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Flavonoide
Ágnes Alberti
Institut für Pharmakognosie
30. März 2017
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Bildung von Phenolen über den Shikimatweg
COOH
Dehydroshikimisäure
HO
OH
hydrolysierbare
Tannine
Phosphoenolpyruvat +
Erythrose-4-phosphat
OH
Shikimisäure
Gallussäure
Chorisminsäure
Shikimat
COOH
aromatische Aminosäuren
Phenoloide
trans-Zimtsäure
Flavonoide
COOH
Cumarine
p-Cumarsäure
HO
kondensierte
Tannine
Flavonoide:
COOH
HO
OH
CHO
HO
Vanillin
COOH
HO
OCH 3
Phenylchromanderivate
Kaffeesäure
CH2OH
Lignane
HO
OCH3
Ferulasäure
OCH3
Coniferylalkohol
2
Biosynthese der Flavonoide
COOH
COOH
COOH
CO-S-CoA
NH2
+ 3x Malonyl-CoA
Phenylalanin
Zimtsäure
CHO
OH
OH
4-Cumarsäure
OH
HO
OH
OH
OH
OH
Cumaraldehyd
HO
O
Naringeninchalkon
Stilbene
OH
OH
HO
O
OH
O
Naringenin
Flavonoide entstehen über den Shikimisäureweg
L-Phenylalanin zu 4-Cumaroyl-CoA umgesetzt
4-Cumaroyl-CoA verknüpft sich mit 3 Mol. Malonyl-CoA
Chalkone
durch Zyklisierung der konjugierten Chalkon-Ringe entsteht die 3-Ring-Struktur von
3
Flavonoiden
Biosynthese der Flavonoidunterklassen
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Bauprinzip, Einteilung der Flavonoide
• Auszüge aus bestimmten Pflanzen waren als Farbstoff zum Gelbfärben von Wolle
und Baumwolle verwendet. → Gruppenbezeichnung (= Flavonoide) stammt aus
dem lateinischen Wort flavus = gelb
• Zur Stoffklasse Flavonoide gehören auch viele farblose Substanzen und die blau
und violett gefärbten Anthocyanidine.
Flavonoide enthalten zwei aromatische Ringe, die über eine C3-Brücke miteinander
verbunden sind.
Die aromatischen Ringe sind unterschiedlich substituiert:
• Ring A: Substitutionsmuster des Phloroglucins oder die des Resorcins
• Ring B: hydroxyliert/methoxyliert in 4′-Stellung, in 3′,4′-Stellung oder in 3′,4′,5′Stellung
• Die C3-Brücke weist einen unterschiedlichen Oxidationsgrad auf:
a) Grundlage für Einteilung der Flavonoide in Unterklassen
b) bestimmt das analytische Verhalten der Flavonoide
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Struktur der Flavonoide
über 8000 Flavonoide mit einer großen Vielfalt an chemischen Strukturen
Phenylchromanderivate: C6-C3-C6-Grundgerüst
Gemäss der Gestaltung des einen Benzolringes sind Flavonoide in drei Gruppen eingeteilt:
Flavonoid, Isoflavonoid und Neoflavonoid
Je nach dem Oxidationsgrad der C3-Brücke werden die Flavonoide in Unterklassen
eingeteilt: Flavanone, Flavone, Flavanonole, Flavonole, Flavandiole, Flavanole,
Anthocyanidine.
Weitere, spezielle Flavonoid-Derivate
Furanoflavone, Biflavone, Rotenoide.
sind:
Cumaroflavone,
Isocumaroflavone,
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Vielfalt an Strukturen
R3'
R4'
Nummer und Gestaltung von Substituenten:
OH–Gruppen
O-Methyl-, O-Alkyl-, O-Glykosid-Gruppen
Natur der Glykoside / der acylierten Glykoside
An- / Abwesenheit der konjugierte Doppelbindungen
R7
O
R3
R5
O
Die häufigsten Anknüpfungsstellen für Substituente sind:
C3-, C5-, C7-, C3’-, C4’- Positionen
Zuckerteile sind gebunden: an das O-Atom (O-Glykoside)
an das C-Atom (C-Glykoside)
• Anthocyanine kommen immer als Glykoside vor
• Catechine und Procyanidine sind als Aglykone gespeichert
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Flavanone
• Flavanone sind farblose Substanzen
• Flavanone mit freier 3,4-Dihydroxy-Substitution im Ring B (z.B.
Neoeriocitrin) geben mit Naturstoffreagens intensiv rot fluoreszierende
Komplexe.
