Beitrag für die GIRA-Jahrestagung, 7./8. Oktober 2010 in Hamburg __________________________________________________________________ Der Staat als Arbeitgeber von Beschäftigten mit Migrationshintergrund: Eine Analyse von Personalstrukturen und Personalpraktiken in der öffentlichen Verwaltung Österreichs Renate Ortlieb & Martin Stadler Karl-Franzens-Universität Graz Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Institut für Personalpolitik Elisabethstr. 50b 8010 Graz Österreich E-Mail: [email protected]; [email protected] 1. Hintergrund und Fragestellung Der Staat gilt sowohl als ein besonderer Akteur der industriellen Beziehungen wie auch als ein besonderer Arbeitgeber (vgl. z.B. Bach/Kessler 2008; Traxler 1999). Seine Besonderheiten liegen unter anderem darin, dass er üblicherweise zu den größten Arbeitgebern eines Landes zählt, dass es sich bei Beamtinnen und Beamten um eine besondere Kategorie von Personal handelt, dass seine Personalpolitik zu einem vergleichsweise großen Ausmaß in Gesetzen geregelt ist und diese von der Staats-, Landes- oder Kommunalpolitik gesteuert werden kann. Zudem schafft er die gesetzlichen Rahmenbedingungen selbst. Von der großen Mehrheit der privatwirtschaftlichen oder anderen nichtöffentlichen Arbeitgebern unterscheidet sich der Staat außerdem dadurch, dass er gleichzeitig auch Tarifpartei ist. Und schließlich hat er für andere Arbeitgeber auch eine Vorbildfunktion. So wird zum Beispiel erwartet, dass sich seine Personalpolitik an Fairness-Zielen orientiert – nicht zuletzt auch deshalb, weil die Steuerzahler/innen diese Personalpolitik finanzieren und weil andernfalls politische Leitlinien unglaubwürdig sind. Die Vielfalt von Rollen des Staates und die damit verbundenen Spannungen und Dilemmata werden besonders deutlich, wenn es um die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung geht. Wie zahlreiche andere Europäische Nationen ist auch Österreich durch eine lange Tradition von Migration und kultureller Vielfalt geprägt. Im Jahr 2009 hatte ein knappes Fünftel aller Personen, die in Österreich lebten, einen Migrationshintergrund (1,47 Mio. bzw. 17,8 Prozent der Bevölkerung; vgl. Statistik Austria 2010). Das heißt, diese Personen haben entweder nicht die österreichische Staatsbürgerschaft (855,0 Tsd. bzw. 10,3 Prozent der Bevölkerung), oder sie haben zwar die österreichische Staatsbürgerschaft, aber ihre Eltern wurden im Ausland geboren (664,7 Tsd. bzw. 8,0 Prozent der Bevölkerung). Der Österreichische Staat fördert die gesellschaftliche Integration dieser Personen durch zahlreiche Institutionen, wie zum Beispiel durch den 1960 gegründeten Österreichischen Integrationsfonds oder durch einen 2010 verabschiedeten Nationalen Aktionsplan. In diesem Plan, der von einer durch das Bundesinnenministerium gesteuerten Expertenrunde entwickelt wurde, heißt es unter anderem (ÖIF 2010): 1 − „Potenziale von Migrant/innen für den Arbeitsmarkt sind verstärkt zu nutzen. Österreichs Unternehmen können von unterschiedlichen Sprachkenntnissen sowie Kenntnissen anderer Kulturen profitieren. Diversitätsmanagement ist als wichtiger wirtschaftlicher Erfolgsfaktor anzuerkennen“ (S. 20). − „Die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund soll im öffentlichen Bereich erhöht werden, so wie etwa bei der Polizei, Justiz, in der Schule, beim AMS1 und im Gesundheitsbereich. Damit wird ein Beitrag zum gegenseitigen Verständnis und Respekt geleistet“ (S. 22). − „Das interkulturelle Bewusstsein in der öffentlichen Verwaltung ist weiterzuentwickeln. Die Aufnahme von Mitarbeiter/innen mit spezifisch sprachlichem und kulturellem Hintergrundwissen in die öffentliche Verwaltung, insbesondere in Polizei und Justiz, fördert das Bewusstsein für kulturelle Herausforderungen und soll aus Gründen der Vorbildwirkung gefördert werden“ (S. 26). In diesem Plan wird also zum einen mit dem so genannten Business Case argumentiert, zum anderen mit Verständnis und Respekt sowie mit Bewusstseinsbildung und Vorbildwirkung. Interessanterweise wird hier das Business-Case-Argument allerdings nur im Zusammenhang mit Unternehmen und nicht mit der Beschäftigung im öffentlichen Bereich angeführt, obwohl selbstverständlich auch der Staat die Potenziale von Personen mit Migrationshintergrund zur Erreichung seiner Ziele nutzen kann und bereits nutzt. So sind zum Beispiel die genannten Sprach- und Kulturkenntnisse auch nützlich im Umgang mit Personen – speziell auch Straftäter/innen – mit demselben Hintergrund. Darüber hinaus kann es für eine Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst folgende weitere Gründe geben (vgl. auch die Typologie von Diversity-Strategien von Ortlieb/Sieben 2008a;b): Mit ihnen kann der Bedarf an Arbeitskräften, die dazu bereit sind auch stark belastende Tätigkeiten gegen geringes Entgelt zu übernehmen, gedeckt werden, zum Beispiel im Reinigungsdienst. Oder der Staat kann – einer in der Diversity-Forschung weit verbreiteten Argumentation folgend (vgl. z.B. Cox 1993; Ely/Thomas 2001; Janssens/Zanoni 2005; Sackmann et al. 2002) – von vielfältigen Perspektiven auf Probleme oder von unterschiedlichen Arbeitsweisen profitieren, zum Beispiel in Planungsstäben. Über die im Nationalen Aktionsplan genannte 1 AMS = Arbeitsmarktservice Österreich, Pendant zur deutschen Bundesagentur für Arbeit. 