Abnormes Aggressionsverhalten bei Tropheus moorii moorii BOULENGER,1898 Text: Hartmut Kula (D 5607) lch pflege jetzt seit gul 11/z Jahren fünf Exemplare der geographischen Rasse »Schwarzroter Mooriiu. Die Tiere sind in einem 1801-Becken untergebrachten, welches einen großen Steinaufbau besitzt. Dieser Steinaufbau reicht bis unter die Wasseroberfläche und garantiert die 1ür Tropheus wichtigen Höhlen. Die Wasserwerte sind weitgehend dem natürlichen Biotop angepaßt, wobei ich bemerken muß, daß ich mit Gips künstlich aufhärte und zur Stabilisierung des pH-Werts ab und zu Soda hinzugebe und über Muschelgrus filtere. Jede Woche wird ein Wasserwechsel von 30-40 Litern durchgeführt. Eine dicke Schicht Oberflächenpflanzen dämpft das Licht im Becken Gefüttert wird zweimal am Tag; das Futter variiert je nach Jahreszeit. Es besteht entweder aus frischen Mückenlarven oder Wasserflöhen, oder aus tiefgefrorenem Rinderherz und Gammarus pulex. Falls kein Lebendfutter vorhanden ist, wird auch Trockenfutter gereicht. Die Tiere wurden, wenn möglich, jeden Tag beobachtet, wobei besonders auf das Sozialverhalten geachtet wurde, welches bei Tropheus ja bekanntlich hochspezialisiert ist. Dabei stellte ich fest, daß die fünf Exemplare von der Norm abweichende Verhaltensweisen zeigten. Diese Verhaltensweisen und mein Versuch einer Deutung sollen in diesem Artikel ausführlich behandelt werden. Die fünf Tiere verhielten sich in den ersten sieben Monaten relativ normal, wenn man von den heftigen Jagereien des dominierenden Männchens absieht. Nachdem dieses Tier mit einem der Weibchen abgelaicht hatte, wobei es die anderen Tiere ständig .iagte, kam es am nächsten Tag zu einem heftigen Kampf mit dem zweiten Männchen Das zweite Männchen siegte und nahm den ersten Platz in der Rangordnung ein. Das vorherig dominierende Männchen war in der Rangordnung aul den letzten platz gefallen. Dieses läßt sich daraus ableiten, daß es nun von den bisher rangniedrigsten Tieren angegriffen wurde und auch sofort die soziale Befriedungsgeste ausführte. Das jetzt dominier.ende Männchen war sehr aggressiv, es verjagte andauernd alle anderen, wobei es das ganze Becken als sein Revier ansah. Das besiegte Männchen erstarkte langsam wieder und rückte an die 2 Stelle in der Rangordnung. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Becken total umgeräumt und kam auch an eine andere Stelle im Flaum. Nachdem die Tiere im neueingerichteten Becken waren, brachen sofort heftige Rangordnungskämpfe aus. Anscheinend nützen rangniedere Tiere jede von außen verursachte Störung, z B einen Wasserwechsel, aus, um in der Rangordnung höher zu steigen. ln meinem Becken herrschte nach solchen Eingriffen immer gesteigerte Aggressivität. Bei diesen Kämpfen gewann das vorherig dominierende Männchen und übernahm wieder die Herrschaft über das Becken Wie beim ersten Machtwechsel wurde das unterlegene Tier durch gesteigerte Aggressivität stark unter- DCG-lnfo 9(5) 1978: 96-99 96 drückt. Nach drei Wochen war es wieder so stark, daß es kämpfen konnte. Dieses hatie nun ein Phase sehr großer Aggressivität zur Folge, während der sich die beiden Männchen mehrmals täglich bekämpften. Dabei wurden die normalen ,Kampfregelnu mißachtet; es waren Beschädigungskämpfe, die normaleniveise nur bei einander fremden Tieren vorkommen sollten. Eine bevorzugte Angriffsstelle war die Breitseite des Gegners. Beide Tiere hatten dort größere Bißwunden, die dadurch entstanden, daß der Rivale beim Kreiselkampf mit weit aufgerissenem Maul die Schuppen abraspelte. Während dieser Phase wurden auch die drei anderen Tiere oft gejagt, meistens, wenn sie einem der streitenden Männchen zu nahe kamen. Mehrmals konnte ich beobachten, daß das unterlegene Männchen seine Aggressionsenergie an rangniederen