• DC-Prüfung der Bitterorangenschale (Ph.Eur.): Begleitflavanone ohne
Brenzcatechinstruktur (Neohesperidin, Naringin) fluoreszieren grünlich
Neoeriocitrin
Neohesperidin
8
Naringin
Flavanonole
Flavanole
OH
OH
OH
OH
HO
HO
O
O
OH
OH
OH
OH
O
Catechin
Taxifolin
Isoflavone
R5
Genistein OH
Daidzein H
Biochanin OH
R4’
OH
OH
OCH3
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Flavone und Flavonole
Strukturtypen von aller Polaritätsgrade
• freie Aglykone
• Glykoside (O-Glykoside und C-Glykoside)
• durch Isopren substituiert
• die freien phenolischen Hydroxylgruppen ganz oder partiell durch Methylierung
verschlossen („lipophile Flavone“)
• Kaliumsulfatester
Beispiele für Flavone: Apigenin und Luteolin sind weit verbreitet
mit Methoxylgruppen beladene Flavone in der Lipidfraktion von Drogen:
• Sinensetin in den Orthosiphon-Blättern
• Nobiletin in den Exkreträumen von Citrusfrüchten
• 2′-Methoxyflavon: mehliges Exsudat, das die Blattoberfläche von Primula-Arten bedeckt
Biflavone: kommen bei den Angiospermen sehr selten vor
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Als Inhaltsstoffe von Drogen auftretende Flavonole (3-Hydroxyflavone)
Kämpferol, Quercetin und Isorhamnetin sind weit verbreitet
Rutin (Quercetin-3-O-Ruinosid): das häufigst vorkommende Flavonoid-Glykosid; erhielt
seinen Namen von der ersten Isolierung aus Ruta graveolens (Weinraute), Rohstoffe für die
Gewinnung sind das Kraut von Fagopyrum esculentum und F. tataricum (Buchweizen); die
Blütenknospen von Sophora japonica (Japanischer Schnurbaum); die Blätter von EucalyptusArten
Gossypetin: enge Verbreitung, Hauptkomponent von Primelblüten
Gossypetin-3-O-Glucosid: Hibiscus-Blüten
Vertreter der lipophilen Flavonole:
Casticin: in den Früchten von Vitex agnus-castus
Artemetin: Wermutkraut
Casticin
Gossypetin
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Flavonoid-O- und -C-Glykoside
Kämpferol-3-gentiotriosid
(in Primelblüten)
Quercetin-7,4’-diglucosid
Anknüpfungsstellen für Flavon- und
Flavonol-O-Glykoside,
in abnehmender Häufigkeit:
3-OH > 7-OH > 4’-OH
Vitexin R=H
Orientin R=OH
Isovitexin R=H
Isoorientin R=OH
Glykosylisch wird die β-D-Glucose
in der Regel an das C-6 oder an
das C-8 gebunden. 12
Farbreaktion von Flavonoiden mit reduzierenden Mitteln
Flavone und Flavonole und deren Glykoside bilden bei Reduktion mit Magnesium (oder Zink)
in Salzsäure tiefrote Anthocyanidine mit Absorptionsmaxima bei 510–540 nm.
Flavanone (Dihydroflavone und Dihydroflavonole) geben unter den gleichen Bedingungen
tiefrote bis violettrote Lösungen (Natur der färbintensiven Reaktionsprodukte ist nicht
bekannt).
Flavone, Flavonole
Mg/HCl
Reduktion
– OH-
Anthocyanidin
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Aluminiumchelatkomplexe von Flavonen und Flavonolen
Lösungen von Flavonen mit 5-OH und/oder 3-OH bilden mit Aluminiumsalzen gelb
gefärbte Komplexe.
Die 6 gliedrigen Flavonchelate sind weniger intensiv gelb gefärbt als die 5-gliedrigen
Flavonolchelate.
Die 5-gliedrigen Flavonolchelate sind stabiler als die
entsprechenden 6-gliedrigen Flavonchelate.
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Analytik der Flavone und Flavonole
Dünnschichtchromatographie
Flavone und Flavonole werden durch ihre Fluoreszenz im UV-Licht (365nm) nach Besprühen
mit
Diphenylboryloxyethylaminlösung
(Naturstoffreagens)
nachgewiesen.
Die
Fluoreszenzfarben und die Intensitäten hängen von der Konstitution ab, doch sind sie auch
konzentrationsabhängig.
Gehaltsbestimmung
Die Gehaltsbestimmung der Flavonoide erfolgt auf spektrophotometrischem Wege nach
Bildung eines Aluminiumchelatkomplexes oder eines Borinsäurekomplexes oder nach
Reduktion zu Anthocyanidinen bzw. mit der HPLC.
• Aluminiumchelatkomplex: Die Flavon-/Flavonolglykoside werden hydrolysiert und zugleich
extrahiert. Die freien Flavone/Flavonole (Aglykone) werden durch Zusatz von
Aluminiumchloridlösung zum gelben Aluminiumchelatkomplex umgesetzt, dessen Intensität
bei 425 nm photometrisch gemessen und als Hyperosid- bzw. Isoquercitringehalt berechnet
wird. [Ph.Eur. Birkenblätter, Holunderblüten, Goldrutenkraut]
• Borinsäurekomplex: Die Flavonolglykosyle (C-Glykoside) bleiben, da nicht hydrolysierbar, in
der Aceton-Wasser-Phase. Sie können mit Borsäure-Oxalsäure als Shiftreagens zu
entsprechenden Borinsäurekomplexen umgesetzt und spektrophotometrisch bei 400 bis 410
nm quantitativ bestimmt werden. [Ph.Eur. Weißdornblätter mit Blüten, Stiefmütterchenkraut,
Passionsblumenkraut]
• nach Reduktion als Anthocyanidine: Flavonoide (Flavone, Flavonole, Dihydroflavone,
Dihydroflavonole) und deren Glykoside werden mit Magnesium (oder Zink) in Salzsäure zu
Anthocyanidinen (bzw. Anthocyannen) oder färbintensiven Reaktionsprodukten reduziert und
spektrophotometrisch bei 510–540 nm quantitativ bestimmt. [Ph.Eur. Orangenblüten]
HPLC: Ginkgoblätter und Mariendistelfrüchte
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Anthocyanidine
Pelargonidin
Cyanidin
Delphinidin
R’3
H
OH
OH
R’5
H
H
OH
• Anthocyane sind glykosidische, wasserlösliche 2-Phenylchromenolderivate.
• Die Zuckerreste sind im Allgemeinen an die 3-OH-Gruppe gebunden; 3,5-Diglykoside
kommen auch vor.
• Die Aglykonkomponenten der Anthocyane bezeichnet man als Anthocyanidine.
• Der Sauerstoff im Pyranring des Anthocyanidins ist quartär.
• Anthocyanidine sind Oxoniumbasen → sie bilden Salze mit Säuren
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Chalkone
Sind isomer mit den korrespondierenden Flavanonen.
Beide Formen sind dann existent, wenn keine freien phenolischen Gruppen benachbart zur
Carbonylfunktion (2’,6’-Dihydroxygruppierung) vorliegen.
Die Flavanone liegen in der Pflanze als racemische (2R, 2S)-Verbindungen vor.
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Wirkungen der Flavonoide I.
in vitro und in vivo sind zahlreiche Wirkungen nachgewiesen worden:
• antiallergische, antiphlogistische Wirkung,
• antivirale, antimikrobielle Wirkung,
• antioxidative Wirkung,
• antiproliferative, antikanzerogene Wirkung.