2 Vorbildfunktion hinaus kann eine Personalpolitik, die auf Gleichstellung und AntiDiskriminierung zielt, außerdem dazu dienen, die am besten geeigneten Arbeitskräfte für die öffentliche Verwaltung zu gewinnen. Denn zum einen wird durch eine solche Personalpolitik die Attraktivität des Staates als Arbeitgeber erhöht, und zum anderen wird die Gefahr reduziert, dass geeignete Stellenbewerber/innen mit Migrationshintergrund aufgrund von diskriminierenden Praktiken abgelehnt werden. Demgegenüber kann allerdings auch gegen eine Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst sprechen, dass für bestimmte hoheitliche Aufgaben die österreichische Staatsbürgerschaft erforderlich ist oder dass die Umwelt erwartet, dass Personen ohne Migrationshintergrund beschäftigt werden. Bislang sind Personen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung Österreichs deutlich unterrepräsentiert. So waren im Jahr 2008 lediglich 3,0 Prozent der Beschäftigten, deren Eltern im Ausland geboren wurden, im Wirtschaftszweig „Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“ tätig. Für Erwerbstätige, deren Eltern in Österreich geboren wurden, beträgt dieser Anteil 7,5 Prozent (Statistik Austria 2009a: 136). Von den insgesamt 436,7 Tsd. öffentlich Bediensteten hatten lediglich 7,8 Tsd. (1,8 Prozent) nicht die österreichische Staatsbürgerschaft (Statistik Austria 2009b: 144). Bisherige Studien zur Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung Österreichs konzentrieren sich zum einen auf die Wiener Magistratsabteilung Integration und Diversität (Struppe 2006; Hanappi-Egger 2006) und zum anderen auf die Polizei (Tunst 2006; Ostheimer 2006). Dabei zeigte sich insbesondere, dass eine auf Diversity ausgerichtete Personalpolitik in (einzelnen Abteilungen) der öffentlichen Verwaltung Österreichs durchaus umsetzbar ist (Struppe 2006), jedoch aufgrund der politischen Rahmenbedingungen rasch an Grenzen stößt (Hanappi-Egger 2006). Die Untersuchungen zu Beschäftigten mit Migrationshintergrund bei der Polizei zeigen, dass die Polizist/innen unterschiedlicher Herkunft ohne diesbezügliche Konflikte zusammenarbeiteten, dass dafür allerdings die gemeinsame deutsche Sprache von zentraler Bedeutung ist (Ostheimer 2006), und dass die eingesetzten Instrumente der Personalauswahl und -einführung nur wenig auf Personen mit Migrationshintergrund ausgerichtet waren. 3 Auf welchen Positionen und in welchen inhaltlichen Bereichen Personen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst tätig sind, ist bislang nicht erforscht. Ebenso ist unbekannt, welche damit verbundenen Personalpraktiken es in Organisationen der öffentlichen Verwaltung gibt und wie Entscheidungsträger/innen diese begründen. Ziel dieses Beitrags ist es daher, die Personalstrategien im Hinblick auf die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund – das Zusammenspiel von Personalstrukturen, Personalpraktiken und deren Begründungen durch Entscheidungsträger – in Organisationen der öffentlichen Verwaltung Österreichs zu untersuchen. Dafür werden Personalstrukturen und Personalpraktiken im Hinblick auf Beschäftigte mit Migrationshintergrund in ausgewählten Organisationseinheiten der öffentlichen Verwaltung beschrieben. Im Rahmen von empirischen Fallstudien werden untersucht: 1. Personalstrukturen: Wie hoch ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an allen Beschäftigten in den betrachteten Verwaltungen? Wie verteilen sich die Beschäftigten mit Migrationshintergrund auf hierarchische Positionen und Tätigkeiten? Wie sind Personen mit Migrationshintergrund in Gremien der Personalvertretung repräsentiert? 2. Personalpraktiken: Wie wird Personal in den betrachteten Verwaltungen rekrutiert, wie erfolgen Leistungsbeurteilung und Personalentwicklung? Dabei geht es auch um das Potenzial dieser Praktiken, die Integration und Chancengleichheit von Beschäftigten mit Migrationshintergrund zu fördern bzw. zu beeinträchtigen. Darüber hinaus werden die Begründungen, die Entscheidungsträger/innen und Personalvertreter/innen in der betrachteten Verwaltung für die jeweiligen Personalstrukturen und -praktiken anführen, eruiert. Dabei werden die Besonderheiten des Staates als Arbeitgeber gegenüber privatwirtschaftlichen bzw. anderen nicht-staatlichen Arbeitgebern herausgestellt. Damit soll ein Beitrag zur detaillierten Beschreibung der Rolle des Staates als Arbeitgeber sowie zur Erklärung der vergleichsweise geringen Anzahl an Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung geleistet werden. 4 2. Rahmenbedingungen Mehrere Gesetze sind für die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung Österreichs relevant. Die wichtigsten Gesetze sind die folgenden: − Das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), das unter anderem die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen (§ 3) und Arbeitserlaubnissen (§ 17) sowie die Festlegung und Bekanntmachung von Höchstzahlen für die beschäftigten und arbeitslosen Ausländer/innen durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales (§ 12a) regelt. − Die Landesgesetze über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes, die neben Regelungen zur Leistungsbeurteilung und Besoldung, zu Dienstzeiten, Disziplinarmaßnahmen und Ähnlichem üblicherweise auch solche zur Anti-Diskriminierung enthalten. In dem Landesgesetz, das für die in diesem Beitrag untersuchten Verwaltungen gilt, lautet der entsprechende Paragraph: „Niemand darf auf Grund des Geschlechtes, der Rasse und ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Orientierung im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis diskriminiert werden.