Keine Panik bei Läusen! (Teil 1)

Werbung
 Wissenschaft · Science
Die AKA informiert über Kopfläuse: Verbreitung, Eigenschaften, Übertragung, Diagnose
Keine Panik bei Läusen! (Teil 1)
C h r i s t i n a R u o b F u c h s , M a r i a nne Beutler
Wir kennen sie alle, die entsetzten Mütter und einem Maximum im Sommer [6]. Die Ursachen für
Väter, die sich verschämt nach einer wirksamen diese Schwankungen sind unbekannt [8].
Therapie gegen die Kopfläuse ihrer Kinder erKopfläuse finden sich vor allem bei Kindern im
kundigen. Der Befall mit Kopfläusen scheint in Alter von 3 bis 12 Jahren. Dies ist bedingt durch den
den letzten Jahren zuzunehmen. Eine zuneh- engen körperlichen Kontakt, den Kinder in dieser
mende Resistenz gegenüber chemischen Pedi- Altersgruppe mit ihren Kameraden pflegen. Aber
kuloziden wird als ein Grund dafür vermutet. In auch Eltern und Lehrer betroffener Kinder können
einer umfassenden Literaturrecherche wurde sich infizieren [5]. Mädchen sind häufiger betroffen
für diesen Artikel alles zusammengetragen, als Knaben. Dafür scheint der engere Körperkontakt
was als Voraussetzung für eine wirksame Be- unter Mädchen der Grund zu sein. Die Beschaffenhandlung wichtig ist: Leben und Überlebens- heit und Länge der Haare hat keinen Einfluss auf die
strategie der Laus auf dem Wirt, Verbreitung, Häufigkeit einer Infektion.
Übertragung und Diagnose. In einem zweiten
Artikel werden die erfolgversprechende Be- So lebt die Kopflaus
handlung der Kopfläuse sowie das Problem der
immer wieder vermuteten Resistenzen auf Die Kopfläuse (Pediculus humanus capitis) können
sich nur auf der Kopfhaut des Menschen vermehren.
Pedikulo­zide behandelt.
Mit ihren 6 Beinen, die mit klauenartigen Fortsätzen
versehen sind, können sie sich gut an den Haaren
Die Laus, den unliebsamen Parasiten, gibt es schon festhalten und fortbewegen (Abb.1). Dieser Klamseit sich die Entwicklungslinien von Menschen und mereffekt ist der Grund dafür, dass alleiniges WaAffen vor 5,5 Millionen Jahren getrennt haben [3]. Zu schen der Haare keine Wirkung zeigt und sich der
Unrecht haben die kleinen Plagegeister immer noch Ektoparasit mit einem normalen Kamm nicht entferden Ruf, die Folge unzureichender Hygiene zu sein. nen lässt. Kopfläuse sind flügellos und können nicht
Dies führt dazu, dass ein Kopflausbefall häufig ver- springen. Mit Hilfe ihrer Beine bewegen sie sich jeschwiegen oder unzureichend behandelt wird. Durch doch relativ schnell mit etwa 20 cm pro Minute vordie leichte Übertragbarkeit kann dies zu richtigen wärts. Den für das Überleben wichtigen Sauerstoff
Läuseepidemien an einzelnen Kindergärten und bezieht die Laus über je 7 Atemöffnungen, die auf
Schulen führen. Zwar verbreiten die Kopfläuse in beiden Körperaussenseiten liegen. Die Atemöffunseren Breitengraden keine Krankheiten, eine ra- nungen gehen in Tracheen über. Falls es gelingt, diesche und wirksame Behandlung der Infektion ist se Tracheen zu verkleben, erstickt die Laus. Mit ihtrotzdem wichtig.
rem Stech-Saugrüssel nimmt sie alle 2 bis 3 Stunden
Blut auf. Der Stich bleibt zunächst unbemerkt, da die
Wie verbreitet sind Kopfläuse?
