Die Milchstraße – Unser Haus im Weltall Interstellare Materie und Nebel Die auf den ersten Blick auffälligsten Erscheinungen in der Milchstraße sind die Sterne. Aber der Raum zwischen den Sternen ist nicht leer. Er enthält die interstellare Materie. Diese verursacht eine Lichtschwächung, die bei der Entfernungsbestimmung von Sternen aus der Leuchtkraft zu Fehlern führen könnte. Die interstellare Materie setzt sich aus einem gasförmigen und einem staubförmigen Anteil (Bild 3) zusammen. Der erste experimentelle Nachweis des interstellaren Gases gelang 1904 dem Potsdamer Astronomen J. Hartmann, der damit die Geburt eines noch heute aktuellen Forschungszweiges einleitete. Eigenschaften interstellaren Gases: Die Dichte beträgt ca. 600 Atome/Liter (zum Vergleich: auf der Erde hat das Gas eine Dichte von ca. 1023 Atome/Liter). Die mittlere Stoßzeit beträgt 100 bis 1000 Jahre. Mittlere Stoßwege liegen zwischen 200 und 300 AE, wobei 1 AE der mittlere Abstand zwischen Sonne und Erde ist. Die gesamte Masse ist größer als 20 Milliarden Sonnenmassen. Bild 1. Der Orionnebel. Einer der schönsten Emissions- und Reflexionsnebel unserer Galaxie. Großräumige Konzentrationen interstellarer Materie werden Nebel genannt. Wir unterscheiden Dunkel-, Emissions- und Reflexionsnebel. Dunkelnebel sind Konzentrationen von nichtleuchtender interstellarer Materie in einem weiten Durchmesser- und Massebereich. Sie werden vor Emissionsnebeln oder sternreichen Gebieten der Milchstraße als schwarze Gebilde sichtbar (Bild 2). Bei einer hohen Konzentration interstellarer gasförmiger Materie in der Nähe von heißen jungen Sternen führen die hohen Temperaturen zu einer Anregung und daraus folgend zu einem hellen Leuchten der Gasatome und Moleküle. Derartige Strukturen werden Emissionsnebel genannt (Bild 1). Bei geringeren Oberflächentemperaturen der Sterne werden die Atome und Moleküle der interstellaren Materie nicht ionisiert. Das Sternlicht wird lediglich reflektiert. Die entsprechenden Strukturen werden Reflexionsnebel genannt. Bild 2. Der Pferdekopfnebel. Einer der bekanntesten Dunkelnebel. Bild 3. Interplanetares Staubteilchen unter dem Elektronenmikroskop. 1 2 Das Hertzsprung-Russell-Diagramm Das wichtigste Zustandsdiagramm für Sterne, für das Erkennen ihrer Eigenschaften und Entwicklungen sowie deren theoretische Durchdringung ist das Temperatur-LeuchtkraftDiagramm (Bild 1), das nach ihren Begründern Russell und dem Potsdamer Astronomen E. Hertzsprung benannt ist (Hertzsprung-Russell-Diagramm, 1916). Bedeutende Vorarbeiten zu diesem Diagramm wurden ebenfalls in Potsdam durchgeführt. Vogel und Müller gaben 1883 den ersten spektroskopischen Sternkatalog heraus. Wilsing und Scheiner untersuchten zwischen 1905 und 1908 109 Sterne aller Klassen spektralphotometrisch. Sie bestimmten die Energieverteilung der Sterne und führten durch einen Vergleich mit temperaturabhängigen Energieverteilungen der Temperatur- oder Schwarzkörperstrahlung einen Temperaturanschluß durch (Bild 2). Bild 1. Das Hertzsprung-RussellDiagramm, auch TemperaturLeuchtkraft-Diagramm genannt, mit Beispielen bekannter Sterne aus der Hauptreihe (a), dem Zweig der Riesen (g) und Überriesen (c) sowie der weißen (d) und roten Zwerge (b). Der Großteil der Sterne (einschließlich der Sonne) bevölkert die Hauptreihe. Bild 