Tieren abreagierte. Obwohl diese in beiden Fällen sofort die soziale Befriedungsgeste ausführten, wurden sie trotzdem fast immer gejagt oder gebissen. Das jeweils dominierende Männchen patrouillierte sein Revier andauernd auf immer denselben Wegen ab. Da manchmal beide Männchen ein Revier besaßen, kam es oft zu Grenzstreitigkeiten. Dabei markierten beide Rivalen nach.Haptochromls-Manier mit Kreiselschwimmen ihr Bevier, ohne sich richtig anzugreifen. Nun komme ich zu einer weiteren Beobachtung: Die Tiere, an denen prof. WICKLER 1969 seine Versuche durchführte, besaßen einen gelb-roten Farbgürtel, cjer bei sozialen Anläßen wie Kampf, Balz und Ablaichen stark ausgeprägt erscheint. Die von mir beobachteten Tiere besitzen einen solchen Farbgürtel nicht. Mir fiel jedoch auf, daß besonders rangniedere Tiere bei verschiedenen sozialen Anläßen die Färbung von Braunrot nach Hellorange wechseln. Ein brütendes Weibchen bekam beim Anblick eines Gegners eine intensive Orange-Färbung, die auch beibehalten wurde, wenn die soziale Befriedungsgeste ausgeführt wurde. Bei jüngeren Tieren ist dieser Farbwechsel noch nicht so ausgeprägt, meistens erscheint das typische Streifenkleid wieder. Das dritte, rangniedrigste Männchen erschien immer in einer hellorangen Färbung am Futterplatz. Sobald es diese Färbung nicht mehr deutlich genug zeigte, wurde es von einem der Männchen vertrieben. Eine weitere Beobachtung bezieht sich auf die Farbintensität der Augenumrandung. Nur das jeweils dominierende Männchen hat eine gelb-grün irisierende Augenumrandung, oie bei starker Erregung noch kräftiger gefärbt ist. Bei unterlegenen Tieren ist erstens die Färbung nie so intensiv und zweitens ist die Umrandung am oberen und unteren Augenrand mehr oder weniger schwarz unterbrochen. lch möchte am Anfang meines Versuchs einer Deutung noch einmal die wichtigsten Punkte des beobachteten Verhaltens aufzählen. 'L 2. 3. Das dominierende Männchen unterdrückt die anderen Tiere und behindert sie bei der Nahrungsaufnahme. Nach einer bestimmten Zeit kommt es zu Kämpfen zwischen den beiden stärksten Männchen. Der Sieger des Kampfes unterdrückt den Verlierer mit gesteigerter Aggressivität, welche sich in ständigem Beißen und Jagen ausdrückt. f@" occ ,nto e(5) leTB:e6-ee 97 4. 5. 6. Die soziale Befriedungsgeste verliert in diesen Phasen der Aggressivität ihre Wirkung. Das normale Gruppenverhalten ist nicht mehr vorhanden, vielmehr zeigt sich jetzt ein Territorialverhalten wie beim Haplochromis-fyp. Die Aggressivitätsphase erscheint in gewissen Abständen wieder und führt zu neuen Rangordnungskämpfen. 7. Diese Randordnungskämpfe frnden bevozugt nach Störungen von außen (Wassenvechsel) statt. Um zu einer richtigen Deutung des abnormen Verhaltens zu kommen, habe ich die versch iedenen Agressionstheorien stud iert. Das ,Dynamische lnstinktmodell« von LORENZ trifft in gewisser Weise zu, weil sicherlich ein Triebstau vorgelegen hat. Doch war die Aggression, die zuerst vom unterlegenen Männchen ausging, sehr wahrscheinlich nicht auf eine endogenspontane Aggressionsenergieerzeugung zurückzuführen, bei der die Energie aufgestaut wird und dann, wenn ein spezifischer Reiz vorliegt, durch die Endhandlung abreagiert wird Das Verhalten scheint eher eine Reaktion auf die Behinderung der Nahrungsaufnahme zu sein. Aber nicht nur der Freßtrieb wurde behindert bzw. frustriert, sondern auch der Sexualtrieb, weilja nur das stärkste Männchen mit den Weibchen der Gruppe ablaicht. Zwar ist dieses in der Natur auch so, aber die Behinderung des Freßtriebes ist unnatürlich. Eventuell könnte es aber durch eine Summierung beider Triebbehinderungen zu dem abnormen Verhalten kommen Wenn man diesen Gedanken weiterführt, kann man sagen, daß ein Tier ein bestimmtes Maß an