Cord Friebe Zeit – Wirklichkeit – Persistenz Eine präsentistische Deutung der Raumzeit mentis PADERBORN Einbandabbildung: © Kim D. French - Fotolia.com Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbeständigem Papier ISO 9706 © 2012 mentis Verlag GmbH Schulze-Delitzsch-Str. 19, D-33100 Paderborn www.mentis.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany Einbandgestaltung: Anne Nitsche, Dülmen (www.junit-netzwerk.de) Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten ISBN: 978-3-89785-782-7 EINLEITUNG Von Zenon bis McTaggart ist in der Philosophiegeschichte immer wieder in Frage gestellt worden, dass es Zeit (als objektive) überhaupt gibt. Die Auseinandersetzung um den Präsentismus – die zeitphilosophische Auffassung, wonach wirklich nur sein kann, was gegenwärtig ist – wäre aber missverstanden, würde man sie in diesen Kontext einordnen. Selbst der Eternalismus – die extreme Gegenposition, wonach alles Zeitliche tempuslos 1 gleichermaßen wirklich ist – stellt zumindest dem Anspruch nach eine Theorie über objektive Zeit dar: Das Hauptwerk gegenwärtiger eternalistischer Zeittheorien heißt entsprechend Real Time (Mellor, 1981; 1998) – in Abgrenzung zu McTaggarts vielrezipiertem Aufsatz „The Unreality of Time“ (1908). Dass es Zeit (als objektive) gibt, ist die gemeinsame Voraussetzung aller philosophischen Theorien, die im Laufe dieser Arbeit besprochen werden. Es geht also nicht um die Frage, ob es sie gibt, sondern allein darum, wie es sie gibt, d.h. was ihre Natur ist, ob also etwa die Existenz empirischer Objekte und Ereignisse von den Zeitmodi der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abhängt oder nicht. Diese Voraussetzung impliziert nach Ansicht aller beteiligten Autoren, dass Zeit etwas Spezifisches ist, das sich insbesondere vom Raum in irgendeiner Weise unterscheidet – die Frage ist (nur), auf welche Weise. Niemand der hier diskutierten Philosophen vertritt mithin die These von der Raum-Analogie der Zeit in dem Sinne, dass die Zeit nichts anderes als eine Art vierte Raumkoordinate sei, denn dann, so die allgemeine Einschätzung, wäre die Zeit eliminiert. Wenn es also so sein sollte, dass in bestimmten Modellen der Quantengravitation zwischen Zeit(artigem) und Raum(artigem) tatsächlich gar kein Unterschied gemacht wird, so stützt dies nicht die eternalistische Zeitauffassung (vgl., in diesem Sinne irreführend, Soler Gil, 2007). Solche Theorien der aktuellen Physik, nämlich Versuche, die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) und die Quantentheorie in einer umfassenden Theorie aufzuheben, stehen – wenn es denn stimmt, dass dort die „nächste Revolution“ stattfindet und „das Ende der Zeit“ ausgerufen 1 Also ohne objektiven Bezug zur Gegenwart. 10 Einleitung werden müsste (vgl. Barbour, 2001) – in der Tradition von Zenon und McTaggart. Sie stellen (im Erfolgsfalle) eine neue Herausforderung für die Überzeugung dar, dass es überhaupt objektive Zeit gibt. Dieser Arbeit liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Philosophie gegenüber den empirischen Wissenschaften eine Art Hoheit über die Begriffe hat, nämlich in folgendem Sinne: Zunächst einmal werden philosophisch theoretische Optionen zum Verständnis temporaler Existenz und zeitüberdauernder Identität (Persistenz) empirischer Objekte oder Ereignisse entwickelt und diskutiert. Anschließend werden diese Optionen mit der Physik, hier insbesondere mit den Raumzeit-Theorien, konfrontiert, so dass die philosophischen Theorien sowohl am intuitiven