2. Zwei Beispiele von Spektren heller Hauptreihensterne mit angegebenen Oberflächentemperaturen. Aus der unterschiedlichen Oberflächentemperatur ergeben sich verschiedene Energieverteilungen der Temperatur- oder Schwarzkörperstrahlung (links). Unterschiedliche chemische Zusammensetzungen und Besetzungsdichten aufgrund unterschiedlicher Temperaturen spiegeln sich in verschiedenen Absorptionsspektren wieder (rechts). Bild 3. Klassifikation der beobachteten Sterne (a) und nach der Entfernungskorrektur (b). Sterne mit größerer Leuchtkraft haben einen größeren Radius. Farbnuancierungen sind Ausdruck unterschiedlicher Sterntemperaturen. Die Sonne ist mit „S“ dargestellt. Eine Darstellung der Sterne in einem Temperatur- (oder auch Farb- und Spektralklasse-) Leuchtkraft – Diagramm ließ e eine gleichmäßige Verteilung vermuten (c). Es zeigen sich jedoch bevorzugte Bereiche in (d) wie Hauptreihe (1), Riesen (2), Überriesen und Zwerge (3). Die Sterne am Himmel besitzen unterschiedliche Helligkeiten und Farben (Bild 3a). Die Sternfarbe hängt von der Temperatur des entsprechenden Sternes ab. Heißere Sterne haben ihr Intensitätsmaximum im blauen Spektralbereich, kühlere im roten. Die unterschiedlichen scheinbaren Helligkeiten der Sterne ergeben sich einerseits aus einer unterschiedlichen Leuchtkraft und andererseits aus unterschiedlichen Entfernungen zur Erde. Eine Normierung der Sternhelligkeiten auf eine gleiche Entfernung ergibt ein Maß für die Leuchtkraft der Sterne. Sterne gleicher Temperatur (also Farbe) und verschiedener Leuchtkraft besitzen eine unterschiedliche Größe. Leuchtkräftigere Sterne sind größer als dunklere Sterne der gleichen Temperatur (Bild 3b). Eine entsprechende graphische Anordnung der Sterne ließe eine Gleichverteilung vermuten (Bild 3c). Die Beobachtung zeigt jedoch ein anderes Ergebnis (Bild 3d). Es existieren verschiedene Gebiete mit einer hohen Sternpopulation, die teilweise durch Lücken, Gebiete geringer Sterndichte, getrennt sind. Aus der Anordnung der Sterne im HertzsprungRussell-Diagramm lassen sich wichtige Schlußfolgerungen für die Sternentwicklung ziehen. 3 Die Entwicklung der Sterne Die Sterne entstehen durch eine gravitative Verdichtung interstellarer Staub- und Gaswolken (Bild 1). Die in dieser Phase abgestrahlte Energie bezieht der in der Entstehung befindliche Stern aus der Gravitationsenergie. In dieser ersten Entwicklungsphase, die auch Kontraktionsphase genannt wird, steigt die Temperatur im entstehenden Stern. Bei einigen Millionen Grad setzt die Wasserstoffusion ein, bei dem Wasserstoff zu Helium reagiert. Der Stern tritt in die Hauptreihe des Hertzsprung-Russell-Diagramms ein, wo er die längste Zeit seines Lebens bleibt. Bild 1. Gase im Adlernebel M 16, einem Entstehungsgebiet neuer Sterne. Der Entwicklungsweg eines Sterns ist bereits bei seinem Entstehen durch seine Anfangsmasse bestimmt (Bild 2). Massereiche Sterne verbrennen ihren Energievorrat schneller als Sterne mit geringerer Masse. Sterne mit größerer Masse und damit auch höherer Temperatur (T > 20 Millionen °C) gewinnen ihre Energie durch den Kohlenstoff-StickstoffSauerstoff-Zyklus. Als Folge obiger Reaktionen steigt die Heliumkonzentration im Sterninneren. Nachdem das Wasserstoff-Brennmaterial erschöpft ist, entwickelt sich der Stern vorübergehend zu einem