01|Überuns scinexx.de-DasWissensmagazin scinexx®-sprich['saineks],eineKombinationaus“science”und“next generation”-bietetalsOnlinemagazinseit1998einenumfassenden Einblick in die Welt des Wissens und der Wissenschaft. Mit einem breiten Mix aus News, Trends, Ergebnissen und Entwicklungen präsentiert scinexx.de anschaulich Informationen aus Forschung undWissenschaft. DieSchwerpunktthemenliegenindenBereichenGeowissenschaften, Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht allewissbegierigenUseran-obinBeruf,StudiumoderFreizeit. scinexx wurde 1998 als Gemeinschaftsprojekt der MMCD NEW MEDIA GmbH in Düsseldorf und des Heidelberger Springer Verlags gegründet und ist heute Teil der Konradin Mediengruppe mit dem bekannten Magazin Bild der Wissenschaft sowie den Wissensangeboten:wissen.de,wissenschaft.de,scienceblogs.de, natur.deunddamals.de. 02|Inhalt 01 02 ÜBERUNS INHALT 03 KANNIBALISMUS “Dinner for Artgenossen 04 IMPRESSUM One” unter 03|Kannibalismus “DinnerforOne”unter Artgenossen VONDIETERLOHMANN PaarungsritualemitkulinarischemAusklang,JagdaufArtgenossenim Mutterleib,Kinder-undBrudermord-imTierreichgibtesbeim ThemaKannibalismusanscheinendnichtswasesnichtgibt.Wie häufigistKannibalismuswirklich?WelcheGründegibtesfürd WASISTKANNIBALISMUS? F en von Individuen der eigenen Art “Der Leib, der mit Fleischspeisen beschwert wird, wird von Krankheiten heimgesucht,einemäßigeLebensweisemachtihngesünder und stärker und schneidet dem Übel die Wurzel ab. Die Dünste der Fleischspeisen verdunkeln das Licht des Geistes. Man kann schwerlich die Tugend lieben, wenn man sich an Fleischgerichten und Festmahlen erfreut. Unser Tisch muss zum Denkmal der Tafel wahrer Christen dienen.” So fortschrittlich sich diese Aussage aus dem frühen Mittelalter heute auch anhört, nicht alle Zeitgenossen von Basilius dem Großen (329-379 n C.) teilten seine Ansicht hinsichtlich des Vegetarismus. Und auch heute sind trotz BSE und Maul- und Klauenseuche, die “Pflanzenfresser” noch immerinderUnterzahl.EinebesondereFormvonFleischliebhabern dagegen ist schon seit Jahrtausenden sowohl gefürchtet als auch geächtet - die Kannibalen. Was aber ist Kannibalismus genau? Der Duden definiert diesen Begriff mit “das Fressen von Tieren der eigenen Art”, der Brockhaus versteht darunter den “Verzehr von MenschenfleischdurchMenschen,kommthauptsächlichinextremen Notsituationen sowie in ritueller Form (meist als Bestattungsritus in außereuropäischen Kulturen)”. Kannibalismus ist demnach ein Phänomen, dass sowohl bei Menschen als auch bei Tieren anzutreffenistunddasanscheinendüberallaufderWeltvorkommt. “Canibales”aufdenwestindischenInseln Woher stammt der Begriff Kannibalismus? Das Wort Kannibalismus ist bereits viele Hundert Jahre alt und beruht auf der spanischen Bezeichnung “Canibales”. Die frühen Seefahrer um Christoph KolumbusprägtendiesenNamenwährendihrerEntdeckungsfahrten im 15. Jahrhundert für die Ureinwohner auf den westindischen Inseln. Sie hatten den Eindruck, ob berechtigt oder unberechtigt sei dahin gestellt, dass sich diese “Wilden” regelmäßig oder fast ausschließlich von Menschenfleisch ernährten. Danach schossen im mittelalterlichen Europa immer wildere Vermutungen und Spekulationen um das Phänomen Kannibalismus aus dem Boden. Manvermutetezeitweiligsogar,dassdiegesamteÄquatorregionder Erde ausschließlich von Kannibalen bewohnt würde. Eine Legende, die sich im Verlauf des Zeitalters der Entdeckungen aber schnell als falscherwies… ALLESREINEFIKTION? M hlicher Kannibalismus als Massenunterhaltung “Bedaure! Ich habe heute am AbendnocheineVerabredungzumEssen.”Diesesauf den ersten Blick wenig spektakuläre Zitat aus dem Hollywood-Film“DasSchweigenderLämmer”,dessenSequelAnfang diesesJahresindieKinosgekommenist,verrätbeinähererKenntnis desPlotseinentiefenBlickindenAbgrunddermenschlichenSeele. AuchwennderFilmtitelheutzutageeheraufeineDokumentationzur Maul-undKlauenseuchehindeutetalsaufeinenPsycho-Thriller,geht eshierdochinsehrgruseligerWeiseumdasThemaKannibalismus beimMenschen.AnthonyHopkinsalias“Dr.HannibalLecter”,seines ZeichensPsychiaterundMenschenfresser,sagtdieseWorteamEnde des Films in einem Telefongespräch zu FBI-Azubi Clarice Starling (Jodie Foster). Der aus dem Gefängnis entflohene Killer und Psychopath Lecter mit einer Vorliebe für menschliche Innereien, beobachtet dabei seinen Lieblingsfeind, den Gefängnisdirektor Dr. Frederick Chilton (Anthony Heald), der durch die Straßen einer