Ökologie der Vögel

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Sibylle Stöckli: FOK 09/10
Ökologie der Vögel
1. Was ist Ökologie
Sprachliche Herleitung:
oikos (grch.) = Haus, Haushalt
logos (grch.) = Lehre, Wissenschaft
Ökologie ist die Wissenschaft von den Faktoren, welche die Verteilung und die
Häufigkeiten von Organismen bestimmen. Charles Krebs 1978
Ökologie ist die Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen Organismen
und der unbelebten (Klima, Boden und Wasser) und der belebten (z.B. Artgenossen,
Feinde) Umwelt (biotische und abiotische Umweltfaktoren). Ernst Haeckel 1866
Was gehört zur Ökologie
Individuen: Wechselbeziehung zwischen Organismus und der unbelebten (abiotischen) und
belebten (biotischen) Umwelt.
Populationen: Verteilung und Häufigkeit einer Population. Beziehungen von Organismen
einer Population untereinander sowie Wechselwirkungen zwischen Populationen und ihrer
Umwelt.
Lebensgemeinschaften: Zusammensetzung und Funktion einer Lebensgemeinschaft.
2. Der Vogel und seine Umwelt
Einfluss durch unbelebte,
abiotische Umweltfaktoren
Einfluss durch andere Lebewesen
biotische Umweltfaktoren
Temperatur
Niederschlag
Jahresmittel
Jahres- und
Tagesmittel,
Schwankungen
Extremwerte
Fressfeinde
Nahrung
Menge,
Jahresverteilung
Menge,
Erreichbarkeit
Licht
Zeitgeber
Tag, Jahreszeit
Konkurrenten
Innerartliche und
zwischenartliche
Wind
Parasiten
zB.
Federlinge
Boden und
Wasser
Material (Lehm, Kies,
Fels), Festigkeit,
Wasserfläche, -Tiefe,
Strömung
Vegetation
Pflanzenarten,
Dichte, Höhe,
Schichtung, Struktur
Nistplätze,
Baumhöhlen,
Warten, Schutz
Abb. 1: Verschiedene Einflüsse haben Auswirkungen auf den Vogel.
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Die Vögel sind durch einen langen Evolutionsprozess den jeweiligen Anforderungen
(Abb. 1) angepasst in Körperbau und Verhalten. Von den zufällig entstehenden
Varianten haben nur die Angepassten (engl.: survival of the fittest) gute
Überlebenschancen und können ihre Gene häufiger weitergeben.
- an die Nahrung:
- an den Boden :
- an die Temperatur:
- an die Fressfeinde:
- an die Konkurrenten:
Schnabelgrösse, -form, innerer Bau
Bau der Füsse, Bewegungsweise
Gefieder, Stoffwechsel, Verlauf Blutgefässe, Verhalten
Tarnung, aggressives Verhalten
aggressives Verhalten ("Hassen"), Verstecken
Der wohl entscheidendste abiotische Faktor ist die Temperatur.
a. Körpertemperatur
Die Körpertemperatur der Vögel ist, unabhängig von der Umwelt, weitgehend konstant. Die
normale Körperkerntemperatur verschiedener Vogelarten liegt zwischen 38 und 42° C. Über
einen gewissen Bereich der Umgebungstemperatur kann der Vogel seine Körpertemperatur
relativ konstant halten, ohne zusätzliche Energie für die Wäremeproduktion aufwenden zu
müssen (Abb. 2a), dieser Bereich ist für verschiedene Arten unterschiedlich (Abb. 2b).
Unterhalb der unteren kritischen Temperatur (UKT) muss der Vogel zusätzliche Energie
aufbringen, um sich warm zu halten; oberhalb der oberen kritischen Temperatur (OKT) um
sich abzukühlen. Doch auch wenn die Körpertemperatur als weitgehend konstant gilt, zeigt sie
doch eine Reihe auffälliger Schwankungen. So unterliegt sie einem Tagesgang mit niedriegen
Werten zur Ruhezeit und höheren zur Aktivzeit. Kleine Arten senken nachts die
Körpertemperatur wesentlich tiefer ab als grössere Arten.
a)
b)
Abb. 2a-b: a) Beziehung zwischen Stoffwechselrate und Umgebungstemperatur. b) Aussentemperatur,
bei denen verschiedene Arten keine zusätzliche Energie zur Temperaturregulation aufwenden müssen
(Barlein, 1996).