“ − Die Landes-Gleichbehandlungsgesetze, die dem EU-Recht folgend unter anderem die Begriffe unmittelbare und mittelbare Diskriminierung definieren sowie die Rechtsfolgen von Diskriminierung regeln. Für die in diesem Beitrag untersuchten Verwaltungen lauten die einschlägigen Diskriminierungsgründe „Rasse oder ethnische Herkunft“ sowie „Religion oder Weltanschauung“. Das Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis lautet, dass niemand aufgrund dieses Merkmals „unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden [darf], insbesondere nicht (1) bei der Begründung des Dienstoder Ausbildungsverhältnisses, (2) bei der Festsetzung des Entgeltes, (3) bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, (4) bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung, (5) beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen 5 oder Funktionen, (6) bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und (7) bei der Beendigung des Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses. − Die Landes-Beamtengesetze, in denen die Voraussetzungen für eine Pragmatisierung (Verbeamtung) von Bediensteten benannt werden. Hierzu zählen unter anderem die österreichische Staatsbürgerschaft bzw. die Staatsbürgerschaft eines der EU-Staaten, mit denen es entsprechende Staatsverträge gibt. Ausnahmen stellen allerdings unmittelbare oder mittelbare hoheitliche Aufgaben oder allgemeine Belange des Staates dar. Für diese Aufgaben ist die österreichische Staatsbürgerschaft zwingend erforderlich. − Die Landesgesetze über die Personalvertretung der Bediensteten des Landes, die umfangreiche Mitwirkungsrechte vorsehen, jedoch – anders als etwa in Deutschland2 – üblicherweise nicht explizit die Integration von ausländischen Beschäftigten als Aufgabe nennen. Außer den gesetzlichen haben auch die politischen Rahmenbedingungen eine wichtige Bedeutung. Hier ist insbesondere anzuführen, dass mehrere politische Parteien, unter anderem auch die an der Regierung Österreichs ehemals beteiligte FPÖ bzw. BZÖ dezidiert fremdenfeindliche Positionen vertreten. Das gesellschaftliche Klima schwankt grob gesprochen zwischen lautstarker Fremdenfeindlichkeit auf der einen Seite und einer breiten, mit Stolz gemischten Anerkennung der historisch bedingten, Jahrhunderte währenden Vielvölkerschaft auf der anderen Seite. 3. Untersuchungsdesign Für die empirischen Fallstudien wurden insgesamt 19 semi-strukturierte, leitfadengestützte Interviews mit Personen in verschiedenen Funktionen in zwei ausgewählten öffentlichen Verwaltungen Österreichs ausgewertet. Der Leitfaden wurde in Anlehnung an die Studie von Anders et al. (2008) entwickelt. Er umfasst Fragen zur Demographie 2 Dort heißt es zum Beispiel in § 68 Abs. 1 Nr. 7 Landespersonalvertretungsgesetz Baden-Württemberg: „Die Eingliederung ausländischer Beschäftigter in die Dienststelle und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Beschäftigten [ist] zu fördern.“ Auch für Betriebsräte in der deutschen Privatwirtschaft ist es nach § 80 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz Aufgabe, „die Integration ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern, sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen“. 6 der untersuchten Verwaltungseinheit, zu bisherigen Erfahrungen mit Beschäftigten mit Migrationshintergrund und geeigneten Tätigkeitsbereiche für diese, zur Demographie von Parteien („Kund/innen“) und zu Personalpraktiken, insbesondere zur Rekrutierung, zur Leistungsbeurteilung und zur Personalentwicklung. Als „Fälle“ wurden zum einen die Fachabteilung für Innere Angelegenheiten, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltswesen in einer Landesverwaltung – im so genannten Amt der Landesregierung – ausgewählt, da diese Beschäftigten aufgrund ihrer formalen Zuständigkeit regelmäßigen Kontakt mit Personen mit Migrationshintergrund haben. Zum anderen wurden die Referate für Sicherheits- und Verkehrswesen sowie für Sozialwesen in einer Bezirkshauptmannschaft3 ausgewählt, da die entsprechenden Funktionen in besonderem Maße auf eine gelungene Interaktion mit den Parteien angewiesen sind. Darüber hinaus wurden Interviews mit Personen in einschlägigen zentralen bzw. übergeordneten Funktionen geführt, um Informationen über die Rahmenbedingungen und den organisatorischen Aufbau der Verwaltungen, über geeignete Ansprechpartner/innen und weitere Dokumente zu erhalten. Zu solchen Dokumenten zählen zum Beispiel Leitbilder der Verwaltungen, Organigramme und (nicht ausgefüllte) Leistungsbeurteilungsformulare. Informationen aus diesen Dokumenten gehen ebenfalls in die folgenden Analysen ein. Als Interviewpartner/innen wurden Personen ausgewählt, die entweder aufgrund ihrer leitenden Funktion einen größeren Überblick über die Personalstrukturen und -praktiken in ihren Verwaltungen hatten oder die in einem kleineren organisatorischen Bereich detaillierte Kenntnisse über die konkreten Tätigkeiten hatten. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die folgenden Personen bzw. Funktionen:4 − Im Amt der Landesregierung - Leiter der Personalabteilung - Referent für Personalentwicklung 3 Die Bezirkshauptmannschaft ist eine Verwaltungseinheit, die sich eine Ebene über der Gemeindeverwaltung befindet und organisatorisch der Landesverwaltung zugeordnet ist. 4 Anmerkungen zur Organisationsstruktur: Dem Amt der Landesregierung steht der (gewählte) Landeshauptmann vor und es wird vom Landesamtsdirektor geleitet. Das Amt der Landesregierung ist neben einer Landesamtsdirektion in fünf Abteilungen gegliedert, die wiederum in Fachabteilungen oder – wie auch die Fachabteilungen – in Referate unterteilt sein können. Der Bezirkshauptmannschaft steht der (bestellte) Bezirkshauptmann vor und sie wird von einem Kanzleileiter geleitet. Die Bezirkshauptmannschaft ist in Referate und drei Fachreferate gegliedert, die wiederum jeweils mehrere Bereiche umfassen können. 7 - Diversitybeauftragter des Landes - Leiterin der Fachabteilung Innere Angelegenheiten, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltswesen - Leiter des Referats Staatsbürgerschaft - Ehemaliger Leiter des Referats Staatsbürgerschaft - Sachbearbeiterin im Referat Staatsbürgerschaft - Leiter des Referats Aufenthaltswesen - 2 Sachbearbeiterinnen (gemeinsames Interview) im Referat Aufenthaltswesen - Landespersonalvertreter − In der Bezirkshauptmannschaft - Bezirkshauptmann - Kanzleileiter - Leiter des Referats Verkehrs- und Sicherheitswesen - Leiterin des Bereichs Strafwesen - Referent für Fremdenpolizei (im Bereich Strafwesen) - Leiterin des Referats Sozialwesen - Leiter des Bereichs Jugendwohlfahrt - Leiterin des Bereichs Sozialhilfe - Leiterin des Bereichs Sozialarbeit; Personalvertreterin Von den interviewten Personen hatten alle die österreichische Staatsbürgerschaft, von zweien war jeweils ein Elternteil im Ausland geboren.5 Sieben der Interviewpartner/innen waren Frauen. Die Interviews wurden im Juni 2010 in den Büros der Interviewpartner/innen geführt. Sie dauerten zwischen 30 und 80, im Durchschnitt 50 Minuten. Die Interviews wurden mit einem MP3-Player aufgezeichnet, auszugsweise transkribiert und nach der Methode von Mayring (2008) ausgewertet. 