Alltagsverständnis als auch an empirisch-wissenschaftlichen Theorien gemessen werden. Sollte sich aber herausstellen, dass sich die Physik gegen jede philosophisch diskutierte Auffassung temporaler Existenz und Persistenz sperrt, so werden wir nicht folgern, dass dann in der Physik eine andere Zeitkonzeption herrscht, durch die man sich gewissermaßen philosophisch belehren lassen sollte. Man würde sie als Zeitkonzeption gar nicht verstehen. Wir werden daher dann der Auffassung sein, dass die Physik eine zeitlose Welt beschreibe und dass sich umso dringlicher die Frage stelle, wie wir Menschen in eine solche Welt passen. Des Weiteren versteht sich diese Arbeit nicht nur als Beitrag zur Wissenschaftstheorie, sondern vor allem auch zur Theoretischen Philosophie im weiteren Sinne: Im Mittelpunkt stehen nicht die Relativitätstheorien und was sie uns über die Welt sagen, sondern vielmehr klassischphilosophische Fragen zu Zeit, Raum und Bewegung (bzw. Veränderung). Nur sind wir eben der Meinung, dass man keine Ontologie mit systematischem Anspruch betreiben kann, ohne einen Blick in gegenwärtige empirische Wissenschaften zu werfen und ohne deren Herausforderungen zu begegnen.2 In diesem Sinne beginnt die Arbeit mit einem langen Kapitel I zu „Temporale[r] Existenz und Persistenz in der [gegenwärtigen] Philosophie der Zeit“, um dann anschließend diese Thematik (insbesondere) mit der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) zu konfrontieren. Sie ist noch immer die Grundlage aller bis heute entwickelten Quantenfeldtheorien – und insofern physikalisch grundlegend – und erfüllt vor allem die Minimalbedingung für unsere Fragestellung, wie Zeit real sei. Denn in der SRT (wie aber auch in der ART) wird anscheinend ein Unterschied zwischen Zeit und Raum gemacht,3 jedenfalls besteht eine Grundlage dafür, dass es Zeit als objektive geben könnte. 2 3 Vgl. dagegen – beispielsweise – Schnieder (2004), dessen Substanz-Ontologie von den Herausforderungen der Quantentheorien offenbar unberührt ist, und Rödl (2005), dessen Auffassungen von Zeit und zeitlicher Veränderung vorrelativistisch bleiben. Zumindest gilt, dass in die Metrik der Raumzeit die Zeitkomponente mit einem anderen Vorzeichen eingeht als die drei Raumkoordinaten. Ferner gibt es einen invarianten Unter- Einleitung 11 Ob dem tatsächlich so ist, ist aber alles andere als klar. Es stellt sich nämlich heraus (vgl. Unterkapitel II.A), dass die berühmte von Hermann Weyl ins Spiel gebrachte und bis heute vielfach vertretene Sicht der Welt als BlockUniversum gar nicht so einfach mit der eternalistischen Auffassung temporaler Existenz zur Deckung zu bringen ist. Ob es nämlich dort, im BlockUniversum, zeitlich getrennte Objekte und Ereignisse, die objektiv früher oder objektiv später sind, wirklich gibt, erscheint fraglich. Fraglich ist also nicht erst, wie so häufig vertreten wird, ob die SRT mit einer ontologisch ausgezeichneten Gegenwart verträglich ist (vgl. Putnam, 1967; Saunders, 2002), sondern auch schon, ob sie es mit dem Eternalismus ist. Das BlockUniversum erscheint in einem relevanten Sinne als zeitlos und nicht, wie aber von den Eternalisten erwünscht, als bloß tempuslos. Die Sicht der Welt als Block-Universum ist daher Herausforderung für alle im ersten Kapitel diskutierten Zeittheorien – und nicht nur für die präsentistische Auffassung. Die weit verbreitete fälschliche Identifizierung des Block-Universums mit einer eternalistischen Welt ist der Entwicklung zu starker Spezialisierung in der Philosophie