Riesen oder Überriesen. Bei Temperaturen größer als 108 Grad kann das entstandene Helium in der Tripel-Alpha-Reaktion in Kohlenstoff umgewandelt werden. Ist das Helium im nächsten Stadium der Sternentwicklung umgesetzt, führen gravitative Prozesse zu einer weiteren Temperaturerhöhung. Diese setzt Reaktionen wie das Kohlenstoff-, Sauerstoff- oder Siliziumbrennen in Gang, in deren Folge schwerere chemische Elemente bis hin zum Eisen und Nickel aufgebaut werden. Nach dem Verbrauch des Kernbrennstoffs tritt der Stern schließlich in sein Endstadium ein (nächste Tafel). H. Vogel vertrat bereits 1874 die Ansicht, daß die SternEntwicklung als zeitliche Abfolge verschiedener Stadien dargestellt werden kann. Das bestätigte sich später und ist am Beispiel der Sonne im Hertzsprung-Russell-Diagramm (Bild 3) dargestellt. Bild 2. Schema des Entwicklungsweges von Sternen mit der Masse unserer Sonne (unten) und wesentlich schwereren Sternen (oben) vom Protostern (links) bis zu ihrem Endstadium (rechts) unter Angabe der mittleren Dauer des jeweiligen Entwicklungsstadiums. Bild 3. Das Hertzsprung -Russell-Diagramm mit dem gestrichelt dargestellten Entwicklungsweg unserer Sonne. 4 Die Endstadien der Sternentwicklung Wenn ein Stern seinen Energievorrat aufgebraucht hat, beginnt er wegen des fehlenden Strahlungsdruckes, wieder zu kontrahieren. Abhängig von der Sternmasse sind unterschiedliche Endstadien wie Weiße Zwerge, Neutronensterne oder Schwarze Löcher möglich. Sterne mit Anfangsmassen unterhalb von 4 Sonnenmassen stoßen ihre äußeren Hüllen als sogenannte planetarische Nebel ab (Bild 3). Der verbleibende Weiße Zwerg hat eine Masse von maximal 1,4 Sonnenmassen und besitzt enorme Oberflächentemperaturen von 100.000 °C. Er kühlt dann langsam ab und erlischt. Bild 1. Der Supernova-Überrest „Vela“. Die sich ausdehnenden Gaswolken sind Überreste einer Supernova vor 10.000 Jahren. Im Zentrum befindet sich ein Pulsar. Sterne mit größeren Anfangsmassen explodieren als Supernovae und stoßen dabei ihre äußeren Schichten ab. Diese Supernovae-Überreste sind noch nach Jahrhunderten als expandierende Gaswolken nachweisbar (Bild 1, Bild 2). Die Masse des urspünglichen Sterns entscheidet, ob ein Kern nach der Supernova übrigbleibt und ob sich dieser zum Neutronenstern (Bild 2) oder Schwarzen Loch entwickelt. Die bei der Sternentwicklung gebildeten chemischen Elemente gehen zurück ins interstellare Medium, so daß die relative Häufigkeit der schweren Elemente in ihr steigt. Liegt die Masse der verbleibenden Kerne zwischen 1,4 und 3,2 Sonnenmassen, was für Sterne mit Anfangsmassen zwischen 4 und 18 Sonnenmassen zutrifft, sind Neutronensterne (Bild 2) das Endstadium der Sternentwicklung. Der Radius von Neutronensternen beträgt etwa 10 km, die Dichte ca. 1026 kg/m3. 1 cm3 hat dann eine Masse von mehr als 10 Millionen Tonnen. Aufgrund des hohen Druckes reagieren Protonen und Elektronen zu Neutronen, so daß Neutronensterne hauptsächlich aus Neutronen bestehen. Rotierende Neutronensterne können pulsierende Intensitäten im Bereich der Radiofrequenzen ausstrahlen. Diese Objekte werden Pulsare genannt. Bild 2. Der Rest der Supernova, die 1987 in der Großen Magellanschen Wolke ausgebrochen war. Im Zentrum befindet sich ebenfalls ein Pulsar. Die äußeren leuchtenden Ringe stammen wahrscheinlich