4. Ergebnisse 4.1 Personalstrukturen In beiden Verwaltungen ist der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund nach Auskunft der Interviewpartner/innen gering. Dabei konnte für das Amt der Lan5 Es war geplant, auch Interviews mit Beschäftigten mit Migrationshintergrund zu führen, jedoch waren im Zeitraum der Interviews in den Verwaltungen keine erreichbar. 8 desregierung, in dem insgesamt etwa 8.500 Personen beschäftigt sind, keine exakte Zahl genannt werden. Die Antwort des Personalreferenten lautet lediglich: „Es gibt einige“. In der genauer betrachteten Fachabteilung Innere Angelegenheiten, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltswesen gibt es derzeit unter den 39 Beschäftigten keine Person mit Migrationshintergrund, drei waren dort jedoch in der jüngeren Vergangenheit tätig. In der Bezirkshauptmannschaft haben von derzeit etwa 180 Beschäftigten drei einen Migrationshintergrund. Vier weitere Personen mit Migrationshintergrund waren dort in jüngerer Vergangenheit beschäftigt. Als weitere Strukturmerkmale sind die Art des Migrationshintergrundes der aktuell oder ehemals beschäftigten Personen sowie deren Tätigkeiten interessant: Es handelt sich dabei im Fall der betrachteten Fachabteilung um zwei Praktikantinnen mit afrikanischem bzw. türkischem Hintergrund sowie um einen Volontär mazedonischer Herkunft. Alle drei Personen haben die österreichische Staatsbürgerschaft. Im Fall der Bezirkshauptmannschaft handelt es sich um zwei Sozialarbeiterinnen mit deutscher Staatsangehörigkeit und eine Schreibkraft, die in Österreich geboren sowie österreichische Staatsbürgerin ist und einen türkischen oder persischen Hintergrund hat (hier widersprachen sich die Interviewpartner). Eine der früher beschäftigten Personen mit Migrationshintergrund war ein Pole, der bei der Fremdenpolizei tätig war, wo nach Auskunft der Interviewpartner/innen seine osteuropäischen Sprachkenntnisse von Vorteil waren. In struktureller Hinsicht ist außerdem interessant, ob Personen mit Migrationshintergrund auch Mitglieder der Personalvertretung sind und inwieweit ihre Interessen durch die Personalvertretung verfolgt werden. Von den insgesamt 17 Personalvertreter/innen in den betrachteten Verwaltungen hat keine/r einen Migrationshintergrund. Die Personalvertretung schätzt die Anliegen von Personen mit Migrationshintergrund nach Angabe des Kanzleileiters der Bezirkshauptmannschaft auch nicht als relevant für ihre Arbeit ein. Der interviewte Landespersonalvertreter begründet dies wie folgt: „Nein. Sind voll integriert. Ist auch kein Thema für die Personalvertretung. Ich mache keine Migrationspolitik. […] Also für mich ist es kein Thema. Höchstens es käme zu Benachteiligungen. Das habe ich noch nie erlebt, dass irgendeiner über einen Beamten, der einen Migrationshintergrund hat, dass es da aus dem Grund einen Konflikt gibt. […] Ich hatte in den letzten zehn Jahren nicht ein einziges Problem aufgrund von Migrationshintergrund – das gibt es nicht.“ (Landespersonalvertreter) 9 Auffallend an diesem Zitat ist, dass der interviewte Personalvertreter von sich aus direkt auf Probleme, Benachteiligungen, Konflikte eingeht. Insgesamt vermittelt die Personalvertretung eher das Bild einer reaktiven Problemanlaufstelle als das einer aktiven Mitsprache-, Beteiligungs- und Gestaltungsinstanz. Insgesamt lässt sich feststellen, dass Beschäftigte mit Migrationshintergrund in den betrachteten Verwaltungen eine eher marginale Rolle einnehmen. Es ist davon auszugehen, dass ihr Anteil an allen Beschäftigten unterhalb des oben genannten österreichischen Durchschnitts in Höhe von 1,8 Prozent liegt. Hinzu kommt, dass die in den Interviews genannten Beschäftigten mit Migrationshintergrund entweder nur kurzfristig als Praktikantinnen bzw. Volontär tätig waren oder sich in kultureller Hinsicht nur vergleichsweise geringfügig von ihren österreichischen Kolleg/innen unterscheiden. Letzteres betrifft die deutschen Sozialarbeiterinnen sowie die türkischstämmige Schreibkraft, über die der Bezirkshauptmann sagt, man sehe ihr die Herkunft nicht an: „Wenn Sie das Namensschildchen nicht anschauen und ihren Namen nicht lesen, dann ist das ein < Bundesland > Dirndl“. 4.2 Personalpraktiken Im Folgenden wird dargestellt, wie in den betrachteten Verwaltungen Personal rekrutiert, beurteilt und entwickelt wird. Diese Praktiken sind die zentralen personalpolitischen Handlungsfelder,6 und sie sind eng mit Personalstrukturen verbunden. Ihre konkrete Ausgestaltung kann die Integration und Chancengleichheit von Personen mit Migrationshintergrund sowohl fördern wie auch beeinträchtigen. Personalrekrutierung Für alle hier betrachteten Verwaltungseinheiten wird Personal zentral über die Personalabteilung im Amt der Landesregierung rekrutiert. Das heißt, üblicherweise melden die einzelnen Referate oder Abteilungen vakante Stellen bzw. ihren Personalbedarf an die 6 Die Entgeltgestaltung ist ein weiteres zentrales personalpolitisches Handlungsfeld. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten aufgrund ihrer Sensibilität keine Informationen über die Entgeltverteilung gewonnen werden. Da die Entgeltbemessung im öffentlichen Dienst allerdings unmittelbar mit der Leistungsbeurteilung zusammenhängt, ist eine Analyse der Leistungsbeurteilungspraktiken ähnlich aufschlussreich. 