Frustration erdulden kann, dann aber mit allen Mitteln versucht, den Trieb zu bef riedigen. Dieses würde dann auch erklären, warum die üblichen ,Kampfregeln,( sowie die Funktion der sozialen Befriedigungsgeste vorübergehend aufgehoben waren Aus dem ritualisierten Kommentkampf wurde so ein Beschädigungskampf und die ebenso ritualisierte Befriedungsgeste konnte den Angreifer nicht mehr beschwichtigen. Wenn man nun die Frustrations-Aggressions-Hypothese von DOLLARD (1939) näher betrachtet, fällt es sofort auf , daß hier - genauso wie in den von mir beobachteten Fall - die Aggression durch Frustration eines angeborenen Frimärtriebs entsteht. Die Energie des frustrierten Primärtriebs wird in aggressive Energie umgewandelt, da nur so die Behinderung, in diesem Fall das dominierende Männchen, beseitigt werden kann. Dann erst kann der Primärtrieb befriedigt werden. Während der Rangordnungskäpfe entlud sich die ganze aufgestaute und nun in aggressive Energie umgewandelte Energie des Primärtriebs am Rivalen Nach ein bis zwei Tagen war diese Energie abreagiert und außerdem die Position in der Rangordnung so gefestigt, daß vom Rivalen her keine Gefahr mehr drohte. Durch die totale Unterdrückung begann jetzt beim unterlegenen Tier der gleiche Prozeß, der darauf hinauslief, daß nach einer gewissen Zeit eine neue Phase der Aggressivität ausbrach. Die ersten Jungtiere, die im Dezember 77 beobachtet werden konnten, brachten dann eine weitere Erklärung des abnormen Verhaltens. Sie besaßen nämlich Färbungsfehler, die darauf hindeuten, daß es sich bei den Eltern vielleicht um Kreuzungen oder DCG-lnfo 9(5) 1978: 96-99 98 lnzuchttiere handeln könnte. Da dadurch die genetische lnformation der Eltern gestört sein kann. könnte es zu einer Veränderung des Verhaltens kommen. lch möchte am Ende meiner Arbeit diejenigen bitten, die ähnliche Beobachtungen gemacht haben, mir dieses doch mitzuteilen. Literaturverzeich n is Fryer, G. & lles, T.D. (1972): The Cichlid Fishes of the Great Lakes of Africa. Oliver & Boyd, Edinburgh Hedewig, R. & Hildebrandt, C. (1975): lst Aggressivität ein spontan anwachsendes Bedürf n is? n : Praxis der Naturwissenschaften, 9, 225-233 Reyer, H.U. (1974): lnnerartliche Aggression. ln: Grzimeks Tierleben-Verhaltensforschung, 25. Kapitel, 376-391 , Kindler Verlag, Zürich : I Wickler, W. (1969): Zur Soziologie des Brabantbuntbarsches, Tropheus moorei (Plsces, C i c h I i d ae ). n : Z. Tierpsych ., 26, 967 -987 -(1976): Stammesgeschichte und Ritualisierung DTV 4166, DTV, München I DCG- Ku rzi nf o rm ation - DCG- Ku rzi nf o rm ati o n 1. Ein neuer Lamprologus aus dem Süden des Tanganjika-Sees (Sambia) Eine Kurzinformation von Peter Schoenen (D 5107) lm Dezember 1977 wurde eine neue Lamprologus-Art beschrieben und zwar Lamprologus kendalli POLL et STEWART, 1977. Diese neue Art stammt aus dem südlichen Teil des Tanganjika-Sees, nord-westlich von den Mutondwe-lnseln, Sambia. Die Größe der vorliegenden Exemplare variiert von 125-158 mm und wurden von Dr. Robert Kendall (13.-16 6 72\in 40 m Tiefe gefangen. Die Färbung wird allgemein als bräunlich bis gelblich geschildert. Auf dem Körper sind 3 waagerechte Balken von dunkler Farbe zu sehen, die etwas ungeordnet verlaufen, aber nicht in einzelne Flecke zerstückelt sind. Der erste verläuft unter der Basis der Rückenflosse, der 2. über und entlang der Seitenlinie, der 3., der etwas blasser ist, über der Mitte der Flanken. Der Kopf ist kontrastreicher gefärbt. Wurmförmige, klare und dunkle Streifen sind oben, um die Schnauze und unter den Augen zu sehen. Der Unterleib ist heller. Alle senkrechten Flossen sind dunkel-braun und übersät mit vielen kleinen, runden Flecken. Die Brustflossen sind klar, die Afterflosse ist schwärzlich. DCG-lnlo 9(5) I 978: 99-1 00 99