Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 14 1etv2-1 2 2.1 2.1.1 Grundbegriffe elektrischer Stromkreise Mechanismus der elektrischen Strömung Stromkreis Der Lernende kann den Begriff des elektrischen Stromkreises definieren einfache Stromkreise aus idealen Grundschaltelementen der Elektrotechnik entwerfen den Begriff elektrische Schaltung definieren Wir wollen von bekannten Dingen ausgehen und ein einfaches Experiment an den Anfang stellen. Ein Glühlampe (Verbraucher) ist über einen Schalter an eine Batterie (Quelle) angeschlossen. Wir wissen, dass die Batterie einen Pluspol und einen Minuspol besitzt. Mit der tieferen Bedeutung dieser Bezeichnungen wollen wir uns später beschäftigen. Schließen wir den Schalter, beginnt der Glühlampe zu leuchten. Als Ursache dieser Erscheinung führen wir eine elektrische Strömung ein. Diese Strömung kann sich aber nur dann ausbilden, wenn vom Pluspol der Batterie über Schalter und Glühlampe bis zum Minuspol der Batterie eine geschlossene leitende Verbindung besteht. Einen solchen geschlossenen Kreis nennen wir einen Stromkreis. In Abschnitt 1.2 wurden ideale Grundschaltelemente der Elektrotechnik für Quellen, Leitungen, Verbraucher und Speicher eingeführt. Um Stromkreise aufzubauen, werden in der Praxis noch weitere Schaltelemente benötigt: Schalter: Messgeräte: Sicherungen Zu- und Abschalten von Anlagenteilen Bestimmung der Zustandsgrößen Schutzeinrichtungen, um die elektrische Anlagen und ihre Benutzer vor Schäden zu bewahren Zur übersichtlichen Darstellung der Geräte und deren Verbindungsleitungen werden Schaltbilder verwendet. Neben den Symbolen der Grundschaltelemente werden Symbole für Schalter, Messgeräte und Schutzeinrichtungen eingeführt. In den Schaltbildern werden die Verbindungsleitungen zwischen den Symbolen der Schaltelemente waagerecht und senkrecht dargestellt. In Abb. 2.1.1 liegt ein Stromkreiskreis vor, der von der Quelle über den Innenwiderstand Ri Schalter S und Außenwiderstand Ra führt. Ist der Schalter S geschlossen, tritt eine durch die Quelle hervorgerufene Strömung auf. Mit idealer Quelle und Widerstand Ri beschreiben wir eine reale Batterie, der Widerstand Ra stellt einen Verbraucher (Glühlampe) dar. Ri Quelle Abb. 2.1.1. S Ra Einfacher Stromkreis (Grundstromkreis) Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 15 1etv2-1 2.1.2. Wesen der elektrischen Strömung Der Lernenden kann mit Elektronen und Protonen und deren Ladung sowie Neutronen als wesentliche Elementarteilchen den Atomaufbau nach dem Borschen Atommodell beschreiben den Begriff und das Zustandekommen frei beweglicher Ladungsträger erklären die Begriffe Elektronenströmung und Ionenströmung erklären die positive elektrische Strömung und die Elektronenströmung anhand eines einfachen Stromkreises mit Spannungsquelle und Verbraucher erklären Weil wir die Wirkungen der elektrischen Strömung nur in geschlossenen Stromkreisen beobachten, haben wir die Modellvorstellung, dass die elektrische Strömung eine Bewegung von "Elektrizitätsteilchen" ist, die im Stromkreis bewegt werden. Da im metallischen Leiter kein Materialtransport beobachtet werden kann, nehmen wir an, dass sich nicht die Metallatome selbst, sondern nur Bausteine der Atome bewegen. Welcher Art diese Teilchen sind, soll das folgende Experiment ergeben: Eine Styroporkugel (Probekörper PK) hängt an einem Faden. Des Weiteren brauchen wir einen Glasstab und einen Bernstein- oder Hartgummistab. In Abb. 2.1.4 ist die Geräteanordnung schematisch dargestellt. - + Probekörper Glasstab Bernsteinstab Abb 2.1.4 Experiment zum Nachweis positiver und negativer Ladungen Wir führen nun folgende Experimente durch: 1. Der Glasstab wird mit einem Wolltuch gerieben und anschließend der PK berührt. Ergebnis: Der PK wird abgestoßen. 