von Materieausstößen vor der Supernovaexplosion. Ist die Masse des verbleibenden Kerns größer als 3,2 Sonnenmassen, was für Sterne mit Anfangsmassen größer als 18 Sonnenmassen zutrifft, tritt ein Gravitationskollaps ein. Ein Schwarzes Loch wird gebildet. Die Gravitation in ihnen ist so stark, daß kein Licht entweicht. Sie sind somit direkten Beobachtungen nicht zugänglich und nur durch indirekte Messungen nachweisbar. Die Existenz von Schwarzen Löchern wurde erstmalig vom Potsdamer Astrophysiker Schwarzschild aus theoretischen Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen vorhergesagt. Supernovae können auch als Stadien der Doppelsternentwicklung beobachtet werden, wobei ein Weißer Zwerg die Masse seines Begleiters absaugt. Die dann zündende Kernreaktion kann sich abhängig von der Masse als Nova oder Supernova manifestieren. Insgesamt sind Supernovae jedoch seltene Erscheinungen. Die meisten Sterne enden unspektakulär als Weiße Zwerge. Allerdings sind andere Entwicklungen möglich, wenn insbesondere die Möglichkeiten eines Masseverlustes (z.B. bei Doppelsternen) oder die Wirkungen magnetischer Felder berücksichtigt werden. Bild 3. Der Ringnebel im Sternbild Leier. Die Infrarotaufnahme zeigt schwache Schalen um den eigentlichen hell leuchtenden planetarischen Nebel. Die Temperaturen des Zentralsternes sind mittlerweile auf 100.000 °C gestiegen. 5 Veränderliche Sterne sind Sterne, deren Helligkeiten sich ändern. Ein jüngster Katalog enthält ca. 30 000 Sterne mit bekannter oder vermuteter Helligkeitsvariation. Andere Schätzungen sprechen von mehr als 1/3 aller Sterne, die sich bei genügend genauer Beobachtung verändern sollten. Die Unterteilung der Veränderlichen erfolgt anhand der Lichtkurve (Bild 4), einer funktionalen zeitlichen Darstellung der Helligkeiten, und ihrer Auswertung hinsichtlich der Amplitude der Helligkeitsänderungen und, im Falle periodischer Änderungen, ihrer Periode. Weitere zu berücksichtigende Kriterien sind die Form der Lichtkurve, der Spektraltyp, die Radialbewegung und der untersuchte Spektralbereich. Bild 1. Supernovarest im Sternbild Schwan. Das prächtige Farbenspiel resultiert aus den Kollisionen der sich ausdehnenden Supernovae-Gaswolken mit stationären Gaswolken. Bild 2. Sterne im Sternbild Skorpion. Die zwei zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommenen Photos zeigen die Helligkeitsvariationen der beiden leuchtkraftveränderlichen Sterne. Klassifikation der Veränderlichen: 1. Physische Veränderliche Pulsationsveränderliche sind Sterne (vorwiegend Riesen und Überriesen), deren äußere Schichten expandieren und kontrahieren (Bild 2). Beispiele sind Sterne der Typen Delta-Cephei, RRLyrae, W-Virginis, RV-Tauri, Mira (Bild 3). Eruptionsveränderliche sind lichtschwache, Masse abgebende Sterne wie z.B. enge DoppelsternSysteme. Die Eruptionsintensität erstreckt sich über einen weiten Intensitätsbereich von denen der „Flare-Sternen“ über „Novae“ bis zu denen der „Supernovae“ (Bild 1). Andere Beispiele sind Sterne der Typen U-Geminorium und T-Tauri (Bild 3). 