Der König des Broadway

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rist der einzige Musical-Librettist,
der in einem Literatur-Lexikon
steht. Er wurde .für hervorragende
Leistungen auf literarischem Gebiet" mit
dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, erhielt
, "Oscars" aus Hollywood und die in den
USA so begehrten Akademie-Preise. Oscar Hammerstein, der sich wegen seines
in New York als Theateragent halbwegs
bekannten Großvaters mit gleichem Namen gern "Oscar II. Hammerstein" oder
"Oscar Hammerstein II." nannte, war
Amerikas erfolgreichster Song- und Musical-Texter. Seine lyrics verhalfen einer
neuen Form des Musiktheaters zum Leben. Sie waren Ausdruck von Zeitgeist
und amerikanischem Weltverständnis mit großer Demokratiegläubigkeit und
der oft sentimentalen Überzeugung vom
Sieg des Schönen, Reinen, Guten. Und sie
haben nach 1945 auf dem europäischen
Kontinent das englisch-amerikanische
Vokabular mehrerer Abiturienten-Generationen bestimmt. Zumeist über den Soldatensender AFN erschloß sich die
Fremdsprache durch die Liedtexte: Out 01
my dreams and into your heart oder Once
you'velound hernever let her go -von 0/'
man river bis 0 what a beautiful morning! reichte die Skala der Songs, die
volksliedhaft und immergrün für eine
ganze, sanfte Ära der Popmusik stehen.
Im Olymp der Musical-Matadoren
steht der Name Hammerstein jedoch
nicht allein. Wie der Firmenname eines
Zwillingspaares thront ein Markenzeichen über den Musical-Erfolgen der vierziger und fünfziger Jahre, die Millionen
bewegten und Millionen einbrachten:
Rodgers & Hammerstein. Fünf Bühnenstücke genügten, um den Ruhm und den
Reichtum des Komponisten Richard Rodgers und des Librettisten Oscar Hammerstein dauerhaft zu begründen: "OklahomaU(1943),"Carousel" (1946),.South Pacific" (1949),"The King and I" (1951)und
"The Sound of Music" (1959).Zwar hatten
Rodgers und Hammerstein auch schon
vorher komponiert und geschrieben, aber
erst als "Siamesische Zwillinge" wurden
sie zu den Königen des US-Musicals.
Hammerstein, der freundliche Koloß mit
dem Bürstenhaarschnitt, und Rodgers,
der geschmeidige Dandy im Diplomaten-
E
Der König des Broadwa~
Millionen bewegt und Millionen verdient: Oscar Hammerstein II., der Dü
Look, achteten bei jedem neuen Werk
gemeinsam sorgfältig auf die Einstudierung und versäumten am Broadway keine Probe. Ihre Zusammenarbeit war nicht
spannungsfrei - zumal da der korrekte
Rodgers die nicht immer tugendhafte Lebensweise seines Kompagnons mitunter
heftig attackierte. Überdies litt Hammerstein darunter, daß er seine Texte mühevoll in tage- und wochenlanger Arbeit,
mit kilometerlangem Auf- und Ab-Gehen
zwischen Bücherregal und Schreibtisch,
niederschrieb, während Rodgers anschließend kam und die Melodien dazu
voller Leichtigkeit meist in wenigen MinU,tenkomponierte.
Oscar Hammerstein II., geboren am
12.Juli 1895in New York, sollte nicht den
Impresario-Spuren seines Großvaters folgen, sondern nach dem Be~uch der Columbia-Universität Anwalt werden. Doch
Oscar II. verbündete sich mit einem seiner Onkel, der ihm eine schlecht bezahlte
Stelle als Hilfsinspizient beim Theater
verschaffte. Mit 24 Jahren schrieb Hammerstein sein erstes Drama "The Light",
ein Jahr später sein erstes Stück fürs
populäre Musiktheater "Always You". In
der Zusammenarbeit mit den Komponisten George Gershwin, Jerome Kern, Rudolph Friml und Sigmund Romberg stellten sich die ersten Erfolge ein. "Rose
Marie" (1924), "Desert Song" (1926) und
vor allem "Show Boat" (1927- nach einem
Roman von Edna Ferber und mit der
Musik von Jerome Kern) gelten heute als
musikhistorische Vorläufer des verita-'
bIen, des .integralen Musicals", dessen
Kennzeichen - neben Tempo, Sentiment
und Melodienschmelz - die bestechende
Einheit von Musik, Dialogen und Choreo-
graphie ist. Die Uraufführung von "Oklahoma" am 31. März 1943 im St. James
Theatre am Broadway gilt als Geburtsstunde des "integralen Musicals", dem
sehr bald alle Komponisten und Texter
nacheiferten und dessen lange Erfolgslinie über "My Fair Lady", "Irma la Douce",
"West Side Story", "Kiss me, Kate" und
"Hair" bis zu "Evita", "Chorus Line",
"Cats" und "Phantom der Oper" reicht.