2. Der Bernsteinstab wird mit einem Wolltuch gerieben und anschließend der PK berührt. Ergebnis: Der PK wird abgestoßen 3. Glasstab und Bernsteinstab werden mit einem Wolltuch gerieben und in die in Abb. 2.1.4 gezeigte Lage gebracht. Wird PK kurzzeitig mit dem Glasstab berührt, erfolgt Abstoßung und Anziehung durch den Bernsteinstab. Berührt PK den Bernsteinstab, erfolgt Abstoßung und Anziehung durch den Glasstab. Der Vorgang wiederholt sich nun, der PK pendelt ständig mit Berührung zwischen den beiden Stäben hin und her. Das Experiment lässt sich durch die Annahme erklären, dass es zwei Arten von "Elektrizitätsteilchen" gibt, die Kräfte aufeinander ausüben. Sie sind gekennzeichnet Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 16 1etv2-1 durch eine Eigenschaft, die wir als Ladung bezeichnen. Die beiden unterschiedlichen Ladungen werden durch positives und negatives Voreichen gekennzeichnet. Beim Reiben des Glasstabes mit dem Wolltuch wurde dieser positiv geladen, das Reiben des Bernsteinstabes führte zu seiner negativen Ladung. Die Festlegung der positiven und negativen Ladung erfolgte durch den deutscher Physiker und Schriftsteller Lichtenberg (1744-1799) ohne Kenntnis der inneren Zusammenhänge der Atome und ist bis heute beibehalten worden. Berührt man mit den geladenen Stäben den PK, so nimmt dieser Ladungen auf, er wird geladen. Geladene Körper üben Kräfte aufeinander aus. Ladungen gleichen Vorzeichens stoßen sich ab, Ladungen ungleichen Vorzeichens ziehen sich an. Werden positiv und negativ geladene Körper zusammengebracht verschwindet die Kraftwirkung. Diesen Vorgang nennt man Ladungsausgleich, die Körper werden dabei entladen. Die elektrische Strömung wird durch mit Ladung versehene Masseteilchen getragen. Nach dem Borschen Atommodell (Abb. 2.1.2) bestehen Atome aus einem Kern und einer Hülle. Der Kern wird aus positiv geladenen Protonen und elektrisch neutralen Neutronen gebildet, während auf verschiedenen Schalen der Hülle negativ geladenen Elektronen kreisen. Vollständige Atome weisen gleichviel Elektronen in der Hülle wie Protonen im Kern auf, so dass sie nach außen als elektrisch neutral auftreten. Die Elementarteilchen des Atoms tragen mit positivem (Protonen) und negativem Vorzeichen (Elektronen) die Elementarladung e, als kleinste nicht mehr teilbare Ladung. In Tabelle 2.11 sind die Elementarteilchen mit Masse und Ladung zusammengestellt. Jede beliebige Ladung ist ein ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung positiver Kern Q = ±N ⋅ e ELEKTRON PROTON NEUTRON negative Elektronenhülle Abb. 2.1.2 Borsches Atommodell (2.1.01) QE = -e = - 1.6021892⋅10-19 As 0.9109⋅10-30 kg mE = QP = e = 1.6021892⋅10-19 As 1.66725⋅10-27 kg mP = QN = 0 mN = 1.6748⋅10-27 kg Tab. 2.1.1 Zusammenstellung der Elementarteilchen Die Schalen der Atomhülle können mit einer maximalen Zahl von Elektronen besetzt sein. Das trifft aber nur für die Edelgase zu. Weicht die Zahl der Elektronen auf der äußersten Schale von der maximal möglichen Besetzung ab, werden diese Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 17 1etv2-1 Elektronen Valenzelektronen genannt. Während die Elektronen voll besetzter innerer Schalen fest in das Atom eingebunden sind, können die Valenzelektronen oder freien Elektronen leicht vom Atom getrennt und auf andere übertragen werden oder frei bestehen. Das elektrische Gleichgewicht innerhalb eines Atoms wird durch die Entnahme eines oder mehrerer Elektronen gestört, so dass ein Atomrumpf als positiv geladenes Ion entsteht. Diesen Vorgang nennt man Ionisation. Ein