Weitere Aktivitäten: analgetische, spasmolytische, hepatoprotektive, antiulzerogene,
antihypertensive, kardioprotektive, hypoglykämische und mutagene Effekte.
Wirkungsmechanismus:
• Interaktionen mit Biopolymeren (DNA, Enzyme)
• Aktivierung von Zellen (z.B. im Immunsystem)
• Hemmung der Freisetzung von Immunmediatoren aus Mastzellen und Granulozyten
• Radikalfängereigenschaften
• Beeinflüssung von Signaltransduktionswegen [u.a. NF-κB (Transkriptionsfaktor Nuclear
Factor κB), MAPK (mitogenaktivierte Proteinkinasen)]
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Wirkungen der Flavonoide II.
über 30 Enzyme (Cyclooxygenase, Lipoxygenase, Isoformen von Cytochrom P450 (z. B.
CYP3A4) werden durch Flavonoide mehr oder weniger stark gehemmt.
antiphlogistische Wirkung
Pharmakokinetik verschiedener Medikamente wird verändert
Flavonoide beeinflussen den Lipidstoffwechsel (die durch freie Radikale ausgelöste LDLOxidation, die zelluläre Antwort auf oxidierte LDL), die Thrombozytenaggregation und den
Arachidonsäurestoffwechsel.
Nach neuen Untersuchungen steht bei der Beeinflüssung neurodegenerativer Prozesse durch
Flavonoide nicht nur die antioxidative Wirkung, sondern die Modulation von intrazellulären
Signaltransduktionswegen im Vordergrund.
Flavonoide werden täglich in größerer Menge mit der Nahrung aufgenommen: phenolische
Substanzen ~1 g/ Tag, davon ca. 2/3 Flavonoide
Therapeutisch genutzt werden flavonoidhaltige Arzneidrogen und einige Reinstoffe als:
• Venenmittel (gefäßschützende, ödemprotektive Wirkung)
• Herz-Kreislauf-Mittel (positiv inotrope, antihypertensive Wirkung)
• Diuretika (harntreibende Wirkung)
• Spasmolytika bei Magen-Darm-Beschwerden (krampflösende Wirkung)
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• Lebertherapeutika (hepatoprotektive Wirkung)
Antioxidative Wirkung der Flavonoide
Verminderung der Entstehung / Eliminierung von ROS (reactive oxygen species)
a) Hemmung verschiedener Enzymsysteme, die an der Bildung von freien Radikalen beteiligt
sind
b) Bildung von Metallchelaten mit reduzierenden Metallen (z. B. Eisen)
c) Flavonoide sind potente Radikalfänger
Drei Strukturteile sind Voraussetzung für die Radikalfängereigenschaften:
a) o-Dihydroxystruktur (Catechol) im Ring B
b) 2,3-Doppelbindung in Kombination mit einer 4-Oxogruppe
c) zusätzliche Anwesenheit einer 3- und 5-Hydroxylgruppe
Bei Quercetin sind alle 3 Voraussetzungen erfüllt.
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Abfangen von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS)
durch Flavonoide
Dank ihres niedrigen Redoxpotentials sind Flavonoide thermodynamisch in der Lage,
oxidierende freie Radikale mit Redoxpotentialen im Bereich von 2,13–1,0 V, wie z. B.
Superoxid- (O2•−), Peroxyl- (ROO•), Alkoxyl- (RO•), Hydroxyl- (HO•) oder Nitroxid- (NO•)
Radikale, unter Wasserstoffabgabe zu reduzieren:
Reaktion: Flavonoid–OH + R•→ Flavonoid–O• + RH (R• = freies Radikal)
Die gebildeten Radikale (Flavonoid–O•) können mit einem zweiten Radikal unter Bildung
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einer stabilen Chinonstruktur reagieren.
Bioverfügbarkeit, Metabolismus und Pharmakokinetik
• Flavonoide liegen zum überwiegenden Teil als Glykoside in Arzneidrogen vor. → Die
Zuckerreste spielen im Resorptionsprozess eine entscheidende Rolle.
• Der Magen als Ort der Resorption: nur für Flavonoidaglykone – Glykoside sind resistent
gegen Säurehydrolyse.
• Glykoside sind zu hydrophil, um durch die Darmwand durch passive Diffusion zu
penetrieren.
• Der Dünndarm als Ort der Resorption von Flavonoiden (Aglykone und Glucoside):
Im menschlichen Dünndarm sind zwei β-Glucosidasen, die Flavonoidglucoside spalten,
vorhanden. → Die entstandenen Aglykone werden resorbiert.
• Nach Konjugation sind sie via Pfortaderkreislauf – gebunden an Plasmaproteine –
systemisch verfügbar, werden in der Leber metabolisiert (z. B. glucuronidiert), Metabolite
werden vorwiegend renal ausgeschieden.
• Flavonoidglykoside, die nicht Substrate der β-Glucosidasen (u.a. Rhamnoside, oder z.B.
Rutin = Quercetin-3-O-rhamnosyl-glucosid), werden im Kolon von verschiedenen Enzymen
der Darmflora in Aglykone und phenolische Säuren metabolisiert. Großteil der
entstandenen Abbauprodukte wird renal ausgeschieden.