südamerikanischenKleinstadteilt.InderVorstellungderFBI-Agentin (und auch der Kinobesucher) verwandelt sich dabei Chilton von einem normalen gehetzten Menschen in ein “wandelndes menschliches Kotelett”. Guten Appetit! Menschenfresser liefern aber nicht nur den modernen Geschichtenschreibern ihre Stories. Schon vor mehr als hundert Jahren nahm sich auch bereits der legendäre Romanautor H. G. Wells (1895) in seinem Buch “The Time Machine” dieses Stoffes an. Auf seinem Trip in die ferne Zukunft lernt sein ZeitreisenderLebewesenkennen,dieerselbstalsMorlocksundEloi bezeichnet. Dabei muss der Held die schockierende Entdeckung machen, dass die unter der Erde lebenden Herrscher der Welt, die Morlocks, sich offenbar von den oberirdisch ihr Dasein fristenden Sklaven,denEloisernähren.UndnatürlichwollendieseBestiendann natürlich auch den Zeitreisenden als Bereicherung für ihre Speisekartegewinnen… ALLESDOCHKEINEFIKTION! K balismusgibtesüberallAllesFiktionsolltemanmeinen,im “wahren” Leben ist doch menschlicher Kannibalismus heute kein Thema mehr. Aber weit gefehlt, Berichte über Kannibalismusgibtesimmerwiederundsiestammenaus derganzenWelt.WieweitmandenreisserischenGeschichteninden Zeitungen und Magazinen allerdings tatsächlich Glauben schenken kann, sei dahin gestellt. Meist beruhen die als “authentisch” angekündigten Geschichten nicht auf Augenzeugenberichten sondern auf Legenden oder dem Hörensagen. Unumstritten unter Wissenschaftlern ist allerdings wohl die Tatsache, dass einige Indianerstämme - beispielsweise im tropischen Regenwald Mittelund Südamerikas oder auf Neuguinea - hin und wieder Menschen mit mehr oder minder viel Genuss verspeisen. Und dies ohne ethische Probleme, gehört dieses Ritual doch seit langer Zeit schon zumnormalenVerhaltenskodexderMenschen. Endo-undExokannibalen Wissenschaftler unterscheiden dabei zwischen dem Endokannibalismus,beidemVerwandteausdereigenenSippenach ihrem - natürlichen - Tod gegessen werden, und dem Exokannibalismus, der sich ausschließlich gegen Feinde aller Art richtet. Ernährungsaspekte spielen beim menschlichen Kannibalismus,dersichfastausschließlichgegenErwachsenerichtet, eher eine untergeordnete Rolle. Selbst Exokannibalen gehen in Hungerzeiten nicht gezielt auf Menschenjagd, die verspeisten Toten sind eher kulinarische “Abfallprodukte” normaler kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen. Ausschlaggebend für die Menschenfresserei sind eher religiöse Aspekte. Manche Stämmen versprechen sich von der Schlemmerei unter Artgenossen, Körper und Geist der Toten zu erhalten, andere betreibenKannibalismusausgenauentgegengesetztenGründen.Sie wollen die Geister von Verstorbenen auf diese Art und Weise vom eigenenDorffernhalten. LachkrämpfedurchMenschenfleisch Doch der menschliche Kannibalismus hat auch seine Tücken. Dies musstendieKung,einVolksstamminZentralafrika,erfahren,diesich lange Zeit vornehmlich an den Gehirnen ihrer gefallenen oder getötetenFeindelabten.Wohlbekomms,könntemanmeinen.Oder eher doch nicht. Nach Berichten von Wissenschaftlern litten Angehörige dieses Stammes immer wieder an einer seltsamen Viruskrankheit, die zu Lachkrämpfen und später auch zum Tod führte. Sie verbreitete sich, wie die Forscher nachweisen konnten, ausschließlich durch Kannibalismus. Als die Menschenfresserei verbotenwurde,verringertesichauchdieAnzahlderKrankheitsfälle. “Ja, ja, diese primitiven Wilden schrecken vor nichts zurück,” mag mancherLeserjetztvielleichtdenken,“beiunsinderzivilisiertenWelt kommtsowasaberdochnichtvor.”Weitgefehlt!AuchinEuropaund Amerika wird gelegentlich von kannibalistischen Akten berichtet. Die GründeaberwarumMenschenMenschenessen-wennesdennim Einzelfall tatsächlich wirklich so war - sind andere, meist viel profanerealsbeidenangeblichprimitivenVölkern. Essenumzuüberleben Berühmt wurde unter anderem die Geschichte über den HungerkannibalismusbeieinemFlugzeugabsturzindenchilenischen Anden im Jahre 1972. Die 16 Überlebenden - allesamt Mitglieder einer Fußballmannschaft aus Uruguay - mussten ihre bei der KatastrophegetötetenMitreisendennotgedrungenessen,uminder abgelegenen Region nicht selbst zu sterben. Nach mehr als zwei Monaten konnten sie schließlich weitgehend wohlbehalten aus dem tiefverschneiten Gebirge gerettet werden. Aber nicht immer stehen solche existentiellen Ursachen beim Kannibalismus im Vordergrund. Voneinemandersgelagerten,ganzaktuellenFallberichteteunlängst eineParlamentsabgeordneteinPeru.IneinemGefängnisdesLandes