Gespenstschrecken sind herbivore Insekten, also Pflanzenfresser. Mit ihren beißend-kauenden Mundwerkzeugen nehmen sie frisches Blattmaterial auf. Mit gestrecktem Kopf beginnen sie am Blattrand zu fressen und knicken dabei ihren Kopf nach unten ab. Der Rest des Körpers bleibt in Ruhestellung. Dadurch entsteht am Blatt eine bogenförmige Fraßspur. Ist der Kopf bis zum Anschlag eingeknickt oder der Blattrand wieder erreicht, wird der Kopf wieder zum Ausgangspunkt gestreckt und entlang der Fraßspur der Bogen um etwa einen weiteren Millimeter erweitert. Am nächsten Morgen sind die Spuren der Fraßaktivität der vergangenen Nacht deutlich zu sehen: an den Blatträndern fehlen bogenförmige Abschnitte. Gespenstschrecken fressen nie von der Blattmitte aus. Im Lebenszyklus eines Insekts ist die Zahl der Häutungen bei den meisten Arten genau festgelegt und liegt bei den Weibchen oft etwas höher als bei den kleiner bleibenden Männchen. Geschlechtsreife Insekten häuten sich im Gegensatz zu Krebstieren nicht mehr. Gesteuert wird die Häutung hormonell durch ein Wechselspiel zwischen dem Häutungshormon und dem Juvenilhormon. Eine mangelhaft ernährte Larve, die im Wachstum zurückbleibt, wird sich dennoch häuten. Die zum Teil enorme Größenvariabilität adulter Insekten liegt häufig in Unterschieden in der Ernährungssituation während der Larvalentwicklung begründet. Die meisten Gespenstschrecken erreichen eine Länge von 9 bis 12 cm. Die kleinsten Arten sind nur 2 bis 3 cm lang, während die größten Arten eine Körperlänge von über 30 cm erreichen können (Bild unten: Achrioptera). Damit zählen die Gespenstschrecken zu den längsten Insekten der Erde. Ein Wandelndes Blatt beim Fressen In Bezug auf die Futterpflanze sind die meisten Gespenstschrecken nicht sehr wählerisch – eine Reihe der in Mitteleuropa heimischen Pflanzenarten werden angenommen. Auch darin liegt der Schlüssel für die erfolgreiche Haltung. Die meisten Arten fressen BrombeerBlätter. Weitere Futterpflanzen sind Eiche, Rhododendron, Liguster und Efeu. Einige Arten gedeihen besser, wenn sie mit GuaveBlättern gefüttert werden. Oreophotes peruana ist auf Farn spezialisiert. Auf den Seiten 14 bis 17 werden die wichtigsten Futterpflanzen genauer beschrieben. Auch wenn Gespenstschrecken einige Tage oder Wochen hungern können, garantiert die kontinuierliche Versorgung mit frischem Pflanzenmaterial optimale Zuchterfolge. Mit der Nahrung wird auch der Wasserbedarf gedeckt und gut mit Nahrung versorgte Weibchen legen mehr Eier. Peter Sowig: Gespenstschrecken – bizarre Schauinsekten Biologie, Haltung und Zucht 6 Auch Blätter von Eichen (Gattung Quercus) werden von vielen Arten akzeptiert. Eichenblätter stehen nur in der warmen Jahreszeit zur Verfügung. Aus dem Mittelmeergebiet stammt die immergrüne Steineiche (Quercus ilex), die in Mitteleuropa in wintermilden Gegenden in Parkanlagen zu finden ist und ganzjährig zur Verfügung steht. Im Spätsommer werden die Blätter der heimischen Arten häufig von einem Mehltau befallen und dadurch ungenießbar. In Parkanlagen sind mitunter amerikanische Eichen (Bild unten) zu finden, die länger in den Herbst hinein grün bleiben. Erkennbar sind manche dieser Arten an den spitzen, nicht abgerundeten Blatträndern. Links: auch die Nordamerikanische Roteiche, erkennbar an den spitz zulaufenden Blättern, ist eine geeignete Futterpflanze. Während die Blätter der heimischen Eichenarten im Sommer häufig von einem Mehltau befallen werden und sich verfärben, sind Roteichen gegen diesen Pilz weitgehend immun und ihre Blätter bleiben frisch grün Im Wasserglas bleiben Eichenzweige nur wenige Tage frisch. Danach welken die Blätter und rollen sich ein. Werden diese Zweige aus dem Insektarium entnommen, müssen die eingerollten Blätter genau untersucht werden, denn kleinere Larven verstecken