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b. Zwei klassische Regeln der Ökologie
Die Bergmannsche Regel besagt: Je kälter der Lebensraum, desto grösser
sind die Tiere.
Grosse Vögel haben eine zu ihrer Körpermasse geringere relative Körperoberfläche, über
die z.B. Wärme verloren, bzw. abgegeben werden kann. Dies ist eine Erklärung, dass nah
verwandte Arten, welche weiter polwärts vorkommen, grösser sind als ihre Verwandten in
Äquatornähe. Ein viel zitiertes Paradebeispiel dafür sind die Pinguine: Kaiserpinguine
(112cm) leben am Südpol, je weiter man zum Äquator geht, werden die Pinguine kleiner
(Galapagospinguin, 48cm).
Die Allensche Regel sagt, dass jegliche Anhängsel am Körper kleiner werden,
je kälter die Umgebungstemperatur ist.
Dies ist mit der Verminderung der Wärmeabstrahlung zu erklären. Wenn ihr kalt habt, dann
zieht ihr auch die Finger ein, weil sie sonst zu viel Wärme abstrahlt. DAS klassische
Beispiel für diese Regel ist der Fuchs, bzw. seine Verwandten: Der Polarfuchs besitzt nur
kleine, rudimentäre Ohren, wogegen unser Rotfuchs bereits anständig Ohren trägt. Der
Fenek (Wüstenfuchs) besitzt überdimensional grosse Ohren, dank denen er in der Wüste
Wärme an die Umgebung abgeben kann.
c. Wie meistern Vögel Kälteperioden?
Die eleganteste Art der Kälte auszuweichen ist der herbstliche Zug in Richtung Süden.
Viele Vögel bleiben jedoch in Lebensräumen, in denen die Umgebungstemperaturen
zeitweise erheblich unterhalb der UKT sein können. Im Alpenraum überwinternde Vögel
erfahren regelmässig Temperaturen bis unter -30°C. Die Winternächte sind kalt und lang,
die Tage kurz, es herrscht nicht selten Nahrungsmangel – eine wirklich lebensfeindliche
Situation! Wie meistern das Alpenschnee-huhn, Hausspatz und Co.?
Das Gefieder bietet eine wichtige Grundlage. Die Konturfedern schützen die wärmenden
Dunenfedern vor äusseren Einflüssen, die Isolation ist damit perfekt. Bei sehr kalter
Witterung kann durch Plustern eine erhöhte Isolation des Gefieders erreicht werden
(Einlagerung von zusätzlichen Luftschichten). Zudem kann durch eine rundlichere
Körperhaltung eine Optimierung des Wärmeverlust erreicht werden (Abb. 3). Wichtig ist
zudem die Anlage von Winterfett. Einerseits reduziert dient das Fett als isolierende
Schicht, andererseits ist ein solches Fettdepot ein wichtiger Energiespeicher. Zusätzliche
Wärmeproduktion erfolgt beim inaktiven, ruhenden Vogel vor allem durch „Kältezittern“.
Wärme wird dabei durch schnelle Muskelkontraktionen freigesetzt.
Abb. 3: Körperhaltung einer Amsel bei verschiedenen Umgebungstemperaturen. Der eigentliche
Körper ist schraffiert dargestellt (Barlein 1996).
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Ein dichtes Gefieder und die vorhandene Fettschicht unter der Haut schützen den Körper
vor Nässe, Kälte und Wind. Das alleine genügt aber nicht um winterliche Eisbäder zu
überleben, da Wasser und Eis sehr gute Wärmeleiter sind. Unter solchen Bedingungen hält
der Körper die Kerntemperatur in den lebenswichtigen Organen aufrecht, in den äusseren
Bereichen und in der Haut senkt er hingegen die Temperatur ab. Durch diese Absenkung
verringert sich der Temperaturunterschied zwischen Haut und Umgebung, und es wird
verhindert, dass das warme Blut an der Köperoberfläche abkühlt und kalt zum Herzen
zurückfliesst. Besonders wichtig ist dies an den Beinen, die im Kontakt mit Wasser oder Eis
am meisten Wärme abgeben: Gegenstromprinzip (Abb. 4).