sollen Mithäftlinge angeblich einen Spanier ermordet und verspeist haben um dessen Bande einzuschüchtern. Regierungsstellen bestätigten das Verschwinden des Mannes und wiesen darauf hin, dass solche mysteriösen Fälle in der Haftanstalt bereits öfter auftreten sind. Später fand man dann die abgenagten Skelette der Toten irgendwo auf dem Gelände des Gefängnisses. Ähnlich spektakulär war ein Fall von Kannibalismus im Jahr 2001 in Chisinau/Moldawien. Dort verkauften zwei Frauen an einem Straßenstand größere Mengen Fleisch unbekannter Herkunft. Der Polizei erschien die Sache verdächtig. Sie ließ die Frauen verhaften und die Steaks testen. Die Untersuchungen der Behörden ergaben, dass es sich zweifelsfrei um Menschenfleisch handelte das angeboten worden war. Mit den Ergebnissen der Analysen konfrontiert, gaben die Händlerinnen zu, das Fleisch “günstig” von dernahegelegenenKrebsklinikbezogenzuhaben… AUSDERGESCHICHTESOLLTIHRLERNEN… M henfresserei - eine “never-ending story”? Dass der MenschbeimKannibalismusdurchausalteTraditionen pflegtundsichanscheinendsogaranseineUrsprünge erinnert, offenbart ein Blick in die Geschichte. Tatort Rhonetal vor 100.000 Jahren. Hier lebte damals ein guter alter BekannterdesheutigenMenschen,derNeandertaler.Wasbisdahin niemand auch nur vermutet hatte, bewiesen 1999 Wissenschaftler des CNRS Anthropology Labroratory in Marseille unter der Leitung von Alban Defleur: Die Neandertaler waren Kannibalen - zumindest gelegentlich! Ihre Ergebnisse basierten auf insgesamt 78 Knochenfunden von sechsermordetenHumanoiden,zweierwachsenen,zwei“Teenagern” und zwei Kindern in der Höhle Moula Guercy, die in der Region Ardeche hoch über der Rhone thront. Von den entdeckten Skelettteilen - so die Forscher - hatte man fein säuberlich das Muskelfleisch entfernt. Zahlreiche Knochen waren zudem aufgebrochen und das wertvolle, nahrhafte Mark ausgesaugt worden.BeieinemderKinderfehltesogardieZunge.DazuderZeit außer dem Neandertaler niemand aus der menschlichen Ahnengalerie diese Region bewohnte, schlossen die Wissenschaftler, dass es sich hier eindeutig um Kannibalismus gehandelt habenmüsse.DieGründefür diese “Barbarei” jedoch blieben unklar. Wurden die Neandertaler ausschließlich als Nahrung von Ihresgleichen getötet oder Frühmenschen©IMSIMasterClips spielten doch eher religiöse oder rituelle Gründe eine Hauptrolle?DieForscherwisseneseinfachnicht. MenschenopferaufdenOsterinseln AbermanmussgarnichtsoweitzurückindieVergangenheitgehen, um auf Kannibalismus zu stoßen. Glaubwürdige Berichte über Menschenfresserei gibt es auch von der Osterinsel. Die Bewohner, eingewanderte Polynesier aus der umliegenden Inselwelt, brachten im Rahmen ihres jährlichen Nationalfestes jahrhundertelang ihren Göttern Menschenopfer, die dann von den Häuptlingen mit Begeisterungverspeistwurden.ImzwölftenJahrhundertdagegen,so ermittelten Wissenschaftler der University of Colorado Scholl of Medicine, grassierte die Menschenfresserei auch unter den UreinwohnernAmerikas.DamalswüteteeineverheerendeDürreim Bereich des heutigen US-Bundesstaats Colorado und ließ die Nahrungsmittel knapp werden. Der einige Ausweg zum Überleben: Kannibalismus! Die Eroberung des amerikanischen Westens 700 Jahre später ging wohl ebenfalls nicht ohne das Verzehren von Artgenossen vonstatten. Auf den Trecks soll es nach Augenzeugenberichten während extremer Hungerzeiten ebenfalls wiederholtFällevonKannibalismusgegebenhaben.DerHungerwar aberauchinEuropawährenddergroßenWeltkriegederGrundfür Auswüchse von Kannibalismus. Kriegsberichterstatter dokumentierten in mehreren unabhängigen Schilderungen, dass LeichenteilevongefallenenFeindsoldatengelegentlichauchhierden Speiseplan von Armeeangehörigen oder der Zivilbevölkerung bereicherten… AUSNAHMEODERREGEL? W äufig ist Kannibalismus? “Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das zum Mord an Artgenossen fähig ist.” DieseAussagegaltlangeZeitbeiTierfreundeninaller Welt als unumstößliches Dogma. Doch mit der Zeit mussten diese Menschen erkennen, dass auch in der Tierwelt BrudermordundsogarKannibalismusimmerwiederzubeobachten sind. Gerade das Fressen von Tieren der eigenen Art hielten sogar Wissenschaftler bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts für ein seltenes, eher krankhaftes Verhalten im Tierreich. Mittlerweile aber konnte man in vielen Studien und Freilandversuchen nachweisen, dass bei vielen Tierarten Kannibalismus relativ häufig