KUNST UND KULTUR OPER Eine gutgelaunte Camerata Salzburg ürden Sie es glauben?...Fiasko!...Fiasko!...Ernsthaftes Fiasko!“ So urteilte Vincenzo Bellini über die Uraufführung seiner Oper „Norma“ an der Mailänder Scala im Jahr 1831. Ein Fiasko? Ja, denn diesen Sommer können sich nur jene Musikliebhaber auf einen ganz besonderen Genuss bei den Sommerfestspielen in Salzburg freuen, die bereits Karten haben. Seit Anfang dieses Jahres sind die zwei Vorstellungen der tragischen Oper „Norma“ bereits ausverkauft: Ein Novum, auch für das an Erfolg gewöhnte Kartenbüro der Festspiele. Kein Fiasko! Denn kein bizarres Bühnenbild, keine eigenwilligen Kostüme, keine skurrilen Regieeinfälle werden das Auge ablenken. Bellinis Meisterwerk und die wahrscheinlich schönste Belcanto-Oper wird konzertant – und wie es bei den Salzburger Festspielen zu erwarten ist – in einer Spitzenbesetzung aufgeführt. W *** Das „vollkommene Trauerspiel“ von Bellini Der 1801 in Catania geborene Vincenzo Bellini gilt als der Schöpfer der romantischen italienischen Oper, des „Melodramma tragico“. Mit seinem Hauptlibrettisten Felice Romani gelang ihm im Alter von nur dreißig Jahren mit „Norma“ eine völlig neuartige Einheit von Wort und Ton. Seiner Vorstellung nach sollte die Oper „durch ihren Gesang weinen, schaudern, sterben machen“. Der junge Richard Wagner, bekanntermaßen kein Freund italienischer Opern, sagte, Bellinis Melodien seien „schöner als Träume“ und der Philosoph Arthur Scho- 108 | SOCIETY 2_10 Die Oper - die Sänger - das Orchester Norma Ein Höhepunkt der diesjährigen Festspiele in Salzburg ist die konzertante und in originaler Stimmlage aufgeführte Oper „Norma“ von Vincenzo Bellini. Die Spitzenbesetzung garantiert höchsten Musikgenuss. Vo n E VA V O N S C H I L G E N penhauer bezeichnete „Norma“ als „Beispiel eines höchst vollkommenen Trauerspiels“. Doch die erste Vorstellung war alles andere als ein Erfolg. Aber bereits nach der dritten Aufführung wurde die Oper als Meisterwerk gefeiert, denn sie beinhaltet alles, was ein gutes Stück ausmacht: Große Emotionen, soziale und kulturelle Konflikte, eine Dreiecksbeziehung in der Liebe, Hass und Rache die aufeinanderprallen und eine überwältigend schöne Musik. *** Edita Gruberová als Norma Ein Meisterwerk gelang auch den Festspielen mit der Besetzungsliste. Edita Gruberová, die „Königin des Belcanto“, von der Marcel Prawy, ehemaliger Wiener „Opernführer“, sagte, sie gehöre zu den größten Phänomenen in der Weltgeschichte des Operngesanges, singt die Titelrolle der Norma, der Druidenpriesterin und heimlichen Geliebten des römischen Prokonsuls in Gallien, Pollione. Die Karriere der in Bra- tislava geborenen Sängerin begann bereits 1968 in ihrer Heimatstadt, wo sie sowohl als Eliza in „My Fair Lady“, als Violetta in Verdis „La Traviata“ als auch in den vier Frauenrollen in „Hoffmanns Erzählungen“ erste Erfolge feierte. Schon 1970 gibt sie ihr Debüt an der Wiener Staatsoper, zunächst in kleineren Rollen. 