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Flavonoiddrogen
Auf das Herz-Kreislauf-System wirkende Flavonoide:
Fagopyri herba
Ginkgo bilobae folium
Crataegi folium cum flore
Rutae herba
Aurantii pericarpium
Capsella bursae-pastoris herba
Citri pericarpium
Bei Leber- und Gallen-Erkrankungen wirkende Flavonoide:
Silybi mariani fructus
Diaphoretische Flavonoide:
Tiliae flos
Solidaginis herba
Filipendulae herba
Verbasci flos
Violae tricoloris herba
Sambuci flos
Betulae folium
Isoflavonoide:
Ononidis radix (diuretisch)
Rotenoide:
Tuba-Wurzel (insekticid)
Cube-Wurzel (insekticid)
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Fagopyri herba
Buchweizenkraut
Fagopyrum esculentum Moench
Polygonaceae
PhEur
F. esculentum wird zusammen mit F. tataricum seit Jahrhunderten wegen der stärke- und
eiweißhaltigen Früchte als Nutzpflanze angebaut.
einjährige, krautige Pflanze mit wechselständigen, herz-pfeilförmigen Blättern
Inhaltsstoffe
• Flavonoide (4–8%; PhEur: mindestens 4,0% Rutosid)
Hyperosid, Quercitrin, Flavonol-C-glykoside
• Phenolcarbonsäuren
• Naphthodianthrone
Analytische Kennzeichnung
DC-Fingerprintchromatogramm (PhEur): Nachweis von Rutin
Nach Besprühen mit Naturstoffreagens/PEG sind im UV-Licht (365 nm) neben der
orangegelben Zone für Rutin verschiedenfarbige (rote, hellblaue, orange, blaue) Zonen
erkennbar.
Gehaltsbestimmung: Der PhEur bestimmt den Gehalt an Rutin mit der HPLC.
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Fagopyri herba
Verwendung
• als Ausgangsmaterial zur Rutingewinnung
• zur Herstellung von Fertigarzneimitteln für die Indikationsgruppe chronische venöse
Insuffizienz
Wirkung:
als Wirkstoff gilt das Rutin
Antioxidans, Radikalfänger, Hemmstoff der Hyaluronidase → es verbessert die pathologisch
veränderte Kapillarpermeabilität → Abnahme von Ödemen und Entzündungen
Anwendungsgebiete: neben physikalisch-therapeutischen / Kompressionstherapie zur
unterstützenden Behandlung der chronischen venösen Insuffizienz
Unerwünschte Wirkungen:
von Weidetieren bekannte phototoxische Wirkung (Fagopyrismus) nach dem Fressen von
größeren Mengen blühendem Buchweizen → bei Menschen nicht beobachtet
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Aurantii flos
Aurantii amari epicarpium et mesocarpium
Orangenblüten
Orangenschalen
Citrus aurantium var. aurantium L.
Rutaceae
PhEur
Inhaltsstoffe: Flavanonglykoside, Hesperidin, Naringin
Citrusbioflavonoide als Bestandteile von Venenmitteln, auch als Hesperidinkomplex
durch Extraktion von Schalen (Perikarp) der verschiedenen Agrumenfrüchte:
Orangen, Zitronen, Mandarinen, Tangerinen und Grapefruits gewonnen
Anwendung, Wirkung
zur Behandlung von Venenerkrankungen; chronische venöse Insuffizienz
antiödematöse
Eigenschaften
(Herabsetzung
der
Kapillarpermeabilität,
Verminderung des lokalen Ödems, Verbesserung des venösen Rückstroms)
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Strukturformeln einiger Flavonoide, die wegen ihrer
ödemprotektiven Wirkung verwendet werden
Rutin
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Crataegi folium cum flore
Weißdornblätter mit Blüten
Crataegus monogyna Jacq. (Lindm.)
Crataegus laevigata (Poir.) DC.
Rosaceae
PhEur
nach der PhEur sind mehrere, in Europa heimische Crataegus-Arten zugelassen:
• Eingriffliger Weißdorn (C. monogyna): mittelgroßer Baum oder kleiner Strauch mit
dornigen Zweigen, tief gelappten Blättern, weißen bis rosafarbenen Blüten und
tiefrot gefärbten, einsamigen Scheinfrüchten
• Zweigriffliger Weißdorn (C. laevigata): Baum oder Strauch, mit 2 oder 3 Griffeln
und zwei- bis dreisamigen Früchten
weitere Arten:
• C. azarolus L., der Azaroldorn
• C. nigra Waldst. et Kit., der Schwarzfrüchtige Weißdorn
• C. pentagyna Waldst. et Kit. ex Willd.
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Crataegi folium cum flore
Inhaltsstoffe
• Flavonoide (PhEur mindestens 1,5% Flavonoide, berechnet als Hyperosid),
Flavone mit C-glykosylisch gebundenem Zuckeranteil:
Vitexin, Vitexinrhamnosid, Acetylvitexinrhamnosid
Flavonolglykoside:
Hyperosid (Quercetin-3-O-galactosid), Rutin, Spiraeosid (Quercetin-4′-O-glucosid)
Catechine: (+)-Catechin und (–)-Epicatechin
• oligomere Procyanidine: dimere-hexamere Verbindungen, z.B. dimere Procyanidine B2, B5
• Phenolcarbonsäuren
• pentazyklische Triterpene
• Xanthinderivate, Polysaccharide, hoher Gehalt an Calciumsalzen
Analytische Kennzeichnung
DC-Prüfung (PhEur) eines methanolischen Auszuges auf die Flavonoidführung
Die Identifizierung stützt sich auf den Nachweis von Vitexin, Chlorogensäure, Hyperosid und
Vitexin-2″-rhamnosid
Gehaltsbestimmung:
Als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe gelten Flavonoide und Procyanidine.
Flavonoide werden (berechnet als Hyperosid) mit der spektrophotometrischen Methode, als
Borinsäurekomplex bestimmt (PhEur)
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Flavonoide von Crataegi folium cum flore
In Blättern und Blüten von Crataegus-Arten kommen weit verbreitete Flavonolglykosiden und
Flavon-C-Glykoside mit Neohesperidose (2-O-alpha-L-Rhamnopyranosyl-D-glucopyranose) als
Zuckerteil vor
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Wirkungen und Wirkungsmechanismen von Crataegi folium cum flore
kardiotonische, kardio- und vasoprotektive Eigenschaften
• Verbesserung der Kontraktilität des Herzmuskels (positiv inotrope Wirkung, auf eine
vermehrte intrazelluläre Calciumfreisetzung zurückgeführt, durch eine Hemmung der
membranständigen Na+/K+-ATPase)
• Verbesserung der Koronar- und Myokarddurchblutung → Erhöhung der Toleranz des
Myokards gegenüber Sauerstoffmangel
• Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes → geringe Blutdrucksenkung
• Steigerung des Koronardurchflusses (NO-induzierte vasorelaxierende Wirkung,
Stimulierung der NO-Freisetzung durch eine Aktivierung der eNOS)
• Verlängerung der Refraktärperiode (Beeinflüssung der für die Rückbildung des
Aktionspotentials verantwortlichen K+-Kanäle, potentielle antiarrhythmische Wirkung)
• kardioprotektive Wirkung (antioxidative Wirkung)
Anwendungsgebiete von Crataegi folium cum flore
Weißdornpräparate sind keine spezifischen Arzneimittel zur Behandlung von akuten
Krankheiten. Sie gelten in erster Linie als Vorbeugungsmittel bei leichteren Formen der
Herzmuskelinsuffizienz.