beim Blutsaugen in die Wunde eingebrachten Speicheldrüsensekrete eine betäubende, antikoagulatoKopfläuse sind auf der ganzen Welt verbreitet. Der rische und vasodilatierende Wirkung haben. Dieses
Befall mit Kopfläusen scheint in den letzten Jahren Sekret wirkt beim Menschen ausserdem als potentes
zuzunehmen [1,6]. Die Prävalenz von Kopfläusen bei Allergen. Ohne eine Blutmahlzeit verliert die KopfVorschul- und Schulkindern variiert in Europa zwi- laus sehr rasch ihre Vermehrungsfähigkeit und verschen 0,9 und 20 Prozent [8]. Kopfläuse treten endet je nach Umgebungstemperatur innert Stunden,
cluster­artig auf. So kann es innerhalb eines Landes, spätestens aber nach 2 bis 3 Tagen. Sie hält sich beeiner Region und sogar innerhalb derselben Schule vorzugt am Hinterkopf, im Nacken und hinter den
zu Prävalenzunterschieden mit bis zu einem Faktor Ohren auf, wo ideale Bedingungen mit Temperaturen
70 kommen [6]. Studien zur Verbreitung der Läuse zwischen 28 und 32 °C und einer Luftfeuchtigkeit
für die gesamte Schweiz gibt es nicht. Beim schul- von 70 Prozent herrschen. Kopfläuse verlassen den
ärztlichen Dienst der Stadt Zürich werden jährlich Bereich der Kopfhaut nur sehr ungern [1,4,5,6]. Selzwischen 12 000 und 15 000 Kinder untersucht. In ten verirren sie sich in Barthaare, Achselhaare oder
den letzten 5 Jahren waren jedes Jahr ca. 10 Prozent Augenbrauen [7].
der untersuchten Kinder von Läusen befallen. In
dieser Zeitspanne wurde keine Zunahme der Erkrankung festgestellt. Die Häufigkeit des Läusebefalls unterliegt jahreszeitlichen Schwankungen, mit
pharmaJournal 17 | 8.2007
 Wissenschaft · Science
tenschwellung. Durch ausdauerndes Scheuern und
Kratzen kann sich ein chronisches Ekzem (Läuseek2 bis 3 Tage nach der Befruchtung legen die Weib- zem) entwickeln, das separat behandelt werden
chen lebenslang 3 bis 10 Eier pro Tag. Die Eier wer- muss [4,6,8].
Abb. 1:
den mit einem wasserunlöslichen Klebesekret maxiErwachsene weibliche
mal 1 cm von der Kopfhaut entfernt im spitzen Befunde bei Kopflausbefall:
und männliche Laus
Winkel an die Haare angeklebt. Sie sind oval, ca. R Juckreiz nach der Sensibilisierung
0,8 mm gross und von dunkelbrauner Farbe. Eine mit R Läuse, Larven, Eier
einem Deckel verschlossene Chitinhülle umgibt das R Evtl. Sekundärinfektionen, evtl. Läuseekzem
Ei. Korrekterweise wird diese Chitinhülle als Nisse
durch Kratzen
bezeichnet. Sie verleiht den Eiern eine hohe Widerstandskraft gegenüber Umwelteinflüssen und Insek- Diagnose
tiziden. Im Deckel befinden sich Atemöffnungen
(Aeropylen), die das Ei mit Sauerstoff versorgen Die Diagnose ist nur gesichert, wenn lebende Läuse,
(Abb. 2). Nach etwa 7 bis 10 Tagen schlüpfen die Larven oder entwicklungsfähige Eier festgestellt
jungen Läuse, die auch Larven oder Nymphen ge- werden. Nissen (leere Chitinhüllen) sind kein Hinnannt werden. Sie saugen bereits Blut, können den weis auf einen aktuellen Befall mit lebenden oder
Wirt aber noch nicht wechseln, da ihre Klammer- sich entwickelnden Läusen. Bevorzugte Lokalisatio­
beine noch nicht vollständig ausgereift sind. Im nen sind der Bereich hinter den Ohren sowie die Abb. 2:
Zeitraum von 8 bis 9 Tagen, während deren die Ent- Schläfen- und Nackengegend. z Ei der Kopflaus mit
wicklung zur adulten Laus abläuft, häuten sich die
­intaktem Chitindeckel
Nymphen dreimal. Die Fähigkeit, ihr schützendes Wie erkenne ich Läuse, Larven, Eier und Nissen?
