KP0606_18_Epilation 05.12.2006 14:52 Uhr Seite 18 Dermatologie Weiterbildung, Teil 6 Überbehaarung Bildung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin) oder auf der Einnahme von Medikamenten (Kortison, adrenocorticotropes Hormon = ACTH) beruhen. Als auslösende Faktoren kommen zudem das lokale Auftragen von Hormonsalben oder das Zupfen von Haaren in Frage (erworbene Hypertrichose). Schließlich kann eine übermäßige Behaarung ohne ersichtlichen Grund auftreten (idiopathisch). Der vermehrte Haarwuchs kann sich sehr unterschiedlich darstellen und sowohl das feine Lanugohaar (Fetalhaar) als auch Vellushaar (Wollhaar) und Terminalhaar (kräftiges Haar) betreffen. So kann beispielsweise das Lanugohaar nach der Geburt bestehen bleiben und anfangen zu wachsen. Von Hypertrichose spricht man auch, wenn sich bei Frauen an Rumpf, Beinen oder Gesicht feines Vellushaar in kräftiges, pigmentiertes, markhaltiges Terminalhaar umwandelt – naturbedingt bei südländischen Frauen. Dies erweckt den Anschein, als seien mehr Haare gewachsen. Der Eindruck trügt jedoch. Erblich bedingte Formen Für ein Zuviel an Körperbehaarung werden oft die Begriffe Hypertrichose und Hirsutismus synonym verwendet. Doch aufgrund der Ursachen und der daraus folgenden Behandlung sind beide Formen der Überbehaarung klar voneinander abzugrenzen. 18 Kosmetische Praxis Dezember 2006 te Überbehaarung ohne bestimmte Prädilektionsstellen. Hypertrichose Es gibt verschiedene Formen der Hypertrichose: Ein Zuviel an Körperbehaarung kann erblich bedingt sein (angeborene Hypertrichose), auf Störungen bei der KO N T R O L L F R AG E N 01. Was ist eine Hypertrichose? 02. Wie wird die Hypertrichose eingeteilt? Nennen Sie zwei Formen. 03. Welche erblich bedingten Formen der Hypertrichose gibt es? 04. Welche Formen der symptomatischen Hypertrichose kennen Sie? Nennen Sie fünf. 05. Welche Medikamente können eine Hypertrichose verursachen? 06. Was versteht man unter umschriebener Hypertrichose? 07. Was versteht man unter Hirsutismus? 08. In welche Formen wird der Hirsutismus eingeteilt? 09. Wie unterscheiden sich die beiden Formen? 10. Welche Erkrankungen können einem Hirsutismus zugrunde liegen? Foto: Bilderbox S ind die Haare an irgendwelchen Körperstellen dichter, dicker oder länger als „normal“, steht für den Laien klar im Vordergrund: Die Haare stören und müssen weg. Für den Fachmann ist es wichtig zu wissen: Wie ist das Behaarungsmuster verteilt und welche Ursachen liegen der Überbehaarung zu Grunde? Grundsätzlich ist eine Hypertrichose von einem Hirsutismus zu unterscheiden. Während im ersten Fall die vermehrte Behaarung definiert ist als Umwandlung wenig pigmentierter kurzer Vellushaare in gefärbte, dicke, markhaltige und lange Terminalhaare, versteht man unter Hirsutismus ein androgenabhängiges verstärktes Wachstum dicker Terminalhaare nach dem Muster der männlichen sekundären Geschlechtsbehaarung. Im ersteren Fall zeigt sich eine diffuse oder generalisier- Hypertrichose lanuginosa congenita Eine seltene, angeborene Erkrankung; hierbei beginnt das Lanugohaar nach der Geburt am gesamten Körper außer an den Handinnenflächen und Fußsohlen kontinuierlich bis auf eine Länge von zehn Zentimetern zu wachsen. Das Haarkleid bleibt so meist bis ins Alter bestehen. Lokale nävoide Hypertrichose Die Mehrbehaarung beschränkt sich auf umschriebene, lokale Herde, die auch auf Nävuszellnävi vorkommen (z.B. Becker Nävus). Ein Herd im Kreuzbeinbereich kann auf eine Spina bifida