Abschlussbericht Erasmus+ Praktikum Hôpital Pierre Zobda-Quitman (CHU de Martinique) Fort-de-France, Martinique, Frankreich Vorbereitung (Planung und Bewerbung) Da ich dank meiner französischen Mutter zweisprachig aufgewachsen bin, allerdings noch nie für längere Zeit in Frankreich gelebt habe, stand für mich fest, dass ich ein PJ-Tertial im französischsprachigen Ausland absolvieren möchte. Auf der Liste des Landesprüfungsamtes NRW, auf der die anerkannten Einrichtungen im Ausland aufgeführt sind, entdeckte ich die Überseedepartements La Réunion, Martinique und Guadeloupe. An alle drei DOMs schickte ich etwa 1 Jahr im Voraus eine Bewerbung und einen Lebenslauf mit meiner gewünschten Fachrichtung (Chirurgie) und erhielt eine Antwort von La Réunion. Diese sagten mir ein Praktikum jedoch ca. 3 Monate vor dem Tertialbeginn ab, sodass ich mich telefonisch erneut an das CHU in Martinique wandte. Trotz des geringen zeitlichen Vorlaufs war die Absolvierung meines PJ-Tertials möglich. Es lohnt sich hier also hartnäckig zu bleiben und mehrmals anzurufen. Die Damen im Sekretariat waren aber immer sehr freundlich und unterstützend. Anschließend musste ich noch ein Empfehlungsschreiben des Dekans meiner Heimatuniversität, eine Berufshaftpflichtversicherung sowie ein Gesundheitszeugnis per Email zusenden. Anreise Der Flug nach Martinique erfolgte durch Umsteigen in Paris. Dort muss der Flughafen gewechselt werden (Charles-de-Gaulle nach Orly), es steht hierfür aber ein kostenloser Bus zur Verfügung. Das Beantragen eines Visums oder andere Formalitäten waren nicht nötig. Da Martinique als Überseedepartement zu Frankreich gehört, ist für die Reise ein Personalausweis ausreichend. Die Mitnahme eines Reisepasses ist aber empfehlenswert, falls man auf eine benachbarte Insel fahren möchte. Vom Flughafen lässt man sich am besten von potentiellen Mitbewohnern etc. abholen, da Taxis unheimlich teuer sind. Unterkunft, Auto Im Vorlauf hatte ich mich um eine Unterkunft in der Nähe des Krankenhauses gekümmert. Das „Foyer des jeunes travailleurs“, eine Art Studentenwohnheim, war als Empfehlung in einer Email der Sekretärin des CHU aufgeführt. Dort wohnte ich die ersten 6 Wochen meines Aufenthaltes und kann es absolut empfehlen. Ich habe viele Einheimische kennengelernt und das Foyer organisiert regelmäßig Unternehmungen und sportliche Aktivitäten (Kayak, Canyonning, Trail Running). Da mein Freund mir nach dieser Zeit für ein Praktikum folgte, fand ich im Anschluss eine Einliegerwohnung bei einer Dame über leboncoin.fr, einer Internetseite für Kleinanzeigen. Andere PJler haben ihre WGs über die Facebook-Seite „Jah Familia“ gefunden. Auch wenn ich es vorher nicht so recht glauben konnte, ein Auto ist in Martinique unerlässlich, um die Insel entdecken zu können. Zu Beginn konnte ich zu Fuß oder mit dem Bus zur Klinik kommen, allerdings sind die öffentlichen Verkehrsmittel nicht besonders zuverlässig. Man hat die Optionen ein Auto zu mieten oder zu kaufen. Da Mieten bei 10 Euro pro Tag losgehen (von privat) und sich das bei einem Aufenthalt von etwa 4 Monaten zu einem beächtlichen Betrag summiert, habe ich beschlossen ein Auto zu kaufen. Natürlich trägt man dabei das Risiko eines Schadens, für den man selbst aufkommen muss. Ich habe mein Auto auf leboncoin.fr gefunden. Die Anmeldung und Versicherung des Autos war recht unkompliziert und betrug zusammen etwa 350 Euro. Gegen Ende meines Aufenthaltes habe ich das Auto über Bekannte ohne Verlust