Atom, dem ein oder mehrere Elektronen zugeführt werden, wird zu einem negativen Ion. Die dem Atom entnommenen Elektronen sind frei bewegliche Ladungsträger und ermöglichen die Stromleitungsvorgänge. Die Zahl der frei beweglichen Ladungsträger pro Stoffvolumen ist das Kriterium, mit dem die Werkstoffe der Elektrotechnik in Leiter, Halbleiter oder Nichtleiter (Isolatoren) unterschieden werden. Die hohe Leitfähigkeit der Metalle beruht auf der Elektronenleitung. Durch Zufuhr von Wärme werden die Metallatome ionisiert. Es bildet sich ein Raumgitter aus feststehenden positiven Metallionen (Atomrümpfe) und frei beweglichen Elektronen (Elektronengas). Insgesamt ist das Metall elektrisch neutral. In Abb. 2.1.3 ist das Raumgitter eines Metalls und das Elektronengas schematisch dargestellt. In ionisierten Gasen und Elektrolyten (elektrisch leitenden Flüssigkeiten) kommen neben den positiv geladenen Ionen auch negativ geladenen Ionen vor. Elektrolyte werden durch den Ladungstransport chemisch verändert, wir sprechen von Ionenleitung. frei bewegliche Elektronen (Elektronengas) feststehende postive Atomrümpfe Abb. 2.1.3. Raumgitter eines Metalls mit Elektronengas Ideale Nichtleiter besitzen keine beweglichen Ladungsträger. Diese Stoffe können jedoch elektrisch geladen werden, sie verfügen dann über ortsfeste elektrische Ladungen, die felderzeugend wirken. In Leitern können elektrische Felder wegen des Ladungsausgleichs nur unter ständiger Energiezufuhr aufrecht erhalten werden. Elektronenströmung Im Metall (metallische Leitung) bewegen sich die freien Elektronen im Gitter der Atome ungeordnet (Wärmebewegung) ähnlich wie die Moleküle eines Gases oder einer Flüssigkeit. Diese freien Elektronen werden deshalb auch Elektronengas oder Elektronensee genannt. Durch die Wirkung einer Quelle bewegen sich die freien Elektronen nun zusätzlich in einer Richtung. Ursache dieser gerichteten Bewegung ist, dass die Quelle ein elektrisches Feld aufbaut, unter dessen Wirkung die Elektronen eine Kraft erfahren. Elektronenströmung tritt auch auf beim Durchgang einer Ladung durch das Vakuum wie es in Elektronenröhren erfolgt. In Halbleitern liegt eine wesentlich geringere Zahl freier Ladungsträger vor. Halbleiter können durch spezielle Fertigung (Dotierung) zusätzliche Elektronen freisetzen. Wir sprechen dann von n-Halbleitern, und es liegt Elektronenströmung vor. Werden bei der Dotierung Elektronen anlagert, entsteht ein p-Halbleiter. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 18 1etv2-1 Die elektrische Strömung wird in diesem Fall von positiven Elementarladungen getragen. Wir sprechen von Löcherströmung. Ionenströmung Bei der Ioneneströmung werden die elektrische Ladungen nicht mit Elementarteilchen sondern mit Atomen oder Molekülen befördert. Die stofflichen Träger haben in der Hülle mehr Elektronen als positive Kernladungen (negative Ionen) oder ein Elektronen weniger (positive Ionen). Ionenströmung liegt bei der elektrolytische Leitung und bei Entladungserscheinungen in Gasen vor. Als positive Richtung der elektrischen Strömung wurde die Bewegungsrichtung ausgeschiedener Metalle (positive Ionen) in elektrolytischen Lösungen festgelegt. Im Sinne der Polaritätsbezeichnung einer Quelle (Pluspol; Minuspol) ist diese Strömung im äußeren Stromkreis die Bewegung positiver Ladungen. Das wird auch heute als positive Strömungsrichtung verwendet, obwohl in Metallen die Strömung durch Elektronen (negative Ladungen) getragen wird. Die Strömungsbewegung wird als die Bewegungsrichtung positiver Ladungen definiert. G vp In Abb. 2.1.5 ist die Strömung positiver Ladungen mit dem GeschwindigkeitsG vektor der positiven Ladungsträger