A8 Die Zeit 1933 – 1949 - Mardorf am Steinhuder Meer

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A8 Die Zeit 1933 – 1949
Um 1933
Zusätzlicher Lehrer in Mardorf ist Herr Gewecke (SA-Mann aus Hagen).
1933
Beginn der Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung der Juden, Sinti und Roma in Deutschland.
Regierungspräsident von Hannover wird Dr. Ulrich von Stapenhorst.
Neuer evangelisch-lutherischer Pastor für Mardorf und Schneeren:
Friedrich Karl Wilhelm August Lunde (*25.6.1903 in Horst als Sohn des Pastors H.F.Karl Lunde / oo
Elisabeth / vorher Pastor in Bentheim und bis 1968 in Mardorf-Schneeren / +8.11.1976 Bad Nenndorf). Ihm
zu Ehren ist um 1995 der Fußweg von der Mardorfer Straße zum Friedhof Pastor-Lunde-Weg benannt
worden. Besonders in Erinnerung bleiben werden
aber auch seine für damalige Verhältnisse sehr
großen Füße – Größe 48, mit von hand
verlängerten Spitzen. 2009 erhält der Weg ein
Erläuterungsschild:
Friedrich Karl Wilhelm August Lunde
(geb.25.6.1903 Horst+8.11.1976) Ev. Luth.
Pastor für Mardorf/Schn. 1933-1968
(Eheleute Lunde – Foto um 1955)
Eine neue kleine Hofstelle entsteht in
Mardorf: Die „Niedersächsische Heimstätte“
baut das erste Haus in Mardorf Nr.141 an
der Rehburger Straße. Wilhelm Thürnau (Nr.70 *1908+1978) ist gelernter Zimmermann und
Landwirt gründet eine Zimmerei mit „Gatter“ zum Schneiden. Durch die vielen Schuppenanbauten
wird er „Schuppenwilli“ genannt. Tochter Ilse oo W.Hahn („Timmermanns“).
? in 1933 ist auch auf dem Lindenberg die Nr.142 entstanden. Der Schneidermeister Heinrich
Hüper (*18.4.1905 Nr.87/103 +1985 / oo Dora Feldmann, Schneeren / 3 Töchter / später
Rintelmann) übernimmt das Haus von H.Nülle (Nr.44). Er ist auch Kleinlandwirt, schon
Verköppelungsteilnehmer!, Gemeindebrandmeister, 1.Vors. TSV und Wiedergründer des
Schützenvereins.
Albrecht Bretthauer (Steinhude Nr.142) erwirbt die Nr.145 am Weißen Berg. Um 1941 wird hier
aber schon der Hannoversche Architekt Wilhelm Hübotter (Nordufer-Planer) erwähnt.
Mardorf Nr.144 „Moorhütte“ (Inh. Oskar Brühmann / Düne und Anleger)
190
1933
An der heutigen Meerstraße 63 entsteht die Nr.146 am Weißen Berg durch Heinrich Stieber aus
Hannover. Um 1940 wird der Zahnarzt Dr. O.Mayring und Günther Berlin aus Hannover erwähnt.
Anfang 1933 Gau Süd-Hannover-Braunschweig mit Hauptstadt Hannover. Oberpräsident der Provinz Hannover
ist Viktor Lutze bis 1941.
SA und Arbeitsdienst (RAD) werden zum Alltag. Die NSDAP übernimmt endgültig die Macht in
Deutschland und damit in Mitteleuropa. Im Ort treten 30 Parteimitglieder aus der Kirche aus.
Reichsgesetz zur Zentralisierung des Fremdenverkehrs. Es wird der Landesverkehrsverband
Hannover (LVV) mit freiwilligen Mitgliedsvereinen gegründet. Gemeinsame Werbemaßnahmen.
Der Kriegerverein Mardorf wird „gleichgeschaltet“ und in Reichskriegerbund umbenannt.
Daraufhin treten viele Mitglieder aus.
Mardorf hat 633 Einwohner bei ca. 145 Hausnummern. Es gibt ca. 70 kleinere landwirtschaftliche
Betriebe im Vollerwerb und die „27 Bauern“.
30.1.1933
Adolf „Hitler“ wird Reichskanzler und am 1.8.1934 „Führer“ (später des Großdeutschen Reiches
bis zu seinem Selbstmord am 30.4.1945).
5.3.1933
Reichstags-Wahlen in Neustadt a. Rbge. erbringen erste große Mehrheiten für die „extremen“
Parteien: NSDAP 13.851 Stimmen, KPD 1.157, SPD 4.359, DNVP 1.677, DVP 162 und DHP (Deutsche
Hannoversche Partei) 383.
12.3.1933
Gemeinde- und Kreistagstagswahlen im Gau Südhannover. Bürgermeister in Mardorf,
Gemeindevorsteher und Standesbeamter bleibt vorerst F.Meyer (Nr.23 *1887) und 1.Beigeordneter
H.Niemeyer (Nr.37 *1885). Landrat in Neustadt a. Rbge. wird Johannes Specht (-1945). SAKreisführer Neustadt ist Rahlfs.
4.4.1933
Großdemonstration der SS und SA in Mardorf: (Leine – Zeitung 5.4.33)
„So etwas hat Mardorf noch nicht gesehen!“ hieß es, als in den Spätnachmittagsstunden des Sonntags die
schmucken Braunhemden der SA-Formationen unseres Kreises unter Vorantritt der SS-Musik-Kapelle und
des Trommler- und Pfeiferkorps durch die Straßen unserer Ortschaft marschierten. Ganz Mardorf war in
diesem Augenblick auf den Beinen, um Zeuge zu sein von diesem herrlichen und musterhaften Bilde,
welches unsere braunen Jungen uns boten. Auf dem Schulhofe endete der wunderbare Zug. Nach einer
kernigen Ansprache des Führers Rahlfs-Neustadt und einem Konzert der SS-Kapelle fand die
Nachmittagsveranstaltung ihr Ende. Um 8 Uhr begann der deutsche Abend im Saale des Gastwirts August
Asche, der von der hiesigen SA-Mannschaft gut vorbereitet war. Für Bekränzung und Blumenschmuck hatte
die hiesige Frauenabteilung Sorge getragen. SA-Mann Schlüsselburg eröffnete die abendliche Veranstaltung.
Nach ihm sprach Lehrer Gewecke-Hagen in ganz begeisterten Worten zu den versammelten Mardorfern und
forderte alle auf, mitzuwirken in dieser großen deutschen Volksgemeinschaft, in der Gemeinnutz vor
Eigennutz zu gelten habe. Alsdann würde auch das große Opfer der Millionen, derer das deutsche Volk am
Volkstrauertage gedacht habe, nicht vergebens gebracht sein. Treffend wies er auf unsern großen Führer
Adolf Hitler hin und wünschte, unter ihm wieder zu werden ein einig Volk von Brüdern. Seine Worte
zündeten in allen Herzen und so sang dann die Versammlung die erste
Strophe des Deutschlandliedes und das Horst-Wessel-Lied. Im Anschluß
daran trugen die Schulkinder unter Leitung ihrer Lehrer Gedichte und Lieder
vor. Die Pausen wurden ausgefüllt von Darbietungen der SS-Kapelle. Zum
Schluß gelangte eine humoristische Szene: Wir halten fest und treu
zusammen! zur Aufführung. Die Spieler, welche nur drei Tage Zeit zum
Ueben hatten, zeigten, daß mit Aufwendung aller Energie auch in kürzester
Zeit ein guter Erfolg möglich ist! Die Zuhörer spendeten für alle
Darbietungen reichsten Beifall. Sodann blieb man noch gemütlich
beieinander. Uns Mardorfern wird dieser Tag unvergesslich sein!“
12.-14.6.1933 Schützenfest (wieder ohne Winterkönig) mit König Wilhelm Heidorn
(*1903 Nr.113/170).
Juni 1933
Im Monat fällt über 160 mm Niederschlag (normal 60).
„Sommersonnenwendfeier“ der NS-Frauenschaft Schneeren/ Mardorf in alten Trachten.
13.9.1933
Reichsnährstandsgesetz (RNST / Schild rechts oben) macht neben einem Kreis- auch einen
Ortsbauernführer (OBF / Schild weiter unten) nötig. In Mardorf sind es u. a. Heinrich Förthmann
(Nr.12 *~1873 und Otto Struckmann (Nr.21 *1900). Das rechte Emaille-Schild ist am jeweiligen
Haus angebracht.
191
1933/34
Die neue Reichs-Autobahn 2 zwischen Ruhrgebiet und Berlin soll in einem ersten Entwurf
nördlich von Mardorf (etwa Vehrenheide – Golfplatz – Kohlenberg – Totes Moor) verlaufen (siehe
Karte in 1890).
Amtliches Schild des örtlichen Ortsbauernführers nach 1933
1934
„Trockenjahr“ – niedrigster jemals bis dahin
Wasserstand im Steinhuder Meer mit 37,41 m üNN.
gemessener
„Zwangsmitgliedschaft“ aller Touristik-Orte (auch Mardorf und
Steinhude) im Landesverkehrsverband Hannover (LVV bis 1939).
1.Vors. im TSV Mardorf wird Otto Gerberding (*6.11.1910 Nr.84). Er
bleibt es bis zur Einstellung der Aktivitäten Ende 1939.
Am heutigen Wasserkampweg 6 entsteht das Haus Nr.143 von Ernst
Schlüsselburg aus Hannover. Er ist auch SA-Ortsführer in Mardorf.
A. Frommold (Frommhold) aus Hannover erwirbt an der heutigen Meerstraße 61 (Weißer Berg)
einen Teil der Nr.147. Ab 1940 wird Dr.jur. Bernhard Sprengel (*1899+1985) Fabrikant für
Schokolade und Pralinen in Hannover erwähnt (später Nr.263).
Unter der gleichen Hausnummer 147 (aber Meerstraße 51) erwirbt Dr. Wilhelm Blase (*6.1.1902
Lübbecke/Westf. oo Hertha / Ruth – Tochter *1970 / später Nr.158) ein Grundstück. Er wird für
viele Jahre Jagdpächter in Mardorf und wegen seiner Verdienste im Schützenwesen zum
Ehrenoberst des Schützenvereins ernannt.
An der heutigen Ladenstraße 3 (Weißer Berg) erwirbt 1934 der Mindener Fabrikant August
Hohmeyer die Nr.148. Ab 1941 wird Heinrich Schrader aus Hannover-Herrenhausen genannt.
Familie Emil Jannssen (*1881+1955 oo Helene Fesing 1885+1976 – Sohn Adalbert*1913) aus
Hannover betreibt die Gaststätte und Pension „Meeresblick“ (Nr.149) noch bis nach 1960.
Georg Erdmann sen. (Herren-Bekleidungshaus in Hannover) erbaut direkt am Ufer (Kräheninsel)
an der heutigen Roten-Kreuz-Str.36 das östl. von Nr.129 gelegene Haus Nr.150.
Am heutigen Wasserkampweg 9 entsteht durch Dipl.Ing. Hermann Dörrner und Helmut Koch aus
Hannover das Haus Nr.151. 1936 übernimmt es der Hannoversche Postbeamte Willy Wiedenroth
(*1896 oo Holdine*1894).
Richard Könecke aus Hannover-Misburg erbaut das Haus Nr.152 am Weißen Berg (Erlenweg?).
1936 wird Brunhild Borgmann (*1924 Minden) dort erwähnt.
An der Meerstr.(49) baut der Hannoversche (Schuh-)Kaufmann Friedrich Görtz die Nr.158.
Heinrich Köhler baut eine kleine Kneipe (später Nr.222 / er später in Nr.144)
15.1.1934
Das „Preußische Feuerlöschgesetz“ tritt in Kraft: Auch in Mardorf ist bis dahin der Brandschutz
Privatsache und liegt bei den Einwohnern, die sich gegenseitig helfen müssen und selbst für ihre
Sicherheit verantwortlich sind. Die Gemeinde Mardorf hat natürlich auch schon vorher ihren Teil
mit einer kleinen „Pflichtwehr“, Wehrführer (F.Ohlhagen Nr.89 *1904), Gerät und Material
beigetragen. Mit dem Gesetz wird aber die Stellung der Feuerwehr in der Gesellschaft neu
geregelt. So wird die Wehr aus dem reinen Vereinswesen herausgehoben und unter den Schutz
des Staates gestellt. Gleichzeitig werden die Brandschützer in die Amts-Hierarchie des Ortes
eingegliedert. Bei den Aufgaben erweitert das Gesetz auch das Spektrum der Aufgaben. Neben
der reinen Löschaufgabe kommt nun auch die allgemeine Not- und Katastrophenhilfe hinzu.
26.8.1934
Um die Hilfe in Mardorf weiterhin sicher zu stellen, gründet sich „zwangsweise“ in der
Gastwirtschaft Kahle Nr.7 die Freiwillige Feuerwehr Mardorf. Von den 39 Gründungs-Männern
sind u. a. H.Förthmann (12), H.Kahle (17), Otto Heidorn (20), F.Meyer (23), August Struckmann
(30), H.Meier (48), W.Syrup (69), W.Kahle (82), F.Ohlhagen (89), W.Nortmeier (91), Albert
Struckmann (109) und H.Hüper (142) noch lange nach dem Krieg aktiv.
17.9.1934
Es gehören der neuen Feuerwehr schon 45 Männer an. Friedrich Ohlhagen (Nr.89 *1904) wird
Gemeindebrandmeister (bis 1945) und F.Wiebking (Nr.83 *~1896) sein Stellvertreter (bis 1945).
26.-28.5.1934 Schützenfest mit König Friedrich Meier (*1912 Nr.35).
23.7.1934
Großes Unwetter über Mardorf. Das Regenwasser steht 1 m hoch auf der Dorfstraße. Am
Mühlenberg (Haubarg) können die herunterschießenden Wassermassen nur durch einschlagen
einer Hauswand wieder herausgelassen werden.
192
1934/1935
Rekordbestand von Kaulbarsch im Steinhuder Meer!
Wintergeselligkeit genannt „Karott“ um 1935 in der guten Stube von Förthmann (Nr.12)
Führerschein in 1935 ausgestellt für Friedrich Meyer (*1887 Mardorf Nr.23)
193
1935
Schrittweise Einführung der Deutschen Volksschrift (-1941) als Schulausgangsschrift – eine
Weiterentwicklung des Sütterlin.
Stilllegung der
Rentabilität.
Steinhuder
Meerbahnstrecke
Stadt
Rehburg-Uchte
wegen
mangelnder
Wilhelm Krecke aus Hannover baut am Weißen Berg ? die Nr.155 und Friedrich Ahrend aus
Hannover die Nr.156.
Am Erlenweg (11) entsteht durch Franz oo Else Roever (*1904 Hannover) die Nr.157. Auch ihre
Kinder wohnen hier später.
Der Polizeibeamte Willy Dietmann (*1904 oo Brunhilde / Sohn Gerd*1944) erbaut die Nr.159
(Wasserkampweg 13).
Polsterer und Sattler Leo Oesterwinter (*2.7.1911+1975 / Emilie*29.8.1911 Schadberg) baut am
Wasserkamp(weg 16) die Nr.160.
Fritz und Elise Hildebrand bauen am Weißen Berg „An den Eichen“ (heute Wasserkampweg 3) die
Nr.161.
Bau der kleinen Kneipe „Goldige Freiheit“ (Büchner) am
Weißen Berg (später Nr.176 / Sperberweg 13).
Eröffnung der kleinen Kneipe „Dünenschänke“ am Weißen
Berg (später entsteht dort am Kiefernweg das Strandhotel
Nr.326).
Baubeginn der Gaststätte „Waldschänke“ (später Nr.366 am
Pferdeweg)
durch
Ludwig
(Ludschen)
Brühmann
(*11.5.1899+1973) und Helene (Leni / *27.9.1904+1993). Ihre
2 Söhne: Ludwig jun. (oo Else in Nr.111 „Blaue Grotte“) und
Oskar Brühmann (oo Gertrud in Nr.144, 188 „Moorhütten“).
Der Betrieb der kleinen Kneipe läuft bis 1975.