Bei Wärme
Bei Kälte
Bei Kälte (-16°C)
37.8°C
15.1°C
7.9°C
7.0°C
2-5°C
Abb. 4: Das Gegenstromprinzip: Ein Vogelbein wird bei Zimmertemperatur gleichmässig mit Blut
versorgt. Bei Kälte ziehen sich die Gefässe unter der Haut zusammen. Das Blut wird grösstenteils
wieder zum Körper zurückgeleitet, bevor es bis zum Fuss vorgedrungen ist. Ein Wärmeaustausch
zwischen eng beieinander liegenden Venen und Arterien entzieht dem abwärts fliessenden
arteriellen Blut weitere Wärme und „heizt“ gleichzeitig das zum Herzen fliessende venöse Blut auf.
Dadurch wird bei einer Aussentemperatur von –16°C die Temperatur im Fuss auf wenige Grad über
Null gesenkt.
Manche Vogelarten nächtigen im Winter gemeinsam in Schlafgruppen mit engem
Körperkontakt, um den Verlust an Wärme weiter zu vermindern. Dabei erfährt jeder Vogel
der Gruppe einen um bis zu 50% geringeren Wärmeverlust gegenüber dem
Einzelschlafen. Eine andere Möglichkeit ist das Nächtigen in Höhlen, Spalten und Ritzen
oder im dichten Geäst von Nadelbäumen. Der Wärmeverlust durch Luftbewegungen wird
dadurch erheblich reduziert.
Nahrungsengpässe treten nicht nur bei solchen Arten auf, die in kalten Klimazonen
überwintern. Auch „mitten im Sommer“ kann es für Arten bei uns eng werden. Z.B. können
Arten, die sich von fliegenden Insekten ernähren (z.B. Rauchschwalbe, Mauersegler),
durch eine längere kühle Regenperiode in Nahrungsschwierigkeiten kommen, da bei
dieser Witterung wesentlich weniger Insekten fliegen als an warmen und trockenen Tagen.
Haben Schwalben und Segler vor der Nacht keine Möglichkeit ausreichend Nahrung
aufzunehmen, so verfallen sie in einen tiefen Lethargiezustand, in dem sie auf Aussenreize
kaum mehr reagieren. Sie befinden sich in einem so genannten Torpor, aus dem sie
spontan und ohne negative Auswirkungen auf ihr Befinden wieder aufwachen können. Da
während des Torpors die Körperfunktionen stark reduziert sind, benötigt der Vogel
wesentlich weniger Energie als im Normalzustand und kann so auch mit geringen
Energiereserven noch überleben.
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d. Und wie gehen Vögel mit grosser Hitze um?
Im Gegensatz dazu müssen manche Vögel verhindern, dass ihre Körpertemperatur infolge von
Muskelarbeit oder Aufenthalt in grosser Hitze zu stark ansteigt. Eine wichtige Anpassung dazu
ist allein schon die recht hohe Körpertemperatur von Vögeln. Vögel verfügen zudem über eine
gewisse Toleranz von einigen Graden, z.B. beim Hausspatz: Normaltemperatur 41°C, bis
44.7°C keine Schädigung. Im Gegensatz zu uns Menschen können Vögel nicht schwitzen, da
sie keine Schweissdrüsen besitzen. Die Kühlung des Körpers erfolgt daher unter anderem
durch Verdunstung von Wasser über die Atemluft (= Hecheln; Anstieg der Atemfrequenz).
Eine zusätzliche Möglichkeit ist das Kehlsackflattern, das bei Pelikanen oder Kormoranen oft
zu beobachten ist. Ein kühlendes Bad ist zudem im Sommer eine weitere Möglichkeit,
Weissstörche nutzen diese Möglichkeit z.B. mit ihren Füssen und Beinen, andere Arten nützen
Pfützen für ausgiebige Badeanlässe, Untertauchen ist die Extremform der Abkühlung.