v p und die Elektronenströmung mit der Geschwindigkeit der negativen G Ladungsträger v n eingetragen. + Uq - G vn R Abb. 2.1.5 Strömungsrichtung positiver und negativer Ladungen im Stromkreis Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 19 1etv2-1 2.1.3 Leiter, Halbleiter, Nichtleiter Der Lernende kann die Dichte der frei beweglichen Ladungsträger in Stoffen definieren mit der Ladungsträgerdichte die Stoffe hinsichtlich ihrer elektrischen Strömungseigenschaften in Leiter, Halbleiter, Nichtleiter einteilen die Begriffe injiziertes Vakuum und Plasma erklären Leiter sind Stoffe, in denen ohne ein äußeres elektrisches Feld eine große Zahl frei beweglicher Ladungsträger vorhanden ist. Elektronenleiter sind Metalle und Kohlenstoff. Abb. 2.1.6 zeigt das Modell eines Elektronenleiters mit positiven ortsfesten Atomrümpfen und frei beweglichen Elektronen. Die Menge der freien Ladungsträger pro Volumeneinheit wird durch die Ladungsträgerdichte angegeben N p = p Dichte der positiven Ladungsträger V Nn n= Dichte der negativen Ladungsträger V - + + - + Elektron ortsfester Atomrumpf - - + Abb. 2.1.6 - + Elektronenleiter Beispiel: Kupfer nCu = 8.6⋅1022/cm3 Np Zahl der positiven Ladungsträger Nn Zahl der negativen Ladungsträger V Volumen Ionenleiter sind Elektrolyte und ionisierte Gase, es liegen positive und/oder negative Ionen vor. Abb. 2.1.7 zeigt das Modell eines Ionenleiters mit positiven und negativen Ionen () neg. - pos. Ionen + - + + Abb. 2.1.7 - Ionenleiter In Halbleiter liegt Elektronen- und Defektelektronenleitung (Löcherleitung) vor. Defektelektronen (Löcher) sind von Elektronen nicht besetzte Plätze im Valenzband, die somit als frei bewegliche positive Ladungsträger erscheinen. Die Ladungsträgerdichte ist im Vergleich mit der der Metalle um viele Zehnerpotenzen geringerer. Hinsichtlich der Ladungsträgerdichte werden Halbleiter unterteilt in eigenleitende Halbleiter; n-Halbleiter und p-Halbleiter Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 20 1etv2-1 Bei eigenleitende Halbleitern wird die Eigenleitdichte ni definiert. Es gilt dabei: ni = n = p Abb. 2.1.8 zeigt das Modell eines eigenleitenden Halbleiters mit einem negativem Elektron und einem positiven Defektelektron. Für Silizium bei 300 K ist die Eigenleitdichte: ni = 1.5 ⋅ 1010 cm−3 n-Halbleiter Dotierung mit ortfesten Störstellen, die Elektronen abgeben. Diese Störstellen werden Donatoren (As bei Si) genannt. Für n-Halbleiter gilt: n ni p ( Elektron - + + Defektelektron Abb. 2.1.8 - eigenleitender Halbleiter Donator + + Elektron - ) n = 1012...1020 cm−3 für n-Si Abb. 2.1.9 zeigt das Modell eines nHalbleiters mit positivem ortsfesten Donator und einem Elektron p-Halbleiter Dotierung mit ortfeste Störstellen, die Löcher abgeben. Diese Störstellen werden Akzeptoren (B bei Si) genannt. Für p-Halbleiter gilt: p ni n ( Abb. 2.1.9 n-Halbleiter Akzeptor + - + Defektelektron - ) p = 1012...1020 cm−3 bei p-Si Abb. 2.1.10 zeigt das Modell eines pHalbleiters mit negativem ortsfesten Akzeptor und einem Defektelektron In Nichtleitern (Bernstein, Quarz, Glas, Keramik, Isolierstoffe) ist die Zahl der frei beweglichen Ladungsträger vernachlässigbar. Abb. 2.1.10 p-Halbleiter - + Übersteigt die elektrische Feldstärke zulässige Werte erfolgt Ionisierung und ein Durchschlag mit der Ausbildung eines Abb. 2.1.11 Lichtbogens. In Abb. 2.1.11 ist das Modell eines Nichtleiters gezeigt. Nichtleiter Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 21 1etv2-1 Ein Ideales Vakuum ist ein idealer Nichtleiter. Im Vakuum ist die Ladungsbewegung unter Feldeinfluss möglich, wenn Ladungsträger injiziert werden. Die Injektion von Elektronen kann durch einen glühenden