„Landjahr“ – Lehrgänge am Nordufer Mardorf. Gastwirt
Ostermeyer im Seestern (Nr.115) verpachtet seine Gaststätte
an den Kreis Neustadt als NS-Landjahr-Heim. Es gibt viele
negative Vorkommnisse über Brutalitäten an den
Jugendlichen.
Hofgebäude und Gastwirtschaft mit Pension Mardorf Nr.18
(Haus 1835 neu gebaut / Laterne am Saal (noch heute dort) / Rechnung oben von 1932)
15.-17.6.1935 Schützenfest mit König Gustav Vogeler (*1912 Nr.93).
1935/1936
Zwei Jahre großes Brassensterben im Steinhuder Meer!
1936
Regierungspräsident von Hannover wird SS-Standartenführer Rudolf Diels (-1942).
Der Kreis Neustadt a. Rbge. wird zum Landkreis Neustadt a. Rbge. (1.1.).
194
„Sylvester-Rott“ 1935/1936 (Verpflegung wird mitgebracht)
1936
Inbetriebnahme des nahe gelegenen Fliegerhorstes Wunstorf (Bau
„Kampfgeschwader“ Boelcke mit „Ju52“ und 1937 mit „He111“-Bombern.
ab
1934).
1935
Das Telefon-Ortsnetz „Schneeren“ mit Mardorf entsteht. Die Verbindungen kommen noch per
Handstöpselung zu Stande.
Mardorf hat laut amtl. Statistik 536 Einwohner!
„2 Einbäume“ werden im Bannsee und bei Lütjen Mardorf (Nr.164) gefunden – leider sind sie im
II.Weltkrieg verbrannt.
Die neue Gaststätte Kahle von 1936 an der Dorfstraße (das Gebäude steht noch)
Walter Heidmann aus Bielefeld wohnt in der Nr.162 (von Dr.Fricke erbaut – Dr.Fricke-Weg 8).
Die Nr.163 wird gebaut am Weißen Berg ? (von ?). Evtl. ist es die „Strandgaststätte“ bei Lütjen
Mardorf, die im März 1936 errichtet wird und ab 1969 als Nr.662 „Fischerstübchen“ neu entsteht.
Der Mardorfer Otto Meier (Wirt in Nr.110) eröffnet die Pension „Lütjen Mardorf“ (Nr.164).
Reichsfremdenverkehrsverband (RFVV) mit LFVV (Niedersachsen - Weserbergland) und aller
Fremdenverkehrsgemeinden als Pflichtmitglieder. Mardorf zahlt zu dieser Zeit für
Gemeinschaftswerbung an Steinhude 200 RM.
195
1936
Das Badehotel Weißer Berg (Nr.110) hat zu der Zeit: Gastzimmer, Klubzimmer, großen Garten,
Saal, Verkaufspavillon direkt am Strand, 103 Tische, 426 Stühle, 9 Fremdenzimmer mit 18 Betten,
Saisonkräfte: 1 Köchin, 1 Kellner, 1 Zimmermädchen, 1Aufwaschmädchen, 1 Hausmädchen
(ständig beschäftigt).
Seestern (Nr.115 / Landjahrheim) wird jetzt HJ-Heim für die Marine-HJ und den BDM. Eine erste
Holzbaracke (Nr.133) des Kanuverbandes Kreis Weser-Ems (45 Vereine im DKV) entsteht auf
dem heutigen Gelände am Mardorfer Nordufer. Schon ab 1931 werden einzelne Parzellen (1.877
m² für 305 RM/Jahr) als Pachtfläche von der Realgemeinde erworben. Am 18.8.1935 kommen
noch mal 1.200 m² hinzu. Jetzt beträgt die jährl. Pacht 485 RM.
6.-8.6.1936
Zum Schützenfest werden 3 Brüder Könige: Fritz Dankenbring (*1923 Nr.63) Jugendkönig im
Gewehrschießen, Bruder Willi (*1926) Kinderkönig und Helmut mit 7 Jahren König im
„Lederballschmeißen“. Der Ball wird dabei 5x durch einen 30m entfernten Reifen geworfen.
Schützenkönig ist Friedrich Heidorn (*1917 Nr.64).
Sommer 1936 Heinrich Niemeyer (Nr.37 *1885 / bis 1936 noch 1.Beigeordneter) wird als Bürgermeister und
Standesbeamter (bis 1946) in Mardorf eingesetzt. Gemeindevorsteher wird Fritz Wehrmann
(Nr.119 „Warte“). Vorgänger F:Meyer (Nr.23 *1887) muss nach mehr als 22 Jahren zurücktreten.
Die Verwaltung der Realgemeindeflächen geht zwangsweise an die politische Gemeinde. Deren
Vorsitzender wird Heinrich Niemeyer (Nr.37 *1885), der Bürgermeister.
1.12.1936
Gesetz über die Hitler-Jugend (HJ ab 15.Lebensjahr). Ab 10. bis 14. Lebensjahr werden nun die
Jungen im Jungvolk (DJ / „Pimpfe“) und die Mädchen im Bund Deutscher Mädel (BDM /
Jungmädel) zusammengefasst und uniformiert. Ab 25.3.1939 ist es eine Zwangsmitgliedschaft. Mit
dem 18.Geburtstag gibt es für die Jungen den Wechsel in die SA (Sturmabteilung), die 17 bis 21
jährigen Mädel sind im BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ organisiert.
Anfang 1937 Der Jahresanfang ist sehr kalt!
1937
Die Postagentur Mardorf erhält eine neue Adresse: ???
Eröffnung des Rehburger Heimatmuseums in der Form eines Dreiständerbürgerhauses (Architekt
Ernst Meßwarb).
Heinrich Harmening, Händler aus Hannover-Linden baut am Weißen Berg ? die Nr.165.
„Gebietsausschuß Steinhuder Meer“
umliegenden Gemeinden als Mitglied.
im
LFVV
Niedersachsen-Weserbergland
mit
allen
Fritz Wehrmann baut am Nordufer eingeschossige Wochenendhäuser mit Flachdach, aus Holz.
Architekt Flügel baut für Gartenarchitekt W.Hübotter Strandhäuser. Erste „Siedler“ sind Familie
Hübotter, Zahnarzt Dr. Mayring, Dr. Frombold(Frommold), Schokoladenfabrikant Bernhard
Sprengel.
Dr. (med.prakt.Arzt) Winfried Fricke aus Hannover
baut das heute noch stehende Holzblockhaus (Nr.166
/ Foto rechts) am Nordufer auf einem schon 1931
erworbenen Grundstück (Dr.Fricke-Weg 8).
Landwirt Wilhelm Meyer (von Nr.26) oo Erna
Langhorst (Nr.2 – Nr.227) bauen sich am Nordufer die
Nr.167 (Dr.Fricke-Weg ?).
22.-24.5.1937 Schützenfest
Nr.112).
mit
König
Ernst
Freese
(*1920
Sommer 1937 Das Gemeinde-Grundstück (heute: Auf dem
Lindenberg 10) wird vom Händler Wilhelm Heidorn
(*1903 Nr.113 / oo Herta Hofrage / Sohn) erworben und erhält als letzte vergebene Hausnummer
vor dem Krieg die Nr.170! Das schöne (noch heute vorhandene) Klinkerhaus wird erst um 1955
gebaut.
Das Marine HJ-Heim im Seestern hat schon viele Boote u. a. einen Ausbildungskutter. Leiter ist
der Hannoversche Tischler Friedrich Klaproth (seit 1931 auch Betreiber des Hotels).
Herbst 1937 Der Schützenverein Mardorf beteiligt sich erstmals am Erntefest der Gemeinde mit einem
Unkostenbeitrag von 19,85 RM.
9.12.1937
Ein Gesetz regelt das neue einheitliche Deutsche Rote Kreuz (DRK) und hat bis heute Bestand.
196
Um 1938
Fam. Dumont /später Nr.278) aus Lemgo baut am Weißen Berg ? ein Wochenendhaus (Nr.168).
Am „Fillerberg“ (1954 Nr.186 - Auf dem Mummrian 29) entsteht ein kleines Haus (Gustav
Peters*1913 in Kattenvenne/Iburg+gef.1944 oo Marie Stadtländer*1915 / 2 K.: Horst und Edith).
Im Gastgeberverzeichnis des Landesfremdenverkehrsverbandes Niedersachsen-Weserbergland,
Hannover stehen 2 Mardorf Gästebetten-Anbieter: Badehotel (Weißer Berg) mit 22 (2,50 Mark in
der Saison ohne Bad) und Otto Meier (Lütjen Mardorf) mit 10 (1,50 M. pro Nacht, Frühstück je 1
Mark). Bad Rehburg hat gleichzeitig 112 Betten.
Im amtlichen Telefonbuch sind für das Ortsnetz Schneeren (üb. Neustadt a.Rbge.) unter den
gesamten 23 Rufnummern (alle 2-stellig) für Mardorf vermerkt:
Wählvermittlung und Fernamt Wunstorf / Zeitangabe
Asche, August, Gastwirt, Mardorf [üb. Wunstorf] Nr.78
Badehotel „Weißer Berg“ Hotel, Pension, Weißer Berg
[P. Mardorf üb. Wunstorf]
Bürgermeister Mardorf [üb Wunstorf] Nr.37
Gend.-Einzelposten Schneeren
Lunde, Pastor
Mardorfer Warte, Hotel u. Strandrestaurant am
Steinhuder Meer, Inh. Architekt Fritz Wehrmann,
Luthe (Tel. Wunstorf 215), Mardorf [üb. Wunstorf]
Meier, Müllerei u. Güternahverkehr, Mardorf
[üb. Wunstorf] Nr.94
Meyer, Gebr., Kraftverkehr, Mardorf [üb. Wunstorf]
03
23
16
07
25
26
24
21
22
(oben: Gemeinsame Werbung für das Steinhuder Meer 1938)
1938
Beginn eines großen Eichensterbens in Mitteleuropa.
Mardorf hat 628 Einwohner.
Die Übernachtszahl der örtlichen Beherbergungsbetriebe übersteigt 865 pro Jahr!
Das auffällige Haus auf der Düne (Nr.169 / heute Ecke Holunderweg 25/Uferweg – blauer
Anstrich) wird gebaut. Es beherbergt auch eine Seglergemeinschaft. Nach 1945 wohnen hier Frau
Meyer (Nr.175) und später Franziska Fuhrmann (*24.5.1905 / oo Landgrebe). Sie sind über
Jahrzehnte im Gemeinderat und der Ortspolitik aktiv.
Anfang 1938 Bürgermeister Ernst Meßwarb in Rehburg tritt mit 65. Jahren ab, dafür kommt NSDAP-Mann
Seppl Günther an die Stadtspitze. In Mardorf geht zunächst alles noch etwas langsamer und
zurückhaltender. Der Bürgermeisterposten ist mit Heinrich Niemeyer Nr.37
zwar schon 1936 neu- bzw. „umbesetzt“ worden, aber die NSFührungspositionen im Dorf kommen erst nach und nach zur Geltung.
Wichtigster NS-Mann vor Ort ist der Lehrer Heinrich Dannenberg Nr.22. Er
wird unterstützt vom Ortsgruppenleiter NSDAP (rechts sein Ärmelabzeichen)
Kirchkötner Heinrich Heidorn Nr.24 und dem Ortsbauernführer. Weiter gibt es eine NSOrtsgruppe
der
„Pimpfe,
Hitlerjugend,
Bund
Deutscher
Mädchen,
Frauenschaft,
Reichsarbeitsdienst“.
197
Anfang 1938 Beginn der Nordbachverlegung.
Hans-Werner Bosse (Nr.129 / Zigarrenkisten- und Holzfabrikant) aus Stadthagen baut in Mardorf
ein Betriebserholungsheim an der Rote-Kreuz-Str. 1944 wird das Heim für staatl. Zwecke
beschlagnahmt.
Der Schützenverein Mardorf wird Mitglied im Deutschen Schützen-Verband.
Auf einem Grundstück von Nr.18 entsteht westlich der Kräheninsel direkt am Ufer das idyllisch
gelegene Wochenendhaus (Nr.195 / später „Stiller Winkel“) mit Reetdach von Sievers aus
Hannover. Es wird von Valentin (und Peter) Klein (Unternehmer in Hannover) übernommen.
1.Vors. bei „Concordia“ Mardorf ist Wilhelm Dankenbring (*1871 Nr.80) bis 1941 (Einstellung).
Sein Chorleiter ist von 1937-1939 H.Kleine (Nr.106).
Der Verein für Urgeschichte aus Hannover erkundet eine Woche lang die Mardorfer Umgebung
und katalogisiert die bis dahin gemachten Funde aus der Mittel- u. Jungsteinzeit, Bronze- u.
Eisenzeit (u. a. Steinmesser, Stichel, Pfeilspitzen, Rundmesser, Steinhobel, Nadeln und viele
Scherben).
8.1.1838
Briefträger auch für Mardorf ist Dietrich Rode jun. Dessen Familie baut große Postagentur in
Rehburg (Gebäude an der Hauptstraße noch heute).
31.3.1938
„Auseinandersetzung“ über das Vermögen der früher vereinigten Schul- und Kirchenstelle.
11.-13.6.1938 Schützenfest mit König Gustav Vogeler (*1912 Nr.93) als einer der aktivsten Schützen im Ort.
3.7.1938
Hannover 96 wird im Berliner Olympiastadion gegen Schalke 04 „deutscher Fußballmeister“!
Sommer 1938 Im „HJ-Heim“ (Seestern Nr.115) sind jetzt laufend ca. 50 Schüler untergebracht mit einer eigenen
Rettungsstation (DLRG).
1.10.1938
Trennung der 2.Lehrerstelle in der Mardorfer Schule von der Kirche!
10.11.1938
„Reichs-Progrom-Nacht“ („Kristallnacht“)! Die jüdischen Geschäfte, Einrichtungen und Synagogen
werden auch in Rehburg Wunstorf und Neustadt verwüstet. Die jüdischen Mitmenschen werden in
Konzentrationslager (u. a. Buchenwald) verschleppt und kaum einer überlebt die Zeit bis 1945.
1938/1939
Gemeinsame Werbung für das ganze Steinhuder Meer mit 30.000 Prospekten.
In Liebenau wird eine „Gestapo“-Zentrale mit angegliedertem „Arbeitserziehungslager“
eingerichtet.
Die
„Konzentrationslager“
(KZ)
in
Norddeutschland
entstehen:
Neuengamme/Hamburg, Bergen-Belsen und Niederhagen/Paderborn. Daneben gibt es aber in der
Nähe auch noch viele kleinere „Außenlager“, die z. T. zeitlich begrenzt oder nur für ein Projekt den
großen KZ angegliedert sind. Im Landeskrankenhaus Wunstorf erleiden erste behinderte Patienten
die „Eutanasie“.
Die Landwirtschaft in Mardorf wird allmählich mechanisiert:
Eigene größere Maschinen können Ende der 1930er Jahre für die Landwirtschaft angeschafft
werden. Otto Struckmann (*1900 Nr.21) holt sich um 1938 den ersten „Trekker“ (Traktor/Trecker)
auf den Hof. Der Lanz Bulldog HR8 „Ackerluft“ hat schon 55 PS. Er nutzt die Luftbereifung u. a.
für Viehtransporte und normale Ackerbearbeitung. Durch den Wechsel auf über 1 m breite
Stahlräder kann er auf feuchten Wiesen Kultivierungsarbeiten und Walzen durchführen.
Linkes Bild (ähnlich): ein Lanz HR8 bei der Kartoffelrodung mit einem „Siebtrommelroder“
Rechtes Bild (ähnlich): Lanz mit Stahlrädern
198
Auch die private Mobilität erreicht Mardorf:
1938/1939
Schon seit einigen Jahren (ca. 1935)
erledigen Müllermeister Wilhelm Meier
(*1886 Nr.75 / 94) und Sohn Otto (*1913) mit
einem kleineren Lastkraftwagen (Lkw)
wichtige Transporte auch für andere
Mardorfer.