Eine weitere Möglichkeit, Wärme an die Umgebung abzugeben, ist die Haltung der Beine. Da
diese nicht befiedert sind, können sie durch Ausstrecken exponiert werden und dadurch Wärme
abgeben. Wind oder Luftzug, der durch die Eigenbewegung verursacht wird, kann bei die
Abkühlung zusätzlich unterstützen. Hilft alles nichts mehr, so sucht der Vogel den Schatten auf,
um der Hitze der Sonne auszuweichen!
e. Wechselbeziehungen zwischen Individuen
Intraspezifische Konkurrenz
Konkurrieren sich Individuen der gleichen Art, so spricht der Ökologe von
intraspezifischen Konkurrenz (innerartliche Konkurrenz).
Diese führt zu verminderter Ressourcenaufnahme pro Individuum, vielleicht zu reduzierter
Wachstums- oder Entwicklungsraten der Individuen (Abb. 5a). Dazu kommt der Verzehr von
gespeicherten Reserven und die erhöhte Gefahr, Räubern zum Opfer zu fallen. So einfach wie
es hier zusammengefasst ist, ist es aber leider nicht, aus Zeitgründen lassen wir es jedoch
damit bewenden.
Interspezifische Konkurrenz
Bei der interspezifische Konkurrenz geht es um die Konkurrenz zwischen
verschiedenen Arten.
Diese wirkt sich insbesondere auf die Fruchtbarkeit, das Wachstum oder die
Überlebenswahrscheinlichkeit der Individuen aus. Diese wenigen Auswirkungen können aber
auf die ganze Umwelt grosse Einflüsse haben (Abb. 5b). Was also für die intraspezifische
Konkurrenz gilt, gilt auch für die interspezifische: Sie ist sehr kompliziert und hier nur kurz
erwähnt.
Räuber – Beute Beziehungen
Es besteht kein Zweifel, dass Konsumenten die Verbreitung und die Häufigkeit dessen
beeinflussen, was sie konsumieren. Die Wechselbeziehung zwischen Räuber und ihrer Beute
ist ein zentrales Schlachtfeld der Ökologen, oft sind die Auswirkungen und die Einflüsse nicht
klar.
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An einem Beispiel möchte ich dies etwas erläutern: Der Kormoran hat in den vergangenen
Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Seine Brutbestände wurden während Jahrhunderten massiv
bekämpft und auf wenige tausend Paare reduziert. Es war vor allem der Schutz der EU ab
1982, der eine Bestandeserholung bewirkte. In Zusammenhang mit dieser Zunahme im
Brutgebiet der Region Niederlande – Dänemark – Osteuropa von 3’000 anfangs dieses
Jahrhunderts auf über 100'000 Paare in den 1990-Jahren nahm auch die Zahl der Kormorane
zu, die durch die Schweiz ziehen oder hier überwintern. Allerdings sind dies nur 3% des
gesamten europäischen Brutbestandes. Da sich der Kormoran ausschliesslich von Fischen
ernährt, wurde versucht, ihn zum Sündenbock für den Rückgang bedrohter Fischarten zu
machen. Doch fischfressende Vogelarten sind nur ein Faktor von vielen, die auf Fischbestände
wirken. Es ist unter anderem auch der Mensch, der die Gewässer verbaut, begradigt, der
Deckung beraubt und für wandernde Fische unpassierbar macht.
a)
b)
Abb. 5a-b: 5a) Zusammenhang zwischen Bruterfolg und Populationsdichte bei der Kohlmeise.
5b) Interspezifische Konkurrenz zwischen Kohlmeise und Blaumeise.
Nahrungsnetze
Die wichtigste Beziehung zwischen verschiedenen Lebewesen besteht meist in Bezug auf die
Nahrung. Nahrungsketten stellen den Energiefluss von der Sonne als primärer
Energiespenderin über die Pflanzen (Produzenten) zu den Tieren in verschiedenen
Ernährungsstufen dar (Abb. 6). Pflanzenfresser (Vegetarier) werden als Konsumenten 1.
Ordnung bezeichnet, Fleischfresser (Karnivoren), die sich von Pflanzenfressern ernähren, als
Konsumenten 2. Ordnung und so weiter. Oft lassen sich jedoch Tiere nicht eindeutig einer Stufe
zuordnen, da sie ein breiteres Nahrungsspektrum besitzen. (Körnerfresser fressen in der
Brutzeit oft auch Insekten).