hinweisen. KP0606_18_Epilation 05.12.2006 14:52 Uhr Seite 19 Erworbene Formen Neben der genetischen Disposition sind Begleiterkrankungen, Medikamente und chronische, mechanische oder thermische Hautirritationen häufig die Ursache einer Hypertrichose. Symptomatische Hypertrichosen Ein vermehrter Haarwuchs kann häufig ein Symptom einer Erkrankung sein. Bei folgenden Krankheiten tritt eine Hypertrichose typischerweise auf: – Porphyrie: angeborene oder erworbene Störungen des Pigmentstoffwechsels, die auf spezifischen Enzymdefekten der Hämbiosynthese beruhen, lanugoartige Mehrbehaarung (erythropoetische Porphyrie), Mehrbehaarung im Bereich von Stirn, Schläfen und Kinn (erythropoetische/hepatische Protoporphyrie), Hypertrichose im Schläfen- und Jochbeinbereich sowie periorbital (Porphyria cutanea tarda = PCT) – Epidermolysis bullosa dystrophica: erblich bedingte blasenbildende Hauterkrankung – Mukopolysaccharidose (MPS/Hurler-Syndrom): angeborene lysosomale Speicherkrankheit – Osteochondroplasie: angeborene Knochenerkrankung – Gingivafibromatose: Zahnfleischwucherung, die vom Bindegewebe ausgeht – Cornelia-de-Lange-Syndrom: erblich bedingte Erkrankung mit multiplen Fehlbildungen – Trisomie 18: Genommutation (numerische Chromosomenaberration); i.d.R. nicht erblich bedingt, Chromosom (hier 18) liegt dreifach statt zweifach in den Körperzellen vor – Winchester-Syndrom: vererbte Genmutation; kommt bei Blutsverwandtschaft der Eltern vor – Hypo- oder Hyperthyreose – Schädel-Hirn-Trauma, Enzephalitis – Fehl- und Mangelernährung – Anorexia nervosa – Akromegalie – Tumoren – fetales Alkoholsyndrom – Polymyositis/Dermatomyositis: Autoimmunkrankheit Medikamentöse Hypertrichose Folgende Medikamente können – topisch oder systemisch verabreicht – die Ursache eines vermehrten Haarwuchses sein: – ACTH (adrenocorticotropes Hormon, Kortikotropin): das Hormon ist für die Synthese v.a. der Glukokortikoide in der Nebennierenrinde verantwortlich – Androgene (männliche Geschlechtshormone); z.B. in Anabolika enthalten – Ciclosporin (alte Schreibweise: Cyclosporin A): v.a. in der Transplantationsmedizin eingesetzt – Danazol: synthetisches Androgen, das zur Behandlung der Endometriose verwendet wird – Diazoxid: Wirkstoff in Arzneimitteln; wird verwendet bei Bluthochdruck und einem zu niedrigen Blutzucker – Diphenylhydantoin/Phenytoin: Antiepileptikum – Fenoterol: Antiasthmatikum – Glukokortikosteroide: Bezeichnung für Medikamente mit dem Inhaltsstoff Kortison KP0606_18_Epilation 05.12.2006 14:53 Uhr Seite 20 Dermatologie GLOSSAR ACTH: adrenocorticotropes Hormon, auch Stresshormon genannt; wird in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gebildet, regt die Nebennierenrinde dazu an, Cortisol und andere Glukokortikoide auszuschütten Akromegalie: abnorme Vergrößerung der Akren (= spitz endenden Körperteile, d.h. Nase, Kinn, Hände, Füße), verursacht durch eine wachstumshormonproduzierende Geschwulst des Hypophysenvorderlappens Androgene: männliche Sexualhormone; typische Vertreter: Testosteron, Androsteron, Androstendion, Dehydroepiandrosteron (DHEA) Anorexia nervosa: Magersucht diffus: ausgedehnt, unscharf begrenzt Endometriose: gutartige Wucherung von Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) außerhalb der Gebärmutter (Uterus) Enzephalitis: Gehirnentzündung fetal: den Fötus betreffend generalisiert: über den ganzen Körper verbreitet Genmutation: Veränderung des Erbguts einer Zelle, die nur ein Gen betrifft und durch ein