10 Personalabteilung. Diese entscheidet sodann darüber, ob eine Stelle tatsächlich besetzt wird, erstellt das Anforderungsprofil, schreibt die Stelle aus und selektiert geeignete Kandidat/innen auf der Basis von mehreren Tests und Gesprächen. Der Besetzungsvorschlag wird sodann einem politisch besetzten Personalbeirat vorgelegt, der eine Empfehlung an das letztendlich entscheidende, zuständige Mitglied der Landesregierung abgibt. Politische Parteien oder Inhaber/innen von höheren politischen Ämtern können auf diese Weise Einfluss auf den Stellenbesetzungsprozess nehmen. Der Rekrutierungsprozess als Ganzes lässt keine diskriminierenden Elemente erkennen, insbesondere aufgrund der vergleichsweise hohen Professionalität, Standardisierung und Formalisierung. Eine potenzielle Einflussnahme von politischen Parteien oder Amtsinhaber/innen kann sich sowohl nachteilig auf die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund als auch zu deren Gunsten auswirken: Einerseits ist es für Personen mit Migrationshintergrund in manchen Fällen schwerer, sich aktiv in politischen Parteien zu engagieren. Dies ist jedoch für eine entsprechende Förderung oftmals notwendig. Andererseits kann aber auch der politische Wille bewirken, dass verstärkt Personen mit Migrationshintergrund eingestellt werden.7 Neben dem Rekrutierungsprozess als Ganzem lohnt sich auch eine Betrachtung von einzelnen eingesetzten Instrumenten und Kriterien. Interessant sind hier insbesondere die formale Anforderung einer speziellen Staatsangehörigkeit sowie erforderliche Deutschkenntnisse. Beide Anforderungen können eine Barriere für Personen mit Migrationshintergrund darstellen. Dabei sind die im Abschnitt zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen dargestellt Anforderungen für eine Pragmatisierung (Beamt/innen) relevant, nicht jedoch für eine Tätigkeit im Angestelltenverhältnis auf Basis eines privatrechtlichen Vertrags (so genannte Vertragsbedienstete/r) notwendig. Ebenfalls gibt es für Personen mit EU-Staatsbürgerschaft kaum Hindernisse. Personen mit DrittstaatenAngehörigkeit jedoch benötigen zunächst die entsprechenden Titel. Im Hinblick auf die zentrale Bedeutung von sehr guten Deutschkenntnissen schildert zum Beispiel der Personalreferent: 7 So wurde zum Beispiel in den vergangenen Jahren in den untersuchten Verwaltungen erfolgreich der Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöht, ein Ergebnis, das sich – auf anderem Niveau – auch für Personen mit Migrationshintergrund erzielen lässt. 11 „Und diese Tests sind in Deutsch. Und wir bieten diese – obwohl die Tests kann man durchaus auch muttersprachlich anbieten […], weil sie dann natürlich wesentlich genauer wären – aber wir brauchen als Verwaltung natürlich ein sicheres Deutsch, weil in den klassischen Verwaltungsbereichen ist die Notwendigkeit, dass man sich Deutsch ausdrücken kann und Deutsch kommunizieren kann die Voraussetzung. […] Und gerade diese Tests sind oft so aufgebaut, weil sie so Redundanzen drinnen haben, doppelte Verneinungen drinnen haben, dass auch grammatikalische Besonderheiten sind von der deutschen Sprache her – [...] das macht es für die Leute schwierig.“ (Referent für Personalentwicklung) Demgegenüber kann die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund durch eine gezielte Rekrutierungsstrategie gefördert werden. Bislang wurde allerdings in den untersuchten Verwaltungen noch nie ein Migrationshintergrund als explizite Anforderung definiert, und es wird auch nicht gezielt nach Personen mit Migrationshintergrund gesucht: „Wir suchen jetzt nicht konkret Leute mit diesem klassischen Migrationshintergrund, sondern wir werden dadurch immer konfrontiert mit Leuten, die sich eben bewerben.“ (Referent für Personalentwicklung) Es wurde allerdings einmal versucht, in einem Kindergarten eine Erzieherin mit türkischem Hintergrund einzustellen. Ziel war es, die Zweisprachigkeit einer bereits bekannten Kandidatin speziell im Rahmen der Sprachfrühförderung der betreuten Kinder zu nutzen. Nachdem die Kandidatin das Einstellungsangebot jedoch abgelehnt hatte, gab es keine weiteren Anstrengungen mehr in diese Richtung. Über den pädagogischen Bereich hinaus nennen die Interviewpartner/innen als mögliche Tätigkeitsbereiche für Bedienstete mit Migrationshintergrund insbesondere die (Fremden-)Polizei und das Staatsbürgerschafts- und Aufenthaltswesen. Dabei gibt es allerdings auch Vorbehalte, insbesondere im Hinblick auf die Ausübung der Macht- und Obrigkeitsfunktion einer Behörde durch Bedienstete mit Migrationshintergrund, wie das folgende Zitat illustriert: „Ich glaube, dass wenn in so einem typischen Genehmigungsreferat jemand sitzt, der ein Türke ist, und der sagt: ,Ja hart, Alter, aber …‘, aber er kann das wegreden, aber genau im Negativfall würde das so ausgehen: ‚Wo kommen wir denn da hin, jetzt bestimmen die schon über unsere [Bescheide].‘ Ich kann mir gut vorstellen, Sie sitzen in irgendeiner [Bezirkshauptmannschaft], haben dort im Gewerbereferat einen sitzen, der Baugenehmigungen macht, und da gibt es eine muslimische Gemeinde […], und der will da eine Moschee hinbauen. Und der [Türke] sagt: ‚Wir haben Religionsfreiheit, es ist alles möglich, wenn Sie das Ortsbild einhalten 12 und das Ganze, können wir eine Baugenehmigung erteilen‘. Das würde Krieg bedeuten, vor allem Medienkrieg.