2. Optische Veränderliche Bedeckungsveränderliche sind Doppelsterne (siehe Tafel über Doppelsterne) bei denen die Sichtlinie Beobachter – Gestirn mit der Bahnebene zusammenfällt, so daß sich die Komponenten zeitweilig gegenseitig verdecken. Rotationsveränderliche resultieren aus einer ungleichmäßigen Temperaturverteilung auf der Oberfläche und damit auch ungleichmäßiger Verteilung der chemischen Elemente und kommen z.B. bei den magnetischen A-Sternen vor (Bild 3). Eine besondere Bedeutung der Veränderlichen kommt den Cepheiden als Pulsationsveränderliche zu. Bei ihnen konnte eine Perioden-Leuchtkraft-Beziehung aufgestellt werden, so daß sie als wichtige Entfernungsmesser für galaktische und extragalaktische Abstände dienen. Bild 3. Schematische Darstellung der Lage von Typen veränderlicher Sterne im Hertzsprung -Russel-Diagramm. Bild 4. Die Lichtkurve eines veränderlichen Sterns. Die Struktur der Lichtkurve ist charakteristisch für den Typ des veränderlichen Sterns. Aus den Lichtkurven kann für bestimmte Typen veränderlicher Sterne die absolute Leuchtkraft bestimmt werden. Aus den vielen Beiträgen Potsdamer Astronomen zum Studium der Veränderlichen ragen die Arbeiten zur Novae-Theorie heraus. Wilsing bemerkte 1899 ganz richtig, daß Novae aus einem zentralen Stern und einer expandierenden Gashülle bestehen. 1926 folgerte Hartmann aus seinen Beobachtungsdaten, daß die Existenz von Novae eine Folge der physikalischen Eigenschaften der Sterne sein müssen. 6 Doppelsterne sind Systeme von zwei Sternen, die sich umeinander kreisend als ein Objekt im Universum bewegen (Bild 1). Sie sind keineswegs seltene Exoten. Vielmehr bilden ca. die Hälfte aller Sterne Systeme von zwei oder mehr Sternen. Die Astronomie studiert und schätzt Doppelsterne insbesondere wegen der Zuverlässigkeit der Angaben, mit der gesicherte Werte sternphysikalisch wichtiger Zustandsgrößen (Masse, Durchmesser, Dichte u.a.) aus den Beobachtungen abgeleitet werden können. Erst die Kenntnis dieser Zustandsgrößen ermöglicht eine erfolgreiche theoretische Durchdringung und ist damit für das Verständnis sternphysikalischer Prozesse von grundsätzlicher Bedeutung. Bild 1. Alkor und Mizar, das wohl bekannteste Paar von Doppelsternen im Sternbild „Großer Bär“. Wir unterscheiden: 1. Visuelle Doppelsterne Doppelsterne, bei denen die Komponenten mit den besten optischen Geräten getrennt gesehen werden können. 2. Spektroskopische Doppelsterne Doppelsterne, die durch periodische Verschiebungen der Spektrallinien aufgrund von Änderungen der Radialgeschwindigkeit bei der Bewegung um den gemeinsamen Schwerpunkt charakterisiert sind. Die Potsdamer Astronomen Vogel und Scheiner erbrachten 1889 durch die Bestimmung der Radialgeschwindigkeiten den ersten experimentellen Nachweis der Doppelsternnatur von Algol (Bild 3) und entdeckten damit erstmals spektroskopische Doppelsterne. 3. Photometrische Doppelsterne Bedeckungsveränderliche, bei denen die Sichtlinie Beobachter – Gestirn mit der Bahnebene zusammenfällt, so daß sich die Komponenten zeitweilig gegenseitig verdecken. Der Doppelstern-Charakter ist nur durch den charakteristischen Lichtwechsel photometrisch nachweisbar (Bild 3). Hertzsprung und Schneller ermittelten die Dimensionen und Zustandsgrößen der Komponenten vieler photometrischer Doppelsterne, wobei die von Hertzsprung in die Astronomie eingeführte Objektivgittermethode genutzt wurde. 