Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Neues Museum DE Materialimitation im alten Ägypten Abbildung 1 Gefäß in Form eines Korbes, Spätzeit (um 750 v. Chr.), ÄM 16996 | Foto: Manuela Gander Abbildung 2 Schale aus dem Grab des Beamten Hemaka, Frühzeit (um 3000 v. Chr.), Kairo JE 69906 a-i [Abbildung aus Emery, W.B., The Tomb of Hemaka, Excavations at Saqqara, Kairo 1938, pl. 19] Abbildung 3 Schale in Form eines Lotusblütenblattes, Neues Reich (1353-1332 v. Chr.), ÄM 21886 Foto: Manuela Gander Abbildung 4 Kolorierte Rekonstruktion zur Opferkammer des Beamten Merib, Altes Reich (um 2450 v. Chr.), Foto: Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Unter den bedeutenden Kunstleistungen des alten Ägypten stellt das Phänomen der Materialimitation einen wenig bekannten, aber faszinierenden Aspekt dar. Darunter sind die gar nicht so seltenen Objekte zu verstehen, denen die Ägypter mittels Form, Material und/oder Farbe den Anschein gaben, aus einem anderen Material als dem tatsächlich verwendeten zu bestehen. Nachgewiesen sind solche Objekte vor allem im Grabzusammenhang. Tontopf in einem Netz mit Tragegriffen imitiert. Andere Gefäße zeigen dagegen lediglich ein gemaltes Netz (ÄM 19980 und ÄM 19188). Aus dem spätzeitlichen Grab der Tadja ist ein kleiner Fayencekorb (ÄM 16996 | Abb. 1) erhalten, der eine gemalte Netzdekoration aufweist. (Ebene 0, Raum 010). In die Frühzeit und in das Neue Reich (1550-1070 v. Chr.) datieren Schalen, deren Form und Struktur Blätter nachahmen (Abb. 2 und 3 | Ebene 0, Raum 001). Die große Aufmerksamkeit, die solchen Imitaten geschenkt wurde, ist an ihrer hohen künstlerischen Qualität, dem teilweise enormen handwerklichen Aufwand und der großen Realitätsnähe erkennbar. Interessant ist, dass Imitationen von Materialien bereits vor und am Beginn der ägyptischen Hochkultur (spätes 4. Jahrtausend v. Chr.) häufig und in höchster ästhetischer und technischer Qualität vorkommen. Während der Zeit vom Alten Reich (ab 2707 v. Chr.) bis zum Ende des Neuen Reiches (um 1070 v. Chr.) sind Materialimitationen durchgehend gut belegt. Das in Ägypten wertvolle, da seltene Material Holz wurde bereits seit dem Alten Reich (2707-2020 v. Chr.) imitiert. Sein Erscheinungsbild wurde durch Auftragen der typischen Holzstruktur in den Farben Schwarz und Ockergelb erreicht. Bemerkenswerterweise kommt eine solche Bemalung auch auf hölzernen Gegenständen, wie beim Uschebtikasten (ÄM 20993) vor. Diese Imitationen sind nur sehr selten belegt. Man achte vor allem auf die detailgetreue Nachahmung der Maserung mit Jahresringen und sogar Astlöchern. Vermutlich wurde hier aus ästhetischen Gründen das vielleicht fehlerhafte oder minderwertige Holz in eine ansehnlichere Form gebracht. Die gleiche Art der Dekoration ist auch an Grabwänden des Alten Reiches zu beobachten. Über einem schwarzen Wandsockel, der wohl Basalt oder Nilschlamm imitiert, erkennt man eine Holzimitation, die die Auskleidung der Grabkammer mit Holzbrettern anzeigen soll (Opferkammer des Beamten Merib, ÄM 1107, Ebene 1, Raum 108 | Abb. 4); vergleiche auch die Wanddekoration im Mythologischen Saal und im Gräbersaal (Ebene 1, Raum 111 und 110). Imitation von organischem Material Die Umsetzung von Gegenständen aus pflanzlichen und tierischen Materialien in dauerhafte Werkstoffe zählt zu den frühesten ägyptischen Kunstäußerungen. Pflanzliche Behältnisse wie Körbe, Taschen und Netze wurden in Stein – vor allem Schiefer und Breccie, Keramik und in späterer Zeit (1550-600 v. Chr.) auch in ägyptischer Fayence nachgeahmt. Detailgenauigkeit spielte dabei eine große Rolle. Ein weltweit einzigartiges Beispiel aus der ägyptischen Frühzeit (um 3000 v. Chr.) stellt das Breccie-Gefäß (ÄM 17967) dar, dessen Form einen Text: Manuela Gander Fotos: Staatliche Museen zu Berlin Gesamtherstellung: Besucher-Dienste Staatliche Museen zu Berlin © 2011 Stiftung Preußischer Kulturbesitz Imitation von anorganischem und künstlichem Material