OBSTBAU BWagrar 9 . 2016 | PRODUKTION + TECHNIK | 27 Apfelblütenstecher und Schorf auf der Lauer :: Der Apfelblütenstecher macht nur bei hohem Aufkommen und gleichzeitig geringem Blütenansatz Probleme. Doch taucht er einmal in einer Anlage in größerer Zahl auf, kann sich ein Befall von Jahr zu Jahr schnell mal nach oben schaukeln. Beim Schorf dagegen heißt es von Beginn an auf der Hut zu sein. Z ur Überwachung der Einwanderung und der Befallsstärke des Apfelblütenstechers erfolgen ab Knospenaufbruch Klopfproben und Lupenkontrollen. Im Labor werden Knospen auf Eiablagen untersucht. Diese Beobachtungen sind Basis für die Terminierung der Bekämpfungsempfehlung im Warndienst. Je nach Vorjahresbefall, der Einschätzung der Blühstärke und eigener Kontrollen kann der Praktiker über Behandlungen entscheiden. Der etwa vier Millimeter große, schwarzgraue Rüsselkäfer ist an der hellen, U-förmigen Binde am Hinterrand der Deckflügel zu erkennen. Er überwintert überwiegend in Verstecken außerhalb der Obstanlage. Bei Tagestemperaturen um 15 °C beginnt die Einwanderung. Mit Knospenaufbruch wird der Reifungsfraß in Form nadelstichartiger Verletzungen am jungen Grün der Blütenknospe sichtbar. Ab Mausohrstadium beginnt die Eiablage. Es werden 25 bis 30 Eier einzeln tief in Blütenknospen abgelegt. Die Larven fressen die inneren Blütenorgane, die Blütenblätter vertrocknen und bilden das charakteristische „braune Häubchen“. Hier erfolgt auch die Verpuppung. Ab Mitte Mai verlassen die Käfer die abgestorbenen Blüten und halten sich noch bis Juni in der Anlage auf. Wird die Blüte nicht vollständig geschädigt, kann es zur Ausbildung deformierter, abgeflachter Früchte oder trichterförmigen Einsenkungen im Bereich der Kelchblätter kommen. Schadschwelle je nach Blühstärke Die Schadensschwellen sind mit zehn bis 40 geklopfter Käfer/100 Äste und zehn bis 15 Prozent Blütenknospen mit Reifungsfraß weit gefasst, um unterschiedliche Blühstärken zu berücksichtigen. Bekämpft wird der Käfer, wobei die Eiablage zu verhindern ist. Bei warmer Witterung sind die Tiere aktiv und ein Insektizid kann seine Kontaktwirkung entfalten. Beim Knospenfraß nimmt der Käfer zu- 0916_072_BW_027.indd 27 Fotos: Trautmann Arbeitskalender Obstbau im März Links: Der Apfelblütenstecher verlässt den Tatort: Die Früchte sind später deformiert. | Rechts: Zur Zeit der abgehenden Blüte werden die „braunen Häubchen“ vertrockneter Blütenblätter sichtbar. sätzlich Wirkstoff auf. Eine effektive Bekämpfung sollte deshalb bei warmer Witterung (über 15 °C) etwa zum Mausohrstadium erfolgen. Eine eventuelle notwendige zweite Behandlung schließt sich in kurzem Abstand oder nach einer Schlechtwetterperiode an. Späte Erstbehandlungen ab Beginn des recht lang dauernden Grünknospenstadiums können Blütenschäden nicht mehr verhindern. In mehrjährigen Versuchen erwies sich Calypso (0,1 l/ha/m Kronenhöhe) als das wirkungsvollste Insektizid. Eine einmalige Anwendung war meist ausreichend, um Schäden zu verhindern. Das biologische Insektizid Spruzit Neu (2,3 l/ha/m) zeigte ebenfalls meist gute Wirkung, bei hohem Befallsdruck sind jedoch zwei Behandlungen angeraten. Schutz gegen Schorf Mit Austrieb steigt die Schorfgefahr. Nach Regen werden je nach Temperatur und Sporenflug Infektionen eintreten. Diese sind mit vorbeugenden Behandlungen zu unterbinden. Zum Austrieb kann ein kupferhaltiges Produkt wie Funguran progress eingesetzt werden. In dieser Saison stehen analog der Vorjahre captanhaltige Produkte wie Merpan 80 WDG und Malvin WG sowie Delan WG zur Verfügung. Bei zu erwartendem stärkeren Sporenflug sind düngende Maßnahmen mit phosphonathaltigen Blattdüngern auch laut Empfehlung der Vermarkter unterstützend als Zumischung etwa zu Delan WG möglich. Künftig wird diese Substanz nach erfolgter Zulassung in Fertigformulierungen zur Verfügung stehen. Eine sehr gute Wirkung hat weiterhin Syllit. Berostungsgefahren sind laut Hersteller nur bei Golden möglich, Anwendungen auch nach der Vollblüte bei gängigen Sorten wären daher möglich. In die abgehende Blüte haben sich Applikationen mit Consist Plus bewährt, Solo-Anwendungen mit Flint sind wegen Resistenz dieser Wirkstoffgruppe gegen Schorf ungünstig. Mit Consist Plus werden nachweislich Kelch- und Kernhausfäulen mit erfasst. Nicht ausreichend könnte die Wirkung gegen Neonectria in sehr anfälligen Sorten wie bei Cameo bei ungünstigen Witterungsbedingungen (kühl und regnerisch) sein. Netzschwefelgaben gegen Schorf mindern zudem die Gefahr von Rostmilben und Mehltau. Blattreaktionen (punktuelle Nekrosen, Blattfall) sind aber möglich. Mit zunehmender Strahlungsintensität sollten die Mengen angepasst werden oder die Spritzung unterbleiben, um Sonnenbrand an den Früchten zu verhindern. Nach Rückstandsvorgaben der Discounter sollten im Sommer nur noch captanhaltige Produkte und Delan WG bis 21 Tage vor der Ernte eingesetzt werden. Zur Abschlussspritzung steht Flint – solo angewendet – bis sieben Tage vor der Ernte zur Verfügung. Das Produkt hat eine gute Wirkung gegen Lagerfäulen, insbesondere gegen Neofabraea. Nur bei stark anfälligen Sorten wie Pinova, Golden und Elstar (standort- und altersabhängig) kann Switch, ein Doppelwirkstoffprodukt, eingesetzt werden. Kurative Applikationen mit Score, Chorus und Scala sind nur zielführend, wenn eine ausreichende Wirkung zu erwarten wäre, wovon am Bodensee nicht mehr auszugehen ist. Ob diese Saison erneut Curatio (Schwefelkalk) nach Artikel 53 zur Verfügung steht, ist noch offen (bitte Warndienst beachten). | Martin Trautmann, Dr. Christian Scheer, KOB n 02.03.2016 11:08:26