4. Astrometrische Doppelsterne Sterne mit unsichtbaren Begleitern, wobei aus den periodischen Positionsänderungen des Sternes auf die Existenz des unsichtbaren Begleiters geschlossen wird (Bild 4). Güntzel-Lingner erstellte in Potsdam einen umfangreichen Doppelsternkatalog. Anschließende Berechnungen der Bahndaten stellen eine gesicherte Quelle zur Ermittlung der Zustandsgrößen der Sterne dar. Bild 2. Illustration des Masseaustausches in einem engen Doppelsternsystem des Kugelsternhaufens NGC 6624. Die Dauer für eine komplette Umkreisung der Sterne umeinander beträgt nur 11 Minuten. Damit ist dieses binäre System das schnellste bekannte Doppelsternsystem. Der Abstand zwischen beiden Sternen beträgt nur weniger als die Hälfte der Entfernung zwischen Erde und Mond. Bild 3. Schematische Darstellung der Bewegungsverhältnisse des Bedeckungsveränderlichen Sterns Algol im Sternbild Perseus (links) und die zugehörige charakteristische Lichtkurve (rechts). Bei engen Doppelsternen gibt es darüber hinaus die Möglichkeit des Masseaustausches durch einen Gastransport zwischen den beiden Doppelsternkomponenten (Bild 2). Bild 4. Scheinbare Bewegung des Doppelsternsystems Syrius A und B. Die Existenz von Sirius B wurde bereits 1844 von F.W. Bessel, lange vor seiner Entdeckung im Jahre 1862, aufgrund der unregelmäßigen Bahn von Sirius A vorhergesagt. 7 Sternassoziationen und Sternhaufen Sternassoziationen sind kleine Gruppen von einigen zehn sehr jungen Sternen, die über ein relativ großes Gebiet des Himmels verteilt sind (75 bis 500 Lichtjahren). Es sind ca. 1000 Assoziationen bekannt. Die Mitglieder mancher Sternassoziationen befinden sich noch im Kontraktionsprozeß und bewegen sich erst auf die Hauptreihe zu. Sternassoziationen sind einige Millionen Jahre alt und treten vorwiegend in den Spiralarmen in der Ebene des Milchstraßensystems auf. Die Gravitation der wenigen Sterne in einer Assoziation reicht für einen dauerhaften Zusammenhalt nicht aus. Sie lösen sich im Allgemeinen nach etwa 10 Millionen Jahren auf. Bild 1. Der Kugelsternhaufen M 13. Im Zentrum des Haufens betragen die Entfernungen benachbarter Sterne immer noch mehr als 100 Milliarden Sterndurchmesser. Sternhaufen bestehen aus gleichzeitig entstandenen Sternen, deren einzelne Sterne in Bezug auf unsere Sonne gleiche Bewegungsrichtungen aufweisen. Diese Eigenschaft erlaubt eine Entfernungsbestimmung mittels der Parallaxen (hier: kinematische Parallaxen) für Entfernungen größer als 30 pc. Entfernungsbestimmungen von Haufen werden auch durch die Ermittlung der entsprechenden Hertzsprung-Russell-Diagramme durchgeführt. Bei dieser Methode der „Hauptreihenanpassung“ wird die Lage der Hauptreihe mit Hauptreihensternen bekannter Entfernung und Leuchtkraft verglichen. Die Anpassung der beiden Hauptreihen ermöglicht damit die Entfernungsbestimmung für einen Sternhaufen. Es wird zwischen offenen Sternhaufen und Kugelsternhaufen unterschieden. Offene Sternhaufen (Bild 2, 3) enthalten 100 bis 1000 Sterne und besitzen Ausdehnungen zwischen 5 und 50 Lichtjahren. Heute sind mehr als 1000 Haufen bekannt, die sich in der Nähe der Milchstraßenebene befinden. Offene Sternhaufen sind verhältnismäßig junge Gebilde (bis zu 100 Millionen Jahren alt). Kugelsternhaufen enthalten etwa 105 Sterne, die kugelsymmetrisch verteilt sind und deren Sterndichte zum Zentrum des Haufens zunimmt (Bild 1). Es sind mehr als 120 Kugelsternhaufen bekannt, deren Durchmesser zwischen 50 und 300 Lichtjahren liegen. Sie sind als älteste Objekte unserer Galaxis (10 bis 15 Milliarden Jahre alt) im galaktischen Halo (heiße, ionisierte Gashülle) ober- und unterhalb der Milchstraßenebene angeordnet. Bild 2. Dieser auch „Juwelenbox“ genannte offene Sternhaufen NGC 1818 ist mit einem Alter von 40 Millionen Jahren ein junger Sternhaufen. Bild 3. Offener Sternhaufen M 41. Die äußeren Formen und die inneren Strukturen von offenen Sternhaufen können stark variieren. 