Vor allem in vor- und frühgeschichtlicher Zeit und dem frühen Alten Reich wurden in Ägypten auf Keramikgefäßen verschiedene Gesteine nachgeahmt. Wichtige Materialien für Steingefäße dieser Zeit waren Kalkstein, Basalt, Kalzit-Alabaster, Breccie, Diorit, Schiefer und Serpentinit. Die Bemalung von Keramik mit großen und kleinen Kreisspiralen, Wellenlinien, Tupfen, Sprenkelungen oder einem Schuppenmuster (ÄM 24049) sollte wahrscheinlich die Struktur spezifischer Gesteine wiedergeben. Allerdings ist die Bemalung meist sehr schematisch, so dass die Identifizierung der Gesteinsart nicht immer möglich ist. Eine Bemalung, die Stein imitiert, ist aber nicht nur auf Keramik, Verputz oder Holz, sondern auch auf Stein selbst belegt, wie z.B. bei Scheintüren (Opferkammer des Beamten Merib ÄM 1107, Ebene 1, Raum 108) oder Statuen. Vorwiegend wurde dabei auf einer weißen oder roten Grundierung mittels Tupfen Rosengranit und Granodiorit nachgeahmt. Aus dem Neuen Reich sind zahlreiche Gefäße aus Keramik und Holz erhalten, die durch ihre Bemalung Farbe und Struktur von Gesteinen wie KalzitAlabaster, Breccie, Diorit, Rosengranit oder auch Glas wiedergeben. Sie stammen vorwiegend aus den Grabanlagen der Hauptstadt Theben, die Mitgliedern des Königshauses oder hohen Beamten gehörten. Vermutlich hat es dort eine auf derartige Werkstücke spezialisierte Produktionsstätte gegeben. Die Gefäße konnten massiv, das heißt als Scheingefäß, oder ausgehöhlt gearbeitet sein, um einen realen Inhalt aufzunehmen. Die Bemalung erfolgte auf einer zumeist weißen Grundierung; zur Festigung der Dekoration wurden viele Gefäße mit einem Firnis überzogen, der allerdings dazu führte, dass die Bemalung sich in ein Gelb-Orange bis Violett-Schwarz (ÄM 14610) verfärbte. Die verschiedenen Dekorationsschemata auf den Gefäßen können folgendermaßen den Gesteinen und Glas zugeordnet werden: Eine Kalzit-Alabaster-Imitation zeichnet sich durch rote oder gelbe Wellenlinien auf dem Gefäßkörper aus (ÄM 9559). Rote Breccie-Nachahmungen sind durch die großen und kleinen, weißen Kalkbreccie-„Augen“ auf rotem Grund charakterisiert (ÄM 13110 | Abb. 5). Die Imitation von Granodiorit zeigt eine schwarze Bemalung, wobei weiße Flecken erkennbar bleiben (ÄM 7225). Rosengranit wird mittels kleiner, roter, schwarzer und grüner Tupfen imitiert. Glas mit seiner typischen bunten Fadenverzierung wird durch ausschließlich dunkelblau grundierte Gefäße mit weißen, roten, gelben oder/und grünen Girlanden und Arkaden nachgeahmt. (Kosmetikgefäße aus Glas befinden sich in Ebene 0, Raum 002) Viele dieser Gefäße tragen in der Mitte auf der Dekoration ein Textfeld, das den Namen und mitunter auch Titel des Besitzers nennt. Warum haben die Ägypter Imitationen verwendet? • Besonders wichtig war für die Ägypter die Vorstellung an eine über den Tod hinausgehende Existenz, in der man weiterhin einer Versorgung bedurfte. Dafür schienen Objekte aus langlebigem und massivem Material geeigneter als die fragilen Gefäße aus pflanzlichen Werkstoffen. Abbildung 5 Salbgefäß, Neues Reich (1550-1070 v. Chr.), ÄM 13110 | Foto: Manuela Gander • Bedeutsam war im Verlauf der Geschichte sicher auch die Einführung neuer Technologien, die es den Handwerkern erlaubten, andere Materialien unter Verwendung bekannter Modelle auszuprobieren oder mit neuen Formen zu experimentieren. • Bestimmte Materialien waren sicherlich mit Amt, Position, Macht und Würde verbunden. Kostbare Gesteine und Glas unterlagen dem königlichen Monopol und ihre Verwendung stellte ein Zeugnis königlicher Gunst dar. • Die bemalten Gefäße aus dem Neuen Reich wurden mit einem geringerem Arbeitsaufwand gefertigt, aber magisch in höherwertige, prestigeträchtigere Materialien „verwandelt“. Die Nutzung solcher Gegenstände durch die Elite zeigt, dass hier nicht der Kostenfaktor ausschlaggebend für die Verwendung war. Innovation, Mode, Prestige und Ästhetik können ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt haben.