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Nahrungsketten werden heute oftmals als zu statisch und vereinfachend empfunden. In
jüngerer Zeit ist deshalb der Begriff des Nahrungsnetzes populärer geworden.
Nahrungsnetze versuchen der Komplexität natürlicher Ökosysteme gerecht zu werden. Die
Beziehungen sind – im Gegensatz zur Nahrungskette – nicht mehr in einer linearen Abfolge
dargestellt, sondern sind vielfältiger und komplexer. Mit Hilfe von Nahrungsnetzen wird
versucht, diw (Nahrungs-) Beziehungen eines ganzen Ökosystems darzustellen,
beispielsweise eines Weihers oder eines Bachlaufs. In einem Nahrungsnetz lassen sich auch
leicht (Nahrungs-) Spezialisten und Generalisten unterscheiden. Spezialisten haben kaum
Konkurrenten, aber sie sind in starker Weise von einer einzigen oder einigen wenigen
Nahrungsarten abhängig und entsprechend gefährdet bei allfälligen Veränderungen des
Nahrungsangebots. Sie dienen deshalb oft als Indikatorarten, mit derer Hilfe man
Veränderungen im Lebensraum leichter entdecken kann. Im Gegensatz dazu sind
Generalisten flexibel und anpassungsfähig. Sie können leichter von einer Nahrungsquelle zur
anderen wechseln.
Abb. 6: Stufen der Nahrungskette
Einige Beispiele für Nahrungsketten sind unten dargestellt.
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3. Populationsökologie
Eine Population ist eine Gruppe von Individuen derselben Art, die zu einer bestimmten Zeit
ein bestimmtes Gebiet bewohnen.
a. Populationsgrösse und -dichte
In der Populationsökologie ist insbesondere die Populationsgrösse (N) bzw. die
Populationsdichte (N pro Fläche) von grosser Wichtigkeit. Diese Zahlen ermittelt man
einerseits durch Zählungen, andererseits durch Stichproben bzw. Schätzverfahren. Zählungen
sind vor allem bei seltenen Arten wichtig. Zählungen führen zu absoluten Zahlen. Diese
können auch erhoben werden, wenn Arten konzentriert vorkommen (Kolonien) oder auf
kleinen Flächen, die man flächendeckend kartiert. In den meisten Fällen jedoch wird eine
Totalerfassung nicht möglich sein. Hier helfen dann nur Stichproben bzw. Schätzverfahren
weiter, die eine Hochrechnung erlauben:



Punkt-Stopp-Zählungen
Linientaxierung
Fang-Wiederfang-Analysen
b. Änderung der Populationsgrösse
Die Populationsgrösse ist durch folgende Faktoren gegeben: Geburten und Zuwanderung
erhöhen die Populationsdichte, Todesfälle und Abwanderung vermindern sie. Will man eine
Population und ihre Entwicklung verstehen, gilt es, diese Grundelemente einer Population zu
analysieren.
Bei der Neubesiedlung von Flächen oder bei der Erschliessung neuer Ressourcen ist oftmals
ein sehr schnelles Wachstum der Population zu beobachten (z.B. Kormoran). Allmählich flacht
die Zunahme aber ab und pendelt sich auf einem bestimmten Wert ein. Die sogenannte
Kapazität der Umwelt ist dann erreicht (z.B. Steinadler).
c. Bruterfolg
Der Bruterfolg beschreibt den Anteil flügger Junge an der Gesamtzahl aller in der Population
gelegten Eier. Der Bruterfolg von Vogelarten ist artspezifisch sehr unterschiedlich. Bei
Singvögeln unserer Breiten beispielsweise beträgt er meist zwischen 30 und 80 %. Der
Bruterfolg ist zudem ganz allgemein abhängig vom Nisttyp. Offene Nester am Boden haben
mit durchschnittlich etwa 40% einen geringeren Erfolg als offene Nester im Gebüsch mit etwa
55-60%. Den durchschnittlich höchsten Bruterfolg zeigen Höhlenbrüter mit etwa 70-80%.
