Puvogel, Ulrike/Stankowski, Martin unter Mitarbeit von Ursula Graf

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Puvogel, Ulrike/Stankowski, Martin unter Mitarbeit von Ursula Graf, Gedenkstätten für
die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Bonn 1995, Nachdruck 1996, Band I, S. 658-660
Gau-Algesheim
Am Ehrenmal der Stadt Gau-Algesheim zur Erinnerung an die Toten der beiden Weltkriege
wurde am Volkstrauertag 1986 eine Gedenktafel für die ermordeten jüdischen Mitbürger von
Gau-Algesheim angebracht. In einem Gedenkbuch in einer Kassette unter der Dornenkrone
des Ehrenmals sind die Namen der 21 ermordeten Gau-Algesheimer Juden und die Namen
zweier behinderter Kinder, die Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie«-Morde wurden, sowie der Name ihres Vaters, der gegen den Mord protestiert hatte und deshalb im
Konzentrationslager ums Leben kam, eingetragen. Die Kinder wurden im Psychiatrischen
Krankenhaus Eichberg (s. Hessen: Eltville) umgebracht.
In der Laurenzi-Kapelle bei Gau-Algesheim befindet sich eine Gedenkstätte für die katholischen Opfer der NS-Herrschaft im Bistum Mainz. Es handelt sich um mehr als 100 Personen. Im August 1986 wurden in der Kirche Porträts von sieben Priestern und Laien angebracht, die wegen regimekritischer Äußerungen ermordet wurden:
Friedrich Coy, geboren 1891 in Habitzheim (Hessen), von Beruf Schreiner, als Angehöriger
der Zentrumspartei 1933 aus dem Amt eines Gemeinderatsmitglieds in der Odenwaldgemeinde Hering entfernt, wurde am 3. Juli 1944 im Zuchthaus Brandenburg an der Havel mit
dem Fallbeil getötet. Er hatte sich gegen die Fortsetzung des Krieges ausgesprochen und
war angezeigt worden. In seiner Heimatkirche in Hering im Odenwald (Hessen) ist am 24.
Januar 1988 ein Gedenkstein enthüllt worden (s. Hessen: Otzberg).
Emil Darapsky, geboren 1906 in Mainz, wurde 1941 wegen Krankheit aus der Wehrmacht
entlassen und lebte danach als Assessor in Wöllstein in Rheinhessen. Wegen regimekritischer und gegen den Krieg gerichteter Äußerungen wurde er am 14. Oktober 1943 verhaftet
und am 6. September 1944 zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil wurde am 30.
Oktober 1944 vollstreckt.
Anton Knab, 1878 in Bodenheim geboren, seit 1928 Lehrer an einer Schule in Wöllstein,
hatte wiederholt abfällige Bemerkungen über Hitler gemacht und sich gegen den Krieg ausgesprochen. Anfang November 1943 wurde er in Haft genommen. Trotz Freispruchs vor dem
»Volksgerichtshof « in Berlin am 6. September 1944 wurde er auf dem Weg nach Wöllstein
von der Gestapo festgenommen. Das letzte Lebenszeichen für seine Angehörigen war eine
aus einem Waggon bei Köln-Deutz herausgeworfene Karte. Nach Zeugenaussagen starb er
am 14. März 1945 im Konzentrationslager Dachau: Er wurde von einem Aufseher erschlagen, als er bei der Arbeit zusammengebrochen war.
Ernst Schneider, geboren 1914 in Heppenheim/ Bergstraße (Hessen), wurde am 26. Mai
1944 in Berlin-Tegel hingerichtet. Der Obergefreite war aufgrund seiner in Privatgesprächen
vorsichtig geäußerten Kritik an Nationalsozialismus und Krieg verhaftet worden. Sein Leichnam wurde nach dem Krieg in seine Heimatstadt Heppenheim überführt, wo heute eine
Straße seinen Namen trägt.
Heinrich Zöhren, 1903 in Krefeld geboren, trat 1923 in den Kapuzinerorden ein (sein Ordensname: Pater Dionys) und war lange Jahre als Subpräfekt an der Klosterschule in Bensheim. 1940 wurde er nach Maria-Einsiedeln bei Gernsheim versetzt. Bei einer Hausdurchsuchung am 20. März 1941 im dortigen Kloster fand die Gestapo Predigtmanuskripte aus den
Jahren vor 1933, in denen sich der Pater gegen den Nationalsozialismus ausgesprochen
hatte. Er wurde verhaftet und ins Gefängnis nach Darmstadt gebracht. Im Mai 1941 kam er
in das Konzentrationslager Dachau, wo er 1943 völlig entkräftet an Typhus starb.