Otto
Meier
wird
nach
Kriegsbeginn
mit
diesem
Lkw
zur
Wehrmacht eingezogen. Dort führt er dann einige Jahre Transporte mit einem
„Halbkettenfahrzeug“ durch (Opel Blitz 3,6 auf dem Foto oben ähnlich), das wegen Spritmangel
zusätzlich mit einem Holzgas-Vergaser ausgestattet ist. Dieses „Ungetüm“ ist auch noch nach
1945 in Mardorf im Einsatz.
Gleichzeitig kommt auch der erste Personenkraftwagen (Pkw) ins Dorf. Albert Struckmann (*1902
Nr.109) benutzt sein kleines dunkles Auto (? DKW) auch für andere Transporte aller Art (noch
heute wird in der Familie gelegentlich Taxi gefahren). Andere Mardorfer folgen mit einem ähnlichen
Auto: F.Meyer Nr.23, H.Förthmann Nr.12, H.Kahle Nr.4.
Auch Motorräder kommen ins Dorf (zuerst wohl auch DKW mit 125 oder 250 ccm)?
(Abb. links: DKW-F7-Zweitürer 1938)
(Abb. rechts zeigt eine DKW-Motorrad-Werbung aus der Zeit)
Vor 1939
Otto Heidorn (Nr.20 *7.2.1901 wird bis zur vorübergehenden Einstellung des Vereinslebens
(1939-1952) Nachfolger von Fritz Heidorn (Nr.64) als 1.Vors. des Schützenvereins Mardorf.
1939
Für die noch wenigen Katholiken dieser Gegend ist jetzt das Bistum Hildesheim zuständig.
Im Bereich südliche Häfern werden 16 Hügelgräber gezählt und kartiert. Es sind einfache Gräber,
ohne Eichensärge oder besondere Steineinfassungen; nur zentrale Holzhohlräume.
Erst jetzt wird beim TSV Mardorf eine Fußballsparte gegründet, doch der Verein „ruht“ bis 1947.
Dank des Schießwartlehrgangs von Heinrich Rusche (Nr.47) 1938 kann der Schützenverein jetzt
am Kreismeisterschaftsschiessen teilnehmen.
Die „Genossenschaftliche Treuhand Gesellschaft“ Hannover übernimmt die Windmühle Nr.75.
1940 wird W.Meier (*1886 Nr.94) dort Müllermeister.
1.4.1939
Die Poststelle I in Neustadt wird eingerichtet – Mardorf bleibt aber weiterhin Post Rehburg.
17.5.1939
Mardorf hat 639 Einwohner (lt. einer amtl. Statistik in Hannover nur 514). Die Zahl in Schneeren
geht dagegen zurück auf 781.
Zuständiges Amtsgericht ist Neustadt a. Rbge. und Finanzamt Nienburg/Weser.
3.-5.6.1939
Letztes Friedens-Schützenfest (eine Woche nach Pfingsten; Kinderfest am Montag) in Mardorf mit
dem 3maligen Schützenkönig August Nortmeier (*1905 Nr.42). Der Schießsport und alle
Festlichkeiten im Ort kommen zum erliegen („der Verein ruht“), da keine rechte Feierstimmung
mehr aufkommen will.
1.Sept.1939 Der Zweite Weltkrieg (bis 1945) beginnt mit dem Angriff auf Polen.
Die „Gestellungsbefehle“ erreichen auch in Mardorf zuerst die Jahrgänge 1894-1899. In der
allgemeinen „Euphorie“ melden sich noch viele freiwillig. Andere kommen zunächst zum
Reichsarbeitsdienst.
199
3./4.9.1939
Erstes englisches Flugzeug (evtl. Hawker „Hurricane“ – Foto rechts) wird über Mardorf gesichtet.
Danach gibt es immer öfter „Fliegeralarm“ und die Luftschutzüberwachung verlangt nachts strenge
Verdunklung. Das Steinhuder Meer als größtes Gewässer
Norddeutschlands vor den Toren Hannovers und Braunschweigs ist
auch in der Nacht gut zu erkennen wird zum Sammelplatz für
einfliegende alliierte Bomberverbände.
Sept.1939
In Mardorf wird die Feuermeldestelle bei Bürgermeister Niemeyer
Nr.37 eingerichtet. Bei Luftalarm wird eine Handsirene betätigt.
Okt.1939
Erste polnische Zwangsarbeiter kommen zur Arbeit in der Landwirtschaft nach Mardorf, darunter
auch „Zivilarbeiter“ (eigentlich Kriegsgefangene).
kommen erste polnische Zwangsarbeiter zur
Arbeit in der Landwirtschaft nach Mardorf. Die
Lager befinden sich in Rehburg-Stadt, Loccum
und Neustadt. Unter anderem werden sie für die
Verlegung des Nordbachs und den Bau des
später sogen. „Polendammes“ (Foto rechts um
2005) eingesetzt. 300 vorwiegend polnische
Zwangsarbeiter
und
ab
1941
auch
Kriegsgefangene sind mit Unterbrechungen bis
1945 mit den Baumaßnahmen beschäftigt.
Schwerpunktmäßig wird im sehr langen und
kalten Winter 1941/42 der Damm südl. des
jetzigen Nordbaches zwischen Meerland und
Heudamm, bis zur Meerbachbrücke und weiter
entlang der „Beeke“ (Meerbach) errichtet. Er dient
auch dem Hochwasserschutz für die umliegenden
Wiesen. Als Füllsand wird eine ehemalige
Sanddüne im Bereich Hegebusch / Hinter dem
Lindenberge (der später sogen. „Polenkuhle“)
abgetragen (siehe Karte 1938). Mit SchmalspurElektroloks und Loren wird auf dem Schienenweg
der Sand für weitere Dämme bis kurz vor Rehburg
transportiert. Einige Arbeitskräfte sind in Mardorf
auf dem Saal von Nr.78 bzw. auf Höfen (z. B. Franz ? bei Nr.84) untergebracht. Ein Pole wird bei
den Bauarbeiten von Aufsehern erschossen. Der Damm überdauert völlig in Takt die Zeit und ist
für Wanderer lange beliebte Strecke. Aus Naturschutzgründen ist der Damm seit ca. 2000
gesperrt. Ein paralleler „neuzeitlicher“ millionenteurer Ersatzbau Anfang der 1980er Jahre ist
inzwischen wieder im „Großen Dreckmoor“ versunken.
Nordbachverlegung (rote Markierung in der Karte oben = ehemaliges Bett) von westlich des
Meerbachtrichters nach nördlich vom Dreckmoor (siehe auch bei 1957). Der bis dahin ungeordnete
Abfluss aus dem Meer endet. Ein erstes Wehr bei Rehburg entsteht.
200
Okt.1939
Winterbeginn mit geschlossener Schneedecke.
Ende 1939
Mehrere Aushilfslehrer unterrichten in der Volksschule Mardorf u. a Marie Langer (*1921 bei Nr.7/
oo Robert Dankenbring, später Winningen).
Strenger Winter mit viel Schnee! Kälterekorde im Januar mit bis zu -32°C. Bis Febr.1940 bleibt es
extrem kalt.
Es gibt die ersten Mardorfer Kriegsopfer an der Westfront.
Winter 1939/1940 Für den kleinen winterlichen Binnenhandel (Lebensmittel gegen Leinen) mit Steinhude
nutzen einige Mardorfer auch Schlittschuhe und zum Transport Rodelschlitten. Um schneller über
das zugefrorene Eis zu kommen, werden große Leinentücher am Gürtel befestigt und mit beiden
Händen zum steuern in den Wind gehalten (die ersten Winter-"Kiter"?).
Winter 1939/1940 am Ortsausgang Mardorf nach Schneeren (links Nr.96)
Jan./Febr.1940
Kälteeinbruch mit bis zu -30°C und vielen Schneeverwehungen.
Anfang 1940 Weitere Jahrgänge müssen in den Kriegseinsatz. Verwundete kommen zur Erholung in die
„Mardorfer Warte“. Die Mardorfer Beherbergungsbetriebe haben in dieser Zeit aber trotzdem
auch für andere Gäste geöffnet. So haben das „Hotel Weißer Berg“ (Nr.110) 22 und die „Mardorfer
Warte“ (Nr.119) über 100 Betten anzubieten!
Mit den ersten kleineren deutschen Luftangriffen und Bombardierungen beginnt die „Luftschlacht
um England“ mit großen Zerstörungen und führt schließlich zur Gegenoffensive der Alliierten.
11./12.5.1940 beginnt mit dem nächtlichen Angriff auf Mönchengladbach der „Bombenkrieg gegen
Deutschland“: Zunächst aber nur mit britischen Flugzeugen der Royal Air Force „RAF“ (Bomber
Command) von England aus und nur in Nachteinsätzen. Neben dem britischen Premierminister
Winston Churchill wichtigster Mann ist dabei Air Chief Marshal Arthur Harris.
18./19.5.1940 Um kurz nach Mitternacht trifft ein Bombenangriff in Norddeutschland auch Hannover.
Im Turm der Mardorfer Windmühle Nr.75 wird eine „Funkleitstelle“ der Wehrmacht zur
Flugabwehr von Hannover installiert. Auf dem Kohlenberg (Nr.1)ist eine „Scheinwerfer“-Anlage.
201
(Kleiderkarte 1940)
15./16.7.1940 Hannover wird das 1.mal (von 125) bei einem Bombenangriff schwer getroffen.
Sommer 1940 Am Nachthimmel kann man sehen wie Hannover nach verheerenden Bombenangriffen brennt.
Die sogenannten „Tannenbäume oder Christbäume“ (rote und grüne ZielmarkierungsLeuchtbomben die langsam an kleinen Fallschirmen zu Boden gleiten) zeigen den BombenFlugzeugen den Weg.
26./27.8.1940 Hannover ist Ziel einer schweren Nachtbombardierung der RAF.
Alliierte Luftstreitkräfte (u. a. britische Bomber vom Typ: Avro „Lancaster“ mit 7 MannBesatzung, DeHavilland „Mosquito“ mit 2 Mann und 2 Motoren – Foto unten links, HP „Halifax“ mit
7 Mann – Foto unten Mitte, Short „Stirling“ mit 7-8 Mann – Foto unten rechts) / ab 17.8.1942 auch
amerikanische B-17 mit bis zu 10 Besatzungsmitgliedern) verwechseln öfter das Steinhuder
Meer mit dem Maschsee in Hannover, das damals ein häufiges Ziel ist.
Sie entladen ihre tödliche Fracht also über dem Gebiet im und rund ums Meer. Auch die großen
angrenzenden Moore erhalten ihren Teil fehlgeleiteter Bombenfracht. Um die gegnerischen
Flugzeuge irre zu führen, werden auf dem Steinhuder Meer für Tarnzwecke 800
Radarstörungsflöße installiert.
7.9.1940
Beginn des „Blitz“ (konzentrierte Bomberangriffe auf England) bis 16.5.1941.
16.12.1940
Die RAF beginnt
Deutschland.
1940/1941
Schwarzschlachten, Buttern und Handeln sichern das Überleben auf dem Lande. Dazu kommen
Versuche selbst Tabak anzubauen und Schnaps zu brennen. Aber darüber hinaus wird alles
immer knapper und dann auch zunehmend rationiert.
mit
verheerenden
„Area
Bombing“
(Flächenbombardierungen)
über
Der Wirtschaftsplan Mardorf führt zum ersten Bebauungsplan am Weißer Berg (1941) und
Freigabe des 3,5 km langen Uferabschnitts zwischen Mardorfer Warte und Hotel Weißer Berg.
202
1940/1941
Es gelten nun auch in Mardorf die NS-Bauvorschriften u. a.: ..... der Eigenart des Landschaftsbildes und
des Baumbestandes einzuordnen .... Außenwände in Fachwerk- oder Blockbauweise ...... Sprossenfenster ......
Dach aus Rohr oder Stroh / in Waldgebieten braune bzw. bodenständige Ziegel ....... Parzellengröße 1.500 m²
.... Hecke- oder Holzzäune ...... keine Werbe- und Firmenschilder ..... kein Stacheldraht ......
Anfang 1941 Langer und sehr kalter Winter!
Polizeiverordnung zur Regelung der Bebauung des Geländes am Weißen Berg am Steinhuder
Meer sowie Platzordnung für Zeltlagerplätze. Dazu kommt ein weiterer W.Hübotter-Plan zur
Gestaltung und Bebauung des Nordufers zwischen Mardorfer Warte und Weißem Berg.
Dauerwohnungen z. B. im Bereich Erlengrund (1943 Nr.182) und Wasserkamp entstehen.
1941
Einführung der Deutschen Normalschrift. Sie bleibt bis 1952 schulische Ausgangsschrift.
Oberpräsident der Provinz Hannover ist Hartmann Lauterbacher bis 1945.
Beginn des Ernte-Kindergartens Mardorf mit Ida Meier (*1922 Nr.94) im alten Haus von Nülle
Nr.1 (östl. von Nr.47). Schon aus dieser Zeit stammt der begriff „Tante Ida“. Einstellung der
Betreuung mit 1945, da jetzt einfach zu viele Kinder im Ort sind.
Junge Mädchen aus Polen und der Ukraine werden vereinzelt auch auf Mardorfer Bauernhöfe
zwangsverpflichtet, um bei der täglichen Arbeit zu helfen. Die als 16-jähriges Mädchen aus der
Ukraine auf den Hof Nr.37 deportierte Nadja Samnius muss aufgrund von internationalen
Verträgen schon im April 1945 in ihre Heimat zurückkehren. Dennoch denkt sie in Dankbarkeit an
diese Zeit und hält mit ihrer Familie weiterhin Kontakt zum Hof Niemeyer in Mardorf.
Einige französische Kriegsgefangene werden (ab Mai 1940) in Mardorf anstelle der Kriegsdienst
leistenden Männer zur landwirtschaftlichen und gemeindlichen Hilfe eingesetzt und auf dem Saal
von Nr.18 einquartiert.
Die russischen Kriegsgefangenen haben (ab Mitte 1941) bei der Unterbringung in auswärtigen
Behelfsbaracken nicht soviel Glück.
Am 10./11.2., am 23./24.3., am 15./16.5. und am 15./16.6.1941 ist Hannover jeweils Ziel von schweren
Nachtbombardierung der RAF.
22.6.1941
Deutscher (zusammen mit den „Achsenmächten“) Angriff („Barbarossa“) auf die Sowjetunion!
Sommer 1941 ist sehr verregnet und ein Großteil der Ernte auch in Mardorf geht verloren.
Am 19./20., am 25./26.7. und am 12./13.8.1941 ist Hannover jeweils Ziel von schweren Nachtbombardierungen
der RAF.
203
1.9.1941
Mit dem „Judenstern“ (Abb. rechts) wird die Endphase des „Holocaust“ an Juden, Sinti und Roma
eingeleitet.
7.12.1941
Überfall (des deutschen Verbündeten) Japan auf den US-Stützpunkt „Pearl Harbor“
(Hawaii) führt am 8.12. zum Kriegseintritt der USA (11.12. Deutsche
Kriegserklärung), die bis dahin die Alliierten in Europa „nur“ mit Kriegsmaterial
unterstützt hatten.
1941/42
Der strenge Winter ist von Dez. bis Febr. extrem kalt und schneereich – Mardorf ist längere Zeit
von der Außenwelt abgeschnitten.
1942
Das Konzentrationslager Arbeitsdorf – Wolfsburg entsteht.
Regierungspräsident von Hannover wird Dr. Kurt Binding.
26./27.1.1942 Hannover ist Ziel einer schweren Nachtbombardierung der RAF.
Alliierte Jagdbomber (auffällig vom Boden ist die Lockheed
P38“Lightning“ – Foto rechts) werden bei Kämpfen mit der deutschen Luftwaffe gesichtet.
Febr./März 1942 Viel Schnee und Temperaturen bis -20°C.
31.3.1942
Als letzte verbliebene jüdische Familie in Rehburg-Stadt werden Max und Emmy Goldschmidt
über das Sammellager Ahlem weiter nach Warschau deportiert. Sie überleben den „Holocaust“
nicht.
