Hyperdontie: Spezialfall Mesiodens Einleitung Dentale Anomalien und hier speziell eine Hyperdontie können im gesamten Gebiss auftreten. In den meisten Fällen einer atypischen, einzelnen Zahnüberzahl handelt es sich um einen so genannten Mesiodens, einen überzähligen Zahn im Frontzahnbereich des Oberkiefers, der zwischen den mittleren Inzisivi durchbricht. In einer Literaturübersicht fassten K. Kook und V. Stachniss Morphologie und Klassifizierung, Epidemiologie und Ätiologie der Mesiodentes zusammen, wobei sie auch diagnostische und therapeutische Aspekte berücksichtigten. Im Folgenden werden Ihnen die Kernpunkte dieser Übersicht dargestellt. Eine Hyperdontie kann die natürliche Zahn- und Gebissentwicklung beträchtlich stören, da sie die eugnathe Zuordnung der korrespondierenden Zahnpaare von Ober- und Unterkiefer behindern kann. So kann es zu Durchbruchstörungen oder Fehlstellungen der Zähne und eher selten zu Wachstumsveränderungen der Kiefer, Zysten- oder Tumorbildung kommen. Klassifizierung der Hyperdontien Als unechte Zahnüberzahlen werden persistierende Milchzähne eingestuft. Zu den echten Zahnüberzahlen zählen supplementäre Zähne, d. h. Zähne mit dem typischen Erscheinungsbild der Gruppe, zu der sie gehören. Weiterhin zählen zur Gruppe der echten Zahnüberzahlen supernumäre Zähne, d. h. atypische Einzelzahnformen wie der Mesiodens und unselbstständige Zwillingsformen, entstanden durch Verwachsungen oder Verschmelzungen. Ausgebildete, atypische Zahnformen Mesiodentes sind in der Regel atypisch geformte Zähne, die entweder einzeln oder mehrfach durch eine Überproduktion der Zahnleiste entstehen. Sie sind normalerweise retiniert und verlagert. Morphologisch erscheinen sie als Zapfenzahn mit einer glatten, kegel- oder pflockartigen Krone. Die Wurzel ist in der Regel drehrund, vollausgebildet, nicht gespalten und läuft an der Spitze konisch zu. Der Schmelz ähnelt dem der regulären Zähne. Schmerzen oder entzündliche Vorgänge sind selten. In vielen Fällen ließen sich Veränderungen der Zahn- bzw. Kronenform der benachbarten Inzisivi beobachten. Häufigkeit Das Auftreten der Mesiodentes wird mit einer Häufigkeit zwischen 0,14-4 % angegeben. Insgesamt werden mehr als 90 % der supernumären Zähne im Oberkiefer, insbesondere in der Prämaxilla beobachtet. Bezogen auf alle überzähligen Zähne sind die Mesiodentes mit 45 % am häufigsten anzutreffen. Mesiodentes sind bei Männern etwa doppelt so häufig wie bei Frauen anzutreffen. Bezogen auf erste und zweite Dentition, sind vor allem die bleibenden Zähne betroffen. Ein mehrfaches Auftreten von Mesiodentes wurden bisher nur selten beobachtet. Generell gilt, dass supernumäre Zähne entweder einzeln oder in Zusammenhang mit einer Erkrankung auftreten. So sind diese auch häufig bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten zu finden. Keine genauen Ursachen bekannt Die genauen Ursachen und Auslöser für die Entwicklung eines Mesiodens sind bisher nicht bekannt. In der Literatur werden verschiedene Theorien, z. B. eine Abspaltung der Zahnleiste durch ein Trauma oder einen 1 Tumor, eine Hyperaktivität der Zahnleiste oder genetische Ursachen, diskutiert. Es zeigte sich, dass Mesiodentes sowohl in mehreren Generationen auftraten, aber andererseits auch mehrere Generationen übersprang. Dies lässt Rückschlüsse auf einen autosomal-dominanten Erbgang zu. An anderer Stelle wurde auch ein multifaktorielles genetisches Geschehen diskutiert. Das Auftreten einer familiären Disposition deutet auf eine Vererbungstheorie hin. Diagnostik: Radiologische Oberkieferaufbissaufnahme empfohlen