Die Anwendung muss über einen Zwitraum von mindestens 6 Wochen erfolgen.
Die Evidenz zur therapeutischen Wirksamkeit von Weißdornextrakt bei chronischer
Herzinsuffizienz wurde in klinischen Studien belegt.
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Ginkgo folium
Ginkgoblätter
Ginkgo biloba L.
Ginkgoaceae
PhEur
Ginkgobaum (Fächerblattbaum, Mädchenhaarbaum): der letzte lebende Repräsentant der im
Mesozoikum weit verbreiteten Ginkgoopsida. Wildwachsend wurde der Ginkgobaum im
östlichen und mittleren China gefunden. In Ostasien wurde er seit den ältesten Zeiten als
Tempelbaum angepflanzt.
Inhaltsstoffe
• Flavonoide (0,5–1,8%; PhEur: mindestens 0,5%):
Flavon- und Flavonolglykoside, acylierte Flavonolglykoside, Biflavonoide, Flavan-3-ole
Aglykone der Flavon- und Flavonolglykoside:
Kämpferol, Quercetin, Isorhamnetin, Apigenin und Luteolin
• Proanthocyanidine
• Terpene (0,03–0,25% Terpenlactone):
Diterpene – Ginkgolide; Sesquiterpe – Bilobalid; Steroide
• Ginkgolsäuren (Alkyl- und Alkenylphenolcarbonsäuren)
• Kohlenhydrate, alizyklische Säuren, Cyclitole
Als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe gelten Flavonoide und Terpenlactone (Ginkgolide
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und Bilobalid).
Wirkungen und Anwendung von Ginkgoblättern
Verwendung:
als Spezialextrakte z.B. Trockenextrakt aus Blättern von G. biloba
22–27% Flavonglykoside; 5–7% Terpenlactone, davon 2,8–3,4% Ginkgolide, etwa 2,6–3,2%
Bilobalid; darf nicht mehr als 5 ppm Ginkgolsäuren enthalten
Wirkungen:
• Neuroprotektion
• Verbesserung von Gedächtnisleistung und Lernvermögen
• Förderung der zerebralen Neurotransmission (Verminderung altersbedingter
Neurotransmitterdefekte)
• Förderung der Durchblutung (insbesondere Mikrozirkulation) und Verbesserung der
Fließeigenschaften des Blutes
durchblutungssteigernde Wirkung: Vasorelaxation, Verringerung der Vollblutviskosität
Wirkungen auf das ZNS: Erhöhung der Hypoxietoleranz, Verbesserung des zerebralen
Energiestoffwechsels, Zerebroprotektion bei Ischämie, antiödematische Wirkungen am
Gehirn, Verbesserung von Gedächtnisleistung und Lernvermögen, Modifikation der
Neurotransmission, Membranprotektion und Schutz vor Zelltod
Die durchblutungssteigernde und die neuroprotektive Wirkung beruhen auf
Radikalfängereigenschaften und auf einem PAF- (Plättchenaktivierender Faktor-)
Antagonismus.
Anwendungsgebiete
• primäre degenerative Demenz, vaskuläre Demenz und Mischformen
• symptomatische Behandlung arterieller Durchblutungsstörungen, peripherer arterieller
Verschlusskrankheit
• Schwindel (Vertigo) und Ohrgeräusche (Tinnitus) verschiedenen Ursprungs
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Mit Cumarsäure veresterte Flavonolglykoside und
Biflavone vom Amentoflavontyp aus Ginkgo biloba
Flavonoiodcumarsäureester
3-O-[2-O-(6-O-{p-Cumaroyl}-β-D-glucosyl)-α-L-rhamnosyl]-kämpferol
[2-O-(6-O-{p-Cumaroyl}-β-D-glucosyl)-α-L-rhamnosyl]-quercetin
Biflavone
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Capsella bursae-pastoris herba
Hirtentäschel
Capsella bursa-pastoris L.
Brassicaceae
ein- bis zweijähriges Kraut; Grundblätter sind rosettig angeordnet, schmal länglich, gezähnt
bis fiederspaltig; die Sprossachse ist aufrecht, im oberen Teil befindet sich eine Traube von
weiβen Blüten, Früchte sind gestielte, herzförmige Schötchen
Inhaltstoffe
• Flavonoide:
Flavone und Flavonole: Kämpferol-4’-methylether, Quercetin-3’-methylether, Rutin,
Luteolin-7-rhamnosylglucosid, Diosmin (Luteolin-4’-methylether-/Diosmetin-7-rutinosid
Flavanonole: Garbasol, Robinetin, Gossypetin-hexamethylether
• Zimtsäurederivate, Polypeptide, Aminosäuren
Gossypetin-hexamethylether
Wirkungen: blutdruckmindernd, diuretisch
Garbasol
Robinetin
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Betulae folium
Birkenblätter
Betula pendula Roth
Betula pubescens Ehrh.