“ (Referent für Personalentwicklung) In diesem Fall stellen also (vermutete) Erwartungen der Umwelt an die Bediensteten bzw. an die öffentliche Verwaltung einen Hinderungsgrund für die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund dar. Leistungsbeurteilung Da in den betrachteten Verwaltungen bislang erst sehr vereinzelt die Leistung von Beschäftigten mit Migrationshintergrund formal beurteilt wurde, konzentrierten sich die Interviews weniger auf konkrete einschlägige Erfahrungen, sondern stärker auf die generellen Praktiken im Zusammenhang mit der Leistungsbeurteilung. Sowohl die Verfahrensweise als auch die Inhalte der so genannten Dienstbeurteilung sind im entsprechenden Landesgesetz über das Dienst- und Besoldungsrecht (§§ 80ff.) umfassend geregelt. Danach ist eine Beurteilung durch die Dienststellenleitung erstmalig nach Ablauf des ersten Dienstjahres und daraufhin im Fünf-Jahres-Rhythmus sowie im Anlassfall (wenn Leistungsänderungen angenommen werden) vorgesehen. Im Gesetz sind gängige Beurteilungskriterien wie Fachkenntnisse, Fleiß, Verantwortungsbewusstsein, Zusammenarbeit mit Mitarbeiter/innen und Vorgesetzten sowie Teamfähigkeit und Belastbarkeit angeführt. Sie werden in den Formularen, die in den hier betrachteten Verwaltungen verwendet werden, berücksichtigt, indem die Kriterien jeweils auf einer fünfstufigen Skala mit den Ausprägungen „hervorragende Leistung“, „überdurchschnittliche Leistung“, „durchschnittliche Leistung“, „Mindestleistung“, „unterdurchschnittliche Leistung“ beurteilt werden. Es gibt außerdem bei jedem Kriterium Raum für Ergänzungen und Begründungen. Auffallend bei den verwendeten Formularen ist, dass die meisten der im Landesgesetz angeführten Kriterien exakt umgesetzt werden, dass jedoch deutlich mehr Gewicht als im Landesgesetz vorgesehen auf Sprachkenntnisse gelegt wird: Während laut Gesetzestext „die fachlichen Kenntnisse“ zu beurteilen sind, ist im Beurteilungsformular die Rubrik „Kenntnisse“ untergliedert in „Fachliche Kenntnisse“, „Mündliches Ausdrucksvermögen“ und „Schriftliche Ausdrucksweise“. Die Gründe für diese Ausdifferenzierung konnten im Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt werden. Offenkundig ist 13 jedoch, dass die Anwendung dieser Kriterien Bedienstete, für die Deutsch nicht die Erstsprache ist, gegenüber Personen mit Deutsch als Erstsprache benachteiligen kann. Zwar bezieht sich das Kriterium dem Wortlaut nach nicht (nur) auf die deutsche Sprache, es ist jedoch davon auszugehen, dass es in der Beurteilungspraxis so ausgelegt wird. Gleichstellungspotenzial besteht im Hinblick auf dieses Beurteilungskriterium darin, dass die kommunikativen Fähigkeiten von Personen mit Migrationshintergrund gegebenenfalls besonders positiv hervorgehoben werden können. Darüber hinaus gibt es im Beurteilungsformular in der Rubrik „Verhalten im Dienst“ das – in Gesetz und Formular gleich lautende – Beurteilungskriterium „Bewährung im Parteienverkehr und Außendienst sowie Verhandlungsgeschick“. Auch dieses Kriterium ist gut dafür geeignet, die Leistungen von Beschäftigten mit Migrationshintergrund im Umgang mit entsprechenden Parteien angemessen zu berücksichtigen. Ähnlich ambivalent wie die verwendeten Kriterien ist der praktizierte gesamte Prozess der Leistungsbeurteilung. Mehrere Interviewpartner/innen geben an, dass parallel zu den turnusmäßigen Dienstbeurteilungen in unregelmäßigen Abständen weitere informelle Beurteilungen stattfinden. Deren Ergebnisse, die auf verschiedenen, relativ willkürlich ausgewählten Kriterien basieren, sind für die weitere Entwicklung der Beschäftigten von größerer Relevanz als die Ergebnisse der formalen Beurteilung. Für Beschäftigte mit Migrationshintergrund hat diese parallele Verfahrensweise den Vorteil, dass Leistungen, die mit ihrem Migrationshintergrund verbunden sind und die in den offiziellen Beurteilungsformularen nicht berücksichtigt sind, gegebenenfalls trotzdem anerkannt werden können. Ein Nachteil besteht demgegenüber darin, dass nicht- standardisierte und -formalisierte Beurteilungsverfahren grundsätzlich stärker anfällig für Diskriminierungen aufgrund bestimmter, nicht anforderungsbezogener Merkmale sind. Zusammengefasst gibt es in den betrachteten Verwaltungen im Handlungsfeld der Leistungsbeurteilung sowohl Elemente, die Chancengleichheit von Beschäftigten mit Migrationshintergrund fördern, als auch Elemente, die diskriminierend wirken können. Aufgrund der bisher sehr schwachen Aktivität der untersuchten Verwaltungen in diesem 14 Handlungsfeld lässt sich auf Basis der Interviews nicht feststellen, ob sich diese Potenziale und Gefahren tatsächlich in der Praxis niederschlagen. Personalentwicklung Im Handlungsfeld der Personalentwicklung geht es zum einen um die Entwicklung von Beschäftigten mit Migrationshintergrund selbst, zum anderen aber auch um die Entwicklung sämtlicher Beschäftigten mit dem Ziel, besser mit Personen mit Migrationshintergrund umgehen zu können – sei es nun als Kolleg/innen, Vorgesetzte oder Mitarbeiter/innen oder sei es als Parteien. Auch in diesem Handlungsfeld gibt es bislang nur sehr vereinzelt konkrete Erfahrungen mit Beschäftigten mit Migrationshintergrund. In den Interviews gibt es daher auch keine Hinweise darauf, ob es Unterschiede zwischen Beschäftigten mit und ohne Hintergrund im Hinblick auf die aktive Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen oder im Hinblick auf Karriereverläufe gibt. Bei den in den Interviews genannten Bediensteten mit Migrationshintergrund der Bezirkshauptmannschaft handelt es sich ja mehrheitlich um ehemalige Beschäftigte. So könnte ein personalpolitisches Ziel sein, gerade auch Praktikant/innen und Volontär/innen für eine spätere Dauerbeschäftigung zu gewinnen. Eine solche Karriereentwicklung hat hier jedoch offensichtlich nicht stattgefunden. Für die berufliche Weiterbildung der Beschäftigten gibt es ein umfangreiches Angebot der Landesverwaltungsakademie, das sich inhaltlich an den Bedarfen der verschiedenen Abteilungen orientiert. Das Angebot trifft auf reges Interesse. Darüber hinaus haben viele Beschäftigte die Matura oder ein Hochschulstudium berufsbegleitend absolviert. Seminare, die sich speziell an Beschäftigte mit Migrationshintergrund richten, bietet die Landesverwaltungsakademie nicht an: „[…] für so einzelne Berufsgruppen, wo wir gedacht haben: das macht Sinn, etwas da anzubieten – das gibt’s schon […] aber wie gesagt, was jetzt so die Diversität anbelangt, weiß nicht, ob das jetzt schon auch da Thema ist.