Verdi Rigoletto - Bodensee

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Da n i e l B r a n d e n b u r g
Verdi
Rigoletto
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DA N I E L B R A N D E N B U R G
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Weitere Bände der Reihe O P E R N F Ü H R E R K O M P A K T :
Detlef Giese  Verdi  Aida
Michael Horst  Puccini  Tosca
Robert Maschka  Beethoven  Fidelio
Clemens Prokop  Mozart  Don Giovanni
Olaf Matthias Roth  Puccini  La Bohème
Daniel Brandenburg ist Musiktheaterwissenschaftler. Seine Arbeits- und
Publikationsschwerpunkte liegen auf der italienischen Oper, der Geschichte
des Kunstgesangs sowie interpretationsgeschichtlichen Fragen. Er forscht
und lehrt an den Universitäten Salzburg, Bayreuth und Wien, ist als Mitherausgeber der Österreichischen Musikzeitschrift auch publizistisch tätig und
Autor zahlreicher Programmheftbeiträge für Opernhäuser, Festivals und
Konzertinstitutionen des In- und Auslands.
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OPERNFÜHRER KOMPAKT
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2012 Bärenreiter-Verlag Karl Vötterle GmbH & Co. KG, Kassel
Gemeinschaftsausgabe der Verlage Bärenreiter, Kassel, und
Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Leipzig
Umschlaggestaltung: Carmen Klaucke, Berlin, unter Verwendung eines Fotos
von Saša Novković (»Rigoletto«, HNK Zagreb 2005; Željko Lučić als Rigoletto und
Margareta Klobucar als Gilda)
Lektorat: Ilka Sührig
Innengestaltung: Dorothea Willerding
Satz: EDV + Grafik, Christina Eiling, Kaufungen
Korrektur: Kara Rick, Eberbach
Notensatz: Tatjana Waßmann, Winnigstedt
Druck und Bindung: GGP Media, Pößneck
ISBN 978-3-7618-2225-8 (Bärenreiter)  ISBN 978-3-89487-908-2 (Henschel)
www.baerenreiter.com  www.henschel-verlag.de
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Inhalt
»Rigoletto« – Musikdrama aus einem Guss 7
Verdis Leben und Werk im Spiegel seiner Zeit
11
Die frühen Jahre 11  Erste Schritte auf der Opernbühne 13 
»Nabuco­donosor« und die Galeerenjahre 14  Shakespeare auf der
Opernbühne: »Macbeth« 16  Wende zu einem intimeren Stil und
die »Trilogia popolare« 19  Auf der Höhe des Ruhms 21  Historische, biografische und werkspezifische Daten 24
28
Entstehung und Sujet
Entstehungsgeschichte 28  Die Handlung 40  Die Figurenkon­
stel­la­tion 41
45
Die musikalische und dramaturgische Gestaltung
Die einzelnen musikalischen Nummern im Werkzusammenhang 45  Essay: Pariser Boulevard, Verdis Musik und die Kunst
der Inszenierung 87
91
Inszenierungs- und Aufführungsgeschichte
Uraufführung und zeitgenössische Aufführungen 91  Neuere Inszenierungen 99  Die Kunst, Verdi zu singen 106  Sängerinnen
und Sänger: Große Namen für große Partien 110
114
Jenseits der Bühne
»Rigoletto« zwischen Salon, Konzerthalle und Straßenkonzert 114 
Interpreten: Künstlerische Highlights 117  »Rigoletto« als filmische Inszenierung 122  »Leierkasten-Melodien« oder »wahre Erfindung«? Resonanz und Rezeption 124
132
Anhang
Glossar 132  Zitierte und empfohlene Literatur 133  Abbildungsnachweis 135
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»Rigoletto«
Musikdrama aus einem Guss
Rigoletto, Il trovatore und La traviata gehören zu meinen persönlichen
Lieblingen in Giuseppe Verdis Schaffen. Die erste Verdi-Oper, die ich als
Schüler auf der Bühne gesehen habe, war La traviata, die nächste Rigoletto
und erst viel später kam Il trovatore hinzu. La traviata hat mich sofort
musikalisch eingenommen, bei Rigoletto war der Weg länger: Über die
Schallplatte und die Beschäftigung mit der Partitur während meiner Gesangsstudien führte er schließlich zu dem Ergebnis, dass ich es zu bedauern begann, mit einer Tenorstimme geboren worden zu sein. Die Partie
des buckligen Narren Rigoletto ist für jeden Bariton eine Herausforderung
und beflügelt sicherlich die Fantasie von so manchem jungen Sänger, der
von einer Bühnenkarriere träumt.