Metalldraht mittels Glühemission erfolgen. Abb. 2.1.12 zeigt das Modell eines Vakuums mit injizierten Elektronen Plasma Gase sind normalerweise Nichtleiter. Durch starke Felder, hohe Temperatur oder kosmische Strahlung ist allerdings Ionisation möglich. Es entstehen positive Ionen und Elektronen sowie in geringem Umfang negative Ionen. Ein solches ionisiertes Gas wird Plasma genannt. Abb. 2.1.13 zeigt das Modell des Plasmas. - + injizierte Elektronen - - - Abb. 2.1.12 injiziertes Vakuum positive Ionen + + - + - Abb. 2.1.13 Elektronen - Plasma 2.1.4. Wirkungen der elektrischen Strömung Der Lernende kann die technisch wichtigen Wirkungen der elektrischen Strömung nennen Zur Wahrnehmung der elektrischen Strömung hat der Mensch kein Sinnesorgan. Die Ladungsträgerbewegung in einem Leiter lässt sich nur durch die Veränderungen im oder in der Umgebung des Leiters wahrnehmen. Technisch wichtige Wirkungen der elektrischen Strömung sind: Magnetische Vorgänge, Magnetfeldwirbel mit mechanischen Kraftwirkungen in der Umgebung des Leiters auf bewegte Ladungen, ferromagnetische Stoffe und Magnete Erzeugung von Wärme und Licht Wärmewirkung in allen Leitern, Halbleitern und Isolierstoffen. Ursache sind elementare Stoßprozesse bei der Ladungsbewegung Chemische Wirkungen Chemische Zersetzung der in elektrolytischen Lösungen enthaltenen Moleküle Physiologische Wirkungen im lebenden Organismus Muskel- und Nervenreaktionen, chemische Zersetzung, Wärmewirkung, Tod Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 22 1etv2-1 2.2 2.2.1 Elektrischer Strom Elektrische Stromstärke Der Lernende kann die Begriffe Konvektionsströmung und Verschiebungsströmung erklären die elektrische Stromstärke definieren die elektrische Stromstärke bei Bewegung positiver Ladungsträger berechnen den Zählpfeil der elektrischen Stromstärke anwenden Die elektrische Strömung ist eine Ladungsbewegung. Da Ladungen immer an Massen gebunden (Elektron, Ion) vollzieht sich mit der elektrischen Strömung auch eine Massebewegung. Die durch Ladungsbewegung getragene elektrische Strömung wird als Konvektionsströmung bezeichnet. Analoge Strömungsverhältnisse liegen bei der Wasserströmung oder bei einem Fahrzeugstrom vor. Die auf der Konvektionsströmung beruhenden Probleme werden in den Kapiteln 2 und 3 behandelt. Neben der elektrischen Konvektionsströmung gibt es aber auch eine elektrische Strömung ohne Massebewegung. Sie entsteht durch zeitliche Ladungsänderungen bei Nichtleitern. Diese elektrische Strömung wird Verschiebungsströmung genannt. Gemeinsames Kennzeichen beider Strömungen ist das Entstehen eines Magnetfeldwirbels In Abb. 2.2.1 sind zwei durch einen isolierenden Luftraum getrennte Metallplatten an eine technische Stromquelle angeschlossen. Die Quelle treibt eine konstante Konvektionsströmung an. In den Leitungen werden Ladungen bewegt. Als Ergebnis der Ladungsbewegung entsteht um die Leiter ein Magnetfeldwirbel. An den Metallplatten endet die Ladungsbewegung, auf den Platten ist jedoch eine zeitliche Ladungsänderung registrierbar, die in ihrer Größe der Ladungsbewegung je Zeiteinheit in den Drähten entspricht. Im Feldraum zwischen den Platten entsteht ein zeitlich veränderliches elektrisches Feld, und als Ergebnis ist im Feldraum quantitativ der gleiche Magnetfeldwirbel nachweisbar. Ik Φ Iq Iv Φ Φ Ik Abb. 2.2.1 Konvektions- und Verschiebungsstrom Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 23 1etv2-1 Die elektrische Strömung wird durch die elektrische Stromstärke quantifiziert. Definition der elektrischen Stromstärke: Ladungsmenge ∆Q, die durch einen bestimmten Querschnitt A in einer bestimmten Richtung in der Zeit ∆t bewegt