4.5.1942
Maria Sabat (*19.12.1909 in Sarny bei
Lemberg/Lwow/Lwiw in Galizien – im
strittigen Grenzgebiet zwischen Polen
und Ukraine) kommt nach der deutschen
Besetzung mit einem 4-tägigen Bahntransport nach Deutschland und wird ab 8.5. auf einem
Spargelhof in Liebenau eingesetzt (siehe Arbeitskarte oben). Ab 5.8.1942 wird sie der Hofstelle
Nr.8 in Mardorf zugewiesen. Vom griechisch-katholischem Pfarramt wird ihr im gleichen Jahr ein
Geburtschein als „Volksdeutsche“ (Vater war in der österr.-ungar.Armee, Mutter eine geborene
Wolf) ausgestellt. Daraufhin erhält sie ein Arbeitsbuch (siehe Foto oben). Ihr muss es wohl trotz der
schweren Arbeit relativ gut gegangen sein. Sie will nach Ende des Krieges nicht in ihre inzwischen
sowjetische Heimat zurückkehren und bekommt 1961 eine unbefristete Arbeitserlaubnis; erhält
später Rente und wird am 9.5.1977 schließlich eingebürgert. Maria verstirbt am 22.5.1987 in einem
Seniorenheim in Rehburg.
204
Trotz Krieg wird weiter
für das Steinhuder Meer
geworben (Karte)!
4.7.1942
Der Luftkrieg über Deutschland wird jetzt von der „8th US-Air Force“ unter GenMaj Carl A. Spaatz
in Zusammenarbeit mit der RAF gesteuert (1944 folgt ihm LtGen James H. Doolittle).
7.7.1942
beginnt die „Schlacht um Stalingrad“. Insgesamt 650.000 Menschen verlieren in diesem „Kessel“
bis 2.2.1943 ihr Leben. Viele der 6.Deutschen Armee gehen in russische Gefangenschaft, aus der
bis 1956 nur die wenigsten zurückkehren. Für die Ostfront ist es auch der Wendepunkt. Der Krieg
bewegt sich jetzt vollends Richtung Deutschland.
18.9.1942
Die Deutsche Luftschutzraum-Ordnung gewährt nur Deutschen den Zutritt zum rettenden Bunker!
Dez.1942
Der Brief eines in Stalingrad eingeschlossenen deutschen Soldaten (Gottfried Mäder*1920) an
seine verwitwete Mutter in Mardorf (Nr.63) vom 29.12.1942. Mit Bleistift geschrieben und erst nach
seinem frühen Tod im Januar 1943 in die ferne Heimat gelangt. (Der Schreiber hatte eine gute
Schulbildung, aber wegen der schlechten Ernährung und extremen Kälte an der Front ergeben
sich viele Rechtschreibfehler und zum Schluss wirkt auch alles etwas „zerfahren“):
„Meine Lieben!
Mein liebes sorgendes Mütterlein, heute abend komme wieder zu, u. sende dir die aller recht herzlichsten
Grüße. Sitze wiedermal an dem kleinen Tischchen, das kleine Tischchen, das mir so manchesmal als
Unterlage diente, wenn ich an meine liebe Mutter schrieb. U. so tut der kleine Tisch es auch heute wieder.
Wärend ich jetzt an meine liebe Mutter schreibe, hoffe ich, das ich wärend der Zeit nicht gestört werde u.
mögte doch auch hoffen dass Du meine liebe Mutter, wie auch Onkel u. Fml. Dankenbring noch alle gesund
und munter seit. Das ich von mir mit Gottes-Hilfe gesundheitlich auch noch sagen darf. Wie habt Ihr den
Weihnachten verlebt? War der kleine Fritz zu Weihnachten noch da? Hoffentlich!’’ Wie war den im
Algemeinen die Stimmung zu Weihnachten in Mardorf?’’ Was für’n Weihnachten wir in Stalingrad gehabt
haben, glaub ich, brauch ich wohl nicht zu erwähnen.
Vielleicht habt Ihr auf’n Heiligabend Radio gehört, wenn ja, dan wisst Ihr es ja. Heiligabend stand ich auf
Posten, schönes Gefühl, u. dan keine Post, rein gar nichts hatten wir zu Weihnachten, im Gegenteil. Wir
haben nur ein Wunsch, mögten doch Päkchen’s ankommen, damit man sich doch mal wieder satt essen kann,
aber wir wollen alles in Gottes Händen legen, möge Er geben das wir hier aus’n Kessel bald erlöst werden
aber mache Dir liebe Mutter keine Sorgen. Wir lassen den Kopf nicht hängen, u. das bringt ja schließlich
auch nichts ein. Wir müssen es alles in Gottes Handen, der wird uns uns schon führen denk ich. U. nun meine
liebe Mutter schließe ich für heute wieder mein Schreiben, u. wünsche Dir meine liebe Mutter, wie auch
Onkel u. Fml. Dankenbring ins neue Jahr alles Gute, möge Gott Euch Liebe ins neue Jahr Zufriedenheit u.
Frieden schenken. Diese zwei Wünsche, wünsch ich Euch Lieben, von ganzen herzen:
Euer Gottfried
Gute Nacht.“
Bereits am 6.2.1943 beeilt sich der Leutnant und Resteinheitsführer des Pz.Grd.Regt.26 über die Feldpost an die
Mutter zu schreiben: „...dass der O’gefr. August (Taufname) Mäder am Heldenkampf in der Festung
Stalingrad teilgenommen und den heroischen Endkampf gegen eine erdrückende Übermacht mitgekämpft
hat“. Das wirkliche Schicksal klärt sich für die Mutter aber erst Jahre später.
205
1943
Regierungspräsident von Hannover wird Paul
Kanstein.
Der inzwischen Reichskriegerbund genannte
ehemalige Kriegerverein Mardorf wird mangels
Mitgliedern aufgelöst.
Der letzte Mardorfer Nachtwächter „Slösser Willi“
stirbt. Wilhelm Meier (*um 1880 in Bremerhaven /
Abbauer in Mardorf Nr.127). (Foto
mit
dem
„Kuhhorn“ = Signalhorn)
Seit ca. 1910 Amts- und Gemeindediener,
Schließer („Slösser“) in Mardorf bis 1943. (oo
Lene ? aus Sachsenhagen / 2 Töchter). An
früheren Silvesterabenden ist er gewöhnlich mit
seiner Frau, die vorsorglich eine Torfkarre mitführt,
von Haus zu Haus gegangen und beide singen
nach einem kräftigen „tuuten mit’n hörn“
(Signalhorn = im Mardorfer Wappen verewigt) den
traditionellen Neujahrsglückwunsch: „Oh wie laufen
doch die Jahre, wie verschwindet doch die Zeit ...!“. Bei
Jungverheirateten: „Ik wünsk jük’n nyt joor un’n
lütjen jung mit kruusen (swarten) hoor!“ Für seine treuen Dienste im vergangenen Jahr erhält er jedes
Mal zum Dank „’n kloorn un’ne knapwost“. Um Mitternacht muss seine Frau ihn dann oft beherzt auf
die Karre packen, um die Runde fortzusetzen.
3.2.1943
(20:25 Uhr) Der Hof Mardorf Nr.67 (H.Nülle, damals noch zw. Nr.78 und 82) brennt nach einem
Luftangriff mit Brand– u. Phosphorbomben, der wohl Hannover treffen sollte, ab. Bei diesem
irrtümlichen Brandbombenabwurf mit etwa 150 Bomben werden auch noch weitere
Wirtschaftsgebäude beschädigt (Nr.11 Garagen und Nr.102 Scheune / ein weiterer Brand kann
rechtzeitig gelöscht werden). Menschen kommen nicht zu Schaden (Foto oben: Nach den
Brandbomben: Französische Kriegsgefangene beim Aufräumen vor den Garagen von Nr.11).
Ab Juni 1943
fliegt die US Air Force jetzt auch am Tage großangelegte Bombenangriffe auf Deutschland (in
Hannover am 26. u. a. Leineschloss, Opernhaus, Markthalle und
Marktkirche zerstört). Die RAF kommt weiterhin nachts. Auch kleinere
Jagdbomberverbände (Foto rechts: z. B. Republic P47“Thunderbolt“) werden
über Mardorf gesichtet.
206
24./25.7.1943 Hamburg erlebt nach einem schweren Nachtangriff, einem am Tage und einer weiteren
Nachtbombardierung am 27. mit dem Unternehmen „Gomorrha“ einen vernichtenden
„Feuersturm“.
26.7.1943
Hannover ist ebenfalls Ziel eines ersten schweren amerikanischen Bombardements am Tage.
21.8.1943
Hitzerekord mit +38°C!
22./23. u. 27./28.9.1943
9.10.1943
Hannover ist Ziel von schweren Nachtbombardierungen der RAF.
Hannover erlebt durch massive nächtliche (kurz nach Mitternacht um 1.19 h, sternklar, südöstl.
Wind) britische Bombenangriffe "die Schreckensnacht". 430 Flugzeuge mit ca. 3.000 Spreng-,
28.000 Phosphorbrand-, 230.000 Stabbrandbomben lassen 1.245 Menschen sterben, 250.000
obdachlos werden und zerstören u. a. das Leibnizhaus und Alte Rathaus. Selbst in Mardorf sind
Detonationen, Feuer und Rauch zu spüren. Nachdem schon Kinder aus Hamburg nach Mardorf
verschickt worden waren, kommen nun kurzfristig 432 Flüchtlinge aus Hannover dazu.
18./19.10.1943 Ein alliierter Bomber (vom Typ „Liberator“ –
englische
Version
der
amerikanischen
Consolidated B-24 mit 12 Mann Besatzung –
Foto) stürzt nach Beschuss beim Anflug auf
Hannover nördl. von Mardorf über dem Buchholz
ab.
Ein
Besatzungsmitglied
(von
vier?
Gefundenen)
überlebt und wird
nach
Wunstorf
(Fliegerhorst) zur
Internierung
gebracht.
(2 Original Fotos: Ray Dankenbring*1924 St.Louis, MO, USA / oben rechts: typische
Kondensstreifen / unten: Spuren von Luftkämpfen und B17-Bomber im Anflug auf Hannover)
207
Ab 1943
Unterbringung von ausgebombten Städtern in Wochenendhäusern und Herbergen in Mardorf.
Erste Flüchtlinge aus Westdeutschland (Raum Aachen) sind dabei. Die Aufnahmeleitung ist im
Gasthaus Asche (Nr.78)
1943/1944
Jugendliche (auch unter 15 Jahren) und „Greise“ (über 65) aus Mardorf werden vor allem zum
Ende des Krieges als Flakhelfer in Hannover eingesetzt.
Über Mardorf wird ein amerikanischer Bomber-Begleitjäger abgeschossen (NorthAmerican-P51„Mustang“ – Foto links / auch die „Spitfire“ – Foto Mitte links – ist öfter über Mardorf zu sehen).
Insgesamt 5 deutsche Jäger (4 Messerschmidt „Bf109“ vom nahen Fliegerhorst Wunstorf – Foto
Mitte rechts und evtl. auch eine Junkers Ju87„Stuka“ mit 2 Mann Besatzung – Foto rechts) werden
bei Luftkämpfen über Mardorf bis Kriegsende zum Absturz gebracht.
Trotz Krieg und Zerstörung finden immer noch Erholungssuchende den Weg nach Mardorf (Foto
rechts: kleine Pension bei Kahle Nr.82 vor 1945).
1944
Die immer größer werdenden menschlichen
zivilen und militärischen Verluste an allen
Fronten fordern auch viele Mardorfer Opfer.
Postleitzahl für Raum Mardorf (Hannover) „20“.
Vorübergehend bis 1946 hat Heinrich
Wiebking (*~1885 Nr.40) die Nebenstelle der
Kreissparkasse Neustadt a. Rbge. mit dem
kleinen Tresor und den „flexiblen Öffnungszeiten“.
Anfang 1944 Durch Zusammenlegung der Ämter ist jetzt der Bürgermeister (H.Niemeyer, Nr.37), Vorsteher der
Gemeinde und gleichzeitig Vorsitzender der Realgemeinde Mardorf.
11.1.1944
Aus einem alliierten Verband auf dem Weg nach Halberstadt wird
ein Bomber (wahrscheinlich eine englische Avro „Lancaster“ – Foto
rechts) von der Flak abgeschossen und stürzt nördl. von Mardorf in die
Buchholz-Forst. Von der achtköpfigen Besatzung kann sich einer mit
dem Fallschirm retten, versteckt sich bei Nr.86, wird angezeigt und
als Gefangener nach Wunstorf zum Fliegerhorst gebracht.
30.1.1944
Hannover ist Ziel eines schweren Bombenangriffs.
März 1944
(Vermutlich am 9.3.) Ein amerikanischer Großbomber (Boeing B-17 „Flying Fortress“ – Foto
rechts) muss beim Anflug auf Nienburg, Hannover, Braunschweig im
Winzlarer Streitbruch notlanden. Die Besatzung versucht sich in den
schwimmenden Wiesen zu verstecken, muss sich aber schließlich
ergeben und kommt nach Wunstorf (Fliegerhorst).
28./29.5.1944 (Pfingsten) Mitten im Krieg kommen Tausende Erholung suchende
Menschen ans Steinhuder Meer, insbesondere zur „Mardorfer Warte“
und an den Weißen Berg.
6.6.1944
Landung der Alliierten an der Küste der Normandie („Overlord“)!
12.6.1944
Fliegende Bomben („Wunderwaffen“) werden jetzt als „Vergeltungswaffen“ gegen England
eingesetzt. Die V1 fliegt bis 29.3.1945 und die V2 von Sept.1944-27.3.1945.
18.6.1944
Hannover ist Ziel eines schweren Bombenangriffs.
Mitte 1944
Musterung für die Jahrgänge 1927/28: Die 17jährigen Jugendlichen hätten eigentlich zunächst den
6monatigen Reichsarbeitsdienst (RAD) leisten müssen. Wegen der hohen Kriegsverluste geht es
nun aber gleich als Rekrut in die verkürzte Wehrausbildung und dann gleich an die Front. Sie
glauben noch an den „Endsieg“ und sehnen den Einsatz herbei. Viele ideologisch verführte
Jugendliche melden sich darüber hinaus freiwillig und oft auch zur Waffen-SS. Ihre Ausbildung
findet in den Dörfern und in der Nähe von Nienburg statt.
208
Sept.1944
„Propaganda-Offensive“ des III. Reichs: Die Untergrundbewegung „Werwolf“ findet allerdings
keinen Anklang in der deutschen Zivilbevölkerung.
18.10.1944
Der Volkssturm aus älteren Männern über 60 Jahre und Jugendlichen der Jahrgänge 1926/27 soll
jetzt den unaufhaltsamen Vormarsch der Amerikaner, Briten und Kanadier aufhalten. Auf dem
Brink in Mardorf werden „Wehrübungen“ durch aktive (oft versehrte) Offiziere abgehalten.
22.10.1944
Hannover ist Ziel eines schweren Bombenangriffs.
4.11.1944
Hannover ist Ziel eines schweren Bombenangriffs.
12./13.12.1944 Hannover ist Ziel eines nächtlichen schweren Bombenangriffs.
Anfang Jan.1945 Musterung für die Jahrgänge 1928/29: Die ehemaligen Jungvolkkinder im Alter von 15-17
Jahren müssen für 6 Wochen in das Ausbildungslager Eystrup-Hämelheide. Dort sind in 4
Kompanien ca. 400 Jungen untergebracht. Wegen der nahenden Front von Westen wird die
Ausbildung auf 3 Wochen verkürzt. Am Mittwoch (4.4.) gerade wieder zu Hause wartet aber schon
der „Gestellungsbefehl“ (ein harmloses einfaches Blatt Papier) für Montag (9.4.) in HannoverBothfeld. Zum Glück kommen die Ereignisse dazwischen!
5./6.1.1945
Hannover ist Ziel eines nächtlichen schweren Bombenangriffs.
3.2.1945
Berlin erlebt den 300. Bombenangriff aus der Luft. Dresden bekommt noch eine ganze
Angriffswelle mit vielen Toten ab (13.-15.3.1945).