8 Magnetfelder in unserer Milchstraße Bild 1. Eine Detailaufnahme der Sonne. Deutlich sind Plasmabögen erkennbar, deren Strukturen durch das Magnetfeld der Sonne geprägt wurden. Direkte Messungen mit Raumsonden erbrachten den Nachweis, daß neben der Erde auch der Mond und die meisten anderen Planeten unseres Sonnensystems Magnetfelder aufweisen. Der Raum zwischen den Planeten ist ebenfalls von Magnetfeldern durchsetzt, dem sogenannten interplanetaren Magnetfeld. Dieses Feld ist nahezu vollständig ein Resultat des Sonnenwindes. Neben den intensiv studierten magnetischen Erscheinungen der Sonne konnten mittlerweile auch bei anderen Sternen Magnetfelder nachgewiesen werden. Der Nachweis der Magnetfelder wurde z.B. durch die Aufspaltung oder zumindest durch die Verbreiterung der Absorptionslinien im Magnetfeld des betreffenden Sternes infolge des ZeemanEffektes erbracht. Sterne mit Magnetfeldern gehören größtenteils der A-Klasse (siehe Hertzsprung-Russell-Diagramm) an, doch wurden mittlerweile auch bei Sternen anderer Spektralklassen Magnetfelder gefunden, wie z.B. für Veränderliche RRLyrae-Sterne, M-Riesen, Weiße Zwerge und Neutronensterne. Darüber hinaus existiert ein interstellares Magnetfeld, dessen Feldlinien nahezu parallel zu den Spiralarmen verlaufen (Bild 3). Dieses Magnetfeld verursacht u.a. eine Ausrichtung der interstellaren Staubteilchen, die sich in der Polarisation des beobachteten Sternenlichts niederschlägt. Elektrisch geladene Teilchen wie Elektronen, Ionen und kosmische Strahlung werden in ihrer Bewegung von Magnetfeldern beeinflußt und geführt (Bild 1). So bewirkt beispielsweise die Speicherung und Verwirbelung der kosmischen Strahlung im interstellaren Magnetfeld eine Richtungsgleichverteilung. Magnetfelder spielen weiterhin in rotierenden Systemen (Bild 2) eine wichtige Rolle und sind für die Bildung von Jets (enge, scharf gebündelte Materieausstöße von Radioquellen wie Pulsaren, Quasaren und Blasaren) bedeutsam. Für die Erklärung der schnellen, fast explosionsartigen Intensitätsausbrüche von Sternen, z.B. der Sonnenaktivität, werden ebenfalls Magnetfelder herangezogen. Bild 2. Schematische Darstellung eines Pulsars. Beispiel eines „schiefen Rotators“, bei dem die Rotationsachse und die Achse des Magnetfeldes nicht zusammenfallen. Bild 3. Die Galaxie NGC 6946. Über das optische Bild sind die Magnetfeldstärken (Strichlängen) und ihre Richtungen gelegt. Das Magnetfeld folgt im wesentlichen den Spiralarmen. Zur Beschreibung des Zustandekommens kosmischer Magnetfelder erwiesen sich Dynamomodelle, in Analogie zum Prinzip des Fahrraddynamos, als erfolgreich. Dabei zeigte sich, daß Dynamos für das kosmische Geschehen in einem weiten Größenordnungsbereich maßgeblich sind. An der Entwicklung der Dynamotheorie kosmischer Magnetfelder waren Potsdamer Astrophysiker entscheidend beteiligt. Insbesondere die Dynamotheorie der mittleren Felder wurde hier in Potsdam begründet und ausgearbeitet. Wesentliche Vertreter dieser Forschungsrichtung sind F. Krause, K.