domäne des Lebens
Forschungsnewsletter Juni
16. Jun 14
Von Ischia nach Russland: Im Bild PhD-Student Ricardo
Alves bei der Probennahme von arktischem Permafrost in
Seida. (Foto: Ricardo Alves)
Die Mikrobiologin Christa Schleper beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den
umweltrelevanten Archaea. In einer aktuellen Publikation zeigen die Forscherin und
ihr Team, dass einige dieser Kleinstlebewesen Treibhausgase emittieren – wenn
auch weniger als ihre Konkurrenten, die Bakterien.
Ende der 1980er Jahre waren die Archaea noch ein "esoterisches Thema" und
Christa Schleper eine der wenigen, die sich mit der "verrückten Gruppe von
Mikroorganismen" beschäftigte. "Man fand die Archaea damals nur an extremen
Standorten", erzählt die Ökogenetikerin. Heute weiß man, dass die
Kleinstlebewesen für die Umwelt höchst relevant sind und auch am Meeresboden,
auf der menschlichen Haut und sogar im Garten des Departments für Ökogenomik
und Systembiologie der Universität Wien leben. Dort hat Schleper vor drei Jahren
das erste Ammoniak oxidierende Archaeon aus Wiener Böden in Reinkultur isoliert –
die "Nitrososphaera viennensis".
Seitdem haben sich für Schleper und ihr Team eine Reihe weiterer Forschungsfelder
eröffnet. In einem aktuellen Projekt zeigen sie u.a., dass die Archaea das Lachgas
N2O produzieren. Dieses Treibhausgas trägt zum Abbau der Ozonschicht bei und
spielt damit eine wichtige Rolle in der Erderwärmung.
Archaea produzieren Treibhausgase, …
"Wir wussten, dass diese Einzeller – genauso wie Bakterien – Ammoniak oxidieren
sowie für die Umsetzung von Stickstoffverbindungen und somit die Umwelt
bedeutend sind", so Schleper. Doch anders als Bakterien lieben es Archaea
stickstoff- und ammoniumarm. "Daher finden wir sie eher in naturnahen
Ökosystemen und Böden, während die Bakterien schwer gedüngte Ackerböden
bevorzugen", erklärt die Ökogenetikerin, die zurzeit die Verwandten der Wiener
Archaea in den arktischen Tundraböden untersucht: "Dort ist wenig Ammonium
vorhanden und die Archaea sind daher besonders aktiv."
Archae a bilde n ne be n Bak te rie n und
Euk aryote n die "dritte Dom äne " de s
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R aste re le k trone nm ik rosk op; Foto:
Michae la Stie glm e ie r)
… sind aber trotzdem "die Guten"
"Obwohl die Archaea neben Nitrit auch das Lachgas N2O herstellen, sind sie im
Vergleich zu den Bakterien immer noch 'die Guten'", betont Schleper. Denn sie
produzieren sehr viel weniger von dem schädlichen Gas als ihre "bakteriellen
Kollegen". Und während die Bakterien die Treibhausgasproduktion bei wenig
Sauerstoff nicht reduzieren, tun dies die Archaea sehr wohl. Anders gesagt: Bei
starkem Regen oder extrem feuchten Böden produzieren die Bakterien am meisten,
die Archaea hingegen gar kein Treibhausgas.
"Die Archaea müssten demnach am besten in ihrem Wachstum gefördert werden,
damit sie die Bakterien verdrängen", schmunzelt die Wissenschafterin. Vielleicht
eine Möglichkeit, die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren? Um zu verstehen, wie
die Mikroorganismen wirklich dazu beitragen könnten, untersuchen die
ForscherInnen, den Stoffwechsel dieser der Archaea nun genauer. Die Frage, "was
passiert, wenn es wärmer wird?" ist dabei zentral.
Treibhausgas durch Überdüngung
Dafür studieren die Wiener BiologInnen gemeinsam mit finnischen KollegInnen
sogenannte Torfkreise in der Tundra. Das sind Orte, die durch ständiges Frieren
und Auftauen entstanden sind und wo keine Pflanzen wachsen. "Dort tummeln sich
sehr viele Archaea; merkwürdigerweise wird in diesen Torfkreisen aber besonders
viel N2O ausgestoßen. Die Archaea agieren somit wahrscheinlich als Zulieferer von
Zwischenprodukten für andere Organismen, die letztendlich das Lachgas
produzieren. Wie das genau funktioniert, müssen wir aber noch klären", so
Schleper.