verändertes Genprodukt erkennbar ist Genommutation: Veränderung des Erbguts einer Zelle, bei der die Chromosomenzahl geändert ist (numerische Chromosomenaberration) – Hexachlorbenzol: Wirkstoff in Mitteln gegen Parasiten (Kopfläuse und Krätze) – Interferone: Wirkstoffe in Arzneimitteln zur Therapie bei Multiple Sklerose, Hepatitis B/C, Krebs, schweren Viruserkrankungen 20 Kosmetische Praxis Dezember 2006 Häm: Bestandteil des Farbstoffs (Hämoglobin) der roten Blutkörperchen Hypo-, Hyperthyreose: Unter-, Überfunktion der Schilddrüse idiophatisch: ohne erkennbare oder nachweisbare Ursache Lanugohaar: Körperhaar des Fötus im Mutterleib (unpigmentiert, weich, kurz, ohne Mark) Ovar: Eierstock periorbital: in der Umgebung der Augenhöhle lokalisiert polyzystisch: mehrere Zysten enthaltend Somatotropin: Wachstumshormon symptomatisch: als Folge einer Erkrankung auftretend und nicht als eigenständiges Krankheitsgeschehen; auf die Symptome und nicht die Ursache (kausal) ausgerichtete Therapie Spina bifida: Spaltwirbel; angeborener Spalt in den Wirbelbögen Terminalhaar: dickes, meist pigmentiertes, markhaltiges Haar; das Kopfhaar, aber auch einige Stellen der postpubertären Körperbehaarung bestehen aus Terminalhaaren Vellushaar (= Flaumhaar): auch Intermediär- oder Zwischenhaar genannt; es ist kurz, dünn und hell. Es wächst auf der gesamten Körperoberfläche außer an den Handinnenflächen und Fußsohlen – Minoxidil: Medikament gegen Bluthochdruck und gegen Haarausfall (androgenetische Alopezie) – D-Penicillamin: Wirkstoff, der bei Schwermetallvergiftungen mit Blei, Cadmium oder Quecksilber und bei Rheuma zum Einsatz kommt – Psoralene: eingesetzt bei der photoaktivierten Chemotherapie zur Behandlung von Psoriasis, Vitiligo, Mastozytose, Lichen ruber planus und anderen Erkrankungen – Streptomycin: Antibiotikum, das z.B. bei bakteriellen Entzündungen eingesetzt wird Umschriebene Hypertrichose Eine umschriebene, d.h. nur an einer bestimmten Stelle auftretende, Überbehaarung kann sich unter anderem einstellen, wenn die Haut mechanisch oder thermisch irritiert wurde, wie zum Beispiel durch chronisches Hautbeißen oder aufgrund eines Gipsverbandes. Des Weiteren kann – wenn auch nur selten – nach entzündlichen Hauterkrankungen (zum Beispiel Ekzemen, chronisch venöser Insuffizienz) oder nach einer Warzenbehandlung eine umschriebene Hypertrichose auftreten. Hirsutismus Unter Hirsutismus versteht man einen übermäßigen Haarwuchs bei Frauen und Kindern mit männlichem Behaarungsmuster. Typische Lokalisationen sind Oberlippe (Damenbart), Kinn, vor dem Ohr gelegen (präaurikulär), zwischen den Brüsten und um die Brustwarzen, an den Schultern, an den Oberschenkelinnenseiten, an der Mittellinie des Bauches und eventuell den Zehenrücken. Die Behaarung ist also an androgenabhängigen Bereichen bevorzugt konzentriert. Man unterscheidet zwei Formen: die erbliche (hereditäre) Form und die endokrin bedingte Form. KP0606_18_Epilation 05.12.2006 14:53 Uhr Seite 21 Dermatologie Erblich bedingte Form Bei der erblichen Form ist in der Mehrzahl der Fälle ein Elternteil ebenfalls stark behaart. Der vermehrte Haarwuchs beginnt während der Pubertät und geht meist mit einem normalen Zyklus einher. Zur Diagnostik werden Konzentrationsbestimmungen der Hormone Testosteron und DHEAS (Dehydroepiandrosteronsulfat; in der Tumordiagnostik eingesetzt – die Werte sind erhöht wie bei endokrin bedingter Form) durchgeführt. Endokrin bedingte Form Bei diesem Typ fehlt die erbliche