Weit mehr als in der deutsch-österreichisehen Operette wurden Gesang und Tanz
in die Dramaturgie eingebaut.
Die Handlung rotierte nicht um des
Lesens
und
Schreibens
unkundige
Schweinezüchter oder um Balkanfürsten
und ihre mehr oder weniger glückhaften
Liebeleien, sondern war - dank der Texte
von Oscar Hammerstein - amerikanischdemokratisch: In "Oklahoma" kamen die
US-Farmer
mit ihrer Heimatliebe
zu
Wort. In "South Pacific" war die Botschaft
von der Rassengleichheit so deutlich, daß
das südafrikanische
Apartheid-Regime
die in Durban angesetzte Premiere untersagte. "The King and I" geriet gar zur
Musical-Botschaft
gegen die Verletzung
der Menschenrechte.
Die Tagebuchaufzeichnungen der Anna Leonowens aus
dem vorigen Jahrhundert
("The English
Governess at the Siam Court") und die
Schwarzweiß-Verfilmung
"Anna and the
King of Siam" aus dem Jahre 1946 mit
Rex Harrison und Irene Dunne in den
Hauptrollen
lieferten die Vorlagen für
eine erfolgreiche Umsetzung des Rodgers
& Hammerstein-Konzepts.
*
"Oklahoma" mit seinen 2248 Aufführungen am Broadway und den 1543 Vorstellungen im Londoner Westend wurde
Jahre später ebenso verfilmt wie "The
King and I" (als erster und größter ,Triumph Yul Brynners) oder die als Bühnenstück nicht so publikumswirksame,
vom
Texter Hammerstein 1945 aus Andalusien
ins New Yorker Farbigenmilieu verlegte
Carmen-Adaption
"Carmen Jones". Hier
brachte erst zehn Jahre später Otto Premingers Filmversion mit Dorothy Dandridge und Harry Belafonte - an der
Oscar Hammerstein nicht beteiligt war -
den üblichen Kassenschlager. Rodgers' &
Hammersteins
"South Pacific" erreichte
im Londoner "Dominion"-Kino eine Laufzeit von sechs Jahren. Und alle Einspielrekorde wurden von "The Sound of Musie" gebrochen - ein Musical-Film, der in
den USA bis heute ganz oben auf der
Erfolgsskala rangiert.
In Deutschland wurde er unter dem
Titel "Meine Lieder - meine Träume"
kaum wahrgenommen.
Die Erstaufführung des Original-Musicals
ging 1982 fast 23 Jahre nach der New Yorker Uraufführung dieses letzten gemeinsamen Werkes von Rodgers & Hammerstein
- in
Hildesheim über die Bühne. Der Film
hatte
Mitte der sechziger
Jahre
in
Deutschland nur bissige Kritiken geerntet. Es war ein amerikanischel'
Aufguß
der bereits zuvor hierzulande mit Ruth
Leuwerik in die Kinos gebrachten Familienunterhaltung
der "Trapp-Familie" die Geschichte der österreichischen Baronin Trapp und ihres Kinderchors. Hammerstein konnte sich für diesen gefühlsbetonten Stoff ebenso begeistern wie später seine Landsleute. Das Alpenpanorama
und die Dirndlromantik
- kulminierend
in dem die internationalen
Hitparaden
erstürmenden
"Edelweiß"-Song - setzten
den Schlußpunkt hinter fast zwanzig Jahre gemeinsamer
Arbeit der BroadwayKönige Rodgel's & Hammerstein.
Oscar Hammerstein
starb am 23. August 1960 an Krebs. Am Tag seiner Beisetzung gingen am Broadway in New York
und im Londoner Westend zum Gedenken
an den "Dichter des Musicals" für Minuten die Lichter aus.
Die milde Musik von Richard Rodgers
und die gängigen Texte von Oscar Hammerstein sind oft totgesagt worden. "Ruhe
in Frieden, Oklahoma", schrieb ein Kritiker 1993 bei einer Aufführung der New
York Theatre Guild in Berlin. Was sollen
die mitfühlenden Weisen und Texte, wenn
Heavy Metal und Automobile uns überrollen? Doch Berlin ist (noch lange) nicht
New York oder London. Denn seltsam:
Am Broadway und im Westend kommen
sie in den neunziger Jahren wieder und
werden gespielt. Abend für Abend immer
wieder das Markenzeichen:
Rodgers
& Hammerstein.
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