sich gerne darin. Unter Eichenbäumen kann man im Herbst Eicheln sammeln, die in der feuchten Laubstreu häufig schon vorgekeimt sind. In Töpfen lassen sich so kleine Eichen ziehen. Gerade von Larven, z. B. wandelnden Blättern, werde diese jungen Eichenblätter gerne genommen. Die abgefressenen Jungpflanzen können wieder neu austreiben. Mit dieser Methode wird man keine kompletten Zuchten versorgen können, hat aber ein wertvolles Erstfutter für frisch geschlüpfte Larven. Im Winter findet man in der Laubstreu unter Eichen vorgekeimte Eicheln, die bereits eine Wurzel gebildet haben. In einer kleinen Erdschale lassen sich daraus leicht kleine Eichenbäumchen ziehen. Peter Sowig: Gespenstschrecken – bizarre Schauinsekten Biologie, Haltung und Zucht 15 Unter den phytophagen Insekten gibt es nur wenige Arten, die sich auf Farne spezialisiert haben. Eine davon ist die aus den Bergwäldern Perus stammende Farnschrecke. Neben der ungewöhnlichen Diät ist die kontrastreiche Färbung eine weitere Besonderheit unter den ansonsten unauffällig braun und grün gefärbten Stabschrecken. Die Grundfärbung der Farnschrecke ist schwarz. Im Kontrast dazu stehen gelbe, orange und rote Warnfarben, denn bei Gefahr kann die Farnschrecke ein giftiges, stechend riechendes Milchsekret absondern. Bei den korpulenteren Weibchen überwiegen die Gelb- und Orange-Töne am Kopf, dem Hinterende, den Beinansätzen und den Knien. Thorax und Abdomen sind gelb gestreift. Die Männchen sind leuchtend rot. Kopf-Rumpf-Länge Männchen 5.5-6.5 cm; Weibchen 6.0-7.5 cm Eier: schwarz marmoriert; linsenförmig, 2 x 2.5 x 3 mm. Embryonalentwicklung: 5 Monate (bei 20-22°C) Larven: Kopf-Rumpf-Länge 12-14 mm; schwarz; Kopf, Hinterende und Beinansätze gelb ähnlich wie die adulten Weibchen Larvalentwicklung: 6 Monate bei 22°C Männchen der Farnschrecke. Das verdickte und wie der Kopf gefärbte Hinterende macht es für einen Fressfeind schwer zu erkennen, wo der Kopf und wo das Hinterende ist. Abernten von Farnen in Wäldern ist aus Sicht des Naturschutzes auch nicht vertretbar. Eine Ausnahme bildet der Adlerfarn, der an degenerierten Standorten oft große Bestände ausbildet und andere Für die Haltung eignen sich Insektarien ab einer Höhe von 40 cm. Arten verdrängt. An feucht-schattigen Plätzen im Garten lassen sich Entsprechend ihrer montanen Herkunft darf die Farnschrecke nicht robuste Großfarne ziehen, von denen regelmäßig Wedel geschnitten zu warm gehalten werden. Temperaturen über 25°C sind zu werden können. Problematisch wird es im Winter, wenn keine vermeiden. Eine Nachtabsenkung unter 18°C wird ohne weiteres frischen Farnwedel ausgebildet werden. Spätestens im Februar sind toleriert. Die Luftfeuchtigkeit sollte bei 80% liegen. Treten vermehrt in der Natur die letzten Farnwedel vertrocknet. Erst im Mai treiben Häutungsprobleme bei den Larven auf, deutet dies auf zu geringe frische Wedel aus. Diese Versorgungslücke kann man nur durch die Luftfeuchtigkeit hin. Allabendliches Besprühen der Futterpflanzen Zucht tropischer Farne im Zimmer oder Gewächshaus schließen. ist daher absolut notwendig. Auf keinen Fall dürfen neu gekaufte Farne direkt und ohne Wartezeit Die Haltung der Farnschrecke sollte man nur dann in Erwägung verabreicht werden. Ich habe dabei einmal innerhalb von zwei Tagen ziehen, wenn man ausreichend Farne als Futterpflanzen zur meine komplette Zucht eingebüßt. Wahrscheinlich war der Farn mit Verfügung hat. Farnwedel halten sich nicht lange in der Vase. Das Insektiziden behandelt. Peter Sowig: Gespenstschrecken – bizarre Schauinsekten Biologie, Haltung und Zucht 28 Die Malaysische Riesengespentschrecke ist der größte Vertreter der in Südostasien heimischen Heteropterygidae. Die massigen Weibchen legen ihre Eier in feuchter Erde ab und haben dazu einen spitzen Ovipositor am Hinterleib. Die