Belastung. Der Hirsutismus tritt plötzlich auf und ist nicht unbedingt mit der Pubertät vergesellschaftet. Der endokrin verursachte Typ ist oft mit Zyklusstörungen verbunden. Zur Diagnose werden die Werte von LH/FSH-Ratio (Polycystisches Ovarialsyndrom = PCOS), Testosteron, DHEAS (Androgendiagnostik), Östradiol (zur Beurteilung der ovariellen Aktivität), 3-Alpha-diol-Glucuronid (Maß für 5-Alpha-ReductaseAktivität), SHBG (= die Androgene bindendes Eiweiß im Blutplasma; korreliert mit den gebundenen Androgenen), TSH (Hypo- und Hyperthyreose) sowie Somatotropin (akromegale Patienten – bei ihnen wird das Wachstumshormon Somatotropin vermehrt produziert – weisen oft einen starken Hirsutismus auf) herangezogen. Symptomatischer Hirsutismus Folgende Erkrankungen bzw. physiologische Veränderungen kommen für eine verstärkte Wirkung von Androgenen und somit für die Entstehung von Hirsutismus ursächlich in Frage: – Erkrankungen endokriner Drüsen bzw. von Nebennierenrinde, Ovar (z.B. Polycystisches Ovarialsyndrom = PCOS, Morbus Cushing); führen zu einem erhöhten Androgenspiegel im Blut; ggf. wegen seltenen androgenproduzierenden Tumoren – Hypophysentumor (Hirnanhangsdrüse) – Androgenvorstufen werden vermehrt in aktive Hormone umgewandelt – es werden zu wenig Transporteiweiße (SHBG) produziert, so dass mehr freie und damit wirksame Androgene im Blut vorliegen; dies wird u.a. als Ursache für die Entwicklung eines Damenbartes im höheren Lebensalter angesehen – eine individuelle, meist vererbte Empfindlichkeit des Haarfollikels gegenüber Androgenen Grundsätzlich kann die Einnahme von Medikamenten (siehe Kapitel Medikamentöse Hypertrichose) einen Hirsutismus nach sich ziehen. Henriette Klein, Fachkosmetikerin mit Schwerpunkt Dermatologie Auflösung der Kontrollfragen „Akne“ – KOSMETISCHE PRAXIS 4/2006 01. Vorwiegend in der Pubertät, Spätakne im Erwachsenenalter. 02. Talgdrüsenfollikelreiche Hautareale im Gesicht, an Dekolleté und Rücken. 03. Talgdrüsenhyperplasie mit Seborrhoe, Überverhornung der Haarfollikel, bakterielle Besiedelung mit Propionibacterium acnes. 04. Medikamente, komedogene Lokaltherapeutika, Stress. 05. Acne comedonica, A. papulo-pustulosa, A. conglobata, A. cystica. 06. Acne fulminans, A. inversa, A. medicamentosa, A. cosmetica, Mallorca-Akne. 07. Spätakne (Acne tarda). 08. Kontrazeptiva, androgenhaltige Muskelaufbaupräparate, Glukokortikoide, Danazol, Lithium, hochdosierte Vitamin-B-Kombinationen (z.B. B6, B12) 09. Reinigen, Desinfizieren, Bedampfen, Ausreinigen – geschlossenen Komedo öffnen, Haut leicht auseinanderziehen und Komedo durch Hebebewegung entfernen. 10. Benzoylperoxid. 11. Bei vorliegender Schwangerschaft. 12. Bei schweren und tief liegenden Entzündungen. 13. Isotretionoin. 14. Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat, Ethinylestradiol. Auflösung der Kontrollfragen „Rosacea“ – KOSMETISCHE PRAXIS 5/2006 01. Meist tritt sie im mittleren Lebensalter zwischen 30 und 60 Jahren auf. 02. Stadium 1: flächenhafte, sich verflüchtigende Rötung im Gesicht, Teleangiektasien; Stadium 2: persistierende Rötungen, Gefäßerweiterungen, Pusteln und Papeln; Stadium 3: stark ausgeprägte Rötungen, Gefäßerweiterungen, tief liegende entzündete Knoten und Talgdrüsenhyperplasie, großporige Haut, verdickte ödematöse Entzündungen. 03. Rhinophym. 04. Eine Rosacea mit Beteiligung der Augen. 