Für Giuseppe Verdi brachte die »Trilogia popolare« – die »populäre
Trilogie« aus Rigoletto, Il trovatore und La traviata die endgültige Etablierung als bedeutendster italienischer Opernkomponist seiner Zeit. Dieser
Status räumte ihm mehr denn je die Möglichkeit ein, seine musikdramatischen Ansichten auch gegen Widerstände durchzusetzen und zu neuen
formalen Lösungen zu finden. Mit Rigoletto wird sein Bestreben deutlich,
die konventionelle Nummernstruktur der italienischen Oper zugunsten
einer stärker an den dramatischen Anforderungen der Handlung orientierten musikalischen Gestaltung zu überwinden und damit ein Musikdrama
»aus einem Guss« zu schaffen. Hierin begann eine Entwicklung, die in
Otello und Falstaff ihre Vollendung fand.
Verdi sah die besondere Eignung des Rigoletto-Stoffs für die Opernbühne u. a. in der Titelfigur begründet: Er war der Ansicht, sie sei in ihren
dramatischen Qualitäten eines Shakespeare würdig. Wie viele seine Zeitgenossen bewunderte er die Art und Weise, wie der englische Dramatiker
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den handelnden Personen seiner Theaterstücke Konturen und Bühnenwirksamkeit zu geben wusste, rang deshalb lange Zeit mit King Lear als
möglichem Opernstoff. Dieses Projekt brachte er zwar nie zum Abschluss,
schuf jedoch mit Macbeth, Otello und Falstaff immerhin drei Werke, die
im Sujet eng mit Shakespeare verbunden sind. Den besonderen Platz, den
Shakespeare in Verdis Denken einnahm, kann man auch daran erkennen,
dass ausgerechnet seine beiden letzten Opernkompositionen im Stoff
bzw. in Motiven auf diesen zurückgehen. Sowohl Otello als auch Falstaff
sind Produkte künstlerischer Selbstverwirklichung eines berühmten alten
Meisters, der frei von wirtschaftlichen Zwängen nun endlich ausschließlich seinen künstlerischen Ideen nachgehen konnte. Sie sind damit vielleicht auch Ausdruck seines ganz persönlichen künstlerischen Credos.
Fest steht, dass Rigoletto Themen anspricht, die auch für ein modernes Publikum nachvollziehbar sind: Ein Krüppel und Narr, der als geduldete gesellschaftliche Randfigur nach Anerkennung sucht, »dazugehören« will, durch sein scheinbar angepasstes Verhalten aber erst recht den
Zorn seiner Umgebung auf sich zieht und damit sich selbst ins Unglück
stürzt. Darüber hinaus geht es um einen Vater, der um seine Tochter bangt
und das Schicksal, das manchmal grausam sein kann, häufig jedoch auch
nur die unabsehbare Konsequenz des eigenen Tuns ist.
Zugleich stellt der Stoff aber auch ein gesellschaftliches System
infrage. Ein zügelloser Vertreter der Upperclass macht sich an ein Bürgermädchen heran und entspricht darin so überhaupt nicht dem moralischen
Empfinden einer erstarkten, selbstbewussten bürgerlichen Gesellschaft.
In den politisch bewegten Zeiten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in denen überkommene Herrschaftsstrukturen zu Fall gebracht
wurden und neue um ihre Legitimation kämpften, barg eine solche Geschichte zumindest so viel Zündstoff, dass selbst die vergleichsweise liberale Obrigkeit in Venedig zunächst Bedenken hegte.