geschuldet, in der inzwischen selbst eng benachbarte Debatten voneinander nicht ausreichend Kenntnis nehmen. Waren sich noch Popper, Kuhn, Lakatos und Feyerabend – die einstigen Heroen der Wissenschaftstheorie – bei allen ihren Gegensätzen darin einig, dass die Philosophie keine paradigmageleitete Normalwissenschaft ist und, vor allem, keine sein sollte,4 hat sich inzwischen ausgerechnet die Wissenschaftstheorie (und die angrenzende Analytische Philosophie) in kleine rätsellösende ‚SubCommunities‘ zersplittet. Dem einstmals gemeinsam geteilten Argument, dass ein nicht-empirisches Unternehmen wie die Philosophie, wenn paradigmageleitet, gar nicht krisenanfällig sein könne – ein normativ bedeutsames Kriterium zur Rechtfertigung normalwissenschaftlicher Tätigkeit –, weil sich in ihr keine Anomalien häufen und zu Gegenbeispielen verwandeln könnten, ist meines Wissens aber nirgendwo substantiell widersprochen worden. Eine solche Philosophie müsse zwangsläufig im Dogmatismus der herrschenden Lehre erstarren, hieß es noch bei Popper und Kuhn.5 Dennoch werden in kleinen Kreisen ausschließlich kleine Aufsätze verfasst, als gäbe es einen kanonischen Lehrbestand, auf dem aufbauend man nur noch die verbliebenen Rätsel des jeweils herrschenden Paradigmas bearbeiten müsste. Gegen diese Praxis ist monographische Tätigkeit vonnöten, da Reflexion und kritische Distanz zu den verschiedenen Paradigmen längere 4 5 schied zwischen zeit- und raumartigen Vektoren an jedem Punkt relativistischer Raumzeiten. Zur Popper/Kuhn-Kontroverse und den weiteren Entwicklungen in der Wissenschaftstheorie vgl. Kap. 3 und 4 in Bailer-Jones/Friebe (2009). Dies könnte man dann „Scholastik“ nennen und der „historisch-dialektische Materialismus“ wäre da nur ein Beispiel. 12 Einleitung begriffliche Auseinandersetzungen erfordern. Daher versteht sich diese Studie als Arbeit am – und nicht mit einem – Paradigma. Umgesetzt wird diese Intention zum einen in der angedeuteten Erschütterung der Selbstverständlichkeit, mit der die Sicht vom Block-Universum vertreten wird,6 und zum anderen mit der Entgegensetzung eines andersartigen Paradigmas, eines kantisch motivierten Präsentismus. Der Unterstellung, die Raumzeit sei etwas ursprünglich Objektives, wird im Sinne eines kantischtranszendentalen Idealismus die These entgegengesetzt, dass Zeit (und Raum) ursprünglich Subjektives sind, die Gegenwärtigkeit des Wirklichen also nur abgeleiteterweise etwas Objektives. Mit der entsprechenden Modifikation soll der Präsentismus, für den es philosophisch noch immer gute Gründe gibt, als mit der SRT (und der ART) vereinbar erwiesen werden. Diese in Kapitel III zu entwickelnde kantisch-präsentistische Deutung der Raumzeit soll die naturphilosophische Debatte um temporale Existenz und Persistenz bereichern und sonach – nebenbei – die Aktualität der kantischen Theoretischen Philosophie, im eigentlichen Sinn des Wortes, erwiesen werden.7 Entsprechend dieser Zielsetzung haben wir drei verschiedene Bereiche zu bearbeiten: die gegenwärtige analytische Philosophie der Zeit, die Physik der Zeit in den Relativitätstheorien (insbesondere in der SRT) und Kants kritischen Begriff von Wirklichkeit. Die Einleitung gliedert sich im Folgenden in diesbezügliche drei Abschnitte, die dazu dienen, für den eigentlichen Beginn wichtige begriffliche Differenzierungen zu skizzieren und den globalen Gedankengang erkennen zu lassen.8 6 7 8 So etwa Esfeld, der die Auffassung des Block-Universums wie folgt charakterisiert: „Die vierdimensionale