“ (Leiter der Personalabteilung) Das Angebot der Landesverwaltungsakademie umfasst unter anderem Seminare mit inhaltlichem Bezug zu Personen mit Migrationshintergrund – zwar nicht als Beschäftigte, sondern als Parteien, doch ist davon auszugehen, dass sich die Auseinandersetzung 15 mit diesen Inhalten auch auf den Umgang mit Beschäftigten mit Migrationshintergrund auswirkt. Die Interviewpartner/innen beurteilen diese Seminare allerdings nicht nur positiv. So hatte insbesondere der Einsatz eines Trainers mit Migrationshintergrund in einem solchen Seminar negative Effekte: „Da war eben ein Trainer mit Migrationshintergrund und der hat eigentlich gesagt wie es ihm als Partei sozusagen ergangen ist bei dem Erwerb des Aufenthaltstitels und der Staatsbürgerschaft und das war zum Teil sehr kritisch. [...] Das wurde bei den Mitarbeitern nicht so sehr geschätzt, weil sie dann plötzlich das Gefühl gehabt haben sie werden da angegriffen.“ (Leiterin der Abteilung Innere Angelegenheiten, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltswesen) Auch der für Personalentwicklung zuständige Referent äußert sich im Hinblick auf ein geeignetes Seminarangebot eher skeptisch: „Ich persönlich meine, dass so etwas nicht Sache einer Verwaltungsakademie sein kann, sondern da geht es um Haltung. Haltungsänderung passiert meist über Vorbild und Vorbilder können nur die Führungskräfte sein. […] Und irgendjemandem dann erzählen: Mit einem Schwarzen müssen sie so umgehen. Mit einem Türken müssen sie so umgehen. Also das sind – und die Gefahr dieser Verwaltungsakademie besteht eben genau darin.“ (Referent für Personalentwicklung) Auffallend ist ferner in struktureller Hinsicht, dass der Diversitybeauftragte im Amt der Landesregierung die Aktivitäten der Landesverwaltungsakademie nach eigener Einschätzung nicht beeinflussen kann, obwohl er entsprechenden Bedarf sieht: „[Mein Einfluss] ist derzeit ein geringer und ich werde dort nicht gehört und es fehlt dort das Verständnis. […] Dort ist ganz dringendst, also das ist „train the trainer“ würde man fast sagen, [...] also dort ist der Standard nicht so prickelnd.“ (Diversitybeauftragter) Ein weiterer Aspekt, der im Hinblick auf die Chancengleichheit von Personen mit Migrationshintergrund und Anti-Diskriminierung als eher problematisch zu beurteilen ist, findet sich in einem Veranstaltungstitel: Ein Coaching für Beschäftigte der Abteilung Innere Angelegenheiten, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltswesen, also für Beschäftigte, die besonders häufig Kontakt mit ausländischen Parteien haben, wurde benannt als „Umgang mit schwierigen Parteien“. Die Gefahr besteht hier darin, dass mit entsprechendem Sprachgebrauch nicht nur Stereotypisierungen und Stigmatisierungen in Hinblick auf bestimmte Parteien einhergehen. Sondern darüber hinaus können sich solche Kategorisierungen auch leicht auf Beschäftigte mit ähnlichem Migrationshintergrund übertragen. 16 Insgesamt sind daher die Diskriminierungsgefahren, die mit Praktiken im Handlungsfeld Personalentwicklung in den untersuchten Verwaltungen verbunden sind, als nicht unerheblich einzuschätzen. Das Gleichstellungspotenzial von Personalentwicklungsmaßnahmen wie zum Beispiel Diversity Trainings oder Mentoring-Programmen wurde bislang nicht genutzt. 5. Diskussion Die Analyse der Personalstrukturen und Personalpraktiken in den betrachteten Verwaltungen zeigt insgesamt, dass Personen mit Migrationshintergrund eher marginal repräsentiert sind und dass die aktuellen Praktiken wenig auf deren Beschäftigung ausgerichtet sind. Dennoch verfolgt der Staat hier auch keine reine Exklusionsstrategie im Sinne von Ortlieb/Sieben (2008a; b). Denn zum einen zielt die Gesetzeslage durchaus auf Integration, und zum anderen ist diese auch erklärter politischer Wille. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass die gängige Argumentation aus der DiversityForschung, wonach Unternehmen deshalb von Beschäftigten mit Migrationshintergrund profitieren, weil diese besser auf die Bedürfnisse und Wünsche der Kund/innen mit entsprechendem Migrationshintergrund eingehen können, nur bedingt auf die öffentliche Verwaltung übertragbar ist. Denn obwohl auch im Rahmen von New-PublicManagement-Konzepten die Kund/innenorientierung ein zentrales Ziel der öffentlichen Verwaltung ist, handelt es sich bei diesen „Kundinnen“ doch oftmals um Personen, die von Verwaltungshandlungen eher negativ betroffen sind, wie zum Beispiel im Falle der Verweigerung von Aufenthaltstiteln oder im Falle der Strafverfolgung. Dennoch verspricht ein Zuschneiden der Demographie der Bediensteten mit Parteienverkehr auf die Demographie dieser Parteien auch für die öffentliche Verwaltung Vorteile, wie zum Beispiel Zeitersparnisse bei der Kommunikation (vgl. auch Healy et al. 2010) oder eine leichtere Beschaffung von Informationen im Rahmen der Strafverfolgung. Auf solche potenziellen Vorteile wiesen auch die Interviewpartner/innen hin. Allerdings dominiert in den Interviews – abgesehen von auf Nachfrage geäußerten Vermutungen über Vorteile – insbesondere der Problem- und Konflikt-Fokus. Hier zeigt sich gerade auch im Hinblick auf die Personalvertretung ein Unterschied zwischen den in dieser Studie betrachteten Verwaltungen einerseits und den von Schmidt (2007) so- 17 wie von Ortlieb/Sieben (2010) untersuchten Unternehmen: In diesen Studien stellte sich heraus, dass viel Betriebsräte entscheidend zur Beschäftigung und zur betrieblichen Integration von Personen mit Migrationshintergrund beitragen. Um das politische Ziel, den Anteil von Bediensteten mit Migrationshintergrund in öffentlichen Verwaltungen Österreichs zu erhöhen, umzusetzen, ist daher für die Verwaltungspraxis zu empfehlen, die Personalvertretung stärker für deren Potenziale zu