Der Stoff hat von Anfang an für Kontroversen gesorgt und tut es
auch heute noch. Victor Hugos Theaterstück Le Roi s’amuse wurde nach
der Uraufführung 1832 in Paris verboten, während Verdis Rigoletto zwar
vom Publikum gefeiert wurde, aber auch Kritiker auf den Plan rief, die das
Sujet für anstößig hielten und deshalb auch der Musik nur bedingt Anerkennung zollen wollten. Heute fühlt sich keiner mehr von einer buckligen
Titelfigur abgestoßen und auch ein lasterhafter Herzog wird nicht mehr
als Skandal wahrgenommen. Gleichwohl sehen wir uns dadurch herausgefordert, dass die Konflikte und ihre Protagonisten in ein zeittypisches
Gewand gekleidet sind, das je nach Sichtweise nicht oder nur schwer
vermittelbar zu sein scheint. Das führt immer wieder zu Inszenierungen,
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die Bühne und musikalischen Inhalt voneinander trennen, ja sogar dem
Textbuch und seiner musikalischen Umsetzung eine vollkommen konträre Bilderwelt und visuelle Deutung gegenüberstellen. Oper zieht aber
– eigentlich eine Binsenweisheit – ihre Faszination aus dem Zusammenwirken von Szene und Musik. Darüber hinaus ist sie, erst recht im Falle
von Giuseppe Verdi, schöpferisches Produkt eines Komponisten, der seine
Musik auf die Szene hin berechnet hat, weshalb ein Regisseur zunächst
einmal im eigenen Interesse in erster Linie Diener seines, wohlgemerkt
des Komponisten, kreativen Willens sein sollte. Verdis Rigoletto ist, wie
ich zeigen werde, im besten Sinne dramatische Musik, für ihre Zeit innovativ und auch heute noch wirkungsvoll.
Verdi lebte in einer Zeit der Umbrüche, die Gesellschaftsordnung
des 18. Jahrhunderts wurde beiseite gefegt, Italien hatte nach Jahrhunderten der territorialen Zersplitterung unter fremden Herrschern dank der
Besetzung durch Napoleon zum ersten Mal so etwas wie eine nationale
Einheit erlebt und wollte diese nicht mehr missen. Zugleich gelang es
den Italienern Schritt für Schritt an den technischen Innovationen und
Modernisierungen teilzuhaben, die die Länder Mittel- und Nordeuropas
im 19. Jahrhundert erfassten. Verdi musste deshalb seine Karriere anders
beginnen als frühere Künstlergenerationen, musste sich beispielsweise
zunächst auf einen bürgerlichen Mäzen und bürgerliche Musikinstitutionen stützen, ehe er als freischaffender Künstler und »Unternehmer seiner
selbst« den Durchbruch schaffte und zu
Szenenbild zum 1. Akt, 2. Bild.
beträchtlichem Wohlstand gelangte. Aber
genössischer Stich.
auch Verdis Denken und schöpferisches
Zeit­
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Tun wurden von den genannten Entwicklungen geprägt, sie haben sich
sowohl in seinen Kompositionen als auch in deren szenischer Realisierung niedergeschlagen. Neue technische Möglichkeiten in der Theatermaschinerie erlaubten neue, wirkungsvollere Effekte, die den Zuschauer
unmittelbarer als bis dahin möglich in ihren Bann ziehen konnten.
Aspekte der szenisch-musikalischen Umsetzung von Verdis Partitur bilden deshalb eine wichtige Facette des schöpferischen Denkens
des Komponisten. Sie prägten die Rezeption des Werks genauso wie die
Musik, von der teils enthusiastischen, teils kritischen Aufnahme der Uraufführung bis hin zu einigen Inszenierungen unserer Tage und deren
ebenfalls gespaltenem Echo. Sie zeigt, dass dieses Opernwerk bis heute
nichts von seiner Polarisierungskraft verloren hat und immer noch Publikum und Kritiker zu bewegen versteht.
Verdis Rigoletto ist aber auch ein Stück italienischer Opern- und
Interpretationsgeschichte. Bedeutende Sänger und Dirigenten haben sich
mit diesem Werk beschäftigt und zahlreiche Zeugnisse ihres künstlerischen
Wirkens hinterlassen. Baritone von Felice Varesi bis Leo Nucci, Tenöre von
Raffaele Mirate über Enrico Caruso bis Placido Domingo, Soprane von Teresa Brambilla bis Maria Callas, Renata Scotto und Diana Damrau haben
den jeweiligen Partien ihren Stempel aufgedrückt, sie der italienischen
Gesangspraxis entsprechend ausgestaltet, weitergetragen und verändert.
Auch das macht die lebendige Wirkungsgeschichte eines Opernwerks aus.
Oper ist Sehen und Hören: In der Frühzeit der Interpretationsgeschichte können wir uns aber leider nur auf schriftliche Äußerungen
stützen, ab der Wende zum 20. Jahrhundert kommen Tonaufzeichnungen hinzu, die uns wenigstens einen akustischen Eindruck vermitteln
können. Dieser Fortschritt ermöglicht uns aber, trotz fehlender visueller
Unterstützung (sie kommt erst im Zeitalter der DVD auf breiterer Basis
hinzu) künstlerischen Höhepunkten nachzuspüren und teilweise völlig
neue musikalische Facetten zu entdecken.