Ähnlichkeit mit den Eurycantha-Arten beruht auf reiner Analogie bedingt durch die ähnliche Lebensweise und ist nicht verwandtschaftlich bedingt. Die Geschlechter sind bei dieser Art sehr deutlich zu unterscheiden. Die dunkelbraunen, schlanken Männchen haben voll ausgebildete Flügel. Der Kopf (Titelbild dieses eBooks) ist stärker bedornt als bei den Weibchen. Die massigen, hellgrünen Weibchen sind flugunfähig können aber mit ihren häutigen Hinterflügeln ein zischendes Geräusch erzeugen. Dabei werden die lederartigen Vorderflügel abgespreizt und dienen möglicherweise als Schallreflektoren. Dieses Warnsignal ist noch in 2 m Entfernung deutlich hörbar. Ein weiteres Abwehrverhalten besteht darin, die bedornten Hinterbeine aufzurichten, abzuspreizen und schnell zusammenzuklappen. Rechts: Heteropteryx-Pärchen in Kopula. Die Tiere wurden für das Foto auf ein Fensterblatt gesetzt. Dies ist keine Futterpflanze. Unten links: Heteropteryx - Weibchen bei der Eiablage in eine flache Schale mit feuchtem Torf. Kopf-Rumpf-Länge Männchen: 9-13 cm; Weibchen bis 17cm, 50-70 g Eier: bauchig tönnchenförmig, dunkelgrau, 5 x 8 mm (Abb Seite 10) Embryonalentwicklung: 8-10 Monate Larven: graubraun; Weibchen werden später grünlich; Larvalentwicklung: 9-12 Monate Peter Sowig: Gespenstschrecken – bizarre Schauinsekten Biologie, Haltung und Zucht 35 Heteropteryx-Larven sind anfänglich braun. Nach zwei oder drei Häutungen bei einer Größe von etwa 4 cm zeigen die weiblichen Larven erste Anzeichen einer Grünfärbung (Bild unten). Erst im 6. Larvenstadium sind die Weibchen leuchtend hellgrün. Bereits ab dem ersten Larvenstadium sind die Weibchen anhand des spitz zulaufenden Abdomens zu erkennen. Ähnlich wie Eurycantha neigen die Heteropteryx-Larven zu Aggregationen in höhlenförmigen Versteckplätzen. Auf Grund ihrer Größe erfolgt die Haltung in geräumigen Insektarien. Idealerweise sollten adulte Tiere und die letzten Larvenstadien vor der Häutung in mindestens 60 cm hohen Insektarien gehalten werden. Heteropteryx sind untereinander weniger aggressiv als Eurycantha. Dennoch sollten diese schweren Insekten nicht zusammen mit filigranen Stabschrecken oder Rechts: eine Heteropteryx dilatata-Larve droht mit erhobenem Hinterleib und den gespreizten, dornenbewehrten Hinterbeinen. Bei Berührung klappen die Beine blitzartig zusammen Wandelnden Blättern zusammengehalten werden. Auch bei zu großen Individuendichten in der Heteropteryx-Zucht häufen sich Fehlhäutungen. Gefüttert wird mit Brombeere und Eiche. Die Haltung kann bei Zimmertemperatur oder leicht erhöhter Temperatur erfolgen. Adulte Weibchen benötigen eine Erdschale für die Eiablage. Entsprechend ihrer tropischen Herkunft sollten die Futterpflanzen regelmäßig besprüht werden. Bild links: Seitenansicht des Kopfes eines adulten Heteropteryx-Weibchens Peter Sowig: Gespenstschrecken – bizarre Schauinsekten Biologie, Haltung und Zucht 36 Weitere eBooks des Autors Übersicht über alle eBooks von Peter Sowig auf xinxii.com: http://www.xinxii.com/asresults.php?search_in_ description=1&s4=sowig&x=25&y=6 http://www.xinxii.com/der-rotaugenlaubfroschagalychnis-callidryas-p-320992.html http://www.xinxii.com/en/derzwergkrallenfrosch-hymenochirusboettgeri-p-335996.html http://www.xinxii.com/zehnproblemlose-aquarienpflanzenp-316179.html http://www.xinxii.com/naturer lebnis-everglades-p315839.html http://www.xinxii.com/die-chinesische-rotbauchunkebombina-orientalis-p-322592.html http://www.xinxii.com/lebendfutter-furamphibien-und-reptilien-p-331781.html http://www.xinxii.com/en/die-indischeriesen-gottesanbeterin-hierodulamembranacea-p-332785.html http://www.xinxii.com/naturerlebnis-kalifornien-band-p325591.html http://www.xinxii.com/naturerlebnis-kalifornien-band-p325590.html http://www.xinxii.com/naturerlebnis-kalifornien-band-p325588.html