Magen und Darm im Mittelalter und in der Neuzeit in

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roenterology. American Journal
of Digestive Disease 1934; 1:
893 – 898.
Als eines der ältesten medizinischen Lehrwerke gilt das ab dem dritten
Jahrtausend v. Chr. verfasste Huáng Dì Nèi Jīng (Das klassische Lehrwerk der Inneren
Medizin des Gelben Kaisers). Den Verfassern des Werkes war über den Dünndarm
bereits bekannt, dass er »16 Krümmungen [macht] und [...] 2 Löcher [hat], von
denen eines mit dem Magen, das andere mit dem Dickdarm kommuniziert. Er
empfängt die Nahrung, verdaut sie und verwandelt sie in Chylus.«5 Die umfangreichste Quelle zur ägyptischen Medizin ist das ca. 1.500 v. Chr. verfasste Papyrus
Ebers, auf welchem Krankheiten detailliert dargestellt und beinahe 900 Arzneimitteltherapien beschrieben werden. Auf dem Papyrus wird unter anderem auf
die Behandlung von Patienten mit einer Obstipation eingegangen.6
Die medizinischen Erkenntnisse der griechischen und römischen Antike resultierten aus empirischen Beobachtungen. Wichtigster Vertreter der antiken römischen Medizin ist Galenos aus Pergamon (etwa 129 – 216 n. Chr.), der eine detaillierte Qualitäten- und Säftelehre entwickelte. Er ordnete dabei den Körpersäften
(Blut, gelbe und schwarze Galle, Schleim) jeweils ein Organ, ein Klima und eine
Jahreszeit zu. Krankheiten seien auf ein schlechtes Mischverhältnis dieser Säfte
zurückzuführen. Die grundlegende Idee von »Verdauung« im Altertum war, dass
man sie als »ein dem Kochen vergleichbares Garmachen der Speisen dachte«.7
Die von Galenos entwickelte Humoralpathologie blieb bis weit in das 18. Jahrhundert hinein das Paradigma, das die Medizin der westlichen Welt dominierte.
Die Übersetzung medizinischer Texte aus dem Griechischen in semitische
Sprachen ermöglichte der arabisch-islamischen Welt eine breite Rezeption der
antiken Medizin. Nach der islamischen Expansion folgte auf der Iberischen Halbinsel eine Blütezeit der Medizin des arabisch-islamischen Mittelalters – das Wissen der Antike wurde assimiliert und ergänzt. Diese Phase des wissenschaftlichen
und kulturellen Austausches wurde durch die »Reconquista« ab 718 zwar beendet, bildete jedoch das »wesentliche Fundament der scholastischen Medizin des
westlichen Mittelalters«.8
Magen und Darm im Mittelalter und in der
Neuzeit in Zentraleuropa
Die westlichen Gelehrten des Mittelalters konzentrierten sich auf die Exegese und
Überlieferung der alten Meister und entwickelten kaum eigene Ideen. Es gab nur
wenige neue Behandlungsansätze in der Medizin im Allgemeinen, geschweige
5 Puschmann T, Begr, Neuburger
M, Pagel J, Hg. Handbuch der
Geschichte der Medizin, Band 1,
Altertum und Mittelalter, Band
2, Neuere Zeit. Hildesheim, New
York 1971; 24.
10 Zit. nach Strickerschmidt H.
Geerdete Spiritualität bei Hildegard von Bingen. Berlin 2006; 139.
11 Scheuchzer jj. Physica, oder
Natur-Wissenschaft, Erster Teil.
Zürich 1709; 29.
12 Rothschuh KE. Geschichte der
Physiologie. Berlin 1953; 45.
6 Pietsch W. Anschauungen
über die Bedeutung von Leber
und Galle im Altertum bis Galen.
Rostock 1935; 11.
7 Puschmann T, Neuburger
M, Pagel J, Hg. Handbuch der
Geschichte der Medizin; 682.