wird. I= Definitionsgleichung: ∆Q ∆t (2.2.01) Maßeinheit [I] = A Das Ampere ist über die Kraftwirkung elektrischer Ströme im Magnetfeld definiert: 1 A ist die Stromstärke eines konstanten elektrischen Stromes durch zwei geradlinige. parallele, unendlich lange Leiter von vernachlässigbarem Querschnitt, die den Abstand 1 m haben und zwischen denen im Vakuum die durch den Strom hervorgerufene Kraft je 1 m Doppelleitung F = 0.2 ⋅ 10−6 N beträgt. Mit der Definitionsgleichung der Stromstärke in der angegebenen Form kann man aber nur die mittlere Stromstärke im endlichen Zeitintervall ∆t bestimmen. Um die Stromstärke zu einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln, muss das Zeitintervall ∆t sehr klein gewählt werden. Selbstverständlich wird damit die Ladungsmenge ∆Q auch immer kleiner. Handelt es sich um eine zeitlich konstante Strömung, bleibt der Quotient ∆Q / ∆t und damit die Stromstärke von der Intervallverkleinerung unberührt. Theoretisch kann ∆t = 0 werden. Da dann auch ∆Q = 0 , ist der Quotient 0/0 nicht mehr bestimmbar. Um das Problem zu beschreiben, führt die Mathematik hier neue Größen ein, die als differenzielle Größen bezeichnet werden. Der Übergang von den Differenzengrößen ∆Q = Q ( t 2 ) − Q ( t1 ) und ∆t = t 2 − t1 zu den differenziellen Größen wird mathematisch als Grenzwertbildung (Limes) bezeichnet. ∆Q dQ = ∆t →0 ∆t dt lim (2.2.02) ∆Q dQ . für ∆t gegen Null ist dt ∆t Praktisch bedeutet es, das wir mit dem Differenzialquotienten dQ / dt umgehen können wie mit dem Differenzenquotienten ∆Q / ∆t , nur dass es sich am die Größen einer sehr kleinen Zeitdifferenz handelt. Wir haben damit die Möglichkeit, die elektrische Stromstärke für einen Zeitpunkt zu definieren und damit auch zeitlich veränderliche Ströme zu beschreiben. Die Beziehung lautet verbal: Der Grenzwert von i= dQ dt (2.2.03) Wir wollen in der weiteren Behandlung des Stoffes mit diesen differenziellen Größen arbeiten, wobei wir die Betrachtung auf eine differenzielle Länge ds, ein differenzielles Volumen dV anwenden wollen. Mit der differenziellen Länge ds können wir die Geschwindigkeit zu einem Zeitpunkt bestimmen: v = ds / dt . Das differenzielle Volumen lässt sich aus einer Fläche A und der Höhe ds berechnen zu dV = A ⋅ ds . Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 24 1etv2-1 Im Folgenden wollen wir die Stromstärke berechnen. Wir betrachten dazu Abb. 2.2.3, wobei zunächst nur Strömung positiver Ladungsträger betrachtet wird. Auf Grund der Ladungsträgergeschwindigkeit vp wird in der Zeit dt die Wegstrecke dsp zurückgelegt. Die beiden Bilder in Abb. 2.2.3. zeigen die Strömung zu den Zeiten t und t + dt . Während der Zeit dt hat sich die Ladungsträgermenge dQp, die sich in dem farbig angelegten Volumen dV befindet, durch die Querschnittsfläche A bewegt. Mit der Berechnung von dQp kann die Stromstärke bestimmt werden. dQp i= dt ds dQp = e ⋅ p ⋅ dV dV = A ⋅ dsp vp = p dt dQp = e ⋅ p ⋅ A ⋅ dsp i = e⋅p ⋅ A ⋅ I vp dsp dt + + + + + + + + + + + + + + + + + + dsp vp = dsp/dt I vp (2.2.04) = e ⋅ p ⋅ A ⋅ vp + + + + + + + + + + + + + + + + + + vn - dsn A dsp + t vp - t+dt t+dt Abb. 2.2.3 vp vn t A dQp + Berechnung der Stromstärke Abb. 2.2.4 Berechnung der Stromstärke bei Strömung positiver und negativer Ladungen Es sollen jetzt positive und negativer Ladungsträger vorhanden sein, die in dt durch den Querschnitt A bewegt Gwerden.G Die Geschwindigkeitsvektoren der positiven und negativen Ladungsträger v p und v n sind entgegengerichtet, da beide Ladungsträgerarten von der gleichen Feldkraft bewegt werden. Die Verhältnisse sind in Abb. 2.2.4 dargestellt. Die Geschwindigkeitsbeträge sind unterschiedlich, so dass in der