05. Ophthalmorosacea, Rosacea conglobata, R. fulminans, Lipoide R., Steroidrosacea, gramnegative R. 06. Genetische Disposition, gestörte Mikrozirkulation, Störungen des Magen-Darm-Trakts, hormonelle Störungen, Immunreaktion gegen Haarbalgmilben, Seborrhoe. 07. Hitze, Kälte, UV-Strahlung, Stress, scharfe Speisen, Kaffee, Tee, Alkohol, Rauchen, einige Medikamente, psychische Belastung. 08. Antibiotika, Vitamin-A-Säure, Isotretinoin, schwefelhaltige Pasten. 09. Regelmäßig ausreinigen, sanfte Lymphdrainage. 10. Bürstenmassagebehandlungen, Peelingbehandlungen, klassische Massagen, wärmeentwickelnde und okklusiv wirkende Masken. Kosmetische Praxis Dezember 2006 21 KP0606_22_Epilation 30.11.2006 16:32 Uhr Seite 22 Dermatologie Mit der Frage „Wie lassen sich unerwünschte Haare gezielt entfernen?“ sehen sich Kosmetikerinnen und Dermatologen häufig konfrontiert. Die Möglichkeiten der professionellen Haarentfernung sind heute vielfältig: Sie basieren auf physikalischen, chemischen oder auch pharmakologischen Prinzipien. Professionelle Epilation Unerwünschte Haare D er Wunsch nach Enthaarung hat in der überwiegenden Zahl der Fälle kosmetischen oder kulturellen, selten medizinischen Hintergrund. Eine professionelle Haarentfernung ist im Kosmetikinstitut, je nach Methode auch in der Dermatologischen Praxis angesiedelt. Den einzelnen Verfahren liegen unterschiedliche Prinzipien – physikalisch, chemisch, pharmakologisch – zu Grunde, auf die im Folgenden im Detail eingegangen wird. Mechanisches Prinzip Rasur: Die wohl am weitesten verbreiteten Methoden sind die Nass- und Trockenrasur. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Haare etwa auf das Niveau der Hautoberfläche kürzen. Dabei werden die Haare mit einer scharfen Klinge möglichst in Wuchsrichtung entfernt. Der zeitliche und ökonomische Aufwand ist bei dieser Methode sehr über- 22 Kosmetische Praxis Dezember 2006 schaubar. Nachteil: Die Rasur hält in den meisten Hautregionen höchstens wenige Tage an. Schon kurze Zeit danach fühlt sich die Haut wieder rau an, da die gerade abgeschnittenen Haare schnell nachwachsen. Ob nass oder trocken, eine Rasur kann die Haut irritieren und zu Brennen und Rötung führen. In der Regel lassen sich diese Begleitwirkungen minimieren, indem man genügend scharfe Klingen sowie einen für den Hauttyp geeigneten Rasierschaum oder ein geeignetes Rasiergel verwendet. Im Bereich der Achselhöhlen und Leisten, in dem Haut auf Haut liegt, verursachen oft nicht ausreichend gekürzte Haare irritative Hautreaktionen. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass bei der Rasur mikrobielle Erreger, wie Bakterien aus Follikulitiden oder Viren aus Warzen, verschleppt werden. Deshalb ist im Falle, dass im Rasurareal solche Hautveränderungen vorliegen, eine dermatologische Behandlung angebracht. Herausziehen: Ein weiteres mechanisches Verfahren stellt das Herausziehen der Haare entweder mittels Pinzette oder Wachs bzw. Zuckerpaste dar. Diese Haarentfernung auf Zeit – die Haarwurzel wird nicht zerstört – hat den Nachteil, dass sie manchmal ziemlich schmerzhaft ist. Während das Zupfen der Haare sich nur für Einzelhaare eignet, lassen sich mit der Wachs- oder Zuckermethode auch größere Hautareale enthaaren. Bei den Wachsbehandlungen unterscheidet man Kaltwachs- und Warmwachsbehandlungen. Kaltwachse enthalten gelöste Polymere, die auf der Hautoberfläche aushärten, nachdem das Lösungsmittel verdunstet ist. Warmwachse sind ein Gemisch aus Harzen und Wachsen, die durch Erwärmen verflüssigt und dann auf die Hautoberfläche gebracht wer- KP0606_22_Epilation 30.11.2006 16:32 