3./14. u. 17.3.1945 Hannover ist Ziel mehrerer schwerer Bombenangriffe durch alliierte Flugzeuge. Das
nördliche Stadtgebiet wird hart getroffen. Die Luftangriffe enden, aber Hannover ist zu 80 % (vor
allem im Zentrum) zerstört.
Der Bombenkrieg aus der Luft hat in Deutschland schätzungsweise einer halben Million
Zivilisten das Leben gekostet.
April 1945
Aus dem Nahrungsmittellager Bokeloh erhält Mardorf keine Lieferung mehr.
4.4.1945
(Mittwoch) Minden ist schon zum größten Teil von britischen Truppen besetzt. Über den WeserElbe-Kanal (Mittellandkanal) führt hier noch eine wichtige intakte Brücke.
5.4.1945
(Donnerstag) Englische und
Kanadische Streitkräfte (8th
UK-Army Corps / 6th UKAirborne Div. / 1st CanadianAirborne Bat. (Canadian 1st
Army) / 11th UK Tank Div.)
nähern sich zuerst nördlich
von Minden der Weser. Sie
setzen mit Faltsturmbooten
über
und
legen
eine
Pontonbrücke
über
die
Weser bei Petershagen (sie
trägt 40 Tonnen – Zeitungsfoto
rechts mit „Cromwell-Panzer“).
Die Brücke bei Heisterholz (9
Tonnen tragend) wird nicht
zerstört.
Dort
und
bei
Wietersheim können kleine
Brückenköpfe gebildet werden
und so können sie mit ihren Truppen jetzt schnell weiter Richtung Hannover vorrücken.
Weiter nördlich Richtung Nienburg sprengen deutsche Sprengkommandos die Weserbrücken
zwischen Leese und Stolzenau und in der Stadt Nienburg/W. (um 11 Uhr). In Steyerberg werden
auf dem Bahnhof noch sechs V1 und V2 Raketen (auf Waggons) gesprengt.
Z. T. Jugendliche des SS-Pz.Gren.Ausb.u.Ers.Btl.12 (mit Kommandeur HSturmFhr. Peinemann)
leisten dann auf der rechten Weserseite hartnäckigen Widerstand. Der anglo-kanadische
Angriffsschwerpunkt liegt bei Stolzenau. Dort verteidigt lediglich die 1.Batt. des RAD-FlakReg.531. Trotzdem kann das 8.Bat. der Rifle Brigade mit Schlauchbooten übersetzen und einen
ersten kleinen Brückenkopf (Gut Vorwerk) bilden. Das „Corps of Royal Engineers“ baut danach
eine Kriegsbrücke.
209
6.4.1945
(Freitag) Im Morgengrauen führen junge SS-Soldaten einen Gegenschlag, der ab Mittag auf
britische Elite Einheiten trifft. Sie halten sie auf und zwingen die Alliierten am 7.4. 17 km weiter
südlich bei Petershagen über die abgebildete Kriegsbrücke (Zeitungsfoto oben) überzusetzen.
Ebenfalls am 6.4. rückt zwischen „Weser-Elbe-Kanal“ (Mittellandkanal) und Deister entlang der
R65 (B65) die 84th US-Infantry-Div. (US 9th Army) weiter Richtung Hannover vor. Sie treffen bei
Kolenfeld und Dedensen (schwere Flak-Stellung) auf die deutsche „Kampfgruppe Wiking“ der
5.SS-Pz.Div. (Waffen SS mit gepanzerten SPW, Sd.Kfz.251 und Panther-Panzer), Einheiten des
Volkssturms und bei Wunstorf auf die lokale Fliegerhorstverteidigung. Die Leinebrücken bei
Schloß Ricklingen, Bordenau (bleibt intakt), Luthe sind besonders vom 7.-9.4. schwer umkämpft.
Die vorrückenden Alliierten erleiden durch Gegenangriffe herbe Verluste. Der Vormarsch kann
aber allenfalls nur verzögert werden. Weiter nördlich erreicht abends das 12th Devonshire Reg.
Raderhorst und Wiedensahl und die 159.Brig. mit 2 Inf.Bat. und einem Pz. und Pz.Aufkl.Bat. rückt
gegen Loccum vor.
210
7.4.1945
Von zwei Seiten treffen somit die Alliierten vor Loccum auf die 5.SS-Kompanie, die bis in die
Nacht Widerstand leistet und sich dann nach Rehburg absetzt.
(Samstag) Am Morgen rücken über Steinhude / Großenheidorn britisch-kanadische Stoßtrupps
weiter nach Norden vor und besetzen ohne Gegenwehr den Fliegerhorst Wunstorf, wo sich noch
am gleichen Tag die RAF in den fast unbeschädigten Anlagen einrichtet. In Neustadt werden 24
junge britische Fallschirmjäger (7th Bat., Light Infantry of the Airborne Forces) beim vorschnellen
Passieren der Löwenbrücke über die Leine durch Hand-Zündung einer Fliegerbombe zerfetzt und
viele weitere verwundet.
Das englische Jagdflugzeug „Typhoon / Tempest“ (Foto rechts) kommt bei
den letzten Kämpfen an der Weser zum Einsatz. Dagegen hält sporadisch
nochmal ein deutscher „Stuka“. Die Kampfhandlungen dauern im Raum
Nienburg/W. auch wegen der gesprengten Weserbrücken von der Nacht 7./8.4. bis zum 9.4. an,
wobei die Stadt Nienburg als „offene Stadt“ kampflos übergeben wird.
Leese wird aber wegen des erbitterten SS-Widerstandes besonders stark zerstört. Die deutsche
Resttruppe zieht sich nach Nordosten zurück.
8.4.1945
(Sonntag) Die Rehburger Einwohner erreichen am Morgen, dass die 5.SS-Kompanie ihre neuen
Panzerabwehrstellungen (Panzerfäuste mit 30 m Reichweite) weiter nördlich des Friedhofs
einrichten.
Britische und kanadische Truppen (3rd Royal Tank Rgt. and 23rd
Hussars of the 29th Armd.Bde. mit Major-General George Roberts,
11th Armd.Div., 8 Corps, 21st Army Group) und später auch mit Field Marshal Bernhard
Montgomery rücken von Loccum kommend in Rehburg ein. Sie haben englische „Churchill“ (Foto
oben links) und „Cromwell / Comet“ (Foto oben Mitte / Rechts Original-Foto vom 8.4.1945) Panzer.
Der Spitzenpanzer (ein „Comet“) des 2.Bat. der „Fife and Forfar“ rattert durch die Hauptstraße
Rehburgs und am Ortsausgang nach Husum wird der Kompaniechef Major E.Loram von einer
vorschnellen Karabinerkugel tödlich getroffen. Es gibt ein kurzes Feuergefecht und Flammenwerfer
(auch mit „Churchill-Crocodile“ Panzern) verbrennen die Landschaft.
Danach ziehen sich die Truppen in den Ort zurück. Ein nachfolgendes Infanterie Bat. des
„Herefordshire“ Rgt. nimmt 15 abgekämpfte z. T. erst 17jährige SS-Soldaten gefangen (großes Foto
weiter unten – mit noch brennenden Bäumen am Straßenrand und Jeep). Am Morgen des 9.4. werden
diese von Mitgliedern des „Cheshire“ Inf.Bat. im Wilden Moor (500 m nordöstl. des Krähenberges
bei Rehburg) erschossen.
Die britische 29.Panzer-Brigade bricht später aber doch noch durch und gerät in Husum in ein
schweres Gefecht. Die 5.SS-Kompanie und das Marine Bat. aus Nienburg (2.Mar.Inf.Div.)
verteidigen das Dorf bis zum Abend. Am 9.4. bewegen sich die alliierten Truppen Richtung
Linsburg. Auch hier sind viele Tote, brennende Häuser und Ruinen (Flammenwerfer) das Resultat
des sinnlosen Endkampfes.
Der alliierte Kampfverband mit dem 1.Bat. des „Cheshire Reg.“ an der Spitze der 159.Brigade
wendet noch am Morgen seine Stoßrichtung in Richtung Mardorf und erreicht kurz darauf über
die „Rehburger Chaussee“ den Ortskern. Die Bewohner der zuerst passierten Häuser wissen nicht,
wie sie sich am besten verhalten sollen, denn in Mardorf halten sich noch versprengte deutsche
Soldaten auf. Die nationalsozialistischen „Ortsgrößen“ sind auch noch im Amt und die
heranrückenden Truppen sind durch die Rehburger Vorfälle in höchster Anspannung und haben
zudem die Aktion „Werwolf“ im Kopf, wodurch sie noch immer Hinterhalte der Zivilbevölkerung
erwarten. Aber Großmütter mit Lebenserfahrung nehmen kurzerhand ein weißes Tischtuch und
schütteln es unverdächtig vor der Haustür aus.
211
(Original-Foto vom 8.4.1945 in Rehburg-Stadt – Imperial War Museum of London)
8.4.1945
So sind alle auf der sicheren Seite und die anglo-kanadischen Verbände können zügig weiter
vorrücken. Da unter den durchfahrenden Panzern auch „Sherman“ (amerikanischer Bauart – Foto
rechts) sind und z. T. noch den weißem Stern tragen, meinen wohl einige Mardorfer, dass es sich
um amerikanische Streitkräfte handeln müsse. Montgomery
persönlich durchquert im Laufe des Tages Mardorf. Er bewegt
sich mit den alliierten Hauptkampftruppen hinter der sich
schnell verändernden Frontlinie her.
In Mardorf geht der 2.Weltkrieg zu Ende. Die meisten
Einwohner
haben
sich
mit
Habseligkeiten
auf
Leiterwagengespannen in Richtung Ohlhagen Moor in
Sicherheit gebracht. Es kommt zum Glück nur zu vereinzelter deutscher Gegenwehr versprengter
Soldaten. Mindestens ein deutscher Deserteur wird bei diesen letzten sinnlosen Kämpfen
nordwestlich von Mardorf von eigenen Truppenteilen erschossen. In der Lehmkuhle hat sich ein
deutscher Offizier hinter einer Karre verschanzt und will mit einer Panzerfaust (Einschlag in
einem Strommasten bei Nr.5) allein die heranrückenden Engländer aufhalten. Mit einem
Kopfschuss ist er zumindest in Mardorf das letzte Opfer. Der Vormarsch aber geht schnell weiter.
212
Der Tag, an dem der Krieg zu Ende war
(8.4.1945)
(erzählt von Otto Gerberding, Mardorf Nr.84 mit Zeichnung von
damals)
Ein paar Wochen zuvor im Jahre 1945 hatte es auch unser kleines Dorf erwischt. Ein
angeschossener amerikanischer Bomber entlud seine Bombenfracht direkt über uns. Vier Gebäude
wurden getroffen, drei davon brannten bis auf die Grundmauern nieder. Gott sei Dank gab es keine
Toten. Wir lebten mit der Angst. Jeden Tag und jede Nacht war der Himmel rot von der brennenden
Stadt Hannover. Bei Südostwind ging bei uns dann oft ein Aschenregen nieder. Wir Kinder waren auf
„Deckung suchen“ gedrillt. Wenn wir Flugzeuge hörten, lagen wir flach auf dem Boden. Mit
Hoheitsabzeichen an den Maschinen kannten wir uns aus. Einige Monate vorher wurde einem
Freund von mir beim Schlittschuhlaufen auf dem Steinhuder Meer von einem Tiefflieger ein Bein
weggeschossen. Einzelne Maschinen griffen auch die Zivilbevölkerung an, es war eine schlimme Zeit.
Ich erinnere mich noch genau an die letzten Kriegstage. Vater war wegen seiner Verwundung
schon zu Hause und musste den „Volkssturm“ führen. "Wat schall ik den bloos mit düssen opas un
krüppeln anfangen, mit 3 jagdflinten“ sagte Vater. Man hörte schon den Kanonendonner, so nahe war
die Front an unserem Dorf. Vater musste mit dem Volkssturm außerhalb unseres Dorfes
Panzersperren bauen. Die Strasse wurde aufgerissen und Palisaden eingegraben. Vater sagte:
"Soen blöödsin, 'n bund stroo up`r straate helpet genauso feel. Dor ballert dy yn rin und föert den dür." Es
half nichts - er musste los mit seinen Opas. Als er ging, sagte er: "Jie blievet hier, ik bin balle wir in'n
huuse." Wir beluden inzwischen den Heuwagen mit allem Lebensnotwendigen. Betten, Planen.
Verpflegung, Hausrat, Werkzeug und die wichtigsten Dokumente wurden verstaut. Franz, unser
polnischer Kriegsgefangener, half mit. Er hielt zu uns. Er hatte es soweit auch immer gut gehabt, war
ein Teil der Familie geworden. Meine Eltern hatten schon öfter deswegen Scherereien gehabt. Er saß
mit uns am gleichen Tisch. Das war verboten. Franz kümmerte sich immer besonders um mich, er
war mein bester Freund.
Gegen Morgen kam Vater zurück. Der Geschützlärm war inzwischen bedenklich laut geworden. Einige
deutsche Soldaten kamen angelaufen und baten um Zivilkleidung. Mutter suchte alles zusammen, was
greifbar war. Sogar die alten Klamotten für die Feldarbeit gingen mit drauf. Wir erfuhren, daß die
Panzer noch etwa 20 Kilometer entfernt seien. "Dy Kreisleiter woll mie noch doodschyten" sagte Vater "as
ik dy opas naa huuse schicket hef. Hy was aaver dy ierste, dy sik ferkrüümelt het, ik heve siene uniform förhen
in'n büsken 'fun." Nun wurde es aber höchste Zeit. Wir spannten zwei Kühe vor den Wagen, die dritte
wurde hinten dran gebunden. Oma und ich kamen oben drauf, zwischen die Betten. Vater trieb die
Kühe an, es dauerte trotzdem eine Stunde, bis wir außerhalb des Dorfes zwischen einigen hohen
Sandhügeln anhielten. Eine Kuh war krank, sie hatte einen ganz dicken Bauch und konnte nur langsam
gehen. „Hier künt üsk dy granaaten nig dräpen“ sagte Vater, „dy barge sind dor för“.
Zitternd vor Angst saß ich auf dem Wagen. Mutter machte Essen, Brote und Tee, aber niemand
wollte etwas. Die Ballerei wurde immer lauter, Geschosse pfiffen über uns hinweg. „O god, o god, dy
schytet dat ganse dörp in`n klump“ sagte Mutter mit zitternder Stimme. Wie lange wir dort waren, als
es allmählich ruhiger wurde, weiß ich nicht mehr. Es war wohl gegen Abend, als wir aufbrachen.
Wir kamen über den Hügel und konnten das Dorf sehen und waren überrascht. Es waren keine
zerstörten oder brennenden Häuser zu sehen. Alles schien unversehrt. Überall standen Panzer
und Lastwagen herum. Soldaten liefen umher. „Jets wültse üsk wol filtsen“, meinte Vater, als wir
näher kamen, aber es geschah nichts. Man ließ uns ziehen. Ja, man sah uns eher amüsiert zu, als
wir mit unserem Zigeunerwagen durch das Dorf zogen.
