Lilienhähnchen (Lilioceris lillii) Viele Gartenbesitzer freuen sich mit dem beginnenden Frühjahr auf die eindrucksvollen Blüten der Kaiserkrone (Fritillaria imperialis). Allerdings hat man nicht immer die Chance diese Blüte auch zu erleben. Immer wieder kommt es vor, dass man stattdessen beobachten kann wie kleine Larven die Fritillaria mit einer – ebenfalls beeindruckenden – Geschwindigkeit kahl fressen. Hinter dem Kahlfraß stecken die Larven des Lilienhähnchens (Lilioceris lillii). Er gehört zu den Blattkäfern bzw. zu deren Unterfamilie Criocerinae oder Zirpkäfer. Namensgebend für diese ist das zirpende Geräusch, welches die Käfer hervorbringen. Dies geschieht, wenn Sie sich bedroht oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sehen (z.B. bei leichtem Druck mit der Fingerspitze auf den Käfer) und die Strategie „Fallenlassen und tot stellen“ nicht ausreicht. Das Zirpen ist auch der Grund für den deutschen Namen „Hähnchen“. In ihrer Ernährung sind die meisten Zirpkäfer auf einkeimblättrige Pflanzen angewiesen. Sie treten als Schädlinge bestimmter Pflanzenfamilien in der Landwirtschaft (Getreidehähnchen), im Gemüsebau (Spargelhähnchen) und im Hausgarten (Lilienhähnchen) auf. Lebenszyklus Lilienhähnchen findet man je nach Region und Witterungsverlauf ab März / April im Garten. Dabei handelt es sich entweder um frisch geschlüpfte Käfer oder aber solche, die in Käferform überwintert haben. Die Tiere sind ca. 6 – 9 mm groß. Die Beine sowie der Kopf mit den relativ langen Fühlern sind schwarz. Im Kontrast dazu sind Rückenschild und Deckflügel von einem kräftigen Rot. Unter der Lupe kann man auf den Deckflügeln gut Reihen von flachen Senken erkennen, die im Bereich der Flügelspitzen kleiner werden. LALLF Rostock, Pflanzenschutzdienst, Matthias Wuttke 26.04.2012 Die Käfer fressen zunächst eine Weile an Liliengewächsen, um Reserven für die anstehende Paarungssaison zu bilden und ihre Gonaden (Geschlechtsdrüsen) ausreifen zu lassen. Ab etwa Mitte April bis Anfang Mai (abhängig von der Witterung) ist es dann soweit. Die Lilienhähnchen widmen sich voll und ganz dem Arterhalt und lassen sich in dieser Tätigkeit auch durch nichts stören. Im Zweifelsfall flüchten Sie, aufgeschreckt durch den Gartenbesitzer lieber gemeinsam als den Reproduktionsvorgang zu unterbrechen. Als Folge dieser Aktivitäten finden sich bald darauf an den Wirtspflanzen blattunterseits entlang der Mittelrippen Gelege mit 10-12 hintereinander aufgereihten Eiern. Diese sind länglich-oval, ca. 1-2 mm groß und von zunächst rötlicher, später bräunlicher Farbe. In der Regel wird das Gelege noch mit einer zähflüssigen Substanz zum Schutz vor Fraßfeinden überzogen. Ein einzelnes Weibchen kann zwischen 150 (als Käfer überwintert) bis 350 (als Puppe überwintert) Eier legen. Nach 6-10 Tagen schlüpfen die Larven und beginnen – bevorzugt auf der Blattunterseite – unverzüglich zu fressen. In den darauffolgenden ca. vier Wochen werden sie drei Larvenstadien (L1 bis L3) durchlaufen. Diese sind erst weißlich-gelb und werden später rötlich. Im vierten Larvenstadium lassen die Tiere sich zum Boden herab und spinnen in der Erde einem Kokon, in dem sie sich verpuppen. Nach 20-22 Tagen schlüpft ein neues Lilienhähnchen. Je nach klimatischen Bedingungen können bis zu vier Generationen entstehen, in Deutschland sind es in der Regel eine bis drei Generationen. Auffällig an den Larven ist deren Verteidigungsstrategie gegen Fressfeinde. Die proteinreichen und nicht sehr mobilen Larven würden für eine Reihe von Insekten und Vögeln einen willkommenen Leckerbissen darstellen. Daher haben die Larven eine etwas unkonventionelle Methode der Feindabwehr ersonnen. Sie hüllen ihren Körper – bis auf den Kopf – in eine Schicht ihrer eigenen Exkremente. Das verdirbt nicht nur potentiellen Angreifern den Appetit sondern schützt die Larven zudem noch vor dem Austrocknen. Nicht zuletzt diesem Trick verdanken es die Lilienhähnchen, dass sie sich über ihren ursprünglichen Lebensraum Asien und Teilen von Europa hinaus auch erfolgreich in Großbritannien, Afrika, Nordamerika und Kanada etablieren konnten. LALLF Rostock, Pflanzenschutzdienst, Matthias Wuttke 26.04.2012 Abbildung 1: Larven des Lilienhähnchens beim Fraß an einer Kaiserkrone. Foto: Dr. R. Schmidt, LALLF Wirtspflanzen Lilienhähnchen sind wie der Name schon andeutet auf Liliengewächse als Futterpflanzen angewiesen. Zum Wirtspflanzenkreis gehören: Kaiserkronen (Fritillaria imperialis), Schachbrettblumen (Fritillaria meleagris), Madonnenlilien (Lilium candidum), Weiße Lilien (Lilium candidum), Feuerlilien (Lilium bulbiferum), Königslilien (Lilium regale), Türkenbundlilien (Lilium martagon) gehören zu den bevorzugten Nahrungspflanzen. Sind diese nicht verfügbar, kann auch auf andere Arten ausgewichen werden. Dazu zählen Salomonssiegel (Polygonatum multiflorum), Maiglöckchen (Convallaria majalis), Lauch-Arten (Allium) und Nachtschattengewächse (Solanaceae). LALLF Rostock, Pflanzenschutzdienst, Matthias Wuttke 26.04.2012 Mögliche Verwechselung Hin und wieder wird Liliocercis lilii mit der eng verwandten Art Lilioceris merdigera (Maiglöckchenhähnchen, Rotbeiniges Lilienhähnchen) verwechselt. Liliocercis merdigera hat jedoch einen roten Kopf und großteils rote Beine. Sie richten ihren Speiseplan neben Maiglöckchen verstärkt an Zwiebelgewächsen sowie Spargel und Polygonatum aus. Wenn Sie unsicher sind, um welche Art es sich bei ihren Hähnchen handelt, finden Sie eine Reihe guter Fotografien zu beiden Arten im Internet. Bekämpfung Um einen Kahlfraß zu vermeiden, sollte man ab Mitte / Ende April die Pflanzen regelmäßig auf Eiablage kontrollieren. Spätestens wenn die ersten Larven schlüpfen und zu fressen beginnen, wird es Zeit zu handeln. Je nach persönlichen Vorlieben bieten sich mehrere Strategien an. Chemische Bekämpfung Mittel, die über (teil-)systemische Wirkstoffe verfügen, haben den Vorteil, dass sie sich in der Pflanze verteilen und so auch versteckt sitzende Larven erfassen (z.B. Mittel auf Basis von Acetamiprid, Thiacloprid, Dimethoath). Bei nicht systemischen oder translaminaren (= “sickert“ von Blattoberseite auf Blattunterseite „durch“) Wirkstoffen mit reiner Kontaktwirkung auf eine besonders gute Benetzung der Pflanzen achten! Die Fachberatung ihrer Gärtnerei oder Gartencenters hilft Ihnen gerne bei der Wahl entsprechender Mittel. Im Zweifelsfall wenden Sie sich an Ihren Pflanzenschutzdienst. Hausmittel Zur Bekämpfung von Insekten mit Hausmitteln kursieren eine Vielzahl an Tipps und Tricks mehr oder minder hoher Anwendbarkeit und Erfolgsquote. Brennnesselbrühe zählt in diesem Zusammenhang ebenso zu den Klassikern wie Kaffeesatz als Pulver oder in Lösung. Beides mit wechselndem Erfolg. LALLF Rostock, Pflanzenschutzdienst, Matthias Wuttke 26.04.2012 Teilweise wird von guten Erfahrungen mit dem Versuch berichtet, die Larven auszutrocknen. Dabei werden im wahrsten Sinne des Wortes die Blätter der Lilien mit geeigneten Materialien „bestäubt“. Der Effekt basiert darauf, dass die Larve beim Kriechen durch den trockenen Staubfilm zu viel Wasser verliert und vertrocknet. Das Verfahren hat aber auch eine Reihe von Nachteilen. So muss der Belag regelmäßig erneuert werden, bei feuchter Witterung sinkt die Wirkung rapide und der Belag kann ggf. einen unattraktiven Belag auf den Blättern bilden. Zudem ist die Methode relativ arbeitsintensiv. „Zigarettenbrühe“ liefert immer wieder recht zuverlässige Ergebnisse. Zigaretten bzw. Stummel in Wasser einweichen lassen, etwas Kernseife hinzugeben. Nach ein bis zwei Tagen gegen die Insekten einsetzen. Bei der Anwendung unbedingt geeignete Schutzkleidung und Handschuhe tragen! Der Effekt basiert primär auf dem in den Zigaretten enthaltenen Alkaloid Nikotin, das als Nervengift wirkt. Nikotin wird vom Menschen auch über die Haut aufgenommen! Aufgrund der hohen Giftigkeit (T+) von chemisch reinem Nikotin, das früher als Pflanzenschutzmittel genutzt wurde, besteht für dieses seit den 1970ern ein Anwendungsverbot. Heute stellt Nikotin die Basis einer Gruppe moderner Pflanzenschutz-Wirkstoffe im Erwerbsgartenbau, der sogenannten Neonicotinoide, dar. Je nach behandelter Pflanzenart und Konzentration der Zigarettenbrühe kann es eventuell zu Unverträglichkeiten bei ihren Pflanzen kommen. Sind Sie sich nicht sicher, wie das Mittel vertragen wird, testen Sie es zunächst nur an einzelnen Pflanzen einer Art oder Sorte. Mechanische Bekämpfung Das Absammeln der Käfer verspricht nur geringen Erfolg, da Lilienhähnchen ausgezeichnete Flieger sind und die Pflanzen immer wieder, auch über große Distanzen, neu besiedeln. Besser steht es mit dem Entfernen der Larven, da diese keine großen Strecken zurück legen können. Aufgrund der Kothülle an den Tieren empfiehlt sich die Verwendung von Handschuhen. LALLF Rostock, Pflanzenschutzdienst, Matthias Wuttke 26.04.2012