1976 feiert sie ihren Durchbruch mit der Rolle der Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“ und mit der Zerbinetta in „Adriane auf Naxos“, die sie bis zu ihrem letzten Auftritt an der Staatsoper in Wien im Dezember 2009 einhundert Mal singt. Bis auf den heutigen Tag scheint der gesuchten Koloratursängerin mit dem Spitznamen „slowakische Nachtigall“ keine Höhe zu hoch und keine Koloratur zu schwierig zu sein. So wird sie in Salzburg die Partie der Norma wieder in der ursprünglichen Höhe singen. Diese Rolle wurde jahrzehntelang von Mezzosopranistinnen besetzt, unter anderen war sie eine der Glanzpartien von Maria Callas. FOTOS: CAMERATA SALZBURG, SALZBURGER FESTSPIELE *** Meisterhafte Besetzungsliste Die 1969 geborene amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato, die für die Rolle der Adalgisia, Normas Rivalin um die Liebe Polliones, verpflichtet wurde, träumte als junges Mädchen davon, ein Broadwaystar zu werden. Heute ist die preisgekrönte Sängerin auf den internationalen Opernbühnen ein gesuchter und gefeierter Star und wird für ihre Interpretationen der Werke von Händel, Mozart und Rossini bewundert. Die Partie des Pollione, Normas untreuem Geliebten, der sich jedoch letztendlich für die Liebe entscheidet und Norma in den Tod folgt, hat der Tenor Marcello Giordani übernommen. Er zählt zu den bedeutendsten Tenören unserer Zeit. So schrieb die New York Times 2002: „Marcello Giordani sings as a god“. Der 1963 in Sizilien geborene Sänger verfügt durch seine außergewöhnliche Vielseitigkeit über ein unglaublich umfangreiches Repertoire. Ferruccio Furlanetto, der italienische Bass von Weltformat, wurde für die Rolle des Oroveso, des obersten Druiden, verpflichtet. Seit seinem Debüt 1979 hat er alle bedeutenden Bass-Partien international gesungen. Auch als Konzertsänger hat er sich einen Namen gemacht und trat unter anderen im Vatikan in Anwesenheit Papst Johannes Paul II. auf. Die junge, bildschöne türkische Sängerin Ezgi Kutlu ist vielen Salzburgern noch aus dem Jahr 2008 in Erinnerung, als sie am Young Singers Project teilnahm. Sie ist derzeit Ensemblemitglied an der Staatsoper Nürnberg, wo sie unter anderen als Cherubino in Mozarts „Le Nozze di Figaro“ und als Sinaide in „Moses und Pharao“ zu hören ist. Für Salzburg wurde sie für die Rolle der Clotilde, der Vertrauten von Norma, engagiert. Aus Brasilien stammt einer der derzeit aufregendsten jungen Tenöre, Luciano Botelho, der als Flavio, Freund von Pollione, auf der Salzburger Bühne stehen wird. 2001 gab er als Tamino in „Die Zauberflöte“ sein Debüt und wird von Kritikern als „eines der besten Talente Brasiliens“ gefeiert. 2009/10 debütierte er am Royal Opera House, Covent Garden, London. Die Partie des Flavio sang er bereits im letzten Jahr unter der Leitung von Jean-Christoph Spinosi am Théâtre du Châtelet in Paris. Wie bei vielen Salzburger Produktionen wird die „Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor“ auch bei „Norma“ auftreten. *** Ein inspirierender Dirigent Die musikalische Leitung hat man dem österreichischen Dirigenten und Liedbegleiter mit italienischen Vorfahren Friedrich Haider, anvertraut. Der ehemalige Schüler von Nikolaus Harnoncourt, der ihn musikalisch stark prägte, begann seine Karriere 1984 und hat sich bis heute ein umfassendes Repertoire erarbeitet. Unter anderen gilt er als souveräner Kenner der Werke von Richard Strauss. Von 1991 bis 1994 war er Chefdirigent der Opéra National in Straßburg, 2002 debütierte er an der Wiener Staatsoper und begeisterte sowohl Publikum wie auch Orchester so sehr, dass selbst Musiker demonstrativ applaudierten. Er trat mit den bedeutendsten europäischen Symphonieorchestern weltweit auf. 2004 wurde er Musikdirektor der nordspanischen Oviedo Filarmonia und gastierte mit ihnen 2007 erstmals in Japan. Anlässlich seines Debüts an der New York