Eigentlich sollte aus dem Stoffwechselprodukt der Archaea, dem Nitrit, letztendlich
durch andere Organismen wieder Stickstoff (N2) entstehen, das als Gas in die
Atmosphäre zurückkehrt. "Aus unterschiedlichen Ursachen verläuft dieser Kreislauf
aber oft unvollständig und es entsteht das Treibhausgas", erklärt die Expertin. Einer
dieser Gründe kann in Ackerböden z.B. Überdüngung sein.
Archae a lie be n die Ex tre m e . In zwe i
ak tue lle n Proje k te n unte rsucht Schle pe r
hype rthe rm ophile Archae a in he iße n
Q ue lle n – z.B. auf Ischia und
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Schle pe r. (Bild: Probe nnahm e n von
the rm ophile n Archae a in e ine r he iße n
Q ue lle auf Ischia; Foto: Michae la
Stie glm e ie r)
Arktisches Archaeon im Labor in der Althanstraße
Auf den Torfkreisen haben finnische ForscherInnen, die mit Schleper und ihrem
Team kooperieren, sogenannte "Open-top Chambers" befestigt. "Diese Kästen sind
nach oben hin – und damit für Niederschläge und Temperaturunterschiede – offen.
Mittels Sensoren wird dort u.a. gemessen, wie sich die Treibhausgas-Emissionen
mit der Temperatur ändern", erklärt Schleper. Einige Bodenproben untersuchen die
ForscherInnen schließlich im Labor mittels molekularer Techniken. Sie isolieren das
genetische Material und sequenzieren daraus bestimmte Gene. "In der Tundra ist
dabei viel Kreativität gefragt. Denn die aufgrund kurzer Vegetationsperioden extrem
schwarzen Böden sind voll mit nicht abgebautem organischem Material. Dadurch
versagen gängige molekulare Techniken oftmals", so die Ökogenetikerin.
Aus den Bodenproben isolieren die ForscherInnen schließlich auch ihre eigenen
Organismen: Mittlerweile haben sie neben der Nitrososphaera viennensis auch ein
arktisches Archaeon im Labor in der Althanstraße kultiviert. Auch hier stehen das
Thema Energiemetabolismus und die Frage, wie die Treibhausgas-Emissionen z.B.
mit Temperaturunterschieden einhergehen, im Mittelpunkt. "Wir wollen aber noch
weitere Modellorganismen kultivieren, um die unterschiedlichen physiologischen
Eigenschaften der Archaea zu verstehen", betont Schleper.
Nutzbare Stoffe aus Abgasen?
Denn Archaea könnten auch in anderer Hinsicht für unsere Umwelt nützlich sein:
Sie fixieren Kohlenstoff aus der Luft und bilden daraus Biomasse. "Theoretisch
könnten diese Mikroorganismen somit auch aus Abgasen nutzbare Stoffe bilden.
Aber das ist im Moment noch Zukunftsmusik, denn die Archaea wachsen derzeit nur
zu sehr geringen Zelldichten heran." Eines ist sicher: In der Welt der
Mikroorganismen gibt es auf jeden Fall noch viel zu entdecken. (ps)
Das FWF-Projekt "Stoffwechsel- und Genomanalysen Ammonium-oxidierender
Archaea" lief von 1. November 2010 bis 31. Dezember 2013. Das FWF-Projekt
"Ammoniak oxidierende Archaea in arktischen Tundraböden" läuft von 1. Jänner
2013 bis 31. Dezember 2015 und das FWF-Projekt "Thaumarchaeota in marinen
Sedimenten" startet in Kürze. Alle unter der Leitung von Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Dr.
Christa Schleper, stv. Leiterin des Departments für Ökogenomik und
Systembiologie. Das Projekt "Ammoniak oxidierende Archaea in arktischen
Tundraböden" läuft in Kooperation mit ForscherInnen in Finnland und Bayreuth.
Insgesamt forschen neben Christa Schleper zehn MitarbeiterInnen des
Departments an den Archaea.
Aktuelle Publikation zum Thema:
Das Paper "Aerobic nitrous oxide production through N-nitrosating hybrid
formation in ammonia-oxidizing archaea" (AutorInnen: M. Stieglmeier, M.
Mooshammer, B. Kitzler, W. Wanek, S. Zechmeister-Boltenstern, A. Richter und C.
Schleper) erschien im Jänner 2014 im ISME Journal.
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