In der Regel lassen sich Zahnanomalien nicht immer sofort erkennen, sondern Durchbruchstörungen der bleibenden Zähne deuten auf sie hin. Schmerzen oder eine radiologische Untersuchung führen eher zufällig zu ihrer Entdeckung. Zur Abklärung des Befundes dienen vor allem eine radiologische Oberkieferaufbissaufnahme und in komplizierteren Fällen ein Fernröntgen-Seitenbild. Als eher ungeeignet wird ein Orthopantomogramm eingestuft, da ein Mesiodens außerhalb der meist dünnen Schichtdicke im Frontbereich eventuell nicht sichtbar wäre. Möglich wäre auch eine stereoskopisch/stereometrische Aufnahme von Einzelbildern, wobei auf eine ausreichend von einander abweichende Aufnahmerichtung (≥ 20°) geachtet werden sollte. Die filmnahen Objekte wandern im Bild kaum, filmferne dagegen deutlich. Diese Technik erfasst subnasal liegende Mesiodentes nur teilweise. Dazu kommt die für den Patienten deutlich höhere Strahlenbelastung verglichen zur Oberkieferaufbissaufnahme. Wann sollte therapiert werden? Uneinigkeit herrscht im Bezug auf den Zeitpunkt einer chirurgischen Entfernung des Mesiodens. Generell gilt, dass bei Schmerzen eine Entfernung des Mesiodens erfolgen sollte. Viele Autoren empfehlen generell eine operative Entfernung, da pathologische Veränderungen, z. B. Zahnretentionen, zu erwarten sind, die Prognose bei einer chirurgischen Entfernung gut ist und dem Mesiodens keine funktionellen Eigenschaften zukommen. Zum Teil wird in der Literatur eine Entfernung beim Durchbrechen der bleibenden Inzisivi empfohlen, andere Autoren halten das zur Hälfte bzw. bis zu Zweidrittel abgeschlossene Wurzelwachstum der Inzisivi für den richtigen Zeitpunkt. Sie begründen dies mit einer möglichst kurzen Behinderungsphase für den natürlichen Durchbruch der bleibenden Zähne. Zudem könnte so eine spätere kieferorthopädische Behandlung reduziert oder vermieden werden. Im Gegensatz dazu schätzen einige Autoren das Risiko einer Zahnkeimluxation durch eine frühzeitige Entfernung als zu groß ein und empfehlen eine Entfernung erst nach einer weitgehenden Ausbildung der Schneidezahnwurzeln und regelmäßiger Röntgenkontrolle. Dieser Einschätzung stehen eine zunehmende Verknöcherung von Perikoronar- und Parodontalspalt sowie eine progressive Knochenresorption gegenüber. Operationstechnik Sofern eine eindeutige radiologische Lagebestimmung nicht möglich ist, sollte das Zahnfleisch palatinal aufgeklappt werden, da dies zu 75 % die Lage der Mesiodentes ist. Anschließend erfolgt eine Zahnfleischrandschnitt nach distal - so sind Übersichtlichkeit und eine gute Knochenunterlage für den Wundverschluss gewährleistet. Zur Schonung der benachbarten Wurzel wird eine gaumenwärts gerichtete Osteotomie empfohlen, wobei die Papilla incisiva bei der Freilegung möglichst zu schonen sind. Es wird soweit präpariert, dass sich der Mesiodens mit einer Pinzette oder feinen Wurzelzange leicht entfernen lässt. Hebelkräfte könnten ansonsten die Entwicklung der verbleibenden Zahnkeime stören. Den Abschluss bildet die Exkochleation des Follikulargewebes, eine Knochenkantenglättung und ein primärer Wundverschluss mit interdental gelegten Einzelknopfnähten. Zum Schutz vor einer postoperativen Hämatombildung und zur besseren Anlage des Weichgewebes an den Knochen sollte ein Wundplatte eingesetzt werden. Komplikationen sind bei diesem Eingriff eher nicht zu erwarten. Fazit 2 Auf Grundlage der gesichteten Literatur kommen die Autoren zu dem Schluss, dass bei gesicherter Diagnose eine Entfernung der Mesiodentes indiziert ist, um eine optimale Zahn- und Gebissentwicklung zu erreichen. 3