vorkommt. DabeiistdiesesPhänomennichtaufniedereTierewieEinzelleroder Würmer beschränkt, sondern zieht sich durch alle Tierstämme und machtauchvorunseren“nächstenVerwandten”,denAffen-speziell den Primaten - nicht halt. Diese schmerzliche Erfahrung musste selbst Jane Goodall, die weltberühmte Ethologin, während ihrer Studien über das Verhalten von Schimpansen im afrikanischen Nationalpark Gombe in Tansania machen. Im Rahmen von Stammeskriegen zwischen der von ihr jahrelang beobachteten Schimpansenhorde und einigen abtrünnigen Tieren kam es immer wiederzuBrudermordundkannibalistischenVorfällen.Zumindestin zwei Fällen berichtete Jane Goodall - zu ihrem eigenen Entsetzen dass ein Weibchen, von ihr “Passion” genannt, andere rangniedere Schimpansenmütterüberfiel,derenKinderraubteundanschließend verspeiste.EinVerhalten,dassnichtohneAuswirkungenaufPassions eigenenNachwuchsblieb.DieTochterderKannibalin,dieihreMutter während ihrer Taten anscheinend aufmerksam beobachtet hatte, wurde ebenfalls zur Mörderin, indem sie die Handlungen von Passion fast bis ins Detail nachahmte. Während Kannibalismus bei vielen Tieren nur selten und situationsbedingt vorkommt und meist nur von wenigen Individuen der Art praktiziert wird, kann der Kannibalismus bei bestimmten Spezies manchmal sogar eine der wichtigsten Todesursachen sein. Ein gutes Beispiel hierfür sind die DrachenvonKomodo,dieaufdergleichnamigenindonesischenInsel ihr seltenes, dafür aber um so spektakuläreres Dasein fristen. Erst 1912 von europäischen Forschern entdeckt, merkten die Zoologen schnell,dasssichdieWaranenichtnurvonAffenundWildschweinen ernährten.HungrigeWaranebereichernihreSpeisekarteauchgerne einmal durch Artgenossen. Jungtiere werden dabei genauso zu begehrten Jagdtrophäen, wie die Kadaver verendeter Tiere. Deshalb habendiefrischgeschlüpftenjungenWaraneauchnichtsEiligereszu tun,alssichschleunigstaufden nächstenBaumzuflüchten.Nur so ist Sicherheit vor den nächsten Verwandten gegeben. Beim kannibalistischenFestmahlverspeisendieKomodo-Waranezunächst die Innereien der Beute mit sichtlichem Wohlgefallen, erst dann machen sie sich über das Muskelfleisch her. Trotz dieser spektakulären Beispiele: Genauso falsch wie den Kannibalismus im Tierreich mit dem Mythos des Exklusiven, Abartigen zu versehen, genausofalschistesauch,dasFressenvonArtgenossenzurRegelzu erklären. Denn bei den meisten Spezies auf dieser Welt ist Kannibalismusbishernochniemalsbeobachtetworden. JENSEITSALLERNORMEN W eGründegibtesfürKannibalismus?WasbringtTiere dazu, die normalen, streng ritualisierten Regeln des innerartlichen Agressionsverhaltens wie den Kommentkampf zu sprengen, und zu Kannibalen zu mutieren? Zumal der kannibalische Akt selbst nicht ohne Risiken ist. Der Möchtegern-Kannibale könnte beispielsweise selbst auf einen hungrigen, übermächtigen Artgenossen treffen und zum Ein-GangMenü werden. Auch die Gefahr, sich bei der innerartlichen SchlemmereieinenbösenInfekteinzufangen,istdurchausnichtvon derHandzuweisen.Esmüssendemnachschonwirklichgravierende Gründe vorhanden sein, damit es zum Kannibalismus kommt. Ein wichtige Rolle spielt bei vielen Arten sicher eine explosive Mischung ausÜberbevölkerungundHunger. So haben Forscher herausgefunden, dass beispielsweise der Anteil an Kannibalen bei Kaulquappen, die in winzigen, nährstoffenarmen, überbevölkerten Seen und Tümpeln leben,meisterstaunlichhochist.Manche Larven einer bestimmten Molchart bilden zu kannibalistischen Zwecken sogar spezielle “Fraßinstrumente” aus, Auch Kaulquappen können zu um die eigenen Verwandten besser Kannibalenwerden©USGS verspeisen zu können. Die Tiere verbesserndamitnichtnurihreeigeneSpeisekarte,sieschaffensich auf diese Weise gleichzeitig auch Mitbewerber bei der Partnersuche vom Hals. US-Wissenschaftler haben bei der Untersuchung der Verhaltensweisen im Labor zudem festgestellt, dass vor allem dann Kannibalen entstehen, wenn sich Larven hauptsächlich unter Artgenossen aufhalten, die nicht eng mit ihnen verwandt sind. Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Kannibalismus trägt in diesem Fall dazubei,dieVerbreitungeigenerGenezufördernunddiefremder soweitwiemöglicheinzuschränken. Molch-Larvenkönnenspezielle FraßinstrumentezumFressenvon Artgenossenausbilden©USGS KINDERMORDHATTRADITION W Eltern ihren Nachwuchs verspeisen… Anders als beim menschlichen Kannibalismus, der sich überwiegend auf das Verspeisen von Erwachsenen beschränkt, kommtesbeibestimmtenTierartenauchhäufigervor, dass ältere Tiere zu Kindermördern werden. Nahrungsmangel und Überbevölkerung sind auch hier wichtige Gründe für den Kannibalismus. Werden beispielsweise bei Mäusen im Rahmen der Fortpflanzung mehr Jungtiere geboren, als ernährt werden können, kommteszustarkensozialenEntgleisungen.DieMütter,diesichzu Anfang liebevoll um ihre Kleinen gekümmert haben, zeigen dann meist keine Hemmungen mehr, die “überschüssigen” Nachkommen gnadenlos zu verspeisen. Der Spruch “ich habe dich zum Fressen gern” wird hier in sehr brutaler Form mit Sinn gefüllt. Diese AufwandsreduzierungbeiderBrutpflegeinHungerzeitenhatjedoch den Vorteil, dass die verbliebenen Jungen problemlos aufwachsen können und so die eigene Gene trotz der Krisensituation verbreitet werden. Besondere Berühmtheit beim Kindermord hat aber erstaunlicherweise der König der Tiere, der Löwe, erlangt. Den Ablauf dieser regelmäßig zu beobachtenden Massaker, so haben Wissenschaftler herausgefunden, muss man sich folgendermaßen vorstellen: Abenteuerlustige, umherstreifende “Junggesellenbanden” überfallen zunächst ein bestehendes Rudel und bringen die ehemaligen Herrscher kaltblütig um. Manchmal kommt es schon dabei zu kannibalistischen Akten, wenn der unterlegene Löwe von den Angreifern aufgefressen wird. Wenig später aber geht das mörderische Spiel erst richtig los. Statt sich über die Eroberung der Weibchen zu freuen, machen sich “die neuen Machthaber” erst einmalaufdieSuchenachden JungtierendesRudels.Nestfür Nest wirdaufgespürtundgeplündert.DieBabyslandenfastausnahmslos im Rachen oder im Magen der Männchen. Bei diesem aus unserer Sicht barbarisch anmutenden Akt zeigen die Herren der Schöpfung eine erstaunliche Ausdauer. Tagelang streifen die Männchen durch das Revier des Rudels und suchen nach immer neuen Verstecken. DasAusmassdiesesKannibalismusunterLöwenhängtwiesooftbei diesem Phänomen direkt mit der Populationsdichte zusammen. Das ganze lässt sich in einer einfachen Formel zusammenfassen: Bei Überbevölkerung gibt es zahlreiche Junggesellenbanden und damit auch viele Überfälle auf bestehende Rudel. Die Folge: Die Königsmorde und die Kindermorde häufen sich. Damit sinkt aber auch der Bevölkerungsdruck und es entstehen weniger Junggesellenbanden…GibtesweitereGründefürdieseserstaunliche Verhalten der Löwen? Und warum verteidigen die Weibchen ihre Kinder nicht mit Krallen und Zähnen? Lange Zeit vermutete man in Ethologenkreisen,dassderKindermordseineUrsachedarinhat,die Weibchen möglichst schnell wieder paarungsbereit und empfänglich für die Verbreitung der Gene der neuen “Paschas” zu machen. In Wahrheit aber - so weiß man heute - sind die Hintergünde für den Kindermord viel komplizierter. Die Weibchen verteidigen ihre Jungtiere während dieser Tötungsorgien durchaus, nur wählen sie offenbar einen anderen Weg als die offene Konfrontation, um zu retten was noch zu retten ist. Die Löwinnen umgarnen die neuen Herrscher sogar regelrecht und versuchen sie so von ihren Nestern abzulenken.UnbeobachtetMomentenutzendieWeibchendann,um den Nachwuchs von gefährdeten Stellen in Sicherheit zu bringen. Während dieser Phase, so haben Verhaltensforscher festgestellt, produzierendieKöniginnenderSteppeeinenbesonderenDuftstoff, der die aggressiven Männchen mit der Zeit ruhigstellt und den Jungen gegenüber friedlich stimmt. Sind die neuen Machthaber erst ausreichend betört, besteht auch keine Gefahr mehr für die Jungtiere. Das Aphrodisiakum hat gewirkt, die List war erfolgreich. Der größte Vorteil aber bei diesen Kriegsspielchen unter Artgenossen:ErobererundErobertehabenzusammengefundenund sind bereit den verbliebenen Nachwuchs gemeinsam aufzuziehen. Der Blutzoll für diese neue Rudelharmonie jedoch ist hoch. Der Tod derzahlreichenJunglöwenwirdabervonallemBeteiligtenscheinbar billigend zur Kenntnis genommen… Auch Krokodile und Alligatoren kennen wenn es um Fressen geht keine Rücksicht auf die engste Verwandtschaft. Werden die Eier und die frisch geschlüpften JungtierevonderMutterzunächstnochmitFeuereiferundallenzur VerfügungstehendenMittelngegenpotentielleFeindebewacht,sieht es einige Zeit später ganz anders aus. Trifft die Krokodil-Mama ihre Teenager nach mehreren Monaten in freier Wildbahn wieder, müssen sich die Jungtiere gelegentlich blitzschnell in Sicherheit bringen,umnichtimRachenderErzeugerinzuverschwinden. GESCHWISTERMORDBEITIEREN D nade der späten Geburt? Bei einigen Tierarten übernehmen die “lieben Kleinen” diese Beseitigung