gleichen Zeit dt unterschiedliche Wegstrecken dsp und dsn zurückgelegt werden. dQ = dQp − dQn vp = dQ = e ⋅ p ⋅ A ⋅ dsp − ( −e ⋅ n ⋅ A ⋅ dsn ) dsp dt vn = dsn dt Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 25 1etv2-1 dQp = e ⋅ p ⋅ A ⋅ dsp + e ⋅ n ⋅ A ⋅ dsn = e ⋅ A ⋅ ( p ⋅ dsp + n ⋅ dsn ) i= ds dQ ds = e ⋅ A ⋅ p ⋅ p + n ⋅ n dt dt dt i = e ⋅ A ⋅ (p ⋅ v p + n ⋅ vn ) (2.2.05) Die elektrische Stromstärke ist eine skalare Größe, sie hat nur Betrag und ein Vorzeichen. Ein positiver Strom gibt eine Strömung in Bewegungsrichtung der positiven Ladungsträger an. + G vp A i1 G vn − i2 Abb. 2.2.5 Definition des Zählpfeils Ist die Bewegungsrichtung bekannt, lässt sich die positive Stromstärke durch einen Richtungspfeil darstellen. Ist die Bewegungsrichtung der positiven Ladungsträger nicht bekannt, weil der Strom erst berechnet werden soll, wird ein Zählpfeil für die Stromrichtung eingeführt. Ein Zählpfeil ist die Festlegung der positiv zu zählenden Richtung unabhängig von der tatsächlichen positiven Stromrichtung. In Abb. 2.2.5 sind mit den Zählpfeilen i1 und i2 die beiden möglichen Fälle eingezeichnet. Da im Bild die Geschwindigkeitsrichtungen der positiven Ladungsträger eingetragen ist, muss die Rechnung ergeben: i1 > 0; Die Zählpfeilrichtung stimmt mit der tatsächlichen Richtung überein. i2 < 0; Der Strom fließt tatsächlich in die entgegengesetzte Richtung. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 26 1etv2-1 2.2.2. Elektrische Stromdichte Der Lernende kann die Stromdichte definieren den Zusammenhang zwischen Stromdichte und Geschwindigkeit der Ladungsträger begründen die Richtung des Stromdichtevektors angeben zulässige Stromdichtewerte für frei in Luft verlegte Kupferleitungen angeben In 2.2.1. haben wir die elektrische Stromstärke nach (2.2.05) berechnet. i = e ⋅ A ⋅ (p ⋅ v p + n ⋅ vn ) Im Folgenden sollen nur positive Ladungsträger betrachtet werden. i = e ⋅ A ⋅ p ⋅ vp (2.2.06) Stellt man (2.2.06) nach der Geschwindigkeit um, hat man ein Maß für die Stoßprozesse bei der Ladungsträgerbewegung und damit für die Erwärmung des Leiters und dessen thermischer Belastung. vp = i i =K⋅ e ⋅p ⋅ A A Wir sehen, dass für die thermische Belastung eines Leiters die auf den Querschnitt A bezogene Stromstärke entscheidend ist. Dieser Quotient wird als Stromdichte eingeführt: i J = = e ⋅ p ⋅ vp (2.2.07) A In Tabelle 2.2.1 sind die zulässigen Strombelastungen und Stromdichten einadriger frei in Luft verlegter Leitungen zusammengestellt. A in mm 2 0.5 1 2.5 10 50 Imax,Cu in A 12 20 36 86 240 Imax,Al in A - - 27 67 187 Jmax,Cu/(A/mm2) 24 20 14.4 8.6 4.8 Jmax,Al/(A/mm2) - - 10.8 6.7 3.74 Tab. 2.2.1 Zulässige Strombelastung einandriger Leitungen frei in Luft verlegt: Werden auch negative Ladungsträger berücksichtigt, berechnet sich die Stromdichte nach (2.2.08) J = e ⋅ p ⋅ vp + e ⋅ n ⋅ vn (2.2.08) Da die Geschwindigkeit ein Vektor ist, wird auch die Stromdichte ein Vektor sein G G G J = e ⋅ p ⋅ vp − e ⋅ n ⋅ vn (2.2.09) Die positive Richtung des Stromdichtevektors stimmt mit dem Geschwindigkeitsvektor der positiven Ladungsträger überein. Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 27 1etv2-1 2.2.3 Stromarten, zeitliche Stromverläufe Der Lernende kann die Stromarten Gleichstrom, Wechselstrom, Mischstrom, Impulsstrom definieren den zeitlichen Verlauf der Stromarten skizzieren den wichtigsten Wechselstrom angeben und skizzieren Gleichstrom ist ein Strom mit stets gleicher Richtung und konstanter Stromstärke. 