weitervekaufen können. Praktikum Im Hopital Pierre Zobda-Quitman absolvierte ich das Chirurgie-Tertial meines praktischen Jahres. Ich wurde dort in die Abteilung Wirbelsäulenchirurgie eingeteilt. Es wunderte mich, dass dort nur der Chefarzt und ein Oberarzt beschäftigt waren. In meinen ersten Wochen begleitete ich den Chefarzt bei der morgendlichen Visite, anschließend standen Operationen oder ambulante Sprechstunden auf dem Plan. Da dieser anschließend 2 Monate im Urlaub verbrachte war ich für die folgende Zeit mit dem Oberarzt unterwegs. Es war sehr ungewohnt für mich, dass für eine komplette Abteilung nur ein Arzt zur Verfügung stand, allerdings konnte ich so an allen Bereichen und wichtigen Aspekten der Patientenbeteuung teilnehmen. Zudem konnte ich im OP immer assistieren und durfte selbständig nähen und Lokalanästhetika injizieren. Die häufigsten Operationen waren Arthrodesen, Osteosynthesen und Bandscheibenersätze. Die Qualität der operativen Versorgung entsprach dabei absolut den deutschen Standards und es wurden moderne Geräte eingesetzt. Allerdings empfand ich die organisatorischen Umstände im Vergleich zu Deutschland etwas träge und uneffektiv, so dass maximal 2-3 Operationen am Tag möglich waren. Im Rahmen der morgendlichen Visite konnte ich selbständig Verbände wechseln und Fäden ziehen, sowie gemeinsam mit dem Arzt Behandlungspläne erstellen. Im Vergleich zum deutschen System werden in Frankreich die Blutentnahmen und die Anlagen von Venenkanülen nicht von PJlern, sondern von Krankenschwestern durchgeführt, was ich als sehr angenehm empfand. Besonders interessant fand ich die ambulanten Sprechstunden, da hier die Krankengeschichte eines Patienten über mehrere Jahre verfolgt werden konnte, die durchgeführte Bildgebung analysiert wurde und prä- oder postoperative Therapiepläne ausgearbeitet wurden. Auch hier konnte ich zum Teil die Anamnese selbständig erheben und klinische Untersuchungen durchführen. Besonders überraschend war es für mich, dass Patienten viel häufiger schwere Ausprägungen von Krankheitsbildern haben, als es bei uns der Fall ist. So werden zum Beispiel Kinder in Deutschland im Rahmen der U-Untersuchungen auf Skoliosen untersucht. In Martinique wurden allerdings mehrere Jugendliche und Erwachsene mit erheblichen Wirbelsäulenverkrümmungen vorgestellt. Zusammenfassend lässt sich die medizinische Versorgung in Martinique absolut mit der in Deutschland vergleichen. Da ich vor meinem Chirurgietertial keine Praktika im operativen Bereich absolviert habe konnte ich aus meiner Zeit im Krankenhaus in Martinique viel mitnehmen und habe viel dazugelernt. Auch sprachlich konnte ich mich vor allem im medizinschen Bereich erheblich verbessern. Betreuung und Ausstattung der Gasteinrichtung Ich wurde auf meiner zugeteilten Station sehr freundlich aufgenommen. Der mich empfangende Arzt wusste Bescheid und integrierte mich sofort in den klinischen Alltag. Hier konnte ich häufig Fragen stellen, die mir immer ausführlich beantwortet wurden. Im OP wurden mir auch häufiger Fragen gestellt was einen guten Lerneffekt brachte. Insgesamt herrschte auf den Stationen und auch im OP eine sehr angenehme Atmosphäre. Auch wenn man dort als PJler weniger mit den Pflegekräften zu tun hat, kann man sich immer an sie wenden und wird sehr freundlich behandelt. Generell denke ich, dass Eigeninitiative und Interesse viel hilft, um gut in das Team integriert zu werden. Die Arbeitskleidung wurde vom Krankenhaus gestellt und muss in der