Betulaceae
PhEur
in Europa bis nach Sibirien weit verbreitet
bis zu 30 m hohe Bäume, Abhängig vom Alter ist der Stamm der Birke schneeweiß oder
dunkel,
bei der B. pendula Zweige überhängend, Blätter am Rande scharf doppelt gesägt, unbehaart
und beiderseits dicht drüsig punktiert;
bei der B. pubescens Zweige abstehend oder aufrecht ausgebreitet, Blätter am Rande grob
gesägt und beiderseits schwach behaart
Inhaltsstoffe
• 2–3% Flavonoide (PhEur: mindestens 1,5% Flavonoide, berechnet als Hyperosid)
Flavonolglykoside:
Quercetin-3-O-galactosid (Hyperosid), Quercetin-3-O-glucuronid, Myricetin-3-O-galactosid,
Quercetin-3-O-rhamnosid (Quercitrin), weitere Quercetinglykoside
• Triterpenester vom Dammarantyp mit hämolytischer Wirkung
• Phenolcarbonsäuren (Kaffeesäure, Chlorogensäure und ihre Derivate)
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Birkenblätter
Analytische Kennzeichnung
DC-Fingerprintchromatogramm (PhEur) mit Nachweis von Rutin, Hyperosid und
Chlorogensäure. Nach dem Besprühen mit dem Naturstoffreagens erscheinen im UV-Licht
(365 nm) verschiedenfarbig fluoreszierende Zonen für Rutin (gelblichbraun), Chlorogensäure
(hellblau) und Hyperosid (gelblichbraun). Die Rutinzone erscheint sehr schwach, die
Hyperosidzone hingegen intensiv. Neben weiteren schwach gelblichbraun fluoreszierenden
Zonen beschreibt die PhEur eine bräunlichgelbe Zone für Quercetin.
Gehaltsbestimmung erfolgt als Aluminiumchelatkomplex.
Wirkung und Anwendungsgebiete
diuretische / aquaretische Wirkung
als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe gelten Flavonoide (insbesondere Quercetin),
Kaffeesäure und 3,5-Dicaffeoylchinasäure.
Indikationen von Birkenblätterzubereitungen
• Durchspülungstherapie bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der ableitenden
Harnwege und bei Nierengrieß;
• zur unterstützenden Behandlung rheumatischer Beschwerden
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Sambuci flos
Holunderblüten
Sambucus nigra L.
Caprifoliaceae
PhEur
Schwarzer Holunder ist ein über fast ganz Europa und Mittelasien verbreiteter Strauch;
Blätter sind unpaarig gefiedert, die Fiederblätter wenig behaart, am Rande gesägt; die
weißen Blüten bilden bis 15 cm breiten, flach schirmförmigen Trugdolden; die Einzelfrucht ist
eine glänzende, schwarzviolette beerenartige Steinfrucht mit tiefrotem, stark färbendem Saft
Inhaltsstoffe
• 3,5% Flavonoide (PhEur: mindestens 0,8% Flavonoide, berechnet als Isoquercitrin)
Rutin (Quercetin-3-O-rutinosid), Isoquercitrin (Quercetin-3-O-glucosid), Isorhamnetin-3-Orutinosid, Isorhamnetin-3-O-glucosid
Quercetin
• 0,1% wasserdampfflüchtige Stoffe: freie Fettsäuren, n-Alkane, Monoterpene
• 5% Phenolcarbonsäuren, z.B. Chlorogensäure
• Schleimstoffe, Gerbstoffe, Spuren cyanogener Glykoside: Sambunigrin
• Triterpensäuren: Ursol-, Oleanol- und 20β-Hydroxyursolsäure
Isorhamnetin
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Holunderblüten
Analytische Kennzeichnung
DC-Fingerprintchromatogramm (PhEur) mit Nachweis von Rutin, Hyperosid und
Chlorogensäure Nach dem Besprühen mit dem Naturstoffreagens erscheinen im UV 365 nm
verschiedenfarbig fluoreszierende Zonen für Rutin (gelblichbraun), Chlorogensäure (hellblau)
und Isoquercitrin (orange fluoreszierende Zone). Unterhalb der Zone von Rutin keine rosa
gefärbte Zone vorhanden sein darf (Sambucus ebulus).
Die Gehaltsbestimmung erfolgt als Aluminiumchelatkomplex.
S. nigra
S. ebulus
unreife/rohe Früchte
Ebulosid (Iridoidglykosid)
Toxisch!
Anwendung: als schweißtreibendes Mittel bei Erkältungskrankheiten
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Tiliae flos
Lindenblüten
Tilia cordata Mill.
Tilia platyphyllos Scop.
Malvaceae (bisher Tiliaceae)
PhEur
Lindenblüten werden zur Zeit ihrer vollen Blüte geerntet.
Blüten in einem trugdoldigen Blütenstand, vereinigt an einem Stiel, der seinerseits einem
flügelartigen Vorblatt (Tragblatt) entspringt
Verwechslungen/Verfälschungen kommen vor: T. tomentosa (Syn. T. argentea), T. americana.
Diese Tilia-Arten sind nicht zu verwenden, da sie unangenehm riechen und schmecken. Sie
lassen sich leicht von den Blütenständen der offizinellen Tilia-Arten unterscheiden, da ihre
Blüten dicht mit Büschelhaaren bedeckt sind.
Inhaltsstoffe
• Flavonoide (etwa 1%), Quercetin- und Kämpferol-Glykoside:
Rutin, Isoquercitrin (Quercetin-3-O-glucosid), Quercitrin (Quercetin-3-O-rhamnosid),
Hyperosid (Quercetin-3-O-galactosid)
Astragalin (Kämpferol 3-O-glucosid), Tilirosid (6″-Cumaroylester von Astragalin)
• dimere Procyanidine B2 und B4;
• Gerbstoffe (etwa 2%) vom Catechin- und Gallocatechintyp
• 10% Schleimstoffe,
• Phenolcarbonsäuren,
• ätherisches Öl (0,02–0,1%)
Wirkung und Anwendungsgebiete: diaphoretisch; bei Erkältungskrankheiten
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Filipendulae ulmariae herba
Mädesüßkraut
Filipendula ulmaria (L.) Maxim.