Karl Schwenk, 1883 in Frankfurt am Main geboren, Pfarrer in Lindenfels. Nach jahrelangen
Konflikten mit den NS-Behörden wurde er am 14. März 1941 wegen Abhörens ausländischer
Sender verhaftet und ins Gefängnis nach Darmstadt gebracht. Er starb am 4. August 1941 in
Lindenfels an den Folgen der Haft.
Rudolf Seibert, geboren 1898 in Nieder-Olm, Mitglied des katholischen Jugendverbands
DJK, war seit 1926 Lehrer an der Volksschule Sörgenloch, wo ihm im Juli 1933 SA-Leute
Verletzungen zufügten, an deren Folgen er einige Monate später starb.
Inzwischen kamen Porträts weiterer katholischer Regimegegner hinzu:
Johann Petri, geboren am 30. März 1889 in Cölln/ Saar, war bis zur Auflösung seines Klosters durch die NS-Behörden 1937 dreißig Jahre Franziskanerordensbruder in der Pflege Behinderter, danach Küster in St. Alban/Mainz. Er wurde wegen einer ironischen Bemerkung
zum Kriegsgeschehen in einem Bäckerladen 1942 verhaftet und ist im Konzentrationslager
Dachau 1942 angeblich an einer Lungenentzündung verstorben. Seine Asche ist in Hubbelrath bei Düsseldorf beigesetzt, der Grabstein wurde 1980 entfernt, er befindet sich jetzt an
der Hubbelrather Kirche.
Rosa Bertram, geboren am 22. Juni 1889 in Worms, jüdischer Herkunft, wurde 1919 katholisch, Mitglied der Dompfarrei in Worms. Am 19. Dezember 1944 wurde sie verhaftet und am
24. März 1945 in Bensheim von der Gestapo erschossen. 1991 wurde für sie eine Gedenktafel im Wormser Dom enthüllt.
Adolf Falkowski, geboren 1917 in Mainz, Leiter der Katholischen Jugend in St. Christoph in
Mainz, wurde wegen seiner Jugendarbeit und eines kritischen Schulaufsatzes verhaftet und
war von 1936 bis 1939 im Konzentrationslager Dachau. Er ist seit 1944 in Griechenland
vermißt.
Zinsser, Eduard, geboren 1875 in Seibelsdorf/Oberhessen, kam kurz nach seiner Priesterweihe 1902 nach Offenbach und arbeitete dort als Lehrer. 1929 übernahm er das Amt des
Diözesan-Präses der Gesellenvereine, der späteren Kolpingfamilie. Am 11. Juni 1933 wurde
er auf dem Internationalen Gesellentag im Liebfrauendom in München von randalierenden
SA-Leuten zu Boden geschlagen und geriet dadurch in solche Aufregung, daß er während
der Wandlung im Dom einen Herzschlag erlitt und in der Kirchenbank verstarb.
Koplin, Anizet, geboren 1875 in Preussisch-Friedland, trat 1893 in Sigolsheim im Elsaß in
den Kapuzinerorden ein und arbeitete als Pfarrer im Odenwald und im rheinischwestfälischen Raum. Wegen seines Einsatzes für Hilfsbedürftige, darunter auch Juden, wurde er am 27. Juni 1941 zusammen mit 22 Mitgliedern des Kapuzinerkonvents in Warschau
von der Gestapo verhaftet und ins KZ Auschwitz gebracht, wo er einen elenden Tod starb.
Man hatte ihn und andere Häftlinge in eine Grube geworfen und sie mit ungelöschtem Kalk
überschüttet, so daß sie bei lebendigem Leib verätzt wurden.
Auch die Bilder von Pfarrer Alfred Delp (s. Hessen: Dieburg, Lampertheim) und Dr. Friedrich Bockius (s. Bubenheim) sind in der Laurenzikirche ausgestellt.
Quellen/Literatur:
Hellriegel, Ludwig, Märtyrer 33/45. Verfolgung und Widerstand der Kirche im Bistum Mainz, Hrsg.: Carl-BrilmayerGesellschaft, Gau-Algesheim 1984 (Beiträge zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes 10); Ders., Judaica.
Die Geschichte der Gau-Algesheimer Juden, Hrsg.: Carl-Brilmayer-Gesellschaft, Gau-Algesheim 1986 (Beiträge
zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes 22A); Ders., Widerstand und Verfolgung in den Pfarreien des
Bistums Mainz, Dokumentation, Bd. 1: Rheinhessen, Bd. 2: Starkenburg, Bd. 3: Oberhessen, Hrsg.: Abteilung
Öffentlichkeitsarbeit des Bischöflichen Ordinariates Mainz in Zusammenarbeit mit der Carl-BrilmayerGesellschaft, Gau-Algesheim 1989–1991; Hinkel, Erich, Gau-Algesheimer Ehrenmale, Gau-Algesheim 1983
(Beiträge zur Geschichte des Gau-Algesheimer Raumes 11).
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