213
(Gerberding)
Aber wir waren nicht die einzigen, die zurückkamen. Unser Haus stand noch. Auf dem Hof parkten
Lastwagen und an der Ecke stand ein Panzer. Auf dem Pflaster wurde in einer Grube Feuer
gemacht und Essen gekocht – wohl einige unserer Hühner. „Dat sind Kanadier“, sagte Vater. Jetzt
wurden wir doch noch durchsucht. Ein Soldat verlangte Papiere und bekam von Vater wohl alles,
was er wollte. Wir konnten dann unser Haus wieder betreten. Die Zimmer waren zwar durchsucht
worden, aber nicht demoliert. Wir hatten alle Türen offen gelassen. Vater verbrannte noch heimlich
Kriegsfotos, die den „Besatzern“ nicht in die fallen sollten. Er wurde in seinen sonstigen Aktivitäten
überwacht. Ein junger Soldat wich ihm nicht von der Seite. Nach einigen Tagen beruhigte sich die
Situation. Ich lief zwischen den Soldaten herum. Es war ganz interessant, was die so alles
machten. Einer deutete mir an, dass er Eier haben wolle. Ich ging in den Hühnerstall und holte ihm
eines. Dafür bekam ich Bonbons – etwas, was wir Kinder damals wohl mit Gold aufgewogen
hätten. Richtige süße Bonbons, einzeln in Papier verpackt! Ich holte weitere Eier und bekam mehr
Bonbons. Es entwickelte sich spontan ein reger Tauschhandel. Die Sache flog dann auf, als Mutter
hinter der Brotkiste mein Bonbonlager entdeckte. Von dem Zeitpunkt an musste ich meinem
Geschäftspartner öfter einen Korb geben. Die Soldaten blieben, aber es kam, soweit ich mich
erinnern kann zu keinen größeren Komplikationen. Einige Wochen später war plötzlich große
Aufregung draußen. Vater kam auf den gelaufen, griff mich, rannte auf Mutter zu und drückte uns
in seine Arme. „Et is förbie, de krieg is förbie“, sagte er. Ich habe das wohl alles nicht richtig
begriffen. Ich fragte Vater: „Wer het den dän krieg e`wun?“ Ich bekam keine Antwort. Vater wandte
sich ab. Ich sah ihn zum ersten Mal weinen, ich wusste damals noch nicht warum.
8.4.1945
In Schneeren trifft der alliierte Kampfverband auf die 1.SS-Kompanie. Ein einziges MG verursacht
erneute Verluste. Nachdem dieser Widerstand gebrochen ist, führt der weitere Vorstoß ohne
größere Zwischenfälle über Eilvese, Himmelreich, Empede, Mariesee bis nach Mandelsloh
(Nachmittag). Alle Brücken über die Leine bei Mariensee-Basse, Mandelsloh-Helstorf (OriginalFoto weiter unten rechts), Niedernstöcken-Esperke, Schwarmstedt und Bothmer sind vorher
gesprengt worden.
Brücke MandelslohHelstorf 8.4.1045
(Imperial War Museum
of London)
8./9.4.1945
Einer
der
letzten
großangelegten
Bomberangriffe
trifft
den
Hamburger
Hafen.
15.4.1945
Der Vormarsch der
Alliierten
(British
Canadian 21st Army
Group) geht über
Rethem/Aller weiter
bis unter anderem das
Konzentrationslager Bergen-Belsen befreit werden kann.
26.4.1945
Bei Torgau treffen amerikanische und sowjetische Truppen an der Elbe zusammen!
30.4.1945
Hitler begeht im Berliner Führerbunker Selbstmord. Großadmiral Karl Dönitz wird testamentarisch
ernanntes deutsches Staatsoberhaupt.
8.Mai 1945
Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel unterzeichnet im sowjetischen Hauptquartier in BerlinKarlshorst die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Streitkräfte und damit des
Großdeutschen Reiches! Für Deutschland endet der 2.Weltkrieg.
214
Die 56 Mardorfer Kriegstoten von 1939 bis nach 1945
Name, Vorname, Hausnummer (geboren-gefallen/vermisst) / kursiv - nicht auf dem Denkmal
notiert
auch mit gefallenen Angehörigen von Ostflüchtlingen, die nach 1945 in Mardorf lebten)
Asche, August 78 (1910-1944 Rußl.)
Kühn, Max Mdf. ? (1901-1945 Dt.)
Asche, Erwin 88 (1924-1944 Rußl.)
Meier, Friedrich 35 (1912-1945 Rußl.)
Bittner, Franz 195 (1927-1944 Dt.)
Meier, Heinrich 94 (1909-1944 Estl.)
Blanke, Friedrich W. 88 (1897-1945 Dt.)
Meier, Karl 94 (1917-1940 Kreta)
Blanke, O.H.August 88 (1902-1945 Polen)
Meier, Wilhelm 57 (1914-1943 Rußl.)
Brase, Heinrich 3 (1924-1945 Dt.)
Nortmeier, Friedrich 19 (1919-1945 Bel.)
Brase, Karl 3 (1902-1942 Rußl.)
Nortmeier, Wilhelm 14 (1920-1943 Rußl.)
Dankenbring, Wilhelm 63 (1926-1945 Dt.)
Nülle, Heinrich 44 (1925-1945 Rußl.)
Dinter, Herbert 12 (1918-1941 Rußl.)
Ohlhagen, Heinrich 16 (1906-1944 Fra.)
Eiselt, Kurt 17 (1921-1942 Rußl.)
Paul, Alfons 248 (1921-1943 Rußl.)
Fischer, Otto 31 (1903-1945 Rußl.)
Peters, Gustav 186 (1913-1944 Dt.)
Förthmann, Heinrich 45 (1906-1943 Rußl.) Polarski, Georg 165 (1922-1944 Rußl.)
Förthmann, Wilhelm 32 (1908-1945 Dt.)
Röhrmund, Ernst 107 (1912-1943 N.Afr.)
Franke, Alfred 195 (1914-1942 Rußl.)
Rusche, Wilhelm 47 (1910-1943 Rußl.)
Gallmeyer, August 114 (1923-1943 Rußl.)
Schlombs, Josef 50 (1910-1944 Ung.)
Grages, Hermann 164 (1918-1944 Rußl.)
Schmidt, Heinrich 34 (1897-1948 Dt.)
Heidorn, Friedrich 64 (1917-1944 Rußl.)
Schmidt, Wilhelm 127 (1913-1941 Rußl.)
Heidorn, Friedr.H.W. 68 (1912-1943 Rußl.)
Schmidt, Karl 100 (1926-1944 Polen)
Heidorn, Heinrich 24 (1919-1941 Dt.)
Schulz, Kurt Mdf. ? (1924-1944 auf See)
Heidorn, Wilhelm 128 (1913-1943 Rußl.)
Seeger, Heinrich 26 (1923-1945 Dt.)
Herrmann, Paul 127 (1898-1945 Rußl.)
Stadtländer, Heinr. 69 (1923-1943 Rußl.)
Hilbig, Alfred 196 (1922-1944 Rußl.)
Stadtländer, Wilh. 69 (1920-1944 Rußl.)
Hoffmann, Walter 137 (1918-1944 Rußl.)
Struckmann, Heinrich 21 (1921-1944 Fr.)
Kahle, Heinrich 77 (1922-1951 Dt.)
Struckmann, Otto 21 (1926-1945 Bel.)
Kahle, Wilhelm 74 (1910-1945 Dt.)
Thiele, Heinrich 31 (1911-1943 Rußl.)
Koberg, Wilhelm 65 (1916-1944 NL)
Thiele Wilhelm 46 (1908-1944 Rum.)
Krause, Alfred 185 (1912-1943 Rußl.)
Vogeler, Wilhelm 93 (1908-1945 Dt.)
Kroner, Josef 219 (1907-1946 Dt.)
Wolter, Leonhard 29 (1908-1942 Rußl.)
215
Ab Mai 1945 wird in Bad Rehburg das britische „Rot-KreuzHospital Montgomery“ in den Kuranlagen
eingerichtet (noch bis 1949 in Betrieb).
Jack Smith (rechts im Bild, später Nr.106) und
Ben ? bei ihrer Ankunft in Mardorf. Ihre Einheit
soll ein „Camp“ (Lager, Unterkünfte, Lazarett
etc.) am Nordufer zu errichten.
Die britischen Streitkräfte nehmen Quartier in
vielen der größeren Gebäude in Mardorf:
In „Lütjen Mardorf“ (Nr.164) und der „Mardorfer
Warte (Nr.119) ist jeweils ein Offizierscasino untergebracht. Unterkünfte sind auch vorübergehend
in den beiden Schulen (Nr.50 und 97). Dafür muss der Schulunterricht für ein halbes Jahr auf den
Saal von Thürnau Nr.18 verlegt werden.
In Mardorf wird von der brit. Militärverwaltung
der
bisherige
Bürgermeister
Heinrich
Niemeyer (Nr.37 *1885) wieder eingesetzt und
zudem Standesbeamter. Er ist auch der erste
Gemeindedirektor nach englischem Vorbild.
Es wird auch ein Verwaltungsausschuss
bestimmt, der die kommenden Wahlen
vorbereiten
soll
–
die
neue
Gemeindeverfassung hält sich ebenfalls eng
an angelsächsisches Recht.
Im Badehotel (Nr.110 – Betreiber ist zu der
Zeit Richard Fischer) wird das „Mary Knoll“
Catholic Retreat Centre untergebracht. Bis zu
30 Soldaten pro Woche werden hier behandelt
und können sich erholen. Besonders beliebt ist
fischen, baden, Boot fahren und die
„excellente“ Küche. Es gibt eine eigene kleine Kapelle mit „Father Foley of Plymouth“
(Sen.Cath.Chaplain), 30 „Corps“ und welfare officer to the centre Miss J.T.Mullen of Cambridge
(Member of the Cath.Women’s League).
(Original-Fotos: Imperial War Museum of London: Mardorf Nr.110 „Badehotel“ – Bild oben der
östlich gelegene Stall – Bild unten der Weg von der Meerstraße her)
216
Ländliches Leben „Am Brink“ (Kuhgespann und im Hintergrund die Scheune von Nr.19)
Sommer 1945 Endlich Frieden in ganz Mitteleuropa!
Britische Besatzungszone in ganz Norddeutschland und damit auch in der
Provinz Hannover!
In der brit. Besatzungszone (Provinz
Hannover) gilt das Autokennzeichen
„HAN...“ (schwarz auf blauem Grund).
Ehemalige
Kriegsgefangene
und
Zwangsarbeiter heißen jetzt „DP“
(Displaced
Persons).
Sie
wollen
natürlich so schnell wie möglich zurück
in ihre Heimat zu ihren Familien. Einige
„DP“’s in Nachbarorten versuchen sich
selbst für erlittenes Leid zu entschädigen und nehmen mit was geht. Auch Mardorf hat viele
Menschen, die nicht freiwillig hier sind. Ihnen muss es aber trotz der schweren Arbeit
einigermaßen gut gegangen sein, denn sie nehmen keine „Rache“ an ihren ehemaligen
„Arbeitgebern“. Auch verhindern sie durch ihre Sprachkenntnisse Übergriffe und Plünderungen von
durchziehenden „DP“’s (z. B. Franz ? bei Nr.84 und Maria Sabat bei Nr.8).. Sie kehrt nicht nach
Polen zurück und lebt noch als Rentnerin in Mardorf (+~1984).
Ländliches Leben Ecke
„Poggenecke/Dorfstr.“ (links die
Scheune von Nr.22, Mitte hinten
der Hof Nr.45, rechts die Scheune
von Nr.12)
Mardorfer Familien trauern um
Gefallene
(Getötete)
oder
bangen um vermisste Söhne,
Väter
und
Brüder.
Die
westlichen Alliierten entlassen
die meisten Gefangenen bis
Ende 1946. Einige sogenen.
„Spätheimkehrer“
(Kriegsgefangene Soldaten in
der Sowjetunion) werden erst
nach 1955 – oft sehr verändert – wieder heimkehren. Sie haben mindestens 10 Jahre schwerste
Zwangsarbeit in abgelegenen Gegenden der Sowjetunion hinter sich. 1,3 Mio. Deutsche
Kriegsgefangene sind erst nach dem 31.12.1946 verstorben oder bleiben auf Dauer vermisst.
Not und Elend herrscht überall. Lebensmittel sind rationiert und nur mit Bezugsscheinen zu
bekommen. Auch deshalb blüht der Tauschhandel zwischen Stadt- und Landbewohnern. 1 Pfund
Butter kostet auf dem „schwarzen Markt“ um 250 Rentenmark (=Reichsmark / entspr.895 €). Das
„alte“ Geld verliert zunehmend an Wert.
Im Ort sind schon während des Krieges evakuierte Großstädter (u. a. Hannover, Hamburg,
Ruhrgebiet) untergebracht worden. Auch viele Jugendliche aus diesen Gebieten sind bereits seit
Jahren als Pflegekinder in Mardorfer Familien.
Mardorf hat um 1940 nur ca. 650 Einwohner in 128 Wohnhäusern (bei 170 Hausnummern). Im
Laufe des Krieges und der folgenden Jahre nach 1945 erhöht sich die Bevölkerungszahl aber
dramatisch um 702 auf dann 1352. Es sind Flüchtlinge aus dem ganzen ehemaligen Reich,
überwiegend aber Ostvertriebene aus West– und Ostpreußen, Pommern; die meisten aber aus
Schlesien. Besonders das kleine Eckersdorf (Bozkow), Landkreis Glatz-Neurode in
Niederschlesien ist einer der häufigsten Ursprungsorte (u. a. Grehl, Jaschke, Knospe, Schlombs,
Weisser). Aus Oberschlesien sind die u. a. Kreise Falkenberg, Grottkau, Lüben, Lublinitz zu
nennen. 1967 sind von den vielen Neuankömmlingen noch 200 in Mardorf. Rund 30 Familien
gründen hier dauerhaft eine neue Existenz. Auf jeden Fall haben die „Nachkriegsneubürger“ die
dörfliche Struktur nachhaltig und durchaus positiv verändert.
217
Karte der Herkunftsgebiete von Mardorfer Neubürgern (rot ehemalige Ostgebiete / grün ehemalige UdSSR und DDR)
Sommer 1945
Ein Flüchtlings-Schicksal, das als Beispiel für viele stehen kann – es wird sicher einige noch
viel härter getroffen haben!
(erzählt von Erwin Schulz, Mardorf Nr.225)
Die Familie von Erwin Schulz lebt vor dem Krieg in Ostpreußen. Dort im Kreis Rastenburg liegt die
Kleinstadt Barten am Rande der Masurischen Seenplatte. In der Nähe befindet sich die „Wolfsschanze“
(Hitlers Führerhauptquartier Ost). Vater Schulz ist Schneider und schon früh gestorben. Die Mutter und eine
jüngere Schwester bewohnen ein kleines Haus an der Hauptstraße. Sie betreiben eine kleine Landwirtschaft
für den Eigenverbrauch. Eine ältere Schwester ist bei Königsberg verheiratet. Der Bruder kommt ebenso wie
Erwin als Soldat an der Ostfront. Im Januar 1945 beginnt der Einmarsch der sowjetischen Truppen in
Ostpreußen. Die Rest-Familie hat schon rechtzeitig vorher Kontakt miteinander aufgenommen und sich
eigentlich für eine Flucht nach Südwesten entschieden. Durch den weiteren Vormarsch ist dann aber nur
noch der Weg nach Nordwesten frei. Mit Pferdewagen und einem der letzten Züge gelangen sie schließlich
über Berlin bis nach Mardorf. Mit anderen Evakuierten und Flüchtlingen kommen sie vorerst auf dem Hof
Nr.30 unter. Erwin ist zuerst noch in Ostpreußen stationiert; kommt dann aber nach Minsk und Leningrad,
wo er im September 1945 verwundet wird. Dadurch ist er Anfang 1945 in Rostock im Lazarett und kommt
durch dessen Verlegung bis zum Frühsommer nach Lübeck. So versucht er von dort aus auf abenteuerlichen
Wegen die restliche Familie zu erreichen. Da es keine Brücken mehr gibt, rudert er bei Mölln über die Elbe.
Über Verden/Aller, Völksen, Springe landet er schließlich in Hameln. Dort wird er von den englischen
Besatzern gefasst, gefilzt und erst einmal eine Nacht ins Gefängnis gesteckt. So bleibt er bis 1946 in Hameln
bei einem Schmied, denn diesen Beruf hat er gelernt. Endlich in Mardorf bei der Familie wohnt auch er bei
Nr.30. Die ältere Schwester ist in Wirren Anfang 1945 ohne den vermissten Ehemann mit drei Kindern über
das zugefrorene Frische Haff, von Pillau aus mit einem Schiff nach Dänemark entkommen. Nach der
Weiterreise kommt sie in Mardorf auf dem Hof (Dankenbring) Nr.96 unter. Später verzieht sie mit den
Kindern nach Hannover. Die jüngere Schwester heiratet einen Besatzungssoldaten und lebt seit 1947 in
England. Erwin bleibt bis zur Heirat mit Elfriede 1950 auf dem Hof Nr.30. Dann ziehen sie in das neue Haus
von Nr.96 an der Lehmkuhle (Nr.225) bekommen 2 Söhne (Hans-Jürgen / Hartmut oo in Nr.18), wo er selbst
beim Bau hilft und noch heute wohnt.