von Konkurrenten in der eigenen Familie gleich selbst. Bekannt für ein solches Verhalten sind unter anderem manche Greifvogelarten. Dort kennt das zuerst geschlüpfte und damit meist stärkere Junge keine Gnade mit dem nachfolgende Küken. Beim Schreiadler zum Beispiel reagiert das Senior-Kind im Nest sofort darauf, wenn das Geschwisterchen aus der Schale schlüpft. Bevor das neue Jungtier weiß wie ihm geschieht, hockt das Ältere bereits auf seinem Rücken. Dort bleibt es dann solange, bis der jüngere “Miniadler” verhungert oder erdrückt ist. Das zweite Jungtier kommt bei solchen Tierarten oft nur dann zum Zuge, wenn das Erstgeborene nicht gesund ist oder - seltener - wenn das NahrungsangebotfürdiebetreffendeArtindemJahrsogutist,dass beide Tiere erfolgreich aufgezogen werden können. Das Zweitgeborene ist quasi eine biologische Sicherheitsreserve für die Eltern, damit die Brutsaison in jedem Fall erfolgreich abgeschlossen werden kann. Einen ähnlichen Fall von Geschwistermord haben WissenschaftlerimmerwiederauchbeiHaienbeobachtet.Kaumein Lebewesen auf dieser Welt ist so gefürchtet und mit Mythen versehen wie diese Knorpelfische. Überall wo die berüchtigte Dreiecksflosse oder auch nur etwas halbwegs Ähnliches in StrandnäheausdemWasserragt,entstehteinePanik,wiesiesonst nur die mutierte Riesenechse Godzilla in den Straßen von Tokio auslösen kann. Haie gelten pauschal als Sinnbild für kaltblütige Monster und Menschenfresser. Dabei gibt es unter ihnen auch zahlreiche völlig harmlose Arten wie den bis zu 18 Meter langen, gigantischen Walhai, der sich fast ausschließlich von Plankton ernährt.Wenigerbekanntistdagegen,dassbeieinigenHaiarten,wie beispielsweise dem Sandtigerhai, auch der Kannibalismus zum täglichen Leben (und Sterben) gehört. Schon vor der Geburt frönen dieJungtieredieserHaiedem“Hobby”imMutterleib.Derambesten entwickelte Embryo begibt sich dabei auf die Jagd nach Eiern oder bereitsgeschlüpftenGeschwisternundtötetundverspeistsie.Dieses als vorgeburtlicher oder “Intrauterin-Kannibalismus” bezeichnete Phänomen führt dazu, dass meist nur wenige Jungtiere eines Elternpaares in jedem Fortpflanzungsyklus lebend geboren werden. Der verbliebene Nachwuchs aber kommt bereits als perfekter Jäger auf die Welt und hat sich schon eine ganze Menge unliebsamer RivalenundNahrungskonkurrentenindereigenenFamilievomHals geschafft. WENNLIEBEDURCHDENMAGENGEHT… V pinnen und Gottesanbeterinnen Mit ihren angewinkelten zu Fangorganen umgewandelten Vorderbeinen, die wie betende Hände aussehen, erwecken die GottesanbeterinnenaufdenerstenBlickdenEindruckvon FriedenundRuhe.NurbeiwenigenTierensindNameundAussehen so trügerisch und irreführend wie bei diesen Insekten, die in zahllosen Arten über die ganzen Welt verbreitet sind. Denn das Verhalten dieser Tiere ist vor allem auf der Jagd nicht besonders christlich. Hat die Gottesanbeterin mit ihren großen Augen ein Beutetier entdeckt, schleudert sie ihre hakenbesetzten Fangbeine blitzschnellheraus.WirddabeieinArtgenosseOpferderAttacke,ist dieGottesanbeterinauchnichtbösedarüberundverspeistihnohne Hemmungen. Eine besondere Variante ihrer Neigung zu Kannibalismus ist darüberhinaus immer wieder im Rahmen der Fortpflanzungzubeobachten.WährendodernachderPaarungfrisst das körperlich deutlich überlegene Weibchen das samenspendende Männchen manchmal mit “Haut und Haaren” auf. Ein solches Verhalten ist aber nicht nur den Gottesanbeterinnen vorbehalten, auchbeiSpinnenisteshäufigzubeobachten.DieSchwarzeWitweLatrodectusmactans-hatschließlichihrenNamendeshalberhalten, weildasdeutlichgrößereWeibchennachderPaarungebenfallsdas Männchenauffrisst.NachneuestenErkenntnissenistdasMännchen aber in der Regel meist schon vorher verstorben und die Spinne frönt dem Kannibalismus nur dann, wenn sie auch wirklich Hunger hat. Entstanden ist dieses Verhalten bei den Spinnen, so die Vermutung der Ethologen, im Rahmen der Evolution folgendermaßen: Brachten die Spinnenmännchen vor Urzeiten zunächsteinBrautgeschenkfürdie“Angebetete”mit,habensichdie Spinnenadonisse im Laufe der Zeit selbst zu einer Art leiblichen Mitgift entwickelt. Für das Spinnenweibchen macht der Kannibalismus aus mehreren Gründen Sinn. Neben dem hochwertigen Nährstoffcocktail im Rahmen der Mahlzeit, wird auch ein Fresskonkurrent für sich und die Nachkommen ein für alle Mal ausgeschaltet. Die Weibchen der Art Latrodectus mactans machen sichdurchdasAuffressendeseigenenSexualpartnersübrigensnicht nur