8 Eckart WU. Geschichte der
Medizin. Berlin 1990; 82.
denn für Magen-Darm- und Stoffwechselkrankheiten im Besonderen. Zwischen
dem 6. und dem 12. Jahrhundert entwickelten sich die Klöster zu den wichtigsten
medizinischen Zentren. Hier wurden – zunächst aus rein literarischem Interesse
– medizinische Texte gesammelt. Die gesammelten Erkenntnisse kamen jedoch
bald zur Anwendung, da die Klöster für die Gesundheit ihrer Bewohner verantwortlich waren.9 Bis heute ist eine der bekanntesten Vertreterinnen der monastischen Medizin die Äbtissin Hildegard von Bingen. Sie hat zwar im engeren Sinne
keine eigenen medizinischen Forschungen betrieben, allerdings kommt ihr das
Verdienst zu, bereits bekannte Behandlungsmethoden aus unterschiedlichen
Quellen zusammengetragen zu haben. Unter anderem beschäftigte sie sich mit
der Wirkungsweise der eingenommenen Nahrung auf den Magen und riet dazu:
»Das erste Frühstück soll aus einer warmen Speise bestehen, die aus Früchten
und Mehl zubereitet wurde, damit der Magen warm wird, denn wenn der Mensch
zuerst ein kaltes Essen oder Trinken zu sich nimmt, macht er dadurch seinen Magen kalt und ein kalter Magen kann nicht gut verdauen«.10
Beginn einer »modernen« Medizin
◀◀ Der Papyrus Ebers (etwa 1610
v. Chr.) ist eine medizinische Handschrift aus dem alten Ägypten,
benannt nach Georg Ebers, der sie
um 1872 für die Leipziger Universitätsbibliothek in Theben erwarb.
Neben einem großen Spektrum an
Beschreibungen von Krankheiten
– der Papyrus enthält ein eigenes
Kapitel über Darmkrankheiten und
Parasiten – und deren Symptomen
und Diagnosen finden sich auch
Anweisungen für Behandlungen
sowie für die Zubereitung von
Heilmitteln. Dazu werden Zaubersprüche zur Unterstützung des
Heilerfolges angegeben.
◀ Galenos von Pergamon war ein
griechischer Arzt und Anatom,
der während des 2. und 3. Jahrhunderts n. Chr. lebte. Galenos’
systematisch ausgebautes Werk
war derart umfangreich und philosophisch abgesichert, dass es 1.400
Jahre Geistesgeschichte brauchte,
es kritisch zu widerlegen. Seine
Fassung der Humoralpathologie hatte als Krankheitskonzept
Bestand bis ins 19. Jahrhundert.
Auf der Abbildung ist ein Schema
von Galenos’ Säftelehre dargestellt.
12
9 Ebd.; 65 ff.
▶ Hildegard von Bingen war eine
Benediktinerin, die um 1150 lebte.
Sie galt als eine der wichtigsten
Universalgelehrten ihrer Zeit und
beschäftigte sich – neben der Theologie, Ethik, Musiktheorie und
Kosmologie – auch mit medizinischen Fragen. Sie sammelte bereits
bekannte Behandlungsmethoden
aus verschiedenen Quellen.
▶▶ Die Medizinschule in Salerno
hatte ihre Glanzzeit vom 10. bis
zum 13. Jahrhundert. Zahlreiche
griechisch-arabische Texte wurden hier ins Lateinische übersetzt.
Diese Darstellung stammt aus dem
Qānūn at-Tibb (Kanon der Medizin) von Avicenna, in dem dieser
über griechische, römische und persische Medizintraditionen schrieb.
13
Erst nach dem Mittelalter lassen sich im Schatten der weiterhin dominanten Humoralpathologie neuartige Ansätze für die Erforschung des Darmtraktes erkennen. Das alte Wissen wurde nicht mehr per se als wahr und gültig anerkannt, sondern vermehrt in Zweifel gezogen und empirisch untersucht. Ein Ergebnis war die
»Iatrochemie« im ausgehenden 16. Jahrhundert. Dieser Ansatz ging davon aus,
dass sich die Verdauung als Prozess chemischer Zersetzung beschreiben lässt. Die
Iatrophysik des 17. Jahrhunderts konzeptualisierte den Körper dagegen – nach
dem Vorbild der Mechanik – als Maschine. Nach diesem Verständnis funktionierte die Verdauung wie folgt: Die »Zähne sind so vil als Messer und Mühlsteine, so
die vorgelegten Speisen zerschneiden oder zermalmen, der Schlund ein Trichter,
durch welchen die Speisen hinuntergebracht werden in den Magen, diser ein
kunstlicher Hafen, so die Speisen kochet, die Gedärm ein subtiles Sieb«.11 Hier ist
bereits ein erstes Au�eimen des wissenschaftlich-methodischen Denkens der
modernen Medizin zu erkennen; der Blick in das Körperinnere war den Medizinern jedoch weiterhin nicht möglich. Falsche Schlussfolgerungen waren die Folge.12 Jenseits der Schilderungen der Patienten sowie der oberflächlichen Beobachtung durch die Ärzte waren die »versenkten Welten der Anatomie«13 dem
Kapitel 1
4 Garrison FH. History of Gast-
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