Zudem ist der Bruterfolg insbesondere bei langlebigen Arten abhängig vom Alter der Eltern
(Abb. 7a-b).
d. Sterblichkeit
Die Sterblichkeitsverhältnisse sind artspezifisch sehr verschieden. In der Regel haben grosse
Arten geringere Adultensterblichkeit als kleine Arten. Typisch für nahezu alle Vogelarten ist
eine hohe Sterblichkeit im ersten Lebensjahr, gefolgt von einer meist wesentlich geringeren in
späteren Jahren. Bei vielen Singvögeln liegt beispielsweise die Erstjahressterblichkeit bei 7080%, die Adultsterblichkeit dagegen bei nur mehr etwa 50%.
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Abb. 7a-b: a) Altersabhängiger Fortpflanzungserfolg beim Weissstorch; b) Fortpflanzungserfolg in
Abhängigkeit des Alters einer langlebigen (Weissstorch) und einer kurzlebigen (Mehlschwalbe) Vogelart
(Barlein 1996).
e. Verteilmuster
Viele Vogelarten sind während der Brutzeit eher gleichmässig (regelmässig) verteilt. Ursache
hierfür ist in vielen Fällen die Territorialität, bei der ein klar abgegrenzter Raum verteidigt
(=Revier) wird. Reviere können sehr unterschiedlich gross sein. Die Reviergrösse steht in
enger Beziehung zur Körpergrösse. Sie kann bei Kleinvögeln nur wenige 100m2 ausmachen,
bei grossen Räubern dagegen viele 100km2 betragen. Zudem zeigt sich ein interessanter
Unterschied zwischen verschiedenen Ernährungsstrategien. Herbivore Arten haben
durchschnittlich kleinere Reviere als gleich grosse räuberische Arten.
Zu einer ganz anderen Verteilung von Vögeln im Raum führt das Brüten in Kolonien. In der
Räuberabwehr bietet die Kolonie Vorteile, weil ...
... eine Gruppe Vögel ihre Räuber früher erkennt als Einzeltiere.
... Räuber gemeinsam besser abgewehrt werden können.
... die individuelle Wahrscheinlichkeit, einem Räuber zum Opfer zu fallen, geringer ist.
Obwohl unter bestimmten ökologischen Umständen Koloniebildung durchaus vorteilhaft ist,
brüten nur etwa 13% aller Vogelarten in Kolonien. Offensichtlich überwiegen die „Nachteile“
kolonieartigen Brütens. Zu nennen sind hier: Zunehmende innerartliche Konkurrenz, als Folge
erhöhte innerartliche Aggressivität, das Risiko des Kannibalismus und das Risiko der
Krankheits- und Parasitenüber-tragung. Zudem sind Kolonien aufgrund ihrer Auffälligkeit
selbst auch eine gute Nahrungsquelle für Räuber.
3.
Die Vogelgemeinschaft
Die Gilde
Temperatur ist nur einer von vielen abiotischen Faktoren, die das Auftreten von bestimmten
Arten erklären kann. Damit ein bestimmter Lebensraum von einer bestimmten Art besiedelt
wird, müssen viele Faktoren zusammenstimmen. Innerhalb eines solchen Lebensraums können
unter Umständen mehrere Arten gleichzeitig leben. Als Gilden bezeichnet man Tiere, die in
gleicher Weise die Umwelt nutzen. Es gibt z.B. Nahrungsgilden oder Lebensraum-bezogene
Gilden.
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Eine solche Gruppe, die ihre Umwelt in gleicher Weise nutzt, nennt man in der Ökologie eine
Gilde.
Beispiel für Lebensraum-bezogene Gilden: Alpine Habitate, Feuchtgebiete und Gewässer,
Kulturland, Siedlungsgebite, Felsensteppe oder Trockenstandorte gelten. Dies ist eine sehr
grobe Einteilung und bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sich jede Art innerhalb seines
Lebensraums weiter spezialisiert hat (Abb. 8).
Abb. 8: Beziehung zwischen Wassertiefe und Vegetationshöhe in den Revieren von Rohrsängerarten
(Barlein 1996).
