GE 10. Jg Stellungnahmen zur Revolution Uehlein Philipp Scheidemann, Abgeordneter der SPD, rief am 9.November 1918 gegen 14 Uhr von einem Balkon des Reichstags die Republik aus: |Ql Der Kaiser hat abgedankt. Er und seine Freunde sind verschwunden. Über sie alle hat das Volk auf der ganzen Linie gesiegt! Der Prinz Max von Baden hat sein Reichskanzleramt dem Abgeordneten Ebert übergeben. Unser Freund wird eine Arbeiterregierung bilden, der alle sozialistischen Parteien angehören werden. Die neue Regierung darf nicht gestört werden in ihrer Arbeit für den Frieden, in der Sorge um Brot und Arbeit. Arbeiter und Soldaten! Seid euch der geschichtlichen Bedeutung dieses Tages bewußt. Unerhörtes ist geschehen. Große und unübersehbare Arbeit steht uns bevor. Alles für das Volk, alles durch das Volk! Nichts darf geschehen, was der Arbeiterbewegung zur Unehre gereicht! Seid einig und pflichtbewußt! Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue! Es lebe die Deutsche Republik! | Gegen 16 Uhr proklamierte Karl Liebknecht, ein Führer des Spartakus-Bundes, vor dem Berliner Schloß: [Ql Der Tag der Revolution ist gekommen. Wir haben den Frieden erzwungen. Der Friede ist in diesem Augenblick geschlossen. Das Alte ist nicht mehr. Die Herrschaft der Hohenzollern, die in diesem Schloß jahrhundertelang gewohnt haben, ist vorüber ... Parteigenossen, ich proklamiere die freie sozialistische Republik Deutschland, die alle Stämme umfassen soll, in der es keine Knechte mehr geben wird, in der jeder ehrliche Arbeiter den ehrlichen Lohn seiner Arbeit finden wird. Die Herrschaft des Kapitalismus, der Europa in ein Leichenfeld verwandelt hat, ist gebrochen ... Wir müssen alle Kräfte anspannen, um die Regierung der Arbeiter und Soldaten aufzubauen und eine neue staatliche Ordnung des Proletariats zu schaffen, eine Ordnung des Friedens, des Glücks und der Freiheit unserer deutschen Brüder und unserer Brüder in der ganzen Welt. Wir reichen ihnen die Hände und rufen sie zur Vollendung der Weltrevolution auf... [Ql Ein Aufruf zur Gründung der liberalen „Deutschen Demokratischen Partei" nannte am 15. November 1918 als Programmpunkte: [Ql Der erste Grundsatz besagt, daß wir uns auf den Boden der republikanischen Staatsform stellen, sie bei den Wahlen vertreten und den neuen Staat gegen jede Reaktion verteidigen wollen, daß aber eine unter allen nötigen Garantien gewählte Nationalversammlung die Entscheidung über die Verfassung treffen muß. Der zweite Grundsatz besagt, daß wir die Freiheit nicht von der Ordnung, der Gesetzmäßigkeit und der politischen Gleichberechtigung aller Staatsangehörigen zu trennen vermögen, und daß wir jeden bolschewistischen, reaktionären oder sonstigen Terror bekämpfen ... Im Dezember hieß es in einem Aufruf der Zentrumspartei: |0l Durch gewaltsamen Umsturz ist die alte Ordnung Deutschlands zerstört, sind die bisherigen Träger der Staatsgewalt teils beseitigt, teils lahmgelegt worden. Eine neue Ordnung ist auf dem Boden der gegebenen Tatsachen zu schaffen, diese Ordnung darf nach dem Sturz der Monarchie nicht die Form der sozialistischen Republik erhalten, sondern muß eine demokratische Republik werden ... [Q| Wahlaufruf der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) vom 17.12.1918: Gegenüber den Gefahren und Nöten des Augenblicks verlangen wir: Reichseinheit aller deutschen Stämme und Gebiete auf föderalistischer Grundlage ... Schutz der persönlichen und politischen Freiheit und des Privateigentums, wirksame Sicherung gegen bolschewistische Umtriebe: sofortige Beseitigung jeder Willkürherrschaft ...; Unterlassung jeder weiteren Eingriffe in unseren politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechtszustand während der Dauer der provisorischen Regierung ... Wir sind überzeugt, daß auch in der neuen demokratischen Verfassung Deutschlands eine monarchische Spitze als ein über den Parteien stehender persönlicher Faktor der Stetigkeit des politischen Lebens, der geschichtlichen gewordenen Eigenart unseres Volkes wie der politischen Zweckmäßigkeit entspricht. Wir werden aber in jeder durch die Nationalversammlung geschaffenen Staatsform für das Wohl des Vaterlandes mitarbeiten. (Alle Texte zitiert nach Geschichte in Quellen, Weltkriege und Revolutionen, S.114f., S.167f.) 1. Stellen Sie die Zielsetzungen in den Proklamationen von Scheidemann und Liebknecht einander gegenüber. Interpretieren Sie die Aussagen. 2. Welchen Standpunkt nahmen die übrigen Parteien ein?