Uhr Seite 23 Dermatologie den, wo sie schließlich aushärten können. Ein Vorteil der mechanischen Epilation besteht darin, dass bei exakter Durchführung die Haare komplett entfernt werden können und somit der Behandlungseffekt länger anhält. Des Weiteren ist die Entfernung sowohl von Terminalhaar als auch von Vellushaar möglich. Nachteilig ist vor allem die Gefahr der Verbrennung, wenn bei der Warmwachstechnik die Temperatur des Wachses zu hoch ist. Bezüglich des Herauszupfens von Augenbraunen ist aus dermatologischer Sicht darauf hinzuweisen, dass ein starkes kosmetisches Ausdünnen der Augenbrauen die mit dem Alter – vor allem bei Frauen – zunehmende und bleibende natürliche Ausdünnung verstärken kann. Von zu starker Entfernung der Haare der Augenbrauen ist daher abzuraten. Elektrischer Strom Eine der Methoden, die mit dem Ziel der bleibenden Haarentfernung angewendet werden, ist die Haarentfernung mittels elektrischem Strom in Form von Elektrolyse oder Thermolyse. Um die Fotos: Iris Gminski Die Elektroepilation erfordert viel Geduld Effektivität der Behandlung zu erhöhen, wendet man beide Methoden kombiniert an; man spricht dann von der Blend-Methode. Bei der Elektrolyse wird Gleichstrom mittels einer Elektrode in den Haarfollikel appliziert. Dabei wird elektrolytisch Natronlauge (NaOH) gebildet, die die Haaranlage verätzen und das Haarwachstum stoppen soll. Bei der Thermolyse wird hochfrequenter Wechselstrom (HFStrom mit Frequenzen zwischen 1 MHz und ca. 40 MHz) durch die Epilationsnadel geleitet, der Wassermoleküle Download-Ser vice Unter www.beauty-forum.de/kosprax finden Sie eine Liste der Anbieter von Elektroepilations- und Photoepilationsgeräten – einfach anklicken und herunterladen! zum Vibrieren bringt – es wird Reibung erzeugt – und somit zur Entstehung von Wärme führt. Dadurch werden die Proteine der Haarwachstumszellen in der Haaranlage denaturiert. Insgesamt gilt die Thermolyse als nicht so zuverlässig wie die Elektrolyse. Man benötigt jedoch weitaus weniger Zeit für die Behandlung. Im modernen Kosmetikinstitut wird vorwiegend die Blend-Methode eingesetzt; sie ist am effektivsten. Um die Behandlungszeit zu verkürzen und die Schmerzen zu reduzieren, kommt bei modernen Geräten kein kontinuierlicher Strom, sondern Impulsstrom zum Einsatz. Die Elektroepilation erfordert ein fundiertes Können. So ist die passende Nadel (Sonde) zu wählen; Letztere ist darüber hinaus korrekt und tief genug in den Haarkanal einzuführen. Ferner müssen die Stromintensität und die Zeit exakt stimmen, damit alle Haarwachstumszellen zerstört werden. Erfolgt die Behandlung nicht korrekt, sind Hautirritationen, Entzündungen oder sogar Narben die Folge. Die relativ zeitaufwendigen und unter Umständen schmerzhaften Methoden eignen sich prinzipiell für alle Haare (Gesicht und Körper); da jedoch Haar für Haar behandelt werden muss, sind sie für kleine Areale eher geeignet als für große Behandlungsflächen. Licht und Laser Kaum ein anderes Konzept zur Entfernung unerwünschter Haare dürfte in der jüngeren Zeit eine derartige Weiterentwicklung erfahren haben wie die Photoepilation – Enthaarung mittels Licht. Das Prinzip dieser Behandlungsweise beruht darauf, dass der Farbstoff Melanin im Haarfollikel bestimmte Wellenlängen des Lichtes – roter bis infraroter Bereich – absorbiert. Durch die aufgenommene Energie soll die Haaranlage selektiv zerstört werden; man spricht von der selektiven Photothermolyse. Da auch die umliegende Haut Melanin