Ektoskelett abzustreifen, macht sie relativ resistent Läuse: Der Nachweis einer lebenden Laus ist nicht einfach. In
gegenüber Pedikuloziden [5]. Die leeren, nun weiss­ den meisten Fällen sind weniger als 10 Stück vorhanden, die
lich durchscheinenden Chitinhülle (Nissen) bleiben meisten davon im Larvenstadium und dementsprechend
am Haar haften, stellen jedoch keine Gefahr mehr klein. Ihre gute farbliche Tarnung und schnelle Fortbewedar (Abb. 3). Abhängig von den Lebensbedingungen gungsart kommen noch erschwerend dazu [5,9].
leben adulte Männchen ca. 15 Tage, die Weibchen
Abb. 3:
Ausgewachsene Läuse sind zwischen 2 und 3,5 mm gross und
Nissen im Haar
etwa 30 bis 40 Tage [4,6,7].
Vom Ei zur ausgewachsenen Laus
lassen sich von blossem Auge erkennen. Je nachdem, wie
Übertragung
lange eine Blutmahlzeit zurückliegt, sind die Läuse durchsichtig grau oder rötlich-braun gefärbt. Sie können aber die Farbe
ihres Chitinpanzers der Umgebung anpassen und sind darum
Läuse fühlen sich im Bereich der Kopfhaut wohl und
bei Personen mit dunklen Haaren und stark pigmentierter
verlassen diesen idealen Lebensraum nicht gerne.
Haut häufig dunkler als auf Individuen mit einer hellen Haut
Eine Übertragung erfolgt hauptsächlich bei engem
oder blondem Haar (Abb. 1). Larven (Syn. Nymphen) sind unKörperkontakt, was den Parasiten das Wandern von
ter 2 mm gross und sehen wie eine winzige Laus aus. Man
Haar zu Haar ermöglicht. Gelegentlich können Gefindet sie ganz nahe am Haaransatz (Abb. 4).
genstände, die mit dem Kopfhaar in Kontakt waren
und innerhalb kurzer Zeitspanne gemeinsam be- Eier sind von einer Chitinhülle umgeben, oval, ca. 0,8 mm
nutzt werden (z. B. Kämme, Bürsten, Fahrradhelme, gross (Sandkorn) und dunkelbraun (Abb. 2). Sie befinden sich
Mützen), zu einer Übertragung führen. Auf Polster- maximal 1 cm von der Kopfhaut entfernt. Eier unterscheiden
möbeln oder Kissen gefundene Läuse sind alt, krank sich von Schuppen dadurch, dass sie sehr fest am Haar haften
oder tot und nicht infektiös. Und nicht zu vergessen und nicht abgestreift werden können [4].
– Haustiere sind keine Überträger von Kopfläusen
Nissen sind die weisslich durchscheinenden Chitinhüllen, die
[4]!
Abb. 4:
Links eine Larve
(Syn. Nymphe), rechts
eine adulte Laus
nach dem Schlüpfen der Larven übrig bleiben. Im Volksmund
Symptome und Komplikationen
Bei einer Erstinfektion können die durch den Läusespeichel eingebrachten Allergene nach einer Sensibilisierungsphase von 4 bis 6 Wochen zu 2 bis 3 mm
grossen, hochroten und stark juckenden Papeln führen. Bei einem erneuten Befall tritt der Juckreiz, wegen der bereits früher erfolgten Allergisierung, bereits nach 24 bis 48 Stunden auf. Durch das vom
Juckreiz ausgelöste Kratzen kommt es zu Hautläsio­
nen, die eine Eintrittspforte für Staphylokokken und
Streptokokken darstellen. Wenn diese bakteriellen
Superinfektionen über längere Zeit nicht behandelt
werden, kommt es zu einer regionalen LymphknopharmaJournal 17 | 8.2007
werden häufig auch die Eier fälschlicherweise als Nissen bezeichnet. Nissen sind weiter als 1 cm von der Kopfhaut entfernt (Abb. 3).