12 i in A 10 8 In Abb. 2.2.6 ist der Gleichstrom I = 10A im Zeitbereich 0 ≤ t ≤ 30ms dargestellt 6 4 2 t in ms 0 0 5 Abb. 2.2.6 Ein Wechselstrom ist eine periodische Zeitfunktion mit der Periodendauer T oder der Frequenz f = 1/T (2.2.10) mit dem arithmetischem Mittelwert über eine Periode t +T 1 (2.2.11) i = ⋅ ∫ i(t) ⋅ dt = 0 T t Die in den Abbildungen 2.2.7 und 2.2.8 dargestellten Wechselströme haben die Periodendauer T = 20ms und damit die Frequenz f = 50Hz 15 10 15 20 25 30 50 60 Gleichstrom i in A 10 5 0 -5 0 10 20 30 t in40ms -10 -15 -20 Abb. 2.2.7 Wechselstrom Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 28 1etv2-1 Der wichtigste Wechselstrom ist der mit zeitlich sinusförmigem Verlauf. 15 i in A 10 5 0 0 -5 10 20 30 t in40ms 50 60 -10 -15 Abb. 2.2.8 Unter Mischstrom versteht man einen Strom, der aus der Summe von einem Gleich und einem Wechselstrom gebildet wird. sinusförmiger Wechselstrom 12 i in A 10 8 6 4 2 0 0 10 20 Abb. 2.2.9 Ein Impulsstrom entsteht aus einer periodischen Folge von Impulsen spezieller Form. In Abb. 2.2.10 ist eine Folge von Rechteckimpulsen mit einer Periodendauer von 10ms dargestellt. 12 30 40 t in 50 ms Mischstrom i in A 10 8 6 4 2 0 0 10 Abb. 2.2.10 20 Impulsstrom 30 t in ms 40 60 Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 29 1etv2-1 2.2.4 Messung der Stromstärke Der Lernende kann die Maßeinheit Ampere definieren analog anzeigende Messwerke zur Strommessung benennen Wirkprinzip digital anzeigende Messinstrumente zur Strommessung erläutern Messinstrumente zur Strommessung in den Stromkreis einfügen Die Maßeinheit einer physikalische Größe ist nur brauchbar, wenn man die Größe auch in ihr messen kann, d.h. zählen, wie viele Einheiten in der Größe enthalten sind. Die Maßeinheit der elektrischen Stromstärke ist das Ampere. Ein Strom von 1A , der in zwei parallelen, geradlinigen, unendlich langen, in 1 m Abstand befindlichen Leitern von vernachlässigbarem kreisrunden Querschnitt fließt übt zwischen ihnen im Vakuum die Kraft 0.2 ⋅ 106 N je Meter Länge aus. Für Spezialzwecke wird dieses Prinzip für die Strommessung verwendet, die geradlinigen Leiter werden dabei zu Spulen gewickelt. . Das Strommessgerät wird grundsätzlich vom zu messenden Strom durchflossen. Es wird in den Stromkreis zwischen Quelle und Verbraucher geschaltet (Abb. 2.2.11) Im allgemeinen nutzt man für die Messung die Kraftwirkung aus, die stromdurchflossene Leiter in einem Magnetfeld erfahren A Ri Ra Abb. 2.2.11 Einfügung eines Strommessers in den Stromkreis Beim Drehspulmesswerk befindet sich eine mit dem Zeiger verbundene, drehbar gelagerte Spule Sp im Feld B eines Dauermagneten. Das Drehspulmesswerk nutzt die Kraft, die ein stromdurchflossener Leiter im Magnetfeld erfährt. Das Drehmoment der Drehspule wirkt gegen eine Feder, so dass sich ein dem Strom I proportionaler Zeigerausschlag ergibt. Die Prinzipskizze des Drehspulmesswerkes ist in Abb. 2.2.12 dargestellt. Abb. 2.2.12 M M B K N Sp Drehspulmesswerk Dreheiseninstrumente arbeiten nach dem Prinzip der im Magnetfeld auf Eisenwerkstoffe ausgeübten Kraft. In eine vom zu messenden Strom I durchflossene Zylinderspule Z (Abb. 2.2.13) wird ein beweglicher Weicheisenkörper D eine abstoßende Kraft gegenüber einem festen Weicheisenkörper F erfahren und wird gegen eine Federkraft einen dem Quadrat des Messstromes proportionalen Zeigerausschlag bewirken. S d I D Z F Abb. 2.2.13 Dreheisenmesswerk Prof. Dr.-Ing. Herzig Vorlesung "Grundlagen der Elektrotechnik 1" 30 1etv2-1 Digitale Instrumente werten die beim Stromfluss durch einen Widerstand entstehende Spannung digital aus und bringen Maßzahl und Maßeinheit der gemessenen Spannung zur Anzeige. I R U = I⋅R I Abb. 2.2.14 zeigt das Prinzipschaltbild eines digitalen Strommessers für die Messung von Gleichströmen. Decoder AD-Wandler Abb. 2.2.14 Prinzipschaltbild eines digitalen Instrumentes .