Raumzeit mitsamt ihrem physikalischen Inhalt existiert schlechthin“ (Esfeld, 2008, 56). Doch versteht es sich nicht von selbst, was mit „schlechthin“ gemeint sein soll: So würden etwa Eternalisten nicht behaupten wollen, dass der Inhalt der Raumzeit zeitlos existiere – wie etwa die Ideen in Platons Himmel –, sondern bloß tempuslos, nämlich nur unabhängig davon, ob sie als gegenwärtig gelten können, aber nicht zeitpunktunabhängig. Und Präsentisten würden dagegen halten, dass „schlechthin“ gerade nur Gegenwärtiges existiere, da es – ihnen zufolge – keine Alternative zur gegenwärtigen Existenz gibt. Die Aktualität klassischer Philosophen erweist sich ja nicht allein darin, dass sie auch ab und an einmal etwas Vernünftiges gesagt haben. Es ist vielmehr deren Relevanz für aktuelle Debatten zu zeigen. Ich führe im Folgenden in die drei Sachbereiche ein und gebe keinen Überblick über die drei Kapitel. So diskutiert etwa Kapitel I nicht nur analytische Zeittheorien, sondern enthält auch Abschnitte über die kantisch-präsentistische Auffassung temporaler Existenz und Persistenz. Darüber hinaus übergeht diese Einleitung die besonderen Probleme der Persistenz und der zeitlichen Veränderung empirischer Objekte, da diese kein eigenständiges Gebiet bilden. Einleitung 13 1. ANALYTISCHE PHILOSOPHIE DER ZEIT Seit John McTaggarts einflussreichem Aufsatz „The Unreality of Time“ (1908) unterscheidet die analytische Philosophie zwei Typen von Zeittheorien: Die A-Theorien, wonach der Bezug zur Gegenwart in irgendeiner Weise objektiv ist,9 von den B-Theorien, wonach nur die Relation des frühergleichzeitig-später zwischen Objekten oder Ereignissen real ist. Diese beiden Theorietypen entstanden als Reaktion auf McTaggarts „Beweis“, dass es Zeit als objektive gar nicht geben könne. Ähnlich also, wie Aristoteles seine Theorie von Zeit und Bewegung (bzw. Veränderung) als Reaktion auf Zenons Leugnung objektiven zeitlichen Geschehens entwickelte (vgl. Aristoteles, Physik, Buch VI), stand am Anfang der Entwicklung analytischer Zeittheorien eine skeptische Kritik an deren widerspruchsfreier Möglichkeit. Und analog dazu, wie Aristoteles eine bestimmte Voraussetzung in Zenons Beweisführung bestritt – nämlich die, dass die Zeit aus unteilbaren Momenten bestehe (vgl. ebd., Kap. 9, 239b, 5ff. und 30ff.) –, setzten die verschiedenen aktuellen Zeittheorien an bestimmten Stellen von McTaggarts Beweisführung an. Im Wesentlichen besteht sein Argument in zwei Schritten: 1. Es kann keine B-Serie von empirischen Entitäten ohne ABestimmungen geben (vgl. McTaggart, 1927, Abschnitt 307ff.).10 Ohne Bezug zu einer objektiven Gegenwart lässt sich nichts im Sinne von „früher-später“ anordnen, stehen die Objekte oder Ereignisse allenfalls in einer atemporalen „C-Serie“.11 2. Eine A-Serie des vergangen-gegenwärtig-zukünftig, welche für die Objektivität von Zeit also notwendig ist, impliziert jedoch einen Widerspruch bzw. einen vitiösen Regress (vgl. McTaggart, 1927, Abschnitt 325ff.).12 9 10 11 12 Wie sich zeigen wird (vgl. Unterkapitel I.A), besteht diese Auszeichnung entweder darin, eine objektive intrinsische und transitorische Eigenschaft (der Gegenwärtigkeit) von Objekten bzw. Ereignissen anzunehmen, oder aber darin, dass überhaupt nur Gegenwärtiges existiert. Diese zweite Option bezeichnet man als „Präsentismus“ und sie soll in dieser Arbeit als adäquate Deutung relativistischer Raumzeiten erwiesen werden. Also keine Anordnung in früher-gleichzeitig-später („B-Serie“) ohne die Bestimmungen des vergangen-gegenwärtig-zukünftig („A-Serie“). Also bloß in einer transitiven, asymmetrischen und irreflexiven Relation, wie sie etwa auch die räumliche des oben-unten wäre. Nämlich den Widerspruch, dass die Objekte und Ereignisse sowohl gegenwärtig, als auch vergangen und zukünftig sein müssten, und den vitiösen Regress, dass dieser Widerspruch nur durch die Einführung unendlich vieler Metazeit-Dimensionen überwunden werden könnte. 