Rosaceae
PhEur
ausdauerndes Kraut; mit Fiederblättchen, die unterseits silbrig behaart sind; viele
kleine, weiße Blüten in trugdoldigen Blütenständen
Inhaltsstoffe
• Flavonoide (3–6%): Spiraeosid (Quercetin-4′-O-glucosid) und die analoge
Kämpferolverbindung, Hyperosid, weitere Quercetinderivate
• Phenolglykoside (Monotropitin, Spiraein; 0,3–0,5%)
• ätherisches Öl
• Gerbstoffe (Ellagitannine)
Anwendung:
als Diaphoretikum zur unterstützenden Behandlung von Erkältungskrankheiten
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Verbasci flos
Königskerzenblüten
Verbascum phlomoides L.
Verbescum densiflorum Bert.
Scrophulariaceae
in Europa, in Asien und in Nordafrika verbreitet
ein- oder zweijähriges Kraut; einfache Laubblätter in grundständigen
Rosetten, Blätter wechselständig am Stängel; viele Blüten in den
Blütenständen, die fünf Kronblätter sind gelb, an ihrer Basis verwachsen;
Blüten gehen bei Tagesanbruch auf und verblühen zu Mittag
Inhaltsstoffe:
Flavonoide (1,5-4%): Hesperidin; Luteolin- und Apigeninglykoside
Schleimstoffe (8%)
Saponine
Zimtsäurederivate (Verbascosid)
Iridoide (Monoterpene)
Anwendung: bei Erkältungen
Hesperidin
Verbascosid
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Solidaginis virgaureae herba / Solidaginis herba
Goldrutenkraut
Solidago virgaurea L. / Solidago gigantea Ait. / Solidago canadensis L.
Asteraceae
PhEur
stattliche, ausdauernde Stauden mit aufrechten Stängeln, in der Blütenregion verzweigt;
leuchtend gelbe Blütenkörbchen, randständige Zungenblüten, zentralen Röhrenblüten in
endständigen Trauben
S. virgaurea (Gewöhnliche Goldrute) über fast ganz Europa und Asien verbreitet, S. gigantea
(Riesengoldrute) und S. canadensis (Kanadische Goldrute) waren ursprünglich in Amerika
heimisch, sind in Europa eingebürgert
Inhaltsstoffe
• Flavonoide (Quercetin- und Kämpferolglykoside)
Hauptflavonoide sind Rutin und Quercitrin
Gesamtflavonoidgehalt 1,5% (S. virgaurea), 2,4% (S. canadensis), 3,8% (S. gigantea)
PhEur: bei Goldrutenkraut Mindestgehalt von 2,5%, bei Echtem Goldrutenkraut Mindestgehalt
von 0,5% und Maximalgehalt von 1,5% Flavonoiden (in Hyperosid)
• Phenolglykoside, Phenolcarbonsäuren
• Polysaccharide
• Triterpensaponine vom Olean-12-en-Typ
• Diterpene (S. virgaurea enthält keine Diterpene)
• ätherisches Öl (0,4–0,6%)
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Analytische Kennzeichnung
DC-Nachweis (PhEur) von Flavonoiden
Bei Goldrutenkraut wird auf das Vorkommen von Chlorogensäure, Quercitrin und Rutin
geprüft, bei Echtem Goldrutenkraut auf die Anwesenheit von Chlorogensäure und Rutin. Die
stark orange fluoreszierende Zone von Quercitrin darf bei Echtem Goldrutenkraut nicht
vorkommen.
Der Gehalt an Flavonoiden wird spektrophotometrisch (als Aluminiumchelatkomplex)
bestimmt.
Wirkung und Anwendungsgebiete
Goldrutenkraut: diuretisch, antiphlogistisch, schwach spasmolytisch und antimikrobiell
Als
wirksamkeitsbestimmende
Inhaltsstoffe
gelten
Flavonoide,
Estersaponine,
Kaffeesäureester und Phenolglykoside.
Die diuretische Wirkung wird den Flavonoiden (Quercetin) und Kaffeesäurestern (3,5Dicaffeoylchinasäure) zugeschrieben.
Anwendung als Teeaufguss und als Extrakt in Phytopharmaka zur Behandlung von
entzündlichen und bakteriellen Harnwegserkrankungen.
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Violae herba cum flore
Stiefmütterchenkraut
Viola tricolor L. / Viola arvensis Murray
Violaceae
PhEur
heimisch in den gemäßigten Klimazonen Europas und Asien
Inhaltsstoffe
• Flavonoide (PhEur: mindestens 1,5%, berechnet als Violanthin),
Rutin, Flavon-C-glykoside: Violanthin, Violarvensin, Vitexin, Isovitexin, Orientin, Isoorientin
• Salicylsäurederivate
• Phenolcarbonsäuren
• Cumarine: Umbelliferon
• makrozyklische Peptide (hämolytische, antimikrobielle, antivirale, cytotoxische Wirkung)
• Schleimstoffe
Analytische Kennzeichnung: quantitative Bestimmung der Flavonoide als Borinsäurekomplex
Anwendung
äußerlich bei seborrhoischen Hauterkrankungen
In der Volksmedizin wird die Droge als Diuretikum, Diaphoretikum, bei Katarrhen der
Luftwege verwendet.
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Passiflorae herba
Passionsblumenkraut
Passiflora incarnata L.
Passifloraceae
PhEur
tropische Schlingpflanze, im südlichen Nordamerika, in Mexiko, auf den Antillen heimisch
Inhaltsstoffe
• Flavonoid-C-glykoside (bis 3%; PhEur: mindestens 1,5%, berechnet als Vitexin)
Isovitexin, Isovitexin-2″-O-glucosid, Isoorientin, Isoorientin-2″-O-glucosid,
Isoschaftosid
• cyanogenes Glykosid (Gynocardin)
• Oligo- und Polysaccharide
• Glykoproteine
Schaftosid,
Angaben in der Literatur, dass im Passionsblumenkraut Harmanalkaloide vorkommen, ließen
sich in neueren Untersuchungen nicht bestätigen.