enthält – wenn auch geringer konzentriert –, gilt es, die Lichtenergie so zu dosieren, dass sie im Bereich der Haare ihre Wirkung entfaltet, ohne gleichzeitig die Haut zu schädigen. Optimale Behandlungsergebnisse lassen sich somit bei heller Haut und dunklen Haaren erzielen. Uneffektiv ist dagegen die Behandlung heller bzw. blonder Haare. Bei dunkler Haut besteht die Gefahr von Verbrennungen und Pigmentverschiebungen. IPL-Technologie: Hierbei wird nicht-kohärentes Licht (Kohärenz: alle Lichtanteile sind frequenz- und phasengleich) in einem breiten Wellenlängenspektrum von so genannten hochenergetischen Breitband-Blitzlampen (IPL; Intense Pulsed Light) verwendet. Diese emittieren Licht und Infrarotstrahlung zwischen 600 und 1.200 nm. Viele Systeme verfügen gleichzeitig über spezielle Filter, mit denen sich bestimmte Wellenlängenbereiche herausfiltern lassen, um das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen zu minimieren. Laser: Hierbei verwendet man monochromatisches (d.h. einfarbiges) Laserlicht, also gebündeltes Licht einer Wellenlänge. Derzeit werden vor allem langgepulste Rubinlaser (694 nm), Alexandrit-Laser (755 nm) und Diodenlaser (800/810 nm) sowie der gütegeschaltete/langgepulste Nd:YAG-Laser (1.064 nm) eingesetzt. Die Wahl des Lasers richtet sich neben den technischen Voraussetzungen (Wellenlänge, Impulszeit, Energiedichte) vor allem nach Hauttyp, Haarfarbe, Behandlungstiefe und Größe des Behandlungsareals. Wegen der Intensität der Behandlung und der zu beachtenden Aspekte bei der Lasertherapie gehören Laser zum medizinisch-dermatologischen Behandlungsspektrum. Derzeit gehen Experten davon aus, dass sich die Haarmenge – je nach Haarfarbe und Hauttyp – mit Hilfe von IPL und Laser zu etwa 40–80 Prozent reduzieren lässt. Hierfür sind mehrere Behandlungen in ganz unterschiedlichen Intervallen notwendig. Sehr viel Kosmetische Praxis Dezember 2006 23 KP0606_22_Epilation 30.11.2006 16:32 Uhr Seite 24 Dermatologie Die Photoepilation verspricht eine dauerhafte Haarentfernung schwieriger erscheint die permanente Haarentfernung. Die bisherige Studienlage deutet darauf hin, dass meist nach einer gewissen Zeit Wiederholungsbehandlungen erforderlich sind. Während die großflächige Anwendbarkeit beim IPL-Verfahren als Vorteil gesehen wird, gilt bei der Laserbehandlung die feine Abstimmung des Behandlungsareals als vorteilhaft. Nachteilig bei der oft kostenintensiven Photoepilation ist sicherlich der relativ hohe organisatorische Aufwand. So ist vor der Behandlung eine ausführliche Anamnese durchzuführen. Des Weiteren muss der Kunde über die Art der Behandlung sowie die Risiken und möglichen Nebenwirkungen schriftlich aufgeklärt werden. Außerdem sind die Kunden darin zu unterrichten, wie sie sich vor, während und nach der Behandlung zu verhalten haben (insbesondere Licht- und Hautschutz, Hautpflege). Chemische Depilation Neben den physikalischen Methoden stehen auch chemische Methoden zur Entfernung unerwünschter Haare in Form von Depilationspräparaten zur Verfügung. Ähnlich wie die Rasur ist es das Ziel, den Teil der Haare oberhalb der Hautoberfläche zu entfernen. Das Grundprinzip hierbei ist: Die Haare werden chemisch aufgeweicht, indem chemische Bindungen – Disulfidbrücken – mittels Reduktionsmitteln wie Alkali- und Erdalkalisalze der Thioglykolsäure oder Thiomilchsäure gelöst werden. Somit besteht prinzipiell eine große Ähnlichkeit zu Dauerwellpräparaten. Während allerdings bei Dauerwellen die Zahl der