Die Gemeinde Mardorf versucht durch Vergabe von Gartenteilen die Selbstversorgung der
„Neubürger“ zu lindern. Sie dürfen sich auch selbst kleine Behelfsunterkünfte errichten. So
entstehen überall (auch am Nordufer und Bannsee) einfache Bauten, die z. T. in umgebauter Form
bis in unsere Zeit überleben. Die Gemeinde baut 2 Behelfsheime auf dem Lindenberg (Nr.174 –
nach 1960 Neubau: Auf dem Lindenberg 6 und 8 / Nr.175 – nach 1960 Auf dem Lindenberg 4).
Flüchtlingsbetreuer ist Erich Rudolf (Nr.152).
218
Sommer 1945
Neuer Lehrer in Mardorf wird Herr Strohscher.
Gemeindebrandmeister ist Friedrich Wiebking (Nr.83 *~1896) bis 1951.
Durch die gesetzlichen Regulierungen nach 1830 im Königreich Hannover wurden Wildschweine
immer seltener. Nördlich des Steinhuder Meeres kommen sie fast gar nicht mehr vor. Da durch
den 2.Weltkrieg kaum noch Jagd stattfand und am Ende des Krieges aus dem Saupark Springe
fast alle Wildschweine entweichen, breiten sie sich aber auch in unserer Umgebung wieder stark
aus. In den 3 Mardorfer Jagden werden daher immer öfter (zunächst noch) seltsame „Schäden“
festgestellt. Seitdem hat sich vor allem in den größeren dichten Wald- und Moorgebieten der
bestand stetig erhöht.
1.Vors. des Männergesangvereins „Concordia“ Mardorf wird W.Heidorn (Nr.68) bis 1947 und
Chorleiter Richard Schütze (bei Nr.11) bis 1950.
Die Poststelle I in Rehburg (mit Briefträger Rode) ist immer noch für Mardorf zuständig.
Mardorf erhält die neue Postleitzahl „(20a)“.
Die Ortsnetz-Vorwahl 05036 für Mardorf und Schneeren wird ausgebaut. Das
Telefon (noch aus Bakelit-Kunststoff) hat nur einige Knöpfe und ab 1948 eine
Wählscheibe (Foto Modell W48). Aber es wird vorwiegend aber immer noch von
Hand verbunden. Die Rufnummern sind jetzt dreistellig (u. a. hat Asche Nr.78 die Nummer 123)
und Ortsgespräche sind noch viele Jahre kostenlos.
6.8.1945
1.Atombombe über Hiroshima (und später auch Nagasaki) und Japan`s Kapitulation führt zum
tatsächlichen Ende des II. Weltkrieges. Bis heute sterben aber immer noch Menschen an den
Folgen des ersten Nukleareinsatzes.
Weltweit hat der 2. große Krieg bis zu 92 Mio. Menschenleben (viele Zivilisten) gefordert und
Deutschland und Europa völlig neu aufgeteilt. Deshalb sind jetzt Millionen Flüchtlinge und
Vertriebene mit ihren wenigen Habseligkeiten auf der Suche nach einer neuen Heimat.
23.11.1945
Dekret zur Bildung des Landes Niedersachsen. Das aktive Wahlalter wird von 20 auf 21 gehoben.
15.12.1945
Die Temperatur fällt innerhalb weiniger Stunden bis auf -15°C und lässt das Meer schnell zufrieren.
Die begehbare Eisschicht hält bis Mitte März 1946.
Nach 1945
Die ca. 100 neuen katholischen Mitbürger halten in den ersten Jahren mangels eines eigenen
Kirchengebäudes ihre Gottesdienste in der evang. Mardorfer Kapelle ab. Seit dieser Zeit ist auch
die Beerdigung auf dem Mardorfer Friedhof üblich, wenngleich am Anfang noch der schmale
südliche Teil (Kleinkinder und „Andersgläubige“) für katholische Gräber reserviert wird. Seit
Jahrzehnten gibt es aber keine Einschränkung mehr.
In der Nr.11a (der Hofstelle „Kroeger“) entstehen Flüchtlingsunterkünfte (Familien Schütze aus
Schlesien, Richter und Hoffmann). Dann werden dort 2 Busgaragen (jetzt die ehem. Nr.137) an
der 1.Bushaltestelle der Deutschen Post gebaut mit darüber liegender Unterkunft für die Busfahrer.
Nach 1975 kommt das Segelgeschäft Horstmann in die Räumlichkeiten, 2007 wird es eine
Backwarengeschäft (W.Hoffmeyer).
Das Cafe/Restaurant „Inselblick“ (Nr.138 /
Ankerweg-Uferweg 120) wird von Alfred Baier (oo
Irmgard Meier – Nr.164) auf einem Grundstück
der Realgemeinde betrieben. Vor 1970 ist es Karl
Lohmeier (mit eig. Konditorei) und um 1975
Gisela Hake (Restaurant Foto rechts um 1980).
1980
erwirbt
Karl
Jaschke
(*13.4.1938
Eckersdorf oo Renate Behrendt*1953 Hamburg /
seit 1975 Nr.71) die Gaststätte mit Steganlage
N35, Bootsverleih und Campingplatz. Ab 1997 folgen verschiedene Pächter (u. a. Fritz Rohde,
Nr.172 / 1999 Heide Hunger / 2007 Santo Pagano). Der Campingplatz wird bis 2000 aufgelöst.
2009 wird die Anlage verkauft an Ilse Halbeck. Umbau und Erweiterung um einen Kiosk am
Uferweg.
Die Nr.139 wird neu (Vor der Mühle 3) vergeben. Die in Essen ausgebombte Familie Karl Grüter
(oo Elfriede Schmidt*1914 / in Mardorf Nr.22 / Tochter Helga*1938 oo Wolfgang Rübenhaus) baut
1980 ihr neues Haus.
Die Nr.171 ist die erste wirklich neuvergebene Hausnummer in Mardorf – Berty Goedeke aus
Hannover baut an der Meerstraße 47.
219
Nach 1945
Am Uferweg (heute 128/Ecke Ankerweg) entsteht die
Nr.172. Betreiber der kleinen Gaststätte „Haus am
Meer“ (jetzt SCMa) ist um 1950 Fritz Dünnwald und
bis 1962 Waldemar oo Waltraut Hische - später
Nr.241). Ihnen folgt Heinz (oo Christel Altvater Nr.415), Fritz Rode, Gunnar Knietsch. 1969 wird der
vereinseigene Kran errichtet (Foto: Gaststätte vor 1969).
Nr.173 („Weißdornweg 1“ – Schmidt / 2009 Neubau).
In Nr.176 Am Sperberweg (13) betreibt Walter Ehlers
(1955) die kleine Kneipe „Goldige Freiheit“ noch bis
nach 1960.
Nr.177 (Sölter – ???).
Nr.178 („Im Moorgraben“ – W.Wichmann*1913 –
Ankerweg / Nr.14).
Nr.181 (um 1950 „In der Weißen Riede“ – Otto
Meier*1908 – Nr.164).
Nr.185 („An der Lehmkuhle“ – Adolf Ahrens / Gertrud
Krause Nr.1-Nr.413 oo Alfred Krause*1912+gef.1943 mit Sohn Peter - Frisör / nach 1965
abgerissen).
Nr.183 entsteht an der Meerstraße (73). 1966 Rudolf Hoge (*17.10.1911+2005 oo Irmgard*1920 –
Nr.458 / Familie Drewitzki) Fabrikant aus Vörden/Bersenbrück.
Nr.186 wird als Wohnhaus ausgebaut (Marie Peters*1915+2008 und Sohn: Horst*1938+2004
Maler / Josef Potempa). Das Grundstück wird erst 1954 von der Gemeinde verkauft.
Nr.187 entsteht als Wochenendhaus am Weißen Berg (Dettmers aus Hannover).
Nr.190 wird um 1950 von Maurer Albert Mußmann (*1915 oo Lina Thiele*1914
Nr.46 / Kinder: Monika, Albert, Dieter) erbaut.
Nr.191 wird 1949 an der Rehburger Straße (24) gebaut von Heinrich Rusche
(*19.3.1922 Nr.47 Schmied, Schlosser, Installateur, Schützenverein
+2.11.1988 oo Ingeborg Meisnerowski *1928+2006 / 3 Kinder: Heinz*1.2.1949
Kfz. Mechaniker und Werkstatt bis ~2002+, Helmut, Renate). Es entsteht
neben dem Wohnhaus auch eine Schlosserei-Werkstatt und 1952 eine DEA-Tankstelle (1970
TEXACO). Das Grundstück wird erst 1954 von der Gemeinde erworben. Außerdem wird mit Heizöl
und Landmaschinen gehandelt. Es ist die 2.Tankstelle im Ort und wird bei der Aufgabe 1998 auch
die letzte sein.
Im kleinen Wäldchen (auf Realgemeindegrund) hinter dem Anwesen von Nr.191 entsteht nach
1945 eine Sozialunterkunftsbaracke, die noch bis 1996 von der Stadt Neustadt betrieben wird.
Otto Heidorn (Nr.20 *1901) hat noch eine große Schafherde mit ca. 300 Tieren.
Der „Rübenfelder Milchkannenbrand“:
Gerberding Nr.84)
(Nachkriegsgeschichte
von
Otto
Der Krieg ist vorbei und das Leben normalisiert sich. Lange hat man auf vieles verzichten müssen, vor allem
aber auf Feiern und Tanz. Es gibt keine Verdunkelung mehr, überall darf nun Licht brennen. Die Fenster sind
von ihren schwarzen Pappvorhängen befreit. Willi Thürnau (Nr.18) hat im Dorf noch einen großen Saal
neben der Gaststätte, der notdürftig wieder hergerichtet wird und los geht’s. Fast jedes Wochenende ist nun
Tanz. Heinrich holt seine Klarinette aus dem Schrank, Wilhelm putzt seine Tuba. Woher die Instrumente und
die Musiker kommen, weiß ich nicht (wohl Mardorf)? Jedenfalls geht es rund „bis zum Teufel komm heraus“.
Mit den Getränken hapert es allerdings. Bier gibt es nur manchmal, hochprozentiges gar nicht. So ist es
üblich, dass jeder eine Flasche Schnaps mitbringt. Aber woher haben die Leute den nur? Ich glaube, in jedem
Haushalt steht damals ein zusammen gebasteltes „Schnapsbrenngerät“. Es werden dazu überwiegend
Milchkannen umgebaut. In den Deckel wird ein Loch gebohrt und ein dünnes Rohr eingelötet. Das dann
anschließend als Kühlschlange durch ein Wasserbad läuft. Fertig ist das Brenngerät. Ganz vornehme haben
im Deckel zusätzlich noch ein Thermometer. Dann ist die Gefahr „Methylalkohol“ zu brennen, nicht so groß.
Den meisten ist das aber egal. Hauptsache das Zeug, was da unten herausläuft, „kratzt“ im Hals. Da
überwiegend Zuckerrüben vergoren und gebrannt werden, tauft man es kurzerhand „Rübenfelder
Milchkannenbrand“.
220
1946
Der „Französische Indochinakrieg“ (bis 1954)
beginnt.
Die DP (Deutsche Partei) gründet sich in
Niedersachsen als Nachfolger der 1933
verbotenen DHP (Welfentreue Dt. Hann. Partei)
und später auch der NLP (Nds. Landespartei von
1945).
Neuer Personalausweis für die Britische Zone
(Foto rechts). Ohne dieses Dokument ist selbst
eine Reise in eine andere Besatzungszone
unmöglich.
Elektrifizierung
der
wenigen
vorhandenen Gaslaternen.
in
Mardorf
Eröffnung Landwirtschaftsschule (Berufsschule) in
Neustadt. Auch viele Mardorfer werden hier
ausgebildet: z. B. als Landwirtschaftliche
Hauswirtschafterin oder andere staatl. geprüfte
landwirtschaftliche Berufe.
Wiedereröffnung einer kleinen Filiale der
Kreissparkasse Neustadt a. Rbge. in der
„Wohnstube“ von Friedrich Brase (*1891 Nr.80 –
bis zum Neubau 1960) mit kleinem Tresor und
„flexiblen Öffnungszeiten“.
Die beiden Mardorfer Gesangvereine treffen sich wieder regelmäßig.
Postleitzahl für Mardorf/Wunstorf „ 20 “
Gründung der Wettfahrvereinigung (WVStM) auf dem Steinhuder Meer.
Aufhebung der Beschlagnahme des „Lagers Mardorf“ der Kanufahrer-Vereinigung.
Aufnahme des Segel- und Regattabetriebes auf dem Steinhuder Meer.
1.1.1946
Nur wenige Mardorfer Nationalsozialisten müssen sich verantworten. So kommen nur der
Ortsgruppenleiter und eine weitere „Parteigröße“ in ein Internierungslager, aus dem Sie ein halbes
Jahr später allerdings „seelisch gebrochen“ zurückkehren. Auch andere müssen den
„Entnazifizierungsfragebogen“ (teilweise Abbildung oben) ausfüllen, aber dabei bleibt es in der
Regel. Die britische Besatzungsmacht ist eher an einem funktionierenden Gemeinde-System
interessiert. Sie möchte gut untergebracht und verpflegt werden. Das öffentliche Leben soll
weitergehen.
Jan.1946
Ein provisorischer Gemeinderat wird von den englischen Besatzern eingesetzt.
10.2.1946
Eine Woche ungewöhnlich starker Dauerregen nach einer mehrwöchigen Frostperiode (bis -20°)
mit viel Schnee führt zum katastrophalen Jahrhundert-Hochwasser an der Weser und am
Meerbach! Dabei wird Rehburg fast gänzlich und Nienburg zu großen Teilen überflutet. Die
Mardorfer Meerbruchwiesen können wochenlang nicht beweidet oder befahren werden.
Sommer 1946
spielen auf dem provisorischen Fußballplatz – die Wiese südlich der Mardorfer Warte –
englische Soldaten (u. a. Jack Smith, Nr.106) und deutsche junge Männer (u. a. Jupp Boslar,
Nr.109) einträchtig gegen- und miteinander und lernen sich schätzen.
221
23.8.1946
Verordnung Nr46 der brit. Militärregierung zur Bildung des Landes Hannover. Mit der Verordnung
Nr.55 entsteht rückwirkend zum 1.11.1946 aus den 4 ehem. Ländern (Braunschweig, Oldenburg,
Hannover, Schaumburg-Lippe) das Land Niedersachsen mit Regierungsbezirken (u. a. Hannover).
15.9.1946
Erste freie Kommunalwahlen (Gemeindewahlen) in Niedersachsen, bei der der Bürgermeister
erstmals wieder gewählt wird.
In Mardorf dürfen wegen ehemaliger NSDAP-Mitgliedschaft 14 Personen nicht wählen und 1
Kandidat wird ausgeschlossen. Wegen der zusätzlichen 702 Flüchtlinge im Ort werden 2140
Stimmen für die 2 angetretenen Parteien abgegeben:
SPD (1246 – 6 Sitze) / NLP (894 – 5 Sitze). Bürgermeister wird Friedrich Meier (Nr.72 *1891) /
Gemeindedirektor und Standesbeamter Heinrich Niemeyer (Nr.37 *1885).
13.10.1946
1. Nachkriegskreistag in Neustadt a. Rbge. Der parteilose Kandidat Wilhelm Nortmeier (Mardorf
Nr.90 *1907) erhält zwar 366 Stimmen, aber
kein Mandat. Die NLP (Nds. Landespartei)
erhält 22 Sitze, SPD 14, CDU 1, KPD
1.25.11.1946.
Die
brit.
Besatzer
provisorischen Landtag
Ministerpräsident Kopf.
ernennen
einen
in Hannover mit
Ende 1946
Es beginnt der strengste Winter seit Jahrzehnten.