Metropolitan Opera meinte Maestro James Levine: „The orchestra likes you, because you are inspiring!” *** Kammerorchester von Weltformat Auch das Salzburger Orchester der „Norma“, die „Camerata“, wird ihn lieben. Das Kammerorchester von Weltformat, welches 1952 von Bernhard Paumgartner gegründet wurde und in den Achtzigerjahren durch seinen Chefdirigenten, den bekannten Geiger Sándor Végh zum sogenannten „Camerata-Klang“ fand, garantiert höchste Qualität. Publikum, Dirigenten und Musiker schätzen den ganz besonderen Musiziergeist, der die 36 Individualisten des Stammorchesters verbindet. Die Vitalität, die spürbare Freude am Musizieren, die Phantasie der Musiker und deren Bereitschaft zur künstlerischen Neubestimmung haben das Orchester zu einem der meistbeschäftigten Kammerorchester der Welt werden lassen. Neben etwa zwanzig Konzerten in Salzburg finden bis zu siebzig Auftritte pro Jahr im Ausland statt. Die türkische Sängerin Ezgi Kutlu singt die Parie der Clotilde *** „Camerata“ geht neue Wege Um „frischen Wind“ in die klassischen Konzertsäle zu bringen und um junges Publikum anzuziehen, geht man unter dem seit einem Jahr tätigen Geschäftsführer und General Manager Lutz Hochstraate, ehemaliger Intendant des Salzburger Landestheaters, auch unkonventionelle Wege. So ist man mit dem Salzburger Perkussionisten Martin Grubinger eine exklusive Partnerschaft eingegangen und hat mit ihm einige Doppelkonzerte geplant. Auch die Jugendarbeit soll intensiviert werden. Dazu konnte der Salzburger Stargeiger Benjamin Schmid als Musiker und Moderator für Jugendkonzerte im Land Salzburg gewonnen werden. Mit der Reihe „Camerata Salzburg – Off Stage“ soll ein neues Publikum gewonnen werden, indem man in einem Salzburger Kellertheater zusammen mit hochkarätigen Gästen Konzerte veranstaltet. Erster Künstler war der Akkordeon-Virtuose James Crabb, der mit Improvisation und Virtuosität Lust auf Musik machte. Der Cellist Shane Woodborne, seit zwanzig Jahren Mitglied des Orchesters, wurde für den diesjährigen Diabelli Sommer in Mattsee bei Salzburg beauftragt, ein Violinkonzert zu schreiben, das mit der „Camerata“ unter der Leitung von Lukas Hagen aufgeführt wird. Auch die Namen der Gastdirigenten des Orchesters lassen aufhorchen. 2011/12 wird der israelische Dirigent und Flötist Ariel Zuckermann eingeladen, ihm folgt der junge polnische Maestro Krzysztof Urbanski, eines der bedeutendsten europäischen Nachwuchstalente seiner Generation, bekannt für sein Höchstmaß an Kreativität und musikalischer Kompetenz. Bei den Salzburger Festspielen 2010 wird die „Camerata“ unter dem belgischen Dirigenten Philippe Herreweghe, seit 1999 erster Dirigent der „Königlichen Philharmonie von Flandern“, zusammen mit dem aus Kroatien stammenden Pianisten Ivo Pogorelich zwei Mal mit Werken von Schumann und Chopin zu hören sein. Eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Also, bevor es zu dem Fiasko kommt, dass Sie keine Karten zu den Konzerten bekommen, besorgen Sie sich diese rechtzeitig. Das Haus für Mozart hat zwar eine Menge Plätze, aber die „Camerata“ viele Fans. Und sollten Sie zu spät kommen, auch kein Fiasko! Gehen Sie dann ganz einfach mit der „Camerata“ auf Tour nach Prag, Wien, Florenz, zu der EXPO nach Shanghai, nach Paris mit Thomas Quasthoff, auf eine Kreuzfahrt durch das Arabische Meer und vielleicht schon bald nach Neuseeland, Australien und Asien! SOCIETY 2_10 | 109