Wäscherei abgeholt werden. Allerdings bekommen die meißten PJler nur einen Kittel, sodass eine lange Hose selbst mitgebracht werden muss. Nach einigem Insistieren konnte ich aber doch eine Hose und einen Kasak erstehen. Im Gebäude gibt es eine Kantine in der man für 3 Euro ein sehr umfangreiches Mittagessen erhält (Vorspeise, Hauptspeise, Nachtisch und Kaffee). Allerdings war es auf meiner Station nicht üblich Mittag zu essen, sodass ich mir meistens im Laufe des Nachmittags etwas in der Cafeteria geholt habe. Dafür darf man aber ab und zu auch etwas früher nach Hause gehen. Alltag und Freizeit Martinique ist eine traumhafte Insel, die einen Besuch allemal wert ist! Trotz ihrer übersichtlichen Größe, gibt es unglaublich viel zu tun, sodass wir nach unserem viermonatigem Aufenthalt noch nicht alles gesehen haben. Unsere Aktivitäten am Wochenende oder an Nachmittagen bestanden vor allem aus dem Besuch einer der vielen Strände, Schnorcheln, Wanderungen im Dschungel oder auf den Vulkan (Montagne Pelée), Baden in Wasserfällen und vielem mehr. Das Straßennetz ist gut ausgebaut, wenn man aber zu einem Ort im Inneren der Insel gelangen möchte, können die Straßen etwas abenteuerlich sein. Es werden zudem viele Wochenendausflüge mit dem Katamaran zu den Nachbarinseln (v.a. Dominika und St. Lucie) angeboten. Uns hat es auf Dominika so sehr gefallen, dass wir nach Ende des Praktikums nochmal zurückgekehrt sind und die wilde Insel weiter erkundet haben. Kulinarisch hat die Insel auch viel zu bieten. Die creole Küche in Martinique besteht hauptsächlich aus Fleisch oder Fisch mit einheimischem Gemüse wie Ignam, Dachine, Brotfrucht oder Kochbananen. Dazu gibt es viel exotisches Obst, das man vor allem an Ständen am Straßenrand finden kann. Man findet aber auch viele internationale und kontinentalfranzösische Restaurants. Geldabheben lässt sich an jedem Automaten. Mit meiner Kreditkarte war es immer gebührenfrei. Die Lebenshaltungskosten sind in Martinique höher als in Deutschland oder Frankreich, da viele Produkte importiert werden. Uns wurde immer ein Richtwert von +30% im Vergleich zu Frankreich genannt. Die Arbeitnehmer verdienen auch ca 30% mehr, was bei einem unbezahltem Praktikum aber leider keinen Effekt hat. Da Martinique zur EU gehört, hielten sich die Roaming-Gebühren mit dem Handy in Grenzen. Es gibt aber spezielle EU-Flats oder Skype-Angebote, bei denen das Telefonieren und Internet auch in Martinique im Vertrag eingeschlossen sind. Reiseführer über Martinique sind in deutschen Buchläden leider schwer zu finden. Den Routard oder Lonely Planet findet man aber im Internet. Interkulturelles Die Hauptzahl der Bewohner in Martinique sprechen Creol, eine Mischung aus Französisch und der ursprünglichen Sprache der Insel, was dem Kontinentalfranzösisch weniger ähnelt als ich es vermutete. Vor allem wurde dadurch die Kommunikation mit einigen Patienten erschwert, die Schwestern waren aber immer zur Stelle um zu übersetzen. Die Einheimischen freuen sich aber riesig, wenn man ein paar Redewendungen auf Creol sagen kann. Fazit Mein PJ-Tertial in Martinique war unglaublich und ich kann es jedem nur empfehlen. Die Arbeit im Krankenhaus war sehr angenehm und die Insel bietet jede Menge Freizeitaktivitäten. Außerdem waren die Leute sehr gastfreundlich und offen. Hilfreiche Adressen Bewerbung [email protected] Wohnung, Auto www.fjtcycas.com leboncoin.fr (Kleinanzeigen) Facebook-Gruppe „Jah Familia“ Reiseführer Le Routard, Lonely Planet