-H. Rädler und G. Rüdiger. 9 Beobachtungsverfahren Ein wichtiges Handwerkszeug der Astronomen und Astrophysiker ist eine leistungsfähige Beobachtungs- und Meßtechnik. Zu deren Entwicklung sind viele Anregungen von den Potsdamer Instituten ausgegangen. Eine vollständige Darstellung kann hier aus Platzgründen nicht erfolgen, die Auswahl erfaßt jedoch die wichtigsten Beiträge zu diesem Gebiet. • • • • Bild 1. Das 3,5-m-Spiegelteleskop auf dem Calar Alto (Südspanien). Moderne Großobservatorien entstehen in heutiger Zeit in internationaler Kooperation. • • • • • Bild 2. Das Infrarot-Satellitenobservatorium, ISO, der europäischen Weltraumagentur ESA. Verglichen mit dem sichtbaren Licht wird infrarotes Licht beim Durchgang durch interstellare Materie schwächer absorbiert. Im infraroten Spektralbereich sind deshalb Gebiete des Universums beobachtbar, deren Studium im sichtbaren Spektralbereich nicht möglich ist. • • • • • • • Bild 3. Der Röntgensatellit ROSAT während der Montage. Die Ausdehung des untersuchten Spektralbereiches in den hochenergetischen Bereich wie UV-, Röntgen-, und Gammabereich führte zu zahlreichen neuen Erkenntnissen und erforderte neue Beobachtungstechniken. H.C. Vogel veranlaßte die Konzipierung des sogenannten Doppelrefraktors, die 1889 im Himmelskartenrefraktor und 1899 im Großen Refraktor verwirklicht wurde. J. Hartmann entwickelte 1901 eine Lochblendenmethode zur Prüfung astronomischer Optik. E. Hertzsprung und K. Schwarzschild führten die Nutzung von Objektivgittern zur Bestimmung effektiver Wellenlängen, zur Vermeidung systematischer Fehler bei Doppelsternaufnahmen und zur Erzeugung photographischphotometrischer Skalen ein. E. Kron und K. Schwarzschild erweiterten das photographisch-photometrischen Schwärzungsgesetz auf hohe Intensitäten und Belichtungszeiten. G. Eberhard entdeckte 1912 den photographischen Nachbareffekt, der 1956 durch H. Scheffler als Diffusionsvorgang bei der Entwicklung interpretiert wurde. O. Lohse erprobte bereits 1879 die Methode zur photographischen Bestimmung von Farbäquivalenten unter Ausnutzung der chromatischen Abberation einfacher Objektive und veröffentlichte diese 1881, lange bevor diese Methode zur Entwicklung des „longitudinalen Spektrographen“ nach Tikhoff und Tamm 1916 in Pulkovo führte. J. Hartmann entwarf ein Mikrophotometer. H. Vogel, J. Wilsing u.a. konstruierten einen Spaltspektrographen. K. Schwarzschild bewies die Verwendungsmöglichkeiten von Objektivprismen zur Bestimmung von Radialgeschwindigkeiten. J. Hartmann konstruierte 1912 einen Spektrenkomperator zur Messung von Linienverschiebungen in Sternspektrogrammen. G. Müller und H. Vogel führten Messungen von Brechzahlen und Absorptionskoeffizienten in optischen Medien durch. J. Hartmann stellte 1898 eine Dispersionsformel auf. H. Künzel und K. Mie untersuchten Polarisationsinterferenzfilter. F.W. Jäger, L. Oetken und G. Ruben studierten die instrumentelle Polarisation. H. Kienle konstruierte in den 40-er Jahren dieses Jahrhunderts ein 2-m-Schmidt-Universalteleskop. P. Guthnick führte 1911 die Verwendung lichtelektrischer Photometer in die astronomische Meßtechnik ein.