14 Einleitung Entsprechend gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, McTaggarts skeptischer Kritik zu entkommen: Entweder man ist der Meinung, dass eine temporale B-Serie sehr wohl ohne Bezug zur Gegenwart von einer atemporalen C-Serie unterschieden werden könne 13 – dann kann man ein B-Theoretiker der Zeit sein. Oder aber man argumentiert dafür, dass eine tempushafte ASerie14 doch in keinen Widerspruch oder in keinen vitiösen Regress führe – dann kann man ein A-Theoretiker der Zeit sein. Die Literatur zu McTaggart ist Legion und wird uns im Detail nicht interessieren (vgl. aber die ausführliche Darstellung in Craig, 2000a, Kap. 6); worauf es ankommt, ist 1. Wir akzeptieren McTaggarts Widerspruchsbeweis bezüglich jeder solchen A-Theorie, welche die Gegenwart nicht existenziell auszeichnet. Ein ‚bewegtes‘ Jetzt, das sich relativ zu einer (unabhängig davon existierenden) C-Serie von Objekten oder Ereignissen bewegen soll, impliziert tatsächlich einen Widerspruch bzw. führt tatsächlich in einen vitiösen Regress, da dies immer neue Zeitdimensionen (Meta-Zeiten) erfordert. 15 Wir aber folgen William Lane Craig darin, dass „a pure A-Theory [also eine, wonach überhaupt nur Gegenwärtiges existiert] is immune to McTaggart’s argument“ (Craig, 2000a, 179). Daraus folgt jedoch noch nicht, dass eine „reine A-Theorie“ tatsächlich widerspruchsfrei wäre, ist doch gar nicht klar, worin denn die Bewegung der ‚immer wieder neuen‘ Gegenwart bestehen soll, wenn nicht in einer Relativbewegung. Über Craig hinausgehend müsste daher 13 14 15 Z.B. physikalisch über den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Denkbar wäre auch, den Unterschied zwischen einer B-Serie und einer C-Serie unerklärt zu lassen, ihn somit als grundlegend einfach hinzunehmen. Der Unterschied zwischen „temporal“ (im Sinne des früher-später) und „tempushaft“ (gegenwartsbezogen) ist für den Verlauf der gesamten Arbeit wesentlich: Es ist entsprechend immer wieder darauf zu achten, was in der Literatur munter durcheinander geht, ob in den jeweiligen Kontexten „zeitlos“ oder bloß „tempuslos“ gemeint ist. Aus demselben Grunde ist es unhaltbar, dass sich Objekte durch die Zeit (oder durch die Raumzeit) derart bewegen könnten, dass zuvor unbesetzte (Raum-)Zeitpunkte nach und nach besetzt würden. Daraus folgt nicht automatisch ein relationalistischer Standpunkt: Sehr wohl wäre damit vereinbar, dass es nur substantialistisch denkbare (‚ständig‘) unbesetzte (Raum-)Zeit-Punkte gibt. Die klassische Unterscheidung zwischen einer absoluten (substantialistischen) und einer relationalen Zeitauffassung, wie sie in der Leibniz/ClarkeKontroverse diskutiert wurde, ist also gar nicht unser Thema. Die Herausforderung besteht in der davon unabhängigen Unterscheidung von „absolut“ und „relativ“, also in der Abhängigkeit der Gleichzeitigkeit vom Bezugssystem. Zu den verschiedenen, voneinander unabhängigen Bedeutungen von „absolut“ vgl. Friedman (1983). Dabei bedeutet „absolut“ soviel wie „unabhängig“, und die Frage ist, unabhängig wovon: von der Materieverteilung oder vom Bezugssystem?