Die Nahrung der Vögel ist äusserst vielseitig. Unter den Vögeln gibt es wohl nur wenige echte
Nahrungsspezialisten. Zu diesen gehören am ehesten Gänse und Rauhfusshühner. Die
Mehrheit der Arten weist einen insgesamt recht breiten Speisezettel auf. Allerdings trifft diese
Aussage nur zu, wenn man die gesamte Lebenszeiternährung einer Art oder auch eines
Einzeltieres betrachtet. Denn, in Abhängigkeit von z.B. Jahreszeit, Lebensraum,
unterschiedlichem Bedarf (Jugendentwicklung, Mauser, Brut, Zug) kann der Speisezettel einer
Art neben einer grossen Variabilität gerade auch durch recht hohe Spezialisierung
gekennzeichnet sein. Die Einteilung von Arten in z.B. Pflanzenfresser, Fruchtfresser,
Körnerfresser, Insektenfresser, Fleischfresser oder Allesfresser ist somit nur bedingt möglich.
Nach Nahrung suchende Vögel sind mit einigen generellen Entscheidungsproblemen
konfrontiert:




Welche Nahrung fresse ich ?
Welche Strategie der Nahrungssuche wähle ich?
Wo suche ich Nahrung?
Wie lange verweile ich an einem Nahrungsort, bzw. wann muss ich den Ort wechseln?
Vögel haben die unterschiedlichsten Lösungen für diese Fragen gefunden. Auch wenn eine
Einteilung nicht für alle „Lebenslagen“ gelten kann, so lassen sich Arten doch in Nahrungsgilden
einteilen:
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Die ökologische Nische
Jede Vogelart zeichnet sich durch die Bevorzugung ganz bestimmter Umweltfaktoren aus. In
der Ökologie nennt man dies eine ökologische Nische. Eine ökologische Nische, die
Kombination ganz bestimmter Merkmale biotischer und abiotischer Faktoren, kann nur durch
eine einzige Art besetzt sein (Exklusionsprinzip). Wollen zwei Arten die gleiche Nische
besetzen, so kommt es unweigerlich zu Konkurrenz, bei der sich die stärkere Art durchsetzen
wird.
b. Gefährdung von Populationen
Die Bestände vieler Vogelarten haben über die letzten Jahrzehnte z.T. dramatisch
abgenommen. Die Ursachen dafür sind vielfältig, meist aber auf menschliche Einflüsse
zurückzuführen. Eine Analyse der Gefährdungsursachen weist die Landbewirtschaftung als
wichtigsten Gefährdungsfaktor aus, gefolgt von den Gefährdungen durch Wasserwirtschaft
und Waldwirtschaft. Besonders Entwässerungsmassnahmen, die Ausräumung der
Landschaft und die Fragmentierung der Landschaft, sowie die Aufgabe extensiver Nutzung
und die Umwandlung von Grünland in Ackerland sind vornehmliche Gefährdungsfaktoren
durch die Landbewirtschaftung.
Insbesondere viele carnivore Vogelarten reichern Umweltgifte über ihre Nahrungskette an
(Abb. 9). Diese Stoffe können dann in vielfältiger Weise den Stoffwechsel beeinflussen und
sich so auch z.B. im Fortpflanzungserfolg niederschlagen (z.B. DDT).
Abb. 9: Viele Schadstoffe können
sich in Organismen akkumulieren.
Vögel stehen mit an der Spitze von
Nahrungsketten und reichern so
Umweltgifte in teilweise grossen
Konzentrationen
c. Rote Liste
Die Rote Liste des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) und der
Vogelwarte Sempach aus dem Jahre 2001 listet alle gefährdeten und seltenen Brutvogelarten
der Schweiz auf. Die neue Einteilung der Vögel basiert auf den Kriterien der IUCN
(Internationale Naturschutzorganisation):
Gemäss den IUCN-Kriterien werden die Vögel neu folgendermassen eingeteilt:
EX
EW
RE
CR
EN
VU
NT
LC
Ausgestorben (extinct)
In der Natur ausgestorben (extinct in the wild)
In der Schweiz ausgestorben (regionally extinct)
Vom Aussterben bedroht (critically endangered)
Stark gefährdet (endangered)
Verletzlich (vulnerable)
Potenziell gefährdet (near threatened)
Nicht gefährdet (least concern)
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Unsere Rote Liste umfasst alle Kriterien von RE (ausgestorben) bis VU (verletzlich). Arten, die
als NT (potenziell gefährdet) eingestuft sind, liegen zwischen der Roten Liste und der Liste mit
allen Vögeln, die nicht gefährdet sind (LC).