aufgebrochenen Disulfidbrücken begrenzt bleiben soll, haben Haarentfernungspräparate zum 24 Kosmetische Praxis Dezember 2006 Ziel, sämtliche Disulfidbrücken aufzubrechen. Neben Reduktionsmitteln beinhalten solche Präparate zudem Substanzen, die den pH-Wert erhöhen. Damit die chemischen Wirkstoffe die Disulfidbrücken angreifen können, werden überdies Detergenzien, welche den Talg von den Haaren lösen, und wasserbindende Substanzen, die die Durchlässigkeit der Haare erhöhen, den Haarentfernungsmitteln zugesetzt. Die Haare lassen sich nach einer gewissen Einwirkzeit von der Haut abwaschen. Im Vergleich zu anderen Methoden ist die gute Anwendbarkeit solcher Externa zu sehen. Der Effekt hält einige Tage an; nachwachsende Haare sind nicht so stoppelig wie bei einer Rasur. Allerdings eignet sich diese Methode nicht, um kräftiges Terminalhaar zu entfernen. Wegen ihrer alkalischen Eigenschaften – hoher pH-Wert – und der Tatsache, dass sich solche Produkte nicht ohne Hautkontakt aufbringen lassen, bergen sie jedoch ein besonderes irritatives Potenzial für die Haut. Insbesondere gegenüber der Thioglykolsäure können Kontaktallergien auftreten. Deshalb sind sie in keinem Fall auf irritierte oder sonstig veränderte Haut aufzutragen. Pharmakologische Variante Neben den physikalischen und chemischen Methoden ist seit einiger Zeit auch eine pharmakologische Behandlungsform zur Verminderung unerwünschter Behaarung verfügbar. Hierbei handelt es sich um den Wirkstoff Eflornithin. Dieser ist zur Therapie von unerwünschtem Haarwuchs im Gesicht bei Frauen (Hirsutismus) zugelassen. Das Prinzip der Eflornithin-Behandlung: die irreversible (nicht mehr rückgängig zu machende) Hemmung des Enzyms Ornithin-Decarboxylase. Diesem wird eine wichtige Rolle beim Zellwachstum und bei der Zelldifferenzierung – auch im Haarfollikel – zugeschrieben. So soll durch Hemmung des Enzyms das Haarwachstum gestoppt werden. Erste Studien zeigen nach einer Behandlungszeit von acht Wochen sehr gute Ansprechraten bei einem Drittel der Patientinnen. Bei einem weiteren Drittel war eine Wirkung registrierbar, das verbleibende Drittel sprach nicht auf die Behandlung an – was in der Regel nach einer solchen Behandlungszeit festzustellen ist. Als häufigste Nebenwirkung werden Brennen, Stechen und Kribbeln an der Haut angegeben. Auch Akne-artige Reaktionen sind registriert worden. Nach Absetzen der Behandlung gehen die Behandlungseffekte zurück. Die Vorteile dieser Behandlung ergeben sich aus der Einfachheit der Anwendung, sofern diese unter Beachtung der Anwendungsbestimmungen als medizinisch angezeigt angesehen werden kann. Die Nachteile ergeben sich aus möglichen nicht erwünschten Wirkungen. Nachteil: Erst nach acht Wochen kann man sicher ermitteln, ob die Therapie angesprochen hat. Dr. Tilmann Reuther, Studiengang Kosmetik und Körperpflege, Department Chemie, Universität Hamburg BUCHTIPP Apparative Kosmetik – Das Buch von Dr. rer. nat. habil. Ilja Kruglikov aus der BEAUTY FORUM Edition erläutert die biophysikalischen Grundlagen der Apparativen Kosmetik sowie verschiedene Methoden und Geräte. Ob mechanische Methoden, Wärmebehandlungen, Elektrokosmetik, Ultraschall, Bedampfung oder apparative Haarentfernung – umfassender werden Sie nirgendwo sonst informiert. 80 Seiten, Softcover, bebildert, 29,90 € Das Buch können Sie bestellen bei unserem BEAUTY FORUM Profi-Shop: telefonisch bei Gabriele Hagner, Tel. 0721 165-122, oder im Internet unter www.beauty-profi-shop.com