Analytische Kennzeichnung
DC-Fingerprintchromatogramm
(PhEur):
Nachweis
der
Flavonoid-C-glykoside;
Gehaltsbestimmung der Flavonoid-C-glykoside spektrophotometrisch als Borinsäurekomplex.
Wirkungen, Anwendungsgebiete
sedativ; bei nervösen Spannungs- und Unruhezustände, Einschlafstörungen
Die Droge und daraus hergestellte Extrakte werden in Kombinationspräparaten oder
in
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Fertigarzneimitteln mit Baldrian oder Melisse eingesetzt.
Das Flavonoidspektrum von Passionsblumenkraut
ausschließlich C-Glykosylflavone (Flavonoid-C-glykoside) von Apigenin und Luteolin
Schaftosid/Isoschaftosid, Isovitexin-2”-O-glucosid, Isoorientin-2”-O-glucosid, Isoorientin,
Isovitexin
C-Glykosylflavone eignen sich daher als Leitsubstanzen bei der Qualitätskontrolle von
Passiflora-Phytopharmaka
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Ononidis radix
Hauhechelwurzel
Ononis spinosa L.
Fabaceae
PhEur
in Europa, Westasien und Nordafrika verbreitet; auf wechseltrockenen Wiesen und Weiden
kleine Staude mit kräftigen Pfahlwurzeln; Blätter sind kurzgestielt oder sitzend, Nebenblätter
eiförmig; Blütenstand lockertraubig, Krone ist fleisch- purpurrot oder violett
Inhaltstoffe
• Isoflavone: Formononetin, Pseudobaptigenin
• Pterocarpane: Maackiain, Medicarpin
Glucoside, Glucosylmalonate und Glucosylacetate
•
•
•
•
Phenolglykoside
Triterpen Saponine
Stilbenderivate
ätherisches Öl
Formononetin
Medicarpin
Wirkungen: diuretisch, antiphlogistisch
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Anwendung: zur Durchspülung der ableitenden Harnwege bei entzündlichen Erkänkungen
Lonchocarpi radix
Cube-Wurzel
Lonchocarpus utilis, L. urucu Kill et A. C. Sm
Fabaceae
Brasilien
Rotenoide
Verwendung als Insekticide
Rotenon
Tuba-Wurzel
Derris elliptica (Sweet) Benth.
Fabaceae
Burma, Thailand, Malaysia, Ostindien, Kongo
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Silybi mariani fructus
Mariendistelfrüchte
Silybum marianum (L.) Gaertn.
Asteraceae
PhEur
distelartiges Kraut; kahler oder leicht spinnwebig-flaumiger, sogar 1,5 großer Stängel, meist
verzweigt; große, grünweiß marmorierte Blätter; Körbe stehen einzeln, Hüllblätter besithen
ein dornig gezähntes Anhängsel, das in einen zurückgebogenen, rinnigen Dorn ausläuft,
Krone ist purpurfarben; Früchte: hartschalige Achänen mit seidigen, weißen Pappus, der
leicht abgeworfen wird; glänzend braunschwarze / matt graubraune, dunkel-oder weißgrau
gestrichelte Fruchtschale
Inhaltsstoffe
• Flavanolderivate (1,5–3,0%), die unter dem Oberbegriff Silymarin zusammengefasst und als
Flavonolignane bezeichnet werden (PhEur: mindestens 1,5% Silymarin, berechnet als
Silibinin),
Taxifolin (Flavanonol) und Flavonole (Quercetin)
• dimere Coniferylalkohole
• fettes Öl (Linolsäure-Glyceriden)
• Phytosterole (0,6%)
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Inhaltsstoffe von Silybi mariani fructus
Silymarin ist ein Gemisch aus den Diastereoisomerenpaaren Silybin A und B (= Silibinin A
und B), Isosilybin A und B, Silychristin, Silydianin und verschiedenen Nebenkomponenten
(Silandrin, Silymonin, 2,3-Dehydroderivate einzelner Flavonolignane).
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Wirkungen der Mariendistelfrüchte
Hauptwirksubstanz von Silymarin: Silybin (inkl. Isomere).
Hepatoprotektiv, antiproliferativ
Silybin hebt die schädigenden Effekte verschiedener Lebergifte wie α-Amanitin,
Phalloidin, Tetrachlorkohlenstoff, Galactosamin oder Thioacetamid auf, wenn es
früher als das toxische Agens appliziert wird.
Die hepatoprotektive Wirkung:
• Stabilisierung der Leberzellmembranen: Silybin verändert die äußeren
Membranen der Leberzellen durch Bindung an Proteine und Rezeptoren derart,
dass die Giftstoffe nicht mehr in die Zelle eindringen können
• Radikalfanger-Antioxidans-Funktion: Silybin hemmt die Lipidperoxidation und
die Prostaglandinsynthese (Hemmung der Lipoxygenase)
• Beschleunigung
der
Leberzellregeneration:
Silybin
erhöht
die
Synthesegeschwindigkeit von ribosomaler Ribonucleinsäure (rRNS) → die
Proteinbiosynthese wird verstärkt und die Zellregenerationsprozesse werden
beschleunigt
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Verwendung
• zur Herstellung des eingestellten, gereinigten Mariendistelfrüchtetrockenextrakts
• zur Gewinnung der als Silymarin bezeichneten Flavonolignanfraktion zur
Herstellung der Reinsubstanz Silibinin
Anwendungsgebiete
Silymarin wird als Adjuvans bei Lebererkrankungen, um bei Belastung mit potentiell
leberschädlichen Stoffen zusätzliche Noxen zu antagonisieren.
bei toxischen Leberschäden,
zur unterstützenden Behandlung bei chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen
und Leberzirrhose (kontrollierte klinische Studien)
Anwendung von Silibinin bei Knollenblätterpilzvergiftungen ist in etwa 150
Fallberichten über Behandlungsverläufe dokumentiert.
Da Wasser nicht das geeignete Extraktionsmittel für Silymarin darstellt, kann ein aus
Mariendistelfrüchten zubereiteter Tee nicht als Leberschutzmittel empfohlen
werden.
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