Dieser Artikel wurde im
Auftrag der AKA geschrieben
von:
Korrespondenzadresse:
Dr. Christina Ruob Fuchs,
Arzneimittelkommission der
Zürich, und Dr. Marianne
Schweizer Apotheker AKA
Beutler, Egg.
Postfach 5247
3001 Bern
Wir danken Dr. med. Peter
Tel. 01 994 75 63
Vogelsanger, Schularzt der
Fax 01 994 75 64
Stadt Zürich, für die
E-Mail: [email protected]
Durchsicht des Manuskripts.
 Wissenschaft · Science
Literatur
  [1] Gratz N.G. Human lice: Their prevalence, control and resistance to
­incecticides: a review. Genf: Weltgesundheitsorganisation
  [2] Quelle: IMS und Hersteller
  [3] Reed D.L., Light J.E., Allen J.M., Kirchman J.J. Pair of lice lost or parasites
­regained: the evolutionary history of anthropoid primate lice. BMJ
Biology 2007; 5: 7
  [4] Robert Koch-Institut. Ratgeber Infektionskrankheiten-Merkblätter für
4% dimeticone lotion: randomised controlled equivalence trial. BMJ
2005; 330: 1423–1425
[16] Burgess I.F. Activity on 4% dimeticone lotion against head lice and their
eggs. Insect Research& Development Limited. 29. May 2007
[17] Insect Control & Research, Inc: Evalution of a silicone liquid and shampoo
treatment regimen against lice. 2000; data on file
Ärzte: Kopflausbefall (Pediculosis capitis). 2007
[18] Zero Tolerance Help Clinic, Oregon: Evalution of Dow Corning 200 Fluid
  [5] Hitzler M. Aus die Laus. Pädiatrie 2005; 5+6: 20–22
350 Cst. (polydimethylsiloxane). In vitro effectiveness on Pediculus
  [6] Feldmeier H. Pediculosis capitis. Kinder- und Jugendmedizin 2006; 4:
249–256
  [7] Richter J., Müller Stöver I., Walter S. Kopfläuse-Umgang mit einer wieder
auflebenden Parasitose. Deutsches Ärzteblatt 2005; 36: A2395–2398
  [8] Feldmeier H. Kopflausbefall. Deutsche Apotheker Zeitung 2006; 26:
2746–2753
  [9] Dr. Sandra Leonhardt-Raith. Persönliche Kommentare und www.kopflaus.ch
[10] Documed. Arzneimittel Kompendium der Schweiz 2007
[11] Behandlung von Kopfläusen. arznei-telegramm 2006; 37: 9
[12] Masche U.P., Weissenbach T. Ektoparasiten. pharma-kritik 2003; 16
[13] Holzer D, inventor; Host Pharmaceuticals, assignee. Methods of treating
body insect infestation. US patent 6, 683, 065. 2004 Jan 27
[14] Zero Tolerance Help Clinic, Oregon: Evaluation of effectiveness of Dow
Coming 200 Fluid 350 Cst. In improving efficacy of nit removal. 2003;
­data on file.
pharmaJournal 17 | 8.2007
[15] Burgess I.F., Brown C.M., Lee P.N. Treatment of head louse infestation with
­humanus capitis nits: 2004; data on file
[19] Zero Tolerance Help clinic, Oregon: Lice removal regimen effectiveness
evaluation. 2001; data on file
[20] Conolly M., Stafford K.A., Coles G.C., Kennedy C.T., Downs A.M. A coconut
derived emulsion shampoo fort he control of head lice: a school trial.
Bristol Dermatology Centre& University of Bristol: accepted for publication
[21] Mumucuoglu K.Y., Miller J., Zamir C. The in vivo pediculicidal efficacy of a
natural remedy. IMAJ 2002; 4: 1–4
[22] Scanni G., Bonifazi E. Efficacy and safety of a new non-pesticide lice
­removal product. Eur.J.Pediat.Dermatol. 2005; 15: 49–52
[23] Hill N., Moor G., Cameron M.M., Butlin A. Single blind, randomised, comparative study of the Bug Buster kit and over the counter pediculicide
treatments against head lice in the United Kindom. BMJ 2005; 331
Herunterladen