In der Schweiz sind 77 Vogelarten auf der Roten Liste: 6 sind in der Schweiz ausgestorben (RE,
z.B. Bartgeier, Fischadler, Haubenlerche), 9 Arten sind vom Aussterben bedroht (CR, z.B.
Wachtelkönig, Bekassine), 18 Arten sind stark gefährdet (EN, z.B. Auerhuhn, Lachmöve) und 44
Arten sind in ihrem Bestand verletzlich (VU, z.B. Gänsesäger, Wendehals).
Knapp 40% aller Brutvögel in der Schweiz stehen also auf der Roten Liste. Zudem sind weitere
24 Arten (12%) als potenziell gefährdet (NT, z.B. Fitis, Saatkrähe) eingestuft. Nur gerade 94
Arten (48,2%) sind zur Zeit nicht gefährdet. Eine bedenkliche Situation. Gründe dafür werdet ihr
in den weiteren Ökologieteilen der einzelnen Lebensräumen erfahren.
4.
Literatur
Ökologie allgemein & Vögel
Barlein, F. (1996): Ökologie der Vögel: Physiologische Ökologie – Populationsbiologie –
Vogelgemeinschaften – Naturschutz. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart.
Begon, M., J. L. Harper & C. R. Townsend (1991): Ökologie Individuen – Populationen –
Lebensgemeinschaften. Birkhäuser Verlag. Basel, Boston, Berlin.
Zoologie allgemein:
Wehner R. & W. Gehring (1995): Zoologie. Georg Thieme Verlag. Stuttgart & New York.
Kormoran:
Bollmann, K. & W. Müller (1998): Gänsesäger, Kormoran, Nase, Äsche & Co. Schweizer
Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz. Zürich.
Jagd:
Müller, W. (1997): Die Geschichte der Gesetze. Ornis 6/97, S. 34-35.
Gefangenschaftsflüchtlinge
Absichtlich und unabsichtlich ausgesetzte Vogelarten in der Schweiz: Positionspapier des
SVS, seiner Landesorganisationen und Kantonalverbände (2003), Schweizer Vogelschutz
SVS/BirdLife Schweiz. Zürich.
Winkler, R. (1999): Avifauna der Schweiz. Ornith. Beob., Beiheft 10.
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6.
Übungen
1. Einfluss der Umwelt auf die Vögel
Nenne zwei einheimische Arten, die kalte Temperaturen gut ertragen
Nenne zwei einheimische Wärme liebende Arten
Nenne zwei Arten, die auf Kies brüten
Nenne zwei Arten die auf Felsen brüten
Nenne drei Arten mit breitem Nahrungsspektrum und nenne deren Nahrung
Nenne drei Arten mit sehr engem Nahrungsspektrum und deren Nahrung
2. Wechselwirkung zwischen Lebewesen
Welche der folgenden Arten "konkurrieren" miteinander? Verbinde konnkurrierende Paare mit
einem Pfeil mit zwei Enden. Worum konkurrieren sie ? (Nahrung, Brutplatz)
Mäusebussard
Krähe
Nahrung
Lachmöwe
Star
Turmfalke
Mehlschwalbe
Feldspatz
Kleiber
Elster
Rauchschwalbe
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3. Lebensraum-bezogene Gilde
Ordne die folgenden Arten einer Lebensraum-bezogenen Gilde zu:
Bekassine, Bergpieper, Eisvogel, Feldlerche, Gartenrotschwanz, Mauersegler, Mehlschwalbe,
Schilfrohrsänger, Steinadler, Steinschmätzer, Türkentaube, Wiesenpier
Nivale, alpine und
waldfreie subalpine
Habitate
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Feuchtgebiete und
Gew sser
Kulturland im
weitesten Sinne
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