Die Fülle der Einspielungen, die seit 1912 – wenn man die Enrico
Carusos mit einbezieht seit 1900 – als Gesamtaufnahmen, Auszüge oder
auch im Rahmen von »Soloplatten« auf uns gekommen sind, zwingt zu einer Auswahl, die notgedrungen subjektiv ist, aber Lust auf mehr machen
soll. Die zunehmende Finanznot der Operntheater in den letzten Jahren
führt diese, um zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften, zu einer Weitervermarktung der Inszenierungen als Videoproduktionen. Sie werden
es künftigen Generationen sicherlich leichter möglich machen, über ein
weiteres spannendes Kapitel der Wirkungsgeschichte des Rigoletto nachzudenken.
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Verdis Leben und Werk
im Spiegel seiner Zeit
Die frühen Jahre
Giuseppe Fortunino Francesco Verdi wurde 1813 in Le Roncole in der
Provinz Parma im Königreich Italien geboren und wuchs im ländlichen
Milieu auf. Seine Eltern waren Gewerbetreibende, sein Vater Carlo Verdi,
der aus einer Familie mit Landbesitz stammte, die aber im Laufe der Jahre
verarmt war, betrieb in Le Roncole ein kleines Wirtshaus mit angeschlossenem Laden. Die Besetzung Italiens durch Napoleon hatte die politischen
Verhältnisse in Verdis Heimat grundlegend verändert und für seine Ausbildung eine schlechtere Ausgangsposition geschaffen, als er sie vielleicht
im Jahrhundert davor gehabt hätte. Die bis dahin kulturtragende Schicht
der finanzstarken adeligen Gönner, die der begabten Jugend die Ausbildung bezahlt und dann darauf gebaut hatte, dass die jungen Musiker nach
ihren Lehrjahren zum Ruhme ihres Brotgebers und Mäzens tätig sein
würden, gab es nicht mehr. Darüber hinaus verengte der Niedergang der
Privatorchester in adeliger Trägerschaft das Betätigungsfeld in der Musik
noch mehr auf den Bereich der Oper, der ohnehin voller Unwägbarkeiten
für ein aufstrebendes Talent steckte und einem Komponisten ohne eine
feste Anstellung nur selten ein Auskommen garantieren konnte.
Von Verdis Kindheit wissen wir, abgesehen von einigen wenigen
Anekdoten, recht wenig. Das musikalische Talent des Jungen wurde vom
Organisten der Dorfkirche, einem gewissen Don Baistrocchi entdeckt. Er
überredete den sparsamen Carlo dazu, seinem Sohn ein gebrauchtes Spinett
zu kaufen, das von einem Handwerker aus Gefälligkeit und in Anbetracht
des musikalischen Talents des Kleinen kostenlos instand gesetzt wurde.
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Mit zehn Jahren kam Verdi dann aufs Gymnasium nach Busseto
und versah nebenbei den Organistendienst in seiner Heimatgemeinde.
Ein wohlhabender Kaufmann, Antonio Barezzi, mit dem Carlo Verdi in geschäftlicher Verbindung stand, nahm Giuseppe schließlich in seiner Familie auf und wurde für ihn zu einem wichtigen Förderer. Barezzi war Gründer
und Präsident der örtlichen Philharmonischen
Gesellschaft, einer Vereinigung von Bürgern,
die ein Instrument spielten und gelegentlich
Konzerte gaben. Verdi schrieb für die Gesellschaft unzählige Stücke – Märsche, Ouvertüren, Kantaten, Klavierwerke –, die heute aber
verschollen sind.
Versuche, eine Anstellung in der heimatlichen Umgebung zu bekommen, schlugen
1829 fehl. Verdi hatte sich inzwischen in die älteste Tochter seines Gönners, Margherita Barezzi verliebt und wollte sie heiraten. Mit der Unterstützung Antonio Barezzis und einer karitativen Einrichtung konnte Verdi 1832 endlich
zur Aufnahmeprüfung am Konservatorium in Mailand fahren. Doch er fiel
durch, eine Enttäuschung, die ihn sein Leben lang beschäftigen sollte. Er
sei mit 18 Jahren zu alt und seine Spieltechnik am Klavier nicht mehr
korrekturfähig, war das Urteil der Prüfungskommission. Man empfahl
ihm, bei Vincenzo Lavigna, einem Schüler Giovanni Paisiellos, Privatunterricht zu nehmen. Barezzi willigte ein, weiter für die Finanzierung
der Ausbildung aufzukommen. Zu den Kuriosa der Geschichte gehört,
dass das Mailänder Konservatorium sich heute Conservatorio di musica
»Giuseppe Verdi« nennt und damit einen Mann ehrt, den es schmählich
abgelehnt hatte.