sensibilisieren. Eine entsprechende Aufgabe könnte auch in den Landes-Personalvertretungsgesetzen definiert werden. Gleichzeitig ist es empfehlenswert, gängige personalpolitische Maßnahmen wie zum Beispiel eine gezielte Suche nach Personen mit Migrationshintergrund, spezielle Trainings und Mentoring-Programme durchzuführen. Und schließlich sollten die eingesetzten personalpolitischen Instrumente im Detail auf Diskriminierungsfreiheit geprüft werden. Auf dem Gebiet der Gleichstellung von Frauen und Männern in öffentlichen Verwaltungen wurden in Österreich durch eine Kombination aus gesetzlichen Regelungen und praktischen Maßnahmen in der Vergangenheit beachtliche Erfolge erzielt. Diese Strategien lassen sich sehr gut auf Bedienstete mit Migrationshintergrund übertragen. Für künftige Forschung regen die Ergebnisse dieser Studie insbesondere an, verschiedene Bereiche des öffentlichen Dienstes miteinander zu vergleichen – zum Beispiel die hier untersuchten mit der Polizei, mit Schulen und Kindergärten oder mit öffentlichen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens –, um die jeweiligen Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Hinblick auf die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund im Detail herausarbeiten zu können. Innerhalb einzelner Bereiche können außerdem Praktiken von gewinnorientierten Organisationen mit denen von öffentlich-rechtlichen Organisationen verglichen werden. Im Rahmen eines solchen quasiexperimentellen Untersuchungsdesigns lassen sich die Besonderheiten des Staates als Arbeitgeber, seine spezifische Komplexität und Widersprüchlichkeiten sehr gut isolieren. 18 Literaturverzeichnis Anders, V.; Ortlieb, R.; Pantelmann, H.; Reim, D.; Sieben, B. & Stein, S. (2008). Diversity und Diversity Management in Berliner Unternehmen. Im Fokus: Personen mit Migrationshintergrund. Ergebnisse einer quantitativen und qualitative empirischen Studie. München & Mering: Hampp. Bach, S. & Kessler, I. (2008). HRM and the new public management. In: Boxall, P.; Purcell, J. & Wright, P. (eds.). The Oxford handbook of human resource management. Oxford: University Press: 469-488. Bruchhagen, V.; Grieger, J.; Koall, I.; Meuser, M.; Ortlieb, R. & Sieben, B. (2010). Social inequality, diversity and equal treatment at work: The German case. In: Klarsfeld, A. (Ed.). International handbook on diversity management at work. Country perspectives on diversity and equal treatment. Cheltenham & Northampton: Edward Elgar: 109-138. Cox, T.H. Jr. (1993). Cultural diversity in organizations: Theory, research and practice. San Francisco: Berrett-Koehler. Ely, R.J. & Thomas, D.A. (2001). Cultural diversity at work: The effects of diversity perspectives on work group processes and outcomes. Administrative Science Quarterly, 46(2): 229-273. Healy, G; Kirton, G.; Özbilgin, M. & Oikelome, F. (2010). Competing rationalities in the diversity project of the UK judiciary: The politics of assessment centres. Human Relations, 63(6): 807-834. Janssens, M. & Zanoni, P. (2005). Many diversities for many services: Theorizing diversity (management) in service companies. Human Relations, 58(3): 311-340. Leenen, R.; Scheitza, A. & Wiedemeyer, M. (2006). Kulturelle Diversität in Unternehmen. Zur Diversitätsorientierung von Personalverantwortlichen. In: Becker, M.; Seidel, A. (Hrsg.). Diversity Management. Unternehmens- und Personalpolitik der Vielfalt. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Mayring, P. (2008). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 10. Aufl. Weinheim: Beltz. Ortlieb, R. & Sieben, B. (2008a). Exclusion, hazard, adding value, or learning? Diversity strategies focused on employees with a migration background. In: G.T. Solomon (ed.): Best papers proceedings of the sixty-seventh annual meeting of the Academy of Management (CD), ISSN 1543-8643. Ortlieb, R. & Sieben, B. (2008b). Diversity Strategies Focused on Employees with a Migration Background: An Empirical Investigation Based on Resource Dependence Theory. Management Revue, 19(1+2): 70-93. Ortlieb, R. & Sieben, B. (2010). Migrant employees in Germany: Personnel structures and practices. Equality, Diversity and Inclusion, 29(4): 364-379. ÖIF, Österreichischer Integrationsfonds (2010). http://www.integrationsfonds.at/ fileadmin/Integrationsfond/NAP/nap_bericht.pdf (29.09.2010). 19 Ostheimer, W. (2006). Bedienstete mit Migrationshintergrund bei der österreichischen Polizei. In: In: Dudek, K.; Grundböck, K.H.; Haider, G. (Hrsg.). FH-Studiengang Polizeiliche Führung. Linz: Pro Libris. Sackmann, S.; Bissels, S. & Bissels, T. (2002). Kulturelle Vielfalt in Organisationen: Ansätze zum Umgang mit einem vernachlässigten Thema der Organisationswissenschaften. Die Betriebswirtschaft, 62(1): 43-58. Schmidt, W. (2007). Arbeitsbeziehungen und Sozialintegration in Industriebetrieben mit Beschäftigten deutscher und ausländischer Herkunft. Industrielle Beziehungen, 14(4): 334-356. Statistik Austria (2009a). Arbeits- und Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Österreich. Modul der Arbeitskräfteerhebung 2008. Wien: o.V. Statistik Austria (2009b). Arbeitskräfteerhebung 2008. Ergebnisse des Mikrozensus. Wien: o.V. Statistik Austria (2010). Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Überblick. URL: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/be voelkerung_nach_migrationshintergrund/index.html (29.09.2010). Traxler, F. (1999). The state in industrial relations: A cross-national analysis of developments and socioeconomic effects. European Journal of Political Research, 36(1): 55-85. Tunst, D. (2006). Diversität innerhalb der Polizei. Rekrutierung von Personal mit Migrationshintergrund. Dargestellt anhand der Polizei in Wien und der Polizei in den Niederlanden. In: Dudek, K.; Grundböck, K.H.; Haider, G. (Hrsg.). FHStudiengang Polizeiliche Führung. Linz: Pro Libris. 20