Tiere sind keine Sachen Was brachte und bringt die Gesetzesänderung von 1990? Die rechtliche Behandlung der Tiere ist ständiger Diskussionspunkt. Es geht nicht nur um Fragen des praktischen Tierschutzes (Tierversuche, Transport von Tieren, usw.), sondern auch um die grundsätzliche Frage der Behandlung des Tieres durch das Recht. Insbesondere 3 Rechtsbereiche beschäftigen sich mit Tieren: öffentlich-rechtlich Tierschutz-Gesetz, weitere Vorschriftenaus dem Recht der EU(z.B. Tiertransporte, usw.) Strafrecht (Diebstahl, usw.) zivilrechtlich BGB §§ 90a, 251 II, 903 Satz Das deutsche Recht (auf dem römischen Recht basierend) kannte zunächst nur die Begriffe Personen und Sachen (vgl. van Hüllen, Rechtskunde, S. 39, 91). Unter Personen, die Rechte und Pflichten haben können, versteht man natürliche Personen (also Menschen) und juristische Personen (Aktiengesellschaft, GmbH usw.). Daneben existieren die Sachen, die selber keine Rechte haben, sondern an denen eine Person Rechte haben kann. Man unterscheidet bewegliche und unbewegliche Sachen (vgl. van Hüllen, Rechtskunde, S. 97). Zu den beweglichen Sachen wurden Tiere gerechnet. Als moralisches Postulat existieren aber seit langem die Forderungen, Tiere nicht als Sachen zu definieren, sondern auch rechtlich als Mitgeschöpf zu betrachten. § 90 a BGB: Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Im Bereich des Zivilrechts kam man dieser Forderung durch die Änderung des BGB am 20. August 1990 nach. Was bedeuten diese Änderungen, insbesondere die Einfügung des § 90 a BGB? Einige Stimmen sehen § 90 a BGB als reine Begriffskosmetik an (z.B. der für die Praxis grundlegende Kommentar von Palandt § 90 Anm. 4: Im Ergebnis ist § 90a eine gefühlige Deklamation ohne wirklichen rechtlichen Inhalt.), andere sehen darin mehr (vgl. den Aufsatz von Gäste Jus 1996 S. 962f, _ § 90 a BGB: nur juristische Begriffskosmetik? ). Wie kommt es zu dieser unterschiedlichen Sichtweise? Tiere, die früher als Sachen behandelt wurden, gehören nunmehr einer eigenen Kategorie an, auch wenn sie im Fall fehlender Bestimmungen immer noch wie Sachen behandelt werden. Es ist zuzugeben, dass dieses Ergebnis auch ohne die Einführung einer neuen Kategorie hätte erreicht werden können. Es handelt sich aber um einen programmatischen Ansatz, von dem weitere Konsequenzen ausgehen können und der die Basis zukünftiger Regelungen bildet. Tiere sind damit aber noch keine Rechtsperson. Weiterhin wurde § 251 II Satz 2 BGB neu eingefügt: Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Kosten sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. Er war deshalb nötig, da ein allgemeiner Grundsatz des Schadensersatzrechts lautet (vgl. Amerikanisches und deutsches Schadensrecht; van Hüllen, Rechtskunde, S. 91), dass der Schadensersatz den Wert der Sache nicht übersteigen darf. Das heißt z.B. bei der Reparatur eines Autos, das die Reparatur nicht teurer sein darf als der Wert des Autos. Wird der Wert erheblich überstiegen, gelten keine emotionalen Maßstäbe (Liebe zum Auto!), sondern der materielle Gedanke, dass es in dem Fall günstiger ist, ein anderes Auto zu kaufen. Dieser Gedankengang hätte bei Tieren fatale Konsequenzen. Die Behandlung z.B. eines verletzten Hundes, der ein sehr alter Mischling ist, könnte danach praktisch nie ersetzt werden, da der - materielle Wert_ eines solchen Tieres gegen Null tendiert. Die Rechtsprechung hatte den gefühlsmäßigen Wert aber in der Regel schon immer anerkannt. Hier bringt § 251 II Satz 2 eine einschneidende Klarstellung für Schadensersatz bei Tieren. Bei § 903 Satz 2 BGB handelt es sich um eine Änderung, die Ausfluss des § 90 a BGB und des Tierschutzgedankens ist: Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten Im Grunde aber ist es lediglich eine Klarstellung. Das Tierschutzgesetz wendet sich ja insbesondere ebenfalls an die Eigentümer von Tieren. Da Tiere keine Sachen mehr sind, hat dies auch Auswirkungen bei der Trennung von Partnerschaften und der Ehescheidung. Die Bindung des Tieres an einen Ehepartner kann ausschlaggebend sein für die Zuordnung des Tieres und Umgangsrechte. Durch die Definitionsänderung hat sich 1990 auch im Bereich der ZPO und der Zwangsvollstreckung einiges geändert: § 811c ZPO(1) Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, sind der Pfändung nicht unterworfen. So sind Haustiere grundsätzlich nicht mehr pfändbar. Probleme ergeben sich allerdings bei der Zwangsräumung, wenn Tiere in der Wohnung gehalten werden. Die Vorschriften über die Sachen sind wohl nicht mehr anwendbar (zurzeit gibt es dazu widersprüchliche Urteile). Insgesamt kann man sagen, dass die Änderungen nicht zwingend notwendig waren, um den Schutz der Tiere zu erreichen. Sie bringen aber eine geänderte Einstellung zum Tier zum Ausdruck und werden deshalb in Zukunft weitere Auswirkungen haben. Anhang: Interessant ist vielleicht ein Ausblick auf die Schweiz. Das schweizerische Obligationenrecht entspricht dem deutschen BGB, die in ihrer Einteilung beide vom römischen Recht geprägt sind (vgl. van Hüllen, Rechtskunde, S. 31f). Zur Information hier ein Ausschnitt aus der NZZ vom 3. März 1998 : “Das Tier - keine Sache Haus- und Wirbeltiere sollen im schweizerischen Recht nicht länger als gewöhnliche Sachen behandelt werden. Der Bundesrat hat Vorschläge bis zum 31. August in die Vernehmlassung geschickt, wie die Rechtsstellung des Tieres verbessert werden könnte. Die auf der römisch-rechtlichen Tradition basierende Auffassung, das Tier sei eine Sache, ist nach Meinung des Nationalrats überholt. So werde es zunehmend als störend empfunden, dass das geltende Recht die Verletzung eines Tieres einer Sachbeschädigung gleichstelle. Das Tier sei eine eigene Kategorie. Die Volkskammer ...” (Stand: 8. Juni 1998)