Als 1833 der Stadt-Musikus von Busseto starb, kam für Barezzi und
dessen Philharmonische Gesellschaft als Nachfolger nur Giuseppe Verdi
in Betracht. Nach längerem Hin und Her wurde Verdi 1836 zum Städtischen Musikdirektor ernannt und konnte endlich Margherita Barezzi
heiraten. Das geruhsame Leben in der Provinz schien ihn aber nicht zu
erfüllen. Mailand war eine aufstrebende Provinzhauptstadt, die sich trotz
der politischen Einschränkungen, die ihr die Herrschaft der Österreicher
auferlegte, zu einem kulturellen und wirtMargherita Barezzi, Verdis erste Frau,
schaftlichen Zentrum mit europäischer
starb im Alter von 26 Jahren an einer
Strahlkraft entwickeln wollte. Das Teatro
Gehirnentzündung.
alla Scala und sein Impresario Bartolomeo
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Merelli, der zugleich auch einer der Pächter des Kärntnertor-Theaters in
Wien war, boten ferner berufliche Chancen, die über Italien hinausreichten. Verdi ließ in den folgenden drei Jahren seine Kontakte zu dieser Stadt
nicht abreißen und bemühte sich um ein erstes Opernlibretto.
Erste Schritte auf der Opernbühne
Die Jahre in Busseto standen unter keinem guten Stern: Im August 1838
starb Verdis ältestes Kind, Virginia, im Alter von 17 Monaten und wenige
Wochen nach der Geburt ihres Bruders Icilio. Am 10. Mai 1839 kündigte
Verdi seine Stelle und zog mit seiner Familie nach Mailand. Einige Monate später starb auch Icilio, während sein Vater mit den Proben zu seiner
ersten Oper an der Scala beschäftigt war: Nach längeren Verhandlungen
hatte sich der Impresario Bartolomeo Merelli bereit erklärt, den Versuch
zu wagen und Verdi einen Opernauftrag zu erteilen. Am 17. November
1839 ging Verdis erste Oper Oberto, conte di San Bonifacio über die Bühne,
geschrieben auf ein Libretto des Hauslibrettisten der Scala, Temistocle Solera. Der Erfolg war nicht überwältigend, doch so groß, dass Merelli die
Anzahl der Aufführungen erhöhte. Der Mailänder Verleger Giovanni Ricordi kaufte ihm die Gesangspartitur des Oberto für 2.000 österreichische
Lire ab, eine damals recht ansehnliche Summe, und Merelli verpflichtete
den Komponisten für drei weitere Opern. Damit war der Anfang gemacht.
In Oberto begegnen wir in der Person des Titelhelden bereits dem Typus
des verletzten Vaters, der zwischen der Liebe zu seiner Tochter und dem
Wunsch, sich an ihrem Verführer zu rächen, hin- und hergerissen wird. Er
ist damit der erste Vorläufer des Rigoletto und wie dieser mit einer tiefen
Männerstimme besetzt (Bass).
Die große Zeit der Opera buffa war das 18. Jahrhundert und Gioachino Rossini war der Komponist, der auf der Schwelle zum 19. dieser
Gattung mit seinen spritzigen Rhythmen und musikalischem Witz zum
letzten Mal Glanz verleihen konnte. Verdi war kein Mann fürs Komische
und das musste auch Merelli lernen. Als dieser feststellte, dass ihm in
seiner nächsten Saison eine Buffa fehlte, entschied er sich nach längeren
Überlegungen für Il finto Stanislao. Um dem Textbuch, das ursprünglich
für einen anderen Komponisten geschrieben worden war, den Anschein
des Neuen zu geben, änderte man den Titel kurzerhand in Un giorno di
regno um. Die Premiere wurde ein Fiasko, vielleicht auch, weil Verdi aufgrund des Todes seiner Frau Margherita nicht so ganz bei der Sache war.
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