MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN Balbuties könnte sich als Stoffwechselkrankheit erweisen Stottern — Ursache im langen Arm von Chromosom 12? Etwa 5 Prozent der Kinder und etwa 1 Pro- Chromosom 12 Mutationen in drei Genen haben oft lysosomale Speicherkrankheiten zent der erwachsenen Bevölkerung leiden entdeckt. Diese Gene kodieren lysosomale wie die Tay-Sachs-Krankheit zur Folge. Bald unter Stottern, fachsprachlich Balbuties Enzyme, Stottern könnte letztlich Aus- darauf fanden die Forscher zwei weitere oder Psellismus genannt. Bis heute ist die druck einer Stoffwechselstörung sein. «Stotter»-Gene (GNPTG und NAGPA), die Ursache ungeklärt. An Hypothesen man- Die kürzlich im «New England Journal ebenfalls für den lysosomalen Stoffwechsel gelt es nicht. Psychodynamische Theorien of Medicine» (2010; doi: 10.1056/NEJMoa von Bedeutung sind. Mutationen in diesen etwa gehen davon aus, dass unbewusste 0902630) publizierten Resultate haben eine Genen können zu der äusserst seltenen Konflikte zum Stottern führen und die Be- Vorgeschichte. Sie beginnt mit einer Asso- Stoffwechselerkrankung Mukolipidose füh- troffenen damit Aufmerksamkeit oder Zu- ziationsstudie bei konsanguinen Stotterer- ren. Die autosomal rezessive Erbkrankheit wendung erheischen wollen. Lerntheore- familien aus Pakistan. Den Genetikern um führt zu einer schweren psychomotorischen tiker versuchen Stottern als Ausdruck klas- Dennis Drayna vom US-National Institute Retardierung, die betroffenen Kinder lernen sischer und operanter Konditionierung zu on Deafness and Other Communication nicht sprechen und sterben in jungen Jah- erklären. Solche und andere psycholo- Disorders in Bethesda/Maryland, gelang es ren. Die Forscher halten es für möglich, gische Hypothesen haben im Grossen und dabei, die genetische Disposition zum Stot- dass Stottern eine Minimalvariante dieser Ganzen nicht überzeugen können. Unstrit- tern auf den langen Arm des Chromosoms Mukolipidosen darstellt. tig ist jedoch die Beobachtung, dass Stot- 12 einzugrenzen (Am J Hum Genet 2005; 76: Für eine Reihe anderer lysosomaler Spei- tern familiär gehäuft vorkommt. Zwillings- 647–651). In den folgenden Jahren haben cherkrankheiten kann heute durch regel- studien zeigen, dass diese Häufung nicht die Wissenschaftler bei den Betroffenen und mässige Infusion der fehlenden Enzyme mit dem sozialen Milieu oder mit bestimm- bei gesunden Kontrollen aus Pakistan, das Ausmass der Behinderungen gelindert ten Umweltfaktoren zusammenhängt. So Nordamerika und Grossbritannien mehr werden. Ob eines Tages solche Therapien rücken unweigerlich die Erbanlagen in den als 10 Millionen Basenpaare durchforstet. auch gegen das Stottern eingesetzt werden, Mittelpunkt des Interesses. US-amerikani- Sie stiessen dabei zunächst auf Mutationen ist derzeit reine Spekulation. sche Forscher haben nun bei Stotterern auf des Gens GNPTAB. Defekte an diesem Gen ■ U.B. Pharao Tutanchamun Tod durch Malaria tropica? Auch ein Tutanchamun entgeht nicht der dungen wie Klumpfuss und Gaumenspalte modernen medizinischen Diagnostik. Seit gezeichnet, ein an Krücken gehender Jahrzehnten versuchen Forscher herauszu- Kyphoskoliotiker, der schliesslich von der finden, warum der legendäre ägyptische Malaria tropica dahingerafft wurde. Das gilt Pharao anno 1324 v. Chr. im zarten Alter nun tatsächlich als spektakulärer Befund: von 19 Jahren verschied. Was die Paläopa- Der Pharao war offenbar mit Plasmodium thologen herausbrachten, war stets reich- falciparum infiziert, in der Mumie fanden lich spekulativer Stoff: Starb Tutanchamun die Forscher genetisches Material des Erre- an den Folgen eines Oberschenkelbruchs, gers. Ob damit die Todesursache gefunden raffte ihn eine Blutvergiftung dahin, ver- ist, bleibt umstritten. Skeptiker weisen da- setzte ihm eine Fettembolie den Todes- rauf hin, dass eine Plasmodieninfektion stoss? Wurde er gar Opfer eines Mordes? angesichts der klimatischen Verhältnisse Jetzt haben Forscher um den Ägypter Zahi seinerzeit nicht ungewöhnlich gewesen sei, Wirkung. Auch diese sind aber nicht be- Hawass mit radiologischen und geneti- viele Menschen hätten aber eine Immunität weiskräftig. Manche Forscher glauben, es schen Untersuchungen an der Mumie neue entwickelt. Dass Tutanchamun unter einer könne sich auch um Gewürze gehandelt Erkenntnisse geliefert, die geeignet sind, aktiven Malaria gelitten haben könnte, haben, gleichsam als königlicher Proviant jeden Glanz von dem Kind-Pharao abzu- dafür sollen verschiedene Pflanzenreste für das Jenseits. Die Wissenschaftler wer- streifen. Tutanchamun muss ein wirklich sprechen, die sich in seinem 1922 entdeck- den also weiter Gründe finden, die Toten- armer Kerl gewesen sein. Er litt an asepti- ten Grab fanden – womöglich Kräuter mit ruhe des Pharao zu stören. scher Knochennekrose, war von Missbil- fiebersenkender und schmerzlindernder 172 ARS MEDICI 5 ■ 2010 ■ U.B.