Um 1947
wird ein Biber (Zeichnung oben links) im Dorf vor der Gaststätte Asche
(Nr.78) tot aufgefunden. Danach ist auch im Meerbruch keiner mehr
gesehen worden. Stattdessen nimmt die Zahl der erst im 18.Jhd.
eingewanderten Biberratten (Nutria, Wasserratten – Foto oben rechts) zu.
Zusätzlich werden die nicht verwandten Bisamratten allmählich zur
Plage, denn sie zerstören Gräben und Böschungen.
1947
Extrem kalter Januar und Februar.
Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen um Palästina (Israel
und arabische Nachbarn).
1.Hannover „Exportmesse“ in Laatzen („Hermeskopf“).
222
1947
Autokennzeichen „HA ....“ für Brit. Zone / Hannover (senkrecht, weiß auf schwarz).
Postleitzahl für Mardorf (Hannover) „ 23 “.
Gründung Landes-Kanu-Verband Niedersachsen im DKV mit einer eigenen
Einrichtung in Mardorf (DKV-Weg 19 / Stege N31-33). Seit 1948 ist Walter Künne
(*1909+1998 oo Thea) erster Vorsitzender für mehr als 30 Jahre (Emblem DKV –
rechts).
1.Vors. des MGV „Concordia“ wird bis 1950 Heinrich Wiebking (Nr.40). 1.Vors. „Liedertafel“ ist
August Nülle (Nr.39). Sein Nachfolger wird bis 1973 Heinrich Heidorn (*1914 Nr.60).
Die „Mardorfer Warte“
Flüchtlingsunterkunft.
(Nr.119)
wird
nach
dem
Auszug
der
Briten
eine
weitere
Gründung des Ortsverbandes des Reichsbundes der Kriegs- und Zivilbeschädigten, Sozialrentner
und Hinterbliebene (RKZSH) durch Herrn Freytag aus Neustadt und Franz Rudolf (Mardorf
Nr.118). Weiter Vorsitzende: Hildegard Herrmann (bei Nr.127), um 1966 Bernhard Kausch
(Nr.104), Paul Paschke (Nr.221), Georg Kuschbert (Nr.237), 1985 Vorsitzender Martin Mücke
(Mardorf Nr.229).
20.2.1947
1. Landtagswahl in Niedersachsen:
Die SPD siegt deutlich im Bereich Neustadt) und 1. Ministerpräsident wird Hinrich Wilhelm Kopf
(SPD / bis 1955).
Juni 1947
Arbeits-Pass in der Britischen Zone
(Foto rechts: F.Meyer Nr.23). Ohne
dieses Dokument ist eine öffentliche
Beschäftigung
oder
bei
den
Besatzungsmächten unmöglich.
Sommer 1947 Sehr
heiße
Temperaturen
(Jahresdurchschnitt auf Rekordhoch
von 18,5°C)!
Das
letzte
Mal
brütet
ein
Weißstorchen-Paar in Mardorf auf
dem
großen
Hausdach
bei
Kahle/Rabe Nr.4. Bis dahin war das
Nist jedes Jahr erfolgreich belegt.
10.7.1947
Wiedergründung des TSV Mardorf
mit dem 1.Vors. Willi Denker
(*25.3.1917 Nr.8 / bis 1960) und 22
weiteren Sportbegeisterten. Turnen,
Tanz,
Gymnastik,
Theater,
Tischtennis sind erste Aktivitäten auf
dem Saal Asche Nr.78. Handballer
und Fußballer müssen erstmal mit
einer Wiese (von Kahle Nr.7 –
gegenüber von Nr.128) nördlich der
Rehburger Straße zufrieden sein.
Leichtathletik findet wohl auf dem
Brink statt? Bei der Gründungsfeier
kommen schon 125 Mitglieder. Der
Beitrag beträgt 1 RM und das
Vereinsguthaben 2.800 RM.
Bis 1948
gibt es jedes Jahr im Steinhuder Meer bis zu 8 Tote durch Ertrinken. Der neueingerichtete
Rettungsdienst verringert diese Zahl bis auf ein oder zwei.
Abbau der Mardorfer Windmühle auf dem Mühlenberg (auf 61,2 m „Erdholländer“ von 1871,
Mardorf Nr.75, Müllerei Otto Meier) zugunsten einer neuen Motormühle, die bis dahin im
benachbarten Wohnhaus mit untergebracht war. Die altersschwache Mühle ist bis zuletzt noch als
Flüchtlingsunterkunft genutzt worden. Alle alten Ziegelsteine werden im Neubau verwendet.
223
1948
Autokennzeichen (-1956) Britische Zone / Niedersachsen „BN ......“ (senkrecht, weiß auf schwarz).
Oskar Brühmann eröffnet die „Neue Moorhütte“ (Nr.188) als kleinen Ausschank in einem
Gebäude auf einem Kiesberg in der Nähe des Ufers und am Rande des Hochmoores. Der reguläre
Gaststättenbetrieb wird erst 1954 aufgenommen (Aufnahme unten von 1959).
Frühjahr 1948 Deutschland wird geteilt in die 3 Westzonen (11 Länder mit Berlin-West) und die sowjetische
Ostzone (mit neuen Bezirken statt Länder und Ostberlin).
Juni 1948
Die „Berlin-Blockade“ (-Mai 1949) der Sowjetunion wird durch die alliierte „Luftbrücke“
überstanden. Der Fliegerhorst Wunstorf (mit inzwischen befestigten Beton-Startbahnen) ist der
wichtigste britische Umschlagplatz und es werden von hier allein 38.663 Hilfsflüge (Avro York und
DC3) durchgeführt. 1950 verlegt die Royal Air Force Jagdbomber (123 Wing / Spitfire, Vampire,
Venon) nach Wunstorf.
20.6.1948
Währungsreform löst die Lebensmittel und Bezugsscheine ab. An diesem Sonntag werden neue
Ausweise (auch an Kinder) ausgegeben. Jeder erhält in zwei Schritten ein „Kopfgeld“ von 40 DM
und einen Monat später 20 DM in bar. Verbindlichkeiten werden mit einem Kurs 10 RM zu 1 DM
umgestellt; Löhne, Mieten im Kurs 1:1; Bargeld, Sparguthaben 100 RM zu 6,50 DM umgetauscht.
Aug.1948
Verfassungskonvent zum westdeutschen Grundgesetz. Im September
beginnt der Parlamentarische Rat (aus allen Parteien) mit der
Feinarbeit.
11.8.1948
Gründung der Sparte Kanusport im Sportkreis Hannover.
Sommer 1948 Ein zugewanderter Wolf (genannt der „Würger vom Lichtenmoor“ / 1,70
Länge) reißt 65 Rinder und Kälber, unzählige Hühner und über 100
Schafe bei Lichtenhorst. Abschuss am 27.8. durch einen Jäger. Sicher
sind ihm auch heimliche Schwarzschlachtungen in der Gegend mit
zugeschrieben worden.
28.11.1948
Gemeindewahl: Bürgermeister bleibt Friedrich Meier (Nr.72 *1891)
und Gemeindedirektor und Standesbeamter H.Niemeyer (Nr.37
*1885). Die NLP tritt nicht wieder an. Dafür gibt es jetzt für viele Jahre
eine Wählergemeinschaft (WG – 4 Sitze). Erstmals erscheint dort
Wilhelm Brase (Nr.3 *1921). Außer der SPD (4 Sitze) gibt es noch 3 unabhängige Kandidaten.
21.12.1948
Wilh. Dannenberg (*1897 Schneeren Nr.31) ist Landrat und Dr. Homann ist Oberkreisdirektor (bis
1963) von Neustadt am Rübenberge.
224
1949
Die CDU gründet sich als bundesweite Partei (aus Resten von Zentrum, DNVP, DVP, DDP).
Die Einwohnerzahl in Mardorf sinkt wieder auf 1.195!
Das Vereinsleben in Mardorf kommt langsam wieder in Gang. Erste kleinere Feste (wie
Sängerball oder Schützenfest) werden aber vorerst nur in einem der beiden Säle im Ort gefeiert.
Hochzeit am 29.4.1949 auf dem Mummrian (W.Wiebking Nr.55 oo Marie-Luise Schmidt)
Die „PREUSSAG“ baut für die Mitarbeiter transportable Baracken am Weißen Berg (1954 wieder
abgerissen).
Die „Pelikan“-Werke (Günther Wagner in Hannover / Erben von Fritz
Beindorff *1860+1944 oo Elisabeth Wagner) errichten im
"Erschließungsplan Nr.1" (Im Kleinen Moor) Nr.211 (später am
Warteweg 8) für jugendliche Mitarbeiter ein Erholungsheim (und
Schulungsheim). Die Gebäudemaße sind 15x8,75 m mit Keller und
Holzfachwerk mit äußerer "Stulpschalung" (damals üblich bei vielen
Wochenendhäusern). Um 1964 kauft Aloys Bunge das Anwesen.
Nr.212 wird (Rehburger Str.25) als kleiner landwirtschaftlicher Betrieb gebaut von Wilhelm
Wiebking (*2.2.1901 Mdf.Nr.83+1980 oo Else Nülle, Mdf.Nr.1). Helmut Juhnke (*13.7.1938
Westpreußen / angenommen – später Nr.69). Nach 1967 wird der Betrieb zu Mietwohnungen
umgebaut: u. a. Familien Manfred Fischer, Sörries, Campos-Ferreira, Breuer.
23.4.1949
Schlusserklärung der "Londoner Deutschland-Konferenz" beendet auch die Gebietsansprüche (als
Ausgleich für Kriegsschäden seit 1945) der Niederlande in Norddeutschland. Die weitestgehende
Forderung geht territorial bis an die Weser
(Karte rechts) und u. a. sollen fast alle
Bewohner vertrieben werden, bis auf kleinere
Orte
und
Personen
die
"plattdeutschsprachig"
sind.
Mardorf
(hellblau) mit dem Steinhuder Meer liegt zar
knapp außerhalb, aber auch wegen unserer
gemeinsamen Sprache hätte wohl kaum
einer den Ort verlassen müssen.
23.5.1949
Grundgesetz
für
die
Deutschland tritt in Kraft.
14.8.1949
1.Bundestagswahl (SPD siegt im Bereich
Neustadt) und Konrad Adenauer (CDU) wird
erster Bundeskanzler der Bundesrepublik
Deutschland.
Bundesrepublik
225
7.9.1949
Mit der Deutschen Bundespost kommt jetzt
auch der erste Postautobus bis nach
Mardorf und es gibt bald regelmäßigen
Busverkehr nach Neustadt zum Bahnhof
(Foto: Postbusse am Bahnhof in Neustadt)
12.9.1949
Erster Bundespräsident wird Theodor Heuss
(FDP).
Sommer 1949
Die I. Fußball-Herren (Foto unten) des
TSV Mardorf nimmt den Spielbetrieb auf.
(hinten: ? , Friedr.Förthmann Nr.45,
? , Erwin Schulz Nr.225,
August Meyer Nr.103)
(mittlere R.: Alfred Breuer Nr.224,
Wilhelm Heidorn Nr.36,
Manfred Silbe Nr.242 )
(vorne: Helmut Dankenbring Nr.23,
? , Gerhard Dunker Nr.10)
Vor 1950
baut an der Rehburger Straße F.Nortmeier (Wieschen Hof Nr.19) das Mietshaus Nr.219. Es wird
bis heute überwiegend von ehemaligen Flüchtlingen und Vertriebenen bewohnt.
wird das dörfliche Leben in Mardorf noch weitgehend von Landwirtschaft und Kleinhandwerk
geprägt:
Alte Schmiede (Nr.58) vor 1950 (heute Aalräucherei)
226
Vor 1950
beginnt in Mardorf am Nordufer – insbesondere am
Weißen Berg – der Zelt-Tourismus.
Weißer Berg vor 1950 (Abbildung einer nachkolorierte Postkarte unten)
Vor 1950
ist der „Rehburger Markt“ (zweimal im Jahr als Frühjahrs- und Herbstjahrmarkt in Rehburg-Stadt /
Foto unten) die größte Veranstaltung dieser Art in der näheren Umgebung von Mardorf! Die Kinder
sparen extra dafür ihr Taschengeld an und für die jungen Heranwachsenden ist es der erste
größere Kontakt mit auswärtigen Gleichaltrigen. Die Älteren nutzen den Markt als „Informationsund Kontaktbörse“ und für „kleine städtische“ Einkäufe (z. B. Kaufhaus Grote).
227
Kartoffelernte im Wandel der Zeit in Mardorf: (Die Kartoffel ist für Jahrzehnte der wichtigste Anbau im Ort)
a) – g) zeigt das Kartoffeljahr früher, das vorwiegend aus Handarbeit bestand!
Das Foto ganz oben rechts zeigt ein Schar vom „Anerder- / Häuflerpflug“ (anreegeploeg). Damit werden die
gepflanzten Kartoffelreihen angehäuft (anreeget). So bekommen die Kartoffeln beim Wachstum viel Wärme von
allen Seiten. Damit das Unkraut nicht zuviel wird, muss von Hand gehackt (vor allem zwischen den Pflanzen),
während die Zwischenreihen mit dem „Striegel“ (Kratzer, in
Mardorf „krassen“ /
Foto rechts oben)
freigehalten werden.
Der
Kartoffel„Schleuderroder“
(Foto ganz rechts:
vermutl. ein Lanz oder
Harder von 1930 /
ähnliche
Modelle
waren bis Anfang 1960
in Mardorf im Einsatz) ist die erste Maschine bei der
Kartoffelernte. Der Antrieb erfolgt über die Eisenräder. Um die Kartoffeln in Reihen abzulegen, wird eine „Haspel“
(Gitterrad / im Foto weiter oben rechts) angebaut.
Der „Dettmann“-Vorratsroder (1 Reihe aufnehmen und hinten nach
links in Reihe ablegen) nach 1954 ist dagegen eine wirkliche
Neuerung – er braucht allerdings auch schon einen Traktor zum
„Antrieb der Zapfwelle“.
Weitere Vorratsroder kommen hinzu: Foto links Mitte: „Lanz
VR2“ nach 1952 (kann
schon
2
Reihen
gleichzeitig aufnehmen,
entsanden und in einer
Reihe ablegen) und die
„Wühlmaus t3“. Rechts
ein Zeitungsbericht von
1970 (Familie Rusche
Nr.53)
zur
Kartoffelernte
mit
einem
„Samro“
Vollernter
(mit
Verleseband - Firma
Niemeyer). Foto links:
Der
Vollernter
„Wühlmaus“
nach
1963. Vollernter von
„Grimme“ sind bis heute in Mardorf im Einsatz.
228
Dämpferkolonnen und -gemeinschaften in Mardorf:
Dämpfergemeinschaften (dempergemynschap) werden seit ca. 1935 als gemeinsamer Betrieb von Landwirte
mit großen Kartoffel-Dämpfmaschinen gegründet, um aus den Abfallkartoffeln (Schweine-)Futter für den Winter
zu kochen (eigentlich „garen“). Untergestellt ist die Maschine der Realgemeinde (ohne Nr.22 und 47) im westl.
Teil der Scheune „Hinterm Dorf“, die jetzt als landwirtschaftliches Museum „demper, dösker un meer“ dient.
Betreiber dieser „demperkolonne“ ist W.Heidorn (Nr.36).
Die 2.Gemeinschaft besteht aus den restlichen Mardorfer Betrieben (mit Nr.47). Betreiber der am Dreieck
untergestellten Maschine sind abwechselnd alle Mitglieder.
„Original Buschmann Dämpfkolonne Modell Roller I“ aus Lommatzsch in Sachsen. Am 26.10.1938 von einer
„Dämpfgemeinschaft“ bestellt für den Preis von 2.472 Reichsmark!
Ab 1965 wird dieses „Dämpfen“ allmählich verdrängt durch die industrielle Verarbeitung von Futterkartoffeln z. B.
bei der Fa. Holtorf (Milchwerke) in Rehburg. Die großen Maschinen werden alle verschrottet. Mardorfer
Originalbilder sind bisher leider nicht gefunden worden?
Hier sind (mangels eigener Fotos) ähnliche Anlagen abgebildet:
In den 1930 Jahren
Um 1950
Dämpfkolonne mit „Buschmann“ Lommatzsch 1938
Das Feuer brennt!
229
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