selbst zu “Schwarzen Witwen”, auch beim Menschen sorgen sie häufigereinmalfürechteTrauerfälle.WarendieSpinnenfrüherfast ausschließlich in den Einöden Amerikas heimisch, haben sie sich mittlerweilezueinemechtenKulturfolgerentwickelt.DieGiftspinnen haben eine Vorliebe für landwirtschaftliche Bauten wie Ställe und Schuppen,haltensichaberauchgerneinfreistehendenToilettenauf. Dort ist ihr “Lieblingsplatz” unter der Toilettenbrille. Ein Besuch auf einem solchen “stillen Örtchen” kann deshalb für den Menschen äußerst unangenehme Folgen haben. Das Gift dieser Spinnen ist erheblich stärker als das vieler Klapperschlangen und führt zu starkenSchmerzen,FieberundÜbelkeit.FürKranke,Schwacheoder kleine Kinder kann ein Biss sogar tödlich verlaufen. Bei der australischen Spinnenart Latrodectus hasselti nehmen Selbstaufgabe, Dienstbereitschaft und Kannibalismus selbst für Spinnenverhältnisse schon groteske Züge an. Bei diesen Tieren bieten die Männchen schon während der Paarung freiwillig den Weibchen ihren Hinterleib zum Frass an. Diese nehmen dieses Angebotfürein“DinnerforOne”inderRegelgernean. MASSAKERINHUNGERSZEITEN M im Wolfsrudel Zumindest am Rande des Kannibalismus rangiert auch das häufig beschriebene Leihmütter-System der Wölfe, das vor allem in HungerzeitenzumTragenkommt.Zwarkommteshier nicht immer zum Fressen von Artgenossen, aber immerhin zu MassentötungeninnerhalbdesRudelsimRahmenderFortpflanzung. Während das Leitwolfpaar normalerweise dafür sorgt, dass alle rangniederenTiereimRudelzwarihrePflichtenbeiderJagdundder Verteidigung erfüllen dürfen, aber das Liebesspiel dieser Tiere untereinander rigoros verhindert wird, sieht es in Notzeiten ganz anders aus. Leitwolf und alle anderen männlichen Mitglieder der Truppe paaren sich dann seltsamerweise mit den rangniederen Weibchen und sorgen so dafür, dass sich bald Nachwuchs einstellt. Auf den ersten Blick ein unsinniges Verhalten, wird doch so der Hunger durch die höhere Anzahl an zu versorgenden Köpfen eigentlichnochweiterverstärkt. Kurz nach der Geburt aber passiert dann Überraschendes. Die untergeordneten Männchen dringen in die Wurfnester der rangniederen Weibchen ein und töten alle Neugeborenen rigoros ab. Gelegentlich soll es dabei sogar zu kannibalistischen Akten kommen. Die Mütter sehen dabei mehr oder minder tatenlos zu. Nur die Jungtiere des Leitweibchens bleiben samt und sonders von diesem Massaker verschont. Wie ist dieses Vorgang zu erklären? Die Begründung für dieses in menschlichen Augen barbarischen Verhalten ist eigentlich relativ einfach. Da bei den rangniederen Weibchen trotz des Verlustes der eigenen Nachkommen die Milch einschießt, können diese Wölfinnen bei der Aufzucht der Jungtiere des Leitwolfpärchens helfen. Der Reihe nach gehen sie dazu in das Nest und säugen deren Jungen. Selbst in den Zeiten größten Nahrungsmangels können diese Welpen so überleben und sich prächtigentwickeln. Wolf©USFWS FEDERPICKENUNDKANNIBALISMUS T in Agrarfabriken Hühner werden in viel zu enge Käfige verfrachtet,NerzenundanderenPelztierengehtesaufden speziellen Zuchtfarmen häufig nicht anders. Schweine stehen zu Hunderten auf Spaltenböden in viel zu kleinen Ställen oder werden in Lastwagen bei größter Hitze zum Teil tausendevonKilometern-manchmalohneFütterungoderTränkebis zu ihrem Schlachtort geschaukelt. Die moderne Landwirtschaft und insbesondere die Methoden bei der Nutztierhaltung sorgen dafür, dass der Kannibalismus auch in diesem Bereich viel häufiger vorkommt, als die breite Öffentlichkeit weiß oder vermutet. “Überbevölkerung”, Beschäftigungsmangel und Stress führen dazu, dass sich diese zusammengepferchten Tiere gegenseitig Körperteile zerbeißenoderineinemregelrechtenBlutrauschihrenArtgenossen großflächige Wunden zufügen. Rangniedrige oder schwächere Tiere könnensichaufgrundderengenPlatzverhältnissenichtwehrenund verenden nach solchen Attacken zum Teil kläglich und unter großen Schmerzen.BesondersvomProblemKannibalismusbetroffenistdie Geflügelhaltung. Legehennen hocken in Deutschland meist immer noch in drei bis fünf Etagen (Batterien) übereinander zu fünft in einem Käfig. Jeder Henne stehen nur etwa 450 Quadratzentimeter FlächezurVerfügung.ZumVergleich:EinDINA4-Blattentsprichtder Fläche von 550 Quadratzentimetern. Das Futter rutscht computergesteuert in die Tröge, an denen jeder Henne laut Gesetz 10 Zentimeter Fressbereich zustehen. Zwischen 260 und 290 Eier proJahrlegendiese“Batteriehühner”.93Prozentder270Millionen Legehennen in der europäischen Union leben so - weil es so am Kostengünstigsten und Produktivsten ist. Normalerweise aber verbringteinHuhndieHälftedesTagesmitScharrenundPickenzur Futtersuche. Es läuft und flattert, putzt sein Gefieder und nimmt Staubbäder. Zum Legeverhalten gehören Schutzsuchen, Nestbau und Ruhen im Nest. Es sitzt gerne auf Stangen oder auf weichem Untergrund.AlldasgibtesinLegebatteriennicht.Eskommtdeshalb zu Leerlaufbewegungen und Ersatzhandlungen. Die beobachteten Verhaltensweisen reichen vom Federpicken bis hin zu echtem Kannibalismus am lebenden oder toten Tier. Blut spritzt, wenn sich die Hennen aus Langeweile oder Aggression gegenseitig die Ohren zerhacken, qualvoll auf dem Gitterboden verendete Hühner werden vom Käfigpartner zerpickt und aufgefressen. Um die negativen ökonomischen Auswirkungen dieses Verhaltens einzudämmen, hat man-stattdasProblembeiderUrsacheanzugehenundendlicheine artgerechte Tierhaltung einzuführen - vielerorts nur die Symptome bekämpft. So fallen beispielsweise die Schnäbel der Hühner in den LegebatterienteilweiseschmerzhaftenKürzungenzumOpfer… AUSDEUTSCHENLANDFRISCHAUFDENTISCH W at BSE mit Kannibalismus zu tun? Eine andere moderne Form des tierischen Kannibalismus ist in Deutschland erst in den letzten Monaten so richtig bekanntgeworden.Eshandeltessichdabeiallerdings um ein echtes Man-made Desaster, dessen schwerwiegende Folgen wir im Moment drastisch zu spüren bekommen. Jahrzehntelang haben Verbraucher das Fleisch aus beinahe industriell anmutenden Mastbetrieben im Vertrauen auf die deutschen Sicherheitsvorschriften mit Genuss verspeist. Heute, im Zuge der BSE-Krise,istvielenderAppetitvergangen,seitdemklarist,dassauch RinderinDeutschlandBSE-verseuchtsind.AlsursächlicheErregerfür die Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE oder “Rinderwahnsinn”)geltenheutzutagePrionen,dieinentarteterForm infektiöswirkenkönnen. Eine der wesentlichen Übertragungsquellen für Prionen war/ist nach heutigen Erkenntnissen das lange Zeit in der Landwirtschaft verwendete Tiermehl. Zu 85 Prozent besteht dieses Tiermehl aus den Abfällen der Schlachthäuser. Der Rest stammt von Nutztieren, die UnfreiwilligeKannibalen:MitTiermehl verendet sind und gefütterteRinder©IMSIMasterClips eingeschläferten Haustieren. Selbst Hochrisikomaterialien für BSE wie Gehirnmasse oder RückenmarkwurdenvomMenschenüberdasTiermehlentsorgt.Um Kostenzusparen,verringertendieBetreiberderFuttermittelfabriken irgendwann die Verarbeitungstemperaturen und potentielle Erreger in den Abfällen tierischen Ursprungs konnten überleben und über das Tiermehl weiter verbreitet werden. Fein gemahlen und erhitzt wurde dieser “Fleischmüll” lange Zeit lebenden Wiederkäuern vorgesetzt - zum Teil auch in Form von Zusätzen bei anderen Futtermitteln wie Milchpulver. Die Kühe und Bullen fraßen demnach nicht nur ihre Artgenossen, sondern mutierten dabei auch zu medizinischen Zeitbomben. BSE und Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung warennichtmehraufzuhalten. Mittlerweile ist die Verfütterung von Tiermehl an Kühe, Schafe, Ziegen,SchweineundGeflügelinderEUverboten.DieBestrebungen gehenaberauchdahin,ausSicherheitsgründendieVerfütterungvon TierrestenanandereTieregrundsätzlichunddauerhaftzuverbieten. DassTierkadaverundähnlicheResteausderFleischproduktionauch sinnvoller entsorgt werden können, zeigt zudem ein Modellprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück), an dem die Technischen Universitäten Braunschweig und München sowie verschiedene Firmen beteiligt sind. Die Wissenschaftler untersuchen dabei, ob es in Zukunft möglich sein wird, Tierfette aus Schafherde©IMSIMasterClips Tierkadavern verstärkt zu Kühlschmierstoffen zu verarbeiten und in der Metallindustrie als Ersatz für Schmierstoffe aus der endlichen Energiequelle Öl zu verwenden.GroßeTeilederProdukteausderTierkörperverwertung könntensovonderNahrungsketteausgeschlossenwerden. 04|Impressum scinexx.de-DasWissensmagazin MMCDNEWMEDIAGmbH Elisabethstraße42 40217Düsseldorf Tel.0211-94217222 Fax03212-1262505 www.mmcd.de [email protected] Geschäftsführer:HaraldFrater,[email protected] Chefredakteurin:NadjaPodbregar,[email protected] Handelsregister: Düsseldorf,HRB56568;USt.-ID.:DE254927844; FinanzamtDüsseldorf-Mitte Konzeption/Programmierung YOUPUBLISHGmbH Werastrasse84 70190Stuttgart M:info(at)you-publish.com Geschäftsführer:AndreasDollmayer ©2016byKonradinMedienGmbH,Leinfelden-Echterdingen